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Zu 16.458 und 16.459 Parlamentarische Initiativen Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. August 2022 Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Oktober 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. August 20221 betreffend die parlamentarischen Initiativen 16.458 «Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen» und 16.459 «Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Oktober 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit der parlamentarischen Initiative 16.458 vom 14. September 2016 («Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen») verlangt Nationalrat Karl Vogler, dass Artikel 269d OR durch einen neuen Absatz 4 dahingehend zu ändern ist, dass für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen, die in einer Vereinbarung über gestaffelte Mietzinse nach Artikel 269c Obligationenrechts (OR)2 vorgesehen sind, die schriftliche Form genügt.

Die parlamentarische Initiative 16.459 «Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären» wurde am 15. September 2016 von Nationalrat Olivier Feller eingereicht. Er verlangt, dass Artikel 269d OR um einen vierten Absatz ergänzt wird, wonach für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung oder jeder anderen einseitigen Vertragsänderung eine auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschrift auf dem offiziellen Formular zulässig ist.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) hat die Arbeiten an der Umsetzung dieser beiden sowie zwei weiterer parlamentarischer Initiativen (15.455 Egloff «Missbräuchliche Untermiete vermeiden» und 18.475 (Merlini) Markwalder «Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf des Vermieters oder seiner Familienangehörigen») an ihrer Sitzung vom 5. Februar 2021 aufgenommen. Dabei hat sie entschieden, die vier parlamentarischen Initiativen in einem einzigen Verfahren umzusetzen, aber in verschiedenen Entwürfen. Vor dem Hintergrund, dass die parlamentarischen Initiativen 16.458 (Vogler) und 16.459 (Feller) den gleichen Artikel betreffen, hat sie entschieden, sie in einem einzigen Entwurf umzusetzen.

Damit war die Grundlage geschaffen, um eine Vernehmlassung zu drei separaten Vorentwürfen durchführen zu können. Am 6. September 2021 eröffnete die RK-N die Vernehmlassung zu den Vorentwürfen in Umsetzung der vier parlamentarischen Initiativen. Bis zum Ablauf der Vernehmlassungsfrist am 6. Dezember 2021 sind insgesamt 64 Antworten eingegangen, wovon 60 eine inhaltliche Stellungnahme enthielten.

Es gingen 32 Stellungnamen zur Vorlage betreffend Faksimile-Unterschrift und gestaffelte Mietzinse als Ganzes ein. 18 Vernehmlassungsteilnehmer haben sich zumindest im Grundsatz positiv zur Vorlage geäussert, während die vierzehn anderen eine neutrale Haltung zum Ausdruck
gebracht haben.

Von insgesamt 30 eingegangenen Stellungnahmen zum Vorentwurf betreffend Faksimile-Unterschrift waren insgesamt 29 zustimmend und nur in einer Antwort wurde eine ablehnende Haltung zum Ausdruck gebracht. Zum Vorentwurf betreffend gestaffelte Mietzinse gingen je 13 zustimmende und ablehnende Stellungnahmen ein. In einer Antwort wurde eine neutrale Haltung geäussert.

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An ihrer Sitzung vom 8. April 2022 nahm die RK-N die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis und veröffentlichte den Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung.3 Nach der Detailberatung von Artikel 269d Absätze 4 und 5 OR am 23. Juni 2022 verabschiedete die Kommission die Vorlage zur Umsetzung der beiden parlamentarischen Initiativen ohne Änderungen mit 14 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen zuhanden des Rates.

In der Folge hat die RK-N an der Sitzung vom 18. August 2022 den vorliegenden Erlassentwurf und Bericht4 verabschiedet. Gestützt auf Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 wurden Erlassentwurf und Bericht dem Bundesrat zur Stellungnahme überwiesen.

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Stellungnahme des Bundesrates

In der Vergangenheit hat sich der Bundesrat wiederholt mit dem Anliegen befasst, wonach für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung oder einer anderen einseitigen Mietvertragsänderung eine auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschrift auf einem offiziellen Formular zulässig sein soll. So hatten die Motion Theiler (04.3235 «Unterzeichnung von Formularen zur Anpassung des Mietvertrages»), die Motion Steiner (07.3159 «Mietzinserhöhungen. Faksimile-Unterschrift») sowie die Motion Egger-Wyss (08.3654 «Mietzinserhöhung. Zulassung von auf mechanischem Weg nachgebildeten Unterschriften») entsprechende Rechtsänderungen zum Inhalt.

In der Botschaft vom 12. Dezember 20086 zur Änderung des Obligationenrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen) unterbreitete der Bundesrat unter anderem den Vorschlag, die Faksimile-Unterschrift für Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten zuzulassen.7 Nachdem der Nationalrat am 14. September 2010 zum zweiten Mal auf Nichteintreten entschieden hatte, war diese Vorlage jedoch gescheitert.8 Auch in der Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 20159 zur Änderung des Mietrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen), die insbesondere die schweizweite Einführung der Formularpflicht für die Bekanntgabe des Vormietzinses zum Inhalt hatte, war die Zulassung der Faksimile-Unterschrift für Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten vorgesehen.10 Jedoch scheiterte auch diese Vorlage im Parlament.11 Der vorliegende Entwurf von Artikel 269d Absatz 4 OR verzichtet auf die vom Bundesrat in den erwähnten Botschaften vom 12. Dezember 2008 und vom 27. Mai 2015

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Der Bericht vom 8. April 2022 über die Ergebnisse der Vernehmlassung ist abrufbar unter www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > Vernehmlassung 2021/91 > Ergebnisbericht.

BBl 2022 2100 SR 171.10 BBl 2009 347 BBl 2009 347 S. 362 und 379 08.081 BBl 2015 4087 BBl 2015 4087 S. 4094 und 4098.

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vorgenommene Einschränkung, wonach die Faksimile-Unterschrift nur für Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten zulässig sein sollte. Indem die Faksimile-Unterschrift für die Mitteilung von Mietzinsanpassungen und allen anderen einseitigen Vertragsänderungen zugelassen werden soll, ist eine generelle Gleichstellung mit der eigenhändigen Unterschrift vorgesehen. Die Verwendung einer Faksimile-Unterschrift auf den entsprechenden Mitteilungen war bisher jedoch nicht verkehrsüblich. Mit dem neuen Absatz 4 von Artikel 269d OR wird nun eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Faksimile-Unterschrift in einem genau definierten Bereich geschaffen. Für diesen Schritt sprechen insbesondere auch das Fortschreiten der Digitalisierung sowie der Umstand, dass seit der Corona-Pandemie bedeutend häufiger Homeoffice praktiziert wird, was in vielen Fällen den Einsatz der Faksimile-Unterschrift erfordert.

Auch mit dem Anliegen, wonach bei Mietzinserhöhungen im Rahmen einer Vereinbarung, dass sich der Mietzins periodisch um einen bestimmten Betrag erhöht (Staffelmiete), keine Pflicht zur Verwendung des Formulars mehr bestehen, sondern eine schriftliche Mitteilung genügen soll, hat sich der Bundesrat bereits in der Vergangenheit befasst. Eine entsprechende Regelung war auch Teil des indirekten Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten»12, der in der Volksabstimmung vom 8. Februar 2004 abgelehnt wurde.13 In der Botschaft vom 12. Dezember 2008 zur Änderung des Obligationenrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen) unterbreitete der Bundesrat unter anderem den Vorschlag, dass für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen im Rahmen von Staffelvereinbarungen das Erfordernis der einfachen Schriftlichkeit gilt.14 Nachdem der Nationalrat am 14. September 2010 zum zweiten Mal auf Nichteintreten entschieden hatte, war diese Vorlage jedoch gescheitert.15 In der Botschaft vom 27. Mai 2015 zur Änderung des Obligationenrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen) schlug der Bundesrat eine generelle Formularpflicht für die Mitteilung des Vormietzinses beim Abschluss von Mietverträgen vor. Die einfache Schriftlichkeit bei Anpassungen von gestaffelten Mietzinsen wurde im Sinne der Ausgewogenheit der Vorlage ebenfalls vorgesehen.16 Am 8. Juni 2016 beziehungsweise am 13. September
2016 beschlossen sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat Nichteintreten. Aus diesem Grund wurde auch diese Vorlage nicht realisiert.17 Der vorliegende Entwurf von Artikel 269d Absatz 5 OR, wonach bei der Staffelmiete entgegen dem geltenden Recht für Mietzinserhöhungen nicht mehr das Formular verwendet werden muss, sondern die schriftliche Form genügt, entspricht einer von Seiten der Vermietenden seit langer Zeit geforderten Anpassung. Dass sich der Bundesrat in der Vergangenheit wiederholt für eine entsprechende Anpassung ausgesprochen hat, ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass sie jeweils im Kontext mit anderen Mietrechtsänderungen und im Interesse der Ausgewogenheit der Vorlage vorgeschlagen 12 13 14 15 16 17

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BBl 2002 8234 S. 8236 (Art. 269g Abs. 5 E-OR) BBl 2004 2199 BBl 2009 347 S. 380 08.081 BBl 2015 4087 S. 4094 und 4098.

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wurde, sondern auch weil sie einer gebotenen Vereinfachung entspricht, die für die Mieterschaft keine faktische Schlechterstellung bedeutet. Schliesslich hat sich diese mit dem Abschluss der Staffelvereinbarung ausdrücklich mit den späteren Mietzinsanpassungen einverstanden erklärt.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten und Zustimmung zur Vorlage der RK-N.

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