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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Jakob Kamber, Gemeindeammanns von Hauenstein (Solothurn).

(Vom 5. Juni 1889.)

Tit.

Am 3. November 1887 wurde vom Schwurgerichtshof des Kantons Solothurn ein gewisser Ludwig Gisiger von Hauenstein wegen Uebertretung des B u n d e s g e s e t z e s b e t r e f f e n d d i e Werbung und den Eintritt in den fremden Kriegsd i e n s t vom 30. J u l i 1859 in contumaciam zu 6 Monaten Gefängniß und Fr. 50 Geldbuße verurtheilt. Gisiger stellte sich nachträglich freiwillig den solothurnischen Behörden, bestritt jedoch das gegen ihn ausgefällte Urtheil und verlangte nochmalige Durchführung der Untersuchung. Dabei machte er die Angabe, daß bei einem ihm zur Last gelegten Werbefalle (Spedition des Felix Bitterli von Hauenstein in holländisch-ostindische Dienste) auch J a k o b K a m b e r , Viktors Sohn, Ammann von Hauenstein, mitgewirkt habe.

Infolge dieser Deposition wurde die Untersuchung zur Vervollständigung dem Richteramte Olten-Gösgen überwiesen, welches den Jakob Kamber wegen Gehülfenschaft, eventuell Begünstigung bei der Anwerbung des Felix Bitterli in Anklagezustand versetzte.

In der Hauptverhandlung vor Schwurgericht vom 1. Februar 1889 wurden Ludwig Gisiger und Jakob Kamber der Uebertretung des im vorerwähnten Bundesgesetze vom 30. Juli 1859 aufgestellten Werbeverbotes schuldig erklärt. Gisiger wurde zu der ausgestandenen Untersuchungshaft von 3 Monaten und 18 Tagen, sowie zu einer Geldbuße von Fr. 50, J a b o b K a m b e r zu 2 M o n a t e n G e f ä n g n i ß und Fr. 50 G e l d b u ß e verurtheilt; überdies

319 wurden beiden Beklagten die Uutersuchungskosten überbunden und für die Dauer eines Jahres die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen.

Jakob Kamber hat seine Gefängnißstrafe bis jetzt noch nicht angetreten.

Aus den Untersuchungsakten geht hervor, daß Jakob Kamber im Dezember 1886 als Ammann der Gemeinde Hauenstein mit dem vorgenannten peusionirten holländisch-indischen Soldaten Ludwig Gisiger sich in Verbindung setzte, um die Gemeinde Hauenstein von ihrem arbeitsscheuen Bürger Felix Bitterli (geb. 1854) zu befreien. Kamber trat in der Folge mit dem bekannten, erst kürzlich in Bern wegen Werbung bestraften Agenten Friedrich Wüthrich, Wirth in Harderwyk (Holland), in direkte Korrespondenz, besorgte dem Felix Bitterli die nöthigen Ausweisschriften und versah ihn außerdem mit einem von ihm (Kamber) unterzeichneten Bettelbriefe, durch welchen er sich die zur Reise nothwendigen Kleider etc.

verschaffen sollte. In diesem Bettelbriefe war speziell auf den Eintritt des Bitterli in fremden Kriegsdienst Bezug genommen.

Die Ausweisschriften für Bitterli sandte Kamber nach Harderwyk an den Agenten Wüthrich, worauf Letzterer jenem zu Händen des Bitterli per Mandat Fr. 30 Reisegeld zustellte.

Daraufhin wurde Bitterli in der That unter Mitwirkung des Ludwig Gisiger auf dem gewohnten Wege nach Holland spedirt, kehrte aber von dort, weil untauglich befunden, in bedauernswerthem Zustande in die Heimat zurück.

Ludwig Gisiger ist von Kamber für seine diesbezüglichen Bemühungen entschädigt worden und zwar auf Rechnung der Armenkasse von Hauenstein.

Bei der Strafzumessung gegenüber Jakob Kamber zog der solothurnische Schwurgerichtshof in Berücksichtigung, ,,daß die von Kamber begangene Gesetzesübertretung nicht eigennützigen Motiven entsprungen ist, sondern einer mißverstandenen Fürsorge für die Interessen der Gemeinde Hauenstein, durch Abschiebung eines der Gemeinde lästigen Individuums". Dagegen falle als erschwerender Umstand in Betracht, ,,die soziale Stellung des Kamber (Ammann) a .

Die Geschwornen hatten ihrem Verdikte das Gesuch um milde Bestrafung des Jakob Kamber beigefügt. Der Schwurgerichtshof fand jedoch, es könne dieses Gesuch nicht in Berücksichtigung gezogen werden. Allerdings dürfe nach Art. 171 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851 durch die Geschwornen die Begnadigung empfohlen werden. Allein Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. 111.

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320 es sei hierorts nur das materielle Bundesstrafrecht in Anwendung zu bringen, da die durch den Bundesrath beschlossene Ueberweisung des Falles an die kantonalen Geschwornen in formulier Beziehung die Anwendung des kantonalen Strafrechtes involvire, die solothurnische Strafprozeßordnung aber den Geschworiieu das Recht, Begnadigung zu beantragen, nicht einräume.

Mit Eingabe vom 4. April 1889 übermittelte Herr Fürsprech Alb. Büttiker in Ölten dem Bundesrathe zu Händen der Bundesversammlung ein B e g n a d i g u n g s g e s u c h für J a k o b Kam ber, mit der besondern Bitte an den Bundesrath, er wolle von sich aus der Bundesversammlung den Antrag auf Begnadigung stellen, die Bundesversammlung -aber möge von diesem Rechte wohlwollend Gebrauch machen und die unterm 1. Februar abhin über Kamber verhängte Strafe gänzlich aufheben.

Das Begnadigungsgesuch stützt sich im Wesentlichen auf folgende Momente: Jakob Kamber habe anfänglich von der Fortschaffung des Bitterli mittelst Anwerbung nichts wissen wollen. Erst nach unabläßigem Drängen seitens des Bitterli habe er sich mit Beschaffung der Schriften etc. abgegeben und die Angelegenheit vor den Gemeinderath von Hauenstein gebracht, welcher sich einmüthig dahin erklärt habe, den Felix Bitterli ziehen zu lassen. Uebrigens habe das Oberamt zu Ölten, von welchem dem Bitterli ein neuer Heimatscheiu ausgestellt worden, und der dortige Kreisarzt, welcher jenen mit einem Gesundheitsscheine versehen habe, um die Sache gewußt.

Ferner seien die Fr. 30 für Bitterli aus Holland wohl an die Adresse Kambers gekommen, aber ohne dessen Bestellung.

Im Weitern sucht der Anwalt des Kamber nachzuweisen, daß das in diesem Falle zur Anwendung gekommene Bundesgesetz betreffend Werbung etc. vom 30. Juni 1859 als Ausnahmegesetz dahingefallen sei; der Bundesrath habe dies seiner Zeit selbst ausgesprochen, indem er sich im Jahre 1870 (vergi, Blumer-Morel, Handbuch I, S. 227/228) dahin geäußert, daß mit der Auflösung des römischen Fremdendienstes der Söldnerdienst sein Ende erreicht habe und damit der Zweck des Gesetzes von 1859 dahingefallen sei.

Auch seien die Geschwornen lediglich durch den Buchstaben des Gesetzes zu einem Schuldverdikt gegen Ammanii Kambei1 bestimmt worden. Daß sie damit ihrem natürlichen RechtsgetÜhle, sowie der Volksanschauung Zwang angethau, ergebe sich
aus dem Umstände, daß sie bei der Abgabe des Wahrspruches dem Schwurgerichtshofe noch ein besonderes schriftliches Gesuch überreichten, worin sie den Ammann Kamber -- nicht auch den Ludwig-

321 Gisiger -- einer möglichst gelinden Bestrafung empfahlen. Zudem habe der Schwurgerichtshof selbst in seinen Motiven anerkannt, daß Kamber nicht aus eigennützigen Beweggründen gehandelt habe.

Am Schlüsse des Begnadigungsgesuches wird Jakob Kamber als ein Opfer politischen Haders hingestellt.

Diesen Anbringen der Begnadigungschrift gegenüber konstatirt die Regierung des Kantons Solothurn in ihrer Vernehmlassung vom 8. April 1889 hauptsächlich Folgendes: Der Beklagte, Kamber, habe bei seiner Verantwortung Angaben gemacht, die sich nachher als absolut unwahr herausgestellt hätten.

So habe sich die Behauptung, daß der ganze Gemeinderath von Hauenstein die Spedition des Bitterli beschlossen habe, bei der Hauptverhandlung vor Schwurgericht als unwahr erwiesen, indem kein einziges Mitglied des Gemeinderathes bei der Zeugnißabgabe vor Gericht etwas davon habe wissen wollen.

Noch viel weniger sei dem Kamber der Beweis gelungen, daß der Oberamtmann von Olten-Gösgen und der Kreisarzt von Ölten bei dieser Spedition mitgewirkt hätten. Es müsse als unqualifizirbar bezeichnet werden, wenn der Vertheidiger des Kamber in seinem Begnadigungsgesuche die Behauptung aufstelle, Kamber habe erst gehandelt, nachdem er sich der Einwilligung des Oberamtes und des Kreisarztes versichert gehabt.

Zur Charakteristik des Petenten erwähnt die Regierung, daß der Zeuge Gottfried Hufschmid, gewesener Civilstandsbeamter von Hauenstein, vor Schwurgericht erklärte, Kamber habe sich dahin geäußert: ,,wenn der Felix Bitterli angenommen werde, spedire man den ,,Großen" (den Bruder Bitterli's) ebenfalle. Der ,,Große" sei aber zu alt, dann müsse er (der Civilstandsbeamte) im Geburtsschein das Alter um einige Jahre zurücksetzen.a Die Regierung hegt keinen Zweifel, daß der Schwurgerichtshof trotz der Nichtberücksichtigung des erwähnten Gesuches der Geschwornen bei der Strafzumessung alle mildernden Umstände in vollem Maße berücksichtigt habe.

Schließlich erklärt die Regierung des Kantons Solothurn, daß ihr die Strafprozedur selbst keinen Grund biete, die Begnadigung zu empfehlen, und daß nach ihrer Annahme auch keine Gründe außerhalb des Strafprozesses selbst liegen, welche sie zu einer bezüglichen Empfehlung veranlassen könnten. -- Wir unsererseits sehen uns ebenfalls nicht veranlaßt, Ihnen das Begnadigungsgesuch des Jakob Kamber in empfehlendem Sinne zuzuleiten.

322 In erster Linie ist darauf aufmerksam zu machen, daß Jakob Kamber seine Strafe bis jetzt nicht angetreten hat. Die Begnadigung käme daher der Aufhebung des ganzen Verfahrens gleich, was offenbar nicht gerechtfertigt wäre.

Andererseits ist der Gedanke, daß das Bundeagesetz über die Werbung außer Kraft stehe, durchaus unrichtig. Es muß dessen Vollziehung namentlich gegenüber W e r b e r n immer noch eifrig überwacht werden. Die Aeußerung des Bundesrathes aus dem Jahre 1870, welche zu Gunsten des Petenten angerufen wird, bezieht sich nicht auf die Werber, sondern auf die Masse von Angeworbenen, welche früher als organisirte Söldner gedient haben.

Durch die vorliegenden Akten ist jedoch klar bewiesen, d a ß K a m b e r als W e r b e r t h ä t i g war und daß ihm das bestehende Verbot und die angedrohte Strafe wohlbekannt gewesen sind.

Wir können das eingereichte Begnadigungsgesuch um so weniger unterstützen, als die gegen Kamber ausgefällte Strafe mit Rücksicht auf dessen amtliche Stellung keineswegs als zu hoch bemessen erscheint, und stellen demgemäß den An t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Jakob Kamber abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 5. Juni 1889.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer schmalspurigen Straßenbahn von Flüelen nach Altorf.

(Vom 7. Juni 1889.)

Tit.

Mit Eingabe vom 29. Dezember 1888 bewirbt sich Herr Ingenieur G. A n s e l m i e r in Bern Namens eines Initiativkomites und zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft um die Konzession für ein mittelst komprimirter Luft zu betreibendes T r a m w a y von F l ü e l e n nach A11 o r f.

Mit dem Projekt ist beabsichtigt, den früher belebtem, gegenwärtig etwas abgeschnittenen Flecken Altorf, welcher mit Bürglen, der Wiege Wilhelm Tell's, circa 4500 Seelen zähle, dem Hauptverkehr wieder näher zu bringen. Der Fremdenverkehr speziell habe zwar gegenüber früher zugenommen; allein derselbe komme nur bis Flüelen, während Altorf von den Fremden deßhalb nicht berührt werde, weil die direkten Tageszüge der Gotthardbahn daselbst nicht anhalten, überdies Altorf nicht direkt an der Bahn liege und auch von Flüelen die Distanz circa 8/4 Stunden betrage ; des bestehenden Omnibus bedienten sich die Fremden, welche sonst etwa Bürglen besuchen würden, nicht, weil sie befürchten, zu den Bahnzügen oder Dampfschiffen zu spät zu kommen.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Jakob Kamber, Gemeindeammanns von Hauenstein (Solothurn).

(Vom 5. Juni 1889.)

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15.06.1889

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