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der

ständeräthlichen .kommission über den Rekurs des Armen- und Waisenrathes der Stadt Luzern, betreffend

die Verwalt-

tung des Ursulinerfonds.

(Vom 10. Juli 1863.)

Tit. l Gegenstand der von Jhnen zn beurtheilenden Beschwerde des Armenund Waisenrathes der Stadt Lnzern über einen vom Bundesrath am 8. April 1863 gefaxten Beschluß und beziehungsweise über ein Dekret des lu.,ernischen Großen Rathes vom 4. Jnni 1862 bildet die Verwaltnng des sogenannten U r s u l i n e r - F o n d s.

Es bestand bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts i.. der Stadt Luzern ein Ursulinerinnen-Kloster , wel.hes zum Zwecke der ErZiehung der weibliehen Jugend gestiftet worden war. Jn Folge eines Deerets vom 23. April l7.)8 wurde dieser Fond von der Helvetischen Regierung eingezogen. Ein Gesetz von. 3. April 1799 regelte die Art und Weise, wie die Gemeindegüter aus den Ratioualgütern auszuscheiden feien, und gestülpt anf dieses Gesetz wurde am 3. Rovember 1800 zwischen dem Finanzminister der helvetischen Republik und den Depntirten der Gemeindekamn..er der Stadt Luzern ein Vertrag abgeschlossen, welcher u. A.

.der Gemeinde Ludern den Ursulinerinensond zuwies, jedoch mit der nähern Bestimmung. dass derselbe unter Berücksichtigung seiner Stiftung und Be-

173 stin.n.nng sür eine Tochterschule verwendet werden und der gleichen StaatsAussicht unterstellt sein solle, wie der Fond des Jesuiteneollegiums.

Ueber den Fond des Jesniteneollegn.ms spricht sich der Vertrag dahin aus , dass derselbe bei seiner sür alle Staatsbürger gemeinnützigen Bestimmung für ^ie Erziehung gelassen und auch in Znknnst der Ge.meinde Lnzern nicht entzogen werden solle. Die Verwaltung der Oekonomie werde der Gemeinl^ekammer unter ^ der Aufsicht der Regierung in der Weise überlassen , dass sie der Regierung jährlich Rechnung erstatten und ohne deren Genehmigung weder Veräusserungen vornehmen, noch Eingriffe in das Hauptgut sich erlauben dnrse. Die holpern Dispositionen in. wissenschaftlichen Fache^ d^e ^hulpol^ei und die Besetzung der Lehrstuhle bleibe gänzlich der Regierung anheimgestellt.

Dieser Vertrag wuroe dureh die vom l 4. September 1803 ansgefertigte Urkunde , betretend die Aussteurung der Stadt Luzern einfach

bestätigt.

Unter der Herrsehast der helvetischen Ges.^gebung gab es in der ...^.tadt ^.^eru eine Eiuwol.mergemeiude , au deren . Spille eine Muni^ipalität stand, und eine ^ür^ergemeinde mit Deiner Gemeindekammer.

Die organischen G..se^e der Mediationsperiode hoben diesen Dnal.smus auf, und eonstituirten nnter dem Ramen ^Gemeindeverwaltung^ eine einheitliehe Gemei ..debe^or^.. bei deren Wahl bloss die ....^rtsbürger, welche allein als Antheilhaber an den Gemeindegütern galten, mitwirken dnrsten. Ein am l 2. ^o^ember l 82..) von der ^ürgergemeinde gesagter und am 16. ^anuar l 822 vom Kleinen Rath genehungter ^eschluss theilte das gesammte Dotationsvermogen der Stadt Ludern in G e m e i n d e g u t und K o r p o r a t i o n s g u t . Die .^rmengüter und Stiftungen wurden dem l^tern einverleibt, j e d o c h m i t A u s n a h m e d e r ^ o n d s d e s J e s u i t e n e o l l e gin.ns un.^ der U r s u l i n e r i n n e u , w e l c h e w e g e n .ihrer B e f t i m m u n g f ü r o f s e u t l i ..^ e E r z i e h u n g d e m G e m e i n d. e g u t z u g e s c h i e d e n w urd e n.

Die organischen Ges^e vom 3. Juli 18.^ l stellten neben den ^rtsbürgergemeinden die Einwohnergemeinden wieder her und richteten überdiess, wo Korporationsgüter sieh fanden ,^ Korporationsversammluugen und Verwaltungen ein. Als ^rgan der Einwol.nergemeinde uu.rde der ^tadtratl.., Angestellt , während d.^r ^rtsbürgerge^nein.^e ein engerer und ein weiterer Armen- und Waisenrath vorstand. Dieser lettere wurde auch nnter spezieller Anssicht und Leitung der Regierung mit der Verwaltung.

des ^onds des ehemaligen Jesniten-Eolleginu^s und der Ursulin^rinuen^ beauftragt, s...ine Hauptaufgabe bestand aber in der Besorgung des Aru^nund Vornn.ndschastswesens und in der Verwaltung des Armenguts.. Die Verwaltung alles übrigen städtis.....en Gutes (das Korporation.^^ ausgenommen) wurde de^n Stadtratl.^e übertragen. Einer Beschwerde ^er .^rtsbürgergen.einde trug der Grosse Rath bloss in so weit Rechnung , dass er Kapitalaugrifse , Verbesserungen von ...^.genschasten n. dgl. .^o.u der Zustinnnung der .^rtsbürgerschaft abhängig n.a.hte.

B.^n^bl...lt. Jahrg. ^v..Bd. ..^

l.3

174 J.. den Jahren 1837 bis 183.) fand eine Korrespondenz zwischen den städtischen Behorden und dem Regierungsrath.. statt, bei .welcher Gelegenheit dieser sich dahin äusserte , es sei d...r Fond d^r Ursnliuerinnen kein Gemeinl^eeigenthum. nur die Verwaltnug des Fo^ds und der Sil., der Schule sei der Sta^tgemeinde zugesichert, der ^taal konn.. dieselbe jederzeit zu einer Kautonala..stalt erweitern. Mit der Verwaltung de.^ Fonds sei kein Versügungsrecht verbunden. Unter diesen Umständen konne.

es gleichgültig sein, welche Behorde die Last der Verwaltung trage.

Am 4. Juni 1862 hat der Grosse Rath die Verwaltung des.

Schul- und Kirehenfonds der ehemaligen Ursnlineriuuen dem ^.lrmen- und Waiseurathe abgenommen und den. .^tadtratl.^ übertragen.

Zur Begründung des Dekrets werden folgende Momente angeführt : ^ Es liege weder das unbestritten der Gemeinde zustehende Ei^enthum des Fonds, noch die Verwendung des Ertrags in Frage, sondern es sei bloss.

zn erort.^rn , wetehe^ von den beiden städtischen Behörden die Verwaltung auszuüben habe. Es ^sei bei der in den Jahren. 1820^l^2 erfolgten Ausscheidung der Fond nicht dein V r i v a t e i g e u t h u m der ^..rtsb ü r g e r s eh a s t , sondern d e m f ü r d i e o s s e n t l i eh e n B e d ü r s n i s s .^ b e s t i m m t e n G e m e i n d e g u t zugesehieden worden. Die. okonomische Verwaltung der ^ehulen und Kirchen ^stehe gesetzlich den Behorden der politischen Gemeinden zu , und es erscheine die Verwaltung des fraglichen ^ouds durch den Armen- und Waisenrath Luzeru als eine nicht länger ^u duldende Anomalie.

Ueber diesen Beschluss besehwert sich nun der .^rmen.. nnd Waisen^ rath, nachdem er von ^em Bundesrath abgewiesen worden ist,^) bei der Bundesversammlung. Er erklärt in der Begründung seiner Beschwerde ausdrücklich , dass der Ursnlinersond eiu osfentlichen Zweien geuuedmetes Gut sei. Ein ..^tistnngssond .nit bestnnmten Zwecke. konne überhaupt nicht als freies Vrivateigenthnm eines Einzelnen oder einer Korporation betrachtet wenden. .Der Jesnitensond und der Ursulinerfond stehen nieht mit dem ^Korporationsgut, das ein Vrivateigenthum d.^r Bürgerschaft sei, sondern mit den. Armengnt aus Einer Linie , nur besehränke sieh dieses auf einen engern Kreis , ind...^u es bloss der bürgerlichen .^lrmenpslege gewiedmet sei, während der ftistungsgemässe Zweck jeuer beiden Fond^ weit nber die Gemeinde ..^uzern hinausreiche. Der Zweck einer ....^tistnng sei aber bloss für die Verwendung des Ertrags , nicht sür die ^.rage , weni die Verwaltung Anstehe, u^assgebend. Ans die V e r w a l t u n g habe die . ^ r t s b ü r g e r s c h a f t nnd d e r e n .^rgan e i n e n a u s b e s o n d e r e m Titel beruhenden Anspruch, eiu .u^ohler^vorbenes p r i v a t x ^ c h t , welches eben so gnt wie das Eige...tl,.um i^u engern ^inne des Wortes durch Art. l0 .^er Kautonsversassung geschützt, nnn aber durch den .^rossen .)^ath verletzt sei.

^) ..^...he ^^ Beschluß hlenach.

l75 Die unterzeichnete Kommission kommt b.ei Würdigung dieser Be^ sehwerde zu dem gleichen Eudergebniss wie der Bundesrath , jedoch nicht .^anz au.^ den gleichen gründen.

Der Bundesrath geht nämlich davon aus, es bestehe in ^uzern nur Eine Gemeinde , die bloss nach Jnuen in zwei Sphären geschienen sei,.

und für jede dieser Sphären ein besonderes Organ .habe. Der streitig Fond sei nun Eigenthnm dieser Gemeinde, und die Frage, welchem ihrer verschiedenen Organe die Verwaltung jenes Fonds zukommen solle, habe keine privatrechtliche Ratur. Diese Aussassu..gsweise scheint uns nicht richtig zu sein ; wir halten vielmehr dafür , dass in Ludern zwei innerlich und äußerlich getrennte Gemeinden neben einander bestehen. . Jede von.

diesen Gemeinden hat besonderes Vermögen und besondere Organe. Doeh.

hat der .^tadtralh , als Organ der Einwohnergemeinde , nicht bloss ihr eigenes Vermögen, sondern auch denjenigen Theil des^ortsbürgerliehen Vermogens, welcher sur die ofsentliehen Zwecke des ^rtes dient und den Einwohnern winden Bürgern gleiehmässig zu Statten kommt, zu verwalten..

Es ist also^ nicht das Eigenthum , sondern die Zweckbestimmung für die ^rage, wen.. die Verwaltung zukommen solle, maßgebend. Gerade wie aus dem Gebiete des^rivatrechts die Verwaltung eines Gutes nicht deni Eigen-.

thümer, sondern dem Ru.^niesser zukommt, während der Eigenthüm^r immerhi.r berechtigt ist, eine gewisse Aufsieht zu üben und die Verminderung oder Verschlechterung des Gutes zu verhindern , so admmsstrirt der ...^tadtrath.

das allen Einwohnern dienende Gut ..der ^rtsbürgersehast , wobei dieser immerhin die Genehmigung gewisser wichtiger Massregeln vorbehalten bleibt.

Diese ganze Einrichtung wird von Niemanden als verfassungswidrig angefoehten ; sie greift auch offenbar in keiner Weise in privatreehtliche Verhältnisse ein, sondern ist durehau^ politischer Ratur. Jndem der Grosse Rath die Verwaltung des Ursnl.inerfonds dem ..^tadtrathe übertrug, hat er lediglich diess Verhältniss mit der ganzen Organisation in. Einklang gebracht.

Sein diesss.illiger Besehluss verlebt weder die versafsungsmassige Garantie des Eigenthums, noch das .^rineip der Trennung der Gewalten. Wenn eine gese^liehe Vorschrift zulässig ist, welche wirkliches Burgerg^t , das aber auch den Einwohnern zu Statten kommt,.

der Verwaltung des Einwohnerge.meindraths
unterstellt, so u.ird. eine solche Vorschrift uni so mehr auf einen ^ond ausgedehnt werden dürseu , von dem di.^ Reeurreuteu selbst sagen , dass derselbe überhaupt nicht im ^rivateigenthnm sich befinde, sondern nichts anderes sei, als eine ..Stiftung fur offentliche Zwecke, die sogar über die Gemeinde hinausreichen.

Die Reeurrenten glauben nun zwar, die Befugniss , diesen ^ond zu verwalten, stehe der Ortsbürgersehaft als ein reines ^rivatrecht zu, weil dieselbe nicht aus dem Geseze herfliesse, sondern aus einen besondern Titel, nähmlieh auf dem Vertrage vom 3. Rovember 1^00 beruhe. Diess verhält sieh aber keineswegs so. Dieser Vertrag hatte ganz und gar nicht zum Zweck, das ^erhältniss der Ortsbürgersehaft zu der Einwohuergen.ein^e zu bestimmen. Es wurden durch denselben , wie die Reeurrenten selbst

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wiederholt hervorheben , lediglich der Gemeinde Luzern diejenigen Güter zurückgeben, welche mit dem helvetischen Rationalvermogen vermischt worden waren. Wenn der Vertrag die Verwaltung des Jesuiten- und Ursuline...fonds der G e m e i n d e k a m m e r Anschreibt, so geschieht diess bloss darum, weil naeh dem damals geltenden Gesetze die Gemeindekammer überhaupt die Gemeindegüter zu vergalten und den Ertrag, so weit derselbe zur Befriedigung der ossentlichen .Bedürfnisse bestimmt war, an die Mnmeipalität abzuliefern hatte. hätte damals schon die jetzige Einrichtung bestanden, so wäre ohne Zweisel der Stadtrath, nicht der Armen- und Waisenrath als Verwblter bezeichnet worden. Die seit dem Jahr 1800 eingetretenen Änderungen in der Organisation der Gen.einden und in der Abgrenzung der Befugnisse der Gemeindsbehorden konnen daher unmoglich als eine Verletzung des sragliehen Vertrages aufgesasst werden.

Aus diesen Gründen tragen wir aus Abweisung der Besehwerde an.

Hochachtungsvoll und ergebenst.

Bern, den l0. Juli l863.

Für die Kommission , Der Berichterstatter : Dr. J. Rüttimann.

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Beschluß des

Bundesrathes in Sachen des Armen- und Waisenrathes der Stadt Luzern, betreffend die Verwaltung des Urselinerfonds.

(Vom 8. April 1863.)

Der s c h w e i z e r i s c h e Bundesrath hat in Sachen des Armen- und Waisenrathes der Stadt Lnzern, betreffend Verwaltungsrecht des Ursulinerfonds in Luzern, Raeh angehortem Bericht des Justiz- und Volizeidepartements , gestuft aus die im Besehlusse des Bundesrathes vom 11. Februar 1863 enthaltenen faktischen Ergebnisse,

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Bericht der ständeräthlichen Kommission über den Rekurs des Armen- und Waisenrathes der Stadt Luzern, betreffend die Verwaltung des Ursulinerfonds. (Vom 10. Juli 1863.)

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18.07.1863

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172-176

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10 004 124

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