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22.067 Botschaft zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Zulassungserleichterung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss) vom 19. Oktober 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Zulassungserleichterung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2017

M 17.3067

Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können (N 20.9.18, Dobler; S 19.3.19)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Oktober 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-3373

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Übersicht Mit der vorgeschlagenen Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) soll die Motion 17.3067 Dobler «Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können» umgesetzt werden. Die an einer Schweizer Hochschule ausgebildeten ausländischen Fachkräfte aus Drittstaaten sollen demnach von den jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen ausgenommen werden, wenn ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist.

Ausgangslage Die Motion 17.3067 Dobler «Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können» beauftragt den Bundesrat, durch eine Änderung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass an den kantonalen Universitäten und den Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH) ausgebildete Drittstaatsangehörige (Masterabsolventinnen und Masterabsolventen sowie Doktorandinnen und Doktoranden) aus Bereichen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel einfach und unbürokratisch in der Schweiz bleiben und eine Erwerbstätigkeit ausüben können. Dieses Ziel soll durch eine Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erreicht werden.

Die Motion wird damit begründet, dass in der Schweiz ausgebildete Drittstaatsangehörige aufgrund von ausgeschöpften Kontingenten trotz Fachkräftemangel das Land verlassen und somit für den Schweizer Arbeitsmarkt verloren sind. Dies soll insbesondere in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) verhindert werden.

Inhalt der Vorlage Aus systematischen Gründen ist es nicht angezeigt, die Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen durch die mit der Motion angestrebte Änderung der VZAE zu regeln.

Der Bundesrat hat in der VZAE bisher nur gewisse kurzfristige Aufenthalte mit Erwerbstätigkeit von den Höchstzahlen ausgenommen. Alle anderen Ausnahmen von den Zulassungsvoraussetzungen für bestimmte Personengruppen werden im AIG abschliessend geregelt. An diesem Grundsatz soll festgehalten werden; daher wird eine Änderung des AIG vorgeschlagen. Die Ausnahme von den Höchstzahlen für ausländische Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt soll nur dann zur Anwendung kommen,
wenn die auszuübende Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist. Nach geltendem Recht können sie bereits vom Inländervorrang ausgenommen werden, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist.

Das Anliegen der Motion, wonach eine neue Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen geschaffen werden soll, steht in einem Widerspruch zu Artikel 121a Absatz 2 der Bundesverfassung (BV). Demnach ist die Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern, die in die Schweiz einwandern, durch jähr-

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liche Höchstzahlen und Kontingente zu begrenzen. Das Parlament hat den Verfassungsartikel jedoch mit einer Stellenmeldepflicht umgesetzt und auf eine vollständige Kontingentierung der Zuwanderung verzichtet. Damit bleiben viele Bewilligungen für Ausländerinnen und Ausländer, die in die Schweiz einwandern, weiterhin von der zahlenmässigen Begrenzung ausgenommen. Das Parlament hat die Motion in Kenntnis von Artikel 121a BV überwiesen.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Nationalrat Marcel Dobler hat am 7. März 2017 die Motion 17.3067 «Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können» eingereicht. Sie wurde am 20. September 2018 vom Nationalrat und am 19. März 2019 vom Ständerat angenommen. Die Motion beauftragt den Bundesrat, durch eine Änderung der Verordnung vom 24. Oktober 20071 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass an den kantonalen Universitäten und den ETH ausgebildete Drittstaatsangehörige (Masterabsolventinnen und Masterabsolventen sowie Doktorandinnen und Doktoranden) aus Bereichen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel einfach und unbürokratisch in der Schweiz bleiben und eine Erwerbstätigkeit ausüben können. Dieses Ziel soll durch eine Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erreicht werden.

Die Motion wird damit begründet, dass die in der Schweiz teuer ausgebildeten jungen Spezialistinnen und Spezialisten aus Drittstaaten das Land verliessen, weil sie aufgrund von ausgeschöpften Höchstzahlen nach ihrem Abschluss trotz Fachkräftemangel nicht direkt angestellt werden könnten. Dies sei vor allem in Kantonen mit hohem Fachkräftebedarf der Fall. Die hier ausgebildeten Spezialistinnen und Spezialisten fänden ihre Erstanstellung im Ausland und seien somit für den Schweizer Arbeitsmarkt mittel- und langfristig verloren. Die Ausnahme von den Höchstzahlen sollte beispielsweise für Fachkräfte aus den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) oder mit einem Medizinstudium gelten.

Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Nach seiner Auffassung widerspricht die Schaffung einer Ausnahme von den Höchstzahlen dem bestehenden dualen Zulassungssystem und reduziert die Möglichkeit zur Steuerung der Migration. Zudem können Drittstaatsangehörige mit einem Schweizer Hochschulabschluss bereits heute erleichtert zugelassen werden. So sind sie unter gewissen Bedingungen vom Vorrang der Inländerinnen und Inländer sowie der EU/EFTA-Angehörigen ausgenommen.

Die von der Motion aufgegriffene Problematik war bereits Gegenstand verschiedener parlamentarischer Vorstösse.2 Auch als Folge dieser Vorstösse wurde die Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern mit einem Schweizer Hochschulabschluss in dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Ausländerinnen 1 2

SR 142.201 Motion 00.3039 Neirynck «Integration ausländischer ETH-Ingenieure» (als Postulat überwiesen); Postulat 02.3263 Neirynck «Integration der ausländischen Forscher» (angenommen); Motion 03.3205 Neirynck «Arbeitsbewilligungen für Hightechfirmen» (abgeschrieben, weil der Urheber aus dem Rat ausgeschieden ist); Motion 07.3782 Barthassat «Aufenthaltsbewilligung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss» (abgeschrieben, weil nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt); Motion 08.3376 FDP-Liberale Fraktion «Investitionen in die Ausbildung ausländischer Akademiker am Standort Schweiz nutzen» (abgelehnt).

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und Ausländer (AuG, heute Ausländer- und Integrationsgesetz vom 16. Dezember 2005 [AIG]3) und den entsprechenden Ausführungsbestimmungen in gewissen Bereichen erleichtert.

Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.407 Neirynck «Erleichterte Zulassung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Hochschulabschluss» Am 19. März 2008 reichte Nationalrat Jacques Neirynck die parlamentarische Initiative 08.407 «Erleichterte Zulassung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Hochschulabschluss» ein, der Folge gegeben wurde. Sie enthält Vorschläge für Gesetzesänderungen beim Vorrang der inländischen Arbeitskräfte, bei den Zulassungsvoraussetzungen, beim Aufenthalt zu einer Aus- oder Weiterbildung sowie bei der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen. Die am 18. Juni 20104 durch das Parlament beschlossenen Änderungen des AuG sind am 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Sie betreffen folgende Regelungen: ­

Personen aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss sind vom Vorrang der Inländerinnen und Inländer sowie der EU/EFTA-Angehörigen ausgenommen, wenn ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist (Art. 21 Abs. 3 AIG). Mit dieser gesetzlichen Bestimmung besteht keine Notwendigkeit mehr, die Regelung der Ausnahmen von den Zulassungsvoraussetzungen für diesen Personenkreis an den Bundesrat zu delegieren. Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe i AuG sowie die entsprechenden Ausführungsbestimmungen in der VZAE wurden daher aufgehoben.

­

Personen aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss werden zudem für eine Dauer von sechs Monaten nach dem Abschluss ihrer Aus- oder Weiterbildung in der Schweiz vorübergehend zugelassen, um eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu finden (Art. 21 Abs. 3 AIG).

­

Der Nachweis der gesicherten Wiederausreise als Bedingung für eine Zulassung zu einer Aus- oder Weiterbildung in der Schweiz (Art. 27 Abs. 1 Bst. d AuG) wurde abgeschafft.

­

Aufenthalte zur Aus- oder Weiterbildung (Art. 27 AIG) werden unter bestimmten Bedingungen an die Frist zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung angerechnet (Art. 34 Abs. 5 AIG).

Jährlich erfolgen schätzungsweise 150­200 Zulassungen gestützt auf diese Regelung.

Sie unterstehen jedoch den jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (Art. 20 AIG). Seit dem Jahr 2020 können die Zulassungen gestützt auf Artikel 21 Absatz 3 AIG statistisch exakt ausgewertet werden.

Im Jahr 2020 erfolgten 280 Zulassungen gestützt auf Artikel 21 Absatz 3 AIG, von Januar bis Mitte August 2021 waren es 239. Bei den früheren Auswertungen handelt es sich um Schätzungen des Staatssekretariats für Migration (SEM). Es ist davon auszugehen, dass diese Zulassungen jährlichen Schwankungen unterliegen.

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SR 142.20 AS 2010 5957

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Aktuelle parlamentarische Vorstösse In den letzten Jahren wurden mehrere Vorstösse eingereicht, die generell die Zulassung von hochqualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten betreffen: ­

Motion 17.3071 Noser «Ein attraktiver Forschungsplatz dank Start-up-Visa für Gründer» (abgelehnt).

­

Postulat 19.3651 Nantermod «Für eine Zuwanderungsregelung, die den Bedürfnissen der Schweiz entspricht» (angenommen): Der Bundesrat wird beauftragt, in einem Bericht verschiedene Varianten für eine bessere Regelung der Zuwanderung von qualifizierten Erwerbstätigen aus Drittstaaten zu prüfen. Optionen sind eine Verbesserung des bestehenden Kontingentsmodells oder die Einführung eines Systems, das stärker auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet ist, insbesondere der Hightech-Branchen, in denen ein Mangel an einheimischen Arbeitskräften herrscht.

­

Motion 19.3882 Derder «Aufenthaltsbewilligungen für Drittstaatenangehörige. Anpassung des Systems an die Bedürfnisse der Hightech-Branchen» (im Zweitrat hängig).

­

Interpellation 19.4124 Vonlanthen «Globaler Wettbewerb um Talente. Entsprechen die Bewilligungskriterien und -verfahren für Fachkräfte den Bedürfnissen der Wirtschaft?» (abgeschrieben, weil der Urheber aus dem Rat ausgeschieden ist).

­

Postulat 19.4351 Riklin «Talente und Fachkräfte für den Technologiestandort Schweiz im 21. Jahrhundert» (abgeschrieben, weil nicht innert zwei Jahren abschiessend im Rat behandelt): Es wird unter anderem die dringliche Einführung eines befristeten Visums für Fachkräfte aus Drittstaaten aus dem ICTBereich (Informations- und Kommunikationstechnik) sowie aus weiteren Bereichen gefordert.

­

Motion 19.4517 Silberschmidt «Einführung einer neuen Zulassungsregelung für qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten für Branchen mit Fachkräftemangel» (abgelehnt).

Ziel dieser Vorstösse ist es, die ausländerrechtliche Zulassung der von der Schweizer Wirtschaft dringend benötigten qualifizierten Fachkräfte aus Drittstaaten zu erleichtern. Dies auch vor dem Hintergrund des starken internationalen Wettbewerbs um die besten Fachkräfte.

Eine Anpassung des heutigen Systems der Zulassung von Arbeitskräften aus Drittstaaten setzt eine vertiefte und gesamtheitliche Prüfung möglicher Alternativen voraus. Insbesondere die demografische Entwicklung sowie strukturelle Veränderungen (auch aufgrund der Digitalisierung) in der Schweiz und im Ausland stellen dabei Herausforderungen dar. Der Bundesrat hat dazu den in Erfüllung des angenommenen Postulats 19.3651 Nantermod verfassten Bericht am 4. März 20225 verabschiedet. Dabei 5

www.sem.admin.ch > Publikationen & Service > Berichte > Bundesratsberichte > 2022 > Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 19.3631, Nantermod vom 19. Juni 2019 «Für eine Zuwanderungsregelung, die den Bedürfnissen der Schweiz entspricht»

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hat er auch die in den weiteren Vorstössen enthaltenen Fragestellungen so weit wie möglich berücksichtigt.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.2.1

Debatte im Parlament

Aus der parlamentarischen Debatte ist ersichtlich, dass die Motion 17.3067 Dobler aus volkswirtschaftlichen Überlegungen unterstützt wird. Der Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt von Drittstaatsangehörigen mit einem Schweizer Hochschulabschluss soll in Anknüpfung an die bisherigen Erleichterungen weiter verbessert werden. Für die Erwerbstätigkeit ­ insbesondere in bestimmten Bereichen mit einem ausgewiesenen Fachkräftemangel ­ soll zusätzlich eine Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen vorgesehen werden, sofern die auszuübende Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist.

In einigen Voten wird darauf hingewiesen, dass dieses Anliegen in einem Widerspruch zu Artikel 121a Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)6 steht. Demnach ist die Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern, die in die Schweiz einwandern, durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente zu begrenzen (siehe Ziff. 7.1). Aufgrund des hohen volkswirtschaftlichen Interesses und der zu erwartenden geringen Anzahl solcher Bewilligungsgesuche soll der Bundesrat daher neben der Ausnahme von den Höchstzahlen auch alternative Lösungen prüfen, etwa die Schaffung von Sonderkontingenten. Die Debatte zeigt weiter auf, dass eine bedarfsorientierte und gezielte Lösung nur für Bereiche mit einem ausgewiesenen Fachkräftemangel angestrebt wird. Sie soll sich nicht ausschliesslich auf die in der Motion erwähnten MINT-Berufe beschränken, aber auch keine generelle Öffnung des Schweizer Arbeitsmarkts für alle ausländischen Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen vorsehen.

1.2.2

Umsetzung der Motion 17.3067 Dobler

Seit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.407 Neirynck sind ausländische Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt vom Vorrang der Inländerinnen und Inländer sowie der EU/EFTA-Angehörigen ausgenommen, wenn die vorgesehene Tätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist (siehe Ziff. 1.1).

Die Motion 17.3067 Dobler verlangt zusätzlich eine Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit für die an den kantonalen Universitäten und den ETH ausgebildeten ausländischen Masterabsolventinnen und Masterabsolventen sowie Doktorandinnen und Doktoranden, wenn sie in einem Bereich mit ausgewiesenem Fachkräftemangel erwerbstätig sind.

Die Ausnahme von den Höchstzahlen soll insbesondere für Fachkräfte aus den MINT6

SR 101

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Bereichen oder Personen mit einem Abschluss in Medizin gelten. MINT ist eine Abkürzung, die für die Studienfachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik steht. In einer Studie des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2017 mit dem Titel «Studierende und Abschlüsse der Hochschulen in den MINT-Fächern»7 werden die MINT-Fächer definiert und die Abschlüsse in diesen Fächern in die Kategorien «universitäre Hochschulen» und «Fachhochschulen» unterteilt.

Die Motion beauftragt den Bundesrat, eine entsprechende Änderung von Artikel 21 VZAE vorzunehmen. Der Gesetzesentwurf des Bundesrats sieht aus systematischen Gründen allerdings eine Änderung von Artikel 30 AIG vor (siehe Ziff. 4.1). Dieser Artikel regelt die Ausnahmen von den Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18­29 AIG) für bestimmte Personengruppen und gibt dem Bundesrat die Kompetenz, die Rahmenbedingungen und das Verfahren zu regeln (Art. 30 Abs. 2 AIG).

Die bestehenden Ausnahmen insbesondere von den Höchstzahlen gestützt auf Artikel 30 AIG umfassen zum Beispiel schwerwiegende persönliche Härtefälle oder wichtige öffentliche Interessen sowie die Erwerbstätigkeit von Personen aus dem Asylbereich. Ausländische Absolventinnen und Absolventen von Schweizer Hochschulen erfüllen in der Regel die Zulassungsvoraussetzungen des AIG, wenn sie eine Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ausüben. Mit der Vorlage soll jedoch sichergestellt werden, dass in diesen Fällen eine Zulassung auch dann noch möglich ist, wenn keine Kontingente mehr vorhanden sind.

Der Bundesrat bestimmt in den Ausführungsbestimmungen, für welche Zulassungsvoraussetzungen die in Artikel 30 Absatz 1 AIG aufgeführten Ausnahmen gelten (Art. 30 Abs. 2 AIG; Art. 26­53a VZAE). Er wird daher zur Umsetzung der Motion die Ausnahme von den Höchstzahlen für bestimmte Absolventinnen und Absolventen von Schweizer Hochschulen und die dafür erforderlichen Voraussetzungen ebenfalls in der VZAE festlegen (siehe Ziff. 5).

Die Vereinbarkeit dieser Ausnahme von den Höchstzahlen mit Artikel 121a BV wird in Ziffer 7.1 ausgeführt.

1.2.3

Verworfene Alternativen

Schaffung einer separaten Höchstzahl in der VZAE Mit der Schaffung einer separaten Höchstzahl durch den Bundesrat in der VZAE für die in der Motion 17.3067 Dobler definierte Personenkategorie könnte sichergestellt werden, dass die Zulassung nicht verweigert werden muss, weil die allgemeine Höchstzahl bereits aufgrund von Aufenthaltsbewilligungen mit anderen Aufenthaltszwecken erreicht wurde. Mit dieser Lösung würde das Problem der knappen Kontingente für Personen mit Studienabschluss in der Schweiz entschärft und die Planungsund Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen gesteigert.

Diese Variante wäre zwar mit Artikel 121a BV vereinbar; das Grundanliegen der Motion würde aber nur teilweise berücksichtigt, da sie eine vollständige Ausnahme von 7

www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft.

assetdetail.2140048.html; S. 32.

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den Höchstzahlen vorsieht. Die Schaffung einer spezifischen Höchstzahl nur für diese bestimmte Personengruppe schafft zudem ein erhebliches Präjudiz für andere Branchen, die ebenfalls separate Höchstzahlen fordern könnten. Der Bundesrat hat die Schaffung von separaten Höchstzahlen für bestimmte Branchen unter anderem wegen der damit verbundenen erheblichen Vollzugsprobleme und der verminderten Flexibilität bei der Kontingentsvergabe bisher immer abgelehnt.

Seit Bestehen des dualen Zulassungssystems hat der Bundesrat bei Bedarf lediglich gestützt auf bilaterale Abkommen spezifische Höchstzahlen für bestimmte Länder geschaffen (beispielsweise für neue Mitglieder der EU bei der schrittweisen Einführung des Abkommens vom 21. Juni 19998 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit oder im Rahmen der Übergangslösung nach dem Austritt von Grossbritannien aus der EU).

Erhöhung der jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit Gestützt auf Artikel 20 Absatz 2 AIG könnte der Bundesrat die bereits bestehenden Höchstzahlen (Anhänge 1 und 2 VZAE) entsprechend erhöhen, um die Zulassung der in der Motion definierten Personengruppe zu sichern ­ auch wenn das SEM seit der Inkraftsetzung des AIG keine Gesuche von Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen nur aufgrund fehlender Kontingente im Rahmen des Zustimmungsverfahrens verweigert hat. Ob es in einzelnen Kantonen aus Kontingentsgründen zu Verweigerungen gekommen ist, ist dem Bundesrat nicht bekannt. Die Kantone haben aber die Möglichkeit, zusätzliche Kontingentseinheiten aus der Bundesreserve zu beantragen, wenn die ihnen zugeteilten Kontingente ausgeschöpft sind. Die Bundesreserve wurde in den letzten Jahren nicht ausgeschöpft.

Damit würde das Grundanliegen der Motion nur teilweise berücksichtigt, da sie eine vollständige Ausnahme von den Höchstzahlen verlangt. Bei einer Erhöhung der jährlichen Höchstzahlen ist zudem eine «Reservation» für eine bestimmte Personengruppe nicht möglich. Es besteht somit die Gefahr, dass die zusätzlichen Höchstzahlen auch für Erwerbstätige in anderen Branchen und mit anderen Tätigkeiten genutzt werden, und nicht nur für die Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen. Dies
vermindert die geforderte Planungs- und Rechtssicherheit für die Unternehmen. Bei dieser Variante liegt es an den Kantonen sicherzustellen, dass die Höchstzahlen entsprechend ihrem Zweck genutzt werden. Die Prioritäten der Kantone können sich jedoch erfahrungsgemäss im Laufe der Zeit und je nach Wirtschaftslage ändern.

Schliesslich besteht auch hier die Gefahr eines Präjudizes, da andere Branchen ebenfalls eine Erhöhung der Höchstzahlen für ihre eigenen Bedürfnisse verlangen könnten.

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SR 0.142.112.681

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1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage wurde weder in der Botschaft vom 27. Januar 20169 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch in der Botschaft vom 29. Januar 202010 zur Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Sie steht jedoch in engem Zusammenhang mit einem Jahresziel des Bundesrates für das Jahr 2022 (Ziel 13: Die Schweiz steuert die Migration, nutzt deren wirtschaftliches und soziales Potenzial und setzt sich für die internationale Zusammenarbeit ein).11

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Durch die Änderung des AIG wird die Motion 17.3067 Dobler umgesetzt; diese kann somit als erledigt abgeschrieben werden.

2

Vernehmlassungsverfahren

2.1

Generelle Bemerkungen

Der Bundesrat beauftrage am 27. Oktober 2021 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Dieses dauerte bis am 10. Februar 2022.

Zur Vorlage haben 25 Kantone, 5 politische Parteien, das Bundesverwaltungsgericht (BVGer), 6 gesamtschweizerische Dachverbände und 32 interessierte Kreise Stellung genommen. Insgesamt gingen 69 Stellungnahmen ein. 5 Vernehmlassungsteilnehmende haben ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.

23 Kantone (AG, AI, AR, BL, BS, FR, GE, GL, JU, LU, NE, NW, OW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VD, VS und ZH) begrüssen die Vorlage; BE nur unter Vorbehalt von Änderungsanträgen und weiteren Anregungen. ZG lehnt die Vorlage ab.

Von den politischen Parteien begrüssen die FDP, die Grünliberalen und die Mitte die vorgeschlagene Umsetzung der Motion. Während die SP die Vorlage im Grundsatz unterstützt, lehnt die SVP diese ab. Von den gesamtschweizerischen Dachverbänden stimmen economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), der Schweizerische Gewerbeverband, der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und der Schweizerische Städteverband dem Vernehmlassungsentwurf zu. Travail Suisse ist mit einem Vorbehalt ebenfalls damit einverstanden.

Alle 32 interessierten Kreise (actionuni der Schweizer Mittelbau [actionuni], Arbeitgeberverband der Banken in der Schweiz, Campus Tourismus Graubünden, Centre

9 10 11

BBl 2016 1105 BBl 2020 1777 www.bk.admin.ch > Dokumentation > Führungsunterstützung > Ziele des Bundesrates > Ziele des Bundesrates 2022

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Patronal, Chambre de commerce, d'industrie et des services de Genève, Chambre vaudoise du commerce et de l'industrie, Dachverband Absolventinnen und Absolventen Fachhochschulen, Digitalswitzerland, EHL Hospitality Business School [EHL], EHL Hotelfachschule Passugg [EHL SSTH], Fédération des Entreprises Romandes, GastroGraubünden, GastroSuisse, Groupement des Entreprises Multinationales, HotellerieSuisse, HotellerieSuisse Graubünden, Personalverband für den Service Public [transfair], Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen, Schweizer Tourismus-Verband [STV], Schweizerischer Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik [swico], scienceindustries, Swiss Entrepreneurs & Startup Association [SWESA], Swiss-American Chamber of Commerce [Amcham], Swissmem, swissuniversities, Verband der Fachhochschuldozierenden Schweiz [fh-ch], Verband der Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in der Schweiz, Verband der Schweizer Studierendenschaften, Verband der Studierenden an der ETH [VSETH], Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden [VKM], Zürcher Handelskammer), die eine Stellungnahme eingereicht haben, begrüssen die Vorlage.

Von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden wurden trotz der grundsätzlichen Zustimmung Änderungsanträge und Hinweise zum erläuternden Bericht vorgebracht.

2.2

Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss

2.2.1

Anpassung der Indikatoren

Campus Tourismus Graubünden, EHL, EHL SSTH, GastroGraubünden und HotellerieSuisse Graubünden verlangen, dass die Indikatoren für die Feststellung des Fachkräftemangels in Branchen mit regionalen und saisonalen Nachfrageschwankungen (d. h. Gastgewerbe und Hotellerie) überprüft und akkurat abgebildet werden (nach Ansicht von HotellerieSuisse sollten verbesserte Kennzahlen definiert werden). GastroSuisse und STV schlagen vor, Indikatoren wie die Rekrutierungsschwierigkeiten und die Anzahl offener Stellen stärker in die Beurteilung miteinzubeziehen.

Haltung des Bundesrats Zur Feststellung eines ausgewiesenen Bedarfs für Fachkräfte können neben dem Indikatorensystem zur Beurteilung der Fachkräftenachfrage des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) auch weitere Hilfsmittel genutzt werden (siehe Ziff. 5). Dies gilt auch für die von den Vernehmlassungsteilnehmenden insbesondere in den Bereichen des Gastgewerbes und der Hotellerie erwähnten Instrumente.

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2.2.2

Verlängerung der Zulassung für die Stellensuche nach Abschluss der Ausbildung und freiwilliges Praktikum

Economiesuisse, SAV, scienceindustries, SWESA, swico und VSETH schlagen zwei weitere Massnahmen vor, um die dringend notwendige Attraktivität der Schweiz im internationalen Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte zu schaffen: eine einmalige, bewilligungspflichtige Verlängerung der sechsmonatigen Zulassung für die Stellensuche nach Abschluss der Ausbildung (ebenso GE, actionuni und Amcham) sowie die Möglichkeit, während oder nach dem Studium ein freiwilliges Praktikum zu absolvieren.

Haltung des Bundesrats Eine Verlängerung der sechsmonatigen Zulassung für die Stellensuche nach Abschluss der Ausbildung (Art. 21 Abs. 3 AIG) ist nicht notwendig, wenn die angestrebte Erwerbstätigkeit tatsächlich von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist und ein ausgewiesener Fachkräftemangel besteht. Bei der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.407 Neirynck (siehe Ziff. 1.1) wurde die sechsmonatige Zulassung für die Stellensuche ebenfalls als ausreichend erachtet und sie hat seit der Einführung am 1. Januar 2011 in der Praxis bisher nie zu Problemen geführt. Der Bundesrat erachtet es auch nicht als notwendig, dass während oder nach Abschluss der Ausbildung die Absolvierung eines freiwilligen Praktikums ermöglicht wird. Gerade in Bereichen, in denen ein ausgewiesener Fachkräftemangel herrscht, ist davon auszugehen, dass der Berufseinstieg auch ohne ein vorgängiges freiwilliges Praktikum erfolgen kann. Eine solche Massnahme würde zudem über das Anliegen der Motion hinausgehen, den Zugang zum Arbeitsmarkt durch eine Ausnahme von den Höchstzahlen zu erleichtern.

2.2.3

Koordination mit Art. 30 AIG

Das BVGer ist der Auffassung, dass mit dem Inkrafttreten von Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe m E-AIG Artikel 21 Absatz 3 AIG kaum mehr zur Anwendung gelangen werde. Wenn jedoch an Artikel 21 Absatz 3 AIG festgehalten werden sollte und man wollte, dass der Kanton bei solchen Gesuchen zuerst das Kontingent ausschöpfe, sei eine Koordination von Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe m E-AIG mit Artikel 21 Absatz 3 AIG erforderlich.

Haltung des Bundesrats Mit der Umsetzung der Vorlage soll nicht erreicht werden, dass ein Kanton zuerst seine ihm zugeteilten Kontingente ausschöpft. Die betroffenen Personen sollen von den Höchstzahlen ausgenommen werden. Eine Änderung der Zulassungsvoraussetzungen ist demgegenüber nicht vorgesehen. Artikel 21 Absatz 3 AIG soll somit weiterhin zur Anwendung kommen. Er sieht eine Ausnahme vor vom Vorrang der inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Angehörigen von Staaten, mit denen ein Freizügigkeitsabkommen abgeschlossen wurde. Eine Koordination von

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Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe m E-AIG mit Artikel 21 Absatz 3 AIG ist somit nicht erforderlich.

2.2.4

Brain-Drain

Der SGB hält fest, dass sich die Schweiz mit dieser Vorlage weiterhin als Brain-DrainProfiteurin positioniere. Diese Problematik wird auch von Travail Suisse und einem Mitglied der VKM angesprochen.

Haltung des Bundesrats Mit der vorgeschlagenen Änderung wird die Zulassung von Personen, die im Ausland ausgebildet wurden, nicht erleichtert. Es wird vorausgesetzt, dass die Ausbildung in der Schweiz erfolgt ist. Zudem handelt es sich um eine geringe Anzahl von Personen aus sehr unterschiedlichen Herkunftsländern, die diese Voraussetzungen erfüllen können. Aus diesen Gründen kann nicht von einer Verstärkung des Brain-Drains gesprochen werden.

2.2.5

Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse / Schweizer Hochschule

Die SP erachtet die in Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe m E-AIG enthaltene Hürde einer Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Interesse als viel zu hoch. Der SAV hält fest, dass in der Praxis insbesondere das Kriterium der «hohen Spezialisierung» dazu führen könne, dass die betreffende Person keinen Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt erhalte und damit dem Schweizer Arbeitsmarkt verloren geht.

ZG geht die vorgesehene Gesetzesänderung zu weit, weil damit allen ausländischen Studierenden an kantonalen Fachhochschulen mit unterschiedlichen Abschlüssen (einschliesslich Bachelor und Master of Advanced Studies) der Zugang zum Arbeitsmarkt geöffnet werde. Die SVP verlangt, dass die Zulassung auf den MINT-Bereich beschränkt werde.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende weisen darauf hin, dass die Vorlage offene und unbestimmte Rechtsbegriffe (z. B. Schweizer Universität / Hochschule) enthalte.

Diese sollten in der VZAE (TI und zwei Mitglieder der VKM) oder im Gesetz (swissuniversities) genauer umschrieben werden. BE regt an, die weiterhin geltenden Zulassungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit der neuen Bestimmung direkt im Gesetz und nicht in der Verordnung zu regeln.

Fh-ch fordert, dass die Zulassung auch dann erleichtert werde, wenn die Erwerbstätigkeit von hohem gesellschaftlichem Interesse ist. Das Schweizer Bildungssystem bilde nicht nur höchstspezialisierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, sondern auch jene Fachkräfte, die Grundlagenwissen umsetzen und damit sowohl der Wirtschaft wie der Gesellschaft dienen.

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Die Begriffe «Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse» und «Schweizer Hochschule» werden bereits heute in Artikel 21 Absatz 3 AIG verwendet. Es besteht eine langjährige Praxis zur Auslegung dieser Begriffe.

Diese kann auch bei der Anwendung von Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe m E-AIG berücksichtigt werden. Aufgrund der Rechtsprechung des BVGer und den Erläuterungen in den Weisungen des SEM ist es auch nicht notwendig, diese Begriffe gesetzlich näher zu definieren.

2.2.6

Diverse weitere Forderungen und Vorbringen

Die SVP fordert, dass für die betreffende Personengruppe ein separates Kontingent geschaffen werde, das auf das Gesamtkontingent anzurechnen sei. Zudem seien die bestehenden Mittel des subventionierten tertiären Bildungsbereichs künftig in den MINT-Bereich zu verlagern, und die ausländischen Studierenden sollten mindestens 50 Prozent der Kosten für das Studium selber tragen. Die SVP weist zudem auf die starke Zunahme der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz während der letzten Jahrzehnte hin.

Nach Ansicht von transfair soll eine Abhängigkeit von Arbeitskräften aus dem Ausland vermieden werden. Es sollten genügend Anreize für inländische Arbeitskräfte geschaffen werden, damit diese die erforderlichen Abschlüsse erwerben und in den entsprechenden Bereichen arbeiten.

Diverse Vernehmlassungsteilnehmende bringen vor, dass auch Absolventinnen und Absolventen mit anerkanntem Hochschulabschluss, einschliesslich von Hotelfachschulen (Campus Tourismus Graubünden, EHL, EHL SSTH, GastroGraubünden, GastroSuisse, HotellerieSuisse Graubünden und STV), sowie Absolventinnen und Absolventen von höheren Fachschulen (HotellerieSuisse und STV) zugelassen werden sollten.

Haltung des Bundesrats Bei den Forderungen bezüglich der Umschichtung der vorhandenen finanziellen Mittel in der tertiären Ausbildung, der Erhöhung der Studiengebühren für Ausländerinnen und Ausländer oder der Schaffung von Anreizen für inländische Arbeitskräfte handelt es sich um Anliegen, die nicht Gegenstand dieser Vorlage sind. Die Schaffung von separaten Höchstzahlen für bestimmte Branchen oder Ausbildungen hat der Bundesrat bisher abgelehnt, da dies zu einem unflexiblen und komplizierten Zulassungssystem führt (siehe Ziff. 1.2.3).

2.2.7

Fazit

Der Bundesrat erachtet die vorgeschlagenen Anpassungen aus den dargelegten Gründen nicht als notwendig. Er hält daher am Vernehmlassungsentwurf, dem auch eine grosse Mehrheit der Vernehmlassenden zugestimmt hat, unverändert fest.

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3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Mitgliedstaaten der EU können Drittstaatsangehörigen einen Aufenthaltstitel (Blaue Karte EU) zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in dem jeweiligen Mitgliedsstaat erteilen. Grundlage für die Blaue Karte EU ist die Richtlinie 2009/50/EG12.

Antragstellerinnen und Antragsteller müssen unter anderem einen gültigen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für mindestens ein Jahr mit einem Gehalt, das mindestens dem Anderthalbfachen des durchschnittlichen Bruttojahresgehalts in dem betreffenden Mitgliedstaat entspricht, vorlegen. Im Jahr 2022 beträgt dieses beispielsweise in Deutschland 56 400 Euro13 und in Österreich 66 593 Euro14. Erfolgreiche Antragstellerinnen und Antragsteller erhalten eine Blaue Karte EU mit einer Standard-Gültigkeitsdauer von ein bis vier Jahren; die genaue Gültigkeitsdauer wird vom entsprechenden Mitgliedstaat festgelegt. Nach einem Aufenthalt von 18 Monaten können Inhaberinnen und Inhaber der Blauen Karte EU leichter erforderliche Visa erhalten, um in einen anderen Mitgliedstaat zu ziehen. Gegen die Antragstellerin oder den Antragsteller dürfen keine Bedenken hinsichtlich einer Bedrohung der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Sicherheit vorliegen.

Generell kann sich der Antragsprozess zwischen den Mitgliedstaaten jedoch erheblich unterscheiden. Zudem «konkurriert» in vielen Mitgliedstaaten die Blaue Karte EU mit den nationalen Einreisebestimmungen.15 Das Europäische Parlament hat im September 2021 die EU-Blue-Card-Reform gebilligt, die die Anstellung von hochqualifizierten Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern erleichtern und den Arbeitskräftemangel in Schlüsselsektoren verringern soll.16 Der Europäische Rat hat die neue Richtlinie 2021/188317 am 7. Oktober 2021 angenommen. Die Mitgliedstaaten haben nach der Veröffentlichung des Textes im Amtsblatt zwei Jahre Zeit, die erforderlichen Rechtsvorschriften einzuführen, um dieser Richtlinie nachzukommen.

12

13

14 15

16

17

Richtlinie 2009/50/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung, ABl. L 155 vom 18.6.2009, S. 17.

www.auswaertiges-amt.de > Service > Häufig gestellte Fragen (FAQ) > Arbeiten und Leben in Deutschland > Was ist die Blaue Karte EU / EU Blue Card? Wer kann sie bekommen? Wo bekomme ich sie?

www.migration.gv.at > Formen der Zuwanderung > Dauerhafte Zuwanderung > Blaue Karte EU Stitteneder, Tanja (2018): Die Blaue Karte EU: Ein länderübergreifender Überblick.

In: ifo Schnelldienst 2018/6, 43­47. Kann abgerufen werden unter: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2018-06-stitteneder-eu-blue-card-2018-03-22.pdf.

Europäisches Parlament (15.9.2021): Blaue Karte: Neue Regeln für hochqualifizierte Einwanderer in die EU. Kann abgerufen werden unter: www.europarl.europa.eu/ portal/de > Aktuelles > Presseraum.

Richtlinie 2021/1883 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2021 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/50/EG des Rates, ABl. L 382 vom 28.10.2021, S. 1.

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4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die mit der Motion angestrebte Ausnahme von den jährlichen Höchstzahlen für ausländische Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt kann nicht durch die vorgeschlagene Änderung von Artikel 21 VZAE erreicht werden. Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahmen von der Anrechnung an die Höchstzahlen beziehen sich nicht auf einen bestimmten Zulassungsgrund, sondern auf die Beendigung des Aufenthalts nach kurzer Zeit oder den Verzicht auf eine bereits bewilligte Erwerbstätigkeit. In Artikel 20 AIG ist festgelegt, dass der Bundesrat Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen festlegen kann. Da es sich hierbei jedoch um eine «Kann-Bestimmung» handelt, kann der Bundesrat auf diese Festlegung von Höchstzahlen für bestimmte Zulassungsgründe auch verzichten.

Der Bundesrat hat bisher jedoch nur Ausländerinnen und Ausländer von den Höchstzahlen ausgenommen, die kurzfristig in der Schweiz erwerbstätig sind (Art. 19 Abs. 4 VZAE). Alle anderen Ausnahmen von den Zulassungsvoraussetzungen für bestimmte Personengruppen sind auf Gesetzesstufe geregelt. Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat eine Änderung von Artikel 30 AIG vor.

Die Ausnahme von den Höchstzahlen für ausländische Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt soll nur dann zur Anwendung kommen, wenn die auszuübende Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist. Nach geltendem Recht können ausländische Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen bereits unter den gleichen Voraussetzungen vom Vorrang der Inländerinnen und Inländer sowie der EU/EFTAAngehörigen ausgenommen werden (Art. 21 Abs. 3 AIG).

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Ziel der Vorlage ist es, die vom Parlament angenommene Motion 17.3067 Dobler umzusetzen. Mit der vorgeschlagenen Regelung sollen die an einer Schweizer Hochschule ausgebildeten ausländischen Fachkräfte aus Drittstaaten von den jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen ausgenommen werden können, wenn ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist.

Da es bezüglich der Zuständigkeiten mit der vorgeschlagenen Anpassung keine Änderungen gibt, entstehen für den Bund und die Kantone keine neuen Aufgaben. Auch wird davon ausgegangen, dass Bund und Kantone aufgrund der neuen Regelungen keine finanziellen und personellen Ressourcen aufzuwenden haben (siehe Ziff. 6.1).

4.3

Umsetzungsfragen

Die Vorlage sieht keine neuen Aufgaben für die Vollzugsbehörden des Bundes und der Kantone vor. Ausführungen zu der durch die Vorlage notwendige Anpassung der VZAE finden sich in den Ziffern 1.2.2 und 5.

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Erläuterungen zum Artikel

Art. 30 Absatz 1 Buchstabe m Gemäss den Voten im Parlament soll die Umsetzung der Motion 17.3067 Dobler in enger Anknüpfung an die bereits umgesetzte parlamentarische Initiative 08.407 Neirynck erfolgen (siehe Ziff. 1.1). Die Definition des betroffenen Personenkreises richtet sich daher nach Artikel 21 Absatz 3 AIG, der bereits eine Ausnahme vom Vorrang der inländischen Arbeitskräfte vorsieht. Damit wird ein kohärenter und einfacher Vollzug sichergestellt.

Eine Ausnahme von den Höchstzahlen ist somit nur möglich, wenn ein entsprechender Hochschulabschluss vorliegt und ein hohes wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse an der Erwerbstätigkeit besteht. Bei der Auslegung dieser Begriffe kann die unbestrittene Praxis des BVGer zum gleichlautenden Artikel 21 Absatz 3 AIG berücksichtigt werden. Gemäss BVGer ist der Begriff des hohen wissenschaftlichen Interesses mit Blick auf die in Artikel 20 BV verankerte Wissenschaftsfreiheit auszulegen.18 Angesichts der nicht auf bestimmte Wissenschaftszweige beschränkten Absicht des Gesetzgebers, die Position der Schweiz im internationalen Wettbewerb um die «besten Köpfe» zu stärken,19 ist der Wissenschaftsbegriff im vorliegenden Kontext weit auszulegen. Namentlich sind Absolventinnen und Absolventen von Hochschulen und Fachhochschulen sowohl natur- als auch sozial- und geisteswissenschaftlicher Orientierung erleichtert zuzulassen, falls sie die Voraussetzungen von Artikel 21 Absatz 3 AIG erfüllen. Ein hohes wirtschaftliches Interesse an der Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn für eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit ein ausgewiesener Bedarf auf dem Arbeitsmarkt besteht, die abgeschlossene Fachrichtung hoch spezialisiert und auf die Stelle zugeschnitten ist, die Besetzung der Stelle unmittelbar zusätzliche Stellen schafft oder neue Aufträge für die Schweizer Wirtschaft generiert.

Als Hilfsmittel zur Feststellung eines ausgewiesenen Bedarfs können beispielsweise das Indikatorensystem zur Beurteilung der Fachkräftenachfrage des SECO20 oder weitere Instrumente zur Konjunktur- und Fachkräftemangelanalyse herbeigezogen werden. Mit diesem Vorgehen kann insbesondere dem gesamtwirtschaftlichen Interesse gebührend Rechnung getragen werden, und es erfolgen ausschliesslich Zulassungen in Bereichen mit begründeten Anzeichen für einen Fachkräftebedarf.

Neben der
erleichterten Zulassung zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit soll auch die Zulassung zur selbstständigen Erwerbstätigkeit möglich sein. Damit könnte dem im Parlament geäusserten Anliegen in Bezug auf die Weiterentwicklung der parlamentarischen Initiative 08.407 Neirynck sowie der Förderung von innovativen Start-ups entsprochen werden. Die Schweiz wird mit einer solchen Regelung im internationalen Vergleich auch konkurrenzfähiger (siehe dazu Erleichterungen für Start18 19 20

Urteil C-674/2011 vom 2. Mai 2012 Erwägung 6.3.1; Urteil C-3859/2014 vom 6. Januar 2016 Erwägung 7.2.

BBl 2010 427, S. 437 www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Publikationen > Arbeit > Arbeitsmarktanalyse > Fachkräftebedarf > Indikatorensystem zur Beurteilung der Fachkräftenachfrage

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ups in Kanada, Australien, Neuseeland, Singapur, Chile, Irland, im Vereinigten Königreich, Estland, Italien, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark, Portugal, Spanien und Litauen)21. Die bisherigen Erfahrungen zeigen zudem, dass in diesem Bereich nur wenige Gesuche zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eingereicht und bewilligt werden.

Für die Auslegung des Begriffs «Schweizer Hochschule» ist ebenfalls auf die Auslegung von Artikel 21 Absatz 3 AIG zu verweisen, der den gleichen Begriff enthält.

Massgebend ist dabei Artikel 2 des Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetzes vom 30. September 201122. Der Begriff umfasst somit die universitären Hochschulen, die kantonalen Universitäten, die ETH, die Fachhochschulen und die pädagogischen Hochschulen sowie beitragsberechtigte Universitätsinstitutionen (beispielsweise Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Paul-Scherrer-Institut, das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft). Damit wird sichergestellt, dass nur Absolventinnen und Absolventen, deren Ausbildung grundsätzlich durch öffentliche Gelder unterstützt wurde, erleichtert zugelassen werden können. Ebenfalls gestützt auf die etablierte Praxis bei der Anwendung von Artikel 21 Absatz 3 AIG gelten die folgenden Abschlussstufen als Schweizer Hochschulabschluss: Bachelor-, Master- und Doktorabschluss sowie Master of Advanced Studies. Die berufsbegleitenden Weiterbildungsprogramme Certificate of Advanced Studies und Diploma of Advanced Studies gelten nicht als Schweizer Hochschulabschluss.

Eine gestützt auf diese Bestimmung erteilte Aufenthaltsbewilligung wird befristet erteilt und die gesetzlichen Regelungen bezüglich Verlängerung, Widerruf und Erlöschen einer Bewilligung finden Anwendung. Bei einer Aufgabe der Erwerbstätigkeit kann daher der Widerruf oder die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung geprüft werden.

Die vorgeschlagene neue Ausnahme von den Zulassungsvoraussetzungen bedarf einer Konkretisierung in der VZAE (Art. 30 Abs. 2 AIG). Mit der Festlegung der Rahmenbedingungen wird der Anwendungsbereich näher festgelegt. Mit einem neuen Artikel im 3. Kapitel 4. Abschnitt der VZAE soll präzisiert werden, dass Zulassungen gestützt auf Artikel 30 Buchstabe m E-AIG möglich sind, wenn diese
insbesondere in Branchen und Berufen erfolgen, in denen ein ausgewiesener Bedarf auf dem Schweizer Arbeitsmarkt besteht. Es ist aber auch möglich, dass aufgrund einer besonderen Ausgangslage im Einzelfall auch in anderen Bereichen ein hohes wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse an einer erleichterten Zulassung besteht. Zudem müssen die Lohn- und Arbeitsbedingungen nach Artikel 22 AIG weiterhin eingehalten werden und die Ausländerin oder der Ausländer muss über eine bedarfsgerechte Wohnung nach Artikel 24 AIG verfügen. Bei einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit ist ein Gesuch des Arbeitgebers nach Artikel 18 Buchstabe b AIG notwendig. Handelt es sich hingegen um eine selbstständige Erwerbstätigkeit, so ist nachzuweisen, dass die notwendigen finanziellen und betrieblichen Voraussetzungen nach Artikel 19 Buchstabe b AIG erfüllt werden und eine ausreichende, eigenständige Existenzgrundlage nach Artikel 19 Buchstabe c AIG vorhanden ist.

21 22

https://pickvisa.com/blog/the-world-best-15-startup-visas SR 414.20

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Die entsprechenden kantonalen Aufenthaltsbewilligungen sollen zudem zur Kontrolle und zur Vereinheitlichung der kantonalen Praxis dem Zustimmungsverfahren durch das SEM unterstellt werden (Art. 99 AIG). Dies erfordert eine Anpassung von Artikel 5 der Verordnung des EJPD vom 13. August 201523 über das ausländerrechtliche Zustimmungsverfahren. Diese Bestimmung sieht das Zustimmungsverfahren auch für die meisten anderen Ausnahmen von den Zulassungsvoraussetzungen nach Artikel 30 Absatz 1 AIG vor.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund und die Kantone

Die vorliegende Gesetzesänderung hat grundsätzlich keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf die Vollzugstätigkeit des Bundes oder der Kantone. Der Bund und die Kantone prüfen im Rahmen der bestehenden Verfahren und mit den bestehenden personellen und finanziellen Mitteln die Voraussetzungen für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Ein möglicher Anstieg der Gesuchseingänge würde bei den kantonalen Arbeitsmarktbehörden und beim SEM zu einem gewissen Mehraufwand führen, allerdings ist nur von einem beschränkten Anstieg auszugehen. Es ist zudem nicht zu erwarten, dass in diesen Fällen Integrationsmassnahmen erforderlich sind, da die betroffene Personengruppe eine mehrjährige Hochschulausbildung in der Schweiz absolviert hat und die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit in einer Branche mit Fachkräftemangel nachweisen muss.

6.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die vorliegende Gesetzesänderung soll es der Schweizer Wirtschaft ermöglichen, Spezialistinnen und Spezialisten aus Drittstaaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss erleichtert zu rekrutieren, sofern ein ausgewiesener Fachkräftebedarf besteht.

Damit würde auch der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften verringert, die im Ausland ausgebildet wurden und noch keinen Bezug zur Schweiz haben. Die Voraussetzungen für eine Bewilligungserteilung werden in diesen Fällen weiter vereinfacht und der Ausgang eines Bewilligungsverfahrens ist für die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller mit weniger Unsicherheiten verbunden.

Durch die angestrebte vermehrte Anstellung von Personen mit einem Schweizer Hochschulabschluss kommen die Investitionen der öffentlichen Hand in diesem Bereich auch verstärkt der Schweizer Volkswirtschaft zugute.

23

SR 142.201.1

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7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Artikel 121a Absatz 2 BV verpflichtet den Gesetzgeber, die Zuwanderung zu steuern, indem er die Zahl der erteilten Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern, die in die Schweiz einwandern, durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt. Die Höchstzahlen gelten für alle ausländerrechtlichen Bewilligungen für einen längerfristigen Aufenthalt, unabhängig vom Zulassungsgrund.

Der Bundesrat hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt (Botschaft vom 4. März 201624 zur Umsetzung von Art. 121a BV). Das Parlament hat den Verfassungsartikel mit einer Stellenmeldepflicht umgesetzt und auf eine vollständige Kontingentierung der Zuwanderung, insbesondere auch im Asylbereich, beim Familiennachzug oder bei der Zulassung zu einem Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit, verzichtet. Der Aufenthalt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit war schon vor dem Inkrafttreten von Artikel 121a BV den Höchstzahlen unterstellt.

Heute unterstehen daher weiterhin lediglich Erwerbstätige aus Drittstaaten sowie Dienstleistungserbringer aus den EU/EFTA-Staaten mit einem Aufenthalt von mehr als 90 Arbeitstagen im Kalenderjahr den Höchstzahlen, sofern keine Abweichungen vorgesehen sind. Gestützt auf Artikel 30 AIG können Personen bereits heute aus unterschiedlichen Gründen ohne Anrechnung an die Höchstzahlen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Dies gilt unter anderem für Asylsuchende, schwerwiegende persönliche Härtefälle und Ehepartnerinnen oder Ehepartner von Personen mit Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligungen. Den Höchstzahlen unterstellt sind heute auch Drittstaatsangehörige, die gemäss den Anforderungen der Motion in der Schweiz einen Hochschulabschluss erworben haben und hier anschliessend eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen. Ihre Ausnahme von den bestehenden Höchstzahlen widerspricht somit den Anforderungen von Artikel 121a Absatz 2 BV.

Bei Drittstaatsangehörigen mit Schweizer Hochschulabschluss, die die qualitativen Voraussetzungen der Motion 17.3067 Dobler erfüllen, handelt es sich um eine zahlenmässig beschränkte Gruppe von jährlich schätzungsweise 200 bis 300 Personen.

Sie halten sich in der Regel bereits einige Jahre in der Schweiz auf und sind oft schon gut integriert. Zudem haben sie ein durch öffentliche Gelder finanziertes Studium erfolgreich abgeschlossen und verfügen über
eine hohe berufliche Qualifikation, für die auf dem Schweizer Arbeitsmarkt eine hohe Nachfrage besteht. Damit liegt eine besondere Situation vor, die von der übrigen Einwanderung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit klar abgegrenzt werden kann.

Bei dieser besonderen Ausgangslage erscheint die Schaffung einer neuen Ausnahme von den Höchstzahlen durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung vertretbar. Sie ist insbesondere mit den bisherigen Entscheiden des Parlaments vereinbar, wonach auch in vielen anderen und wesentlich umfangreicheren Bereichen bei der Umsetzung von Artikel 121a Absatz 2 BV auf Höchstzahlen und Kontingente verzichtet wurde. Ein Paradigmenwechsel liegt somit nicht vor. Zudem hat das Parlament die Motion in Kenntnis der vorliegenden Problematik an den Bundesrat überwiesen.

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Der Bundesrat ist sich jedoch bewusst, dass die Vorlage der Auslegung von Artikel 121a BV in der Botschaft vom 7. Dezember 201225 zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» sowie der Botschaft vom 4. März 2016 zur Umsetzung von Artikel 121a BV widerspricht und somit seiner Auffassung nach nicht rechtskonform ist. Die Schaffung einer neuen Ausnahmebestimmung in Artikel 121a Absatz 2 BV für diese kleine Personengruppe wäre jedoch nicht verhältnismässig. Dies auch angesichts der Tatsache, dass das Parlament für die ebenfalls von den Höchstzahlen ausgenommenen umfangreichen weiteren Bereiche auch keine Ausnahmebestimmung in der Bundesverfassung schaffen wollte.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

7.3

Erlassform

Mit der Vorlage soll die Motion 17.3067 Dobler umgesetzt werden. Demnach wird der Bundesrat beauftragt, durch eine Änderung der VZAE die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bestimmte an den Schweizer Hochschulen ausgebildete Ausländerinnen und Ausländer von den Höchstzahlen ausgenommen werden. Aus systematischen Gründen schlägt der Bundesrat jedoch eine Gesetzesänderung vor, da auch die übrigen Ausnahmen von den Zulassungsvoraussetzungen für bestimmte Personengruppen auf Gesetzesstufe geregelt werden. In der VZAE sind lediglich Ausnahmen von den Höchstzahlen für kurzfristige Aufenthalte vorgesehen. Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie keine Subventionsbestimmungen enthält und auch nicht die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens nach sich zieht.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Vorlage tangiert die Aufgabenteilung oder die Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone nicht.

25

BBl 2013 291

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7.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage delegiert keine Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat.

7.7

Datenschutz

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf datenschutzrechtliche Regelungen.

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