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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Abschluß einer Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich über die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausübung.

(Vom 7. Juni 1889.)

Tit.

Wir sind in der angenehmen Lage, Ihnen mit der gegenwärtigen Botschaft die vollständige Erfüllung des durch Ihr Postulat vom 19. März 1884 (Nr. 323, Motion Bruggisser) uns ertheilten Auftrages anzukündigen.

Nachdem wir Ihnen nämlich im März 1883 eine Uebereinkunft mit dem deutschen Reiche über gegenseitige Zulassung der auf den beidseitigen Grenzen wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausübung zur Ratifikation unterbreitet hatten, haben Sie uns durch jenes Postulat beauftragt, ähnliche Uebereinkünfte auch mit Frankreich, Italien und Oesterreich abzuschließen.

Die Verhandlungen, die wir hierauf mit diesen Staaten eröffneten, haben bei den zwei zuletzt genannten, sowie bei dem Fürsten von Liechtenstein ohne Anstand zu einem befriedigenden Ergebnisse geführt, so daß wir Ihnen im Mai 1886 die Uebereinkünfte mit Oesterreich-Ungarn und dem Fürstenthum Liechtenstein und vor einem Jahre diejenige mit Italien zur Genehmigung vorlegen konnten.

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Nicht so rasch sind dagegen die Unterhandlungen mit Frankreich vorwärts geschritten. Dieselben geriethen vielmehr im Jahre 1886 bei der französischen Regierung in's Stocken, und zwar, wie es scheint, infolge eines negativen Gutachtens der hygienischen Expertenbehörde. Im Laufe vorigen Jahres haben wir indessen unsere Anregungen bei der französischen Regierung erneuert und für den Fall, daß sie nicht auf dieselben eintreten könnte, um eine definitive Antwort auf unsere frühern Kundgebungen nachgesucht.

Dieß rief die Unterhandlungen wieder in's Leben, und sie führten nun zum Abschluß der Uebereinkunft, die wir Ihnen zur Genehmigung vorzulegen die Ehre haben.

Das Projekt ist vor unserer Zustimmung den Regierungen der betheiligten Grenzkantone, der ärztlichen Expertenkommission, sowie unserm Industrie- und Landwirthschaftsdepartement -- letztertn, soweit es die Thierärzte betrifft - zur Vernehmlassung unterbreitet worden, und es haben deren Bemerkungen soweit thunlich Berücksichtigung gefunden.

Der Inhalt der Uebereinkunft entspricht im Allgemeinen demjenigen der mit den übrigen Nachbarstaaten abgeschlossenen gleichartigen Konventionen. Die Abweichungen bestehen in Folgendem : 1) Die Verabreichung von Arzneimitteln an die Patienten ist nur den Thierärzten unbedingt gestattet, den Aerztea hingegen bloß dann, wenn in dem Orte, an welchem sich der Kranke befindet, keine Apotheke ist.

2) Die Medizinalpersonen, welche der Konvention zuwider handeln, werden mit dem Entzuge des Rechts zur Grenzpraxis bestraft, und zwar für das erste Mal auf die Dauer eines Jahres, im Rückfalle mit dem gänzlichen Verluste des Rechts.

3) Die Zone der Grenzpraxis ist in der Weise bestimmt, daß der Konvention ein Verzeichniß der Gemeinden beigefügt wird, die auf einer Breite von 10 Kilometern auf beiden Seiten von der Grenze an gerechnet liegen.

Im Fernern soll jeweilen im Monat Januar ein Verzeichniß der in den Grenzgemeinden wohnenden patentirten Medizinalpersonen (Aerzte, Wundärzte, Geburtshelfer, Hebammen und Thierärzte), welche zur Grenzpraxis berechtigt sein sollen, zwischen den Regierungen der beiden Staaten ausgewechselt werden.

Diese Bestimmungen enthalten unseres Erachtens nichts die hierseitigen Interessen Schädigendes, und wenn die letzte derselben auch etwas umständlich erscheint, so dürfte sie doch dazu dienen, allfälligen Konflikten über das Gebiet der Grenzpraxis vorzubeugen.

335 Wir erlauben uns daher, Ihnen die Ratifikation der Uebereinkuuft nach beiliegendem Entwurf-Beschluß zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 7. Juni 1889.

[m Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Bingier.

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die am 29. Mai 1889 mit Frankreich abgeschlossene Uebereinkunft über die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausübung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) der am 29. Mai 1889 in Paris zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Uebereinkunft über die Zulassung der auf den Grenzen beider Länder wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausübung auf der Grenzzone ; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 7. Juni 1889, besch ließt : 1. Die genannte Uebereinkunft wird in Form und Inhalt genehmigt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

<4Se

Bandesblatt. 41. Jahrg. Bd. III.

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Uebereinkunft zwischen

der Schweiz und Frankreich, betreffend die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen, zur Berufsausübung.

Abgeschlossen am 29. Mai 1889.

Der Bundesrath der Schweiz. Eidgenossenschaft und Der Präsident der Französischen Repubük, von dem Wunsche geleitet, die Bedingungen zu regeln, unter denen die in den Grenzgemeinden dei' Schweiz und Prankreichs wohnenden Aerzte, Wundärzte, Geburtshelfer, Hebammen und Thierärzte in den genannten Gemeinden beider Länder zur Ausübung ihres Berufes zuzulassen sind, haben beschlossen, hierüber eine besondere Uebereinkunft abzuschließen, und au dem Ende als Bevollmächtigte ernannt: Der Bundesrath der Schweiz. Eidgenossenschaft: Herrn Karl Eduard L a r d y , seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in Paris, und Der Präsident der Französischen Republik: Herrn Eugène S p u l l e r , Deputirter, Minister der auswärtigen Angelegenheiten der Französischen Republik etc., etc., etc., welche, nach gegenseitiger Mittheilung und nach Richtigbefinden ihrer Vollmachten, über folgende Artikel übereingekommen sind : Artikel 1.

Die schweizerischen patentirten Aerzte, Wundärzte, Geburtshelfer, Hebammen und Thierärzte, welche in den Frankreich zu-

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nächst gelegenen schweizerischen Gemeinden wohnen, und welche zur Ausübung ihrer Kunst in diesen Gemeinden berechtigt sind, werden in gleicher Weise und in gleichem Maße zur Berufsausübung in den französischen Grenzgemeinden zugelassen.

Hinwider werden die französischen patentirten Aerzte, Wundärzte, Geburtshelfer, Hebammen und Thierärzte, welche in den der Schweiz zunächst gelegenen französischen Gemeinden wohnhaft und in diesen Gemeinden zur Ausübung ihrer Kunst berechtigt sind, in gleicher Weise und in gleichem Maße zur Berufsausübung in den schweizerischen Grenzgemeinden zugelassen.

Art. 2.

Die Personen, welche kraft Art. l ihren Beruf in den Grenzgemeinden des Nachbarlandes ausüben, sind nicht befugt, sich dort dauernd niederzulassen oder dort Domizil zu erwählen.

Sie sind gehalten, sich den in jenem Lande vorgesehenen gesetzlichen und administrativen Maßregeln zu unterwerfen.

Art. 3.

Die Aerzte, Wundärzte und Geburtshelfer, welche gemäß Art. l zur Ausübung ihres Berufes in den Grenzgemeinden des Nachbarlandes zugelassen sind und an ihrem Wohnorte das Recht zur Verabfolgung von Heilmitteln an ihre Kranken besitzen, sind zu einer derartigen Verabfolgung in den Grenzgemeinden des Nachbarlandes bloß dann befugt, wenn dort kein Apotheker vorhanden ist.

Die auf der Grenzzone zur Berufsausübung zugelassenen patentirten Thierärzte sind ermächtigt, in den Gemeinden, welche sie besuchen, Arzneimittel zu verkaufen.

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Art. 4.

Den Personen, welche den Vorschriften der Artikel 2 und 3 oben zuwiderhandeln würden, wird bei der ersten Uebertretung die durch Art. l gewährte Vergünstigung für die Dauer eines Jahres entzogen. Im Rückfalle verlieren sie jedes Recht auf jene Vergünstigung und werden von der nach Art. 5 dieser Konvention aufzustellenden Liste gestrichen.

Art. 5.

Im Monat Januar jeden Jahres übermittelt der Bundesrath der französischen Regierung ein Namensverzeichniß der patentirten Aerzte, Wundärzte, Geburtshelfer, Hebammen und Thierärzte, welche in

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den schweizerischen, Frankreich zunächst gelegenen Gemeinden niedergelassen sind, ein Namensverzeichniß, das auch die Angabe der Berufsart enthält, welche jene Personen auszuüben berechtigt sind.

Ein gleichartiges Verzeichniß wird zu demselben Zeitpunkt durch die französische Regierung dem schweizerischen Bundesrathe übermittelt werden.

Art. 6.

Ein der gegenwärtigen Uebereinkunft beigefügtes Verzeichniß wird die französischen und die schweizerischen Gemeinden angeben, auf welche die vorstehenden Bestimmungen Anwendung finden.

Art. 7.

Die gegenwärtige Uebereinkunft soll zwanzig Tage nach ihrer, den Gesetzen beider Länder entsprechenden Promulgation, in Kraft treten und bis sechs Monate nach dem Tage in Kraft bleiben, an welchem sie von einer der vertragschließenden Parteien aufgekündet wird. Sie soll ratifizirt und die Ratifikationen sollen so bald als möglich ausgewechselt werden.

Zur Urkunde dessen haben die beidseitigen Bevollmächtigten diese Uebereinkunft unterzeichnet und derselben ihre Siegel beigedrückt.

Geschehen und doppelt ausgefertigt in P a r i s den 29. Mai 1889 (L. S.) (Sign.) Lardy.

(L. S.) (Sign.) E. Spuller.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Abschluß einer Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich über die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausübung. (Vom 7. Juni 1889.)

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15.06.1889

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