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Ablauf der Referendumsfrist: 19. Januar 2023

Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG) vom 30. September 2022

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 74 und 89 der Bundesverfassung1, nach Einsicht in den Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 25. April 20222 und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Juni 20223, beschliesst:

Art. 1

Zweck

Dieses Gesetz bezweckt im Einklang mit dem Klimaübereinkommen vom 12. Dezember 20154 die Festlegung folgender Ziele:

1 2 3 4

a.

Verminderung der Treibhausgasemissionen und Anwendung von Negativemissionstechnologien;

b.

Anpassung an und Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels;

c.

Ausrichtung der Finanzmittelflüsse auf eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung.

SR 101 BBl 2022 1536 BBl 2022 1540 SR 0.814.012

2022-3054

BBl 2022 2403

Ziele im Klimaschutz, Innovation und Stärkung der Energiesicherheit. BG

Art. 2

BBl 2022 2403

Begriffe

In diesem Gesetz bedeuten: a.

Negativemissionstechnologien: biologische und technische Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Wäldern, in Böden, in Holzprodukten oder in anderen Kohlenstoffspeichern zu binden;

b.

direkte Emissionen: durch den Betrieb verursachte Treibhausgasemissionen, die insbesondere durch die Verbrennung von Energieträgern sowie durch Prozesse entstehen;

c.

indirekte Emissionen: Treibhausgasemissionen, die bei der Bereitstellung der eingekauften Energie verursacht werden;

d.

Netto-Null-Emissionen: grösstmögliche Verminderung der Treibhausgasemissionen und Ausgleich der Wirkung der verbleibenden Emissionen durch die Anwendung von Negativemissionstechnologien.

Art. 3

Ziel der Verminderung von Treibhausgasemissionen und der Anwendung von Negativemissionstechnologien

Der Bund sorgt dafür, dass die Wirkung der in der Schweiz anfallenden von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 Null beträgt (NettoNull-Ziel), indem: 1

a.

die Treibhausgasemissionen so weit möglich vermindert werden; und

b.

die Wirkung der verbleibenden Treibhausgasemissionen durch die Anwendung von Negativemissionstechnologien in der Schweiz und im Ausland ausgeglichen wird.

Nach dem Jahr 2050 muss die durch die Anwendung von Negativemissionstechnologien entfernte und gespeicherte Menge an CO2 die verbleibenden Treibhausgasemissionen übertreffen.

2

Der Bund sorgt dafür, dass die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 gemäss den festgelegten Zwischenzielen vermindert werden: 3

a.

im Durchschnitt der Jahre 2031­2040: um mindestens 64 Prozent;

b.

bis zum Jahr 2040: um mindestens 75 Prozent;

c.

im Durchschnitt der Jahre 2041­2050: um mindestens 89 Prozent.

Die Verminderungsziele müssen technisch möglich und wirtschaftlich tragbar sein.

Soweit möglich müssen sie durch Emissionsverminderungen in der Schweiz erreicht werden.

4

Der Bund und die Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dafür, dass spätestens bis 2050 in der Schweiz und im Ausland Kohlenstoffspeicher im notwendigen Umfang für die Erreichung des Netto-Null-Ziels zur Verfügung stehen. Der Bundesrat kann Richtwerte für die Anwendung von Negativemissionstechnologien festlegen.

5

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Für die Erreichung der Ziele nach den Absätzen 1 und 2 werden die Emissionen aus in der Schweiz getankten Treibstoffen für internationale Flüge und Schifffahrten mitberücksichtigt.

6

Art. 4

Richtwerte für einzelne Sektoren

Zur Erreichung der Verminderungsziele nach Artikel 3 Absätze 1 und 3 sind die Treibhausgasemissionen in der Schweiz in den folgenden Sektoren gegenüber 1990 mindestens wie folgt zu vermindern: 1

a.

im Sektor Gebäude: 1. bis 2040: um 82 Prozent, 2. bis 2050: um 100 Prozent;

b.

im Sektor Verkehr: 1. bis 2040: um 57 Prozent, 2. bis 2050: um 100 Prozent;

c.

im Sektor Industrie: 1. bis 2040: um 50 Prozent, 2. bis 2050: um 90 Prozent.

Der Bundesrat kann nach Anhörung der betroffenen Kreise im Einklang mit Absatz 1 Richtwerte für weitere Sektoren, für Treibhausgase und für Emissionen aus fossilen Energieträgern festlegen. Dabei berücksichtigt er die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Verfügbarkeit neuer Technologien sowie die Entwicklungen in der Europäischen Union.

2

Art. 5

Fahrpläne für Unternehmen und Branchen

Alle Unternehmen müssen spätestens im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen aufweisen. Dabei sind mindestens die direkten und die indirekten Emissionen zu berücksichtigen.

1

Zur Erreichung des Ziels nach Absatz 1 können die Unternehmen und Branchen Fahrpläne erarbeiten.

2

Der Bund stellt Unternehmen oder Branchen, die bis zum Jahr 2029 entsprechende Fahrpläne ausarbeiten, Grundlagen, Standards sowie fachkundige Beratung zur Verfügung. Er kann international anerkannte Standards berücksichtigen.

3

Art. 6

Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen

Der Bund sichert Unternehmen bis zum Jahr 2030 Finanzhilfen zu für die Anwendung von neuartigen Technologien und Prozessen, die der Umsetzung der Fahrpläne nach Artikel 5 Absatz 2 oder einzelner Massnahmen davon dienen.

1

2

Die Finanzhilfen werden über bestehende Förderinstrumente ausgerichtet.

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3

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Der Bundesrat regelt insbesondere: a.

die Anforderungen an die einzelnen Massnahmen;

b.

bis wann die Fahrpläne oder die einzelnen Massnahmen umzusetzen sind.

Keine Beiträge werden ausgerichtet für Massnahmen, die bereits anderweitig eine Förderung erhalten oder in ein Instrument zur Verminderung der Treibhausgasemissionen eingebunden sind.

4

Die Bundesversammlung bewilligt mit einfachem Bundesbeschluss einen sechsjährigen Verpflichtungskredit.

5

Art. 7

Absicherung von Risiken

Mit den Mitteln nach Artikel 6 Absatz 5 sichert der Bund zudem Risiken von Investitionen in öffentliche Infrastrukturbauten ab, die für die Erreichung des Netto-NullZiels notwendig sind. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Art. 8

Anpassung an und Schutz vor dem Klimawandel

Der Bund und die Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dafür, dass in der Schweiz die notwendigen Massnahmen zur Anpassung an und zum Schutz vor den nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels ergriffen werden.

1

Im Vordergrund steht dabei die Vermeidung der Zunahme von klimabedingten Schäden an Menschen und Sachwerten, insbesondere infolge: 2

a.

des Anstiegs der durchschnittlichen Temperatur und der Veränderung der Niederschläge;

b.

intensiver, häufiger und lang andauernder klimatischer Extremereignisse;

c.

von Veränderungen der Lebensräume und der Artenzusammensetzung.

Art. 9

Ziel zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse

Der Bund sorgt dafür, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet. Es sollen insbesondere Massnahmen zur Verminderung der Klimawirkung von nationalen und internationalen Finanzmittelflüssen getroffen werden.

1

Der Bundesrat kann mit den Finanzbranchen Vereinbarungen zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzflüsse abschliessen.

2

Art. 10

Vorbildfunktion von Bund und Kantonen

Bund und Kantone nehmen in Bezug auf die Erreichung des Ziels von Netto-NullEmissionen und auf die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels eine Vorbildfunktion wahr.

1

Die zentrale Bundesverwaltung muss bis zum Jahr 2040 mindestens Netto-NullEmissionen aufweisen. Dabei werden neben den direkten und indirekten Emissionen 2

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auch die Emissionen berücksichtigt, die vor- und nachgelagert durch Dritte verursacht werden.

Der Bundesrat legt die für diese Zielerreichung notwendigen Massnahmen fest. Er kann Ausnahmen im Zusammenhang mit der Sicherheit des Landes und dem Schutz der Bevölkerung vorsehen. Er informiert die Bundesversammlung regelmässig über den Stand der Zielerreichung.

3

Die Kantone für ihre zentralen Verwaltungen und die bundesnahen Betriebe streben an, ab 2040 mindestens Netto-Null-Emissionen aufzuweisen. Der Bund stellt ihnen für die Wahrnehmung ihrer Vorbildfunktion die notwendigen Grundlagen zur Verfügung.

4

Art. 11

Umsetzung der Ziele

Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung nach vorgängiger Anhörung der betroffenen Kreise und unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse rechtzeitig Anträge zur Umsetzung der Ziele dieses Gesetzes: 1

a.

für die Periode 2025­2030;

b.

für die Periode 2031­2040;

c.

für die Periode 2041­2050.

Er unterbreitet der Bundesversammlung die Anträge nach Absatz 1 grundsätzlich im CO2-Gesetz vom 23. Dezember 20115.

2

Die Anträge des Bundesrates sind auf eine Stärkung der Volkswirtschaft und auf Sozialverträglichkeit ausgerichtet.

3

Bund und Kantone setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten in der Schweiz und im internationalen Verhältnis für die Begrenzung der Risiken und Auswirkungen des Klimawandels entsprechend den Zielen dieses Gesetzes ein.

4

Art. 12

Verhältnis zu anderen Erlassen

Vorschriften anderer Bundeserlasse und kantonaler Erlasse, insbesondere in den Bereichen CO2, Umwelt, Energie, Raumplanung, Finanz-, Land-, Wald- und Holzwirtschaft, Strassen- und Luftverkehr sowie Mineralölbesteuerung, sollen so ausgestaltet und angewendet werden, dass sie zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes beitragen.

1

Wo eine besondere Ausgangslage für Berg- und Randgebiete besteht, werden zusätzliche Unterstützungen vorgesehen.

2

Art. 13

Vollzug

1

Der Bundesrat vollzieht dieses Gesetz und erlässt die Ausführungsbestimmungen.

2

Er kann für bestimmte Aufgaben die Kantone oder private Organisationen beiziehen.

5

SR 641.71

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Art. 14

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Änderung eines anderen Erlasses

Die Änderung eines anderen Erlasses wird im Anhang geregelt.

Art. 15 1

Referendum und Inkrafttreten

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Es ist im Bundesblatt zu publizieren, sobald die Volksinitiative vom 27. November 20196 «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» zurückgezogen oder abgelehnt worden ist.7 2

3

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Nationalrat, 30. September 2022

Ständerat, 30. September 2022

Die Präsidentin: Irène Kälin Der Sekretär: Pierre-Hervé Freléchoz

Der Präsident: Thomas Hefti Die Sekretärin: Martina Buol

Datum der Veröffentlichung: 11. Oktober 2022 Ablauf der Referendumsfrist: 19. Januar 2023

6 7

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BBl 2019 8550 BBl 2022 2412

Ziele im Klimaschutz, Innovation und Stärkung der Energiesicherheit. BG

BBl 2022 2403

Anhang (Art. 14)

Änderung eines anderen Erlasses Das Energiegesetz vom 30. September 20168 wird wie folgt geändert: Einfügen von Art. 50a vor dem Gliederungstitel des 2. Abschnitts Art. 50a

Impulsprogramm für den Ersatz von Wärmeerzeugungsanlagen und Massnahmen im Bereich der Energieeffizienz

Der Bund fördert im Rahmen eines Impulsprogramms mit einem Betrag von 200 Millionen Franken pro Jahr und befristet auf zehn Jahre den Ersatz fossil betriebener Heizungen und ortsfester elektrischer Widerstandsheizungen durch eine Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien und Massnahmen im Bereich der Energieeffizienz.

1

Der Vollzug erfolgt durch die Kantone im Rahmen der bestehenden Strukturen nach Artikel 34 des CO2-Gesetzes vom 23. Dezember 20119.

2

Die Mittel werden den Kantonen in einem Sockelbeitrag pro Einwohnerin und Einwohner ausgerichtet. Der Bundesrat kann bei der Ausrichtung der Mittel die bisherigen Anstrengungen der Kantone im Gebäudebereich berücksichtigen.

3

Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, insbesondere die Höhe der Förderbeiträge unter Berücksichtigung fehlender Wärmeverteilsysteme. Er unterstützt beim Ersatz fossil betriebener Heizungen insbesondere Anlagen im mittleren und höheren Leistungsbereich und legt die minimalen Anforderungen an das Impulsprogramm fest.

4

Die Bundesversammlung bewilligt mit einfachem Bundesbeschluss einen zehnjährigen Verpflichtungskredit.

5

Art. 53 Abs. 2 erster Satz, Abs. 2bis und 3 Bst. a Die Finanzhilfen nach den Artikeln 47, 48 und 50 dürfen 40 Prozent der anrechenbaren Kosten nicht übersteigen. ...

2

Die Finanzhilfen nach Artikel 49 Absatz 2 dürfen 50 Prozent der anrechenbaren Kosten nicht übersteigen. Ausnahmsweise können die Finanzhilfen für Pilotanlagen und -projekte mit niedriger Technologiereife und hohem finanziellem Risiko bis auf 70 Prozent der anrechenbaren Kosten erhöht werden. Massgebend für die Ausnahme sind das besondere Interesse des Bundes sowie das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen.

2bis

8 9

SR 730.0 SR 641.71

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Als anrechenbare Kosten gelten: a.

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bei den Finanzhilfen nach Artikel 49 Absatz 2: die nicht amortisierbaren Anteile der Kosten, die direkt im Zusammenhang mit der Entwicklung und Erprobung der innovativen Aspekte des Projektes stehen;