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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Eisenbahn von Solothurn nach Münster (Weißensteinbahn).

(Vom 19. November 1889.)

Tit.

Die Einwohnergemeindeversammlung der Stadt Solothurn beauftragte unterm 17. Februar 1889 den Gemeinderath, behufs Erlangung der Konzession für die Bisenbahnverbindung S o l o t h u r n - M ü n s t e r ein Initiativkomite zu bestellen. Dieses letztere konstituirte sich und reichte unterm 31. Mai d. J. ein Konzessionsgesuch für die genannte Linie ein.

Bei Aufstellung seines Projektes ließ sich das Komite nach seiner Angabe von dem Bestreben leiten, einerseits eine Bahn mit mögliehst geringen Mitteln zu erstellen, anderseits dieselbe doch so zu gestalten, daß sie allen Anforderungen an eine Gebirgsbahn überhaupt zu genügen vermöge. Mit Rücksieht auf die bescheidenen zu Gebote stehenden Mittel habe leider von Projekten mit 7--8 km.

langen Tunneln und höchstens einer Zwischenstation zwischen Solothurn und Münster abgesehen werden müssen. Immerhin werde man danach trachten, falls die Finanzirung gelinge, die Maximalsteigungen von 37 °/oo so viel als möglich zu reduziren.

Zur Begründimg des Projekts wird in dem allgemeinen Bericht auf das von jeher zu Tage getretene Bedürfniß einer kürzern Verbindung des Birsthaies, durch die von Cremine nach Gänsbrunnen führende Schlucht und über, bezw. durch die südlichste Jurakette Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. IV,

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des Weißenstein, mit der offenen Schweiz und auf die dahinzielenden Bestrebungen alter und neuerer Zeit verwiesen. Es werden die schon im Mittelalter erstellten Saumwege über den Balmberg, die beiden Weißenstein und den Stalberg erwähnt und betont, daß dagegen wegen der Höhe und Steilheit des Gebirgszuges mittelst Kunststraßen, in denen doch während der ersten Hälfte des Jahrhunderts so Bedeutendes geleistet wurde, nichts den Anforderungen auch nur im Entferntesten Genügendes zu erzielen war. In den "Vierziger-Jahren habe man daran gedacht, die Scheidewand zwischen Gänsbrunnen und Weberhüsli zu durchbohren, utn die Anlage einer nach ihren Gefällsverhältnissen für Fuhrwerke aller Art passirbaren Straße zu ermöglichen. Die daherigen Vorarbeiten seien zwar begonnen, aber nicht fortgeführt worden. Nachdem dann in den Fünfziger-Jahren der Eisenbahnbau in der Schweiz begonnen hatte und man sich speziell auch an die großen Eisenbahntunnels zu gewöhnen anfing, tauchte von Zeit zu Zeit das Projekt eines Weißensteintunnels auf. Das letzte Projekt, welches eine 32 km. lange Linie mit 24 °/oo Maximalsteigung und circa 9 Millionen Franken Baukosten vorsah, datire aus dem Jahre 1863, mußte aber mangels der nöthi°en Unterstützung fallen gelassen werden. Seither hätten sich die Verhältnisse nun wesentlich verändert, insbesondere sei Solothurn ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt geworden, wo fünf Linien einmünden, während auch die Jurathäler durch ein Schienengeleise durchzogen werden. Diese Verhältnisse rechtfertigen es daher, wenn neuerdings Anstrengungen gemacht werden, die beiden Landestheile einander um circa 30 -- 50 Kilometer näher zu rücken mittelst Erstellung einer Bahn durch den Weißenstein, welche nebenbei auch dem Touristenverkehr förderlich und in militärischer Beziehung von Bedeutung sein würde. Durch Zwischenstationeo hätte die projektirte Linie Solothurn-Münster die Ortschaften Längendorf, Bellach, Oberdorf, Lommiswyl, Gänsbrunnen (Welschenrohr), Cremine, Corcelles und Grandval zu bedienen.

Sie würde vom Bahnhof Alt-Solothurn (Cote 435,sO ihren Ausgang nehmen, östlich Längendorf und südlich Oberdorf vorbei sich dem Gebirge zuwenden, um bei ,,im Holztt den 3450 m. langen, nördlich bei Gänsbrunnen ausmündenden Tunnel zu gewinnen. Von hier durchbricht das vorgesehene Tracé in nordwestlicher Richtung
die dortige Klus und folgt dem Laufe des Flüßchens Raus, dasselbe zwei Mal übersetzend, über Cremine und Grandval bis nach Münster, wo die Linie in den Bahnhof der Jura-Bern-Luzern-Bähn einmündet.

Die Gesammtlänge beträgt 17.ioo km. Zwischenstationen sind vorgesehen bei Oberdorf, Gänsbrunnen, Crémine-Grandval, sowie eine Haltestelle bei Längendort'. Was die Gefällsverhältnisse betrifft, so steigt die Bahn auf der Südseite zunächst auf kürzere Strecken mit

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16,5 und 28 %o, um sodann bei km. 1,40 in die Maximalsteigung von 37 °/oo überzugehen, welche, eine kurze Horizontale bei Station Oberdorf ausgenommen, bis zum nördlichen Tunnelausgang beibehalten wird, wo die Bahn bei Station Gänsbrunnen den 738,so in.

über Meer gelegenen Kulminationspunkt erreicht, Von hier fällt das Tracé wieder bis Münster (Cote 528,eo) mit wechselnden Gefallen von 26,5, 36,5, 32,75, 28,8 %o. Das Koniite hofft bei der definitiven Projektbearbeitung die Steigungsverhältnisse noch etwas günstiger gestalten zu können, ohne die Kosten wesentlich zu erhöhen. Der kleinste Kurvenhalbmesser ist zu 270 m. angenommen.

Die Bahn soll mit normaler Spurweite und eiügeleisig für Betrieb mit Adhäsionslokomotiven erstellt werden. Anfänglich ist auch ein Zahnradbahnprojekt studirt, dann aber fallen gelassen worden.

Weitere Angaben über die Grundlagen des Projekts enthält der sehr summarisch gehaltene technische Bericht nicht.

Die Anlagekosten werden berechnet wie folgt : 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12)

Beschaffung d e s Baukapitals .

.

Allgemeine Verwaltung, Bauleitung Landerwerb Unterbau Oberbau Hochbau Mechanische Einrichtungen Abschluß etc Inventar Rollmaterial Baiizinsen Zur Aufrundung

.

.

.

.

Zusammen

F r . 30,000 ,, 250,000 ,, 177,000 , 2,890,000 , 490,000 i, 75,000 ,, 10,000 ,, 36,000 17,000 r ,, 270,000 ,, 238,000 ,, 17,000 Fr. 4,500,000

oder per km. Fr. 263,170.

In Bezug auf den zu gewärtigenden Verkehr stellt das Gesuch auf die rückwärts der Endstationen Solothurn und Münster gelegenen bedeutenden industriellen Etablissemente ab, zwischen welchen auf einen regen gegenseitigen Verkehr gezählt wird, ferner auf den Verkehr der landwirthschaftlichen Bevölkerung des Jura mit der Mittelschweiz und endlich der solothurnischen Bezirke Dorneck und Thierstein mit der Kantonshauptstadt. Ohne daß des Transitverkehrs Erwähnung gethan würde, ist in der Rentabilitätsberechnung die jährliche kilometrische Einnahme auf Total Fr. 15,200 gescliät/.t und würde sich folgendermaßen vertheilen:

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auf ,, ,, ,, ,,

Personenverkehr Gepäckverkehr .

.

.

.

Viehverkehr .

.

.

.

.

.

Güterverkehr verschiedene Einnahmen .

.

.

.

.

.

.

, .

Fr.

.

, ,, .

6,800 350 500 7,200 350

zusammen Fr. 15,200 was für 18 Betriebskilometer eine Total-Einnahme von Fr. 273,600 ergeben würde, deren Wahrscheinlichkeit wir dahingestellt sein lassen.

Dem gegenüber werden, nach Analogie anderer Schweizerbahnen mit ähnlichen Verhältnissen, die jährlichen Gesammtbetriebsausgaben berechnet wie folgt: Allgemeine Verwaltung . Fr. 10,800 oder ca. Fr. 600 per km.

Unterhalt und Aufsieht . ,, 34,200 ,, ,, ,, 1900 ,, ,.

Expéditions- und Zugsdienst Vj 18,000 ,, Vj ,, 1000 ,, r Fahrdienst .

.

. -,, 41,400 !,, ,, ,, 2300 ,, ,, Verschiedenes (Anschlüsse) ,, 30,000 zusammen Fr. 134,400 so daß sich ein Ueherschuß von Fr. 139,200 ergeben würde, der zur Verzinsung eines Kapitals von 4 Millionen zu 31/2 °'u aus" reichend wäre.

Von Seite der Regierung von Solothurn wird die Ertheilung der nachgesuchten Konzession warm empfohlen und in der bezüglichen Vernehmlassung bemerkt, daß das Konzessionsgesuch den intensiven Wünschen der dortseitigen Bevölkerung entspreche und die Realisirung des Projekts zum Zielpunkt für das Streben sänimtlicher interessirten Kreise geworden sei. Auch wird in Ergänzung der Konzessionseingabe noch auf die Bedeutung der projektirten Linie für den internationalen Verkehr hingewiesen.

Auch der Regierungsrath von Bern erhebt gegen Ertheilung der Konzession keine Einwendungen. Wenn aber das Adhäsionssystem zur Anwendung komme, so hält er die von den Petenten vorgeschlagenen (doppelten normalen) Taxen nicht für gerechtfertigt.

Es liege kein Grund vor, die normalen Taxen zu erhöhen, und in allen Fällen können die Zuschlagstaxen nur für die Bergstrecke bewilligt werden. Zwischen km. 15 und 16 wird zur Bedienung der Ortschaften Eschert und Belprahon die Errichtung einer Haltestelle verlangt.

Anläßlich der am 31. Oktober 1889 abgehaltenen konferenaiellen Verhandlungen im Sinne von Art. 2 des Eisenbahngesetzes hat der untenfolgende Konzessionsentwurf wesentlich bloß bezüglich der Taxen zur Diskussion Anlaß gegeben.

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In Festhalturig des schon in der Vernehmlassung vom 17. Juui 1889 eingenommenen Standpunktes beantragte nämlich der Vertreter der Berner Regierung, es seien überall die Normaltaxen in die Konzession aufzunehmen und höchstens als Ausnahme und für den Anfang (wie s. Z. den Jurabahnen") ein Zuschlag von 50 °/o zu bewilligen oder den Buridesrath zur Gestattung eines solchen zu ermächtigen. Anderseits hielten auch die Potenten, unterstützt von dem Regierungsvertreter von Solothurn, ihr Begehren um Bewilligung erhöhter (doppelter normaler) Taxen, welche sie zur Kealisirung ihres Unternehmens für unentbehrlich erachten, aufrecht, indem sie sich aber gleichzeitig zum Voraus zu einer Reduktion bereit erklärten, sobald es die Verhältnisse irgendwie gestatten werden, und des Weitern zustimmten, daß in Art. 24 die die Gesellschaft zu einer Taxreduktion verpflichtende Rendite von 6 auf 4 % herabgesetzt werde.

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Dieser Meinungsverschiedenheit gegenüber sind wir im Falle, zu konstatiren, daß nach Mitgabe der in der Botschaft betreffend Taxerhöhung für Eisenbahnstrecken mit größern Steigungen, vom 11. September 1873 (Bundesbl. 1873, III, 708 ff.), ausgesprochenen und bisher als maßgebend anerkannten Grundsätze einerseits und der vorgesehenen Steigungsverhältnisse der Linie anderseits die von den Petenten nachgesuchten und von der Solothurner Regierung befürworteten Taxansätze gerechtfertigt sind, indem sie die nach den erwähnten Grundsätzen für die ganze Linie sich ergebenden Üurchschnittstaxen nicht übersteigen. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß schon in einer Reihe von Fällen Bahnen, welche dem allgemeinen Verkehr zu dienen bestimmt sind, mit Rücksicht auf die starken Steigungen um 100 und mehr % erhöhte Taxen zugestanden wurden, und zwar ohne gleichzeitige Herabsetzung der eine Taxreduktion bedingenden Renditengrenze.

Wir sind deßhalb der Meinung, es wäre unbillig und würde eine ausnahmsweise Behandlung bedeuten, wenn den Petenten die nachgesuchten Taxen abgeschlagen und bloß ein temporärer Zuschlag von 50 % zu den Normaltaxen bewilligt würde, und gestatten uns demgemäß, die Einstellung der um 100 °/o erhöhten Normaltaxen zu befürworten.

Die übrigen Bedingungen des unten folgenden Konzessionsentwurfes entsprechen der Normalkonzession mit den durch die seitherige Praxis sanktionirten unwesentlichen Modifikationen und geben uns daher zu weitern Bemerkungen nicht Anlaß. Bloß ist noch zu erwähnen, daß, wie in der Konzession für die Eisenbahn Colombier-Boudry-Cortaillod, in Art. 10 die Bestimmung betreffend Ge-

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stattung des Zutritts zu den Bahnhöfen und Einräumung eines Lokals an die eidg. Kontroibeamten aufgenommen ist, anstatt derselben einen besondern Artikel zu widmen.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Beschlußentwurf zur Genehmigung empfehlen, benutzen wir auch diesen Anlaß, um Sie, Tit., erneut unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 19. November

1889.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der V i z e p r ä s i d e n t : L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Eisenbahn von Solothurn nach Münster.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe des Initiativkomites für eine Weißenstein bahn, vom 29., eingelangt am 31. Mai 1889; 2) einer Botschaft des Bundesrathes, vom 19. November 1889, beschließt: Den Herren ,T. S p i e l m a n n , Ingenieur, und Th. W a l k e r Stadtschreiber, beide in Solothurn, handelnd namens eines Initiativkomites daselbst, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von S o l o t h u r n nach M ü n s t e r unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen ertheilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Ei-senbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in S o l o t h u r n .

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 2 Jahren, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vor-

712 schriftsmäßigen technischen und .finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 4 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit normalspurigem Unterbau und eingeleisig erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum desjenigen Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden werden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und ferner die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigeufalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens vier Mal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen, erfolgen.

Personenzüge, einschließlich der sogenannten gemischten Züge, haben mit einer mittleren Geschwindigkeit von mindestens 15 Kilometern in einer Zeitstunde zu fahren. Eine geringere Fahrgeschwindigkeit darf nur in Folge besonderer Bewilligung des Bundesrathes zur Anwendung gelangen.

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Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglerneut der schweizerischen Bisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Aenderungen nöthig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrathes eingeführt werden.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit drei Klassen aufstellen. In der Regel sind allen Personenzügen Wagen aller Klassen beizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesrath gewähren. Die sogenannten gemischten Züge mögen ohne Wagen erster Klasse kursiren.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können. Auf Verlangen des Bundesrathes sind auch mit Waarenzügen Personen zu befördern. In diesem Falle findet die Vorschrift von Art. 12, Absatz 2, keine Anwendung.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : in der ersten Wagenklasse 20 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 15 Rappen, in der dritten Wagenklasse 10 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Die Taxen für die mit Waarenzügen beförderten Personen sollen um mindestens 20 % niedriger gestellt werden.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12maligen Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

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Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Bisenbahn zu spediren.

Der Bundesrath wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer für : Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 32 Rp. ; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 16 Rp. ; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 6 Rp.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 4 Rappen, die niedrigste nicht über 2 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirthschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Franken per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportirt werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waaren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Rappen festgesetzt werden.

715 Art. 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensrnittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchteu, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In Betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bmchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruchtheile von Fr. 500 volle Fr. 500. Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächst!legende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Art. 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station.

Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft., und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Thiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art, 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämmtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr fibergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen vier Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Trausporttaxen verhältnißmäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

716 Reicht der Ertrag des Untemehmeas nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Aeuffnung eines genügenden Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versiehern. Die hierüber aufzustellenden besoudern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesralhes.

Art. 26. Für die Geltendmachung des Riickkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der Kantone Solothurn und Bern, gelten folgende Bestimmungen: a. Dei- Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre, vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß m geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Ruckkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 22V2fachen Werth; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

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d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschulj der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch' O i letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnuog getragen oder einem Reservefond eineinverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung /u bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 27. Haben die Kantone Solothum und Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Artikel 26 definirt worden, jederzeit auszuüben, und die Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 28. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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1889

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.11.1889

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705-717

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