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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 6. Juli 1889.)

Die Untersuchung, welche über die anläßlich eiüer Gefechtsübung durch einen scharfen Schuß erfolgte Tödtung des Wachtmeisters Leiser und die Verletzung des Soldaten Schenk geführt wurde, hat für die Annahme eines Verbrechens und für die Ermittlung der Urheber keine genügenden Anhaltspunkte ergeben.

Die Wittwe des Wachtmeisters Leiser erhielt das nach dem Gesetz zuläßige Maximum der Pension, nämlich Fr. 650. -- Bezüglich des Verhaltens von Soldaten der III. Kompagnie, Bataillon 84 kommt der Oberauditor nach Beendigung der Untersuchung zum Schlüsse, daß von Meuterei nicht gesprochen werden könne, und daß der Fall disziplinarisch zu erledigen sei. Die Haupturheber sind schon vorher mit 4--12 Tagen nach Beendigung des Dienstes zu erstehendem Arrest bestraft worden, und das Militärdepartement hat sich außerdem veranlaßt gesehen, zwei Unteroffiziere und vier Soldaten, welche nach den Untersuchungsakten ebenfalls strafbar erscheinen, nachträglich mit 4, 6 und 10 Tagen Arrest zu belegen. Die Untersuchung hat insbesondere ergeben, daß der Vorfall während einer Ruhepause und in Abwesenheit der Offiziere stattfand, und daß hier Widersetzlichkeit gegen ertheilte Befehle nicht stattgefunden hat. -- Es hat auch das eidgenössische Militärdepartement die Urheber und Unterzeichner einer in der gleichen Angelegenheit unter Umgehung des Dienstweges direkt an dasselbe gerichteten Petition bestraft.

Der Bundesrath hat die Zutheilung eines zweiten Stabsoffiziers zu den fünf Positionsartillerie-Abtheilungen beschlossen und als solche bezeichnet, für die Positionsartillerie-Abtheilungen : I. Hrn. Major Burgy, Alfred, in Lancy, bisher zur Disposition; II. ,, Major Guiguer de Prangins, CH., in Lausanne, bisher zur Disposition; III. ,, Hauptmann Werdenberg, Eduard, in Basel, zur Zeit Chef der Positionskompagnie 4, unter gleichzeitiger Beförderung zum Major; IV. ,, Major Liechti, Jakob, in Winterthur, bisher zur Disposition ; V. ,, Major Schoch, Max, in Zürich, bisher zur Disposition.

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(Vom 9. Juli 1889.)

Die internationale Sitnplonkonferenz hat den 8. Juli Nachmittags «ine dritte Sitzung abgehalten und ist zur Ansicht gelangt, es sei angezeigt, das Tracé des Tunnels der kontradiktorischen Prüfung technischer Experten zu unterbreiten, welche außerdem den Voranschlag desjenigen Projektes festzustellen hätten, dem der Vorzug gegeben werden wird.

Die Verhandlungen werden unterdessen abgebrochen, um das Ergebniß dieser Vorarbeit zu gewärtigen.

( Mit Note vom 4. dies hat die deutsche Gesandtschaft dem Bundesrathe die Mittheilung gemacht, daß die Société française des télégraphes sous-marins für ihre Kabel in den Antillen den Beitritt zum internationalen Telegraphenvertrage erklärt habe.

Eine Korrespondenz d. d. Bukarest, 20. Juni, in der ,,Frankfurter Zeitunga Nr. 178, zweites Morgenblatt, vom Donnerstag, 27. Juni 1889, erzählt folgenden Vorgang: ,,In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni hat sich auf der von unserem Highlife als Abendpromenade am häufigsten frequentirten Chaussée eine unbekannte junge Dame erschossen. In der Tasche der Selbstmörderin wurde ein an den russischen Gesandten, Herrn Hitrowo, gerichtetes Schreiben vorgefunden, und ist denn auch die Unglückliche, ohne daß noch die Identität festgestellt werden konnte, auf Rechnung der russischen Gesandtschaft beerdigt worden. Nachforschungen im Hotel, wo die Unbekannte während ihres Bukarester Aufenthaltes gewohnt hatte, haben aber neuesten Informationen zufolge zu sehr interessanten Aufschlüssen über die Vergangenheit und die Selbstmord motive der Unglücklichen geführt. Aufgefundene Briefreste lassen sie nämlich als Mitglied einer von russischen Flüchtlingen in der Schweiz gegründeten n i h i l i s t i s c h e n V e r s c h w ö r u n g erscheinen. Durch das Loos bestimmt, ein Mordattentat gegen Kaiser Alexander III. auszuführen, war dieselbe nach den Mittheilungen der heutigen ,,Vointa nationala" bis Bukarest gekommen. Statt jedoch ihre Reise weiter fortzusetzen, wurden von ihr Schritte gethan, um sich unter Vermittlung der russischen Gesandtschaft die Erlaubniß zur straffreien Rückkehr nach Rußland zu verschaffen. Als das nicht gelang, und die offenbar den gebildeten Kreisen angehörige Dame nicht nur ihre geringen Baarmittel aufgezehrt, sondern auch eine, größere Hotelrechnung kontrahirt hatte, machte sie ihrem Leben durch einen Revolverschuß ein Ende.

902 Nach einem Berichte des schweizerischen Generalkonsulates in Bukarest ist die Nachricht, daß sich eine junge Russin daselbst das Leben genommen, richtig. Dagegen ist die daran geknüpfte Meldung, die Untersuchung habe ergeben, daß dieselbe Mitglied einer in der Schweiz angestellten nihilistischen Verschwörung gegen das Leben des Kaisera von Rußland gewesen sei, vom dortigen Staatsanwalt, Herrn Boldur-Voinescu, rundweg als E r f i n d u n g bezeichnet worden. Der Herr Prim Procuror, an den die Akten, von der Polizeipräfektur zur weitern Untersuchung geleitet worden waren, hält dafür, daß Noth und Elend, sowie etwas Verrücktheit, die Beweggründe zum Selbstmord waren. Einen Brief hat sie unterzeichnet ,,votre folle Justine Emilianowa". Dies ist der Name, unter dem sie sich im Hôtel de Londres einschrieb, als sie am 5./17. Mai, angeblich aus Kischiniew kommend, dort abstieg. Der Tod erfolgte am 2./14. Juni. Daß die Untersuchung ergeben habe, die Emilianowa habe früher in der Schweiz gewohnt, ist zufolge der Mittheilurjgen des Prim Procuror ebenfalls unrichtig. Nach der vom Polizeidirektor in Bukarest, Herrn Carlowa, abgegebenen Erklärung hatte sich die genannte Russin seit mehreren Monaten in Bukarest aufgehalten. Der von der Unglücklichen an déni russischen Gesandten, Herrn Hitrowo, zurückgelassene Brief habe die Bitte enthalten, es möchte die Gesandtschaft die Kosten ihrer Beerdigung bestreiten.

(Vom 12. Juli 1889.)

Auf Grund des Bundesbeschlusses vom 26. Juni 1889, einer durch die Bundesversammlung unterm 28. Juni 1889 ertheilten besondern Anleihensbewilligung und des Bundesrathsbeschlusses vom 6. Juli 1889, hat der Chef des eidgenössischen Finanzdepartements ein Anleihen von Fr. 25,000,000 mit den nachbezeichneten schweizerischen Bankfirmen abgeschlossen : Eidgenössische Bank in Bern ; Banque cantonale vaudoise in Lausanne; Solothurnische Kantonalbank in Solothurn ; Caisse d'amortissement de la Dette publique in Freiburg; Bank in Winterthur; Schweizerische Unionbank in St. Gallen; Zürcher Bankverein in Zürich; Isaac Dreyfus Söhne in Basel; Ehinger & Cie. in Basel; Zahn & Cie. in Basel ; Weck & Aeby in Freiburg.

903 Das Anleihen wird ausgegeben in Obligationen von Fr. 1000, Fr. 5000 und Fr. 10,000 auf den Inhaber. Der üebernahmspreis beträgt 101 °/o. Die Obligationen von Fr. 5000 und Fr. 10.000 können in Bern kostenfrei auf den Namen eingeschrieben werden.

Die Obligationen sind zu 3*/2 °/o per Jahr verzinslich und mit jeweilen am 30. Juni und 31. Dezember verfallenden Zinscoupons versehen. Der erste Coupon verfällt am 31. Dezember 1889. Die Obligationen sind rückzahlbar von 1893 an innert 25 Jahren bis und mit 1917, gemäß dem den Obligationen beizudruckeoden Amortisationsplan. Die Eidgenossenschaft behält sich jedoch'das Recht vor, vom 31. Dezember 1900 an größere Quoten, als im Amortisationsplan vorgesehen, zur Rückzahlung auszuloosen oder auch das Anleihen ganz zurückzubezahlen.

Der Schah von Persien hat durch die schweizerische Gesandtschaft in Paris dem Bundesrathe sein Bedauern darüber aussprechen lassen, daß er, in England länger aufgehalten, nunmehr verhindert sei, auf seiner Reise die Schweiz zu besuchen.

Gemäß dem Protokoll zum Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Italien vom 23. Januar 1889 waren die vertragschließenden Theile übereingekommen, daß spätestens drei Monate nach Austausch der Ratifikationsurkunden weitere Unterhandlungen über die Fragen betreffend den Grenz verkehr und den Schmuggel eröffnet werden sollten. Diese Konferenz ist am 2. Juli zusammengetreten und hat zwei Sitzungen abgehalten, in welchen sich die beidseitigen Delegirten ihre Begehren mitgetheilt haben. Die Delegirten sind sodann dahin übereingekommen, daß man sich die nöthige Zeit zur Prüfung der gestellten Anträge nehmen solle, und hierauf wurden die Verhandlungen abgebrochen, um sie nächsten Herbst wieder aufzunehmen.

Der Trainlieutenant Fritz D u r s t , von Glarus, wurde zum Oberlieutenant der Artillerie (Armeetrain) und der Offiziersbildungsschüler Friedrich M oser, von Herbligen, zum Lieutenant der Artillerie (Armeetiain) befördert.

904 Die Fristen zur Einreichung der vorschriftsgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten, sind verlängert worden : 1) für die schmalspurige Eisenbahn Appenzell - Altstätten um 2 Jahre, d. h. bis zum 29. April 1891; 2) für die Bahn Lugano-Pontetresa um 2 Jahre, d. h. bis zum 18. Juni 1891; 3) für die Bahn Filisur - Davos-Platz ebenfalls um 2 Jahre, bis zum 13. Juni 1891 ; 4) für die Bahn Sissach-Gelterkinden um l Jahr, d. h. bis zum 27. Juni 1890.

Der Bundesrath wählte als Posthalterin und1 Briefträgerin in Fehraltorf (Zürich): Jgfr. Anna Bachofner, von und in dort.

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