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Grundwasserschutz in der Schweiz Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 7. Oktober 2021

2022-2098

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Schlüsselbegriffe

Planerischer Grundwasserschutz Beim planerischen Grundwasserschutz werden rund um Grundwasservorkommen Schutzgebiete festgelegt, in denen bestimmte Aktivitäten nur beschränkt oder gar nicht erlaubt sind. Ziel ist es, das Grundwasser in ausreichender Menge und guter Qualität zu sichern.

Zuströmbereich Der Zuströmbereich bezeichnet das Gebiet, aus dem das Wasser einer Grundwasserfassung hauptsächlich stammt.

Nutzungskonflikt Beim planerischen Grundwasserschutz spricht man von einem Nutzungskonflikt, wenn sich in einem Schutzgebiet Anlagen befinden oder Aktivitäten stattfinden, die dort gemäss der Gewässerschutzgesetzgebung nicht zulässig sind.

Vollzugshilfe Vollzugshilfen sind Publikationen, in denen der Bund erläutert, wie die Vollzugsbehörden (z. B. die Kantone) die rechtlichen Vorgaben des Bundes in einem bestimmten Politikfeld umsetzen können. Sie sollen den Vollzug erleichtern und eine einheitliche Vollzugspraxis fördern.

Gewässerschutzprogramm Im Gewässerschutzprogramm treffen Landwirtschaftsbetriebe Massnahmen, um Verunreinigungen im Grundwasser zu vermindern. Der Bund entschädigt sie für Ertragseinbussen, die mit den Massnahmen verbunden sind.

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Das Wichtigste in Kürze Die Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes ist nur teilweise zweckmässig. Zwar leistet der Bund gute Vollzugsunterstützung, es bestehen jedoch Defizite beim Monitoring über den Stand des kantonalen Vollzugs. Bei Vollzugslücken schreitet der Bund kaum ein. Insgesamt gut gelöst sind auf Bundesebene die Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaft sowie Raumplanung.

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) beauftragten die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) im Januar 2020, eine Evaluation zur Wasserqualität durchzuführen, wobei der Schwerpunkt von Beginn an auf dem Grundwasserschutz lag.

Im Mai 2020 präzisierte die zuständige Subkommission EDI/UVEK der GPK des Nationalrates (GPK-N), dass die PVK die Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes sowie die Schnittstellen des Grundwasserschutzes zur Landwirtschafts- und zur Raumplanungspolitik auf Bundesebene untersuchen soll.

Die PVK hat zu diesem Zweck Dokumentenanalysen, gegen 40 Interviews und eine Umfrage bei allen kantonalen Umweltämtern durchgeführt. In einem Rechtsgutachten liess sie zudem untersuchen, ob die rechtlichen Grundlagen für die Bundesaufsicht zweckmässig sind. Auf der Basis dieser Abklärungen gelangt die PVK zu den folgenden Hauptergebnissen.

Die rechtlich verfügbaren Aufsichtsmittel des Bundes sind klar, doch ihre begrenzte Reichweite erschwert eine wirksame Aufsicht (Kap. 3) Das Bundesrecht legt im Wesentlichen klar fest, welche Aufgaben die Kantone im Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zu erfüllen haben (Ziff. 3.1) und welche Mittel der Bund hat, um den kantonalen Vollzug zu beaufsichtigen (Ziff. 3.2). Das Bundesrecht für den planerischen Grundwasserschutz gibt aber nicht vor, innert welcher Fristen die Kantone ihre Vollzugsaufgaben erledigen müssen. Auch ist die Berichterstattung der Kantone an den Bund nur rudimentär festgelegt. Schliesslich stehen dem Bund keine praktikablen Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, wenn ein Kanton seine Aufgaben nicht oder nicht korrekt erfüllt. Dies erschwert eine wirksame Aufsicht des Bundes (Ziff. 3.3).

Die Vollzugsunterstützung ist von guter Qualität, aber die Aktualisierung der Vollzugshilfe verzögert sich (Kap. 4) Das
Bundesamt für Umwelt (BAFU) legt seinen Fokus in der Aufsicht zum planerischen Grundwasserschutz auf die Unterstützung der Vollzugsakteure. Es pflegt einen regelmässigen Austausch mit den kantonalen Gewässerschutzfachstellen. Bei Fragen und Anliegen zum Vollzug können diese wie auch andere Vollzugsakteure das BAFU niederschwellig kontaktieren. Die Auskünfte, die das BAFU erteilt, sind von guter Qualität (Ziff. 4.2). Die Vollzugsakteure schätzen die Qualität und Praxisnähe der

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Vollzugshilfe, bei deren Ausarbeitung das BAFU die Kantone stark einbezieht. Allerdings ist das BAFU bei notwendigen Ergänzungen und Aktualisierungen der Vollzugshilfe erheblich in Verzug (Ziff. 4.1).

Trotz anhaltender Vollzugslücken setzt das BAFU seine Aufsichtsmöglichkeiten sehr zurückhaltend ein (Kap. 4) Das BAFU macht von den vergleichsweise begrenzten Aufsichtsinstrumenten, die ihm das Recht zum planerischen Grundwasserschutz bietet, sehr wenig Gebrauch. Zwar hat das BAFU das Monitoring über den Stand des kantonalen Vollzugs in den letzten Jahren verbessert, doch weist dieses weiterhin wichtige Lücken auf und kann nur bedingt als zweckmässig bezeichnet werden (Ziff. 4.3). Noch zurückhaltender nutzt das BAFU seine Möglichkeiten, um Vollzugslücken zu begegnen. Obwohl das Amt seit Längerem und wiederholt festgestellt hat, dass in vielen Kantonen erhebliche Defizite beim Vollzug bestehen, hat es gegenüber den Kantonen bisher kaum interveniert (Ziff. 4.4). Damit ist letztlich nicht sichergestellt, dass das Ziel des planerischen Grundwasserschutzes ­ das Grundwasser in ausreichender Menge und guter Qualität für den heutigen und künftigen Gebrauch zu sichern ­ erreicht werden kann.

Schnittstellen zu Landwirtschaft und Raumplanung sind auf Bundesebene weitgehend zweckmässig ausgestaltet (Kap. 5 und 6) Die Kompetenzen an den Schnittstellen sind klar und zweckmässig zwischen den beteiligten Bundesämtern abgegrenzt. Die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern verläuft im Wesentlichen sachlich und konstruktiv, auch wenn diese unterschiedliche gesetzliche Aufträge zu erfüllen haben (Ziff. 5.1 und 6.1). Die Strukturen und Prozesse erlauben es dem BAFU in der Regel, die Anliegen des Grundwasserschutzes an beiden Schnittstellen angemessen einzubringen (Ziff. 5.2 und 6.2). An der Schnittstelle zur Raumplanungspolitik ist jedoch nicht durchgehend gewährleistet, dass das BAFU bei der Beurteilung der Sachpläne des Bundes frühzeitig einbezogen wird und die Grundwasserschutzgebiete in den Sachplänen konsequent abgebildet werden (Ziff. 6.2).

Erfolge des Gewässerschutzprogramms sind nicht nachhaltig gesichert (Ziff. 5.4) Die Projekte des Gewässerschutzprogramms an der Schnittstelle zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaft tragen in der Regel dazu bei, den Zustand des Grundwassers zu verbessern. Allerdings fehlen
im Programm Anreize, um die Grundwasserqualität über die Dauer der Projekte hinaus zu sichern, was für die Zweckmässigkeit des gesamten Programms zentral wäre. Zudem wird die Wirksamkeit des Programms dadurch eingeschränkt, dass es relativ selten genutzt wird (Ziff. 5.4).

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Inhaltsverzeichnis Schlüsselbegriffe

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Das Wichtigste in Kürze

3

1

Einleitung 1.1 Ausgangslage und Fragestellungen der Evaluation 1.2 Vorgehen 1.3 Aufbau des Berichts

7 7 8 9

2

Planerischer Grundwasserschutz und Schnittstellen zu Landwirtschaft und Raumplanung 2.1 Planerischer Grundwasserschutz 2.1.1 Zweck und rechtlicher Rahmen 2.1.2 Instrumente: Schutzgebiete und Nutzungseinschränkungen 2.1.3 Zuständigkeiten von Bund und Kantonen 2.2 Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaftspolitik 2.3 Schnittstellen zwischen planerischem Grundwasserschutz und Raumplanungspolitik 2.4 Abgrenzung des Evaluationsgegenstands

3

4

5

Zweckmässigkeit der rechtlichen Grundlagen für die Vollzugsaufsicht 17 3.1 Inhaltlich grösstenteils klare Anforderungen an die Kantone, aber keine Umsetzungsfristen 3.2 Klares verfügbares Aufsichtsinstrumentarium des Bundes 3.3 Begrenzte Reichweite der Aufsichtsinstrumente Zweckmässigkeit der Aufsichtspraxis des Bundes 4.1 Vollzugshilfe wird geschätzt, wobei Ergänzungs- und Aktualisierungsbedarf besteht 4.2 Reger, niederschwelliger Austausch zwischen Bund und Kantonen 4.3 Trotz Fortschritten noch Defizite beim Monitoring über den Vollzugsstand 4.4 Sehr zurückhaltende Nutzung von Aufsichtsinstrumenten bei Vollzugslücken 4.5 Trotz fehlender Aufsichtsstrategie kaum Hinweise auf uneinheitliche Aufsichtspraxis Zweckmässigkeit der Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaftspolitik auf Bundesebene

10 11 11 11 13 14 15 16

17 19 20 22 22 24 25 28 31 33

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5.1 5.2

5.3 5.4 6

7

Klar geregelte Kompetenzen und angemessene Zusammenarbeit zwischen BLW und BAFU Grundwasserschutz findet grösstenteils Eingang in Arbeiten der Verwaltung, hat im politischen Prozess aber einen schweren Stand Grundwasserschutz in der Vollzugshilfe angemessen abgedeckt Wirksamkeit des Gewässerschutzprogramms kaum bestritten, Erfolge aber nicht nachhaltig gesichert

Zweckmässigkeit der Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Raumplanungspolitik auf Bundesebene 6.1 Klar geregelte Kompetenzen zwischen ARE und BAFU 6.2 Grundwasserschutz findet grösstenteils Eingang in die Richtplanprüfung, bei Sachplänen erfolgt Einbezug teilweise spät 6.3 Leitfaden zur Richtplanung ohne verbindliche Vorgaben zum Grundwasserschutz Schlussfolgerungen 7.1 Die rechtlich verfügbaren Aufsichtsmittel des Bundes sind klar, doch ihre begrenzte Reichweite erschwert eine wirksame Aufsicht 7.2 Die Vollzugsunterstützung ist von guter Qualität, aber die Aktualisierung der Vollzugshilfe verzögert sich 7.3 Trotz anhaltender Vollzugslücken setzt das BAFU seine Aufsichtsmöglichkeiten sehr zurückhaltend ein 7.4 Schnittstellen zu Landwirtschaft und Raumplanung sind auf Bundesebene weitgehend zweckmässig ausgestaltet 7.5 Erfolge des Gewässerschutzprogramms sind nicht nachhaltig gesichert

33

34 36 36 40 40 41 42 44 44 45 45 46 47

Abkürzungsverzeichnis

48

Literatur- und Dokumentenverzeichnis

50

Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner

52

Impressum

60

Anhänge 1 Herangehensweise der Evaluation 2 Bewertungskriterien

55 56

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Ausgangslage und Fragestellungen der Evaluation

Schweizweit werden über 80 Prozent des Trinkwasserbedarfs aus Grundwasser gedeckt. Grundwasser spielt zudem eine wichtige Rolle als Teil von Ökosystemen und speist Fliessgewässer und Feuchtgebiete. Neuere Untersuchungen haben indessen gezeigt, dass die Qualität des Grundwassers wie auch des daraus gewonnenen Trinkwassers im «Wasserschloss Schweiz» nicht durchgehend gewährleistet ist.1 Die Probleme mit der Wasserqualität werden zu einem wichtigen Teil darauf zurückgeführt, dass die bundesgesetzlichen Vorgaben zum planerischen Grundwasserschutz nicht überall umgesetzt sind. So schätzte etwa das Bundesamt für Umwelt (BAFU) 2018, dass schweizweit rund 1 Million Personen aus Trinkwasserfassungen versorgt werden, deren Grundwasserschutzzonen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.2 Das Thema Wasserqualität gewann jüngst auch in der politischen und der öffentlichen Debatte an Bedeutung.3 Vor diesem Hintergrund haben die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) am 28. Januar 2020 die PVK beauftragt, eine Evaluation zur Wasserqualität in der Schweiz mit einem Fokus auf dem Grundwasserschutz durchzuführen. Sie wiesen die Untersuchung der Subkommission EDI/UVEK der GPK des Nationalrates (GPK-N) zu. Gestützt auf eine Projektskizze der PVK beschloss diese Subkommission im Mai 2020, dass die PVK nebst der Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes auch die Schnittstellen zur Landwirtschafts- und zur Raumplanungspolitik auf Bundesebene untersuchen solle.

Die Evaluation sollte namentlich die folgenden Fragestellungen beantworten:

1

2 3

­

Sind die rechtlichen Grundlagen für die Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zweckmässig? (Kap. 3)

­

Unterstützt der Bund die Kantone bei der Umsetzung der Bundesvorgaben zum planerischen Grundwasserschutz mit zweckmässigen Informationen?

(Ziff. 4.1 und 4.2) BAFU (2019a): Zustand und Entwicklung Grundwasser Schweiz. Ergebnisse der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA, Stand 2016. Bern: Bundesamt für Umwelt.

VKCS (2019): Pflanzenschutzmittel in Trinkwasser (Kampagnenbericht).

www.kantonschemiker.ch > Veröffentlichungen (Stand: 27. April 2021).

Reist, Viola / Olschewski, André (2019): Nutzungskonflikte bei Trinkwasserfassungen.

In: Aqua & Gas 2019 (6), 44­49.

BAFU (2018): Schutz der Grundwasserfassungen in der Schweiz ­ Stand des Vollzugs.

Bericht zur Umfrage bei den kantonalen Fachstellen. Bern: Bundesamt für Umwelt.

Starke Beachtung fanden in Politik und Öffentlichkeit etwa die Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung ­ Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (Volksabstimmung vom 13. Juni 2021); die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» (Volksabstimmung vom 13. Juni 2021); die Botschaft des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) vom 12.2.2020 (20.022) sowie die Pa. Iv. WAK-S «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» vom 29.8.2019 (19.475).

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­

Wendet der Bund das Instrumentarium zur Aufsicht über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zweckmässig an? (Ziff. 4.3 bis 4.5)

­

Sind auf Bundesebene die Schnittstellen zwischen dem Grundwasserschutz und der Landwirtschaftspolitik zweckmässig ausgestaltet? (Kap. 5)

­

Sind auf Bundesebene die Schnittstellen zwischen dem planerischen Grundwasserschutz und der Raumplanungspolitik zweckmässig ausgestaltet?

(Kap. 6)

1.2

Vorgehen

Zur Beantwortung der Evaluationsfragen nutzte die PVK verschiedene Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse (siehe Tabelle 1). Anhang 1 enthält eine Übersicht zur Herangehensweise der Evaluation, während Anhang 2 die verwendeten Bewertungskriterien aufführt.

Übersicht über die verwendeten Methoden

Zweckmässigkeit der rechtlichen Grundlagen Vollzugsunterstützung Nutzung des Aufsichtsinstrumentariums Schnittstellen zur Landwirtschaftspolitik Schnittstellen zur Raumplanungspolitik







Umfrage bei kantonalen Umweltämtern

1 2 3 4 5

Interviews

Problematik

Dokumentenanalyse

Frage

Rechtsgutachten

Tabelle 1

() ()






()

Legende: = Hauptbeitrag, () = sekundärer Beitrag

Um zu klären, inwieweit die rechtlichen Grundlagen für die Bundesaufsicht im planerischen Grundwasserschutz zweckmässig sind, liess die PVK ein externes Rechtsgutachten erstellen. Das Gutachten von Prof. Dr. Daniela Thurnherr, Professorin für öffentliches Recht an der Universität Basel,4 ist in den vorliegenden Bericht eingeflossen.

In den Dokumentenanalysen hat die PVK die einschlägigen Vollzugshilfen des Bundes und bestehende Studien zu Fragen des Grundwasserschutzes untersucht. Punktuell 4

Thurnherr, Daniela (2021): Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des Grundwasserschutzes. Rechtsgutachten im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle.

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wurden auch die kantonalen Gewässerschutzkarten analysiert. Zusätzlich zu diesen öffentlich verfügbaren Unterlagen wertete die PVK interne Dokumente der Bundesverwaltung aus, namentlich Arbeitspapiere und Faktenblätter zu Fragen des Grundwasserschutzes, Unterlagen zur Kommunikation zwischen dem BAFU und den Kantonen im Rahmen der Aufsicht sowie Dokumente zur Zusammenarbeit zwischen den Bundesämtern an den untersuchten Schnittstellen.

Weiter führte die PVK insgesamt 38 Interviews mit 46 Personen durch (siehe Liste aller Interviewpartnerinnen und -partner am Schluss dieses Berichts). Aus der Bundesverwaltung befragte sie Mitarbeitende, die Aufgaben in der Aufsicht über den kantonalen Vollzug des Grundwasserschutzes und/oder an den Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaft bzw. Raumplanung wahrnehmen. Weitere Gespräche führte sie mit ausgewählten Fachpersonen kantonaler Umwelt-, Landwirtschafts- und Raumplanungsämter. Zudem interviewte die PVK Vertreter von Wasserversorgungen, den Geschäftsführer eines hydrogeologischen Büros sowie eine Expertin und einen Experten aus der Wissenschaft.

Mit einer Online-Umfrage bei den 26 kantonalen Umweltämtern erhob die PVK im Januar und Februar 2021, wie die Kantone als zentrale Vollzugsakteure die Tätigkeiten des Bundes im Grundwasserschutz einschätzen. Die Umfrage deckte alle Bereiche ab, die in den fünf Fragestellungen der Evaluation angesprochen sind. Alle 26 Umweltämter füllten den Fragebogen aus. Die Ergebnisse der Umfrage5 sind in den vorliegenden Bericht eingeflossen.

Die PVK führte die Datenerhebungen und -analysen zwischen Februar 2020 und April 2021 durch. Zum Abschluss diskutierte die PVK die wichtigsten kritischen Punkte der Evaluation mit den Amtsdirektionen bzw. den von diesen bezeichneten Vertretungen des BAFU, des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) und des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE). Von Juni bis August 2021 hatte das betroffene Departemente für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) Gelegenheit, zu einem Entwurf des vorliegenden Berichts Stellung zu nehmen.

1.3

Aufbau des Berichts

Das folgende Kapitel beschreibt die Grundzüge des planerischen Grundwasserschutzes und die bedeutendsten Schnittstellen zur Landwirtschafts- und zur Raumplanungspolitik. Auch wird der Gegenstand der Evaluation abgegrenzt. Daran schliessen vier Kapitel an, in welchen die Fragestellungen der Evaluation beantwortet werden: Das Kapitel 3 beurteilt die Zweckmässigkeit der rechtlichen Grundlagen für die Aufsicht, das Kapitel 4 setzt sich mit der Zweckmässigkeit der Vollzugsunterstützung und der Aufsichtspraxis des Bundes auseinander. In den Kapiteln 5 und 6 wird bewertet,

5

Ergebnisse der Umfrage «Grundwasserschutz in der Schweiz: Rolle des Bundes», Arbeitspapier der PVK vom 7.10.2021 (im Folgenden Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz).

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inwieweit die Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und der Landwirtschaftspolitik sowie der Raumplanungspolitik zweckmässig ausgestaltet sind. Das Kapitel 7 präsentiert die Schlussfolgerungen aus den Erkenntnissen dieser Untersuchung.

2

Planerischer Grundwasserschutz und Schnittstellen zu Landwirtschaft und Raumplanung

Abbildung 1 zeigt schematisch, welche Elemente des Grundwasserschutzes im Rahmen der Evaluation untersucht und bewertet wurden und welche den Kontext bilden, der nicht genauer betrachtet wurde.

Analyseschema Abbildung 1 Grundwasserschutz Zweck u.a. qualitativer Schutz und quantitative Erhaltung der Grundwasservorkommen

Landwirtschaftspolitik

Planerischer Grundwasserschutz

Schnittstellen

Abwasserregulierung, Restwasserpolitik etc.

Rechtliche Grundlagen Schutzgebiete und Nutzungseinschränkungen

Vollzug durch Kantone - Ausscheidung Schutzgebiete - Regelung und Durchsetzung der Nutzungseinschränkungen - Kartierung und Inventarisierung

Verfügbare Aufsichtsinstrumente

- Kompetenzaufteilung und Zusammenarbeit - Einbringen der Anliegen - Gewässerschutzprogramm - Berücksichtigung in Vollzugshilfe

Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug - Vollzugsunterstützung - Monitoring über den Vollzugsstand - Massnahmen bei Vollzugslücken

Raumplanungspolitik Schnittstellen - Kompetenzaufteilung und Zusammenarbeit - Einbringen der Anliegen - Berücksichtigung in Vollzugshilfe

Legende: braun hinterlegte Felder = Gegenstand der Evaluation.

In der Folge wird näher auf jene Aspekte des Grundwasserschutzes eingegangen, die für die vorliegende Evaluation von Bedeutung sind: Ziffer 2.1 erläutert die Grundzüge des planerischen Grundwasserschutzes, namentlich die rechtlichen Grundlagen, die konkreten Instrumente des planerischen Grundwasserschutzes und die Aufgabenteilung zwischen Bund (Aufsicht) und Kantonen (Vollzug). In Ziffer 2.2 werden die Schnittstellen zur Landwirtschaftspolitik vorgestellt, in Ziffer 2.3 die Schnittstellen zur Raumplanungspolitik. Ziffer 2.4 geht schliesslich darauf ein, wie sich der Gegenstand der vorliegenden Evaluation von benachbarten Themenfeldern abgrenzt.

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2.1

Planerischer Grundwasserschutz

2.1.1

Zweck und rechtlicher Rahmen

Gemäss Artikel 76 der Bundesverfassung6 hat der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten für die haushälterische Nutzung und den Schutz der Wasservorkommen zu sorgen, Grundsätze über die Erhaltung der Wasservorkommen festzulegen und Vorschriften über den Gewässerschutz zu erlassen. Der Gesetzgeber erfüllt diesen Verfassungsauftrag vor allem mit dem Gewässerschutzgesetz (GSchG)7. Dieses ­ und darauf aufbauend die Gewässerschutzverordnung (GSchV)8 ­ enthält verschiedene Massnahmen zum Schutz der ober- und unterirdischen Wasservorkommen. Seit dem Gewässerschutzgesetz von 1971 kommt dabei dem planerischen Grundwasserschutz eine zentrale Rolle zu, um die Qualität und die Menge des vorhandenen Grundwassers für den heutigen und künftigen Gebrauch zu sichern.

2.1.2

Instrumente: Schutzgebiete und Nutzungseinschränkungen

Mit dem planerischen Grundwasserschutz werden Schutzgebiete9 rund um bestehende Grundwasserfassungen und potenziell nutzbare Grundwasservorkommen festgelegt und reguliert. In den Schutzgebieten sind bestimmte Aktivitäten, die die Grundwasservorkommen gefährden könnten, nur beschränkt zugelassen oder ganz untersagt.

Die Nutzungseinschränkungen sind abgestuft: Je näher ein Gebiet um eine Grundwasserfassung liegt, desto strikter sind in der Regel die Nutzungseinschränkungen.10 Abbildung 2 stellt die verschiedenen Arten von Schutzgebieten schematisch dar.

6 7 8 9

10

Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV; SR 101) Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (GSchG; SR 814.20) Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 (GSchV; SR 814.201) Der Begriff «Grundwasserschutzgebiete» wird in diesem Bericht verwendet, um die verschiedenen Instrumente des planerischen Grundwasserschutzes zusammenzufassen (Grundwasserschutzzonen, Gewässerschutzbereiche Au und Zu sowie Grundwasserschutzareale).

Siehe Artikel 19­21 GSchG sowie Artikel 29, Artikel 31 und Anhang 4 GSchV.

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Instrumente des planerischen Grundwasserschutzes Abbildung 2

Quelle: BAFU: Zukünftiges Trinkwasser, www.bafu.admin.ch > Themen > Wasser > Fachinformationen > Massnahmen > Grundwasserschutz > Zukünftiges Trinkwasser (Stand: 15. April 2021)

Der Gewässerschutzbereich Au ist das grossflächigste Schutzgebiet. Er umfasst sämtliche nutzbaren unterirdischen Gewässer mit ihren Randgebieten und schliesst die weiteren Schutzgebiete ein. In diesem gesamten Bereich werden Anlagen und Tätigkeiten, die eine besondere Gefahr für die Gewässer darstellen (z. B. Bauten, die unter den mittleren Grundwasserpegel reichen), nur ausnahmsweise und unter Auflagen bewilligt.

Der Zuströmbereich Zu bezeichnet das Gebiet, aus dem sich eine Grundwasserfassung hauptsächlich speist. Er soll 90 Prozent des Grundwassers abdecken, das der betreffenden Fassung zufliesst, und kann sich mehrere Quadratkilometer um eine Fassung ausdehnen. Er soll Grundwasserfassungen vor Stoffen schützen, die auch grössere Distanzen bis zur Fassung rasch zurücklegen können oder schwer abbaubar sind («mobile oder persistente Stoffe»). Die Ausscheidung des Zuströmbereichs ist zwingend vorgeschrieben, wenn bei einer bestehenden oder geplanten, im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassung «das Wasser durch Stoffe verunreinigt ist, die nicht genügend abgebaut oder zurückgehalten werden, oder wenn die konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch solche Stoffe besteht» (Art. 29 Abs. 1 Bst. c GSchV). In solchen Fällen muss der Kanton die nötigen Schutzmassnahmen für den betroffenen Zuströmbereich festlegen, z. B. Verwendungseinschränkungen für Dünger oder Einschränkungen beim Anbauverfahren.

Im näheren Umkreis um die Grundwasserfassungen von öffentlichem Interesse11 haben die Kantone sodann Grundwasserschutzzonen auszuscheiden. Die hier gelten-

11

Zum Begriff des öffentlichen Interesses siehe Ziff. 3.1.

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den strikteren Nutzungseinschränkungen sollen verhindern, dass das Grundwasser unmittelbar vor seiner Verwendung verschmutzt wird oder dass der Grundwasserzufluss zur Fassung vermindert wird. Von aussen nach innen bestehen die Zonen S3, S2 und S1 mit zunehmend strengeren Nutzungseinschränkungen. Die Zone S3 reicht üblicherweise wenige hundert Meter, die Zone S1 nur einige Meter um eine Fassung.12 Schliesslich haben die Kantone Grundwasserschutzareale auszuscheiden. Damit werden Grundwasservorkommen vorsorglich geschützt, in denen bisher keine Fassung besteht, die aber für die zukünftige Nutzung von Bedeutung sein können. Für Bauten und Anlagen gelten hier dieselben Einschränkungen wie in der Schutzzone S2 um bereits bestehende Fassungen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern ist in den Grundwasserschutzarealen hingegen nicht eingeschränkt.

Alle Gebiete ausserhalb der Gewässerschutzbereiche bilden die «übrigen Bereiche».

In ihnen gelten keine spezifischen Vorgaben, wohl aber die flächendeckenden Schutzbestimmungen zur Sorgfaltspflicht, zum Verunreinigungsverbot und zur quantitativen Erhaltung der Grundwasservorkommen (Art. 3, 6 und 43 GSchG).

Die gesetzlichen Bestimmungen zu den Gewässerschutzbereichen, den Grundwasserschutzzonen und den Grundwasserschutzarealen gelten zu wesentlichen Teilen seit 1972. 1998 wurden die Schutzmassnahmen präzisiert und die Zuströmbereiche als neues Instrument hinzugefügt.13

2.1.3

Zuständigkeiten von Bund und Kantonen

Während der Bund in der Gesetzgebung und in Vollzugshilfen die Ziele und Instrumente des Grundwasserschutzes vorgibt, sind für den Vollzug im Wesentlichen die Kantone zuständig (Art. 45 GSchG). Die Aufsicht über den kantonalen Vollzug obliegt wiederum dem Bund.

Zu den konkreten Vollzugsaufgaben der Kantone gehört es, die verschiedenen Gewässerschutzgebiete auszuscheiden. Sie müssen zudem überwachen, ob die Schutzvorgaben in diesen Gebieten eingehalten werden, und allfällige Verstösse gegen die Vorschriften ahnden. Die Kantone haben die ausgeschiedenen Schutzgebiete auf einer Gewässerschutzkarte zu erfassen (Art. 30 GSchV). Ausserdem müssen sie den sogenannten «Wasserversorgungsatlas» führen, ein Inventar mit allen Wasserversorgungsanlagen und Grundwasservorkommen im Kantonsgebiet (Art. 58 Abs. 2 GSchG). Die Kantone sind innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs verantwortlich für die Koordination des Grundwasserschutzes mit anderen Anforderungen wie etwa der Raumplanung. Gewisse Vollzugsaufgaben, insbesondere Kontroll- und Überwachungsaufgaben, können die Kantone an die Gemeinden oder auch an Private delegieren. Die Verantwortung dafür, dass die delegierten Aufgaben erfüllt werden, bleibt aber bei den Kantonen.

12

13

Bei stark heterogenen Karst- und Kluftgrundwasserleitern kommt seit 2016 ein anderes Schutzzonensystem zur Anwendung. Dieses umfasst von aussen nach innen die Schutzzonen Sm, Sh, S2 und S1, wobei die ersten beiden sehr ausgedehnt sein können.

Vgl. auch Brunner (2016).

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Der Bund wird in der Bundesverfassung generell verpflichtet, über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone zu wachen und die für die Einhaltung erforderlichen Massnahmen zu treffen.14 Für den Gewässerschutz wird diese Aufsichtsaufgabe des Bundes in Artikel 46 GSchG nochmals genannt, verbunden mit der Aufgabe, die Gewässerschutzmassnahmen der Kantone zu koordinieren. Zur Bundesaufsicht gehören allgemein gesagt die Vollzugsunterstützung (Vollzugshilfen und Beratung) und die Vollzugskontrolle (Beobachtung des kantonalen Vollzugsstands sowie Massnahmen bei allfälligen Vollzugslücken).15 Welche Instrumente dem Bund für die Vollzugskontrolle im planerischen Grundwasserschutz im Einzelnen zur Verfügung stehen, wird in Ziff. 3.2 ausgeführt. Für die Datenerfassung und Kartierung der planerischen Instrumente mittels Geodaten macht der Bund den Kantonen Vorgaben (Art. 49a GSchV).

Federführende Behörde des Bundes für die Aufgaben im Grundwasserschutz ist das BAFU. Die Sektion Gewässerschutz des Amtes ist ­ nebst anderen Aufgaben ­ für die Aufsicht über den Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zuständig. Das BAFU schätzt, dass die Mitarbeitenden der Sektion im Zeitraum 2015­2020 durchschnittlich rund 250 Personentage pro Jahr für Arbeiten im Zusammenhang mit der Aufsicht im planerischen Grundwasserschutz eingesetzt haben, was etwas mehr als einer Vollzeitstelle entspricht. Bis 2015 verwendete das BAFU hierfür deutlich weniger Ressourcen, seither sind sie schrittweise erhöht worden und betrugen im Jahr 2020 rund 350 Personentage. Hinzu kommen Dienstleistungsaufträge an Dritte im Umfang von durchschnittlich rund 50 000 Franken pro Jahr, z. B. für externe Unterstützung bei der Erarbeitung von Vollzugshilfemodulen.

2.2

Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaftspolitik

Die Landwirtschaft gilt neben Industrie, Gewerbe, Siedlungsbau und Siedlungsentwässerung als ein wesentlicher Verursacher von Beeinträchtigungen des Grundwassers. Nebst den Einschränkungen für landwirtschaftliche Tätigkeiten in den Schutzgebieten des planerischen Grundwasserschutzes verfügt der Bund an dieser Schnittstelle über weitere Instrumente, die eine Beeinträchtigung des Grundwassers durch die Landwirtschaft vermindern sollen. In der Evaluation betrachtet wurden nebst der Vollzugshilfe jene Instrumente, die das BAFU, das BLW und weitere Auskunftspersonen in den ersten Gesprächen mit der PVK als besonders wichtig bezeichneten: ­

14 15

Das Gewässerschutzprogramm stützt sich auf Artikel 62a GSchG und hat einen unmittelbaren Bezug zum Grundwasserschutz: Der Bund leistet im Rahmen des Programms Abgeltungen an Massnahmen der Landwirtschaft, die die Art. 49 Abs. 2 und Art. 186 Abs. 4 BV. Vgl. auch Thurnherr (2021), Rz. 95.

Es wird hier also ein weites Verständnis des Aufsichtsbegriffs gewählt, das nebst der Vollzugskontrolle auch die Vollzugsunterstützung zur Aufsicht zählt. Dies entspricht auch dem Verständnis des BAFU (BAFU: Vollzugshilfen und Mitteilungen an Gesuchsteller, www.bafu.admin.ch > Themen > Recht > Vollzugshilfen und Mitteilungen an Gesuchsteller. Stand: 15. April 2021). Vgl. auch Thurnherr (2021), Rz. 18.

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Abschwemmung und Auswaschung von Stoffen in dem Gebiet um eine Grundwasserfassung verhindern und für die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an die Wasserqualität nötig sind. Die Projekte werden vom jeweiligen Standortkanton geführt. Das BLW entscheidet über die Bundesbeteiligung nach Anhörung des BAFU.

­

Mit der Weiterentwicklung der Agrarpolitik (AP22+) bestand das Ziel, die gesetzlichen Bestimmungen auf die zukünftigen Herausforderungen für die Land- und Ernährungswirtschaft auszurichten. Diese Vorlage enthielt auch ein Massnahmenpaket als Alternative zur Trinkwasserinitiative und schlug Anpassungen im Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) für einen wirksameren Gewässerschutz vor. Die Federführung für die AP22+ lag beim BLW.16

­

Mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel (AP PSM) aus dem Jahr 2017 wurden unter Federführung des BLW Ziele und Massnahmen für eine Risikoreduktion und nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln definiert.

­

Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel: Die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln setzt eine Zulassung des BLW voraus. Das BLW entscheidet über die Zulassung und allfällige Auflagen gestützt auf eine wissenschaftliche Beurteilung der Risiken durch Agroscope und andere Stellen des Bundes. Das BAFU wirkt bei der Einstufung und Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel mit. Ab 2022 wird die Zulassungsstelle neu dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zugeordnet, und dem BAFU wird die Hauptverantwortung bei der Beurteilung der Risiken von Pflanzenschutzmitteln für die Umwelt zugeteilt.17

2.3

Schnittstellen zwischen planerischem Grundwasserschutz und Raumplanungspolitik

Die Raumplanung ist wie der Grundwasserschutz in erster Linie Aufgabe der Kantone. Angesichts der zahlreichen und zum Teil konkurrierenden Ziele in der Raumplanung ist die Interessenabwägung auf allen Planungsstufen zentral (so auch Art. 3 der Raumplanungsverordnung18). In diesem Sinne gilt es auch die Anliegen des Grundwasserschutzes vorausschauend und frühzeitig mit den weiteren raumplanerischen Interessen abzustimmen (Art. 46 GSchV), damit die zuständigen Behörden koordinierte Entscheide treffen können.

In der Evaluation wurden die bestehenden Vollzugshilfen sowie jene Bereiche näher betrachtet, die sich in den ersten Gesprächen der PVK mit Vertretungen von BAFU und ARE als besonders bedeutend herausstellten: 16

17 18

Das Parlament hat in der Frühlingsession 2021 die Beratung über die AP22+ sistiert.

Gleichzeitig wurde die Pa. Iv. WAK-S «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» vom 29. August 2019 (19.475) angenommen.

Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel wird verbessert, Medienmitteilung des Bundesrates vom 17. Februar 2021.

Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (RPV; SR 700.1).

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­

Genehmigung kantonaler Richtpläne: Der kantonale Richtplan ist das zentrale Planungsinstrument der Kantone in der Raumplanung. Er koordiniert raumwirksame Aktivitäten wie z. B. die Entwicklung von Siedlung, Verkehr und Infrastruktur, sorgt dabei auch für den Schutz von Natur und Landschaft und ist für alle Behörden verbindlich. Die Richtpläne oder ihre Anpassungen werden durch den Bundesrat genehmigt; sind Anpassungen unbestritten, so genehmigt sie das UVEK.

­

Sachplanung bei Vorhaben des Bundes: Der Bund zeigt in den Sachplänen, wie er seine raumwirksamen Aufgaben in einem bestimmten Sach- oder Themenbereich wahrnimmt, welche Ziele er verfolgt und welche Anforderungen und Vorgaben er dabei zu berücksichtigen gedenkt. Der Bundesrat verabschiedet die Sachpläne sowie deren Anpassungen auf Antrag des in der Sache zuständigen Departements.

­

Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Mit der UVP wird u. a. bei Bauvorhaben von Behörden für grosse Infrastrukturanlagen geprüft, ob das Vorhaben das Umweltrecht einhält, so beispielsweise auch bei Objekten in Sachplänen.

Zuständig für die Prüfung ist die Behörde, die über die Errichtung der Anlage entscheidet. Dazu gibt das BAFU eine Stellungnahme ab. Dabei kann auch der Grundwasserschutz Thema sein.

­

Bei der Rechtssetzung an der Schnittstelle zwischen der Raumplanung und dem Grundwasserschutz stand in den vergangenen Jahren die Revision des Raumplanungsgesetzes19, 2. Etappe (RPG2), im Zentrum.20

2.4

Abgrenzung des Evaluationsgegenstands

Der Gegenstand der vorliegenden Evaluation grenzt sich in verschiedener Hinsicht von benachbarten Themenfeldern ab: Erstens betrachtet die Evaluation nicht alle Massnahmen zum Schutz des Grundwassers, sondern beschränkt sich grundsätzlich auf den planerischen Grundwasserschutz.

Ausgeklammert werden damit Schutzmassnahmen, die flächendeckend ­ auch über die Schutzgebiete um Grundwasservorkommen hinaus ­ gelten wie beispielsweise Vorgaben zur Abwasserreinigung oder zur Restwasserregulierung. Einzig an der Schnittstelle zur Landwirtschaftspolitik, wo Instrumente ohne direkten Bezug zum planerischen Grundwasserschutz von besonderer Bedeutung sind, bezog die Evaluation auch solche ein (näher dazu Ziff. 2.2).

Zweitens untersuchte die PVK an den Schnittstellen zur Landwirtschafts- und zur Raumplanungspolitik jeweils vor allem die Organisation und die Abläufe der Zusammenarbeit, nicht deren inhaltliche Ergebnisse. So hat sie beispielsweise an der Schnitt-

19 20

Bundesgesetz vom 22.6.1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700).

Botschaft vom 31.10.2018 zur zweiten Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (BBl 2018 7443).

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stelle zur Landwirtschaftspolitik zwar das Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln analysiert, aber nicht untersucht, ob die Pestizidpolitik der Schweiz inhaltlich zweckmässig ist.21 Drittens nimmt die PVK ausdrücklich keine Bewertung der Vollzugstätigkeit der Kantone und weiterer Vollzugsakteure vor. Die Evaluation beschränkt sich vielmehr auf die Rolle des Bundes im Grundwasserschutz und an dessen Schnittstellen. Die Tätigkeiten der Kantone kommen im vorliegenden Bericht lediglich als Gegenstand der hier evaluierten Aufsicht des Bundes zur Sprache.

3

Zweckmässigkeit der rechtlichen Grundlagen für die Vollzugsaufsicht

Die PVK hat die Zweckmässigkeit der rechtlichen Grundlagen danach bewertet, ob die Vollzugsaufgaben der Kantone klar festgelegt sind und ob das Instrumentarium, das der Bund für die Aufsicht nutzen kann, klar geregelt ist und eine wirksame Aufsicht erlaubt. Die Bewertungskriterien sind in Anhang 2 detaillierter beschrieben. Die Bewertung der PVK stützt sich insbesondere auf das eingeholte Rechtsgutachten.22 Die Vollzugsaufgaben der Kantone sind inhaltlich mit wenigen Ausnahmen klar geregelt; allerdings klärt das Bundesrecht nicht, innert welcher Fristen die Kantone diese Aufgaben zu erledigen haben (Ziff. 3.1). Klarheit herrscht auch dazu, welche Aufsichtsinstrumente der Bund nutzen kann (Ziff. 3.2). Die eher begrenzte Reichweite dieser Instrumente erschwert es dem Bund jedoch, die Aufsicht auszuüben (Ziff. 3.3).

3.1

Inhaltlich grösstenteils klare Anforderungen an die Kantone, aber keine Umsetzungsfristen

Abgesehen von vereinzelten Ausnahmen, legt das Bundesrecht den Inhalt und den Umfang der kantonalen Vollzugsaufgaben im planerischen Grundwasserschutz klar und hinreichend präzis fest. Wo die Gewässerschutzgesetzgebung des Bundes unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, erscheint dies in den meisten Fällen sachlich gerechtfertigt.23 Wie die Umfrage der PVK zeigt, ist auch für die kantonalen Umweltämter klar, welche Vollzugsaufgaben ihnen das Bundesrecht überträgt.24 In zwei Punkten lässt das Bundesrecht allerdings Fragen zum Inhalt der Vollzugsaufgaben offen. Erstens legt Artikel 20 GSchG fest, dass die Kantone (nur) für jene Grundwasserfassungen, die im öffentlichen Interesse liegen, Schutzzonen ausscheiden müssen; Gesetz und Verordnung klären aber nicht, wann ein öffentliches Interesse 21

22 23 24

Der Zeitpunkt für eine solche Bewertung wäre ohnehin ungünstig gewesen, weil während der gesamten Dauer der Evaluation eine grosse politische Dynamik in Fragen der Pestizidregulierung bestand und somit ungewiss war, inwieweit die rechtliche Lage bei Abschluss der Evaluation noch dieselbe sein würde. So fielen etwa alle in Fussnote 3 genannten Geschäfte in die Zeit der Evaluation.

Thurnherr (2021).

Thurnherr (2021), Rz. 37, 76, 87.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q12.

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gegeben ist. Das BAFU hat zwar in der Vollzugshilfe eine klare Definition vorgenommen,25 diese ist jedoch nicht rechtsverbindlich und wird von manchen Kantonen als zu breit erachtet. Die Folge ist, dass kleinere private Fassungen in manchen Kantonen mit Grundwasserschutzzonen geschützt werden, in anderen Kantonen nicht. Diese uneinheitliche Praxis der Kantone wurde vom BAFU bereits 2014 konstatiert.26 2018 wünschte eine Mehrheit der kantonalen Gewässerschutzfachstellen in einer Umfrage des BAFU, dass der Bund für eine einheitliche Auslegung des Begriffs «öffentliches Interesse» sorge, und das BAFU stellte eine «Präzisierung» der Vollzugshilfe mit diesem Ziel in Aussicht.27 Bisher ist eine solche jedoch noch nicht erfolgt. Die zweite Unklarheit betrifft die Frage, wann «wichtige Gründe» vorliegen, die es den Kantonen erlauben, eine Ausnahmebewilligung für Bauten in den Schutzzonen S2 und S3 sowie in Grundwasserschutzarealen zu erteilen.28 Auch hier wünschte sich 2018 eine Mehrheit der kantonalen Gewässerschutzfachstellen, dass der Bund dies klärt,29 was bisher aber noch nicht geschehen ist.

Während das Bundesrecht also die Inhalte der kantonalen Vollzugsaufgaben im planerischen Grundwasserschutz mit gewissen Ausnahmen ausreichend klärt, äussert es sich nicht zu den Fristen, bis wann die Kantone diese Aufgaben zu erfüllen haben.

Namentlich lässt die Gewässerschutzgesetzgebung offen, bis wann die Kantone für alle Grundwasservorkommen und -fassungen die geforderten Schutzgebiete und Schutzmassnahmen festlegen müssen.30 In der Umfrage der PVK gab denn auch eine Mehrheit der kantonalen Umweltämter an, dass nicht klar oder eher nicht klar sei, bis wann die Kantone ihre Aufgaben zu erfüllen haben.31 Das Rechtsgutachten32, das die PVK in Auftrag gegeben hat, weist darauf hin, dass gesetzliche Fristen grundsätzlich «ein probates Mittel zur Beschleunigung der kantonalen Umsetzung» seien, vor allem wenn Konsequenzen für eine Fristüberschreitung vorgesehen würden33. Das Fehlen von Fristen wirke sich «für alle involvierten Akteure erschwerend aus», da so bei den Kantonen Unklarheit über die Erwartungen des Bundes bestehen und für den Bund unklar sein könne, ab wann er im Fall von Vollzugsdefiziten aktiv werden kann und soll. Das Gutachten stellt indessen auch fest, dass es sich dabei «nicht um unüberwindbare
Hindernisse» handelt, da sich eine angemessene Umsetzungsdauer und das Vorgehen des Bundes auch auf anderem Weg klären lassen. So kann von jenen Kantonen, die ihre Aufgaben bereits erledigt haben, auf den nötigen Aufwand geschlossen werden, und das Vorgehen für die Wahrneh-

25

26 27 28 29 30 31 32 33

Im öffentlichen Interesse liegen demnach «alle [Grundwasser-]Fassungen, deren Wasser den Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung entsprechen muss» (BUWAL 2004: 39).

BAFU (2014), 97.

BAFU (2018), 8, 13. Vgl. auch Thurnherr (2021), Rz. 2, 51­58.

Thurnherr (2021), Rz. 63­64, 69, 87. Die unklaren Regelungen finden sich in Anhang 4 Ziff. 221 Abs. 1 Bst. b und Ziff. 222 Abs. 1 Bst. a GSchV.

BAFU (2018), 13, 16.

Thurnherr (2021), Rz. 78, 88, 92.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q12.

Zum ganzen Abschnitt Thurnherr (2021), Rz. 88, 113, 140.

Zur Frage von Sanktionsmöglichkeiten im planerischen Grundwasserschutz siehe Ziff. 3.2 und 3.3.

18 / 60

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mung der Aufsichtspflicht kann beispielsweise auch im gegenseitigen Austausch zwischen dem BAFU und den Kantonen konkretisiert werden.34 Insgesamt macht das Fehlen von Fristen sowohl die Vollzugsaufgabe der Kantone als auch die Aufsichtsaufgabe des Bundes anspruchsvoller, muss einer aktiven Aufsichtswahrnehmung durch den Bund aber nicht im Weg stehen.

3.2

Klares verfügbares Aufsichtsinstrumentarium des Bundes

Das GschG äussert sich kaum dazu, mit welchen konkreten Instrumenten der Bund seine Aufsicht im planerischen Grundwasserschutz wahrnehmen kann und soll. Dennoch ist aus rechtlicher Sicht klar, welche Möglichkeiten dem Bund für seine Aufsichtsaufgabe zur Verfügung stehen und welche nicht. So verfügt er zunächst über alle Aufsichtsrechte, die nicht einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedürfen.

Diese ergeben sich aus seiner allgemeinen, verfassungsmässigen Aufsichtskompetenz, wonach der Bund über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone zu wachen und die für die Einhaltung erforderlichen Massnahmen zu treffen hat.35 In Frage kommen dabei «grundsätzlich alle Instrumente, die der Kontrolle ­ verstanden als Beobachtung und Intervention ­ dienen».36 Der Bund muss bei ihrer Anwendung aber die Verhältnismässigkeit wahren, darüber hinaus bestehen keine spezifischen Voraussetzungen für die Nutzung der verschiedenen Instrumente.37 Konkret kann der Bund bei den Kantonen Informationen über den Vollzug beschaffen (Auskünfte und Berichte einfordern, Inspektionen vornehmen), aber auch Anordnungen treffen, welche die Form von allgemeinen oder konkreten Weisungen, Mahnungen, Beanstandungen und Aufforderungen zur Korrektur haben können. Der Bund kann solche Anordnungen auch mit angemessenen Fristen verbinden, bis wann ein Kanton die Pflichten zu erfüllen hat. Nach überwiegender juristischer Meinung kann der Bund schliesslich auch zur Ersatzvornahme greifen, wenn vorherige Mahnungen nicht fruchteten; damit könnte der Bund eine vom Kanton nicht oder mangelhaft erledigte Handlung ­ beispielsweise die Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen ­ selbst oder durch einen beauftragten Dritten auf Kosten des säumigen Kantons vornehmen.38 Zu diesem Instrumentarium kommen jene (wenigen) Aufsichtselemente hinzu, die in GSchG und GSchV ausdrücklich genannt werden. Demnach hat der Bund das Recht, gegen Verfügungen der Kantone im Bereich des Gewässerschutzrechts ­ beispielsweise eine Baubewilligung in einer Grundwasserschutzzone ­ Rechtsmittel zu ergreifen (sogenannte Behördenbeschwerde). Auch definiert das Gewässerschutzrecht gewisse konkrete Berichterstattungspflichten der Kantone an den Bund, nämlich die Übermittlung der Gewässerschutzkarte, des Wasserversorgungsatlas und «weiterer

34 35 36 37 38

Thurnherr (2021), 113.

Art. 49 Abs. 2 und Art. 186 Abs. 4 BV.

Thurnherr (2021), Rz. 97.

Thurnherr (2021), Rz. 97­104, 110, 138, 142.

Thurnherr (2021), Rz. 62, 102, 112­113, 118­122, 131­145.

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Erhebungen» der Kantone.39 Aufgrund seiner oben erwähnten allgemeinen Aufsichtskompetenz kann der Bund diese Pflichten mit weiteren Informationserhebungen und Berichterstattungspflichten ergänzen.

Zwei Möglichkeiten zur Aufsichtsausübung stehen dem Bund im planerischen Grundwasserschutz hingegen nicht zur Verfügung: Erstens unterliegen die Umsetzungsentscheide der Kantone nicht einer Genehmigung durch den Bund, weil dafür keine gesetzliche Grundlage besteht. Zweitens sehen die gesetzlichen Grundlagen im planerischen Grundwasserschutz keine Bundessubventionen vor, sodass der Bund den Kantonen keine finanziellen Anreize setzen kann; er kann gegenüber Kantonen, die ihre Aufgaben nicht erfüllen, mithin auch keine Bundesgelder verweigern, aussetzen oder zurückfordern.40 Auch über andere Sanktionsmöglichkeiten verfügt der Bund nicht.41

3.3

Begrenzte Reichweite der Aufsichtsinstrumente

Ob das verfügbare Aufsichtsinstrumentarium ausreichend ist, um den Umsetzungsstand effektiv zu überprüfen und im Fall von Vollzugsdefiziten wirksame Massnahmen gegenüber den Kantonen zu ergreifen, ist differenziert zu beurteilen. Dies zeigen sowohl das Rechtsgutachten als auch die Interviews mit Mitarbeitenden des BAFU, der Kantone und der Wasserversorgungen sowie die Umfrage der PVK bei den kantonalen Umweltämtern42.

Kaum bestritten scheint, dass die bestehenden rechtlichen Grundlagen dem Bund ausreichende Möglichkeiten geben, um sich ein Bild über den Vollzugsstand zu machen.

Ob die rechtlichen Grundlagen auch zweckmässig sind, damit der Bund im Fall von Vollzugslücken wirksam intervenieren kann, wird stärker bezweifelt. Das Gutachten hält zwar fest, dass dem Bund im planerischen Grundwasserschutz aus rein rechtlicher Sicht eine durchaus breitgefächerte Palette an Instrumenten zur Verfügung steht, mit denen er seinen Aufsichtsaufgaben nachkommen und bei Bedarf einen korrekten Vollzug einfordern ­ und theoretisch mittels Ersatzvornahme sogar durchsetzen ­ könne.43 Insbesondere bei den Instrumenten der Ersatzvornahme und der Behördenbeschwerde sei die Praktikabilität aber fraglich, zumal der Bund die Ressourcen und Kenntnisse nicht hat, um in nennenswertem Umfang Vollzugshandlungen selbst zu tätigen.44 Die Auskunftspersonen aus der Praxis sind sich denn auch einig, dass die Ersatzvornahme keine realistische Option sei, auch weil dies dem schweizerischen 39 40

41 42 43 44

Art. 58 und Art. 67a GSchG, Art. 30 GSchV, Art. 4 VTM. Thurnherr (2021), Rz. 115­117.

Bundesbeiträge an die Vollzugsaufwendungen könnten einem allfälligen Ressourcenmangel in den Kantonen entgegenwirken. Ein solcher wurde von verschiedenen Auskunftspersonen gegenüber der PVK als Grund für Vollzugsschwierigkeiten im planerischen Grundwasserschutz erwähnt (siehe auch BAFU [2018]: 11). Von Seiten der kantonalen Umweltämter würden solche Bundesbeiträge überwiegend als förderlich für den Vollzug eingeschätzt (Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q24).

Thurnherr (2021), Rz. 121, 140, 145.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q24 und Q25.

Thurnherr (2021), Rz. 6­7, 147­149.

Siehe auch Thurnherr (2021), Rz. 140.

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Verständnis der Zusammenarbeit im Bundesstaat widersprechen würde. Auch das Instrument der Behördenbeschwerde ist im planerischen Grundwasserschutz in der Praxis kaum anwendbar: Erstens können Behördenbeschwerden nur gegen Verfügungen der Kantone ergriffen werden (z. B. gegen eine Baubewilligung in einer Grundwasserschutzzone), nicht aber gegen Unterlassungen (z. B. wenn um eine Grundwasserfassung gar keine Schutzzonen ausgeschieden werden oder wenn ein Kanton gegen einen Nutzungskonflikt nicht einschreitet). Zweitens erhält der Bund von kantonalen Verfügungen, die nicht von einem Dritten angefochten werden, in der Regel gar keine Kenntnis.45 Gewisse Auskunftspersonen der PVK, insbesondere in den Kantonen, schätzen das bestehende Aufsichtsinstrumentarium als genügend ein. Sie beurteilen weitergehende Aufsichtsinstrumente als wirkungslos oder kontraproduktiv, da sie in den Kantonen Widerstände auslösen könnten. Viele Auskunftspersonen beim BAFU und auch bei manchen kantonalen Umweltämtern betrachten es hingegen als bedeutendes Hindernis für eine wirksame Aufsicht, dass der Bund im planerischen Grundwasserschutz keine praktikablen Sanktionsmöglichkeiten, insbesondere finanzieller Art, hat. Auch das Fehlen von gesetzlichen Fristen (siehe Ziff. 3.1) und weitergehenden Berichterstattungspflichten erschwert laut verschiedenen Auskunftspersonen die Aufsicht.

Zwar kann das BAFU als Aufsichtsbehörde schon heute Fristen ansetzen und Berichte einfordern, manche BAFU-Mitarbeitende würden eine gesetzliche Verankerung aber als Ausdruck politischer Rückendeckung für eine aktivere Aufsichtswahrnehmung sehen. Hinzu kommt, dass eine Verankerung in Gesetz oder Verordnung die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit stärken würde.46 Wie das Gutachten deutlich macht, gibt die Gesetzgebung dem Bund in anderen Bereichen des Gewässerschutzes wie der Gewässerrevitalisierung und der Sicherung der Restwassermengen denn auch «ungleich differenziertere und weitergehende» Aufsichtsinstrumente in die Hand als im planerischen Grundwasserschutz, indem sie Vollzugsfristen, umfangreichere Berichterstattungspflichten der Kantone, Bundessubventionen und Genehmigungsvorbehalte für gewisse kantonale Entscheide festschreibt.47 Gesetz- und Verordnungsgeber haben das Vorgehen für die Wahrnehmung der Aufsicht in jenen Bereichen somit konkretisiert,
während sie es beim planerischen Grundwasserschutz offen lassen.48 Insgesamt erscheint die vergleichsweise begrenzte Reichweite des Aufsichtsinstrumentariums im planerischen Grundwasserschutz nicht als unüberwindbares Hindernis, aber als gewisse Erschwernis für eine wirksame Aufsicht. Eine Lücke besteht darin, dass das BAFU gegenüber Kantonen, die ihre Aufgaben trotz Mahnungen nicht erfüllen, letztlich keine praktikablen Sanktionsmöglichkeiten hat.

45 46 47 48

Thurnherr (2021), Rz. 4, 117.

Thurnherr (2021), Rz. 100.

Siehe Thurnherr (2021), Rz. 123­130.

Mit der Annahme der Mo. Zanetti «Wirksamer Trinkwasserschutz durch Bestimmung der Zuströmbereiche» vom 16.6.2020 (20.3625) haben die Eidgenössischen Räte den Bundesrat mittlerweile beauftragt, für die Bezeichnung von Zuströmbereichen ­ nicht aber für andere Vollzugsaufgaben im Grundwasserschutz ­ Bundessubventionen, Vollzugsfristen und weitergehende Berichterstattungspflichten vorzuschlagen. Mit Bezug auf die Zuströmbereiche würde das verfügbare Aufsichtsinstrumentarium des Bundes damit ausgeweitet und verstärkt.

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4

Zweckmässigkeit der Aufsichtspraxis des Bundes

Die PVK hat die Zweckmässigkeit der Aufsichtspraxis des Bundes im planerischen Grundwasserschutz anhand von verschiedenen Kriterien bewertet, so etwa die Qualität der schriftlichen Vollzugshilfe und der weiteren Informationstätigkeit des Bundes zur Vollzugsunterstützung oder die Zweckmässigkeit des Monitorings über den Vollzugsstand sowie die Interventionen gegenüber den Kantonen (siehe Anhang 2).

Die schriftliche Vollzugshilfe zum planerischen Grundwasserschutz ist von guter Qualität, wobei das BAFU mit Ergänzungen und der Aktualisierung in Verzug ist (Ziff. 4.1). Die weiteren Informations- und Auskunftstätigkeiten des BAFU zur Vollzugsunterstützung sind zweckmässig (4.2). Beim Monitoring über den Vollzugsstand bestehen Defizite, auch wenn das BAFU es in den letzten Jahren deutlich verbessert hat (Ziff. 4.3). Bei Vollzugslücken setzt das BAFU seine Interventionsmöglichkeiten so zurückhaltend ein, dass es nicht angemessen erscheint (Ziff. 4.4). Obwohl keine schriftliche Strategie vorhanden ist, wie das BAFU seine Aufsicht ausübt, sind das Aufsichtsverständnis und die Aufsichtspraxis einheitlich (Ziff. 4.5).

4.1

Vollzugshilfe wird geschätzt, wobei Ergänzungsund Aktualisierungsbedarf besteht

Das BAFU stellt im planerischen Grundwasserschutz eine Vollzugshilfe zur Verfügung. Zentral ist dabei das Dokument «Wegleitung Grundwasserschutz» aus dem Jahr 2004. Dieses ist nicht rechtsverbindlich, sondern soll eine einheitliche Vollzugspraxis ermöglichen und den Vollzug erleichtern, indem es die rechtlichen Grundlagen erläutert, unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisiert und Checklisten sowie Hilfestellungen für den konkreten Vollzug bereitstellt. Es richtet sich an kantonale und kommunale Vollzugsbehörden, aber auch an beratende Geologinnen und Ingenieure, Wasserversorgungen und weitere interessierte Kreise.49 Die zentrale Wegleitung wird durch sieben zusätzliche Module ergänzt, die jeweils spezifische Anwendungsbereiche beleuchten.50 Zwei weitere Module sind derzeit beim BAFU in Arbeit.

Das BAFU legt Wert darauf, die kantonalen Fachstellen bei der Planung und der Erarbeitung der Vollzugshilfemodule zum Grundwasserschutz stark einzubeziehen, um die Anliegen der Vollzugsbehörden berücksichtigen zu können. Dies ist im Sinn einer wirksamen Vollzugsunterstützung zu begrüssen.51

49 50

51

BUWAL (2004), 2, 7; Thurnherr (2021), Rz. 25, 31.

Beispiele für solche Zusatzmodule sind die Praxishilfe zur Bemessung des Zuströmbereichs Zu oder das Modul «Grundwasserschutzzonen bei Lockergesteinen». Eine Übersicht über alle Module der Vollzugshilfe Grundwasserschutz ist online zu finden: www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/publikationen-studien/publikationenwasser/vollzugshilfe-grundwasserschutz.html, abgerufen am 15.3.2021.

Vgl. auch Rieder (2013), 112­113.

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Die Vollzugshilfe ist bei den Kantonen denn auch gut akzeptiert und wird von diesen gut bis sehr gut bewertet, was die Verständlichkeit, die Übersichtlichkeit, die Praxisnähe und den Umfang betrifft (siehe Abb. 3).52 Ausdrücklich begrüsst wird auch die Aufteilung der Vollzugshilfe auf verschiedene Module, da dies die Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit verbessere. Auch die befragten weiteren Vollzugsakteure, die zu den Zielgruppen der Vollzugshilfe gehören, lobten in den Interviews die Qualität und die Brauchbarkeit der Vollzugshilfe. Die Dokumentenanalyse der PVK bestätigt diese positive Einschätzung.

Antworten der kantonalen Vollzugsstellen auf die Frage «Sind die Vollzugshilfen des BAFU zum planerischen Grundwasserschutz ...» Abbildung 3

... verständlich?

23

... praxisnah, d.h. für die Verwendung in der Praxis gut geeignet?

3

5

20

... übersichtlich?

10

... vollständig, d.h. decken sie alle wesentlichen Vorgaben für den Vollzug ab?

1

... aktuell, d.h. werden sie auch neueren Entwicklungen ausreichend gerecht (z.B. Gerichtspraxis, wissenschaftliche Erkenntnisse, Klimawandel)?

1

1

14

17

5

0

4

15

5

Ja

2

Eher ja

10

weiss nicht

4

5

15

20

Eher nein

25

Nein

N=26.

Quelle: Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q3.

Wie Abb. 3 zeigt, werden hingegen die Vollständigkeit und vor allem die Aktualität der Vollzugshilfe negativer bewertet. Mehrere Kantonsvertretungen verweisen in dem Zusammenhang darauf, dass sich die Erstellung zweier neuer Vollzugshilfemodule durch das BAFU stark verzögert hat und dass die grundlegende «Wegleitung Grundwasserschutz» seit ihrem Erscheinen im Jahr 2004 nicht erneuert worden ist.

Das BAFU anerkennt den Bedarf nach Ergänzung und Aktualisierung der Vollzugshilfe,53 ist mit der Arbeit gegenüber dem ursprünglich kommunizierten Zeitplan aber 52 53

Für die Bewertungen der Kantone zum Umfang der Vollzugshilfe siehe die Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q4.

Siehe auch BAFU (2018), 1, 16.

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rund drei Jahre in Verzug. Dieser hatte vorgesehen, die beiden neuen Module 2018 und die erneuerte Wegleitung 2021 zu veröffentlichen. Das Amt begründet die Verzögerungen mit seinen knappen Ressourcen. Zudem sei namentlich bei einem der ausstehenden Module, jenem zum Grundwasserschutz in der Nähe von Fliessgewässern, der Abstimmungsbedarf gegenüber anderen Anliegen wie der Gewässerrevitalisierung oder dem Hochwasserschutz grösser und komplexer als erwartet gewesen.

Das andere ausstehende Modul betrifft den Grundwasserschutz in stark heterogenen Karst- und Kluft-Grundwasserleitern. Mehr als fünf Jahre, nachdem per 1. Januar 2016 in der GSchV54 für Kluft- und Karstgebiete zwei neue Kategorien von Grundwasserschutzzonen (Sh und Sm) geschaffen worden sind, werden diese somit noch in keiner Vollzugshilfe thematisiert. Dies hat Verzögerungen im Vollzug zur Folge, wie das BAFU festgestellt hat.55

4.2

Reger, niederschwelliger Austausch zwischen Bund und Kantonen

Das BAFU unterstützt den Vollzug auch, indem es den Austausch mit den kantonalen Gewässerschutzfachstellen und weiteren Vollzugsstellen pflegt und diese bei Fragen zum Vollzug berät. Das BAFU tut dies insgesamt auf zweckmässige Art.

Gemäss Schätzungen des BAFU erhält das Amt pro Jahr rund 50 bis 60 Fragen zum Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes. Etwas mehr als die Hälfte der Fragen stamme von Kantonen. Aber auch Ingenieurbüros, Privatpersonen sowie verschiedene weitere Anspruchsgruppen wenden sich regelmässig ans BAFU. Die Kontaktnahme funktioniert niederschwellig. Die Interviews der PVK mit verschiedenen Vollzugsakteuren und die Umfrage bei den kantonalen Umweltämtern56 bestätigen, dass die Vollzugsstellen die Wege zum BAFU bei Fragen als kurz und einfach erleben. Auch die Reaktionszeit des BAFU ­ angestrebt wird laut BAFU in der Regel eine Antwort innert zwei Wochen ­ wird weitestgehend positiv bewertet, die fachliche Qualität und Klarheit der Auskünfte meist sogar sehr positiv. Bei rund der Hälfte der kantonalen Umweltämter besteht allerdings der Wunsch, dass die Antworten des BAFU näher an der Praxis und stärker an einem «pragmatischen» Vollzug der gewässerschutzrechtlichen Vorgaben orientiert wären. Inwieweit das BAFU tatsächlich zu wenig praxisnah handelt, ist für die PVK schwierig einzuschätzen. Grundsätzlich ist es indessen nachvollziehbar und angemessen, wenn das BAFU als zuständige Aufsichtsbehörde des Bundes auf einer konsequenten Einhaltung der bundesrechtlichen Vorgaben besteht.

Die zuständige BAFU-Sektion pflegt auch bewusst den Austausch mit den Kantonen und hat diesen in Absprache mit der Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzämter der Schweiz (KVU) seit 2015 deutlich stärker institutionalisiert als früher. So wurde die «Arbeitsgruppe Grundwasser» etabliert, in der sich ein- bis zweimal pro Jahr BAFU-Vertretende mit kantonalen Fachstellenleitenden aus allen vier KVU54 55

56

GSchV Anhang 4, Ziffern 121 und 125.

«In Karstgebieten wird die Neuausscheidung bzw. Anpassung von Grundwasserschutzzonen [durch die Kantone] teilweise aufgeschoben, bis die Grundlagen für die Ausscheidung der Zonen Sh und Sm des BAFU vorliegen» (BAFU [2018], 11).

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q5 bis Q7.

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Regionen austauschen. Darin werden Vollzugsthemen von überregionaler Bedeutung besprochen, und es wird gemeinsam priorisiert, in welchen Bereichen eine Unterstützung des kantonalen Vollzugs durch das BAFU besonders erwünscht ist. In drei von vier KVU-Regionen (Ostschweiz, Nordwestschweiz und Westschweiz, nicht aber in der Zentralschweiz; siehe Ziff. 4.5) nehmen BAFU-Mitarbeitende auch an den einbis zweimal jährlich stattfindenden Erfahrungsaustauschtreffen der kantonalen Grundwasserschutzfachleute teil, was eine weitere niederschwellige Kontaktmöglichkeit bietet. Daneben bestehen gemeinsame Arbeits- und Projektgruppen zur Begleitung konkreter Vorhaben wie beispielsweise der Erarbeitung neuer Vollzugshilfemodule.

Das BAFU investiert in diesen Austausch mehr personelle Ressourcen als noch vor einigen Jahren. Diese Bemühungen werden in den Kantonen wahrgenommen und geschätzt, teilweise wird der Austausch im Bereich des planerischen Grundwasserschutzes sogar als «vorbildlich» bezeichnet. Auch die BAFU-Mitarbeitenden selbst schätzen den verstärkten Austausch positiv ein: Dieser fördere das gegenseitige Verständnis und erleichtere es dem BAFU, den Vollzug möglichst wirksam und bedürfnisgerecht zu unterstützen; die dafür investierte Zeit lohne sich.

Die kantonalen Umweltämter bewerten den Informationsfluss zwischen dem BAFU und ihnen zum Vollzug im planerischen Grundwasserschutz insgesamt positiv. Die Mehrheit findet, dass die Menge der vom BAFU abgegebenen Informationen gerade richtig ist. Über die Hälfte gab indessen an, das BAFU informiere eher zu spät; zu einem wesentlichen Teil bezieht sich diese Unzufriedenheit auf die Verzögerungen bei der Aktualisierung der schriftlichen Vollzugshilfe durch das BAFU (siehe dazu Ziff. 4.1).57 Vollzugsakteure wie die Wasserversorger oder Ingenieurbüros stehen mit dem BAFU im Vergleich zu den kantonalen Fachstellen seltener direkt in Kontakt. Dies wird gemäss den von der PVK interviewten Personen aber nicht als Manko empfunden, da die notwendigen Informationen via kantonale Umweltämter zu ihnen gelangten. Teilweise hoben sie das Mitwirken des BAFU in Fachkreisen positiv hervor, was ebenfalls Gelegenheiten zum gegenseitigen Austausch schaffe.

4.3

Trotz Fortschritten noch Defizite beim Monitoring über den Vollzugsstand

Das BAFU verwendet im Wesentlichen drei Instrumente, um den Stand des Vollzugs im planerischen Grundwasserschutz zu beobachten: Erstens verfügt es über die Gewässerschutzkarten, auf denen die Kantone die bestehenden Gewässerschutzgebiete mittels Geodaten eintragen.58 Zweitens führt das BAFU in periodischen Abständen Umfragen durch, in denen es die kantonalen Fachstellen zum Vollzugsstand befragt.59

57 58

59

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q8, Q9 und Q11.

Die Gewässerschutzkarten können öffentlich eingesehen werden unter https://map.geo.

admin.ch/ > Erweiterte Werkzeuge > Importieren > im Dropdownmenü auswählen https://geodienste.ch/db/planerischer_gewaesserschutz/deu > Layer hinzufügen.

Siehe insbesondere BAFU (2018), BAFU (2014).

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Drittens erhält das BAFU im bilateralen Austausch und in den interkantonalen Austauschgremien (siehe Ziff. 4.2) punktuelle Informationen dazu, wie der Vollzug in den Kantonen voranschreitet und wo es Schwierigkeiten gibt.

Das BAFU hat seine Monitoringtätigkeit in den letzten Jahren in verschiedener Hinsicht verbessert und einige weitere Verbesserungen bereits eingeleitet. Beispielsweise hat es die Erfassung und Darstellung der verschiedenen Schutzgebiete in der Gewässerschutzkarte mit einheitlichen Vorgaben an die Kantone harmonisiert. Nach einer bereits beschlossenen Anpassung wird aus der Gewässerschutzkarte in Zukunft auch hervorgehen, welche Schutzzone zu welcher Grundwasserfassung gehört; dies wird z. B. eine automatisierte Auswertung erlauben, wie viele Fassungen noch über keine bundesrechtskonformen Schutzzonen verfügen. Auch bei der Informationserhebung durch Umfragen hat das BAFU Fortschritte erzielt. So erhob das BAFU in der Umfrage 2018 wesentlich differenziertere Angaben von den Kantonen als früher, indem es beispielsweise nicht nur nach dem Anteil von Fassungen ohne gültige Schutzzone fragte, sondern auch nach dem Bevölkerungsanteil, der sein Trinkwasser aus solchen Fassungen bezieht. Nach eigenen Aussagen erlaubte die Umfrage 2018 dem BAFU damit erstmals überhaupt eine aussagekräftige Einschätzung des Umsetzungsstands im planerischen Grundwasserschutz.60 Das BAFU hat denn auch einen Teil der personellen Ressourcenerhöhung im planerischen Grundwasserschutz (siehe Ziff. 2.1.3) für die Entwicklung und Durchführung dieser Umfrage eingesetzt.

Dank dem intensivierten allgemeinen Austausch mit den kantonalen Fachstellen (siehe Ziff. 4.2) fliessen dem BAFU zudem vermehrt Informationen aus den Kantonen zu, die für die Einschätzung des Vollzugsstands hilfreich sind. Als weitere Verbesserung fasst das BAFU seit einigen Jahren seine Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Quellen für jeden Kanton in einem BAFU-internen Faktenblatt zusammen. Diese Faktenblätter sind für jeden Kanton gleich aufgebaut und verschaffen einen raschen Überblick, in welchen Punkten des planerischen Grundwasserschutzes der Kanton nach Einschätzung des BAFU Vollzugslücken aufweist und für welche Punkte Informationen zum Vollzugsstand in dem Kanton fehlen.

Die meisten kantonalen Umweltämter sind der Auffassung, dass das
BAFU den Stand des Vollzugs im planerischen Grundwasserschutz anhand der Informationen, über die es heute verfügt, zuverlässig oder eher zuverlässig einschätzen kann. Immerhin je ein Drittel der Umweltämter gibt allerdings an, dass das BAFU für eine zuverlässige Einschätzung eher mehr und/oder häufiger Informationen erheben müsste.61 Auch im BAFU selbst und bei einem Teil der weiteren Vollzugsakteure sieht man weiteren Verbesserungsbedarf beim Monitoring. Im BAFU möchte man diesen angehen, sobald die Auslastung der Mitarbeitenden dies erlaubt.

In der Tat weist das Monitoring trotz der erzielten Fortschritte Schwächen auf, die einer zweckmässigen Aufsicht teils im Weg stehen. Vier Punkte sind hervorzuheben: ­

60 61

Erstens geht das BAFU nicht systematisch auf Kantone zu, bei denen die Daten für eine Einschätzung des Vollzugsstands nicht ausreichen. Kommt das

BAFU (2018); Schwab et al. (2018), 44.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q14 und Q17.

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BAFU beispielsweise auf einem Faktenblatt für einen Kanton zur Einschätzung, dass die Informationslage zu manchen Aspekten des Vollzugsstands keine zuverlässige Einschätzung erlaubt, so löst dies bisher keine Aktivitäten aus. Kann ein Kanton bei einer Umfrage des BAFU zu gewissen Angaben nur Schätzwerte liefern, so beharrt das BAFU nicht darauf, dass der Kanton die betreffenden Daten in Zukunft erhebt. Dies gilt auch für grundlegende Daten wie die Anzahl Trinkwasserfassungen im öffentlichen Interesse ohne Schutzzonen.62

62 63 64

65 66 67 68

69

­

Zweitens ist der Kenntnisstand zu den Zuströmbereichen ungenügend. Obwohl die GSchV seit 1998 unter bestimmten Voraussetzungen63 eine Ausscheidungspflicht für Zuströmbereiche festschreibt, hat das BAFU bisher kein Verfahren aufgebaut, nach dem die Kantone prüfen und allenfalls dem Bund mitteilen müssten, wo die Voraussetzungen für die Ausscheidungspflicht erfüllt sind. Das BAFU hat deshalb keine Kenntnis, wo bzw. für wie viele der landesweit etwa 18 000 Grundwasserfassungen im öffentlichen Interesse ein Zuströmbereich ausgeschieden werden müsste.64 Aufgrund einer eigenen groben Schätzung nimmt das BAFU an, dass schweizweit bei rund 2800 Fassungen die Voraussetzungen gegeben wären.65 In wie vielen dieser Fälle die Ausscheidungspflicht erfüllt und effektiv ein Zuströmbereich bezeichnet worden ist, ist ebenfalls nicht bekannt. Fest steht, dass es nur ein kleiner Teil ist. Das BAFU geht davon aus, dass wegen mangelhafter Wasserqualität insgesamt rund 60 Zuströmbereiche in rund einem Dutzend Kantone bezeichnet worden sind.66 Bloss sechs Kantone haben diese in der Gewässerschutzkarte erfasst, wie es die GSchV vorschreibt.67 Das BAFU hat bisher keine konsequente Erfassung eingefordert.68

­

Drittens verfügt das BAFU nur über wenige Informationen zu Nutzungskonflikten, also dazu, in wie vielen ausgeschiedenen Grundwasserschutzzonen Tätigkeiten stattfinden oder Anlagen stehen, die nach dem Gewässerschutzrecht nicht zulässig wären. Zwei Umfragen des BAFU sowie eine Erhebung des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW) haben sich in den letzten Jahren der Problematik immerhin angenähert und gezeigt, dass Nutzungskonflikte weit verbreitet sind.69 Zuverlässige landesweite Angaben zur Anzahl und Lage der betroffenen Schutzzonen, zu deren Bedeutung für

Vgl. BAFU (2018), 2, 8.

Siehe Ziff. 2.1.2.

Für jene Fassungen, bei denen der Bund selbst im Rahmen seines Grundwasserbeobachtungsprogramms NAQUA die Wasserqualität analysiert, weiss das BAFU, ob das Wasser so weit verunreinigt ist, dass der Zuströmbereich ausgeschieden werden müsste. NAQUA deckt allerdings lediglich eine Stichprobe von rund 500 Grundwasserfassungen ab.

Müller et al. (2020), 29.

Müller et al. (2020), 29.

Art. 30 Abs. 1 Bst. a GSchV in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 Bst. c GSchV.

Mit der Mo. Zanetti «Wirksamer Trinkwasserschutz durch Bestimmung der Zuströmbereiche» vom 16.6.2020 (20.3625), die eine Frist für die Ausscheidung und eine periodische Berichterstattung der Kantone über den Umsetzungsstand vorsieht, könnte sich die Ausgangslage in diesem Punkt verändern.

BAFU (2018), 2­4; Reist/Olschewski (2019); BAFU (2019b).

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die Trinkwasserversorgung und zu den Gründen für die Nutzungskonflikte fehlen bisher aber.

­

Viertens fehlen im Vollzugsmonitoring des BAFU Aussagen zur Entwicklung über die Zeit. Die Geodaten der Gewässerschutzkarte würden eine solche Analyse für gewisse Vollzugsaspekte zwar grundsätzlich erlauben, sie werden aber bisher nicht systematisch ausgewertet. Zudem enthielten die bisherigen Umfragen keine gleichbleibenden Fragen, die Vergleiche über die Zeit zulassen würden.

4.4

Sehr zurückhaltende Nutzung von Aufsichtsinstrumenten bei Vollzugslücken

Das BAFU hat spätestens seit 2008 wiederholt festgestellt, dass beim Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes in vielen Kantonen «erhebliche Defizite» bestehen.70 Es ortet einen lückenhaften Vollzug vor allem in dreierlei Hinsicht: Erstens sind nicht um alle Fassungen von öffentlichem Interesse Grundwasserschutzzonen ausgeschieden, die den Anforderungen des Bundesrechts entsprechen.71 Zweitens bestehen auch dort, wo Grundwasserschutzzonen korrekt definiert worden sind, vielerorts Nutzungskonflikte, d. h. die im Bundesrecht vorgegebenen Nutzungseinschränkungen werden nicht durchgesetzt.72 Drittens haben die Kantone bisher nur für einen Bruchteil der Fassungen, für die der Zuströmbereich bezeichnet werden müsste, einen solchen tatsächlich definiert (siehe Ziff. 4.3).

In Kontrast zu dieser deutlichen, kritischen Einschätzung des BAFU zum Vollzugsstand steht, dass das Amt nur sehr selten von Aufsichtsmassnahmen Gebrauch macht und höchstens auf informeller Ebene Bemerkungen anbringt, um auf eine Schliessung der Vollzugslücken durch die Kantone hinzuwirken.

Wie in Ziffer 3.2 dargelegt, hat das BAFU bei Vollzugslücken die Möglichkeit, Weisungen, Mahnungen oder Aufforderungen zur Korrektur an säumige Kantone zu erlassen und dabei auch die Umsetzung innert einer bestimmten Frist zu fordern. In einem Fall hat das BAFU im Rahmen eines sogenannten Direktionsgesprächs (eines Treffens der BAFU-Direktion mit der Kantonsregierung) an einen Kanton appelliert, rechtskonforme Grundwasserschutzzonen auszuscheiden und die Nutzungseinschränkungen in diesen Zonen konsequent zu vollziehen. Daneben werden Hinweise zu Vollzugslücken laut den BAFU-Mitarbeitenden auf Ebene der Gewässerschutzfach-

70

71

72

Schwab et al. (2018), 43; BAFU (2014), 96­97; BAFU (2008): Management des Grundwassers in der Schweiz. Leitlinien des Bundesamtes für Umwelt BAFU. Bern: Bundesamt für Umwelt, 23­24.

Schweizweit werden schätzungsweise 12 % der Bevölkerung durch Trinkwasserfassungen versorgt, deren Schutzzonen unzulänglich sind. So stammt bei 7 % der Bevölkerung das Trinkwasser aus Fassungen mit nicht bundesrechtskonform dimensionierten Schutzzonen. Rund 4 % der Bevölkerung beziehen ihr Trinkwasser aus Fassungen mit lediglich provisorisch festgelegten Schutzzonen, in denen der Schutz teilweise stark eingeschränkt ist. Schliesslich wird etwa 1 % der Bevölkerung mit Trinkwasser aus Grundwasserfassungen ganz ohne Schutzzonen versorgt (BAFU [2018], 4­8; Schwab et al. [2018], 44­45).

BAFU (2018), 2­4; Reist/Olschewski (2019).

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stellen vorgebracht, wenn das BAFU im Rahmen eines UVP-Verfahrens für ein Bundesprojekt darauf aufmerksam wird, dass an einem Ort die Vorgaben des planerischen Grundwasserschutzes nicht umgesetzt sind. Es handelt sich dabei aber lediglich um punktuelle, seltene Fälle; eine Systematik zur Erkennung von Vollzugslücken und zur anschliessenden Intervention gegenüber den Kantonen besteht nicht. Dies bestätigen auch die Angaben der kantonalen Umweltämter: Demnach hat das BAFU in den letzten rund vier Jahren bei drei oder vier Kantonen im Zusammenhang mit Vollzugslücken im planerischen Grundwasserschutz interveniert, wobei die Interventionen in der Gestalt informeller Hinweise erfolgten. Kein Kanton berichtete von schriftlichen Mahnungen oder von der Ansetzung von Fristen durch das BAFU. 15 Umweltämter gaben an, dass es bei ihnen in diesem Zeitraum keine Intervention des BAFU im Zusammenhang mit Vollzugslücken im planerischen Grundwasserschutz gegeben habe, obwohl in ihrem Kanton solche Lücken bestehen.73 Nebst den vereinzelten Interventionen gegenüber bestimmten Kantonen hat das BAFU in manchen öffentlichen Berichten einen allgemein gehaltenen Appell an die Gesamtheit der Kantone geäussert, den Vollzug der bundesrechtlichen Vorgaben zum Grundwasserschutz voranzutreiben.74 In einem Bericht hat das BAFU zudem transparent gemacht, wie weit der Vollzug in jedem Kanton ­ gemäss den Angaben der Kantone ­ fortgeschritten ist.75 Darin kann eine milde Form des «Naming and Shaming» gesehen werden, die allenfalls dazu führt, dass öffentlicher und politischer Druck auf Kantone entsteht, die im Vollzugsvergleich weniger gut dastehen.

Eine Mehrheit der kantonalen Umweltämter ist der Ansicht, dass das BAFU bisher weder zu milde noch zu harte, sondern «gerade angemessene» Aufsichtsmassnahmen ergreift, um Vollzugslücken im planerischen Grundwasserschutz zu begegnen. Sowohl bei den Kantonen als auch bei weiteren Akteuren gibt es indessen Stimmen, die sich von einer Bundesaufsicht, welche die Kantone stärker als bisher in die Pflicht nehmen würde, eine förderliche Wirkung für den Vollzug und eine Stärkung des Grundwasserschutzes gerade bei Interessenabwägungen auf kantonaler Ebene versprechen würden. Verschiedene denkbare Aufsichtsmassnahmen des Bundes ­ namentlich die Vereinbarung kantonsspezifischer Roadmaps mit Fristen
zur Schliessung der Vollzugslücken, die Festlegung einer einheitlichen Umsetzungsfrist für alle Kantone oder eine Pflicht für die Kantone, dem Bund regelmässig über erzielte Vollzugsfortschritte und Gründe für fortbestehende Lücken zu berichten ­ würden immerhin in jeweils etwa der Hälfte der kantonalen Umweltämter als förderlich für den Vollzug eingeschätzt. Manche Umweltämter weisen hingegen auf die beschränkten Möglichkeiten einer wie auch immer gearteten Aufsicht hin, da der Vollzug in den Kantonen in vielen Fällen nicht an fehlendem Willen, sondern an einem Mangel an Ressourcen oder an widerstrebenden Interessen anderer Akteure (z. B. Grundeigentümer oder Gemeinden) scheitere.76 In den Gesprächen mit den BAFU-Mitarbeitenden kristallisierten sich vor allem vier Erklärungen heraus, weshalb das Amt im planerischen Grundwasserschutz bisher 73 74 75 76

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q13 und Q18.

BAFU (2008), 24; BAFU (2014), 97, 103; Müller et al. (2020), 34.

BAFU (2018).

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q22 bis Q24 sowie verschiedene Interviews der PVK.

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weitgehend auf Interventionen gegenüber den Kantonen verzichtet hat: Erstens wird befürchtet, dass verstärkte Interventionen das gute Einvernehmen und das Vertrauensverhältnis mit den Kantonen gefährden könnten, auf welches man angewiesen sei.

Zweitens formuliert die Gewässerschutzgesetzgebung keine Leitlinien dazu, wie der Bund bei Vollzugslücken im planerischen Grundwasserschutz konkret vorgehen könnte. Dies macht die Entwicklung eines Vorgehens anspruchsvoller (siehe Ziff. 3.3). Drittens bräuchte es in manchen Bereichen (etwa zu den Nutzungskonflikten) zuerst ein systematischeres Monitoring, bevor man Vollzugslücken gezielt nachgehen kann. Viertens habe man bisher keine freien personellen Ressourcen gehabt, um mit den Kantonen einen aktiveren Dialog zu den Vollzugslücken zu pflegen.

Diese Erklärungen der BAFU-Mitarbeitenden für die zurückhaltende Aufsichtspraxis überzeugen die PVK nicht gänzlich. Zweifellos ist es anspruchsvoll, vor dem Hintergrund der offen gehaltenen Rechtsgrundlagen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten (siehe Ziff. 3.3) ein sinnvolles Vorgehen für die Vollzugsaufsicht zu entwickeln und dabei das Gleichgewicht zwischen partnerschaftlicher Zusammenarbeit und konsequenter Beaufsichtigung zu finden. Gegenwärtig setzt das BAFU im planerischen Grundwasserschutz indessen fast ausschliesslich auf eine kooperative, partnerschaftliche Aufsichtspraxis (siehe auch Ziff. 4.5). Auf Vorgaben oder Massnahmen, die bei den Kantonen Widerstände hervorrufen könnten, wird präventiv weitgehend verzichtet.

Nachvollziehbar ist für die PVK, dass die Aufsichtstätigkeit des BAFU mit den bisher eingesetzten Personalressourcen von etwas mehr als einer Vollzeitstelle77 begrenzt blieb. Nach eigenen Aussagen hat das BAFU seine Prioritäten in der Vergangenheit bewusst nicht auf den planerischen Grundwasserschutz gelegt, sondern sich auf andere Aufgaben konzentriert. Inwieweit der dortige Handlungsbedarf die Prioritätensetzung des BAFU rechtfertigte, kann die PVK nicht bewerten. Klar ist indessen auch, dass das BAFU jene Ressourcen, die es für den planerischen Grundwasserschutz zur Verfügung hatte, vorwiegend in die Vollzugsunterstützung und kaum in Massnahmen investiert hat, die die Kantone in die Pflicht nehmen würden (z. B. Etablierung von Berichterstattungspflichten oder Interventionen bei
Vollzugslücken).

Im BAFU gibt es Überlegungen, der Aufsicht im planerischen Grundwasserschutz in den nächsten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen und dabei auch Aufsichtsmittel über die Vollzugsunterstützung hinaus zu nutzen. Die interviewten BAFUMitarbeitenden erachten es überwiegend als wünschenswert, als Ergänzung zur Vollzugsunterstützung bei Vollzugslücken im planerischen Grundwasserschutz gezielt stärker zu intervenieren. Ein BAFU-internes Arbeitspapier vom Januar 2021 skizziert in groben Zügen, welches Vorgehen das Amt bei Vollzugslücken in Grundwasserschutzzonen künftig wählen könnte; gemäss BAFU sollen diese Überlegungen möglicherweise in eine Anpassung der GSchV münden. Für den Umgang mit Vollzugslücken in Zuströmbereichen könnte zudem die von den Eidgenössischen Räten angenommene Motion Zanetti vom 16. Juni 2020 («Wirksamer Trinkwasserschutz

77

Siehe Ziff. 2.1.3.

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durch Bestimmung der Zuströmbereiche»)78 zu einer Anpassung des Vorgehens führen.

Die gegenwärtige, insgesamt sehr zurückhaltende Nutzung der Aufsichtsmöglichkeiten durch das BAFU im planerischen Grundwasserschutz ist aus Sicht der PVK, jedenfalls in diesem Ausmass, nicht zweckmässig, um seine verfassungs- und gesetzmässigen Aufgaben als Aufsichtsbehörde zu erfüllen. Dies umso mehr, als die Vollzugslücken im planerischen Grundwasserschutz schon seit geraumer Zeit bestehen: Die bundesrechtlichen Vorgaben dazu gelten im Wesentlichen seit 1998, über weite Strecken sogar seit 1972.

4.5

Trotz fehlender Aufsichtsstrategie kaum Hinweise auf uneinheitliche Aufsichtspraxis

Wie die Ziffern 4.1 bis 4.4 zeigen, verwendet das BAFU verschiedene Instrumente und Kommunikationskanäle, um den Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zu unterstützen und zu beaufsichtigen: Unter anderem stellt es eine Vollzugshilfe zur Verfügung, beantwortet Anfragen der kantonalen Fachstellen und pflegt institutionalisierte sowie informelle Kontakte mit ihnen, arbeitet in themenspezifischen Projekten mit ihnen zusammen, erhebt Geodaten, führt periodische Umfragen zum Vollzugsstand durch und publiziert Berichte. Zudem beobachtet es mit dem Nationalen Grundwasserbeobachtungsprogramm NAQUA den Zustand und die Entwicklung einer Stichprobe von Grundwasservorkommen.

Es liegt keine schriftliche Strategie vor, die beispielsweise festhalten würde, welches Kontaktgefäss für die Aufsichtswahrnehmung im planerischen Grundwasserschutz welche Rolle spielt, welches Instrument in welcher Art von Situationen zum Einsatz kommen soll oder in welcher Kadenz Umfragen bei den Kantonen zum Stand des Vollzugs durchgeführt werden sollen. Seit Januar 2021 besteht ein sektionsinternes Papier, das sehr grob skizziert, welche Aufsichtsmittel im planerischen Grundwasserschutz in Zukunft potenziell ergriffen werden könnten, und das gemäss BAFU möglicherweise in eine Anpassung der GSchV münden soll. Aus dem Fehlen einer expliziten Aufsichtsstrategie ergibt sich nach Auffassung der PVK ein gewisses Risiko, dass sich bei den Mitarbeitenden unklare oder unterschiedliche Aufsichtsverständnisse entwickeln oder die Aufsicht uneinheitlich ausgeübt wird.

In der Praxis beschrieben die von der PVK befragten Mitarbeitenden, die beim BAFU in unterschiedlichen Funktionen mit der Aufsicht im planerischen Grundwasserschutz zu tun haben, die Aufsichtswahrnehmung aber im Wesentlichen übereinstimmend und vertraten ein kohärentes Aufsichtsverständnis. So gaben alle Befragten sinngemäss an, dass man gegenüber den Kantonen «nicht als Polizist» auftrete, sondern auf Zusammenarbeit, eine möglichst gute Vollzugshilfe und einen niederschwelligen Austausch setze. Das gemeinsame Aufsichtsverständnis und dessen einheitliche Umsetzung in der Praxis wird dadurch gefördert, dass die zuständigen Mitarbeitenden der Sektion

78

Mo. Zanetti «Wirksamer Trinkwasserschutz durch Bestimmung der Zuströmbereiche» vom 16.6.2020 (20.3625).

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Gewässerschutz sich in institutionalisierten, regelmässigen Teamsitzungen über den Umgang mit konkreten Fällen austauschen.

Gemäss den Erkenntnissen der PVK wird dieses gemeinsame Aufsichtsverständnis beim BAFU in der Praxis auch einheitlich gelebt. So stimmt die Selbstbeschreibung des BAFU mit den Beschreibungen der befragten Vertreter der verschiedenen Vollzugsstellen überein. Zudem äusserte in der PVK-Umfrage lediglich ein kantonales Umweltamt den Eindruck, dass das BAFU seine Aufsicht gegenüber den Kantonen nicht in einheitlicher Intensität und nach einheitlichen Kriterien ausübe.79 Auch in den Unterlagen zum Austausch des BAFU mit den Kantonen in den letzten Jahren ist die PVK auf keine Hinweise gestossen, dass das BAFU seine Aufsicht je nach Kanton oder Situation uneinheitlich ausüben würde. In Berichten80 und in internen Arbeitspapieren wendet das BAFU einheitliche Kriterien an, um den Vollzugsstand in den Kantonen einzuschätzen. Gleichzeitig trägt das BAFU bei der Interpretation seiner Erkenntnisse in angemessener Weise dem Umstand Rechnung, dass die objektiven Voraussetzungen für den Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes (z. B. Siedlungsdichte, geologische Gegebenheiten, Anzahl Grundwasserfassungen) nicht in allen Kantonen dieselben sind.81 In einem Punkt ist die einheitliche Behandlung der Kantone durch das BAFU indessen nicht gegeben: Während BAFU-Mitarbeitende regelmässig an den Erfahrungsaustauschtreffen der Gewässerschutzfachstellen der Nordwestschweizer, der Ostschweizer und der Westschweizer Kantone teilnehmen, ist dies bei den Zentralschweizer Kantonen bisher nicht der Fall. Der Grund dafür ist offenbar nicht ein mangelndes Interesse des BAFU, sondern dass die Zentralschweizer Kantone bisher von einer Einladung des BAFU abgesehen haben. In der gesamtschweizerischen «Arbeitsgruppe Grundwasser» ist hingegen jede KVU-Region mit einem Sitz vertreten, also auch die Zentralschweiz.

Die Wirksamkeit des bestehenden Aufsichtsansatzes, der eine niederschwellige Zusammenarbeit mit den Kantonen und die Vollzugsunterstützung in den Vordergrund rückt, wird von den BAFU-Mitarbeitenden trotz der fortbestehenden Vollzugsschwierigkeiten grundsätzlich positiv eingeschätzt, wobei es derzeit BAFU-interne Überlegungen zu möglichen Anpassungen gibt (siehe Ziff. 4.4). Eine eigentliche Analyse
der Wirksamkeit und alternativer Aufsichtsansätze ist aber bisher nicht durchgeführt worden. Auch sind offenbar die Ergebnisse zweier Studien, die im Auftrag der Abteilung Recht des BAFU begünstigende Faktoren für den Vollzug verschiedener Umweltpolitiken untersucht und dabei auch die Rolle der Bundesaufsicht analysiert haben,82 für die Ausgestaltung der Bundesaufsicht im planerischen Grundwasserschutz nicht herangezogen worden. Zwar steht die Aufsichtspraxis des Bundes im planeri-

79 80 81 82

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q20.

BAFU (2018).

BAFU (2018), I­II.

Rieder et al. (2013) und Kohli et al. (2018).

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schen Grundwasserschutz nicht in Widerspruch zu den Erkenntnissen der beiden Studien, sie deckt aber lediglich einen Teil der Praktiken ab, die sich gemäss den Studien in anderen Umweltpolitiken als förderlich für den Vollzug erwiesen haben.83

5

Zweckmässigkeit der Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaftspolitik auf Bundesebene

Die Analyse der Schnittstellen auf Bundesebene zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaftspolitik erfolgte anhand von Kriterien wie der Zweckmässigkeit der Kompetenzaufteilung, der Angemessenheit der Zusammenarbeit oder der Zweckmässigkeit der Ausgestaltung des Gewässerschutzprogramms (vollständige Liste in Anhang 2). Die Evaluation betrachtete die Schnittstellen bei der Weiterentwicklung der Agrarpolitik (AP22+), beim Aktionsplan Pflanzenschutzmittel (AP PSM), beim Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel, bei den Vollzugshilfen und beim Gewässerschutzprogramm 62a (siehe auch Ziff. 2.2), wobei letzteres aufgrund des direkten Bezugs zum planerischen Grundwasserschutz in einem eigenen Teilkapitel (Ziff. 5.4) näher behandelt wird.

Die Kompetenzen zwischen BLW und BAFU sind klar geregelt und die Zusammenarbeit wird als angemessen bewertet (Ziff. 5.1), die Anliegen des Grundwasserschutzes haben jedoch als eines unter mehreren Anliegen der Nachhaltigkeit im politischen Prozess oft einen schweren Stand (Ziff. 5.2). In den Vollzugshilfen der Landwirtschaft wird der Grundwasserschutz angemessen abgebildet (Ziff. 5.3). Die Wirksamkeit des Gewässerschutzprogramms ist zwar weitgehend unbestritten, die Erfolge der einzelnen Projekte sind jedoch kaum nachhaltig gesichert (Ziff. 5.4).

5.1

Klar geregelte Kompetenzen und angemessene Zusammenarbeit zwischen BLW und BAFU

An der Schnittstelle zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaftspolitik des Bundes finden sich verschiedene Formen der Zusammenarbeit. Neben dem informellen Austausch und formellen, schriftlichen Verfahren wie der Ämterkonsultation bestehen verschiedene teils ad hoc zusammengestellte Arbeitsgruppen (z. B. zur Erarbeitung von Vollzugshilfen) und teils ständige Arbeitsgruppen (z. B. Arbeitsgruppe 83

Kohli et al. (2018, 8­11) nennen neun wichtige Ansatzpunkte zur Verbesserung des Vollzugs in der Umweltpolitik, wobei deren Eignung spezifisch für jeden Umweltbereich näher zu beurteilen sei. Dazu gehören ein wirksames Kontrollsystem und aussagekräftiges Monitoring, die Sicherstellung der Finanzierung von Massnahmen inkl. finanzieller Anreize, fachliche und finanzielle Ressourcen bei den Vollzugsakteuren, öffentlicher Druck und politischer Wille, klare Rechtsgrundlagen und Vollzugshilfen sowie eine aktive Kommunikation.

Rieder et al. (2013, 10­11) nennen folgende «prioritären Massnahmen» für die Stärkung des Vollzugs in der Umweltpolitik: systematischer Vergleich und Beurteilung der Vollzugsaktivitäten, Verstärkung von Kontrollen, Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Vollzugsakteuren, stärkere Vernetzung mit anderen Politikbereichen.

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Nitrat/Pflanzenschutzmittel), meist unter Federführung des BLW und unter Einbezug des BAFU sowie weiterer Verwaltungseinheiten. Allgemein kann festgehalten werden, dass die Aufgaben zwischen den beteiligten Stellen klar verteilt und die Verfahren klar geregelt sind, so etwa in den der PVK vorliegenden schriftlichen Mandaten der Arbeitsgruppen. Auch der Umgang mit Uneinigkeiten zwischen den beteiligten Bundesämtern ist geklärt: Bei der Gesetz- oder der Verordnungsgebung kann im Rahmen der Ämterkonsultation oder des Mitberichtsverfahrens Einfluss genommen werden, bei der Beurteilung von Projekten im Gewässerschutzprogramm oder der Erarbeitung von Vollzugshilfen kann eine Uneinigkeit bis hin zu den Generalsekretariaten der Departemente oder zu den Departementsführungen eskaliert werden.

Gemäss den Angaben der interviewten Personen aus BAFU und BLW werden die Kompetenzen in der Praxis eingehalten. Dies gilt auch dann, wenn inhaltliche Differenzen bestehen, wie es z. B. bei der Ausarbeitung der AP22+ der Fall war. Der Informationsfluss zwischen dem BAFU und dem BLW funktioniert generell gut. Bei wenigen Ausnahmen wäre das BAFU gerne früher über anstehende Geschäfte informiert, so z. B. bei der Beurteilung neuer Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe im Zulassungsverfahren. Auch auf informeller Ebene gibt es einen regelmässigen Austausch, unter anderem bei Fragen aus den Kantonen oder von Privatpersonen, zu deren Beantwortung das Fachwissen beider Ämter benötigt wird.

Laut den Gesprächen der PVK mit verschiedenen Akteuren in den Bundesämtern gestaltet sich die Zusammenarbeit insbesondere auf Fachebene auch bei inhaltlichen Differenzen heute konstruktiv und sachlich, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Werden auf Fachebene die Anliegen einer Seite nicht berücksichtigt, wird dies in der Regel nachvollziehbar begründet, was von einer seriösen Auseinandersetzung mit dem Anliegen zeugt. Bei grundsätzlicheren Fragen, die auf Ebene der Amtsdirektionen behandelt werden, kommen Differenzen häufiger vor. So legten nach Aussagen in einzelnen Gesprächen z. B. bei der Erarbeitung des AP PSM beide Seiten lange den Fokus stark nur auf die eigenen Interessen. Auf Direktionsebene fliessen zusätzliche, teilweise politische Aspekte in die Beurteilung von Massnahmen ein, was eine Einigung erschweren kann. Zudem
schätzen die beiden Ämter die politische Akzeptanz der verschiedenen Anliegen zuweilen unterschiedlich ein.

BAFU-intern müssen Geschäfte mit Bezug zur Landwirtschaft, die den Grundwasserschutz betreffen, koordiniert werden, da diese in der Regel mehrere Fachsektionen beim BAFU betreffen. Dies erfordert oftmals Absprachen, funktioniert nach Aussagen der befragten Personen beim BAFU aber gut.

5.2

Grundwasserschutz findet grösstenteils Eingang in Arbeiten der Verwaltung, hat im politischen Prozess aber einen schweren Stand

Die Kompetenzzuteilung zwischen den Ämtern und in den gemeinsamen Gremien ermöglicht es dem BAFU, die Interessen des Grundwasserschutzes in die Interessenabwägung bei für das Grundwasser relevanten landwirtschaftlichen Themen und in die Vorbereitung von Geschäften an der Schnittstelle einzubringen. So werden die

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Ansichten des BAFU in der Regel in den Beurteilungen von Projekten des Gewässerschutzprogramms, den Aktionsplänen wie dem AP PSM oder in Gesetzgebungsvorlagen der Verwaltung aufgenommen oder sie fliessen in Kompromisse ein. Im Massnahmenpaket zur Trinkwasserinitiative im Rahmen der AP22+ wurde beispielsweise die u. a. vom BAFU eingebrachte Möglichkeit zur regionalen Verschärfung des ÖLN aufgenommen. Auch als eine Abschaffung des Gewässerschutzprogramms beim BLW im Raum stand, konnte das BAFU erfolgreich intervenieren, so dass das Programm weitergeführt wurde.

Eine Ausnahme stellt der bisherige Zulassungsprozess für Pflanzenschutzmittel dar, für welchen das BLW zuständig ist und in welchem dem BAFU als Umweltamt bisher keine aktive Rolle zukommt. Die Mitwirkung des BAFU beschränkt sich lediglich auf die Einstufung und Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel; eine Beurteilung mit Blick auf die Zulassung wird seitens BAFU nicht vorgenommen.84 Eine vom Bundesrat in Auftrag gegebene Evaluation hat 2019 Verbesserungsbedarf hinsichtlich dieser Kompetenzaufteilung festgestellt.85 Der Bundesrat hat am 17. Februar 2021 darauf basierend Massnahmen zur Optimierung des Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel beschlossen. Die Zulassungsstelle wird per 1. Januar 2022 dem BLV zugeordnet. Zudem soll die Rolle des BAFU im Beurteilungsprozess gestärkt werden: Dem Amt obliegt ab 2022 die Hauptverantwortung bei der Beurteilung der Risiken von Pflanzenschutzmitteln für die Umwelt.86 Von verschiedenen Seiten wird moniert, dass der Grundwasserschutz bei der Landwirtschaftspolitik des Bundes zu wenig zum Tragen komme. Rund drei Viertel der kantonalen Umweltämter bezeichnen in der Umfrage die Sensibilität von Bundesparlament und Bundesrat für Grundwasserschutzinteressen gegenüber Landwirtschaftsinteressen als unbefriedigend.87 Das BLW ist zwar bemüht, die Anliegen des Grundwasserschutzes in die eigenen Geschäfte aufzunehmen und mit anderen Zielen zu vereinbaren. Im Bundesrat und im Parlament haben diese Anliegen aber oft einen schweren Stand. Im Frühjahr 2021 haben die eidgenössischen Räte die AP22+, welche als Teil einer Neuausrichtung der Landwirtschaft u. a. auch einen verstärkten Grundwasserschutz zum Ziel hatte, sistiert. In der gleichen Session haben sie ausgehend von der Parlamentarischen Initiative der Kommission
für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 29. August 2019 («Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren»)88 verschiedene Massnahmen beschlossen, deren Verbindlichkeit und Wirkung für den Grundwasserschutz jedoch umstritten sind. Dazu hat der Bundesrat am 28. April 2021 einen Massnahmenplan in die Vernehmlassung gegeben.89

84 85

86 87 88 89

KPMG (2019): Evaluation Zulassungsprozess Pflanzenschutzmittel, Ergebnisbericht.

Bern: KPMG, 22.

Siehe Fussnote 84. Auch eine Mehrheit der kantonalen Umweltämter stuft die Zuständigkeitsregelung für die Zulassung von Pestiziden und die Zulassungskriterien als unbefriedigend ein (Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q36).

Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel wird verbessert, Medienmitteilung des Bundesrates vom 17.2.2021.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q36.

Pa. Iv. WAK-S «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» vom 29. August 2019 (19.475).

Bundesrat lanciert einen Massnahmenplan für sauberes Wasser, Medienmitteilung des Bundesrates vom 28.4.2021.

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5.3

Grundwasserschutz in der Vollzugshilfe angemessen abgedeckt

Das BAFU und das BLW unterstützen die Kantone beim Vollzug mit der von beiden Ämtern gemeinsam herausgegebenen Vollzugshilfe «Umweltschutz in der Landwirtschaft».90 Die Vollzugshilfe wurde unter Beizug der KVU und der Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz (KOLAS) erstellt. Ihr Ziel ist ein schweizweit koordinierter und einheitlicher Vollzug des Umweltrechts im Landwirtschaftsbereich.91 Die Vollzugshilfe umfasst alle relevanten Aspekte der Landwirtschaft in den Bereichen Wasser, Boden und Luft und ist in fünf Module gegliedert: Baulicher Umweltschutz, Biogasanlagen, Nährstoffe und Verwendung von Düngern, Pflanzenschutzmittel, Bodenschutz. Sie enthält zahlreiche Bezüge zum Grundwasserschutz.

Die PVK kommt gestützt auf die Umfrage92, die geführten Interviews und eine eigene Dokumentenanalyse zum Schluss, dass die Vollzugshilfe klar, aktuell und praxisnah ist. Sie ist allen kantonalen Umweltämtern bekannt, und ihre Qualität wird von diesen überwiegend als akzeptabel bis gut bewertet.93 Das Gewicht, welches das Thema Grundwasserschutz gegenüber anderen Themen in der Vollzugshilfe erhält, erscheint angemessen.

Für das Gewässerschutzprogramm (siehe auch folgende Ziff. 5.4) besteht eine eigene «Grundlagensammlung» aus dem Jahr 201394, die als Vollzugshilfe dient. Im Rahmen der Weiterentwicklung des Gewässerschutzprogramms wird gegenwärtig eine neue Vollzugshilfe erstellt, die diese Grundlagensammlung ablösen soll.

5.4

Wirksamkeit des Gewässerschutzprogramms kaum bestritten, Erfolge aber nicht nachhaltig gesichert

Selbst eine landwirtschaftliche Praxis, bei welcher die Landwirtschaftsbetriebe die rechtlichen Vorgaben zum Gewässerschutz einhalten, kann zu überhöhten Nitrat- oder Pflanzenschutzmittel-Werten im Grundwasser führen. In solchen Situationen kann der Bund nach Artikel 62a des GSchG vertraglich vereinbarte Massnahmen zur Verminderung dieser Verunreinigungen mitfinanzieren. Die Abgeltungen sollen die Mindererträge der Landwirtschaft vergüten, die durch die Massnahmen verursacht werden. Der Hauptanteil der Kosten wird dabei vom Bund getragen, den restlichen Betrag können sich verschiedene Parteien teilen (Kanton, Gemeinde, Wasserversorger). Die Teilnahme der Landwirtschaftsbetriebe an solchen Sanierungsprojekten ist frei-

90

91

92 93 94

BAFU/BLW (2016): Vollzugshilfe Umweltschutz in der Landwirtschaft. Übersicht über alle Module. www. bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/ > Publikationen und Studien (Stand: 8.6.2021).

BAFU/BLW (2012): Nährstoffe und Verwendung von Düngern in der Landwirtschaft.

Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Landwirtschaft. Bundesamt für Umwelt und Bundesamt für Landwirtschaft, Bern.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q34.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q33 und Q36.

Arbeitsgruppe Nitrat (2013): Grundlagensammlung Projekte nach Artikel 62a GSchG Nitratprojekte. Bern: BLW, BAFU, BAG, 7.

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willig. Die geeigneten Massnahmen werden bei jedem Projekt nach den lokalen Gegebenheiten festgelegt. Die wichtigste Massnahme ist in der Regel, dass im Zuströmbereich der betroffenen Fassung ein Teil des bewirtschafteten Ackerlandes in Grünland umgewandelt wird.95 Das BLW gewährt die Abgeltungen auf der Grundlage von Programmvereinbarungen, die mit den Kantonen für jedes Gebiet abgeschlossen werden. Für die Beurteilung, ob die Projekte einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleisten, hört es das BAFU an.

Das Gewässerschutzprogramm wurde 1998 eingeführt. Nach einem Anstieg bei der Anzahl der Projekte und der Kosten in den ersten Jahren96 hat sich diese Zahl seit 2008 bei jeweils knapp 30 laufenden Projekten eingependelt. Mitte 2020 wurden 28 Projekte finanziell unterstützt. Die Sanierungsziele sollten jeweils nach 12 Jahren erreicht werden.97 Die jährlichen Kosten zwischen 5 und 8 Mio. Franken zeigen, dass deutlich weniger als die ursprünglich geschätzten 60 Mio. Franken pro Jahr eingesetzt werden.98 Das Programm war allerdings nie dazu gedacht, eine flächendeckende Verbesserung des Grundwasserschutzes zu erzielen, sondern nur bei lokalen Fällen verunreinigter Grundwasservorkommen eine Sanierung zu ermöglichen. Dennoch ist die so tiefe Nachfrage mit Blick auf die Wirksamkeit des Programms kritisch zu werten.

Seitens der kantonalen Umweltämter wird die Wirksamkeit der einzelnen Projekte kaum bezweifelt und die Projekte werden grundsätzlich als attraktiv bewertet.99 In der Umfrage zeigen sich Gründe, weshalb das Gewässerschutzprogramm bisher nur relativ selten genutzt wurde. Etwa die Hälfte der Umweltämter, insbesondere aus kleineren Kantonen und solchen mit Berggebieten, gab an, der Problemdruck bei der Wasserqualität sei in ihrem Kanton nicht so gross, dass sich zusätzliche Sanierungsprojekte aufgedrängt hätten (siehe Abb. 4).100 Ähnlich häufig wird als Verzichtsgrund genannt, dass der Aufwand für die erforderlichen Verhandlungen mit den Landwirten für die Kantone zu gross wäre. Die Bereitschaft der Landwirtschaft zu einer Teilnahme wird sodann als oftmals gering eingeschätzt.101 Nach verschiedenen Aussagen aus Gesprächen liegt das wohl daran, dass die Entschädigungen oft nicht ausreichen, um einen Verzicht auf hochwertiges Kulturland und eine grundlegende Umstellung der Produktion vollständig
abzugelten. Insbesondere Kantone, die bereits Projekte durchführten, gaben auch ihren Aufwand für die Gesuchstellung und für die Ermittlung der Zuströmbereiche als Grund dafür an, dass sie das Programm nicht stärker

95 96

Arbeitsgruppe Nitrat (2013).

Meier, Beat / Peter, Kathrin (2010): Evaluation von Projekten nach Artikel 62a Gewässerschutzgesetz. Bericht zuhanden der AG Nitrat, Victor Kessler, BLW.

97 Arbeitsgruppe Nitrat (2013), 8.

98 Für die Beiträge nach Artikel 62a GSchG besteht kein eigener Kredit. Seit 1998 laufen die Beiträge über den Kredit für Ökobeiträge, seit 2014 über den Kredit für Direktzahlungen.

99 Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q31.

100 Teilweise beschliessen Wasserversorger, belastete oder gefährdete Grundwasserfassungen nicht zu sanieren, sondern zu schliessen und das Wasser stattdessen aus anderen Fassungen zu beziehen. Inwieweit die antwortenden Umweltämter auch bei solchen Fällen von einem fehlenden Problemdruck ausgingen, ist der PVK nicht bekannt. Kurzfristig kann eine solche Ausweichstrategie das Problem lösen, sie stösst aber mittel- und langfristig an Grenzen (vgl. auch Reist/Olschewski [2019]).

101 Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Fragen Q27 und Q29.

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nutzen.102 Wie in der Umfrage vereinzelt ergänzt wurde, gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen der Gewässerschutzfachstelle und dem Amt für Landwirtschaft in den Kantonen nicht immer einfach, was für die Gesuchstellung ebenfalls eine Herausforderung darstellen kann.

Dass in vielen Kantonen auch aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Landwirtschaftsbetriebe auf (weitere) Sanierungsprojekte verzichtet wird, wirft zudem die Frage auf, ob es zweckmässig ist, stets auf eine freiwillige Teilnahme der Betriebe zu setzen. Das Bundesrecht (Art. 47 und Anhang 4, Ziff. 212 GSchV) ermöglicht es den Kantonen jedenfalls, auch zwangsweise Massnahmen gegenüber Landwirtschaftsbetrieben anzuordnen, wenn dies zur Behebung einer Verunreinigung notwendig ist.103 Ob die Kantone von dieser Möglichkeit zweckmässigen Gebrauch machen, um ihren Pflichten gemäss GSchV104 nachzukommen, müsste das BAFU im Rahmen seiner Aufsicht beurteilen.

Gründe für beschränkte Nachfrage nach Projekten des Gewässerschutzprogramms Abbildung 4 Kein Bedarf, weil keine Probleme mit der Wasserqualität

11

Projekt wurde beantragt, aber vom Bund abgelehnt

5

2

Aufwand des Kantons für Gesuchstellung zu gross

3

9

Aufwand des Kantons für Verhandlungen mit Landwirten zu gross

8

11

Aufwand für die Ermittlung des betroffenen Zuströmbereichs zu gross

4

6

Kanton wollte/konnte eigene finanzielle Beteiligung nicht leisten 1

4

1

5

11

5

6

2

5

14

1 1 0

1

9

8

Programm ist/war nicht bekannt

4 8

6

Keine Bereitschaft bei betroffenen Landwirten

2

4

8

5

Wasserversorger wollte/konnte keinen finanziellen Beitrag leisten

1

18

4

Zweifel des Kantons an der Wirksamkeit eines solchen Projekts

7

9 5

grosse Bedeutung

4 6

1 10

gewisse Bedeutung

15

keine Bedeutung

20

weiss nicht

N=24.

Quelle: Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q27/29.

Die Frage lautete «Welche Bedeutung hatten Ihres Erachtens die folgenden Faktoren dafür, dass es in Ihrem Kanton bisher kein Projekt / nicht noch mehr Projekte im Rahmen des Gewässerschutzprogramms gegeben hat?».

102 103

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q29.

Arbeitsgruppe Nitrat (2013), 7, 25; Norer, Roland / Tschopp, Simone (2016): Artikel 62a GSchG. In: Hettich, Peter / Jansen, Luc / Norer, Roland (Hrsg.): Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum Wasserbaugesetz. Zürich: Schulthess.

104 Art. 47 und Anhang 4 Ziff. 212 GSchV verpflichten die Kantone, bei verunreinigten Gewässern die zum Schutz des Wassers erforderlichen Massnahmen festzulegen.

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Die Projekte des Gewässerschutzprogramms werden von der Arbeitsgruppe Nitrat/Pflanzenschutzmittel begleitet, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern des BLW (Vorsitz), des BAFU, der KOLAS und der KVU zusammensetzt. Die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen und dem Bund im Rahmen der durchgeführten Projekte wird von den kantonalen Umweltämtern mehrheitlich als eher gut bis gut bewertet.105 Das Gewässerschutzprogramm wurde in den Jahren 2002 und 2010 im Auftrag des BLW und der Arbeitsgruppe Nitrat/Pflanzenschutzmittel evaluiert.106 In der Evaluation aus dem Jahr 2010 wurde festgestellt, dass es bezüglich der Wirkung auf die Qualität des Grundwassers erfolgreiche Projekte gibt, die das Ziel klar erreichen. In anderen Projekten wurden stagnierende oder teilweise in gewissen Zeiträumen sogar steigende Nitratgehalte im Boden festgestellt. Grundsätzlich war die Wirkung der Projekte aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren jedoch schwer zu bewerten. Klar zeigte sich in einem Teil der Projekte, dass aufgrund einer wenig verbindlichen Planung die vorgesehenen Massnahmen nur unvollständig umgesetzt wurden, was die Wirkung abschwächte.107 2015 wurde u. a. gestützt auf diese Evaluationsergebnisse die Weiterentwicklung des Gewässerschutzprogramms gestartet. Diese Arbeiten mündeten in Vorschläge zu einem regionalisierten ÖLN und zu Beiträgen für eine standortangepasste Landwirtschaft in der AP22+ sowie in einen Entwurf zu neuen Vollzugsgrundlagen für das Gewässerschutzprogramm. Die Hauptanliegen dieser Vorschläge betreffen die dauerhafte Sicherung der Erfolge der Projekte aus dem Gewässerschutzprogramm. Bisher besteht das grosse Risiko, dass die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe wieder auf die frühere Produktionsweise umsteigen und die Wasserqualität des Grundwassers sich wieder verschlechtert, wenn ein Projekt abgeschlossen und somit die Zahlungen des Bundes eingestellt werden. Es bestehen für die Landwirtschaftsbetriebe kaum Anreize, die grundwasserschonende Praxis ohne finanzielle Unterstützung aufrecht zu erhalten. Dies wäre nach Aussagen der befragten Personen einzig durch eine Anpassung im Direktzahlungssystem möglich. Wohl auch aufgrund dieser Problematik wird die Laufzeit der Projekte von den kantonalen Umweltämtern eher als zu kurz bewertet.108 Die mangelnde Sicherung der nachhaltigen Wirkung
des Programms ist insgesamt gesehen der zentrale Schwachpunkt des Gewässerschutzprogramms. Dies hat auch das BLW und das BAFU erkannt. Hinzu kommt, dass teilweise auch Kantone mit Problemdruck bei der Wasserqualität von einer Teilnahme am Programm absehen, insbesondere weil sie ihren Aufwand für Verhandlungen mit den Landwirtschaftsbetrieben als zu gross und deren Bereitschaft als zu gering erachten.

105 106

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q31.

Meier/Peter (2010); Peter, Kathrin (2002): Evaluation der Entscheidfindung in Kantonen für Projekte nach GSchG Art. 62a. Im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft.

107 Meier/Peter (2010), 17­19.

108 Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q31.

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6

Zweckmässigkeit der Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Raumplanungspolitik auf Bundesebene

Die PVK hat die Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Raumplanungspolitik auf der Ebene des Bundes anhand von Kriterien wie der Zweckmässigkeit der Kompetenzaufteilung, der Angemessenheit der Zusammenarbeit und des Stellenwerts des Grundwasserschutzes in den Vollzugshilfen evaluiert (vollständige Liste in Anhang 2). Die in der Evaluation einbezogenen Bereiche an dieser Schnittstelle betreffen die Genehmigung kantonaler Richtpläne, die Sachplanung bei Vorhaben des Bundes, die UVP, die Rechtssetzung sowie die Vollzugshilfen (siehe auch Ziff. 2.3).

Die Kompetenzen zwischen dem ARE und dem BAFU sind klar geregelt und die Zusammenarbeit wird als angemessen bewertet (Ziff. 6.1). Die Anliegen des Grundwasserschutzes finden Eingang in die Richtplanprüfung, der Einbezug bei Sachplänen erfolgt jedoch teilweise spät (Ziff. 6.2). In den Vollzugshilfen der Raumplanung ist der Grundwasserschutz nur teilweise angemessen abgebildet, und sie enthalten keine verbindlichen Vorgaben zum Grundwasserschutz (Ziff. 6.3).

6.1

Klar geregelte Kompetenzen zwischen ARE und BAFU

Die Kompetenzen an der Schnittstelle zwischen Grundwasserschutz und Raumplanungspolitik sind klar zugeteilt und die Verfahren klar geregelt. Bei der Prüfung der kantonalen Richtpläne und ihrer Anpassungen auf Bundesebene leitet das ARE das Verfahren (Art. 10 Abs. 1 RPV)109. Zum Thema Grundwasserschutz wie auch zu anderen Themen konsultiert es dabei die Mitglieder der Raumordnungskonferenz (ROK). In dieser verwaltungsinternen Koordinationsplattform sind alle raumrelevanten Organisationen des Bundes einschliesslich des BAFU vertreten. Nach der ersten Konsultationsrunde erstellt das ARE jeweils eine Übersicht zu den Anliegen der beteiligten Bundesstellen, die es im Prüfungsbericht zum Richtplan aufzunehmen plant. Können sich die Bundesämter daraufhin in wichtigen Punkten nicht einigen, wird die Differenz zuhanden des UVEK bzw. des Bundesrats ausgewiesen. Genehmigungsinstanz ist bei unbestrittenen Anpassungen das UVEK, bei strittigen Fragen sowie bei Richtplan-Gesamtrevisionen der Bundesrat (Art. 11 Abs. 1 und 2 RPV). Es besteht somit ein klares Verfahren, wie bei Uneinigkeit zwischen den beteiligten Stellen vorzugehen ist. Ebenso klar ist in der RPV (Art. 17 Abs. 1 und Art. 21) das Verfahren für die Sachpläne geregelt. Hier ist es Aufgabe der für einen Sachplan zuständigen Bundesstelle, die Abwägung der verschiedenen Interessen im konkreten Fall vorzunehmen. Verabschiedet werden die Sachpläne sodann durch den Bundesrat.

Bei der UVP für Anlagen im Zuständigkeitsbereich des Bundes ist die Kompetenzaufteilung in Artikel 62a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes

109

Raumplanungsverordnung vom 28.6.2000 (RPV; SR 700.1)

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(RVOG)110 und in den einzelnen Sachgesetzgebungen klar geregelt.111 Das BAFU beurteilt die Umweltverträglichkeit eines geplanten Baus dabei u. a. anhand seiner Vereinbarkeit mit dem Grundwasserschutz. Das Ergebnis der UVP fliesst als eine der Grundlagen in den Entscheid über das Vorhaben ein, den die für den Bau zuständige Stelle zu fällen hat.

Die Verfahren bei der Rechtssetzung entsprechen den Vorgaben des Gesetzgebungsleitfadens112. Zusätzlich wird das BAFU im Rahmen von Rechtssetzungsverfahren wie beispielsweise beim RPG oder auch für die Behandlung parlamentarischer Vorstösse zur Raumplanung mit einem Bezug zum Grundwasserschutz regelmässig in Arbeitsgruppen einbezogen, um bereits frühzeitig bei der Ausarbeitung der Vorlage mitzuwirken. Zudem hat das BAFU die Möglichkeit, sich im Rahmen der Ämterkonsultation zu äussern.

Die formell vorgegebenen Kompetenzen und Verfahrensabläufe werden in all diesen Bereichen nach Aussagen der befragten Personen eingehalten. Seitens BAFU wurde einzig moniert, dass die Fristen meistens zu knapp seien, da im Amt die Stellungnahmen verschiedener Sektionen eingeholt und bereinigt werden müssen. Die Zusammenarbeit zwischen ARE und BAFU wird von den befragten Personen meist als sachlich und konstruktiv wahrgenommen. Im Vergleich zu Schnittstellen der Raumplanungspolitik mit anderen Bereichen des UVEK gibt es an der Schnittstelle zum Grundwasserschutz nach Aussagen der beteiligten Akteure nur kleinere Konflikte, die frühzeitig aus dem Weg geräumt werden können.

6.2

Grundwasserschutz findet grösstenteils Eingang in die Richtplanprüfung, bei Sachplänen erfolgt Einbezug teilweise spät

Aus Sicht der meisten kantonalen Umweltämter erhält der Grundwasserschutz in der Raumplanung im Vergleich mit anderen Schutzinteressen nicht den nötigen Stellenwert.113 Wie auch das ARE anerkennt, gewinnt die Thematik um den Grundwasserschutz jedoch klar an Relevanz. Die Anliegen des Grundwasserschutzes finden Eingang in die relevanten Gremien des Bundes wie etwa die ROK oder die Arbeitsgruppe Untergrund114. In dieser zweiten Arbeitsgruppe bestand beispielsweise Einigkeit darüber, dass die Thematik Untergrund bei der Rechtssetzung in der zweiten Etappe der 110 111

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010) BAFU (2009): UVP-Handbuch. Richtlinie des Bundes für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Bern: Bundesamt für Umwelt.

112 BJ (2019): Gesetzgebungsleitfaden, Leitfaden für die Ausarbeitung von Erlassen des Bundes. Bern: Bundesamt für Justiz.

113 Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q44.

114 Die Arbeitsgruppe Untergrund klärt Fragen bezüglich Schutz und Nutzung des Untergrundes, koordiniert Stellungnahmen zu politischen Vorstössen und Gesetzen in der Thematik und stellt Grundlagenwissen zur Verfügung. Sie setzt sich aus Vertretungen folgender Verwaltungseinheiten zusammen: ARE (Federführung), BAFU, Bundesamt für Strassen (ASTRA), Bundesamt für Verkehr (BAV), Bundesamt für Energie (BFE), Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI), VBS und Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) (UVEK/VBS [2014]: Zusammenarbeitserklärung UVEK-VBS für Fragen im Bereich Untergrund, Beilage 1).

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RPG-Revision Beachtung finden sollte, um auch den Grundwasserschutz zu stärken.115 Bei der Prüfung der Richtpläne erstellt das ARE den Prüfungsbericht als Grundlage für die Genehmigung durch das UVEK oder den Bundesrat. Bei der Erstellung des Prüfungsberichts ist es Aufgabe des ARE zu entscheiden, welche Kritikpunkte der Fachämter es darin aufnimmt. Die vom BAFU angemeldeten Einwände zum Grundwasserschutz nimmt es dabei nach Aussagen der befragten Personen mehrheitlich auf.

Bei Differenzen zwischen den Ämtern würden diese beim Departement ausgewiesen.

Bei anderen Themen hat das BAFU laut befragten Mitarbeitenden in der Vergangenheit Differenzen bis auf die Stufe des Departements eskaliert. Beim Grundwasserschutz war dies jedoch noch nie nötig, da stets eine Einigung auf Amtsstufe gelang.

Bei der Sachplanung gestaltet sich die Berücksichtigung der Anliegen zum Grundwasserschutz je nach Sachplan sehr unterschiedlich. Im allgemeinen Konzeptteil wird der Grundwasserschutz oft behandelt, in den detaillierten Objektblättern jedoch nur noch selten. Bei verschiedenen Vorhaben hat das BAFU stark interveniert, damit der Grundwasserschutz Aufnahme fand. Tendenziell erachtet man es beim BAFU als zu spät, wenn der Grundwasserschutz erst bei der UVP im Rahmen der Projektplanung berücksichtigt wird, da Grundsatzentscheide in der Planung dann oft schon getroffen sind und auf Anliegen des Grundwasserschutzes von den zuständigen Bundesstellen nur noch bedingt Rücksicht genommen werden kann. Das ARE als Koordinationsstelle für die Sachpläne teilt diese Kritik teilweise mit Blick auf die bundesnahen Unternehmen und erachtet zu dieser Problematik eine verstärkte Sensibilisierung der zuständigen Bundesämter durch das ARE als sinnvoll. Die Beurteilung der Objektblätter im Rahmen der Sachplanung wird laut BAFU zudem dadurch erschwert, dass die Schutzgebiete des planerischen Grundwasserschutzes darin oft nicht abgebildet sind.

6.3

Leitfaden zur Richtplanung ohne verbindliche Vorgaben zum Grundwasserschutz

Der Grundwasserschutz ist eines von vielen Themen, die im aktuell geltenden und vom Bund herausgegebenen Leitfaden für die Richtplanung116 aus dem Jahr 1997 behandelt werden. Der Leitfaden soll dem wirkungsvollen Einsatz, einer gewissen Vereinheitlichung und der Weiterentwicklung des Instruments der Richtpläne in den Kantonen dienen und beinhaltet Aussagen mit Richtliniencharakter. Er ist verständlich formuliert und in seinen Grundzügen nach Aussagen des ARE aktuell. Die wenigen kantonalen Umweltschutzämter, welchen dieser Leitfaden bekannt ist, erachten ihn mit Blick auf den Grundwasserschutz jedoch mehrheitlich als veraltet.117 Die Ergänzungen zum Leitfaden aus dem Jahr 2014118 greifen den Grundwasserschutz nicht 115

Der vorgeschlagene Artikel zum Untergrund wurde vom Departement indessen nach der Vernehmlassung aus der Vorlage entfernt, was das Departement mit dem Bestreben nach Vereinfachung und Fokussierung begründet. Gegenwärtig ist die Vorlage in den parlamentarischen Kommissionen in Beratung.

116 Bundesamt für Raumplanung (1997): Der kantonale Richtplan. Leitfaden für die Richtplanung nach Art. 8 RPV.

117 Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q38.

118 Bundesamt für Raumentwicklung (2014): Ergänzung des Leitfadens Richtplanung.

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auf.119 Gewisse Verweise zum Grundwasserschutz sind im Leitfaden deshalb nicht zu finden, so etwa jener auf die GSchV, weil diese nach 1997 erlassen wurde.

Die Thematik des Grundwassers ist im Leitfaden Richtplanung ­ wie auch fast alle übrigen Themen ­ sehr allgemein gehalten. Mit Ausnahme von Vorgaben für den Bereich Siedlung, in dem das revidierte RPG explizite Anforderungen an den Richtplan formuliert und dem Bund weitreichende Kompetenzen gibt, beinhaltet er keine verbindlichen Voraussetzungen für eine Richtplangenehmigung. Aufgrund von Artikel 8 Absatz1 Buchstabe b RPG und Artikel 46 Absatz 1bis GSchV müssen die Kantone bei der Erstellung der Richtplanung zwar die gewässerschutzrechtliche Planung berücksichtigen.120 In welcher Form dies zu geschehen hat, lassen die rechtlichen Grundlagen indessen offen. Zur Abbildung der Gewässerschutzgebiete in der Richtplankarte bestehen demnach auch keine klaren Vorgaben.

Nach Ansicht einer Mehrheit der kantonalen Umweltämter könnten Nutzungskonflikte besser vermieden werden, wenn Grundwasserschutzgebiete auf Stufe Richtplan abgebildet und dadurch tendenziell früher in den Planungsprozess einfliessen würden.121 Auch das BAFU ist der Ansicht, dass Grundwasserschutzzonen und -areale bei Grossprojekten früher berücksichtigt würden, wenn sie in den Richt- und Sachplänen dargestellt wären. Zwar haben alle Kantone in ihrem Richtplan einen Grundsatz oder Grundsätze zum Grundwasserschutz festgehalten, und es gibt in den meisten Richtplänen Aussagen zum planerischen Grundwasserschutz. In der Richtplankarte werden die Gebiete in vielen Kantonen aber nicht ausgewiesen.122 Häufig wird lediglich auf die Gewässerschutzkarte verwiesen.123 Das BAFU sieht eine konsequente Kartierung der Grundwasserschutzgebiete als eine Voraussetzung für die frühzeitige Konflikterkennung. Gemäss ARE würde die Abbildung der Grundwasserschutzgebiete in den Karten der Richt- und der Sachpläne (siehe Ziff. 6.2) per se freilich noch keinen besseren Grundwasserschutz garantieren.

In einer Abwägung gegenüber anderen Interessen, wie beispielsweise den Biotopen, deren Schutz in nationalen Inventaren geregelt ist, verfügt das Grundwasser über keinen Status auf der gleichen Stufe. Gleichzeitig würde eine konsequente Kartierung noch nichts über die Ergiebigkeit und Qualität einer Fassung aussagen,
was nach verschiedenen Aussagen zentral für eine angemessene Interessenabwägung wäre.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Grundwasserschutz in den Vollzugshilfen zur Raumplanung nur teilweise angemessen thematisiert wird. Auf der Ebene von Gesetz und Verordnung bestehen zwar keine klaren Vorgaben dazu, in welcher Form die Gewässerschutzgebiete in der Richtplanung berücksichtigt werden müssen, was indes aus Sicht der PVK kein Hindernis für eine ausführlichere Behandlung auf der Ebene der Vollzugshilfen bildet; vielmehr könnten letztere in dieser Situation den Kantonen immerhin gewisse Leitlinien vermitteln.

119 120 121 122 123

Die Ergänzungen haben die neuen Anforderungen des revidierten RPG und damit insbesondere das Thema Siedlung zum Inhalt.

Thurnherr (2021), Rz. 122.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q42.

Ergebnisse der Umfrage Grundwasserschutz, Frage Q41 sowie Übersicht des ARE.

BAFU (2018), 13.

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7

Schlussfolgerungen

Die PVK kommt insgesamt zum Ergebnis, dass die Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes nur teilweise zweckmässig ist. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind weitgehend klar. Dass sie dem Bund bloss relativ begrenzte Aufsichtsinstrumente in die Hand geben, erschwert eine wirksame Aufsicht (Ziff. 7.1). Doch macht das BAFU auch von jenen Aufsichtsmöglichkeiten, die ihm rechtlich zur Verfügung stehen, nur sehr wenig Gebrauch (Ziff. 7.3).

Insgesamt positiv zu bewerten ist, wie das BAFU die Vollzugsunterstützung wahrnimmt, auch wenn sich die Ergänzung der Vollzugshilfe verzögert (Ziff. 7.2).

Die Schnittstellen zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaft sowie Raumplanung sind nach den Erkenntnissen der PVK auf Bundesebene insgesamt zweckmässig ausgestaltet (Ziff. 7.4). Problematisch ist, dass das Gewässerschutzprogramm an der Schnittstelle zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaft keine Mechanismen enthält, um einmal erzielte Erfolge bei der Grundwasserqualität nachhaltig abzusichern (Ziff. 7.5).

7.1

Die rechtlich verfügbaren Aufsichtsmittel des Bundes sind klar, doch ihre begrenzte Reichweite erschwert eine wirksame Aufsicht

Das Bundesrecht legt abgesehen von wenigen Ausnahmen klar fest, welche Aufgaben die Kantone im Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zu erfüllen haben (Ziff. 3.1) und welche Mittel der Bund hat, um den kantonalen Vollzug zu beaufsichtigen (Ziff. 3.2).

Erschwert wird die Aufsichtswahrnehmung aber dadurch, dass der Gesetz- und der Verordnungsgeber kein konkretes Vorgehen für die Bundesaufsicht im planerischen Grundwasserschutz definiert und das verfügbare Aufsichtsinstrumentarium weniger weit gefasst haben als in anderen Bereichen. So gibt das Bundesrecht nicht vor, innert welcher Fristen die Kantone ihre Vollzugsaufgaben erledigt haben müssen. Wenn ein Kanton seine Aufgaben nicht oder nicht korrekt erfüllt, steht dem Bund zudem als einzige Sanktionsmöglichkeit die kaum praktikable Ersatzvornahme zur Verfügung.

Auch legt das Recht nur rudimentäre Berichterstattungspflichten der Kantone an den Bund fest. Dies verunmöglicht eine wirksame Aufsicht des Bundes nicht, macht sie aber anspruchsvoller: Das BAFU als Aufsichtsbehörde muss selbst ein Vorgehen bestimmen, inwieweit es den Kantonen Vollzugsfristen setzen und Berichterstattungen von ihnen einfordern will; zu beidem ist es aufgrund seiner Aufsichtskompetenz berechtigt, muss dabei aber die Verhältnismässigkeit wahren (Ziff. 3.3). Das BAFU steht dabei unter stärkerem Rechtfertigungsdruck für solche Massnahmen als wenn es sich auf Vorgaben des Gesetz- oder Verordnungsgebers berufen könnte. Weil das BAFU im planerischen Grundwasserschutz über keine praktikablen Sanktionsmittel verfügt, muss es die Kantone zudem bei Bedarf auf andere Weise zum Vollzug zu bewegen suchen ­ beispielsweise mittels Überzeugung oder mit dem Aufbau öffentlichen Drucks (siehe auch Ziff. 4.4).

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7.2

Die Vollzugsunterstützung ist von guter Qualität, aber die Aktualisierung der Vollzugshilfe verzögert sich

Das BAFU legt seinen Fokus in der Aufsicht zum planerischen Grundwasserschutz auf die Vollzugsunterstützung und hat diese in den letzten Jahren teils deutlich verstärkt. Dies wird von den Kantonen wahrgenommen und geschätzt. So hat das BAFU in Absprache mit der KVU einen regelmässigen Austausch mit den kantonalen Gewässerschutzfachstellen institutionalisiert. Bei Fragen und Anliegen zum Vollzug können diese und andere Vollzugsakteure das BAFU niederschwellig kontaktieren.

Die Auskünfte, die das BAFU erteilt, sind von guter Qualität (Ziff. 4.2).

Auch die schriftliche Vollzugshilfe wird von den Vollzugsakteuren für ihre Qualität und Praxisnähe geschätzt. Für ihre Ausarbeitung bezieht das BAFU die Kantone stark ein. Es besteht allerdings ein klarer Ergänzungs- und Aktualisierungsbedarf, wobei das BAFU mit seinen Arbeiten für zwei neue Vollzugshilfemodule sowie für die Erneuerung des bestehenden Grundmoduls rund drei Jahre in Verzug ist. Das hat unter anderem Vollzugsdefizite zur Folge. So werden die 2016 in der GSchV eingeführten besonderen Grundwasserschutzzonen in Karst- und Kluftgebieten bis heute in keiner Vollzugshilfe thematisiert, weshalb manche Kantone mit ihrer Ausscheidung zuwarten. Das BAFU begründet die Verzögerung einerseits mit der zunächst unterschätzten Komplexität der zu klärenden Fragen und andererseits mit knappen Personalressourcen (Ziff. 4.1).

7.3

Trotz anhaltender Vollzugslücken setzt das BAFU seine Aufsichtsmöglichkeiten sehr zurückhaltend ein

Das BAFU schöpft auch jene vergleichsweise begrenzten Aufsichtsinstrumente, die das Recht bietet (siehe Ziff. 7.1), nicht aus. Abgesehen von der Vollzugsunterstützung, macht das Amt im planerischen Grundwasserschutz wenig Gebrauch von Aufsichtsmassnahmen.

Beim Monitoring über den kantonalen Vollzug hat das BAFU zwar in den letzten Jahren die Vorgaben zur Erfassung der Geodaten in den Gewässerschutzkarten ausgebaut und eine Umfrage bei allen Kantonen durchgeführt, was ihm eine bessere Einschätzung des Vollzugsstands erlaubt. Das Amt wird bisher aber grundsätzlich nicht aktiv, wenn es feststellt, dass die verfügbaren Daten für einen Kanton keine zuverlässige Einschätzung des Vollzugsstands zulassen. Insbesondere zum Vollzugsstand bei den Zuströmbereichen und zur Verbreitung von Nutzungskonflikten erlaubt das bestehende Monitoring nur grobe Aussagen. Insgesamt verfügt das BAFU damit nur über einen unvollständigen Überblick über den Stand des Vollzugs im planerischen Grundwasserschutz (Ziff. 4.3).

Noch zurückhaltender als beim Monitoring ist das BAFU mit dem Einsatz seiner Interventionsmöglichkeiten, um Vollzugslücken zu begegnen. Obwohl das Amt wiederholt zur Einschätzung gelangt ist, dass beim Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes in vielen Kantonen erhebliche Defizite bestehen, hatte dies bisher bloss allgemein gehaltene Appelle an die Gesamtheit der Kantone zur Folge, aber kaum 45 / 60

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konkrete Ermahnungen, Aufforderungen oder Fristansetzungen an säumige Kantone (Ziff. 4.4).

In diesem Ausmass erscheint der PVK die Zurückhaltung des BAFU nicht zweckmässig für die Erfüllung der Aufsichtsaufgabe. Zwar ist es zweifellos anspruchsvoll, vor dem Hintergrund der offen gehaltenen Rechtsgrundlagen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten, des lückenhaften Monitorings sowie begrenzter Personalressourcen ein sinnvolles Vorgehen für die Vollzugsaufsicht zu entwickeln und dabei das Gleichgewicht zwischen partnerschaftlicher Zusammenarbeit und konsequenter Beaufsichtigung zu finden (siehe auch Ziff. 7.1). Gegenwärtig setzt das BAFU im planerischen Grundwasserschutz indessen fast ausschliesslich auf eine kooperative, partnerschaftliche Aufsichtspraxis. Auf Vorgaben oder Massnahmen, die bei den Kantonen Widerstände hervorrufen könnten, wird präventiv weitestgehend verzichtet (Ziff. 4.4). Ein solcher Aufsichtsansatz bietet zwar die Chance, dass die beaufsichtigten Instanzen jene Massnahmen, auf die man sich gegenseitig geeinigt hat, stark mittragen und die Akzeptanz und die Identifikation dadurch erhöht werden. Er vermag jedoch nicht sicherzustellen, dass für den Grundwasserschutz notwendige Massnahmen umgesetzt werden, wenn sie in den Kantonen umstritten sind. Dies zeigen die bedeutenden, seit Jahrzehnten bestehenden Vollzugslücken. Letztlich erscheint damit das gesetzliche Ziel der Sicherung des Grundwassers gefährdet.

7.4

Schnittstellen zu Landwirtschaft und Raumplanung sind auf Bundesebene weitgehend zweckmässig ausgestaltet

An den Schnittstellen zwischen dem Grundwasserschutz und der Landwirtschaftssowie der Raumplanungspolitik bestehen regelmässig unterschiedliche, teils kollidierende Interessen Die Kompetenzen sind dabei klar und zweckmässig zwischen den beteiligten Bundesämtern abgegrenzt, und die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern verläuft im Wesentlichen sachlich und konstruktiv, selbst wenn diese unterschiedliche gesetzliche Aufträge zu erfüllen haben (Ziff. 5.1 und 6.1). Die Vorbereitung der notwendigen Interessenabwägung wird auf Verwaltungsebene im Wesentlichen auf seriöse Weise und nach sachlichen Kriterien vorgenommen. Bei grundlegenderen Fragen entscheidet das Departement, der Bundesrat oder das Parlament über die Prioritätensetzung zwischen den involvierten Interessen (Ziff. 5.2 und 6.2).

Die Strukturen und Prozesse erlauben es dem BAFU in der Regel, die Anliegen des Grundwasserschutzes angemessen in die Vorhaben und Geschäfte an den genannten Schnittstellen einzubringen. Eine Ausnahme an der Schnittstelle zur Landwirtschaftspolitik stellt das Verfahren für die Zulassung von Pestiziden dar, in welchem für das BAFU bisher keine aktive Rolle vorgesehen ist. Der Bundesrat hat im Februar 2021 jedoch aufgrund einer externen Evaluation erste Anpassungen beschlossen und weitere in Aussicht gestellt, welche die Rolle des BAFU und die Unabhängigkeit des Verfahrens insgesamt stärken sollen (Ziff. 5.2 und 6.2). Was die Schnittstelle zur Raumplanungspolitik betrifft, ist die konsequente Abbildung der Grundwasserschutzgebiete in den Sachplänen des Bundes sowie teilweise der frühzeitige Einbezug des

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BAFU im Sachplanverfahren nicht durchgehend gewährleistet (Ziff. 6.2). In den Vollzugshilfen des Bundes zur Raumplanung wird der Grundwasserschutz nur teilweise angemessen thematisiert. In vielen kantonalen Richtplankarten werden die Grundwasserschutzgebiete zudem nicht eingetragen, womit nicht sichergestellt ist, dass die Interessen des Grundwasserschutzes konsequent und frühzeitig berücksichtigt werden.

Dem Bund fehlt es aber an einer gesetzlichen Grundlage, um die Kartierung der Schutzgebiete einzufordern (Ziff. 6.3).

7.5

Erfolge des Gewässerschutzprogramms sind nicht nachhaltig gesichert

Mit dem Gewässerschutzprogramm beteiligt sich der Bund an der Finanzierung von Massnahmen, mit denen Landwirtschaftsbetriebe im Einzugsgebiet belasteter Grundwasserfassungen ihre Produktionsweise anpassen, um die Verunreinigung des Grundwassers zu vermindern. Die PVK kommt zum Schluss, dass das Programm nur teilweise zweckmässig ausgestaltet ist.

Zwar ist die Wirksamkeit der durchgeführten Projekte grundsätzlich positiv zu beurteilen, indem sie in der Regel dazu beitragen, den Zustand des Grundwassers zu verbessern. Allerdings bietet das Programm bisher keine Antwort dazu, wie die Grundwasserqualität über die Laufzeit der Projekte hinaus gesichert werden kann. In der Bundesverwaltung laufen derzeit interne Diskussionen, auf welchem Weg diese Problematik entschärft werden könnte. Bisher bestehen für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe jedoch kaum Anreize, die grundwasserschonenden Massnahmen ­ welche in der Regel zu geringeren Erträgen führen ­ aufrecht zu erhalten, wenn ein Projekt abgeschlossen wird und die Zahlungen des Bundes somit eingestellt werden.

Der fehlende Mechanismus für eine nachhaltige Sicherung der Erfolge der Projekte schränkt nach Auffassung der PVK die Zweckmässigkeit des gesamten Programms ein.

Eingeschränkt wird die Wirksamkeit des Programms ausserdem dadurch, dass es deutlich weniger Projekte gibt als ursprünglich erwartet. Einerseits wird der Problemdruck bei der Wasserqualität nicht überall als so gross wahrgenommen, dass sich zusätzliche Sanierungsprojekte aufgedrängt hätten. Andererseits zeigt sich als zentraler Grund für die geringe Nachfrage in stärker belasteten Regionen der oft grosse zeitliche Aufwand, der den Kantonen für verschiedene Arbeiten zur Vorbereitung der Projekte entsteht (Ziff. 5.4).

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Abkürzungsverzeichnis Abb.

Abs.

AP PSM ARE Art.

BAFU BLV BLW BV bzw.

GPK GPK-N GSchG GSchV Kap.

KOLAS KVU Mo.

Pa. Iv.

PVK ROK RPG RPV RVOG Rz.

SR SVGW u. a.

UVEK UVP vgl.

VKCS VTM

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Abbildung Absatz Aktionsplan Pflanzenschutzmittel Bundesamt für Raumentwicklung Artikel Bundesamt für Umwelt Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen Bundesamt für Landwirtschaft Bundesverfassung vom 18.4.1999 (SR 101) beziehungsweise Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, SR 814.20) Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 (SR 814.201) Kapitel Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzämter der Schweiz Motion Parlamentarische Initiative Parlamentarische Verwaltungskontrolle Raumordnungskonferenz Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, SR 700) Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (SR 700.1) Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010) Randziffer Systematische Rechtssammlung Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches unter anderem Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Umweltverträglichkeitsprüfung Vergleiche Verband der Kantonschemiker der Schweiz Verordnung vom 19. August 2020 über die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung in schweren Mangellagen (SR 531.32)

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WAK-S WBF Ziff.

Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung Ziffer

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Literatur- und Dokumentenverzeichnis Literatur Brunner, Arnold (2016): Artikel 19, 20 und 21 GSchG. In: Hettich, Peter / Jansen, Luc / Norer, Roland (Hrsg.): Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum Wasserbaugesetz. Zürich: Schulthess.

Kohli, Anik / Hammer, Stephan / Iten, Rolf / Haberthür, Markus / Erdin, Christoph (2018): Erfolgsfaktoren im Vollzug verschiedener Umweltbereiche. Schlussbericht.

Zürich: Infras AG, Ambio GmbH und Ecosens AG.

KPMG (2019): Evaluation Zulassungsprozess Pflanzenschutzmittel, Ergebnisbericht.

Bern: KPMG.

Meier, Beat / Peter, Kathrin (2010): Evaluation von Projekten nach Artikel 62a Gewässerschutzgesetz. Bericht zuhanden der AG Nitrat, Victor Kessler, BLW.

Müller, Stephan / Schärer, Michael / Jenny, Angela / Schwab, Corin / Muralt, Reto / Reinhardt, Miriam / Leu, Christian / Beer, Michael (2020): Grundwasserschutz muss Qualität des Trinkwassers sichern. In: Aqua & Gas 2020/7-8: 28­34.

Norer, Roland / Tschopp, Simone (2016): Artikel 62a GSchG. In: Hettich, Peter / Jansen, Luc / Norer, Roland (Hrsg.): Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum Wasserbaugesetz. Zürich: Schulthess.

Peter, Kathrin (2002): Evaluation der Entscheidfindung in Kantonen für Projekte nach GSchG Artikel 62a. Im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft.

Reist, Viola / Olschewski, André (2019): Nutzungskonflikte bei Trinkwasserfassungen. In: Aqua & Gas 2019/6, 44­49.

Rieder, Stefan / Landis, Flurina / Lienhard, Andreas / Schwenkel, Christof / Dolder, Olivier (2013): Stärkung des Vollzugs im Umweltbereich. Schlussbericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Abteilung Recht. Luzern: Interface.

Schwab, Corin / Guhl, Frédéric / Schärer, Michael (2018): Grundwasserschutz als Investition in die Zukunft. In: Aqua & Gas 2018 (12), 43­48.

Thurnherr, Daniela (2021): Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des Grundwasserschutzes. Rechtsgutachten im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle.

VKCS (Verband der Kantonschemiker der Schweiz) (2019): Pflanzenschutzmittel in Trinkwasser (Kampagnenbericht). https://www.kantonschemiker.ch > Veröffentlichungen (Stand: 27. April 2021).

Dokumente Arbeitsgruppe Nitrat (2013): Grundlagensammlung Projekte nach Artikel 62a GSchG Nitratprojekte. Bern: BLW, BAFU, BAG.

BAFU (2008): Management des Grundwassers in der Schweiz. Leitlinien des Bundesamtes für Umwelt BAFU. Bern: Bundesamt für Umwelt.

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BAFU (2009): UVP-Handbuch. Richtlinie des Bundes für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Bern: Bundesamt für Umwelt.

BAFU (2014): Grundlagen für die Wasserversorgung 2025. Risiken, Herausforderungen und Empfehlungen. Bern: Bundesamt für Umwelt.

BAFU (2018): Schutz der Grundwasserfassungen in der Schweiz ­ Stand des Vollzugs. Bericht zur Umfrage bei den kantonalen Fachstellen. Bern: Bundesamt für Umwelt.

BAFU (2019a): Zustand und Entwicklung Grundwasser Schweiz. Ergebnisse der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA, Stand 2016. Bern: Bundesamt für Umwelt.

BAFU (2019b): Nutzungskonflikte bei Fassungen der öffentlichen Wasserversorgung. Unveröffentlichtes Arbeitspapier mit Ergebnissen der Umfrage «Trockenheit im Sommer und Herbst 2018». Bern: BAFU.

BAFU/BLW (2012): Nährstoffe und Verwendung von Düngern in der Landwirtschaft. Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Landwirtschaft. Bern: Bundesamt für Umwelt und Bundesamt für Landwirtschaft.

BJ (2019): Gesetzgebungsleitfaden, Leitfaden für die Ausarbeitung von Erlassen des Bundes. Bern: Bundesamt für Justiz.

BUWAL (2004): Wegleitung Grundwasserschutz. Vollzug Umwelt. Bern: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft.

PVK (2021): Ergebnisse der Umfrage «Grundwasserschutz in der Schweiz: Rolle des Bundes», Arbeitspapier der PVK vom 7. Oktober 2021.

UVEK/VBS (2014): Zusammenarbeitserklärung UVEK-VBS für Fragen im Bereich Untergrund.

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Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner Im Verzeichnis ist die Funktion der betreffenden Person zum Zeitpunkt des Gesprächs mit der PVK angegeben.

Bundesverwaltung Badertscher, Ruth Baumann, Thomas Berger, Lukas Boltshauser, Jan Chassot, Georges Félix, Olivier Geiser, Christoph Guggisberg, Claudia Guhl, Frédéric Gujer, Hans-Ulrich Hänggi, Emanuel Helg, Urs Hofer, Christian Hostettler, Stefan Kilchmann, Sybille Kozel, Ronald Moor, Christoph Müller, Stephan

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Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, BLW Sektionschef, Sektion UVP und Raumordnung, BAFU Sektionschef, Rechtsdienst 3, Abteilung Recht, BAFU Leiter des Dienstes Koordination von Vollzug und Aufsicht, Abteilung Recht, BAFU Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Sektion Wasserqualität, Abteilung Wasser, BAFU Fachbereichsleiter, Fachbereich Nachhaltiger Pflanzenschutz, BLW Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachbereich Toxikologie und Biologie, BLV Sektionsleiterin, Sektion Richtplanung, ARE Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Sektion Gewässerschutz, Abteilung Wasser, BAFU Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Sektion Biodiversitätspolitik, Abteilung Biodiversität und Landschaft, BAFU Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachbereich Lebensmittelhygiene, BLV Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stab der Abteilung Wasser, BAFU Amtsdirektor, BLW Stellvertretender Generalsekretär, UVEK Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Sektion Gewässerschutz, Abteilung Wasser, BAFU Sektionschef, Sektion Hydrogeologische Grundlagen, Abteilung Hydrologie, BAFU Sektionschef, Sektion Biozide und Pflanzenschutzmittel, Abteilung Luftreinhaltung und Chemikalien, BAFU Abteilungsleiter, Abteilung Wasser, BAFU

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Muralt, Reto Poschet El Moudden, Lena Roux, Olivier Schachermayr, Gabriele Schärer, Michael Schneeberger, Katrin Schwab, Corin Schwarz, Franziska Segessenmann, Zippora Tissot, Jacques Vogel, Samuel Wild, Florian Wittwer, Ulrich

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Sektion Wasserqualität, Abteilung Wasser, BAFU Sektionsleiterin, Sektion Bundesplanungen, ARE Fachbereichsleiter, Fachbereich Direktzahlungen, BLW Vizedirektorin, BLW Sektionschef, Sektion Gewässerschutz, Abteilung Wasser, BAFU Amtsdirektorin, BAFU Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Sektion Gewässerschutz, Abteilung Wasser, BAFU Vizedirektorin, BAFU Referentin, Generalsekretariat des WBF Referent, Generalsekretariat des UVEK Fachbereichsleiter, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, BLW Abteilungsleiter, Abteilung Recht, BAFU Stellvertretender Sektionsleiter, Sektion Richtplanung, ARE

Kantonsverwaltungen und interkantonale Konferenzen Bisig, Roger Ganguin, Jacques Joerin, Christophe Loosli, Andrea Müller, Matthias Papi, Giancarla Seiler, Kurt

Würsten, Martin

Generalsekretär KOLAS Präsident der KVU und Vorsteher des Amts für Wasser und Abfall des Kantons Bern Vorsteher des Amts für Umwelt des Kantons Freiburg und Vorstandsmitglied der KVU Geschäftsführerin KVU Leiter Landwirtschaft des Kantons Aargau und Leiter des Ressorts Umwelt und Programme der KOLAS Präsidentin der Kantonsplanerkonferenz (KPK) und Vorsteherin des Bau- und Raumplanungsamts des Kantons Freiburg Vorsteher des Amts für Umweltschutz des Kantons Schaffhausen sowie des Interkantonalen Labors der Kantone Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und Schaffhausen (Kantonschemiker) Ehemaliger Vorsteher des Amts für Umweltschutz des Kantons Solothurn

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Weitere Interviewpartnerinnen und -partner Ingold, Karin Knorpp, Roland Kuhn, Bernhard Meier, Rolf Olschewski, André Papritz, Karl Schirmer, Mario

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Inhaberin des Lehrstuhls für Policy Analysis and Environmental Governance (PEGO), Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern Leiter des Bereichs Wasserversorgung, Departement Tiefbau und Werke der Gemeinde Emmen Departementsleiter, Departement Tiefbau und Werke der Gemeinde Emmen Vizedirektor und Bereichsleiter Wasser, SVGW Geschäftsbereichsleiter Wasserversorgung, Holinger AG, und vormaliger Vizedirektor und Bereichsleiter Wasser, SVGW Geschäftsführer, Beratende Geologen und Hydrogeologen Dr. Bernasconi AG Leiter der Forschungsgruppe Hydrogeologie, Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasser, EAWAG

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Anhang 1

Herangehensweise der Evaluation Ziele der Politik:

Der Grundwasserschutz bezweckt, die Qualität und die Menge des vorhandenen Grundwassers zu schützen und für den heutigen und künftigen Gebrauch zu sichern.


Mittel, diese zu erreichen:

Neben weiteren Massnahmen wie etwa der Abwasserreinigung oder der Restwasserregulierung kommt dem planerischen Grundwasserschutz eine zentrale Rolle zu. Dabei werden rund um Grundwasservorkommen Schutzgebiete festgelegt, in denen bestimmte Aktivitäten nur beschränkt zugelassen oder ganz untersagt sind. Für den Vollzug sind die Kantone zuständig, dem Bund obliegt die Aufsicht.


Gegenstand der Evaluation:

Fragestellungen der Evaluation:

Durchgeführte Analysen:

Die Evaluation untersucht, wie der Bund die Aufsicht über den kantonalen Vollzug im planerischen Grundwasserschutz wahrnimmt und ob die Schnittstellen zwischen dem Grundwasserschutz und der Landwirtschafts- sowie der Raumplanungspolitik auf Bundesebene zweckmässig ausgestaltet sind.











Sind die rechtlichen Grundlagen für die Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zweckmässig?

Unterstützt der Bund die Kantone bei der Umsetzung der Bundesvorgaben mit zweckmässigen Informationen?

Wendet der Bund das Instrumentarium zur Aufsicht über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes zweckmässig an?

Sind die Schnittstellen zwischen dem Grundwasserschutz und der Landwirtschaftspolitik zweckmässig ausgestaltet?

Sind die Schnittstellen zwischen dem planerischen Grundwasserschutz und der Raumplanungspolitik zweckmässig ausgestaltet?











Rechtsgutachten

Interviews mit Mitarbeitenden des BAFU und der Vollzugsstellen

Interviews mit Mitarbeitenden des BAFU und der Vollzugsstellen

Dokumentenanalyse von Vollzugshilfen, Studien und internen Unterlagen des BAFU

Umfrage bei den kantonalen Umweltämtern

Umfrage bei den kantonalen Umweltämtern

Interviews mit Mitarbeitenden der involvierten Bundesämter und weiteren Akteuren Dokumentenanalyse von Vollzugshilfen und internen Unterlagen der Bundesämter an den Schnittstellen Umfrage bei den kantonalen Umweltämtern

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Anhang 2

Bewertungskriterien Kriterium Bewertungselemente (> Berichtsteil mit Bewertung)

Zweckmässigkeit der rechtlichen Grundlagen für die Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes (Frage 1) Klarheit der Anforde- Das Bundesrecht legt klar fest, was der Inhalt und der Umrungen an die Kantone fang der Vollzugsaufgaben der Kantone ist, innert welchem Zeitraum sie zu erledigen sind und in welcher Form und (> Ziff. 3.1) welchem Umfang die Kantone den Bund über deren Erfüllung zu informieren haben.

Klarheit des Aufsichtsinstrumentariums, das dem Bund zur Verfügung steht (> Ziff. 3.2) Zweckmässigkeit der Reichweite des Aufsichtsinstrumentariums, das dem Bund zur Verfügung steht (> Ziff. 3.3)

Das Bundesrecht legt klar fest, welche Instrumente der Bund anwenden kann, um die Aufsicht über den kantonalen Vollzug auszuüben, und welche Voraussetzungen für die Anwendung der einzelnen Instrumente gegebenenfalls erfüllt sein müssen. Reichweite und Grenzen des Aufsichtsinstrumentariums sind somit klar.

Das Bundesrecht gibt dem Bund aus rechtlicher Perspektive hinreichende Aufsichtsinstrumente in die Hand, um die Aufsicht über den kantonalen Vollzug auszuüben: Das verfügbare Aufsichtsinstrumentarium erlaubt es dem Bund, den Umsetzungsstand des kantonalen Vollzugs im planerischen Grundwasserschutz effektiv zu überprüfen und im Fall von Vollzugsdefiziten wirksame Massnahmen gegenüber den Kantonen zu ergreifen.

Zweckmässigkeit der Informationen, mit denen der Bund die Kantone beim Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes unterstützt (Frage 2) Qualität der schriftlichen Vollzugshilfe (> Ziff. 4.1)

Die Vollzugshilfe ist klar, verständlich und praxisnah. Alle wesentlichen Vorgaben zur Umsetzung des planerischen Grundwasserschutzes werden darin behandelt. Die Ausführungen in der Vollzugshilfe stimmen mit den geltenden bundesrechtlichen Vorgaben zur Umsetzung des planerischen Grundwasserschutzes überein. Die Vollzugshilfe deckt auch wesentliche aktuelle Entwicklungen ab.

Qualität von AusDie Auskünfte beantworten die Fragen der vollziehenden Stellen zutreffend, klar und praxisnah.

künften des Bundes bei Anfragen der vollziehenden Stellen (> Ziff. 4.2)

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Kriterium Bewertungselemente (> Berichtsteil mit Bewertung)

Verfügbarkeit von Auskünften des Bundes bei Anfragen der vollziehenden Stellen

Vollziehende Stellen können Anfragen auf einfachem Weg einreichen und erhalten innert nützlicher Frist eine Antwort.

Es ist für sie klar, an wen sie sich bei Fragen wenden können.

(> Ziff. 4.2) Zweckmässigkeit der zusätzlichen Informationstätigkeit des Bundes (> Ziff. 4.2)

Der Bund informiert vollziehende Stellen auch über die schriftliche Vollzugshilfe hinaus proaktiv über Fragen des Vollzugs. Der Informationsfluss wird von den vollziehenden Stellen als ausreichend, rechtzeitig und transparent bewertet, und sie können ihre Anliegen beim Bund einfach und wirksam einbringen.

Zweckmässigkeit der Aufsichtspraxis des Bundes über den kantonalen Vollzug des planerischen Grundwasserschutzes (Frage 3) Qualität der Aufsichtsstrategie (> Ziff. 4.5)

Einheitlichkeit der Aufsichtstätigkeiten (> Ziff. 4.5)

Es bestehen strategische Leitlinien, wie die Aufsicht wahrgenommen werden soll. Die strategischen Leitlinien sind schriftlich festgehalten und sie sind klar. Die Strategie klärt, bei welchen Mängeln welche Aufsichtsinstrumente ergriffen oder welche Eskalationsschritte eingeleitet werden und wie den kantonal unterschiedlichen Gegebenheiten bei der Aufsichtsausübung Rechnung getragen werden soll.

Die strategischen Leitlinien, soweit vorhanden, werden in der Praxis eingehalten. Der Bund wendet die Aufsichtsinstrumente gegenüber allen Kantonen nach einheitlichen Kriterien an, unter angemessener Berücksichtigung der kantonal unterschiedlichen Umsetzungsstände und Gegebenheiten.

Zweckmässigkeit Der Bund prüft den Vollzug durch die Kantone in angemesdes Monitorings über sener Häufigkeit und in angemessener Tiefe. Die erhobenen den Vollzugsstand Informationen erlauben dem Bund eine Bewertung des Umsetzungsstands und ein Monitoring der Vollzugslücken.

(> Ziff. 4.3) Zweckmässigkeit der Interventionen des Bundes (> Ziff. 4.3, 4.4) Qualität der Wirksamkeitsüberprüfung der eigenen Aufsichtspraxis durch den Bund (> Ziff. 4.5)

Liefert ein Kanton die geforderten Daten nicht fristgerecht oder nicht in genügender Qualität, so fordert der Bund diese ein. Werden Vollzugslücken festgestellt, ergreift der Bund angemessene aufsichtsrechtliche Massnahmen.

Der Bund analysiert die Wirksamkeit seiner Aufsichtspraxis periodisch und hält die Ergebnisse fest. Er nutzt bei den Analysen Vergleichsmöglichkeiten zur Aufsichtstätigkeit über andere Bereiche des Umweltpolitikvollzugs. Er passt seine Aufsichtspraxis auf der Grundlage der Ergebnisse der Wirksamkeitsanalysen gegebenenfalls an.

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Kriterium Bewertungselemente (> Berichtsteil mit Bewertung)

Zweckmässigkeit der Ausgestaltung der Schnittstelle zwischen Grundwasserschutz und Landwirtschaftspolitik auf Bundesebene (Frage 4) Zweckmässigkeit der Kompetenzaufteilung zwischen den Bundesstellen (> Ziff. 5.1) Angemessenheit der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Bundesstellen

Die Kompetenzen sind klar zugeteilt und das Verfahren klar geregelt. Es besteht ein klares Verfahren, wie bei Uneinigkeit zwischen den beteiligten Stellen vorzugehen ist. Die Kompetenzzuteilung ermöglicht es dem BAFU, die Interessen des Grundwasserschutzes in der Interessenabwägung wirksam zu vertreten.

(> Ziff. 5.1, 5.2)

Die formell vorgegebenen Kompetenzen und Verfahrensabläufe werden in der Praxis eingehalten. Der gegenseitige Informationsfluss ist in ausreichendem Umfang und ausreichend frühzeitig gewährleistet. Die Zusammenarbeit wird als sachlich und konstruktiv wahrgenommen. Die Nichtberücksichtigung eines Anliegens der anderen Seite wird nachvollziehbar begründet und die Begründung zeugt von einer seriösen Auseinandersetzung mit dem Anliegen. Die Anliegen des Grundwasserschutzes finden Eingang in die relevanten Gremien des Bundes.

Angemessenheit des Stellenwerts des Grundwasserschutzes in den Vollzugshilfen zur Landwirtschaftspolitik

Der Grundwasserschutz erhält in den Vollzugshilfen ein angemessenes Gewicht neben anderen Themen. Die relevanten Verweise zur Gewässerschutzgesetzgebung sind vorhanden und aktuell. Die Ausführungen zum Grundwasserschutz in der Landwirtschaft sind klar, verständlich und praxisnah. Sie entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens.

(> Ziff. 5.3) Zweckmässigkeit der Ausgestaltung des Gewässerschutzprogramms (> Ziff. 5.4)

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Die Nutzungszahlen des Programms entsprechen den Zielen, die bei den Beschlüssen über seine Einführung und seine Fortführung gesetzt wurden. Die verfügbaren Mittel und die Vorgaben des Gewässerschutzprogramms sind ausreichend, damit bei Zielkonflikten mit anderen Förderinstrumenten der Landwirtschaftspolitik der Grundwasserschutz angemessen gewichtet wird. Das Gewässerschutzprogramm ist bei den Vertreterinnen und Vertretern der Zielgruppen bekannt und akzeptiert. Diese nehmen den Zugang zum Gewässerschutzprogramm als niederschwellig und attraktiv wahr und schätzen das Programm als wirksam ein. Die Wirksamkeit des Gewässerschutzprogramms wird mit zweckmässigen Mitteln analysiert. Bei erkanntem Handlungsbedarf werden Verbesserungen eingeleitet.

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Kriterium Bewertungselemente (> Berichtsteil mit Bewertung)

Zweckmässigkeit der Ausgestaltung der Schnittstelle zwischen Grundwasserschutz und Raumplanungspolitik auf Bundesebene (Frage 5) Zweckmässigkeit der Kompetenzaufteilung zwischen den Bundesstellen (> Ziff. 6.1) Angemessenheit der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Bundesstellen (> Ziff. 6.1, 6.2)

Angemessenheit des Stellenwerts des Grundwasserschutzes in den Vollzugshilfen zur Richtplanung (> Ziff. 6.3)

Die Kompetenzen sind klar zugeteilt und das Verfahren klar geregelt. Es besteht ein klares Verfahren, wie bei Uneinigkeit zwischen den beteiligten Stellen vorzugehen ist. Die Kompetenzzuteilung ermöglicht es dem BAFU, die Interessen des Grundwasserschutzes in der Interessenabwägung wirksam zu vertreten.

Die formell vorgegebenen Kompetenzen und Verfahrensabläufe werden in der Praxis eingehalten. Der gegenseitige Informationsfluss ist in ausreichendem Umfang und ausreichend frühzeitig gewährleistet. Die Zusammenarbeit wird als sachlich und konstruktiv wahrgenommen. Die Nichtberücksichtigung eines Anliegens der anderen Seite wird nachvollziehbar begründet und die Begründung zeugt von einer seriösen Auseinandersetzung mit dem Anliegen. Die Anliegen des Grundwasserschutzes finden Eingang in die relevanten Gremien des Bundes.

Der Grundwasserschutz erhält in den Vollzugshilfen ein angemessenes Gewicht neben anderen Themen. Die relevanten Verweise zur Gewässerschutzgesetzgebung sind vorhanden und aktuell. Die Ausführungen zum Grundwasserschutz in den Instrumenten der Raumplanung sind klar, verständlich und praxisnah. Sie entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens.

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Impressum Durchführung der Untersuchung Dr. Hans-Peter Schaub, PVK (Projektleitung) Dr. Felix Strebel, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit) Andreas Tobler, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit) Expertenbericht «Rechtsgutachten» Prof. Dr. Daniela Thurnherr, Universität Basel Dank Die PVK dankt dem BAFU, dem BLW und dem ARE für die zur Verfügung gestellten Dokumente und Daten. Ein Dank gilt zudem allen Gesprächspartnerinnen und -partnern für ihre bereitwillige Teilnahme an den Interviews und für die erteilten Auskünfte sowie den Mitarbeitenden der kantonalen Umweltämter für die Teilnahme an der Umfrage. Schliesslich danken wir Frau Prof. Dr. Daniela Thurnherr für die gute Zusammenarbeit im Rahmen des externen Mandats.

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 58 322 97 99 E-Mail: pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > PVK

Originalsprache des Berichts: Deutsch

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