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Evaluationsverfahren Neues Kampfflugzeug Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 9. September 2022

2022-3149

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Das Wichtigste in Kürze Die GPK-N beschloss am 16. November 2021, ausgewählte Aspekte des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug der Schweizer Armee auf ihre Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit zu untersuchen. Sie kam dabei zu folgenden Erkenntnissen: Die technische Evaluation war rechtmässig Die technische Evaluation lief rechtlich korrekt ab und Armasuisse traf die nötigen Massnahmen, um die Gleichbehandlung der Anbieter und ein objektiviertes, nachvollziehbares Verfahren sicherzustellen. Auch die gewählte, neue Bewertungsmethodik (AHP-Methode) war rechtmässig. Allerdings barg die erstmalige Anwendung dieser Methode bei einem so bedeutenden Rüstungsgeschäft gewisse Risiken. Zudem ist für die Kommission nur teilweise nachvollziehbar, weshalb Armasuisse darauf verzichtete, soweit möglich auch die Erfahrungen von Ländern einzubeziehen, welche die evaluierten Kampfflugzeuge schon betreiben.

Die Rahmenbedingungen waren nicht zweckmässig und liessen dem Bundesrat beim Typenentscheid keinen Handlungsspielraum Die GPK-N stellt fest, dass sich der Bundesrat im Verfahren an die rechtlichen und von ihm selber definierten politischen Vorgaben gehalten hat. Das Beschaffungsrecht räumt dem Bundesrat bei Rüstungsbeschaffungen grundsätzlich einen grossen Handlungsspielraum ein. Je nach Definition der Rahmenbedingungen hätte er somit beim Entscheid auch übergeordnete politische Überlegungen einbeziehen können. Aufgrund der von ihm zu Beginn des Verfahrens definierten Rahmenbedingungen stellte der Bundesrat beim Typenentscheid aber fest, dass ein Einbezug aussenpolitscher Überlegungen gar nicht möglich war. Diese frühzeitige und aus ihrer Sicht unnötige Einschränkung des Handlungsspielraums identifizierte die GPK-N als Hauptproblem des Beschaffungsverfahrens.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass der Bundesrat die Rahmenbedingungen für Rüstungsbeschaffungen so definieren sollte, dass er den Handlungsspielraum, den die rechtlichen Vorgaben für Rüstungsbeschaffungen vorsehen, behält und er bei seinem Entscheid auch übergeordnete politische Überlegungen einbeziehen kann. Die technische Evaluation soll die Angebote in einem ersten Schritt aus militärischer Sicht prüfen und bewerten. In einem zweiten Schritt sollte der Bundesrat auf dieser Basis auch politische und wirtschaftliche Überlegungen einbeziehen und
letztlich abwägen können, welches Angebot im Gesamtinteresse der Schweiz ist. Dazu hätte sich im vorliegenden Fall eine gute Gelegenheit geboten, da alle evaluierten Kampfflugzeuge die Anforderungen erfüllten und der Schweiz gleichzeitig Zusicherungen für bedeutsame «Gegengeschäfte» vorlagen.

Die Kommission erachtet es daher als bedenklich, dass der Bundesrat zu Beginn des Verfahrens nicht diskutierte bzw. abklären liess, welchen Handlungsspielraum er aufgrund des geplanten Vorgehens nach der Evaluation durch Armasuisse beim Typenentscheid haben würde. Stattdessen erkannte er erst anlässlich des Typenentscheids, dass er angesichts des klaren Resultats aus der technischen Evaluation lediglich deren Vorschlag bestätigen konnte. Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang auch das 2 / 55

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VBS als federführendes Departement: Die Abklärungen der GPK-N zeigten, dass wohl selbst im VBS lange nicht klar war, welchen Handlungsspielraum der Bundesrat hatte und dass das VBS hierzu im Bundesrat widersprüchlich informierte.

Die GPK-N erachtet auch die weitere Behandlung der Ergebnisse der technischen Evaluation durch das VBS als nicht zweckmässig. Obwohl der Vorsteherin das Ergebnis der Evaluation seit Mitte März 2021 bekannt war, informierte sie die anderen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher erst Mitte Mai (Vorsteherin EJPD und Vorsteher EDA) bzw. in der ersten Junihälfte 2021 (übrige Departementsvorsteherinnen und ­vorsteher) darüber. Die späte Information und die oben erwähnten Unklarheiten über den Handlungsspielraum des Bundesrates führten dazu, dass verschiedene Departemente bis kurz vor dem Typenentscheid vom 30. Juni 2021 mit Herstellerländern über Lösungen in anderen Dossiers verhandelten, welche mit dem Typenentscheid verknüpft waren. Dadurch wurden politische Verstimmungen auf zwischenstaatlicher Ebene in Kauf genommen.

Zusammenfassende Würdigung Die GPK-N ist der Ansicht, dass das Evaluationsverfahren für das neue Kampfflugzeug rechtmässig ablief. Kritik übt die Kommission aber an der Zweckmässigkeit des Verfahrens, insbesondere in Bezug auf die Rahmenbedingungen und Vorgaben für die Beschaffung, die Behandlung der Evaluationsergebnisse auf Stufe VBS und Bundesrat sowie den Umgang mit den Herstellerländern. Sie hat in diesem Zusammenhang fünf Empfehlungen formuliert und fordert insbesondere, dass der Bundesrat bei künftigen Rüstungsbeschaffungen frühzeitig klärt, inwiefern er auch übergeordnete politische Überlegungen einbeziehen will, und dafür sorgt, dass sein Handlungsspielraum erhalten bleibt. Der Bundesrat ist eingeladen, bis am 15. Dezember 2022 zu den Erkenntnissen und Empfehlungen Stellung zu nehmen.

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Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

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Einleitung

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Meilensteine für die Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs 2.1 Politischer Prozess im Vorfeld der technischen Evaluation 2.2 Technische Evaluation 2.3 Weiterverarbeitung der Ergebnisse der technischen Evaluation auf Stufe Departement und Bundesrat 2.4 Übersicht

7 7 8 8 9

3

Vorgaben für die Beschaffung 3.1 Beschaffungsrechtliche Vorgaben 3.1.1 Verfahren und Grundsätze 3.1.2 Zuschlagsentscheid und Preisberechnung 3.2 Politische Vorgaben 3.2.1 Zuschlagskriterien 3.2.2 Aussenpolitische Aspekte 3.3 Bewertung der GPK-N

11 12 12 13 14 14 15 19

4

Technische Evaluation 4.1 Methodisches Vorgehen 4.2 Gleichbehandlung der Anbieter 4.3 Einbezug von Referenzen und Erfahrungen anderer Länder 4.4 Bewertung der GPK-N

21 22 26 28 29

5

Abschluss des Verfahrens: Politische Phase 5.1 Weiteres Vorgehen des VBS nach Vorliegen des Evaluationsergebnisses (ab Mitte März 2021) 5.2 Behandlung der Ergebnisse der Evaluation auf Stufe Bundesrat (ab dem 17. Mai 2021) 5.3 Verhandlungen mit anderen Staaten und deren Koordination 5.4 Öffentliche Kommunikation zum Typenentscheid und den Beschaffungskosten 5.5 Closing Meetings und vermeintliche Aktenvernichtung 5.6 Bewertung der GPK-N

31

6

Zusammenfassende Bewertung 6.1 Rechtmässigkeit 6.2 Zweckmässigkeit 6.3 Transparenz

48 49 49 52

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Weiteres Vorgehen

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Abkürzungsverzeichnis

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31 36 37 40 41 43

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Liste der angehörten Personen

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Bericht 1

Einleitung

Der Bundesrat entschied am 30. Juni 2021, 36 Kampfflugzeuge des Typs F-35A des Herstellers Lockheed Martin zu beschaffen. Dieser Entscheid sorgte in Politik und Medien für Kritik. Neben (politischen) Bedenken zum gewählten Flugzeugtyp wurde das Evaluationsverfahren in Frage gestellt und auf mutmassliche Mängel im Verfahren hingewiesen.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) hat daher am 16. November 2021 beschlossen, ausgewählte Aspekte des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug der Schweizer Armee1 auf ihre Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit vertieft zu untersuchen. Die Kommission klärte dabei ausgewählte Fragen zum Ablauf des Evaluationsverfahrens und zur gewählten Evaluationsmethodik sowie zur Berücksichtigung (aussen-) politischer Aspekte im Verfahren ab. Hingegen war es nicht Gegenstand der Untersuchung, die Evaluation insgesamt bzw. deren Ergebnisse nachzuprüfen, zu bewerten oder sich zur Tauglichkeit des gewählten Kampfflugzeugs zu äussern. Aus der Untersuchung ausgeklammert wurden ferner Fragen zu den (künftigen) Kompensationsgeschäften sowie Fragen, welche die Berechnung der Beschaffungs- und Betriebskosten und die finanziellen Risiken der Beschaffung betreffen.

Diese Themen werden durch die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S; Kompensationsgeschäfte) und durch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK; Kostenberechnungen und finanzielle Risiken) behandelt.

Im Rahmen der Untersuchung wurden die zuständigen Personen aus dem VBS angehört, von der Vorsteherin bis hin zu den Projektverantwortlichen von Armasuisse, aber auch der Bundespräsident und Vorsteher des EDA, der Vorsteher des EFD, die Staatssekretärin des EDA sowie zwei Experten zu (beschaffungs-)rechtlichen Fragen.2 Zudem analysierte die zuständige Subkommission verschiedene Unterlagen zum Evaluationsverfahren, einschliesslich einiger als geheim klassifizierte Dokumente wie den vollständigen Evaluationsbericht und die Anträge sowie Informationsnotizen zuhanden des Bundesrates. Schliesslich wertete die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) im Auftrag der GPK-N die erweiterten Beschlussprotokolle der Bundesratssitzungen aus, an denen die Beschaffung NFK behandelt wurde, und übermittelte der GPK-N die wesentlichen Erkenntnisse daraus.

Im folgenden Bericht werden im nächsten Kapitel zuerst kurz
die Vorgeschichte und die Meilensteine des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug beschrieben.

In den Kapiteln 3 bis 5 werden die Erkenntnisse und die Bewertungen der GPK-N dargelegt. Das Kapitel 3 beschreibt die Vorgaben, welche für die Beschaffung galten und bewertet deren Einhaltung und Zweckmässigkeit. Im Kapitel 4 wird die technische Evaluation beschrieben und bewertet. Die Weiterverarbeitung des Evaluations-

1 2

Das Evaluationsverfahren für die neuen Mittel zur bodengestützten Luftverteidigung (BODLUV), welches ebenfalls zum Programm Air2030 gehörte, wurde nicht untersucht.

Eine Liste der angehörten Personen findet sich im Anhang dieses Berichts.

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ergebnisses durch das VBS bzw. auf Ebene des Bundesrates wird in Kapitel 5 dargestellt. Das Kapitel 6 enthält die zusammenfassende Bewertung und die Schlussfolgerungen der GPK-N und das Kapitel 7 erläutert das weitere Vorgehen.

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Meilensteine für die Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs

Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten Daten und Entscheide in Bezug auf die Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs festgehalten. Eine genauere Beschreibung und Bewertung des Evaluationsverfahrens findet sich in Kapitel 3.

2.1

Politischer Prozess im Vorfeld der technischen Evaluation

Nachdem die Beschaffung von 22 Kampfflugzeugen des Typs Saab Gripen als Ersatz für die Tiger-Flotte im Mai 2014 an der Urne gescheitert war3 und der damalige Vorsteher des VBS, Bundesrat Guy Parmelin, im Februar 2016 überraschend das Evaluationsverfahren für ein neues System zur bodengestützten Luftabwehr (BODLUV) abbrechen liess4, leitete das VBS im Februar 2016 neue Abklärungen im Hinblick auf die Erneuerung der Luftabwehr (Kampfflugzeuge und BODLUV-Systeme) ein. Der damalige Vorsteher des VBS beauftragte eine interne Expertengruppe mit Abklärungen zu Bedarf, Vorgehen und industriellen Aspekten. Basierend auf dem Bericht der Expertengruppe vom 30. Mai 20175 fällte der Bundesrat am 8. November 20176 verschiedene Grundsatzentscheide zur Erneuerung der Mittel zum Schutz des Schweizer Luftraums. Er entschied, für max. 8 Milliarden Franken neue Kampfflugzeuge (NKF) und ein neues System für die bodengestützte Luftverteidigung (BODLUV) zu beschaffen und beauftragte das VBS, Varianten für das weitere Vorgehen zu prüfen (Beschaffung auf dem «üblichen Weg» über die Armeebotschaft, einen Planungsbeschluss, eine Revision des Militärgesetzes oder andere Möglichkeiten). Am 9. März 2018 entschied der Bundesrat, dem Parlament die Beschaffung der Kampfflugzeuge und der weiteren Mittel zum Schutz des Luftraums als «Planungsbeschluss grosser Tragweite7» vorzulegen, womit eine Volksabstimmung ermöglicht werden sollte.8 In der Folge leitete das VBS Ende März 2018 das eigentliche Evaluationsverfahren ein.

3

4 5 6 7 8

Abstimmung vom 18. Mai 2014: Das Bundesgesetz vom 27. September 2013 über den Fonds zur Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen (Gripen-Fonds-Gesetz) wurde mit 53.4 % abgelehnt.

Sistierung des Projekts «Bodengestützte Luft-Verteidigung (BODLUV) 2020», Berichte der GPK-N vom 26. Januar 2017 und 25. September 2017.

Luftverteidigung der Zukunft, Bericht der Expertengruppe Neues Kampfflugzeug vom Mai 2017 (veröffentlicht).

Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums: Bundesrat fällt Grundsatzentscheide, Medienmitteilung des Bundesrates vom 8. November 2017.

Art. 28 Abs. 3 Parlamentsgesetz, SR 171.10.

Der Planungsbeschluss untersteht dem fakultativen Referendum. D. h. sofern genügend Unterschriften zusammenkommen, kann das Volk darüber abstimmen.

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Nach dem Wechsel an der Spitze des VBS Anfang 2019 erteilte die neue Vorsteherin im Februar 2019 verschiedene Aufträge für Zusatzberichte. Dabei handelte es sich um eine Zweitmeinung von Claude Nicollier zum Expertenbericht «Luftverteidigung der Zukunft», eine Beurteilung der Kompensationsgeschäfte (Offsets) durch den früheren Direktor der EFK, Kurt Grüter, sowie eine Analyse der Bedrohungslage, die intern im VBS erstellt wurde. Diese Berichte lagen im Mai 2019 vor.

Im Juni 2019 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Planungsbeschluss zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge9. Dieser Planungsbeschluss wurde im Dezember 2019 vom Parlament gutgeheissen. Gegen den Beschluss wurde das Referendum ergriffen, an der Volkabstimmung vom 27. September 2020 stimmten schliesslich 50.1 % der Bevölkerung dem Planungsbeschluss zu.

2.2

Technische Evaluation

Das Evaluationsverfahren startete formell am 6. Juli 2018 mit der ersten Offertanfrage an fünf ausgewählte Anbieter. Nach dem Erhalt der ersten Offerten Ende Januar 2019 wurden die Kampfjets im Frühling 2019 praktisch erprobt, zuerst vor Ort bei den Herstellern und anschliessend in der Schweiz. Die Erprobung diente insbesondere dazu, die Angaben der Hersteller aus der ersten Offerte zu verifizieren. In dieser Phase zog sich ein Anbieter (Saab mit dem Gripen E) aus dem Verfahren zurück.

Basierend auf den ersten Offerten und vor allem auch auf der Basis der Erkenntnisse der Erprobungen lud Armasuisse die vier verbleibenden Anbieter am 10. Januar 2020 zu einer zweiten Offerte ein; diese zweiten Offerten lagen im November 2020 vor. In der Folge wurden die Auswertungen abgeschlossen und der Evaluationsbericht erarbeitet. Ein erster schriftlicher Entwurf dieses Berichts wurde der Vorsteherin des VBS am 10. März 2021 übergeben, am 16. März wurden ihr die Evaluationsresultate dann noch von den Verantwortlichen seitens Armasuisse erläutert. Der Bericht wurde anschliessend aufgrund von redaktionellen Vorgaben des VBS noch einmal überarbeitet, die definitive Version datiert vom 7. Juni 2021 und wurde der Vorsteherin am 9. Juni 2021 übergeben.

2.3

Weiterverarbeitung der Ergebnisse der technischen Evaluation auf Stufe Departement und Bundesrat

Der Bundesrat hatte das VBS im Rahmen einer Aussprache im Oktober 2020 beauftragt, im Hinblick auf die Typenentscheide im Programm Air2030 im Sicherheitsausschuss des Bundesrates (SiA) Vorberatungen zu führen und die nötigen Grundlagen für den Entscheid im Bundesrat auszuarbeiten. Aus Gründen der Geheimhaltung entschied der SiA im November 2020, für dieses Geschäft einen verkleinerten «SiA-spezial Air2030» zu schaffen (Teilnehmende: Vorsteher/innen VBS, EDA und EJPD,

9

Botschaft des Bundesrates zu einem Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge vom 26. Juni 2019, BBl 2019 5081.

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begleitet durch die jeweiligen Generalsekretäre bzw. Generalsekretärinnen, Bundeskanzler oder Vizekanzler).

Dieser SiA-spezial tagte insgesamt viermal: Am 18. Januar, 15. März, 21. April und 17. Mai 2021. An der Sitzung vom 15. März wurden ­ unter Einbezug des EFD bzw.

des Staatssekretariats für Internationale Finanzfragen (SIF) ­ über mögliche politische Gegengeschäfte mit den Herstellerländern und über sicherheitspolitische Fragegestellungen diskutiert. Das EDA wurde mit «Sondierungsgesprächen» mit den Herstellerländern beauftragt. An der Sitzung vom 21. April wurde das EDA beauftragt, eine aussenpolitische Analyse für den Gesamtbericht Air2030 zu erstellen. An der Sitzung vom 17. Mai informierte die Vorsteherin des VBS im SiA-spezial schliesslich über die Resultate der Evaluation, welche ihr seit Mitte März bekannt waren.

Am 9., 10. und 11. Juni orientierte die Vorsteherin des VBS die anderen Bundesrätinnen und Bundesräte bilateral über die Ergebnisse der Evaluation.

Der Bundesrat führte am 18. Juni 2021 eine erste Diskussion zum Typenentscheid.

Dabei stellten sich verschiedene Fragen im Hinblick auf die Möglichkeit, bei der Entscheidung auch aussenpolitische Aspekte zu berücksichtigen. Damit diese geklärt werden können, wurde entschieden, den Typenentscheid vom 23. Juni auf den 30. Juni 2021 zu verschieben. Die Diskussionen zum Typenentscheid wurden am 23. Juni und 30. Juni 2021 fortgesetzt, der Bundesrat entschied sich dann für den F-35A.

Erwähnenswert ist zudem, dass das VBS in dieser Phase zwei Aufträge zur Überprüfung des Evaluationsverfahrens bzw. zur Klärung von rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Verfahren in Auftrag gab: Am 27. April erfolgte eine (mündliche) Auftragserteilung an die Anwaltskanzlei Homburger. Diese diente gemäss VBS der «Plausibilisierung der Methodik der Bewertung, der Zuschlagskriterien sowie der finanziellen Beurteilung der Angebote, unter Berücksichtigung des vom Volk genehmigten Planungsbeschlusses». Am 18. Juni 2021, nach der ersten Diskussion im Bundesrat, beauftragte das VBS das Bundesamt für Justiz (BJ) damit, das Gutachten von Homburger zu «plausibilisieren» und den rechtsstaatlichen Rahmen für die Beschaffung von Kampfflugzeugen zu klären. Das Gutachten des BJ lag am 28. Juni 2021 vor.

2.4

Übersicht

Meilensteine des Evaluationsverfahrens NKF Februar 2016

Der damalige Vorsteher des VBS (BR Parmelin) beauftragte eine interne Expertengruppe mit Abklärungen zur Luftverteidigung (Bedarf, Vorgehen und industrielle Aspekte).

Mai 2017

Luftverteidigung der Zukunft, Bericht der Expertengruppe Neues Kampfflugzeug

8. November 2017

Bundesrat entscheidet, dass die Schweiz für max. 8 Mia. Franken neue Kampfflugzeuge und BODLUV-Systeme kaufen soll

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9. März 2018

Bundesrat entscheidet, Beschaffung dem Parlament als «Planungsbeschluss grosser Tragweite» vorzulegen

23. März 2018

VBS veröffentlicht Anforderungen und Evaluationskriterien

23. Mai­22. September 2019 Vernehmlassung zum Planungsbeschluss 6. Juli 2018

1. Offertanfrage an fünf Anbieter (Airbus: Eurofighter; Boeing: F/A-18 Super Hornet; Lockheed Martin: F-35A; Dassault: Rafale; Saab: Gripen E)

1. Januar 2019

Wechsel an der Departementsspitze VBS: Bundesrätin Amherd übernimmt von Bundesrat Parmelin

25. Januar 2019

Erhalt der 1. Offerten

Februar 2019

Neue Vorsteherin des VBS erteilt Auftrag für Zusatzberichte zum Expertenbericht vom Mai 2017

Februar­März 2019

Erprobung NKF bei den Herstellern

April­Juni 2019

Erprobung NKF in der Schweiz

13. Juni 2019

Rückzug von Saab aus dem Evaluationsverfahren

Mai 2019

Zusatzberichte zum Expertenbericht vom Mai 2017 liegen vor (zu Bedrohungslage, Offsets und Vorgehen)

26. Juni 2019

Bundesrat verabschiedet Botschaft zum Planungsbeschluss zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (getrennt von BODLUV)

20. Dezember 2019

Planungsbeschluss wird im Parlament angenommen

10. Januar 2020

2. Offertanfrage NKF an die verbleibenden 4 Anbieter: basierend auf Analyse der 1. Offerte, Erprobungen und Audits

27. September 2020

Volksabstimmung: Planungsbeschluss wird mit 50.1 % angenommen

18. November 2020

Erhalt der 2. Offerten

18. November 2020

Sitzung SiA: Vorsteherin des VBS informiert über den Zeitplan und den laufenden Evaluationsprozess

November 2020­März 2021

Erarbeitung des Evaluationsberichts NKF

18. Januar 2021

1. Sitzung SiA-spezial zu Air2030: Vorsteherin des VBS informiert über ihre Kontakte mit den Verteidigungsminister/innen der Herstellerländer

10. März 2021

Vorsteherin des VBS erhält den 1. Entwurf des Evaluationsberichts

15. März 2021

2. Sitzung SiA-spezial Air2030: Diskussion über mögliche politische Gegengeschäfte mit den Herstellerländern (Input des SIF) und über sicherheitspolitische Fragegestellungen in Bezug auf die Herstellerstaaten

16. März 2021

Vorsteherin des VBS wird vom Programmleiter Air2030 und der Projektleitung mündlich über die Resultate der Evaluation informiert.

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Ende März 2021

EDA identifiziert im Hinblick auf die weiteren Beratungen im SiA-spezial für alle Departemente mögliche Dossiers mit einem aussenpolitischen Bezug

April 2021

Vorsteherin des VBS entscheidet, das Vergabeverfahren durch eine Anwaltskanzlei überprüfen zu lassen (definitiver Entscheid am 26. April)

März­April

Gespräche der Vorsteherin des VBS mit den Verteidigungsministerinnen bzw. dem Verteidigungsminister der Herstellerländer über mögliche politische Gegengeschäfte

21. April 2021

3. Sitzung SiA-spezial: Vorsteherin des VBS informiert über die Treffen mit den Verteidigungsministerinnen bzw. dem Verteidigungsminister der Herstellerländer. Das EDA erhält den Auftrag, eine aussenpolitische Analyse für den Gesamtbericht Air2030 zu erstellen.

27. April 2021

Mündliche Auftragserteilung an die Anwaltskanzlei Homburger zwecks Plausibilisierung der Methodik der Bewertung, der Zuschlagskriterien sowie der finanziellen Beurteilung der Angebote

17. Mai 2021

4. Sitzung SiA-spezial: Den Mitgliedern werden die Ergebnisse der Evaluation präsentiert, sie kommen zum Schluss, dass kein Spielraum für politische Erwägungen besteht.

7. Juni 2021

Datum des definitiven Evaluationsberichts

9. Juni 2021

Vorsteherin des VBS erhält den definitiven Evaluationsbericht

9., 10. und 11. Juni 2021

Die Vorsteherin des VBS informiert die anderen Bundesrätinnen und Bundesräte persönlich über die Ergebnisse der Evaluation.

18. Juni 2021

Erste Diskussion zum Typenentscheid im Bundesrat

18. Juni 2021

Auftrag des VBS an das BJ, das Gutachten von Homburger zu plausibilisieren.

23. Juni 2021

Fortführung der Diskussion zum Typenentscheid (1. Lesung des Antrags des VBS vom 16. Juni 2021)

28. Juni 2021

Rechtsgutachten des BJ, in dem der rechtsstaatliche Rahmen für die Beschaffung von Kampfflugzeugen behandelt wird, liegt vor.

30. Juni 2021

Typenentscheid NKF durch Bundesrat

Juli­September 2021

«closing meetings» von Armasuisse mit den Anbietern

3

Vorgaben für die Beschaffung

Im folgenden Kapitel wird geklärt, welche Vorgaben für das Evaluationsverfahren NKF galten, ob diese eingehalten wurden und ob sie zweckmässig waren.

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3.1

Beschaffungsrechtliche Vorgaben

3.1.1

Verfahren und Grundsätze

Das Beschaffungsverfahren für das neue NKF richtete sich nach dem früheren Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (aBöB)10 vom 16. Dezember 1994 sowie der früheren Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (aVöB)11 vom 11. Dezember 1995.12 Allerdings ist im Gesetz explizit festgehalten, dass Rüstungsbeschaffungen (und gewisse andere Beschaffungen) von den gesetzlichen Vorgaben ausgenommen sind (Art. 3 Abs. 1 Bst. e aBöB13); diese müssen sich lediglich nach den Vorgaben für «übrige Beschaffungen» richten, welche in der Verordnung festgehalten sind (Art. 32­39 aVöB).14 Zu diesen «übrigen Beschaffungen» gehören explizit auch Rüstungsbeschaffungen (Art. 32 aVöB). Solche «übrigen» Beschaffungen können in einem offenen, selektiven oder, unter bestimmten Voraussetzungen, im Einladungsverfahren oder freihändig vergeben werden (Art. 34 Abs. 1 aVöB). Mit Blick auf Rüstungsgüter hält Artikel 35 Absatz 3 Buchstabe a aVöB explizit fest, dass die Beschaffung ohne Ausschreibung im Einladungsverfahren erfolgen kann. In Abweichung zu diesem Grundsatz kann die Beschaffung von Rüstungsgütern freihändig durchgeführt werden, wenn dies «zum Erhalt von inländischen Unternehmen, die für die Landesverteidigung wichtig sind, unerlässlich ist» (Art. 36 Abs. 2 Bst. f aVöB). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Allerdings ist die freihändige Beschaffung von Rüstungsgütern auch dann zulässig, wenn eine Vergabe eines Auftrags im Ausschreibungs- oder Einladungsverfahren «die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet» (Art. 36 Abs. 2 Bst. a aVöB in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Bst. a aBöB, vgl. Art. 10 Abs. 4 Bst. a des geltenden BöB 2019 sowie die Botschaft zum BöB 2019, BBl 2017 1851 1907f.). Diese Ausnahme kann nach Auffassung der angehörten Beschaffungsexperten mit entsprechender Begründung insbesondere auch für die Beschaffung von Kampfflugzeugen herangezogen werden, weshalb die Beschaffung NKF gestützt auf diese Ausnahmebestimmung gemäss den Experten auch freihändig hätte durchgeführt werden können.

Im Fall der Beschaffung NKF entschied das VBS am 23. März 2018, die Beschaffung im Einladungsverfahren (Art. 35 aVöb) durchzuführen. Damit galten auch die entsprechenden Vorgaben gemäss den Artikeln 37­39 aVöB. Dort ist insbesondere festgehalten, dass der Vergabeentscheid nicht mit Beschwerde angefochten werden kann

10 11 12 13

14

(altes) Bundesgesetz vom 16. Dezember1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), AS 1996 508; ausser Kraft seit dem 1. Januar 2021.

(alte) Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB), AS 1996 518; ausser Kraft seit dem 1. Januar 2021.

Das Gesetz und die Verordnung wurden per 1. Januar 2021 totalrevidiert.

«Dieses Gesetz ist nicht anwendbar für: [...] e. die Beschaffung von Waffen, Munition oder Kriegsmaterial und die Erstellung von Bauten der Kampf- und Führungsinfrastruktur von Gesamtverteidigung und Armee.» Diese Ausnahme ist sicherheitspolitisch begründet und findet sich auch im übergeordneten, internationalen Regelwerk (General Procurement Agreement, GPA). Damit soll den Staaten ermöglicht werden, bei Rüstungsbeschaffungen auf spezifische Umstände der Landessicherheit und sicherheitspolitische Überlegungen Rücksicht zu nehmen.

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(Art. 39 aVöB) und dass «das wirtschaftlich günstigste Angebot» den Zuschlag erhalten muss (Art. 37 aVöB; vgl. unten).

Neben spezifischen Vorgaben finden sich im aBöB insbesondere in den Artikeln 1 und 8 auch allgemeine Vorgaben und Grundsätze, insbesondere bezüglich Wirtschaftlichkeit, Gleichbehandlung und Transparenz. Da sich diese im Wesentlichen mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen15 decken, gelten sie gemäss den von der zuständigen Subkommission befragten Experten grundsätzlich auch für die «übrigen Beschaffungen» und Rüstungsbeschaffungen im Einladungsverfahren.16 Zu diesem Schluss kommt auch ein Rechtsgutachten, welches das VBS in Auftrag gegeben hat.17 Dieses hält fest, dass das Beschaffungsverfahren innerhalb der Vorgaben der aVöB an den spezifischen Beschaffungsgegenstand und die Marktverhältnisse angepasst werden kann, allerdings innerhalb der Grenzen der vergaberechtlichen Grundsätze und insbesondere unter Berücksichtigung der Gebote der Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung.

Die angehörten Beschaffungsexperten betonten, dass für Rüstungsbeschaffungen im Einladungsverfahren abgesehen von diesen allgemeinen Grundsätzen und einigen wenigen Vorgaben im aVöB keine weiteren Vorgaben gelten. Aus diesem Grund verfüge die Vergabebehörde bei Rüstungsbeschaffungen über einen weitreichenden Ermessensspielraum, zumal die Beschaffung auch hätte freihändig durchgeführt werden können18.

Neben den beschaffungsrechtlichen Vorgaben finden sich in der Materialverordnung des VBS (MatV)19 weitere Vorgaben zur Beschaffung von Armeematerial (Art. 7-12).

Dort ist insbesondere festgehalten, dass komplexe Beschaffungen wie die NKFBeschaffung als Projekte nach der Projektmanagementmethode HERMES durchgeführt werden müssen (Art. 8 MatV). Armasuisse ist dieser Vorgabe nachgekommen und hat das Evaluationsverfahren gemäss den HERMES-Vorgaben geplant und durchgeführt.

3.1.2

Zuschlagsentscheid und Preisberechnung

Wie bereits erwähnt, erhält auch bei Rüstungsbeschaffungen, welche im Einladungsverfahren vergeben werden, «das wirtschaftlich günstigste Angebot» den Zuschlag (Art. 37 aVöB). Zur Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots verweist 15

16

17 18 19

Grundsätze des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV), Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV), Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV).

Die aVöB lässt offen, ob die beschaffungsrechtlichen Grundsätze auch auf Einladungsverfahren nach dem 3. Kapitel aVöB anwendbar sind. Während die Grundsätze für Vergaben im Ausschreibungsverfahren nach dem 3. Kapitel aVöB explizit gelten (Art. 34 Abs. 2 aVöB), fehlt eine entsprechende explizite Vorgabe in Art. 35 aVöB zu den Einladungsverfahren.

Gutachten der Homburger AG vom 23. Juni 2021 «Projekt Volare: Rechtliche Verbindlichkeit des Ergebnisses der Evaluation NKF» (vertraulich, nicht veröffentlicht).

Vgl. oben (Kap. 3.1.1, 2. Absatz) Verordnung des VBS über die Beschaffung, die Nutzung und die Ausserdienststellung von Material (Materialverordnung VBS, MatV) vom 26. März 2018, SR 514.20.

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Artikel 37 der aVöB auf Artikel 21 Absatz 1 des aBöB: Dort ist festgehalten, dass das «wirtschaftlich günstigste Angebot» ermittelt wird, indem im Rahmen einer KostenNutzen-Analyse verschiedene Kriterien berücksichtigt werden (u. a. Qualität, Wirtschaftlichkeit, Preis).

Die Vorgabe, dass dem wirtschaftlich günstigsten Angebot der Zuschlag erteilt werden soll, gilt auch für Rüstungsbeschaffungen im Einladungsverfahren, was durch ein Rechtsgutachten, welches das VBS in Auftrag gegeben hat20, bestätigt wurde. Damit ist gemäss dem Gutachten auch die diesbezügliche Rechtsprechung direkt anwendbar.

Aus den Vorgaben und der Rechtsprechung geht hervor, dass sich das «wirtschaftlich günstigste Angebot» nicht ausschliesslich über den tiefsten Preis definiert, sondern sich an den Zuschlagskriterien (vgl. unten, Kap. 3.2.1) orientieren muss; diese Auffassung wurde sowohl von den von der Subkommission angehörten Beschaffungsexperten als auch von den vom VBS beauftragten externen Experten bestätigt. Im Gutachten letzterer ist festhalten, dass ein Angebot insbesondere dann den Zuschlag erhalten muss, wenn es bei den Gesamtkosten als auch beim Gesamtnutzen am besten abschneidet. Dies sei gemäss dem Resultat des Evaluationsverfahrens beim F-35A der Fall gewesen, daher war der Bundesrat gemäss dem Gutachten verpflichtet, diesem Angebot den Zuschlag zu erteilen.

3.2

Politische Vorgaben

Neben den Vorgaben des Beschaffungsrechts wurden für die NKF-Beschaffung im politischen Prozess weitere Vorgaben definiert. Von Bedeutung sind dabei insbesondere Ausführungen zu den Zuschlagskriterien und die Regelungen bezüglich dem Einbezug aussenpolitischer Aspekte beim Typenentscheid.

3.2.1

Zuschlagskriterien

In der Botschaft zum Planungsbeschluss vom 26. Juni 201921 hält der Bundesrat fest, dass der Nutzen der evaluierten Kampfflugzeuge basierend auf den vier folgenden Kriterien berechnet werden soll22:

20 21 22

­

Wirksamkeit (operationelle Wirksamkeit, Einsatzautonomie), Gewichtung: 55 %;

­

Produktesupport (Wartungsfreundlichkeit, Supportautonomie): Gewichtung 25 %;

Vgl. Fussnote 18.

BBl 2019 5081. Die Anforderungen an die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs wurden vom VBS bereits am 23. März 2018 festgelegt.

Die Vorgabe, die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung offen zu legen, finden sich in Art. 21 Abs. 2 aBöB. Obwohl dieser Artikel für Rüstungsbeschaffungen grundsätzlich nicht gilt, müssen die Kriterien, deren Gewichtung und die Bewertungsmethode gemäss den angehörten Beschaffungsexperten den Anbietern aufgrund des Transparenzgebots kommuniziert werden.

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­

Kooperation (militärische Ausbildungszusammenarbeit sowie Kooperation mit dem Lieferanten), Gewichtung: 10 %;

­

Direkte Industriebeteiligung (Umfang und Qualität des direkten Offsets als Teil der Kompensationsgeschäfte), Gewichtung 10 %.

Diese vier Hauptkriterien wurden anschliessend vom Projektteam23 durch Subkriterien konkretisiert (vgl. dazu Kap. 4.1).

Bei der Berechnung der Kosten andererseits sollen nicht nur die Beschaffungskosten der Systeme, sondern auch «alle über die gesamte Nutzungsdauer voraussehbaren Kosten einschliesslich Unterhalt, Instandhaltung und Instandstellung» einbezogen werden. Nicht einzurechnen sind hingegen die Kosten für allfällige Kampfwertsteigerungs- und Werterhaltungsprogramme sowie für die Ausserdienststellung, da diese nicht zuverlässig abschätzbar sind.

3.2.2

Aussenpolitische Aspekte

Der Bundesrat hielt in seiner Botschaft zum Planungsbeschluss fest, dass es sich bei der NKF-Beschaffung um ein Geschäft mit einem beträchtlichen Finanzvolumen handle und dass die Regierungen aller Herstellerländer daher interessiert seien, dass der Zuschlag auf ihre Hersteller falle. Aus diesem Grund stellte sich die Frage, inwieweit bei der Typenwahl Spielraum für aussenpolitische Überlegungen bestand.

Rechtliche Einschätzung Wie in Kapitel 3.1 dargelegt, gibt es für Rüstungsbeschaffungen nur wenige beschaffungsrechtliche Vorgaben, so dass die Vergabebehörde über einen grossen Spielraum verfügt. Die von der zuständigen Subkommission angehörten Beschaffungsexperten waren daher der Ansicht, dass es bei der NKF-Beschaffung rechtlich möglich gewesen wäre, auch politische Zuschlagskriterien zu definieren bzw. festzuhalten, dass man sich für das Kampfflugzeug entscheidet, dessen Herstellerland der Schweiz dafür in anderen Dossiers entgegenkommt bzw. die attraktivsten «Gegengeschäfte» bietet.

Aus Sicht eines der angehörten Experten24 hätte in diesem Fall eine Freihandvergabe gewählt werden sollen. Im Einladungsverfahren hätten diese Kriterien zumindest zu Beginn des Verfahrens am 8. November 2017 mit dem Entscheid des Bundesrates definiert und transparent dargelegt werden müssen. Die Experten gaben allerdings zu bedenken, dass solche Kriterien zu einer unterschiedlichen Behandlung der Anbieter führen und unerwünschte aussenpolitische Folgen haben können.

Die Vorsteherin des VBS vertrat ihrerseits die Meinung, dass der Einbezug von politischen Überlegungen beschaffungsrechtlich grundsätzlich nicht zulässig sei. Das 23

24

Das Projektteam NKF (Kernteam) bestand aus 18 Personen. Dazu gehören der Projektleiter, 12 Teilprojektleiter, ein Technologieverantwortlicher, zwei Offset-Verantwortliche, eine Systemportfoliomanagerin und eine Person als Projektunterstützung. Diese Personen waren grösstenteils Mitarbeitende von Armasuisse, vertreten waren auch die Luftwaffe, die Logistikbasis und die Führungsunterstützungsbasis der Armee und der Armeestab.

Die Teilprojektleiter standen wiederum eigenen Teams vor.

Prof. Nicolas Diebold (vgl. Liste der angehörten Personen im Anhang).

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BöB gelte auch für Rüstungsbeschaffungen und halte fest, dass man für die Bewertung der Angebote nur Kriterien heranziehen dürfe, die sich direkt auf die zu beschaffenden Güter beziehen. Im Bundesrat seien aussenpolitische Aspekte bzw. geopolitische Überlegungen diskutiert worden, als es darum ging, welche Hersteller bzw. Herstellerländer überhaupt zur Offerte eingeladen werden sollten. Im Evaluationsverfahren selber seien solche Überlegungen im Zusammenhang mit dem Kriterium «Kooperation» eingeflossen (vgl. Kap. 3.2.1). Aus den eingegangenen Offerten habe man dann das Flugzeug mit dem besten Kosten-Nutzenverhältnis für die Schweiz gewählt.

Konkrete Vorgaben in der Botschaft zum Planungsbeschluss Da sich im Verlauf der Abklärungen der GPK-N zeigte, dass sich in der Botschaft zum Planungsbeschluss wesentliche Vorgaben zum Einbezug aussenpolitischer Aspekte finden, werden diese im Folgenden erläutert.

In der Botschaft zum Planungsbeschluss ist festgehalten: «Grundsätzlich müssen die Anforderungen (Leistungsfähigkeit, Eignung für die Schweiz, Kosten, militärische und industrielle Kooperationsangebote) erfüllt sein und die sachlichen Kriterien dominieren. Beschaffungsentscheide dürfen nicht von sachfremden Überlegungen zulasten des Nutzwertes für die Armee dominiert werden. Der Bundesrat ist aber bei der Typenwahl frei. Bei gleichwertigen Angeboten können aussenpolitische Aspekte eine Rolle spielen.»25 Die Vorgabe der Gleichwertigkeit wurde nach der Vernehmlassung zum Planungsbeschluss aufgenommen. Bei der Vernehmlassung war im erläuternden Bericht zum Planungsbeschluss vom 23. Mai 201826 der entsprechende Satz noch offener bzw. wie folgt formuliert: «Aussenpolitische Aspekte können eine Rolle spielen.» Die Anpassung betreffend Gleichwertigkeit findet sich im Übrigen nur in der deutschen und italienischen Fassung der Botschaft, in der französischen Version ging sie offenbar vergessen.27 Die Vorsteherin des VBS erläuterte gegenüber der Kommission, dass die Anpassung aufgrund der Vernehmlassung und der internen Diskussion vorgenommen wurde.

Man wollte «in der Botschaft sauber und transparent sein». Daher sei die Passage angepasst worden ­ allerdings handle es sich dabei um «eine reine Präzisierung» und nicht um eine «neue Vorgabe». Zur Botschaft habe es keine Fragen oder Mitberichte von anderen
Departementen gegeben.

Die Kommission erkundigte sich, ob der Bundesrat auf diese rückblickend betrachtet zentrale Änderung hingewiesen wurde. Der Generalsekretär des VBS hielt dazu fest,

25

26 27

BBl 2019 5081, S. 30. Die italienische Version stimmt mit diesem Wortlaut überein, während in der französischen Version die Gleichwertigkeit der Angeboten nicht erwähnt wird.

Erläuternder Bericht zu einem Planungsbeschluss zur Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums vom 23. Mai 2018.

In der französischen Version findet sich sowohl im erläuternden Bericht für die Vernehmlassung wie auch in der Botschaft die folgende, identische Formulierung: «Reste que le Conseil fédéral a toute liberté dans le choix des systèmes. Des aspects de politique extérieure peuvent jouer un rôle dans la prise de décision.»

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dass an der ursprünglichen Vorlage viel geändert wurde und der Bundesrat den Vernehmlassungsbericht genehmigt habe. Aber man könne «natürlich nicht jede sprachliche Änderung kommentieren». Der Generalsekretär des EFD zeigte sich gegenüber der Kommission allerdings etwas erstaunt, dass auf diese Änderung im Botschaftsentwurf nicht hingewiesen wurde.

Der Bundesrat verabschiedete den Planungsbeschluss und die Botschaft am 26. Juni 2019 gemäss seinem erweiterten Beschlussprotokoll ohne Diskussion, insbesondere gab es keine Bedenken oder Wortmeldungen bezüglich der aussenpolitischen Aspekte.

Abklärungen zum Handlungsspielraum Die Vorgaben in der Botschaft in Bezug auf die aussenpolitischen Aspekte rückten erst wieder in den Fokus, als der Typenentscheid näherkam.

In einem Aussprachepapier28 an den Bundesrat hielt das VBS Mitte Oktober 2020 fest, dass die Ergebnisse der technischen Evaluation zwar eine wichtige Grundlage für den Entscheid über das zu beschaffende Kampfflugzeug darstellen, der Bundesrat bei seiner Entscheidung aber grundsätzlich frei und nicht an den Evaluationsbericht gebunden sei. Er könne bei seinem Entscheid auch andere Elemente berücksichtigen und in die Gesamtbewertung miteinbeziehen. Grundsätzlich ging das VBS davon aus, dass der politische Handlungsspielraum des Bundesrates, um weitere Elemente in die Entscheidung einfliessen zu lassen, umso grösser ist, je näher die Kandidaten bei den Resultaten der technischen Evaluation beieinanderliegen. In diesem Fall wäre es am Bundesrat, zu entscheiden, ob und wie er solche Überlegungen in eine Gesamtabwägung einbezieht, bevor er einen Typenentscheid fällt.

Im April 2021 beauftragte das VBS die Anwaltskanzlei Homburger mit einer Plausibilitätsprüfung (vgl. Kap. 3.3.1). Die Kanzlei befasste sich in einem Gutachten vom 23. Juni 202129 mit der Frage der rechtlichen Verbindlichkeit des Evaluationsergebnisses. Die Kanzlei kommt dabei zum Schluss, dass der Zuschlag dem wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden muss. Gemäss Homburger und den befragten Beschaffungsexperten ist dabei klar, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot nicht ausschliesslich das preislich günstigste Angebot ist, sondern dieses muss in Anwendung der Zuschlagskriterien bzw. auf der Basis der Kosten-Nutzen-Analyse bestimmt werden.

Im Gutachten von Homburger
wird weiter ausgeführt, dass sich der Bundesrat vorbehalten habe, bei gleichwertigen Angeboten auch aussenpolitische Aspekte zu berücksichtigen. Unter «gleichwertigen Angeboten» seien dabei «vernünftigerweise Angebote zu verstehen, deren Ergebnisse aus der Kosten-Nutzen-Analyse sehr nahe beieinanderliegen». Die Kanzlei kommt zum Schluss, dass bei der Evaluation ein Kandidat sowohl nutzen- als auch kostenseitig klar am besten abgeschnitten habe, dabei komme «kein anderer Kandidat in eine Nähe, welche indizieren 28 29

Aussprachepapier Programm Air2030: Vorgehen nach der Evaluation vom 12. Oktober 2020.

Rechtliche Verbindlichkeit des Ergebnisses der Evaluation NKF vom 23. Juni 2021 (vertraulich, nicht veröffentlicht).

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könnte». Der Bundesrat sei «rechtlich durch Artikel 37 aVöB i.V.m. Artikel 21 Absatz 1 aBöB verpflichtet, den Zuschlag dem wirtschaftlich günstigsten Angebot zu erteilen».

Als sich der Bundesrat am 18. Juni 2021 erstmals in Kenntnis des Evaluationsergebnisses mit dem anstehenden Typenentscheid befasste, wurde schnell deutlich, dass im Hinblick auf die Möglichkeit, beim Typenentscheid auch aussenpolitische Überlegungen einzubeziehen, unterschiedliche Meinungen bzw. offene Fragen bestanden. Aus diesem Grund wurde das BJ mit einer Klärung des rechtlichen Handlungsspielraums beauftragt. Dieses kam in der Folge in seinem Rechtsgutachten30 zum Schluss, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen klar seien und dies bedeute, dass aussenpolitische Überlegungen keine Rolle spielen dürfen, solange keine Gleichwertigkeit der Angebote gegeben sei. Es verwies auf die Rechtsprechung bezüglich Gleichwertigkeit und stellte gestützt darauf fest, dass gemäss Resultat des Evaluationsverfahrens NKF keine Gleichwertigkeit zwischen dem obsiegenden F-35A und den konkurrierenden Flugzeugtypen gegeben sei und daher bei der Typenwahl «aussenpolitische Aspekte nicht berücksichtigt werden dürfen». Eine nachträgliche (Neu-)Beurteilung eines Angebots aufgrund von politischen Gegengeschäften sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, ohne auch den anderen Anbietern die Möglichkeit zu geben, solche Angebote zu unterbreiten.

Der Vorsteher des EDA und auch der Vorsteher des EFD hielten gegenüber der GPK-N fest, dass das Gutachten des BJ ­ welches als «juristisches Gewissen des Bundesrates» bezeichnet wurde ­ für den Bundesrat entscheidend war. Das Gutachten habe Klarheit gebracht und der Bundesrat sei gestützt darauf zum Schluss gekommen, dass er beim Typenentscheid keinen Handlungsspielraum für aussenpolitische Überlegungen habe.

Der Vorsteher des EFD sagte gegenüber der GPK-N aus, er bedauere, dass der Bundesrat letztlich nicht ernsthaft diskutiert habe, ob beim Typenentscheid auch aussenpolitische Überlegungen einbezogen werden sollten. Dies müsse nicht heissen, dass solche Interessen höher zu gewichten gewesen wären als die Ergebnisse der technischen Evaluation, aber darüber hätte zumindest diskutiert werden sollen. Es sei für ihn klar, dass die Armee das beste Flugzeug wolle und das Evaluationsverfahren korrekt geführt wurde, aber
der Typenentscheid sei dem Bundesrat vorbehalten und dieser müsse auch die Gesamtinteressen der Schweiz betrachten und gegebenenfalls auch andere Aspekte einbeziehen. Aufgrund der Vorgabe in der Botschaft und dem Gutachten des BJ sei dies aber nicht möglich gewesen.

Sowohl der Vorsteher des EFD wie auch der Vorsteher des EDA hielten daher gegenüber der GPK-N fest, dass der Bundesrat in diesem Fall seinen Handlungsspielraum unnötig eingeschränkt habe. Daraus müsse er Lehren ziehen. Beide Departementsvorsteher konnten gegenüber der GPK-N nicht plausibel erklären, weshalb sie bei der Beratung des Planungsbeschlusses im Bundesrat im Juni 2019 nicht entsprechend intervenierten und einen aussenpolitischen Handlungsspielraum auch bei nicht gleichwertigen Offerten reklamierten.

30

Rechtsstaatlicher Rahmen für die Beschaffung von Kampfflugzeugen. Gutachten des Bundesamts für Justiz vom 28. Juni 2021, Ziff. 2.1.2.

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3.3

Bewertung der GPK-N

Rechtliche Vorgaben wurden eingehalten Die GPK-N stellte im Rahmen ihrer Abklärungen fest, dass auch für Rüstungsbeschaffungen grundsätzlich gewisse Vorgaben bestehen. Rechtlich ist klar, dass die Beschaffung NKF bzw. das Evaluationsverfahren vom Anwendungsbereich des damals geltenden BöB ausgenommen war und sich lediglich an einigen wenigen Vorgaben aus der aVöB orientieren musste. Ebenso ist unbestritten, dass die beschaffungsrechtlichen bzw. verfassungsrechtlichen Grundsätze auch im Rahmen eines Einladungsverfahrens zur Beschaffung von Kriegsmaterial soweit möglich ­ d. h. unter Abwägung gegenüber sicherheitspolitischen Interessen ­ einzuhalten sind.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass die geltenden Vorgaben im vorliegenden Fall eingehalten wurden. Sie hat keine Hinweise darauf, dass beschaffungsrechtliche Vorgaben oder verfassungsmässige Grundsätze verletzt wurden (vgl. dazu auch Kap. 4.2).31 Der Handlungsspielraum des Bundesrates war unnötigerweise eingeschränkt Aus dem oben geschilderten Sachverhalt wird deutlich, dass der Bundesrat sich im Verfahren an die rechtlichen und politischen Vorgaben gehalten hat. Gemäss diesen orientierte er sich beim Typenentscheid am Evaluationsergebnis und bezog bei seiner Entscheidung aussenpolitische Aspekte nicht ein.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass der Bundesrat bei wichtigen Geschäften wie der NKF-Beschaffung eine Interessenabwägung vornehmen und, wo sinnvoll und möglich, auch aussenpolitische Überlegungen und Angebote von Herstellerländern mit möglichen finanziellen Vorteilen für die Schweiz berücksichtigen soll. Es ist daher aus Sicht der Kommission nicht verständlich, dass der Bundesrat seinen Handlungsspielraum von Beginn an und ohne vertiefte Prüfung grundsätzlich eingeschränkt hat, einerseits durch die Vorgaben in der Botschaft und andererseits durch den Entscheid für ein Einladungsverfahren32. Allerdings ist zu vermerken, dass es zu diesem Themenkomplex auch bei den Beratungen des Planungsbeschlusses in den Räten keine Diskussionen gab.

Dass der Bundesrat sich beim Typenentscheid, gestützt auf ein Gutachten des BJ und vor dem Hintergrund, dass staatliches Handeln dem Grundsatz von Treu und Glauben 31

32

In Bezug auf die Zweckmässigkeit der beschaffungsrechtlichen Vorgaben könnte zwar die Frage aufgeworfen werden, ob es angemessen ist, dass Rüstungsbeschaffungen aufgrund von sicherheitspolitischen Interessen vom Geltungsbereich des BöB ausgenommen sind. Diese Frage wurde allerdings vor kurzem mit der Revision des BöB durch den Gesetzgeber beantwortet: National- und Ständerat haben die Totalrevision des BöB am 21. Juni 2019 einstimmig verabschiedet (bei zwei Enthaltungen im Nationalrat) und damit auch entschieden, dass sicherheitspolitische Aspekte auch weiterhin über den beschaffungsrechtlichen Zielen stehen sollen und bei Rüstungsbeschaffungen daher gewisse beschaffungsrechtliche Vorgaben nicht gelten.

Der Entscheid für ein Einladungsverfahren traf das VBS, gestützt auf die Rüstungsstrategie des Bundesrates. Der Bundesrat wurde darüber informiert und die Anforderungen anschliessend publiziert (vgl. Medienmitteilung des VBS vom 23. März 2018, Anforderungen an neue Kampfflugzeuge und neue bodengestützte Luftverteidigung festgelegt).

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folgen muss, an seine eigenen bzw. die rechtlichen Vorgaben halten wollte, ist aus Sicht der GPK-N grundsätzlich nachvollziehbar. Der Bundesrat kam im Juni 2021 zum Schluss, dass er keinen Handlungsspielraum habe. Die Abklärungen der GPK-N zeigten, dass der Bundesrat seinen Handlungsspielraum bereits zu Beginn des Beschaffungsverfahrens in den Jahren 2018­2019 unnötigerweise einschränkte und dass er dies wohl tat ohne sich der Tragweite bewusst gewesen zu sein.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aber, dass die befragten Personen des VBS und insbesondere die Vorsteherin des VBS gegenüber der GPK-N argumentierten, der Bundesrat habe keine Handlungsspielraum gehabt, weil es keine gleichwertigen Angebote gegeben habe. Gegenüber dem Bundesrat hielt das VBS im Oktober 2020 aber fest, dass in der Phase nach Abschluss der technischen Evaluation auch politische Überlegungen einbezogen werden können und dass der Bundesrat «bei der Typenwahl grundsätzlich frei und nicht gebunden an den technischen Evaluationsbericht» ist. Die Kommission muss daraus schliessen, dass selbst dem VBS noch im Oktober 2020 nicht klar war, welchen Handlungsspielraum der Bundesrat hat.

Das VBS vertrat gegenüber der GPK-N auch die Meinung, dass es sich beim Einfügen des Begriffs der «Gleichwertigkeit» nach der Vernehmlassung bloss um eine Präzisierung handelte.33 Es ist für die Kommission nicht nachvollziehbar, dass das VBS im Bundesrat nicht auf diese Änderung hingewiesen hat und in diesem Zusammenhang nicht abgeklärt und klar dargelegt hat, welchen Handlungsspielraum der Bundesrat nach der technischen Evaluation überhaupt haben wird. Allerdings spricht es aus Sicht der Kommission nicht für die Diskussions- und Führungskultur im Bundesrat, dass der Planungsbeschluss und die Botschaft zum wohl wichtigsten Rüstungsgeschäft der letzten Jahre im Bundesrat diskussionslos verabschiedet wurden.

Vor diesem Hintergrund ist nicht weiter erstaunlich, dass sich der Bundesrat seines eingeschränkten Handlungsspielraums erst beim Typenentscheid bewusst wurde. Zu diesem Zeitpunkt hinterfragten zumindest einige Mitglieder des Bundesrates die Einschränkung ­ auch vor dem Hintergrund des Abbruchs der Verhandlungen mit der EU über ein Institutionelles Rahmenabkommen (InstA) von Ende Mai 2021 ­ und vertraten die Ansicht, dass der Bundesrat
ungeachtet der Vorgabe der Gleichwertigkeit auch aussenpolitische Aspekte einbeziehen sollte. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde dann das BJ mit einer Klärung beauftragt, die Ergebnisse des Gutachtens sind oben bereits erwähnt.

Dass bei wichtigen Beschaffungen wie der NKF-Beschaffung der Vergabeentscheid dem Bundesrat zukommt, zeigt aus Sicht der GPK-N, dass über solche Beschaffungen politisch entschieden werden soll bzw. beim Entscheid soweit möglich eben auch politische Überlegungen eine Rolle spielen können. Der Bundesrat muss dabei selbstverständlich darauf achten, dass den militärischen bzw. sicherheitspolitischen Interessen Rechnung getragen wird. Er soll aber auch dafür sorgen, dass diese nicht isoliert betrachtet werden, indem er bei seinem Entscheid eine Interessenabwägung vornimmt und dabei andere Interessen der Schweiz, insbesondere wirtschaftliche oder politische

33

Dass für die Diskussion im Bundesrat letztlich der Begriff der Gleichwertigkeit entscheidend war, wurde sowohl von der Vorsteherin des VBS als auch von den Vorstehern des EFD und EDA bestätigt.

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Interessen, in seine Gesamtbetrachtung einbezieht. Falls allein die militärischen Interessen ausschlaggebend sein sollen, wäre ausschliesslich die technische Evaluation entscheidend und der Typenentscheid könnte auch vom VBS oder von Armasuisse getroffen werden.

Es ist nachvollziehbar und legitim, dass die Armee bei der Beschaffung von Rüstungsmaterial das für sie «beste» Material möchte. Die technische Evaluation soll denn auch dazu dienen, das Angebot mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Armee zu bestimmen. In einem zweiten Schritt sollte aus Sicht der GPK-N dann aber der Bundesrat abwägen, ob dieses Angebot auch im Gesamtinteresse der Schweiz das Beste ist. In diesem Rahmen sollen auch wirtschaftliche und politische Interessen einbezogen werden können.

Im vorliegenden Fall hat das Projektteam NKF bestätigt, dass alle vier evaluierten Kampfjets «truppentauglich» waren34 und aus technischer Sicht hätten gewählt werden können. Anders gesagt: Es gab zwar einen Jet, der in der technischen Evaluation besser als die anderen abschnitt, die anderen Jets hätten die wesentlichen Anforderungen aber auch erfüllt. Dieses Ergebnis hätte es dem Bundesrat ­ vorausgesetzt er hätte dafür die nötigen Vorkehrungen getroffen bzw. Rahmenbedingungen geschaffen ­ erlaubt, bei seiner Entscheidung zu prüfen, inwiefern er beim Typenentscheid auch aussenpolitische Überlegungen einbeziehen will.

Aus den Erfahrungen der NKF-Beschaffung sollte der Bundesrat aus Sicht der GPK-N die Lehre ziehen und bei künftigen, grossen Rüstungsbeschaffungen darauf achten, dass er seinen Handlungsspielraum nicht unnötig einschränkt.

Empfehlung 1:

Erhaltung des Handlungsspielraums bei grossen Rüstungsbeschaffungen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, dass sein Handlungsspielraum bei künftigen Rüstungsbeschaffungen erhalten bleibt und diesbezügliche Fragen frühzeitig geklärt werden, beispielsweise durch eine systematische Einschätzung des BJ im Rahmen der Ämterkonsultation oder des Mitberichtsverfahrens.

4

Technische Evaluation

Das Kapitel 4 widmet sich der Frage, ob der Ablauf des Evaluationsverfahrens und insbesondere die gewählte Bewertungsmethode rechtmässig und zweckmässig waren.

Dabei wird auch geklärt, inwiefern im Rahmen der Evaluation Referenzen bzw. Erfahrungen anderer Länder mit den evaluierten Jets einbezogen wurden. Wie bereits einleitend erwähnt, ging es aber nicht darum, die Anwendung der gewählten Evaluationsmethode im Detail nachzuvollziehen und die Ergebnisse der Evaluation nachzuprüfen und zu bewerten.

34

Vgl. Kurzbericht Evaluation NKF, Kap. 4.1: «Die Auswertung der Offerten zeigt, dass alle Kandidaten truppentauglich sind.»

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4.1

Methodisches Vorgehen

Wie oben (vgl. Kap. 3.1.2) erwähnt, muss der Beschaffungsentscheid gestützt auf eine Kosten-Nutzen-Analyse erfolgen. Zur Ermittlung des Nutzens setzte Armasuisse im vorliegenden Fall erstmals auf die sogenannte AHP-Methode (Analytic Hierarchy Process [hierarchischer Analyseprozess]).35 Dabei handelt es sich um eine Nutzwertanalyse mit gewichteten Kriterien. Der Unterschied zu herkömmlichen Nutzwertanalysen besteht darin, dass die Ermittlung des Nutzwertes durch relative Vergleiche der Kandidaten erfolgt, statt dass Noten oder Punkte nach absoluten Massstäben vergeben werden.

Dass Armasuisse bei der Evaluation NKF erstmals auf diese neue Bewertungsmethodik setzte, begründeten die Verantwortlichen insbesondere damit, dass die herkömmliche Bewertungsmethodik bzw. das Benotungssystem bei der Evaluation für den Tiger-Teilersatz durch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) kritisiert worden sei.36 Ausserdem sei die gewählte Methode gerade für komplexe Entscheidungen bzw. Beschaffungsverfahren besonders geeignet.

Gemäss Armasuisse37 erfolgten die Abklärungen, ob die AHP-Methode zum Zweck der Evaluation NKF angewendet werden soll, zwischen Herbst 2017 und Frühling 2018. Dabei wurde durch Armasuisse geprüft, welche Evaluationsmethoden andere Länder anwenden.38 Man habe die AHP-Methode dann wissenschaftlich analysiert und geprüft, ob damit die beschaffungsrechtlichen Grundsätze bezüglich Gleichbehandlung, Transparenz und Wirtschaftlichkeit eingehalten werden. Diese Prüfung wurde vom Projektteam39 selbst durchgeführt, ohne dass es dazu den Rechtsdienst der Armasuisse, des VBS oder Beschaffungsexperten des Bundes beigezogen hat.

Das Projektteam kam dabei zum Schluss, dass weder das Beschaffungsrecht noch die Projektmanagementvorgaben HERMES des VBS eine bestimmte Methode zur Bewertung des Nutzens bei komplexen Rüstungsbeschaffungen vorschreiben und dass

35

36

37 38

39

Die AHP-Methode wurde Ende der 70er-Jahre durch den Mathematiker Thomas Saaty entwickelt und 1980 veröffentlicht. Sie ist seitdem Gegenstand von zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, welche gemäss Armasuisse durch das Projektteam analysiert und mittels u. a. eigens dafür entwickelten Simulationen mit der Software Matlab validiert wurden.

Die zuständige Subkommission der SiK-N hielt 2012 fest: «Mit der Benutzung von zwei Notenskalen und einer Notenbeschreibung, die weit vom allgemeinen Sprachgebrauch entfernt sind, haben sich armasuisse und die Luftwaffe das Leben selbst erschwert. Die gewählte Vorgehensweise ist schwierig zu kommunizieren und schafft Verwirrung. Für die Subkommission ist diese Vorgehensweise einer der Gründe für die Kritiken am Gripen E/F und am ganzen Evaluationsverfahren.» vgl. Bericht der Subkommission TTE der SiK-N vom 20. August 2012.

Aktennotiz von Armasuisse an die Subkommission EDA/VBS der GPK-N vom 14. Februar 2022.

Gemäss dem Kommandanten der Luftwaffe tauschte man sich hinsichtlich der Evaluationsmethodik mit Ländern wie Finnland, Belgien und Dänemark aus. Dabei zeigte sich, dass sowohl die AHP-Methode wie auch andere Methoden zur Anwendung kamen. Ungeachtet der Methode seien all diese Länder zum selben Ergebnis gekommen und hätten schliesslich ebenfalls den F-35A gewählt.

Vgl. Fussnote 23.

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die Methode im vorliegenden Fall geeignet war. Armasuisse habe daraufhin entschieden, die Methode anzuwenden. Das VBS und der Bundesrat wurden gemäss der Vorsteherin des VBS nicht im Voraus über die gewählte Methodik informiert, es sei auch nicht am Bundesrat, Evaluationsmethoden «zu bewilligen». Die Vorsteherin des VBS organisierte für den Bundesrat aber im Februar 2021 eine Art «Klausur», in der die Spezialisten von Armasuisse dem Bundesrat den Evaluationsprozess vorstellten und Fragen dazu beantworteten.40 Die Verwendung der AHP-Methode wurde im Projektmanagementplan41 und auch in den Ausschreibungsunterlagen42, die den Anbietern zugestellt wurden, so festgehalten.

Die befragten Beschaffungsexperten haben gegenüber der zuständigen Subkommission dargelegt, dass die beschaffende Behörde ­ nicht nur im Rüstungsbereich ­ bei der Wahl der Bewertungsmethodik grundsätzlich frei ist, solange die Methode ein objektives und nichtdiskriminierendes Verfahren sicherstellen kann. Dies bedeutet einerseits, dass die gewählten Kriterien und die Methode nicht so definiert werden dürfen, dass nur noch ein Anbieter in Frage kommt. Andererseits ist aufgrund des Transparenzgebots auch klar, dass die Anbieter über die Methode, die Bewertungskriterien und deren Gewichtung informiert sein müssen.

Gemäss dem Leiter KBB ist ihm kein anderes Beschaffungsverfahren des Bundes bekannt, in dem die Methode angewendet wurde. Er erklärte diesen Umstand aber insbesondere damit, dass die Methode sehr komplex und aufwendig sei. Die NKFBeschaffung sei aber eine so langfristige, teure und aus staatlicher Sicht wichtige Beschaffung, so dass der Aufwand gerechtfertigt gewesen sei.

Gemäss der Vorsteherin des VBS wurde die Rechtmässigkeit der Methode «intern angeschaut», diese Einschätzung sei von der von ihr beauftragten Homburger AG als neutrale Stelle bestätigt worden. Aus den Berichten von Homburger geht aus Sicht der GPK-N allerdings nicht hervor, inwiefern die Methode an sich geprüft wurde, die Firma schreibt aber, ihre «Plausibilitätsprüfungen bezogen sich auf die Methodik der Bewertung, Zuschlagskriterien sowie die finanzielle Darstellung der Angebote» und kommt zum Schluss, «dass die Rangfolge der Anbieter gemäss Kosten-Nutzen-Analyse der Armasuisse im Evaluationsbericht plausibel ist».

40 41 42

Gemäss Protokoll des SiA-spezial vom 18. Januar 2021 war diese Vorstellung für den 3. Februar 2021 vorgesehen.

Projekt Neues Kampfflugzeug, Projektmanagementplan (Stand: 10. August 2020; nicht veröffentlicht).

«New Fighter Aircraft (NFA), Part 1: Project Requirements» vom 24. Juni 2020 (intern, nicht veröffentlicht).

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Vertiefung: Analytic Hierarchy Process (AHP) A) Weitere Erläuterungen zur Methode43 Bei der AHP-Methode erfolgt keine Bewertung der Angebote gestützt auf ein vorher definiertes Notensystem, sondern die Angebote werden (in einem komplexen mathematischen Verfahren) untereinander verglichen. Oder anders gesagt: «Mit AHP werden hingegen die Unterschiede bewertet, unabhängig davon, ob ein Angebot gut, sehr gut oder genügend ist».44 Sind zwei Angebote gleichwertigerhalten diese identische Punktzahlen. Ist eines besser, gibt es mehr Punkte, je nach Qualitätsunterschied.

Mit dem Verfahren werden die Unterschiede hervorgehoben, es entsteht ein «Kontrasteffekt». Um diesen auszugleichen, hat Armasuisse eine Ausgleichsfunktion eingeführt. Diese sorgte dafür, dass Flugzeuge praktisch gleich viele Punkte erhielten, wenn sie sich in einer Eigenschaft kaum unterscheiden. Oder umgekehrt: Die Kandidaten mussten sich deutlich unterscheiden, damit sich dies in der Punktzahl widerspiegelte. Wie Armasuisse erläuterte, konnten pro Evaluationskriterium jeweils insgesamt hundert Punkte vergeben werden. Wenn ein Kandidat extrem gut war, konnte er maximal 75 Punkte erzielen (was nur bei einem einzigen Kriterium der Fall war). Sonst sei die Punktevergabe eher ausgleichender gewesen.

Gemäss den Projektverantwortlichen von Armasuisse habe man zudem eine Analyse durchgeführt und dabei festgestellt, «dass ohne die AHP-Methode das Ergebnis noch deutlicher ausgefallen wäre». Der Generalsekretär des VBS hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass Finnland mit einer anderen Methode zum selben Resultat wie die Schweiz gekommen sei.

B) Anwendung im konkreten Fall45 Die Anbieter wurden im Rahmen der ersten Offertanfrage über die Methode sowie über die vier Haupt- und 20 Subkriterien sowie deren Gewichtung informiert. Zudem wurde ihnen ein Katalog von rund 2000 Detailfragen zugestellt, die ebenfalls zu beantworten waren.

43

44 45

Im Rahmen der Verwaltungskonsultation hielt das VBS folgendes fest: «Die AHPMethode basiert darauf, dass Eigenschaften zu Bewertungskriterien von Kandidaten paarweise miteinander verglichen werden. Bei vier Kandidaten ergeben sich so sechs paarweise Vergleiche, woraus mittels der Berechnungsmethode die zu verteilenden Punkte ermittelt werden. Der grosse Vorteil der Methode ist, dass mit dem paarweisen Vergleich die Bewertung in kleine Schritte zerlegt wird. Zudem errechnet die Methode nicht nur die Punktzahl, sondern deckt in einem Auswahlverfahren mit mehreren Kandidaten auch Widersprüche bei der Bewertung auf.» Quelle: Sendung HeuteMorgen vom 17. August 2021, SRF.

Die Methode und das Vorgehen bei der Bewertung wird von armasuisse selber vorgestellt: www.ar.admin.ch > Dokumente und Publikationen > armasuisse insights > Programm Air2030 > Nutzwertbetrachtung in den Projekten NKF und BODLUV GR (Stand: 29. April 2022).

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Die kommunizierten 20 Kriterien wurden intern in weitere 79 Subkriterien aufgeteilt und gewichtet. Diese Gewichtung erfolgte durch die Luftwaffe als Bedarfsträgerin und erfolgte vor der ersten Offerteingabe. Zu diesem Zeitpunkt lagen gemäss Armasuisse noch keine Informationen über die evaluierten Jets vor.

Damit eine vollständige Evaluation jedes Flugzeugs möglich war, musste zu jeden der 79 Kriterien eine Bewertung vorliegen. Dazu war Armasuisse auf umfassende Antworten auf jede der Fragen aus dem Fragenkatalog angewiesen. Um zu verhindern, dass die Anbieter versuchen, die 2000 Fragen den 79 Subkriterien zuzuordnen und von sich aus Prioritäten festlegen, wurden diese Kriterien und deren Gewichtung bewusst geheim gehalten. Die Anbieter wurden gemäss dem Projektleiter NKF aber informiert, dass die unterste Kriterienstufe nicht bekanntgegeben wird und dass nicht beantwortete Fragen zu einer schlechteren Bewertung führen.

Für die Erstellung der Evaluationsgrundlage wurden die 79 Evaluationskriterien auf spezialisierte Teams aufgeteilt, welche sich jeweils mit einer Evaluationsfrage für alle vier Kandidaten befassten. Nach der ersten Offerteingabe erstellten sie pro Evaluationsfrage und pro Flugzeug einen Report, dieser wurde dann nach der Erprobung und mit der zweiten Offerte «validiert». Jeder Report beschreibt einen Kandidaten. Die Teams waren dabei angehalten, sie nicht miteinander zu vergleichen, bis Ende 2020 alles abgeschlossen war.

Am Ende wurde ein Bericht zu jedem einzelnen der 79 Evaluationskriterien erstellt, welche dann mithilfe der AHP-Methode verglichen und bewertet wurden.

Neben der Bewertung der technischen Aspekte bzw. des Nutzens mit Hilfe der AHPMethode wurden parallel Kostenberechnungen vorgenommen. Gemäss der Vorsteherin des VBS wurde sichergestellt, dass alle Sachangaben strikt von den Preisen getrennt wurden und dass die Fachleute, welche sich mit den technischen Aspekten befassten, keine Einsicht in die Kosten erhielten und umgekehrt. So war gewährleistet, dass Nutzen und Kosten unabhängig voneinander ermittelt wurden. Gemäss den Vorgaben des VBS wurden für die Berechnung der Gesamtkosten nicht nur die Beschaffungskosten, sondern auch die Betriebskosten für 30 Jahre berücksichtigt (vgl.

Kap. 3.2.1). Diese Kostenberechnungen bzw. die finanziellen Risiken der Beschaffung
und des Betriebs wurden unter gewissen Aspekten von der EFK geprüft.46 Abschliessend ist noch zu ergänzen, dass die Vertreter von Armasuisse gegenüber der Subkommission bestätigt haben, dass die vier evaluierten Kampfflugzeuge alle «truppentauglich» gewesen seien47 und den angestrebten Nutzen für die Schweizer Armee gebracht hätten.

46 47

Audit de la gestion des risques du programme Air2030, Bericht der EFK vom 18. Mai 2022.

Vgl. Fussnote 33.

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4.2

Gleichbehandlung der Anbieter

Allgemein Das Gleichbehandlungsgebot verlangt, dass alle Anbieter gleichbehandelt werden und die Bedingungen für alle gleich sind. Diesem Grundsatz trug Armasuisse gemäss eigenen Angaben Rechnung, indem alle eingeladenen Anbieter dieselben Ausschreibungsunterlagen, Vorgaben und Auskünfte erhielten. Im Rahmen der ersten Offertanfrage wurde den Anbietern das Vorgehen bei der Evaluation, die Evaluationsmethode, die vier Hauptkriterien und 20 Subkriterien für den Zuschlag sowie deren Gewichtung mitgeteilt. Zudem erhielten alle denselben Fragekatalog mit 2000 Fragen. Wie bereits oben erwähnt, wurden die noch weiter verfeinerten 79 Subkriterien bewusst geheim gehalten. Darüber wurden die Anbieter informiert, ebenso wurden sie darauf hingewiesen, dass nicht beantwortete Fragen zu einer schlechteren Bewertung führen würden.

Bei der Erprobung wurde die Gleichbehandlung sichergestellt, indem diese für alle Anbieter gleich ablief. Zuerst wurden die Flugzeuge in den jeweiligen Simulatoren direkt bei den Anbietern erprobt; gleichzeitig erfolgten «Produktesupport-Audits».

Dabei zeigten die Luftwaffen der Herstellerländer auf, wie die Flugzeuge betrieben und instandgehalten werden und wie die Ausbildung erfolgt. Schliesslich wurden die Kampfflugzeuge von April bis Juni 2019 nacheinander in Payerne in der Schweiz erprobt. Ziel dieser Erprobungen war die Überprüfung der Herstellerdaten. Die Hersteller mussten dazu einen voll einsatzfähigen Jet zur Verfügung stellen.

Der schwedische Anbieter Saab konnte diese Vorgabe nicht erfüllen. Saab machte verschiedene Alternativvorschläge, es schlug eine spätere Erprobung des gewünschten Models Gripen-E vor und bot an, für die Erprobungen im Juni 2019 neben einem Gripen-E-Testflugzeug einen voll einsatzbereiten Gripen C zur Verfügung zu stellen.

Gemäss Armasuisse hätte dies aber dem Gleichbehandlungsgebot widersprochen, daher wurden diese Vorschläge abgelehnt und der Gripen-E schied aus dem Evaluationsverfahren aus. Die übrigen vier Kandidaten traten zur Erprobung an und absolvierten dazu alle acht Missionen.

Lärmemissionen Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) führte am Rand der Erprobungen Lärmmessungen durch. Gemäss dem Evaluationsteam standen gerade bezüglich Lärm auch Informationen aus anderen Ländern zur Verfügung, aber um das
Gleichbehandlungsgebot nicht zu verletzen, wollte man auch hier gleiche Bedingungen für alle Kandidaten sicherstellen und liess daher eigene Messung durchführen.

Berechnung der Flugstunden In der Medienmitteilung zum Typenentscheid hielt der Bundesrat fest, dass beim F-35A rund 20 % weniger Flugstunden nötig sind als bei den anderen Kandidaten. In einigen Medienberichten und auch in der zuständigen Subkommission des GPK-N wurden danach Fragen zur Berechnung der Flugstunden aufgeworfen ­ insbesondere 26 / 55

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stellte sich die Frage, ob die Anbieter diesbezüglich bei der Typenwahl gleichbehandelt wurden. In diesem Zusammenhang wurde u. a. behauptet, dass der F-35A weniger Flugstunden benötige, da mehr im Simulator trainiert werden könne.

Armasuisse hielt dazu fest, dass bei allen Kandidaten die gleiche Anzahl Flugstunden angefragt wurde, konkret 6480 Flugstunden bzw. 180 Flugstunden pro Jahr. Basierend auf diesen Werten wurden ein erstes Mal die Betriebskosten errechnet, dabei zeigte sich bereits, dass der F-35A am günstigsten ist. In einem zweiten Schritt ermittelte Armasuisse dann, wie viele Flugstunden für den Einsatz der Flugzeuge effektiv notwendig sind. Dazu wurden die Angaben der Hersteller den Erkenntnissen aus der Evaluation gegenübergestellt. So wurde beispielsweise analysiert, wie (und insbesondere, wie viele Stunden und bei wie vielen Einsätzen) die Piloten der Herstellerländer geschult werden und diese Erkenntnisse mit den Erfahrungen im Ausbildungsbereich der Schweizer Luftwaffe verglichen. Diese Analyse ergab für den F-35A deutlich weniger Flugstunden als für die drei anderen Kandidaten (während die Anzahl Simulatorenstunden bei allen Flugzeugen ähnlich ausfiel). Anders gesagt, wurden gemäss Armasuisse keine Flugstunden durch Stunden im Simulator ersetzt.

Die Subkommission konnte in den Evaluationsbericht und die Berechnung der Flugstunden und Betriebskosten Einsicht nehmen. Tatsächlich liegen die Betriebskosten der vier Jets bei gleicher Flugstundenzahl relativ nahe beieinander, wobei der F-35A bereits bei diesem Vergleich die tiefsten Kosten aufweist. Bei den «Flugstundenbereinigten Betriebskosten» liegt der F-35A dann aber signifikant tiefer (rund 20 %) als die drei anderen Kampfflugzeuge.

Offizielle Berichte und «Mängellisten» zu den evaluierten Jets Im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz stellte sich auch die Frage, wie das Evaluationsteam mit offiziellen und öffentlich zugänglichen Berichten oder «Mängellisten» der evaluierten Flugzeuge umgegangen ist. So listet beispielsweise eine offizielle Untersuchung des US-Kongresses zahlreiche Probleme des F-35 auf.48 Die Verantwortlichen von Armasuisse und VBS gaben an, dass solche Informationen aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes nicht direkt in die Evaluation eingeflossen seien. Dies liege auch daran, dass es nicht zu allen
evaluierten Jets öffentlich zugängliche Berichte und «Mängellisten» gebe. Einige Herstellerländer und deren Untersuchungsgremien würden ihre Befunde öffentlich machen, andere aber nicht (obwohl es wohl zu allen Flugzeugen vergleichbare Berichte oder Mängellisten gebe). Die Transparenz dürfe für die Staaten, welche ihre Befunde veröffentlichen, aber keine negativen Konsequenzen haben bzw. dieses Staaten dürfen nicht anders behandelt werden als diejenigen, welche die «Mängel» ihrer Flugzeuge nicht offenlegen.

48

US Government Accountability Office (GAO), Report to the Committee on Armed Services, House of Representation, F-35 Sustainment: DoD Needs to Cut Billions in Estimated Costs to Achieve Affordability, Washington July 2021 (GAO-21-439).

https://www.gao.gov/assets/gao-21-439.pdf

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Umgekehrt gab das Evaluationsteam aber auch an, dass man solche Berichte natürlich zur Kenntnis nehme. Die darin aufgeworfenen Kritikpunkte seien im Rahmen der Fragen der eigenen Evaluation adressiert und bei den eigenen Erhebungen geprüft worden.49 Gar nicht analysiert und in Betracht gezogen habe man hingegen Medienberichte bzw.

Berichte von nicht offiziellen Quellen. Diese liessen sich nicht überprüfen, ein Einbezug sei daher weder sinnvoll noch seriös.

4.3

Einbezug von Referenzen und Erfahrungen anderer Länder

Da neben der Schweiz auch diverse andere europäische Länder neue Kampfjets evaluieren oder evaluierten bzw. einige der evaluierten Jets auch bereits in der Praxis im Einsatz sind, stellte sich die Kommission die Frage, inwiefern im Rahmen des Evaluationsverfahrens auch die Erfahrungen dieser Länder einbezogen wurden.

Gemäss den befragten Rechtsexperten ist es aus beschaffungsrechtlicher Sicht möglich, bei einem anderen Staat Referenzen einzuholen. Dabei sind die Grundsätze der Gleichbehandlung (Einholen von Referenzen zu allen Anbietern und zu denselben Kriterien) und Transparenz (Information der Anbieter, dass und zu welchen Kriterien Referenzen eingeholt werden) zu berücksichtigen. Bei negativen Referenzen muss dem betroffenen Anbieter zudem das rechtliche Gehör gewährt werden, bevor die Referenzen in die Beurteilung einbezogen werden. Aus Sicht der Beschaffungsexperten sind Referenzen v. a. nützlich zur Bewertung von Leistungsbestandteilen, die man nicht anders messen könne. Grundsätzlich sei immer zu überlegen, wie aussagekräftig und damit nützlich die Auskünfte sind.

Die Projektverantwortlichen von Seiten Armasuisse und Luftwaffe hielten dazu fest, dass man sich mit anderen Ländern, insbesondere mit Finnland, Belgien und Dänemark, ausgetauscht habe, aber nur zum Ablauf der Evaluation. Dabei ging es um die Fragen, wie diese bei Evaluationen vorgehen, welche Bewertungsmethoden sie verwenden usw. (vgl. Kap. 4.2.1). Bezüglich den Eigenschaften der evaluierten Flugzeuge habe sich das Evaluationsteam ausschliesslich mit den Luftwaffen der Herstellerländer ausgetauscht. Diese legten bei der Erprobung vor Ort dar, wie sie die Flugzeuge betreiben und instandhalten und wie das Personal dafür ausgebildet wird.

49

Der Kommandant Luftwaffe gab an, dass die Mängelliste, die von der USA jährlich veröffentlicht würde, geprüft und mit dem Hersteller besprochen worden sei. Dabei sei man zum Schluss gekommen, «dass sich alles im Bereich des Normalen bewegt». Es sei üblich, dass neue Flugzeuge bzw. Systeme gewisse «Kinderkrankheiten» aufweisen. Die USA würden diese Liste veröffentlichen, um transparent zu sein, aber auch, um den Druck auf den Hersteller auszuüben, so dass dieser Stellung bezieht und die Fehler behebt. Dennoch sei der F-35A einsatzfähig, er sei auf der ganzen Welt im Echteinsatz.

Auch zum F/A-18, der seit fünfundzwanzig Jahren in Betrieb ist, gebe es eine Liste mit über tausend Software-Fehlern. Diese seien aber weder sicherheits- noch einsatzrelevant, daher lohne es sich nicht, Geld einzusetzen, um diese zu beheben.

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Die angehörten Personen von Seiten VBS, Luftwaffe und Armasuisse betonten, dass sich die Evaluation auf eigene Erhebungen und Beurteilungen stützen sollte. Referenzangaben seien heikel, weil die Jets in anderen Ländern ganz anders betrieben würden, beispielsweise aufgrund der Topographie und Infrastruktur, und die Flugzeuge nicht genau gleich konfiguriert und Berechnungsgrundlagen unterschiedlich seien.

Zudem sei ein Austausch mit anderen Ländern zu vielen Aspekten ­ insbesondere zu den Fähigkeiten der Flugzeuge, aber auch zu deren Konfigurationen und Preisen ­ aufgrund von Informationsschutzabkommen und sogenannten «Non-disclosure Agreements»50 gar nicht möglich. Andere Länder dürften ihre Informationen gar nicht mit der Schweiz teilen (und umgekehrt). Man habe daher ausschliesslich Informationen berücksichtigt, die von den Herstellerländern und den Herstellerfirmen kamen.

Anders als die befragten Rechtsexperten waren die Projektverantwortlichen auch der Ansicht, ein Einbezug von Referenzen oder Angaben von Drittländern hätte den vorgeschriebenen Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz verletzt. Nach dem Typentscheid seien diese beschaffungsrechtlichen Schranken dann aber weggefallen und das Evaluationsteam habe sich dann verschiedentlich mit Betreiberländern des F-35A ausgetauscht.

4.4

Bewertung der GPK-N

Im vorliegenden Bericht wurde bereits dargelegt, dass für Rüstungsbeschaffungen nur wenige rechtliche Vorgaben bestehen. Es ist politisch gewollt, dass der Bundesrat und die Vergabestelle einen grossen Ermessensspielraum haben, um so auch spezifische Umstände der Landessicherheit und sicherheitspolitische Überlegungen einzubeziehen.

Ungeachtet dessen ist es aufgrund von allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Transparenz, Gleichbehandlung, Treu und Glauben) nötig und auch im Interesse von Armasuisse als Beschaffungsstelle für Rüstungsgüter, ein Evaluationsverfahren so objektiv und transparent wie möglich zu gestalten. Die GPK-N ist der Ansicht, dass Armasuisse die nötigen Massnahmen getroffen hat, um die Gleichbehandlung der Anbieter und ein objektiviertes, nachvollziehbares Verfahren sicherzustellen. Aus ihren Abklärungen haben sich diesbezüglich keine Hinweise auf gravierende Mängel ergeben. Gewisse Fragen der GPK-N blieben allerdings teilweise offen, insbesondere zum Einbezug von Erfahrungen anderer Länder.

Gewählte Bewertungsmethodik war rechtlich zulässig Aus Sicht der GPK-N gibt es keine Hinweise, dass die gewählte Bewertungsmethodik (AHP-Methode) rechtlich nicht zulässig bzw. problematisch war. Es gibt keine rechtlichen Vorgaben, welche das Vorgehen bei der Bewertung regeln. Das Vorgehen muss

50

Dabei handelt es sich um Geheimhaltungsvereinbarungen. Darin verpflichtet sich ein Anbieter, einem potentiellen Käufer vertrauliche Informationen zu seinen Produkten zu geben; umgekehrt sichert dieser zu, dass er diese Informationen nicht an Drittparteien weitergibt.

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aber transparent sein und darf nicht zu einer Ungleichbehandlung führen. Die gewählte AHP-Methode ist zwar in der Schweiz nicht üblich, sie soll gemäss Experten aber gerade bei komplexen Beschaffungen zweckmässig sein. Armasuisse konnte gegenüber der Kommission überzeugend darlegen, weshalb diese Methode gewählt wurde und wie das Amt vorgegangen ist, um eine transparente und objektive Bewertung sicherzustellen. Die Kommission kann allerdings nicht beurteilen, ob die Gewichtung der Kriterien durch das Projektteam zweckmässig war. Zudem barg die erstmalige Anwendung der Methode bei einem so bedeutenden Rüstungsgeschäft ihrer Ansicht nach auch gewisse Risiken.

Die GPK-N erachtet es dennoch als sinnvoll, dass der Entscheid über die Methode nicht vom Departement oder gar vom Gesamtbundesrat, sondern von der dafür zuständigen Beschaffungsstelle getroffen wird. Allerdings hätte die GPK-N erwartet, dass Armasuisse vor dem Entscheid für die AHP-Methode vertieft (und unter Einbezug von Rechtsexperten der Bundesverwaltung) abklärt, ob damit die beschaffungsrechtlichen Grundsätze bezüglich Gleichbehandlung, Transparenz und Wirtschaftlichkeit eingehalten werden. Das VBS gab zwar an, dass die Rechtmässigkeit der Methode auch durch Homburger bestätigt wurde. Dazu ist festzuhalten, dass sich aus den Gutachten und Berichten dieser Kanzlei nicht ergibt, ob die rechtliche Zulässigkeit der neuen Methode an sich hinterfragt wurde und mit welchem Ergebnis. Zudem müsste eine solche Prüfung wie schon erwähnt vor dem Einsatz der Methode und nicht nachträglich stattfinden. Denn falls die Methode als nicht rechtmässig eingestuft worden wäre, hätte dies das ganze Evaluationsverfahren stark verzögern können bzw. dieses hätte allenfalls neu gestartet werden müssen.

Keine Hinweise auf Ungleichbehandlung der Anbieter, aber offene Fragen zum Einbezug von Referenzen und Erfahrungen anderer Länder Die GPK-N fand keinen Hinweis darauf, dass die Anbieter nicht gleichbehandelt wurden. Sie erhielten jeweils dieselben Informationen und mussten soweit ersichtlich auch dieselben Voraussetzungen erfüllen. Auch die Vorwürfe bezüglich einer Ungleichbehandlung bei der Berechnung der Flugstunden erwiesen sich aus Sicht der Kommission als nicht zutreffend. Die Luftwaffe zeigte sich überzeugt, dass sie mit dem Trainingsmodus in Kombination mit
dem Simulator eine gute Einsatzbereitschaft der Besatzungen erreicht. Die Kommission konnte diesbezüglich ein Dokument der Luftwaffe einsehen, in dem sie gegenüber der Chefin VBS bestätigt, dass eine nach der Eingabe der zweiten Offerte am 18. November 2020 vorgenommene Analyse zum Trainingsbedarf eine reduzierte Anzahl an jährlichen Flugstunden beim F-35A ergeben hat.

Kritischer beurteilt die Kommission aber die Antworten von Armasuisse auf ihre Frage, inwiefern beim Evaluationsverfahren auch Referenzen eingeholt und Erfahrungen anderer Länder, welche die Kampfflugzeuge schon betreiben, einbezogen wurden. Gemäss den befragten Rechtsexperten wäre es möglich, solche Referenzen einzuholen. Armasuisse stellt sich aber auf den Standpunkt, dass dies nicht möglich sei, da andere Länder nicht befugt seien, ihre Informationen an die Schweiz weiterzugeben und umgekehrt. Aus Sicht der Kommission mag dies wohl für gewisse Daten, welche direkt die Flugzeuge betreffen, stimmen. Zu anderen Bereichen ­ wie z. B. zu

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den benötigten Flugstunden, deren Kosten oder zu den Kosten für Infrastrukturanpassungen ­ hätte Armasuisse voraussichtlich Informationen erhalten können. Diese wären wohl nicht 1:1 vergleichbar gewesen, dennoch wäre zu prüfen gewesen, ob diese nicht einen zusätzlichen Nutzen bringen und auf eine geeignete Art in die Bewertung einfliessen könnten. Das Projektteam stellte sich auf den Standpunkt, dass dies nicht möglich gewesen sei, zudem wollte man sich ausschliesslich auf eigene Erhebungen stützen. Aus Sicht der GPK-N wurde die Frage, inwiefern auch Erfahrungen anderer Länder einbezogen werden und einen zusätzlichen Nutzen bringen können, von Armasuisse nicht genügend geklärt. Die Kommission ist der Ansicht, dass Erfahrungen und Bewertungen anderer Länder soweit möglich in geeigneter Weise einbezogen werden sollten, insbesondere was Berichte von staatlichen sowie parlamentarischen (Prüf-)Organen betrifft.

Empfehlung 2:

Einbezug von Referenzen

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, zu prüfen, wie er bzw. Armasuisse sich auch bei Rüstungsbeschaffungen nicht nur auf die Angaben der Herstellerländer und auf eigene Erhebungen und Bewertungen stützen, sondern wo möglich auch Referenzen bei anderen Anwendern einholen und bewerten kann.

Trotz der oben erwähnten Kritik hält die Kommission aber fest, dass das technische Evaluationsverfahren durch Armasuisse grundsätzlich professionell geführt wurde.

5

Abschluss des Verfahrens: Politische Phase

Im Folgenden wird die Phase nach Abschluss der technischen Evaluation, d. h. ab dem Zeitpunkt, an dem das Evaluationsresultat vorlag, analysiert. Die Kommission ging dabei insbesondere der Frage nach, ob das VBS das Beschaffungsverfahren nach dem Vorliegen der Ergebnisse der technischen Evaluation rasch und angemessen weiterführte (vgl. Kap. 5.1). Der Abschnitt 5.2 behandelt die Information der anderen Vorsteherinnen und Vorsteher über die Ergebnisse der Evaluation bzw. deren Behandlung im Bundesrat. Kapitel 5.3 beschreibt die im Rahmen der NKF-Beschaffung geführten Verhandlungen mit Herstellerstaaten.

Weiter wird auf die Information der Öffentlichkeit und der Anbieter über die Ergebnisse der Evaluation eingegangen (vgl. Kap. 5.4 und 5.5). Dazu gehören auch Fragen zur Kommunikation (insbesondere bezüglich Fragen zur Teuerung), zum Abschluss des Verfahrens durch Armasuisse im Rahmen der sogenannten «closing meetings» und zur allfälligen Aktenvernichtung.

5.1

Weiteres Vorgehen des VBS nach Vorliegen des Evaluationsergebnisses (ab Mitte März 2021)

Die Vorsteherin des VBS erhielt am 10. März 2021 den ersten Entwurf des Evaluationsberichts. Am 16. März 2021 wurden ihr die Resultate der Evaluation durch den

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Programmleiter Air2030 und den Projektleiter NKF mündlich erläutert. Das VBS wies Armasuisse daraufhin an, den Evaluationsbericht noch einmal zu überarbeiten.

Gemäss Aussagen des Departements handelte es sich dabei um rein redaktionelle Anpassungen51 im Hinblick auf die Behandlung im Bundesrat. Die Anpassungen hätten keinerlei Auswirkungen auf die Rangfolge oder den Abstand zwischen den Angeboten gehabt. Somit war dem GS-VBS und der Departementsvorsteherin das definitive Resultat der Evaluation ab dem 10. März 2021 bekannt.

Zeitnah, nämlich am 15. März 2021, fand im SiA-spezial52 eine erste konkrete Diskussion über mögliche politische Gegengeschäfte mit den Herstellerstaaten statt und es wurden erstmals finanzpolitische Aspekte eingebracht. Das SIF stellte in diesem Zusammenhang die aussenpolitischen Dossiers mit besonderer Relevanz für die Schweiz aus Sicht des EFD vor.

In der Folge fanden Gespräche zwischen der Vorsteherin des VBS und den Verteidigungsministerinnen bzw. dem Verteidigungsminister der Herstellerländer53 statt, bei denen u. a. die Möglichkeit bilateraler Zusammenarbeit im Bereich Militär- und Sicherheitspolitik aber auch darüber hinaus zur Sprache kamen. Die Departementsvorsteherin des VBS betonte gegenüber der GPK-N, dass sie ihren Ansprechpersonen aus den Herstellerländern in Zusammenhang mit Air2030 dabei immer deutlich gemacht hatte, dass politische Aspekte nur bei nahe beieinanderliegenden Angeboten berücksichtigt werden könnten. Im VBS hatte es, gemäss Aussage der Vorsteherin, dazu eine strikte Sprachregelung gegeben, an die sich im Kontakt zu den Herstellerländern alle hielten.

Auch das EDA führte seine Sondierungen fort und instruierte dazu die Schweizer Vertretungen in Paris, Berlin und Washington.

Am 21. April traf sich der SiA-spezial zu seiner dritten Sitzung. Das EDA präsentierte einen Überblick der wichtigsten aktuellen aussenpolitischen Anliegen der Schweiz gegenüber den Herstellerländern. An der gleichen Sitzung wurde das EDA beauftragt, im Hinblick auf den Gesamtbericht Air2030 eine aussenpolitische Analyse zu erstellen.54. Zu diesem Zeitpunkt war der Vorsteherin des VBS das Resultat der Evaluation seit über einem Monat bekannt, sie informierte die anderen Mitglieder des SiA-spezial aber auch an dieser Sitzung noch nicht darüber. Der Vorsteher des EDA gab im
Rahmen seiner Anhörung durch die Kommission an, dass das EDA bei seinen Abklärungen im März und April 2021 anders vorgegangen wäre, wenn es das Resultat der technischen Evaluation damals schon gekannt hätte.

Die Vorsteherin des VBS beauftragte am 27. April 2021 die grosse Wirtschaftsanwaltskanzlei Homburger mit einer «Plausibilitätsprüfung im Hinblick auf den Entscheid über den Zuschlag». Die externe Prüfung bezog sich gemäss der Vorsteherin 51 52 53 54

Die Anpassungen zielten gemäss VBS darauf, dass der Bericht in einer Sprache verfasst wird, die auch von Nichtexperten der Luftverteidigung verstanden wird.

Zur Aufgabe und Zusammensetzung des SiA-spezial vgl. Kap. 2.3.

Frankreich: 22. März 2021, USA: 8. April 2021, Deutschland: 15. April 2021.

Dabei handelte es sich um einen Teil bzw. Kapitel mit aussenpolitischen Überlegungen für den Gesamtbericht Air2030 (dieser enthielt neben den Berichten der technischen Evaluation NKF sowie BODLUV einen Einleitungsteil sowie einen Teil mit politischen Überlegungen). Gemäss Entscheid des SiA-spezial vom 17. Mai 2021 entfiel der Beitrag des EDA. Das entsprechende Kapitel wurde somit durch das VBS erstellt.

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auf «die Methodik der Bewertung, die Zuschlagskriterien sowie die finanzielle Beurteilung der Angebote unter Berücksichtigung des vom Volk genehmigten Planungsbeschlusses». Die Überprüfung habe sie nicht aus Misstrauen gegenüber Armasuisse angeordnet, sondern weil es um einen hohen Betrag an Steuergeldern ging und ihr deshalb eine externe, unabhängige und neutrale Prüfung sinnvoll erschien, um die Grundlagen für weitere Entscheidungen zu erweitern. Die Homburger AG wurde ausgewählt, weil sie über Erfahrungen mit internationalen Beschaffungsverfahren verfügt. Die Auftragserteilung an diese Kanzlei erfolgte am 27. April 2021 mündlich durch den Generalsekretär des VBS. Der entsprechende Vertrag wurde später finalisiert und datiert vom 15. Juni 2021.55 Die externe Überprüfung des Evaluationsverfahrens war in der ursprünglichen Beschaffungsplanung nicht vorgesehen gewesen. Nicht abschliessend geklärt werden konnte, ob diese Plausibilisierung angeordnet wurde, weil sich das VBS selber nicht ganz sicher war bezüglich aussenpolitischem Spielraum oder weil es zusätzliche Evidenz suchte, um seine Haltung, wonach es beim vorliegenden Ergebnis eben gerade keinen aussenpolitischen Spielraum gibt, im Bundesrat später auch durchsetzen zu können.56 Plausibilitätsprüfung im Hinblick auf den Entscheid über den Zuschlag durch Homburger A) Auftragsvergabe(n) Der Auftrag an Homburger wurde trotz seines Umfangs (vereinbart war ein Kostendach von 550 000 Franken) freihändig vergeben. Das VBS ist der Ansicht, dass das BöB «in Bezug auf die rechtliche Beratung des Generalsekretariats VBS in dieser Sache» nicht anwendbar ist. Es stützt sich dabei auf den Artikel 10 Absatz 4 Buchstabe aBöB. Dieser hält fest, dass das Gesetz keine Anwendung findet auf öffentliche Aufträge, «wenn dies für den Schutz und die Aufrechterhaltung der äusseren oder inneren Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung als erforderlich erachtet wird».57 55

56

57

Das VBS begründet diese Verzögerung wie folgt: «Auf Grund der Vertraulichkeit des Programms Air2030 und des kurzfristigen Zeitplans waren wenige Personen in dieses Geschäft involviert, die parallel dazu das Bundesratsgeschäft vorbereitet haben. Dies hatte zur Folge, dass der Auftrag an Homburger zu einem späteren Zeitpunkt finalisiert wurde.» Das VBS hielt dazu im Rahmen der Verwaltungskonsultation folgendes fest: «Das Resultat der Evaluation zeigte, dass keine gleichwertigen Angebote vorliegen. Im Lichte dieses Resultats, der vorerwähnten Dokumente [Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens vom 23.5.2018, Botschaft zum NKF-Planungsbeschluss vom 26.6.2019, Aussprachepapier des VBS an den Bundesrat vom 12.10.2020] und des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) konnten aussenpolitische Aspekte keine Rolle spielen. Diesen konkreten juristischen Sachverhalt liess das VBS im Sinne der Sorgfaltspflicht zusätzlich durch eine externe Anwaltskanzlei prüfen.» Im Rahmen der Verwaltungskonsultation hielt das VBS ergänzend fest: «Ohnehin standen bei der vorliegenden Beschaffung gewichtige öffentliche Interessen der Schweiz infrage, die Durchführung der Plausibilisierung war zeitlich dringlich und es bestanden technischen Besonderheiten. Auch aus diesen Gründen war eine freihändige Vergabe zulässig. Selbst im Anwendungsbereich des BöB wären die Voraussetzungen für eine Freihandvergabe erfüllt gewesen (vgl. Art. 21 Abs. 2 Bst. c, d und Abs. 3 Bst. b BöB).»

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Die Auftragsvergabe erfolgte mündlich am 27. April 2021, wobei der Gegenstand des Auftrags gemäss VBS am selben Tag noch schriftlich festgehalten und später im Vertrag vom 15. Juni 2021 aufgenommen wurde. Der Auftrag wird dabei wie folgt beschrieben: «Die Auftragnehmerin überprüft und beurteilt das Evaluationsergebnis des Beschaffungsverfahrens im Sinne einer Rechtsberatung für die Auftraggeberin auf Plausibilität, beantwortet einzelne Fragen oder überprüft einzelne Dokumente und Darstellungen des Ergebnisses gemäss Instruktion». Später soll die Auftragnehmerin dann zur Verfügung stehen, um die Auftraggeberin bei der Korrespondenz und den Verhandlungen mit der Anbieterin zu unterstützen, dafür sei gegebenenfalls ein separates Kostendach zu vereinbaren.

Die erwähnte Möglichkeit wurde denn auch genutzt: Das VBS liess sich durch Homburger später noch zu Fragen zum «zwischenstaatlichen und vertraglichen Informationsschutz» beraten. Nach dem Typenentscheid des Bundesrates am 30. Juni 2021 regelten das VBS und Armasuisse mit Vertretern der USamerikanischen Behörden in einem Vertrag «weitere, für das VBS wichtige Punkte, wie beispielsweise die Auslegung des Begriffs des «Festpreises» oder die Produktion von 28 Kampfflugzeugen des Typs F-35A in Italien». Hierbei wurden sie ebenfalls durch die Homburger AG unterstützt, diese Mandat hatte ein Kostendach von 200 000 Franken.

Das VBS hielt zur Frage der Kommission, weshalb nicht eine bundesverwaltungsinterne Stelle diese Aufgabe übernahm, u. a. fest, dass die in Frage kommenden Stellen nicht über die dafür nötigen Ressourcen verfügen und dass es eine externe, unabhängige Einschätzung wollte.58 B) Informationsschutz Gemäss dem VBS wurden die «non-disclosure agreements»59 und Informationsschutzabkommen durch die Prüfung nicht verletzt. Der technische Teil der Evaluation sei nicht Teil der Plausibilisierung gewesen, die Homburger habe daher keinen Einblick in militärisch klassifizierten Daten bekommen. Die verantwortlichen Personen unterstünden zudem dem Anwaltsgeheimnis.

Die GPK-N stellte fest, dass die Frage zum Schutz der Daten im Rahmen des Beizugs von Homburger auch in den «closing meetings» ein Thema waren. Armasuisse versicherte den Anbietern dort ebenfalls, dass die Kanzlei nur Einblick in Daten hatte, die als «non-military» klassifiziert waren. Zudem sei die Homburger keine «Drittpartei», da sie eine Vereinbarung mit dem VBS hatte. Aus einer 58

59

Das VBS hielt im Rahmen der Verwaltungskonsultation ergänzend fest: «Auch zeitlich wäre es nicht möglich gewesen. Ausserdem war bei diesen Aufgaben die Erfahrung in internationalen Verhandlungen und Transaktionen sowie die Unabhängigkeit wichtig.

Schliesslich entspricht es auch der in der staatlichen und privaten Wirtschaft üblichen Sorgfaltspflicht, für Geschäfte von dieser Komplexität und finanziellen Tragweite eine spezialisierte externe Anwaltskanzlei mitbeizuziehen.» Sollte ein solcher Beizug tatsächlich üblich sein, hätte die GPK-N erwartet, dass dieser frühzeitig geplant wird. Dies war aber offensichtlich nicht der Fall, zumal das VBS auch selber darauf hinweist, dass die freihändige Vergabe des Mandats auch aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit zulässig gewesen wäre (vgl. Fussnote 57).

Vgl. Fussnote 50.

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Gesprächsnotiz eines Anbieters zum «closing meeting» geht hervor, dass das Mandat auch bei einem Anbieter Fragen aufwarf. Nach Ansicht des Anbieters war die Kanzlei entweder eine Drittpartei und der Beizug verletzte damit die Informationsschutzabkommen oder die Kanzlei war keine Drittpartei, könne dann auch nicht als unabhängig bezeichnet werden.

C) Leistungen, Ergebnisse und Kosten der externen Prüfung Neben der veröffentlichten «Plausibilitätsbestätigung» vom 16. Juni 2021 (Umfang: 1 Seite), erstellte die Homburger zuhanden des VBS zwei weitere Gutachten: In jenem vom 4. Mai 2021 äusserte sie sich zu Fragen bezüglich der «Veröffentlichung des Zuschlagsentscheids» (10 Seiten), in jenem vom 23. Juni 2021 zur «Rechtlichen Verbindlichkeit des Ergebnisses der Evaluation NKF» (4 Seiten).

Neben den drei schriftlichen «Produkten» berieten die verantwortlichen Personen von Homburger gemäss Auskunft des VBS die Vorsteherin des VBS sowie einige ausgewählte Mitarbeitende des GS VBS mündlich in weiteren rechtlichen Fragen, u. a. zum Finanzrahmen/Planungsbeschluss. Die Vorsteherin des VBS gab gegenüber der zuständigen Subkommission an, sie habe zur Beratung etwa drei Mal Kontakt gehabt mit Homburger.

Das VBS hielt fest, dass der Beizug der Anwaltskanzlei hilfreich und bei gewissen Themen «ausgesprochen erfolgreich» war, insbesondere für die Aushandlung des Vertrags mit der US-Regierung.

Die Vorsteherin betonte, dass die Homburger bestätigt habe, «dass die Rangfolge der Anbieter gemäss Kosten-Nutzen-Analyse der Armasuisse im Evaluationsbericht plausibel ist». Weil aber oft der Vorwurf geäussert werde, ein solcher, bezahlter Auftrag sei ein «Parteigutachten», habe sie dann zusätzlich noch das BJ mit einer Überprüfung beauftragt (siehe unten).

Die Kommission forderte vom VBS weitere Auskünfte zu den Kosten für den Beizug der Homburger bzw. zum tatsächlich verrechneten Aufwand. Das VBS hielt hierzu fest, dass die Kanzlei für das ursprüngliche Mandat (Plausibilisierung des Evaluationsergebnisses) 1033 Stunden aufgewendet hat, was einem effektiven Rechnungsbetrag von rund 617 000 Franken entsprach.60 Das GS VBS habe für den Auftrag jedoch nur die dem vereinbarten Kostendach entsprechenden 550 000 Franken bezahlt. Für die beiden Folgemandate fehlen Auskünfte zu den effektiven Leistungen und Kosten, das Kostendach
betrug in einem Fall 125 000 Franken und im anderen Fall 200 000 Franken. Insgesamt dürfte der Beizug von Homburger demnach rund 875 000 Franken gekostet haben.

(zur Bewertung dieses Mandats durch die GPK vgl. Kap. 3.3.4)

60

Dieser Aufwand enthielt gemäss VBS «jedoch nicht nur die Honorare von Homburger, sondern auch diejenigen von Gut Corporate Finance sowie sonstige von Homburger übernommene Spesen und auch die MwSt. von 7.7 %».

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5.2

Behandlung der Ergebnisse der Evaluation auf Stufe Bundesrat (ab dem 17. Mai 2021)

Am 17. Mai 2021 informierte die Vorsteherin des VBS im SiA-spezial über das Resultat der Evaluation. Die Mitglieder waren sich gemäss der Vorsteherin des VBS einig, dass wegen dem deutlichen Abstand zwischen dem F-35A und dem nächstbesten Kandidaten nicht von gleichwertigen Angeboten ausgegangen werden kann. Dies wurde vom Vorsteher des EDA bestätigt. Im entsprechenden Protokoll des SiA-spezial ist diese wesentliche Erkenntnis allerdings nicht festgehalten. Ebenso ist unklar, ob die Vorsteherin des VBS die Mitglieder der SiA-spezial über das Mandat an die Homburger AG zwecks Überprüfung des Evaluationsverfahrens und Klärung von rechtlichen Fragen informierte.

Zwischen dem 9. und 11. Juni 2021 informierte die Vorsteherin des VBS in Einzelgesprächen die anderen Bundesratsmitglieder über die Ergebnisse der Evaluation und über den Umstand, dass das Resultat zeige, dass keine gleichwertigen Angebote vorliegen. Damit sei klar gewesen, dass aussenpolitische Aspekte für den Typenentscheid keine Rolle spielen können. Zum genauen Inhalt dieser Gespräche liegt keine schriftliche Information vor. Die Anhörungen der zuständigen Subkommission zeigten aber deutlich, dass der fehlende Spielraum für aussenpolitische Aspekte zu diesem Zeitpunkt nicht allen Mitgliedern des Bundesrates bewusst war.

Am 18. Juni 2021 diskutierte der Bundesrat ein erstes Mal über den Typenentscheid für das neue Kampfflugzeug. Dabei wurde der Bundesrat über ein Angebot eines Herstellerlandes informiert, welches der Schweiz zudem Unterstützung bei multilateralen Verhandlungen anbot und signalisierte, dass es in für die Schweiz wichtigen Dossiers, zu denen die Verhandlungen seit langem stockten, nun zu substanziellen Konzessionen bereit sei. Aus diesem Angebot hätten sich für Schweiz bedeutende Einnahmen ergeben, was von einem der angehörten Bundesräte als historisch einmalige Gelegenheit bezeichnet wurde. Der Vorsteher des zuständigen Departementes wurde gemäss seinen Angaben vom Bundesrat auf Wunsch des VBS beauftragt, vom betreffenden Land eine schriftliche Zusicherung zu verlangen. Im Bundesrat wurde die Frage aufgeworfen, ob dieser Faktor in der Kosten-Nutzen-Bewertung berücksichtigt werden darf und soll. Er diskutierte, soweit für die Kommission nachvollziehbar, zu diesem Zeitpunkt erstmals die Definition der «Gleichwertigkeit» von
Angeboten. Aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit bei einigen Bundesratsmitgliedern betreffend den Spielraum für (aussen-)politische Erwägungen, entschied er, diese Fragen vor dem Typenentscheid klären zu lassen. Der GPK-N ist nicht bekannt, ob das VBS den Bundesrat am 18. Juni 2021 über die Aufträge an Homburger und deren Resultate informierte. Das VBS beauftragte am gleichen Tag das BJ mit einer Überprüfung des Gutachtens von Homburger (betreffend die Frage der «Rechtlichen Verbindlichkeit des Ergebnisses der Evaluation NKF»).61 An seiner Sitzung vom 23. Juni 2021, an der ursprünglich der Typenentscheid vorgesehen war, hielt der Bundesrat fest, dass er sich entweder für einen Ansatz, der den 61

Das entsprechende Gutachten von Homburger datiert allerdings erst vom 23. Juni 2021 und dürfte dem BJ daher wenn überhaupt erst im Entwurf zur Verfügung gestanden haben. Das VBS übermittelte des BJ am 18. Juni 2021 aber eine interne Aktennotiz zu beschaffungsrechtlichen Fragen, welche Ausführungen von Homburger wiedergibt.

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im Beschaffungsverfahren festgelegten Kriterien folgt und zu einem klaren technischen Ergebnis führt, oder für einen politischen Ansatz entscheiden muss. Die Diskussion wurde auf die nächste Bundesratssitzung vertagt, da bis dahin sowohl das Gutachten des BJ als auch eine schriftliche Bestätigung des oben erwähnten, konkreten Angebots eines der Herstellerländer vorliegen sollten.

Am 30. Juni 2021 nahm der Bundesrat Kenntnis vom Rechtsgutachten des BJ vom 28. Juni 2021. Dieses hielt fest, dass im vorliegenden Fall die Differenz zwischen dem besten und den folgenden Angeboten so gross ausgefallen war, dass kein Spielraum für den Einbezug aussenpolitischer Aspekte bleibt (vgl. Kap. 3.2.2). Der Bundesrat stellte fest, dass das Verfahren von Anfang an nach den Regeln des Beschaffungsrechts geführt wurde und nicht nach politischen Kriterien. Er sah deshalb keine Alternative zum Entscheid für das gemäss der technischen Evaluation beste Angebot.

Dass im Bundesrat diskutiert wurde, ob beim Typenentscheid auch aussenpolitische Aspekte berücksichtigt werden können, steht gemäss den angehörten Personen auch ganz klar im Zusammenhang mit dem Entscheid des Bundesrates vom 26. Mai 2021, die Verhandlungen mit der EU über ein Institutionelles Rahmenabkommen (InstA) abzubrechen. Dieser Entscheid, welcher zwischen der letzten Sitzung des SiA-spezial vom 17. Mai 2021 und dem Typenentscheid gefällt wurde, habe die aussenpolitische Ausgangslage massgeblich verändert. Insbesondere das EDA und das EFD stellten sich auf den Standpunkt, dass beim Typenentscheid in Anbetracht der neuen Situation mit der EU und aufgrund der klaren Angebote eines Herstellerlandes über substanzielle Zugeständnisse in für die Schweiz wichtigen Dossiers auch aussenpolitische Aspekte berücksichtigt werden sollten. Im Bundesrat wurde diese Ansicht offenbar nicht von allen geteilt (vgl. dazu Kap. 3.2.2).

Da die Protokolle des Bundesrates sehr oberflächlich gehalten sind, konnte die GPK-N die Diskussion im Bundesrat betreffend die Frage der Gleichwertigkeit der Angebote oder den Spielraum für politische Überlegungen letztlich aber nicht im Detail nachvollziehen.

5.3

Verhandlungen mit anderen Staaten und deren Koordination

Parallel zur Weiterverarbeitung des Evaluationsergebnisses im VBS und dessen Behandlung im SiA-spezial und im Bundesrat wurde geprüft, mit welchen der Herstellerstaaten am meisten Kooperationsmöglichkeiten bestehen würden und ob diese Staaten bereit wären, vor dem Typenentscheid verbindliche Zusagen bei aussenpolitischen Dossiers mit besonderer Relevanz für die Schweiz zu machen. Für diese «Sondierungen» war insbesondere das EDA zuständig. Gleichzeitig wurden im Frühling 2021 die Herstellerstaaten teilweise auch selbst aktiv und kontaktierten das EDA, die Botschaften oder auch Departemente, mit denen bereits seit längerem Verhandlungen bestanden. Die Beschaffung war ausserdem auch Thema bei hochrangigen Regierungskontakten des damaligen Bundespräsidenten. Gemäss den befragten Personen wurden dabei auch Dossiers «wiederbelebt», in welchen davor seit längerem kein Fortschritt mehr erzielt wurde.

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In Bezug auf diese Gespräche und Verhandlungen unterscheidet der Bundesrat zwei Phasen, in denen unterschiedliche Voraussetzungen galten: ­

In der Phase bis zum Vorliegen des Evaluationsergebnisses wurden Gespräche und Verhandlungen mit den Herstellerstaaten aktiv gesucht.

­

Nachdem das Ergebnis der Evaluation bekannt war, zeigte sich gemäss dem Bundesrat, dass wegen dem Resultat bzw. «dem deutlichen Abstand zwischen dem F-35A und dem nächstbesten Kandidaten kein Spielraum für politische Erwägungen besteht. Damit war klar, dass die Schweiz mit den für den Zuschlag nicht in Frage kommenden Staaten nicht mehr aktiv Gespräche über aussenpolitische Geschäfte führen sollte.»62.

Für den Bundesrat dauerte die erste Phase bis zum 17. Mai 2021, d. h. bis zur Information über das Ergebnis der Evaluation im SiA-spezial durch die Vorsteherin des VBS. Für die GPK-N ist diese Sichtweise zwar nicht nachvollziehbar (vgl. Kap. 5.6), sie übernimmt diese für die folgende Beschreibung aber vom Bundesrat.

Phase bis zum 17. Mai 2021 Die Vorsteherin des VBS informierte am 15. März 2021 im SiA-spezial über ihre geplanten Gespräche mit den Verteidigungsministerinnen und ­minister der Herstellerländer (F, D, USA). An derselben Sitzung präsentierte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen Dossiers, welche aus Sicht des EFD mit der Kampfjetbeschaffung verknüpft werden und der Schweiz neben politischen auch finanzielle Vorteile bringen könnten. In der Folge wurde eine erste Diskussion über mögliche Vereinbarungen mit den Herstellerländern geführt.

Zwischen dieser und der nächsten Sitzung des SiA-spezial fanden die Gespräche der Vorsteherin des VBS mit den Verteidigungsministerinnen von Frankreich und Deutschland sowie dem Verteidigungsminister des USA statt.63 Dabei wurde die Möglichkeit für eine (engere) bilaterale Zusammenarbeit im Bereich Militär- und Sicherheitspolitik, aber auch in anderen Bereichen besprochen. Die Departementsvorsteherin des VBS, der das Resultat der Evaluation zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, betonte gegenüber der GPK-N, dass sie ihren Ansprechpersonen aus den Herstellerländern in Zusammenhang mit Air2030 dabei immer deutlich gemacht hatte, dass politische Aspekte nur bei nahe beieinanderliegenden Angeboten berücksichtigt werden könnten. Im VBS hatte es, gemäss Aussage der Vorsteherin, dazu eine strikte Sprachregelung gegeben, an die sich im Kontakt zu den Herstellerländern alle hielten.

Parallel dazu führte das EDA nach der Sitzung vom 15. März 2021 seine vorerst internen Sondierungen fort. Im Hinblick auf die weiteren Beratungen im SiA-spezial vom 21. April 2021 identifizierte es für alle Departemente mögliche Dossiers mit einem aussenpolitischen Bezug und präsentierte diese an der erwähnten Sitzung. Die Vorsteherin des VBS informierte ihrerseits über ihre Gespräche mit den Herstellerländern, nicht aber über das Resultat der Evaluation, obwohl ihr dieses zu diesem

62 63

Brief des Bundesrates an die GPK-N vom 4. März 2022 (vertraulich, nicht veröffentlicht).

Gespräch mit Frankreich am 22. März 2021, mit den USA am 8. April 2021 und mit Deutschland am 15. April 2021.

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Zeitpunkt seit über einem Monat bekannt war. Das EDA wurde in der Folge beauftragt, im Hinblick auf den Gesamtbericht Air2030 eine aussenpolitische Analyse zu erstellen64 und instruierte dazu die Schweizer Vertretungen in Paris, Berlin und Washington.

Der Vorsteher des EDA und die Staatssekretärin des EDA gaben der GPK-N an, dass gegenüber den Herstellerstaaten stets deutlich gemacht wurde, dass (aussen-)politische Aspekte nur berücksichtigt werden können, wenn Angebote nahe beieinanderliegen. Dies konnte die GPK-N nicht überprüfen, da keine schriftlichen Instruktionen existieren und unklar ist, wie genau das EDA und insbesondere die Botschafter in den Herstellerländern kommuniziert haben. Der Vorsteher des EDA gab im Rahmen seiner Anhörung durch die Kommission aber an, dass das EDA bei seinen Abklärungen im März und April 2021 anders vorgegangen wäre, wenn es das Resultat der technischen Evaluation damals schon gekannt hätte.

Phase ab dem 17. Mai 2021 Am 17. Mai 2021 informierte die Vorsteherin des VBS im SiA-spezial über das Resultat der Evaluation. Gemäss der Vorsteherin des VBS war ab diesem Zeitpunkt für die anwesenden Personen klar, dass politische Gegengeschäfte nicht ausschlaggebend sein können und dass somit nicht weiterverhandelt werden sollte.65 Die angehörten Personen von Seiten EDA gaben an, dass das EDA und die zuständigen Botschaften die Sondierungen und Verhandlungen ab diesem Zeitpunkt «zurückgefahren» hätten.

Man habe auf Kontaktaufnahmen der Herstellerstaaten selbstverständlich noch reagiert, sei aber selber nicht mehr aktiv geworden. Eine komplette Einstellung der Verhandlungen sei aber nicht möglich gewesen, weil man das Resultat der Evaluation nicht kommunizieren durfte, da der Bundesrat den Typenentscheid noch nicht getroffen habe und um diesen nicht vorwegzunehmen.

Im Zusammenhang mit der Verknüpfung der NKF-Beschaffung mit anderen Dossiers war neben dem VBS und dem EDA aber auch noch das EFD aktiv. Der Vorsteher des EFD führte gegenüber der GPK-N aus, dass er im März 2021 von einem Herstellerland kontaktiert wurde. Dieses stellte ihm in einem Dossier, zu dem davor seit Jahren mehr oder weniger ergebnislos verhandelt wurde, Konzessionen und Fortschritte in Aussicht. Obwohl diese Bemühungen nicht direkt mit der NKF-Beschaffung in Verbindung gebracht wurden, sei der Bezug
implizit ganz klar gewesen. Dies zeige sich auch darin, dass das betreffende Land seit dem Typenentscheid kein Interesse an den im Frühling 2021 in Aussicht gestellten Verbesserungen mehr zeige. Der Vorsteher des EFD gab an, er habe den Bundesrat im März 2021 über das Angebot informiert.

Das EFD habe in der Folge bis im Juni 2021 weiter zu diesen Dossiers verhandelt.

Das EDA war gemäss eigenen Aussagen über diese Kontakte informiert, das EFD habe aber eigenständig verhandelt.

64

65

Dabei handelte es sich um einen Teil bzw. Kapitel mit aussenpolitischen Überlegungen für den Gesamtbericht Air2030 (dieser enthielt neben den Berichten der eigentlichen Evaluation NKF sowie BODLUV einen Einleitungsteil sowie einen Teil mit politischen Überlegungen).

Protokoll der Subkommission EDA/VBS der GPK-N vom 17. Februar 2022.

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Der Vorsteher des EFD wurde von der Vorsteherin des VBS am 10. Juni 2021 bilateral über das Ergebnis der Evaluation informiert. Er gab gegenüber der GPK-N an, ihm sei nach diesem Gespräch nicht klar gewesen, dass der Bundesrat bei seinem Entscheid keinen Spielraum habe. Der Typenentscheid sei Sache des Bundesrates gewesen und es müsse einer Regierung vorbehalten sein, bei ihren Entscheidungen politische Aspekte einzubeziehen.

Der Vorsteher des EFD wies ausserdem darauf hin, dass er von einem Herstellerland klare, aber nur mündliche Zusagen über ein Verhandlungsangebot hatte. Nachdem er an der Sitzung vom 18. Juni 2021 über dessen Angebot informiert habe, habe der Bundesrat ihn auf Drängen der Vorsteherin des VBS beauftragt, vom betreffenden Land eine schriftliche Zusicherung mit einem konkreten Angebot zu verlangen. Dieses kam dem Wunsch nach, das entsprechende Schreiben an das EFD datiert gemäss dem Vorsteher des EFD vom 28. Juni 2021.66 Aus dem oben beschriebenen Sachverhalt wird damit deutlich, dass die Schweiz (bzw.

das EFD) auch nach Vorliegen des Evaluationsergebnisses bzw. bis kurz vor dem Typenentscheid mit anderen Staaten über mögliche Gegengeschäfte verhandelte. Dass dem so war, führte sowohl der Vorsteher des EFD als auch der Vorsteher des EDA darauf zurück, dass dem Bundesrat nicht klar war, welchen Entscheidungsspielraum er hatte. Diese Frage sei erst durch das Gutachten des BJ, das für die Sitzung vom 30. Juni 2021 vorlag, geklärt worden (vgl. dazu Kap. 3.2.2).

5.4

Öffentliche Kommunikation zum Typenentscheid und den Beschaffungskosten

Nach dem Typenentscheid des Bundesrates vom 30. Juni 2021 informierte das VBS gleichentags Medien und Öffentlichkeit darüber. Dabei wurde festgehalten, dass der F-35A nicht nur den höchsten Nutzen für die Schweiz bringe, sondern «auch bei den Kosten mit Abstand das beste Resultat erzielt» habe, sowohl bezüglich der Beschaffungs- als auch der Betriebskosten. Die Beschaffungskosten «belaufen sich zum Zeitpunkt der Angebote im Februar 2021 auf 5,068 Milliarden Franken». Diese lägen auch dann innerhalb der Vorgaben des Planungsbeschlusses, wenn die Teuerung bis zum Zahlungszeitpunkt hinzugerechnet werde.67 Dieser Befund sei durch eine externe Kanzlei in einer Plausibilitätsprüfung bestätigt worden.68 Der Preis inkl. der berechneten Teuerung wurde nicht genannt.

66 67 68

Die zuständige Subkommission nahm keinen Einblick in dieses Schreiben.

Air2030: Bundesrat beschliesst Beschaffung von 36 Kampfflugzeugen des Typs F-35A, Medienmitteilung des VBS vom 30. Juni 2021.

In einer Aktennotiz des VBS vom 10. Juni 2021, welche sich auf die Befunde dieser Kanzlei stützt, ist allerdings festgehalten, dass «hochgerechnet auf den Zahlungszeitpunkt mit den von den Anbietern geschätzten Teuerungssätzen und von der EFV geschätzten Wechselkursannahmen [...] allerdings nicht mehr alle Angebote im (ebenfalls auf den Zahlungszeitpunkt hochgerechneten) Finanzrahmen [liegen]». Es wird allerdings nicht erwähnt, um welche Angebote es sich dabei handelt.

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In der Folge wurden in Politik und Medien verschiedene Fragen zu den Kosten und zur Verbindlichkeit der Offertpreise aufgeworfen. Das VBS und Armasuisse reagierten mit verschiedenen «Richtig- und Klarstellungen»69, welche in einem Fall sogar mittels Medienmitteilung verbreitet wurden.70 Die Vorsteherin des VBS hielt bei ihrer Anhörung fest, man habe, um die Angebote vergleichen zu können, als Stichtag für die Berechnung den 21. Februar 2021 gewählt, weil dann die Offerten eingegangen waren. Dass die Teuerung in diesem Betrag nicht enthalten sei, sei klar kommuniziert worden. Dies sei auch bei den anderen evaluierten Kampfflugzeugen der Fall gewesen, auch dort hätte die Teuerung noch dazu gerechnet werden müssen. Anders gesagt: Es sei nicht so, dass bei einem Anbieter die Teuerung enthalten war und beim anderen nicht.

Die Vorsteherin des VBS führte weiter aus, dass die Teuerung erst berechnet worden sei, nachdem die Verhandlungen mit den USA finalisiert und die Teuerung im verbindlichen Preis festgehalten worden war. Das VBS habe von den USA ein verbindliches Preisangebot für zehn Jahre, in dem die Teuerung enthalten ist. Erst ab dem elften Jahr käme eine Teuerung hinzu, es sei aber zum jetzigen Zeitpunkt schwierig zu prognostizieren, wie hoch diese sein wird. Der Generalsekretär des VBS gab an, dass die Teuerung für den Verpflichtungskredit eingerechnet worden sei, denn diesen wolle man inklusive Teuerung beantragen.

Zur Frage der Verbindlichkeit der Offerten betonte das VBS gegenüber der Kommission wie gegenüber der Öffentlichkeit mehrmals, dass die vereinbarten Preise «fix», d. h. verbindlich, seien.71 Die Kommission hat Fragen zu dieser Thematik nicht weiter behandelt, da diese im Rahmen der Untersuchung der EFK zu den finanziellen Risiken von Air203072 geprüft wurden. Die Resultate dieser Untersuchung und die finanziellen Aspekte der Beschaffung fallen in den Verantwortungsbereich der parlamentarischen Oberaufsicht über den Finanzhaushalt. Die GPK-N hat diesbezügliche Fragen daher nicht behandelt und geht davon aus, dass diese von der FinDel und den Finanzkommissionen geklärt werden.

5.5

Closing Meetings und vermeintliche Aktenvernichtung

Armasuisse lud die unterlegenen Anbieter nach der Verkündung des Typenentscheids des Bundesrates zu einem Abschlussgespräch ein, dem sogenannten «closing meeting». An diesen Gesprächen wollte sich Armasuisse gemäss Traktandenliste für die Teilnahme und konstruktive Zusammenarbeit während des Verfahrens bedanken, das Feedback der Anbieter zum Evaluationsprozess einholen und allfällige Fragen dazu

69 70 71

72

www.vbs.admin.ch > Aktuell > Richtig- und Klarstellungen (Stand: 31. Januar 2022).

Air2030: Verbindlichkeit der Offerte für den F-35A als neues Kampfflugzeug, Medienmitteilung des VBS vom 11. Juli 2021.

In einer Medienmitteilung der US-Botschaft in der Schweiz vom 2.6.2022 ist ebenfalls die Rede von «fixed price contracts» https://ch.usembassy.gov/press-release-americasmost-advanced-multi-role-fighter/ Stand: 3.6.2022).

Vgl. Fussnote 46.

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klären sowie die weitere Handhabung der im Rahmen des Evaluationsverfahrens eingereichten Unterlagen diskutieren. Armasuisse hielt gegenüber der Kommission fest, das Angebot für ein «closing meeting» gehöre zum üblichen Vorgehen beim Abschluss eines Evaluationsverfahrens, das Angebot werde aber nicht immer von allen Anbietern in Anspruch genommen. Im Rahmen dieser Gespräche würden üblicherweise Informationen über das Abschneiden des jeweiligen Angebots in der Evaluation gegeben, jedoch keine Vergleichsresultate besprochen.

An den «closing meetings» zur NKF-Beschaffung nahmen seitens Schweiz jeweils der Programmleiter Air2030, der Projektleiter und der stellvertretende Projektleiter NKF teil (Armasuisse), es gab keine Beteiligung des GS VBS oder einer Vertretung des EDA. Die Delegationen der unterlegenen Anbieter bestand aus Unternehmensvertretern, Programmbeauftragten des jeweiligen Herkunftslandes und in gewissen Fällen auch aus einer Vertretung des jeweiligen Verteidigungsministeriums oder der Botschaft (Verteidigungsattaché).

Einzelne der unterlegenen Anbieter stellten im Rahmen der Treffen zahlreiche Detailfragen, welche von Armasuisse mit Verweis auf Geheimhaltungsverpflichtungen nicht beantwortetet wurden. Dies führte bei zwei der Anbieter zu Irritationen und Kritik. Der Kommission lagen schriftliche Stellungnahmen einzelner unterlegener Anbieter zum Protokoll der «closing meetings» vor.73 Darin wird u. a. aufgeführt, dass Armasuisse auf Fragen, welche die Anbieter gestellt hatten, keine oder zumindest keine detaillierten Antworten lieferte, weder auf Fragen zu den Resultaten des Evaluationsverfahrens noch zum Verfahren selbst. Auf Einzelheiten des Typenentscheids sei ebenfalls nicht eingegangen worden, weder in Bezug auf den Preis noch auf die erzielten Punkte in der Kosten-Nutzen-Analyse.

Aus Gesprächsnotizen der unterlegenen Anbieter zu den «closing meetings» geht auch hervor, dass die von Armasuisse aufgeworfene Frage zum Umgang mit den Offertunterlagen und Daten der Anbieter zumindest bei einem der unterlegenen Anbieter zu Unklarheiten führte, ein anderer Anbieter verwies zu dieser Frage auf die bestehenden Abkommen. Der Rüstungschef hielt dazu fest, dass Armasuisse die Frage nicht aufgrund eigener Unklarheiten gestellt habe, man habe lediglich frühzeitig klären wollen, ob die Unterlagen
zu gegebener Zeit vernichtet oder zurückgegeben werden sollten.

Im Herbst 2021 berichteten dann aber verschiedene Medien, dass Armasuisse Unterlagen aus dem Evaluationsverfahren frühzeitig vernichten oder zurückgeben will und dazu auf die unterlegenen Anbieter zugegangen sei. Das VBS dementierte die Medienberichte auf seiner Internetseite74 und betonte, dass die militärisch klassifizierten Daten nicht vor der Vertragsunterzeichnung für die Beschaffung des F-35A, d. h. erst nach Abschluss der parlamentarischen Beratung und nach einer möglichen Volksabstimmung, zurückgegeben werden. Dieselbe Zusicherung machte der Bundesrat auch in einem Schreiben an die GPK-N.

73 74

Die Abklärungen der GPK-N zeigten, dass es keine von beiden Seiten unterzeichneten Protokolle dieser «closing meetings» gibt.

vgl. Richtig- und Klarstellungen des VBS, https://www.vbs.admin.ch/de/aktuell/richtigstellungen.html#evaluation-daten-210925 (Zugriff am 4. Oktober 2021).

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Der Bundesrat hielt weiter fest, dass der Austausch von klassifizierten Informationen mit anderen Staaten in internationalen Verträgen, den sogenannten Informationsschutzabkommen, geregelt ist. Die mit den Herstellerländern der unterlegenen Anbieter abgeschlossenen Informationsschutzabkommen75 schreiben vor, dass die militärisch klassifizierten Unterlagen nur für den vorbestimmten Zweck verwendet werden dürfen ­ d. h. im vorliegenden Fall für die Evaluation und Beschaffung neuer Kampfflugzeuge. Die Daten verbleiben im Eigentum der herausgebenden Staaten. Deshalb sei die Schweiz verpflichtet, diese Daten und Dokumente in Absprache mit den Herstellerländern den unterlegenen Kandidaten zurückzugeben oder zu vernichten76. Der Bundesrat bestritt zudem, «dass Armasuisse auf die unterlegenen Anbieter zugegangen sei, um die Vernichtung der Akten vorzubereiten». Richtig sei aber, dass Armasuisse den Umgang mit den militärisch klassifizierten Daten in den Abschlussgesprächen mit den unterlegenen Kandidaten angesprochen habe, um so frühzeitig und einvernehmlich das weitere Vorgehen festzulegen. Gleichzeitig wurde auch festgehalten, dies ist auch aus den Protokollen zu den «closing meetings» ersichtlich, dass Armasuisse die erhaltenen klassifizierten Daten mindestens bis zur Unterzeichnung des Beschaffungsvertrages für die F-35A behalten wird.

5.6

Bewertung der GPK-N

Zu später Einbezug des Bundesrates und zu späte Abklärungen zum Handlungsspielraum Das VBS und der Bundesrat stellten sich gegenüber der GPK-N auf den Standpunkt, die erste Phase der Evaluation (die technische Phase) sei erst am 17. Mai 2021 mit der Information über die Resultate im SiA-spezial abgeschlossen worden, danach habe die zweite (politische) Phase begonnen, welche mit der Typenwahl abgeschlossen wurde. Nach der Information und der Diskussion im SiA-spezial sei klar gewesen, dass es keinen Spielraum für politische Überlegungen bei der Typenwahl gebe.

Die GPK-N beurteilt diese Sachlage anders: Erstens begann ihrer Ansicht nach die politische Phase bereits Mitte März, als die Vorsteherin des VBS über die Ergebnisse informiert wurde. Ab diesem Zeitpunkt lag die Verantwortung für die weiteren Verfahrensschritte bei der Vorsteherin des VBS. Zweitens zeigen die Abklärungen der Kommission, dass auch nach der Information im SiA-spezial vom 17. Mai 2021 nicht klar war, dass aussenpolitische Überlegungen bei der Typenwahl keine Rolle spielen können, zumal die Mitglieder des Bundesrates, welche im SiA-spezial nicht vertreten waren (darunter der damalige Bundespräsident bzw. Vorstehers des WBF sowie der Vorsteher des EFD) ja erst einige Wochen später über das Evaluationsresultat informiert wurden.

75

76

Die massgeblichen Informationsschutzabkommen mit den USA (1961 und 1981), Frankreich (2006) und Deutschland (1996) regeln, welche Dokumente als «klassifizierte Informationen» zu behandeln sind.

Brief des Bundesrates an die GPK-N vom 3. November 2021.

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Auf die beiden erwähnten Elemente ­ die späte Information des Bundesrates und die Unklarheiten in Bezug auf dessen Handlungsspielraum ­ wird nachfolgend vertieft eingegangen.

Die GPK-N kann nicht nachvollziehen, weshalb die Vorsteherin des VBS bis Mitte Mai wartete, bis sie im SiA-spezial über das Resultat der Evaluation informierte, und anschliessend nochmals drei Wochen zuwartete, bis sie auch die anderen Mitglieder des Bundesrates darüber in Kenntnis setzte. Sie selber gab gegenüber der GPK an, dass das Resultat der Evaluation erst mit dem definitiven Evaluationsbericht vorlag.

Diese Argumentation ist für die GPK-N nicht überzeugend, denn erstens lag der definitive Bericht erst Anfang Juni vor (und damit nach der Information im SiA-spezial vom 17. Mai 2021 über das Evaluationsresultat) und zweitens bestätigte das VBS gegenüber der GPK-N selbst, dass der Bericht nach der ersten Präsentation im März 2021 nur noch redaktionell überarbeitet wurde.

Für die Kommission ist besonders unverständlich, dass die Vorsteherin des VBS nicht bereits am 21. April 2021 im SiA-spezial auf die deutlichen Evaluationsresultate und die fehlende Gleichwertigkeit der Angebote hinwies. An dieser Sitzung diskutierte der SiA-spezial wie schon an der Sitzung vom 15. März 2021 erneut über mögliche Gegengeschäfte und es war bekannt, dass die Schweizer Botschaften in den Herstellerländern mit Sondierungen für Gegengeschäfte beauftragt würden und dass auch das EFD diesbezüglich aktiv war. Da die Vorsteherin des VBS nicht über die fehlende Gleichwertigkeit informierte, wurden diese Verhandlungen mit unverminderter Intensität weitergeführt, wodurch nicht nur ein unnötiger Aufwand generiert wurde, sondern auch unrealistische Erwartungen seitens der Herstellerländern geweckt wurden.

Wie erwähnt bleibt für die GPK-N unklar, wie sicher sich das VBS selber betreffend das Nichtvorhandensein eines aussenpolitischen Spielraums war. Es bleibt offen, ob die Mandatierung von Homburger erfolgte, weil das VBS selbst offene Fragen zum Evaluationsverfahren hatte oder ob das Drittgutachten dazu dienen sollte, dem gefestigten Standpunkt des VBS im späteren Verfahren (Bundesratsentscheid, Veröffentlichung, parlamentarische Beratung) zusätzliche Legitimation zu verschaffen. Die GPK-N kann allerdings nicht nachvollziehen, weshalb dieser Auftrag
erst Ende April (und damit mehr als einen Monat nach der Präsentation der Evaluationsergebnisse durch Armasuisse) erteilt wurde. Für die GPK-N ist auch unverständlich, weshalb das VBS im SiA-spezial nicht über seine rechtlichen Abklärungen informierte, zumal mit der Vorsteherin des EJPD auch die oberste Chefin des BJ in diesem Gremium vertreten war. Die Kommission kommt vor diesem Hintergrund zum Schluss, dass wichtige Fragen zum Handlungsspielraum des Bundesrates bei der Typenwahl viel zu spät geklärt wurden.

Unabhängig davon erkennt die GPK-N in der Vorbehandlung des Typenentscheids im SiA-spezial keinen Mehrwert, im Gegenteil. Es ist offensichtlich, dass der SiAspezial erst spät durch das VBS informiert wurde, die Vorberatung in diesem Gremium hat die Behandlung im Bundesrat aber wohl noch weiter verzögert. Im Hinblick auf die Klärung von zentralen Fragen ­ insbesondere zur Frage der Verbindlichkeit des Evaluationsergebnisses bzw. zur Frage, inwiefern der Bundesrat beim Typenentscheid auch aussenpolitische Überlegungen berücksichtigen kann ­ hat der SiA-spezial zudem aus Sicht der Kommission keinen Mehrwert geliefert. Dieser wurde vom

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VBS eher als Informationsgremium genutzt, denn als wirklich vorberatendes Gremium.77 Insgesamt entstand in der GPK-N der Eindruck, dass die technische Evaluation durch Armasuisse umsichtig und detailliert geplant wurde, nicht aber die Weiterverarbeitung des Evaluationsergebnisses auf Stufe Departement und Bundesrat. Dies erstaunt, ist doch die NKF-Beschaffung eines der bedeutendsten Geschäfte nicht nur des VBS, sondern auch des Bundesrates der letzten Jahre. Hinzu kommt, dass der Flugzeugersatz politisch sehr umstritten ist, was der gescheiterte Tiger-Teilersatz und die nur knapp gewonnene Abstimmung zum Planungsbeschluss gezeigt haben. Das VBS hätte deshalb aus Sicht der GPK-N grossen Wert darauf legen müssen, dass auch die politische Phase gut geplant gewesen wäre und die rechtlichen Rahmenbedingungen von Anfang klar gewesen wären.

Vor dem Hintergrund der wiederholten Indiskretionen aus dem Umfeld der Bundesratssitzung ist grundsätzlich nachvollziehbar, dass das Departement den Kreis der Informierten so lange wie möglich klein halten wollte. Dies sollte aus Sicht der Kommission aber dazu führen, dass rechtliche Fragen zum Evaluationsverfahren und zum Handlungsspielraum des Bundesrates frühzeitig geklärt werden (nicht erst einige Wochen nach dem Vorliegen des Resultats der technischen Evaluation), so dass das Evaluationsresultat rasch dem Bundesrat zu Kenntnis gebracht werden kann und dieser die nötigen Entscheide rechtskonform treffen kann. Die GPK-N hat daher kein Verständnis dafür, dass es nach dem Vorliegen der klaren Evaluationsresultate noch fast zwei Monate dauerte, bis das Geschäft im SiA-spezial behandelt wurde bzw. dass es über drei Monate dauerte, bis das VBS das Geschäft erstmals in den Bundesrat brachte. Falls für das VBS tatsächlich klar war, dass der Bundesrat beim Typenentscheid keinen Handlungsspielraum hat, hätte es dafür sorgen müssen, dass er schnell entscheiden kann.

Das lange Zuwarten des VBS war auch im Hinblick der Gespräche und Verhandlungen über Gegengeschäfte mit den Herstellerländern problematisch. Sobald klar war, dass nur ein Kampfflugzeug in Frage kommt, hätte das VBS auch angesichts dieser Verhandlungen dafür sorgen müssen, dass der Bundesrat rasch entscheidet. Es kann nicht sein, dass Verhandlungspartner im Ungewissen gelassen werden bzw. mit diesen weiterverhandelt
wird, obwohl klar ist, dass kein Verhandlungsspielraum besteht.

Aufgrund der späten Information des VBS führten das EDA und insbesondere das EFD ihre Gespräche, welche implizit klar mit der NKF-Beschaffung in Verbindung gebracht wurden, aber weiter. Von einem der Herstellerländer wurden gar kurz vor dem Typenentscheid noch schriftliche Zusicherungen verlangt, was dazu führte, dass dieses nach dem Typenentscheid nachvollziehbarerweise ziemlich harsch reagierte.

Hinzu kommt, dass die Verhandlungen aus Sicht der Kommission zu wenig koordiniert waren. Die Kommission sieht dabei verschiedene Versäumnisse: Einerseits beim

77

Für die GPK-N stellt sich die grundsätzlich die Frage, ob die Vorberatung einer Beschaffung wirklich zu den Aufgaben des SiA gehört bzw. ein SiA-spezial dafür geschaffen werden sollte. Bei einer Vorbefassung eines bundesrätlichen Ausschusses mit diesem Geschäft wäre aus Sicht der GPK-N eher die Teilnahme des EFD, welches zu wichtigen Dossiers intensive Kontakte mit den Herstellerländern hatte, als diejenige des EJPD vorzusehen gewesen.

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EFD, beim EDA und beim damaligen Bundespräsidenten, welche das VBS nicht genügend über die laufenden Verhandlungen (EFD und EDA) bzw. ihre Regierungskontakte (Bundespräsident) und deren Verknüpfung zur Kampfflugzeug-Beschaffung ins Bild setzten; anderseits aber auch beim VBS, welches weder eine Sprachregelung für diese Verhandlungen vorgab, noch zeitgerecht und klar im Bundesrat über die Ergebnisse der Evaluation informierte.

Die GPK-N erwartet daher, dass künftig bei ähnlich wichtigen Rüstungsbeschaffungen der Prozess so ausgestaltet wird, dass der Bundesrat so rasch wie möglich über die nötigen Informationen verfügt, die es ihm erlauben, einen fundierten Beschluss zu fällen. Dazu gehört, dass er zeitnah über wichtige Entwicklungen im Dossier informiert wird und rechtliche Fragen zu seinem Handlungsspielraum frühzeitig geklärt sind (vgl. Empfehlung 1).

Bei bedeutenden Rüstungsgeschäften, bei denen auch aussenpolitische Aspekte einbezogen werden können, sollte aus Sicht der GPK-N zudem frühzeitig eine klare Verhandlungsstrategie festgelegt werden. Dazu gehört auch eine Klärung der Zuständigkeiten sowie Vorgaben zur gegenseitigen Information und zur Kommunikation gegen aussen («Sprachregelungen»).

Empfehlung 3:

Einbezug von aussenpolitischen Aspekten frühzeitig klären und regeln

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, bei grossen Rüstungsgeschäften frühzeitig zu prüfen, inwiefern bei diesen aussenpolitische Aspekte einbezogen werden sollen und sodann die Ziele, Inhalte und Zuständigkeiten für die Verhandlungen mit anderen Staaten klar zu regeln.

Empfehlung 4:

Verbesserung der Koordination und Kommunikation

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, bei bedeutenden Rüstungsgeschäften künftig klarer zu regeln, wie die Koordination und gegenseitige Information im Bundesrat sowie die Verhandlungen und die Kommunikation mit den Vertretungen der beteiligten Länder erfolgen soll.

Fragwürdiges Mandat an Homburger Aus Sicht der GPK-N stellen sich im Zusammenhang mit dem Beizug der Anwaltskanzlei Homburger verschiedene Fragen, die durch die Kommission teilweise nicht geklärt werden konnten. Insbesondere bleibt unklar, weshalb genau die Vorsteherin des VBS die Überprüfung anordnete, obwohl eine solche im Prozess nicht vorgesehen war und auch keine Hinweise auf Mängel bestanden. Die Vorsteherin des VBS begründete das Mandat damit, dass man eine «unabhängige Überprüfung» wollte, gab jedoch gleichzeitig an, dass solche Aufträge oft als «Parteigutachten» und damit als nicht unabhängig wahrgenommen werden (weshalb dann das BJ mit einer Überprüfung der Überprüfung beauftragt wurde).

Ebenso ist fraglich, ob die freihändige Vergabe des finanziell doch sehr umfangreichen Auftrags tatsächlich mit Sicherheitsinteressen begründet werden kann, zumal die

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Homburger AG ja gemäss VBS keinen Zugang zu militärisch klassifizierten Daten hatte.

Für die GPK-N ist die externe Überprüfung letztlich weder nachvollziehbar noch zweckmässig. Die Kommission ist dezidiert der Ansicht, dass solche Überprüfungen, wenn schon, von Anfang an geplant sein müssen. Ebenso stellt sie fest, dass ein wesentlicher Teil der Fragen, welche durch Homburger geklärt wurden, zuerst durch den Rechtsdienst des Departementes zu klären gewesen wäre und danach gegebenenfalls durch nicht dem Departement angehörenden Stellen der Bundesverwaltung ­ insbesondere das BJ oder das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) ­ überprüft hätten werden können. Die Abklärungen der GPK-N haben überdies klar gezeigt, dass der Bundesrat vor allem dem Gutachten des BJ grosses Gewicht beigemessen hatte (und nicht dem der Anwaltskanzlei).

Zuletzt ist für die GPK-N im Zusammenhang mit dem Beizug von Homburger auch nicht nachvollziehbar, weshalb das VBS nur eine sehr allgemeine «PlausibilisierungsBestätigung» veröffentlichte, nicht aber die beiden anderen, vertiefteren Gutachten.

Eine solche Veröffentlichung hätte nicht nur die Nachvollziehbarkeit gewisser Entscheide erhöht, sondern auch die Transparenz.

Kommunikation des Typenentscheids gegenüber der Öffentlichkeit und den Anbietern verbesserungswürdig Die GPK-N ist der Ansicht, dass die Kommunikation des Typenentscheids gegenüber der Öffentlichkeit und vor allem gegenüber den Anbietern nicht ideal war.

Sie stellt fest, dass nach der öffentlichen Kommunikation des Typenentscheids zahlreiche Fragen zu den Beschaffungskosten aufkamen. Diesen wurden zwar soweit möglich über «Richtig- und Klarstellungen» begegnet, diese werden naturgemäss aber weniger beachtet als die ursprüngliche Information und es verbleiben Unsicherheiten.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass eine transparentere Kommunikation und klare Aussagen zu den Beschaffungskosten inkl. Teuerung geholfen hätte, gewisse Missverständnisse zu vermeiden.

Kritischer als die Kommunikation des Typenentscheids gegen aussen beurteilt die GPK-N aber die Kommunikation gegenüber den unterlegenen Anbietern im Rahmen der «closing meetings». Wie Armasuisse gegenüber der GPK-N darlegte, sind diese nicht obligatorisch, sondern ein bei Armasuisse übliches Angebot. Man könne damit Fragen zum Verfahren bzw. Vorgehen,
nicht aber zur Bewertung oder zum Abschneiden der einzelnen Anbieter beantworten. Die Protokolle der Gespräche zeigen aber, dass die Anbieter auf genau solche Antworten hofften und daher nach den «closing meetings» teilweise enttäuscht, wenn nicht sogar verärgert waren.

Für die GPK-N stellt sich daher die Frage, ob dieses Vorgehen bzw. diese Abschlussgespräche bei einem so grossen Beschaffungsvolumen und den damit verbundenen aussenpolitischen Dimensionen sinnvoll sind oder ob sie bei den Anbietern nicht eher falsche Erwartungen wecken. Denn Armasuisse stellt sich einerseits auf den Standpunkt, diese Gespräche seien «technischer Natur» (und daher seien keine Vertreter des VBS und des EDA anwesend), andererseits dürfen aber gerade technische Details und Bewertungen aufgrund von Informationsschutzabkommen nicht kommuniziert werden. Auffallend ist auch, dass von Seiten der Herstellerländer teilweise nicht nur 47 / 55

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Unternehmensvertreter, sondern Vertreter von Ministerien und Botschaften anwesend waren, während auf Schweizer Seite «nur» die drei hauptverantwortlichen Personen von Armasuisse teilnahmen. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Verhandlungen in anderen Dossiers und den Einschätzungen des EDA zur Aufnahme der Resultate in den vier Ländern hätte es die Kommission für angezeigt gehalten, wenn das EDA die Vermittlung des Typenentscheids an die unterlegenen Herstellerländer diplomatisch begleitet hätte, entweder schon vor den «closing meetings» oder in dem eine geeignete Vertretung (je nach Teilnahmekreis des Herstellerlandes) an diesen teilnimmt.

Empfehlung 5:

Kommunikation verbessern

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, zu prüfen, wie bei der Kommunikation von grossen Beschaffungsentscheiden mit aussenpolitischem Bezug das EDA einbezogen werden sollte. Zudem fordert sie den Bundesrat auf, in diesem Rahmen auch die Praxis der «closing meetings» kritisch zu hinterfragen.

Im Rahmen der «closing meetings» sollte jeweils auch die Frage nach dem weiteren Umgang mit den Unterlagen der Anbieter geklärt werden. Die GPK-N ist der Ansicht, dass dies weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Rahmen zur Klärung dieser Frage war. Denn die Frage sorgte nicht nur bei einzelnen Herstellerländern für Unsicherheiten, sondern auch für Fragen und Missverständnisse in der Schweiz Der Bundesrat und Armasuisse legten gegenüber der Kommission dar, dass es nie die Absicht war, Unterlagen vor dem Abschluss der parlamentarischen Beratung und der Vertragsunterzeichnung zurückzugeben oder zu vernichten. Der Rüstungschef hielt zudem fest, dass seitens Armasuisse keine Unklarheiten betreffend den Umgang mit den Unterlagen der Anbieter bestanden haben. Die GPK-N stellte fest, dass die Informationsschutzabkommen mit den Herstellerländern die Frage, welche Unterlagen jeweils zurückgegeben (oder vernichtet werden) müssen, abschliessend regeln.

Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der GPK-N nicht zweckmässig, die Frage zum Umgang mit den Akten im Rahmen der «closing meetings» zu diskutieren. Denn für die GPK-N ist fraglich, ob die Vertreter der Hersteller die richtigen Ansprechpersonen für die Frage nach dem Umgang mit den militärisch klassifizierten Akten waren oder ob diese Frage nicht auf Regierungsstufe besprochen werden sollte, falls Unsicherheiten bestehen. Weiter scheint auch der Zeitpunkt nicht ideal, kurz nach dem Typenentscheid, aber noch vor der Vertragsunterzeichnung. Es wäre daher wohl prüfenswert, ob die Frage zum Umgang mit den klassifizierten Akten und Daten nicht bereits im Rahmen der Offertanfrage aufgeworfen und beantwortet werden könnte.

6

Zusammenfassende Bewertung

Die vorliegende Untersuchung der GPK-N prüfte ausgewählte Aspekte des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug. Dabei sollte geklärt werden, ob die in der Politik und den Medien vorgebrachte Kritik am Evaluationsverfahren begründet ist und ob es grundsätzlich rechtmässig, zweckmässig und transparent war. Im folgenden

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Kapitel werden die Erkenntnisse im Hinblick auf diese drei Hauptfragen zusammengefasst.

6.1

Rechtmässigkeit

Die GPK-N ist der Ansicht, dass das Evaluationsverfahren für das neue Kampfflugzeug rechtmässig ablief. Sie fand im Laufe ihrer Abklärungen keine Hinweise darauf, dass beschaffungsrechtliche Vorgaben oder verfassungsmässige Grundsätze verletzt wurden. Auch die nachfolgenden Verfahrensschritte bis hin zum Typenentscheid durch den Bundesrat werden durch die GPK-N als rechtmässig beurteilt. Die Kommission begrüsst insbesondere, dass sich der Bundesrat bei seinem Typenentscheid auf das Evaluationsergebnis stützte, nachdem das BJ diesbezüglich keinen rechtlichen Handlungsspielraum des Bundesrates feststellte (vgl. unten, Kap. 6.2).

Bezüglich der mutmasslichen Aktenvernichtung wurde der GPK-N durch den Bundesrat bestätigt, dass bis zum Abschluss der politischen Beratung keine Daten vernichtet werden. Insofern kann die Kommission auch hier keine Rechtsverletzung feststellen.

6.2

Zweckmässigkeit

Bei der Beurteilung der Zweckmässigkeit sind die folgenden Aspekte zu unterscheiden: Während die GPK-N die technische Evaluation als grundsätzlich zweckmässig beurteilt, stuft sie die weitere Behandlung der Evaluationsergebnisse durch das VBS und auf Stufe Bundesrat als nicht angemessen ein. Der Hauptkritikpunkt in Bezug auf die Zweckmässigkeit betrifft aber die Rahmenbedingungen der Beschaffung, welche der Bundesrat selber definierte und mit denen er seinen Handlungsspielraum unnötigerweise einschränkte. Im Folgenden werden diese drei Elemente kurz erläutert.

Zweckmässigkeit der technischen Evaluation Die technische Evaluation durch Armasuisse war aus Sicht der GPK-N grundsätzlich zweckmässig. Das Verfahren war genau geplant und, soweit für die Kommission ersichtlich, auch geeignet und damit angemessen. Die angehörten Vertreter von Armasuisse und Luftwaffe bzw. des Projektteams NKF konnten die Auswahl der Methode, das Vorgehen und die Verfahrensschritte nachvollziehbar begründen. Die Fragen der Kommission zu den Kritikpunkten, die in der Politik und in den Medien aufgeworfen wurden, wurden geklärt und es ergaben sich daraus keine Hinweise auf Mängel im Verfahren. Ungeachtet dessen erachtet die Kommission die erstmalige Anwendung der Methode bei einem so bedeutenden Rüstungsgeschäft als risikobehaftet.

Die GPK-N kann im Übrigen nicht beurteilen, ob die Gewichtung der Kriterien durch das Projektteam zweckmässig war.

Als nicht angemessen beurteilt die Kommission die von Armasuisse mit den Herstellerländern durchgeführten «closing meetings» und den Sachverhalt, dass das Projektteam die rechtliche Zulässigkeit der Evaluationsmethodik selbst und ohne Beizug von 49 / 55

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Rechtsexperten abklärte. Ausserdem ist die GPK-N der Ansicht, dass geprüft werden sollte, wie bei Rüstungsbeschaffungen auch Referenzen und Erfahrungen anderer Länder mit den evaluierten Gütern einbezogen werden könnten.

Zweckmässigkeit der weiteren Behandlung der Evaluationsergebnisse durch das VBS und auf Stufe Bundesrat Im Unterschied zur technischen Evaluation durch Armasuisse beurteilt die GPK-N die weitere Behandlung der Evaluationsergebnisse durch das VBS kritischer bzw. als nicht zweckmässig. Für die Kommission ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Vorsteherin des VBS mit der Information des Bundesrates über das Evaluationsergebnis mehr als drei Monate zuwartete. Dies führte dazu, dass zentrale Fragen zum Handlungsspielraum des Bundesrates erst spät «entdeckt» und geklärt wurden (vgl. unten).

Vor allem aber nahm das VBS ­ und ab Mitte Mai dann auch das EDA ­ in Kauf, dass Verhandlungen mit Herstellerländern für Lösungen in anderen Dossiers geführt wurden, welche aussenpolitisch mit dem Typenentscheid verknüpft waren, obwohl aufgrund des Evaluationsergebnisses gar kein Verhandlungsspielraum bestand.

Die Kommission erhielt im Rahmen ihrer Abklärungen vom VBS keine schlüssigen Erklärungen für die späte Information des Bundesrates. Zudem ist für die Kommission zumindest fraglich, ob das EDA seine Koordinationsfunktion im Hinblick auf die Verhandlungen zu möglichen politischen Gegengeschäften angemessen wahrgenommen hat. Dem Vorsteher und der Staatssekretärin des EDA war das Evaluationsergebnis ab Mitte Mai 2021 bekannt und sie waren informiert, dass das EFD mit einem Herstellerland Verhandlungen führte. Dennoch ist nicht ersichtlich, dass das EDA seiner Koordinationsfunktion in diesem Fall nachkam.78 Im Zusammenhang mit der Mandatierung der Anwaltskanzlei Homburger durch das VBS kommt die GPK-N überdies zum Schluss, dass es nicht angemessen ist, dass zentrale Fragen zu öffentlichen Beschaffungen und zum rechtlichen Handlungsspielraum der Behörden extern geklärt werden müssen. Sie ist der Ansicht, dass es innerhalb der Bundesverwaltung verschiedene Stellen gibt, welche über das juristische Knowhow, die Ressourcen und die nötige Unabhängigkeit für die Klärung solcher Fragen verfügen, insbesondere das BJ und das BBL.

Zweckmässigkeit der Rahmenbedingungen und Vorgaben für die Beschaffung Als
Hauptproblem im ganzen Beschaffungsverfahren identifizierte die GPK-N die frühzeitige und aus ihrer Sicht unnötige Einschränkung des Handlungsspielraums des Bundesrates. Aufgrund der von ihm definierten Rahmenbedingungen und Kriterien wurde der eigentlich grosse Handlungsspielraum, den die beschaffungsrechtlichen Vorgaben dem Bundesrat bei Rüstungsbeschaffungen gewähren, wesentlich verkleinert. Der Bundesrat beraubte sich dadurch von Anfang an und ohne diesbezügliche Diskussion der Möglichkeit, am Schluss ein Kampfflugzeug auszuwählen, das die 78

Das EDA hielt im Rahmen der Verwaltungskonsultation fest, dass sich seine Zuständigkeit «gemäss SiA vom 21. April 2021» auf «die Koordination der aussenpolitischen Aspekte für den Air2030-Gesamtbericht» beschränkte. Nach dem SiA-spezial vom 17. Mai 2021 habe es keinen «Auftrag zur Koordination allfälliger Gegengeschäfte» mehr gehabt.

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Anforderungen der Luftverteidigung ebenfalls erfüllte und dessen Beschaffung gegebenenfalls einen Mehrwert im Gesamtinteresse des Landes erbracht hätte.

Aus institutioneller Sicht ist für die Kommission bedenklich, dass der Bundesrat die erwähnten Rahmenbedingungen und Vorgaben bei seiner Beratung nicht diskutierte und insbesondere nicht klärte, welchen Handlungsspielraum ihm diese nach der Evaluation durch Armasuisse lassen würden. Aus Sicht der GPK-N hätte das VBS als federführendes Departement diese Frage in der Botschaft oder bereits bei früheren Befassungen des Bundesrates mit der Beschaffung klären müssen. Als dies nicht geschah, wäre es aber auch an den anderen Mitgliedern des Bundesrates gewesen, diesbezüglich zu intervenieren, um klare Angaben zu erhalten.

Die Abklärungen der GPK-N haben gezeigt, dass es nach dem Vorliegen der Evaluationsergebnisse allenfalls im VBS, jedenfalls aber im Bundesrat Unklarheiten in Bezug auf den politischen Handlungsspielraum gab. Der Bundesrat stellte sich erst beim Typenentscheid die zentrale Frage, wie sein Handlungsspielraum bemessen war bzw.

inwiefern er bei diesem Entscheid auch aussenpolitische Aspekte einbeziehen konnte.

Diese zentrale Frage hätte aus Sicht der GPK-N viel früher, nämlich zu Beginn des Beschaffungsverfahrens beantwortet werden müssen, als das VBS im März 2018 die Anforderungen an die Beschaffung definierte bzw. spätestens, als der Bundesrat den Planungsbeschluss und die dazugehörige Botschaft verabschiedete.

Es darf aus Sicht der Kommission nicht sein, dass eine solch wichtige Frage erst beim Typenentscheid vertieft und beantwortet wird. Dem Bundesrat wurde dadurch erst sehr spät klar, dass er aufgrund der von ihm definierten Vorgaben und Rahmenbedingungen gar keinen Handlungsspielraum hatte und dass er daher lediglich das Resultat der Evaluation von Armasuisse «bestätigen» und keine politische Würdigung der Angebote im Hinblick auf das Gesamtinteresse der Schweiz vornehmen konnte.

Bei einem so wichtigen Entscheid sollte der Bundesrat aber aus Sicht der GPK-N nicht nur das Resultat der Evaluation bzw. militärische und sicherheitspolitische Interessen berücksichtigen, sondern in einer Interessenabwägung auch andere Aspekte einbeziehen. Dazu hätte sich im vorliegenden Fall eine gute Gelegenheit geboten, denn die evaluierten
Kampfflugzeuge hätten die Anforderungen grundsätzlich alle erfüllt und zugleich lagen der Schweiz Zusicherungen für bedeutsame Gegengeschäfte vor.

Dass der Bundesrat am Ende beschloss, sich an die von ihm selber definierten Vorgaben und Rahmenbedingungen zu halten, ist für die Kommission grundsätzlich nachvollziehbar, nicht zuletzt vor dem Grundsatz von Treu und Glauben. Umso wichtiger ist es aber aus Sicht der GPK-N, dass der Bundesrat bei künftigen Rüstungsbeschaffungen darauf achtet, seinen Handlungsspielraum nicht frühzeitig und unnötigerweise einzuschränken (Empfehlung 1, vgl. Kap. 3.3).

Den Spielraum bei wichtigen Rüstungsbeschaffungen sollte der Bundesrat nutzen, um bei seinem Entscheid neben den militärischen bzw. sicherheitspolitischen Interessen wenn möglich auch andere Interessen der Schweiz, insbesondere wirtschaftliche oder politische, einzubeziehen. Dies bedingt aber auch, dass der Bundesrat die Ziele, Inhalte und Zuständigkeiten für die Kontakte und Verhandlungen mit den Herstellerstaaten frühzeitig regelt (Empfehlung 2, vgl. Kap. 5.6). Zudem sollte auch die Kommunikation von Beschaffungsentscheiden mit aussenpolitischem Bezug verbessert werden (Empfehlung 3, vgl. Kap. 5.6).

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Die Kommission erachtet den Umgang des Bundesrates mit den Herstellerländern als problematisch. Dass kurz vor dem Entscheid zu einem bedeutenden aussenpolitischen Geschäft schriftliche Verpflichtungen von einem Herstellerland verlangt wurden, obwohl der Bundesrat keinen Handlungsspielraum hatte, führt dazu, dass die Schweiz als wenig zuverlässige Partnerin erscheint.

6.3

Transparenz

Im Hinblick auf die Transparenz des Beschaffungsverfahrens ergaben sich aus Sicht der GPK-N keine Hinweise auf grössere Mängel, die Kommission sieht aber dennoch Verbesserungspotential.

Die Kommission ist der Ansicht, dass in Bezug auf die technische Evaluation und insbesondere in Bezug auf den Entscheid des Bundesrates in Medien und Politik verschiedene Fragen aufgeworfen wurden, welche durch die Veröffentlichung von zusätzlichen Dokumenten und Informationen hätte geklärt werden können. Dazu gehören insbesondere Informationen zu den Lärmmessungen, zur Berechnung der Flugstunden sowie die Gutachten von Homburger. Von dieser wurde eine wenig aussagekräftige «Plausibilisierungsbestätigung» veröffentlicht, nicht aber die zwei deutlich gehaltvolleren Gutachten.

Die GPK-N bemängelt zudem auch die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Entscheide des Bundesrates. Obwohl sie durch die GPDel Einsicht in die erweiterten Beschlussprotokolle des Bundesrates erhielt und die Protokolle des SiA-spezial selber auswertete, konnten gewisse Fragen auch damit nicht geklärt werden. Die Kommission stellte fest, dass die Protokolle nicht geeignet bzw. nicht so abgefasst sind, dass im konkreten Fall die wichtigen Entscheide und deren Begründung umfassend nachvollziehbar sind. Auffallend war auch, dass wichtige Themen und Diskussionspunkte, welche von den angehörten Mitgliedern des Bundesrates erwähnt wurden, in den Protokollen nicht erwähnt sind.

7

Weiteres Vorgehen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, bis spätestens am 15. Dezember 2022 zu den obigen Ausführungen und Forderungen Stellung zu nehmen.

9. September 2022

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Die Präsidentin: Prisca Birrer-Heimo Die Sekretärin: Ursina Jud Huwiler Der Präsident der Subkommission EDA/VBS: Nicolo Paganini

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Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS: Céline Andereggen

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Abkürzungsverzeichnis aBöB

(altes) Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (AS 1996 508), ausser Kraft seit dem 1. Januar 2021

Air2030

Beschaffungsprogramm des VBS für vier Projekte im Hinblick auf die Erneuerung der Mittel der Luftverteidigung

Armasuisse

Bundesamt für Rüstung

aVöB

(alte) Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (AS 1996 518), ausser Kraft seit dem 1. Januar 2021

BBL

Bundesamt für Bauten und Logistik

BODLUV

Bodengestützte Luftabwehr

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFK

Eidgenössische Finanzkontrolle

FinDel

Finanzdelegation

GPDel

Geschäftsprüfungsdelegation

GPK

Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

GS

Generalsekretariat

InstA

Institutionelles Rahmenabkommen (zwischen der Schweiz und der EU)

KBB

Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund

LW

Luftwaffe

NKF

Neues Kampfflugzeug

SiA

Sicherheitsausschuss des Bundesrates

SIF

Staatssekretariat für internationale Finanzfragen

SiK-N

Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

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Liste der angehörten Personen Amherd, Viola

Vorsteherin des VBS

Benesch, Rebekka

Chefin Stab, Staatssekretariat EDA

Berset, Bernhard

Stv. Projektleiter NKF, Armasuisse

Cassis, Ignazio

Vorsteher des EDA, Bundespräsident 2022

Christ, Brigitte

Stv. Direktorin der EFK

Diebold, Nicolas

Prof. Dr. iur., Ordinarius für Öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht, Universität Luzern

Eder, Toni

Generalsekretär des VBS

Götschmann, Rolf

Generalsekretär des EFD

Gygi, Bruno

Leiter Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund / Rechtsdienst Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL)

Haederli, Alexandre

Prüfungsexperte, EFK

Huissoud, Michel

Direktor der EFK

Leu, Livia

Staatssekretärin des EDA

Ludin, Martin

Jurist, Rechtsdienst EFK

Maurer, Ueli

Vorsteher des EFD

Merz, Peter

Divisionär, Kommandant Luftwaffe (seit Juli 2021), ehemaliger Projektleiter NKF der Luftwaffe

Müller, Bernhard

Divisionär, ehemaliger Kommandant Luftwaffe (bis Juni 2021)

Perina-Werz, Alexandra

Referentin Air2030, GS VBS

Savic, Darko

Projektleiter NKF, Armasuisse

Schöll, Michael

Direktor des Bundesamtes für Justiz

Sonderegger, Martin

Rüstungschef, Direktor von Armasuisse

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