BBl 2022 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

22.072 Botschaft zur Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR) der Nato (2024­2026) vom 23. November 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR) der Nato.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. November 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-3815

BBl 2022 2974

BBl 2022 2974

Übersicht Der von der Bundesversammlung bis zum 31. Dezember 2023 mandatierte Einsatz der Swisscoy in der multinationalen Kosovo Force (KFOR) der Nato soll bis zum 31. Dezember 2026 verlängert werden. Gemäss laufendem Mandat beträgt der Maximalbestand der Swisscoy 195 Armeeangehörige. Da die Lage in der Region durch den Krieg in der Ukraine noch instabiler geworden ist, hat die Nato (North Atlantic Treaty Organization) beschlossen, die Kapazitäten der KFOR vorerst nicht zu reduzieren. Um auf allfällige zusätzliche Bedürfnisse der KFOR eingehen zu können, möchte der Bundesrat die Möglichkeit haben, den Maximalbestand während der Laufzeit des Mandats um maximal 30 Armeeangehörige zu erhöhen. Er soll ausserdem das Kontingent befristet aufstocken können, wenn logistische Bedürfnisse oder eine erhöhte Bedrohung dies erforderlich machen.

Ausgangslage Die Lage im Westbalkan ist weiterhin fragil. Seit dem Ende der letzten bewaffneten Konflikte in der Region vor über zwei Jahrzehnten wurden im Bereich der Sicherheit zwar bedeutende Fortschritte erreicht. Die Westbalkanstaaten stehen jedoch vor Herausforderungen. Die anhaltenden ethnischen Spannungen und deren politische Instrumentalisierung behindern die Stabilität und die Sicherheit in der Region. Um Frieden, politische Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern, hält die EU die Beitrittsperspektiven der Bewerberländer mittels finanzieller Unterstützung, Handelsbeziehungen und der Visaliberalisierung aufrecht. Eine gewisse Frustration ist in den Westbalkanstaaten angesichts der in den letzten Jahren schwindenden Beitrittsperspektiven jedoch spürbar. Weitere Akteure, wie China, die Golfstaaten und die Türkei, beeinflussen die Entwicklungen in der Region ebenfalls. Russland unterhält enge Beziehungen zu den slawisch-orthodoxen Gemeinschaften. Das prorussische Serbien könnte als Drehscheibe für Moskauer Destabilisierungsversuche missbraucht werden. Eine euroatlantische Annäherung von Bosnien und Herzegowina oder Kosovo könnte Moskau als Vorwand dienen, um in der Region Unruhe zu stiften.

In Kosovo haben die ehemaligen Mitglieder der Befreiungsarmee Kosovos (UÇK), die sich auf klientelistische Netzwerke stützen, einen empfindlichen Machtverlust erlitten, insbesondere nachdem das Kosovo-Sondergericht gegen zahlreiche Politiker mit UÇK-Vergangenheit
Anklage erhoben hat. Dies trug dazu bei, dass im April 2021 neue politische Kräfte an die Macht kamen. Die Regierung von Premierminister Albin Kurti setzte sich daraufhin die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität zum Ziel. Erste positive Resultate sind erkennbar. Dennoch bleiben grosse Herausforderungen zu bewältigen, die durch die Covid-19-Epidemie und den Krieg in der Ukraine noch verschärft worden sind. Die Wirtschaft, die hauptsächlich auf Ausgaben und Direktzahlungen aus dem Ausland beruht, ist krisenanfällig. Als Nettoimporteur von Nahrungsmitteln und Energie ist Kosovo vom weltweiten Preisschub, den der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat, direkt betroffen.

Der seit 2011 von der EU geleitete Dialog zwischen der serbischen und der kosovarischen Regierung zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten tritt auf der Stelle. Die grössten Hindernisse für eine Normalisierung der Beziehungen 2 / 40

BBl 2022 2974

sind die Weigerung Serbiens, die Unabhängigkeit Kosovos zu anerkennen, und die rasche Umwandlung der «Kosovo Security Force» (KSF) in eine reguläre Armee. Zudem hat sich die Haltung Pristinas mit der neuen kosovarischen Regierung, die eine weniger versöhnliche Linie verfolgt, verhärtet: Jegliche Annäherung an Serbien muss über die gegenseitige Anerkennung der Souveränität und Reparations-Zahlungen führen.

Die Sicherheitslage im Alltag in Kosovo ist ruhig, aber weiterhin fragil. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Kleinkriminalität tief. Allerdings hat die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine Ängste in Verbindung mit den Traumata der 1990er-Jahre wiedererweckt ­ und damit auch das Misstrauen gegenüber den serbischen Minderheiten, die sich loyal hinter die moskaufreundliche Haltung Serbiens stellen. Im Norden Kosovos sind Interventionen der kosovarischen Polizei und ihrer Spezialkräfte seit der Machtübernahme der Regierung Kurti häufiger geworden. Da die kosovarische Polizei nicht imstande war, angemessen zu handeln, musste die KFOR ihrerseits häufiger eingreifen, um Zwischenfälle mit ethnischen Minderheiten zu regeln.

Vor diesem Hintergrund sind die kosovarischen Behörden noch nicht in der Lage, die Aufgaben der KFOR, die darin bestehen, ein sicheres Umfeld zu schaffen, ganz zu übernehmen. Die KFOR ist von allen Seiten anerkannt und geschätzt und hat grosse Glaubwürdigkeit. Nach der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die Nato eine Zunahme der russischen Einflussnahme festgestellt, die eine Lageverschlechterung im Westbalkan bewirkt. Die Allianz ist der Auffassung, dass Missionen wie die KFOR in sensiblen Regionen eine Destabilisierung durch solche Einflüsse zu verhindern vermögen. Angesichts der Verschlechterung der internationalen Lage und des Zustands der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina sind die Nato und die truppenstellenden Staaten der KFOR der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Reduktion der Präsenz der KFOR nicht gegeben sind. Es ist gar wahrscheinlich, dass ihre Präsenz noch auf Jahre hinaus erforderlich sein wird.

Im Laufe der Jahre hat die Swisscoy ihre Organisation und ihre Aufgaben an das Einsatzkonzept der KFOR angepasst, die ihrerseits von der Entwicklung der Situation in Kosovo abhängig sind. Der Maximalbestand
der Swisscoy beträgt heute 195 Armeeangehörige.

Inhalt der Vorlage Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass während der Laufzeit des Mandats zusätzliche Bedürfnisse aufkommen können. In gewissen Fällen konnte die Swisscoy neue Funktionen übernehmen, ohne den vom Parlament genehmigten Maximalbestand zu überschreiten, indem sie innerhalb des Kontingents Rotationen vornahm. In anderen Situationen konnte die Schweiz hingegen solch kurzfristig aufgekommenen zusätzlichen Bedürfnissen nicht entsprechen, da eine Überschreitung des Maximalbestands ausgeschlossen ist. Da die internationale Lage ungewisser geworden ist, könnten sich künftig während der Laufzeit des Mandats zusätzliche Bedürfnisse häufiger ergeben. Gerade wenn sich die Lage in Osteuropa weiter verschlechtern sollte, könnten die Nato-Mitglieder, welche Truppen für die KFOR stellen, ihre militärischen Anstrengungen in dieser Region konzentrieren und folglich ihre Beteiligung an der KFOR-Mission reduzieren müssen. Da die Schweiz nicht zur militärischen Präsenz 3 / 40

BBl 2022 2974

im Osten beitragen kann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in Kosovo zusätzliche Bedürfnisse aufkommen und die Schweiz während der Laufzeit des Mandats diesbezüglich angegangen wird.

Indem sie sich bereithält, die Bedürfnisse der KFOR rascher zu erfüllen, zeigt die Schweiz nicht nur ihre anhaltende Unterstützung für die Mission, sondern auch, dass sie bereit ist, ihren Beitrag für die Sicherheit und die Stabilität in Kosovo und im Westbalkan kurzfristig zu erhöhen. Sie trägt die gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit und bezeugt damit ihre Solidarität. In einer Zeit, in der sich die Nato und die europäischen Staaten für die Bewältigung der grossen Herausforderungen im Osten Europas einsetzen, nimmt die Schweiz ihren Teil der Verantwortung wahr, indem sie ihren Beitrag zum Erhalt der Stabilität und der Entwicklung einer Region leistet, zu der sie enge Verbindungen hat. Heute leben rund 500 000 Menschen mit südosteuropäischen Wurzeln in der Schweiz, darunter mehr als 150 000 kosovarischer Herkunft. Der Beitrag der Schweiz ist umso wichtiger, als sie die Möglichkeiten einer stärkeren Zusammenarbeit mit der Nato prüfen will, wie der Bundesrat in seinem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 dargelegt hat.

In Anbetracht der Verschlechterung der internationalen Lage soll der Bundesrat die Möglichkeit haben, den Maximalbestand der Swisscoy während der Laufzeit des Mandats zu erhöhen. Damit die Armee diese zusätzlichen Leistungen bei Bedarf rascher erbringen kann, beantragt der Bundesrat, dass er die Kompetenz erhält, den Maximalbestand während des nächsten Mandats um höchstens 30 Armeeangehörige zu erhöhen.

Mit Schreiben vom 27. Januar 2022 ersuchte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates den Bundesrat, in der nächsten Botschaft zur Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der KFOR die Ziele und Kriterien aufzuzeigen, welche für die Schweiz für einen Abzug der Swisscoy langfristig erfüllt sein müssten. In dieser Botschaft legt der Bundesrat die Ziele dar, die der Bund unter jedem von der Kommission aufgeführten Aspekt verfolgt. Er untersucht darin zudem die Möglichkeit, eine Strategie und Kriterien für einen Abzug festzulegen.

Der geplante Aufwand für das Swisscoy-Kontingent mit 195 Armeeangehörigen beläuft sich auf rund 45 Millionen Franken
jährlich. Im Falle einer Erhöhung des Maximalbestands des Kontingents um 30 zusätzliche Armeeangehörige während der Laufzeit des Mandats würde der Aufwand auf 51,2 Millionen Franken jährlich steigen. Diese Zusatzkosten würden durch das Armeebudget des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gedeckt. Allfällige Aufwendungen für befristete Aufstockungen gemäss den Bedürfnissen des Kontingents in Höhe von rund 10,8 Millionen Franken würden ebenfalls durch das Armeebudget aufgefangen.

Jeweils per 31. Dezember legt das VBS zuhanden der Aussenpolitischen und der Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte jährlich einen Zwischenbericht über den Swisscoy-Einsatz vor.

4 / 40

BBl 2022 2974

Inhaltsverzeichnis Übersicht

2

1

Ausgangslage

7

2

Lage auf dem Westbalkan und in Kosovo 2.1 Regionale Lage 2.2 Lage in Kosovo 2.2.1 Allgemeine Lage 2.2.2 Politischer Kontext 2.2.3 Sicherheitslage 2.2.4 Verhältnis zu Serbien 2.2.5 Umwandlung der Kosovo Security Force (KSF) 2.3 Präsenz und Einfluss der internationalen Gemeinschaft in Kosovo

9 9 11 11 12 13 15 16 17

3

Die Rolle der KFOR 3.1 Auftrag der KFOR 3.2 Entwicklung und Funktionsweise der KFOR 3.3 Bilanz und Perspektiven für die KFOR 3.4 Verankerung in der strategischen Haltung der Nato

18 18 18 19 20

4

Aktueller Einsatz der Swisscoy 4.1 Entwicklung, Organisation und Aufgaben 4.2 Nutzen für die Schweiz 4.3 Personal 4.3.1 Bereitschaft zur freiwilligen Dienstleistung 4.3.2 Frauen in der Swisscoy

21 21 22 23 23 24

5

Zukunft der Swisscoy 5.1 Fortführung des Einsatzes: Interesse aus sicherheits- und aussenpolitischer Sicht 5.2 Bestand 5.2.1 Aufstockung zur Unterstützung der KFOR 5.2.2 Befristete Aufstockung für die Logistik und die Sicherheit des Kontingents 5.3 Dauer des Einsatzes

25

6

Festlegung einer Strategie und von Kriterien für den Ausstieg der Schweiz aus der KFOR 6.1 Anfrage der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates 6.2 Ziele der KFOR und der an ihr beteiligten Staaten 6.3 Stellungnahme des Bundesrates zur Festlegung einer Strategie und von Kriterien für den Abzug der Swisscoy 6.4 Strategien in den Bereichen kollektive Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Aussenwirtschaftspolitik

25 26 26 26 27 27 27 28 29 31 5 / 40

BBl 2022 2974

6.4.1

6.4.2 7

Ziele der Schweiz in den Bereichen Nationenbildung und nachhaltige Entwicklung sowie Strategien in den Bereichen kollektive Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Aussenwirtschaftspolitik Unterstützung der Bemühungen Kosovos um den Beitritt zu internationalen Organisationen

31 34

Auswirkungen 7.1 Finanzielle Auswirkungen 7.1.1 Kosten des Einsatzes 7.1.2 Kosten des Einsatzes im Falle einer Aufstockung zur Unterstützung der KFOR 7.1.3 Zusatzkosten im Fall einer befristeten Aufstockung für die Logistik und die Sicherheit des Kontingents 7.2 Personelle Auswirkungen 7.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

34 34 34

8

Verhältnis zur Legislaturplanung

37

9

Vernehmlassung

38

10 Rechtliche Aspekte 10.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 10.2 Zuständigkeit 10.3 Erlassform 10.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse Bundesbeschluss über die Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR) der Nato (2024­2026) (Entwurf)

6 / 40

35 36 37 37

38 38 39 39 39

BBl 2022 2975

BBl 2022 2974

Botschaft 1

Ausgangslage

Die Schweizer Armee beteiligt sich seit Oktober 1999 mit einem Kontingent (Swiss Company, Swisscoy) an der Kosovo Force (KFOR) des Nordatlantikpakts (North Atlantic Treaty Organization, Nato). Grundlage für die KFOR ist Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999.1 Den Entscheid für eine militärische Beteiligung der Schweiz fasste der Bundesrat am 23. Juni 1999. Mit Bundesbeschluss vom 12. Dezember 20012 genehmigte die Bundesversammlung die Schweizer Beteiligung an der KFOR, und diese wurde mit weiteren Bundesbeschlüssen bis Ende 2023 verlängert.3 Angesichts der Verbesserung und Stabilisierung der Sicherheitslage seit ihrer Einsetzung wurden das Einsatzkonzept der KFOR, deren Bestand anfänglich rund 50 000 Armeeangehörige betrug, angepasst und die Truppenstärke verringert. Gegenwärtig stellen 27 Staaten insgesamt rund 3800 Armeeangehörige. Im Rahmen der letzten Verlängerung des Swisscoy-Mandats wurde der Maximalbestand der Swisscoy auf 195 Armeeangehörige aufgestockt. Gemäss Bundesbeschluss vom 16. Juni 20204 über die Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR) kann der Bundesrat diesen Bestand zudem vorübergehend aufstocken, um zusätzlich anfallende Bedürfnisse des Kontingents in den Bereichen Logistik und Sicherheit erfüllen zu können. Während des laufenden Mandats musste diese Möglichkeit nicht in Anspruch genommen werden. Mit der vorliegenden Botschaft beantragt der Bundesrat die Verlängerung des Einsatzes der Swisscoy um drei Jahre mit einem gleichbleibenden Maximalbestand von 195 Armeeangehörigen. Durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 hat das Risiko einer Destabilisierung im Westbalkan allerdings zugenommen. Um das Profil der Swisscoy rascher an allfällige zusätzliche Bedürfnisse der KFOR anpassen zu können, beantragt der Bundesrat zudem, die Möglichkeit zu erhalten, den Maximalbestand während der Laufzeit des Mandats um höchstens 30 Armeeangehörige zu erhöhen.

Laut den militärischen Instanzen der Nato führt die Tatsache, dass der Westbalkan instabiler geworden ist, dazu, dass die Kapazitäten der KFOR auf demselben Niveau erhalten werden müssen. Nach Ansicht der Staaten, die sich an der KFOR beteiligen, darunter die Schweiz, ist die Situation im Land sowohl politisch als auch in Bezug auf die Sicherheit weiterhin fragil. Die beiden grössten Truppensteller der KFOR, Italien 1 2 3

4

Die Resolution 1244 kann unter folgender Adresse abgerufen werden: www.un.org > Documents > Security Council Resolutions > 1999.

BBl 2001 6555 Bis 2001 erfolgte der Einsatz der Swisscoy unbewaffnet, und die Kompetenz für einen definitiven Entscheid zu einem solchen Einsatz lag beim Bundesrat. Nach einer Revision des Militärgesetzes (MG, SR 510.10) 2001 (BBl 2000 477) wurde die Bewaffnung des Kontingents möglich, die Kompetenz für den Entscheid zu einem solchen Einsatz liegt aber beim Parlament. Siehe die seit 2001 genehmigten Bundesbeschlüsse: BBl 2001 6555; BBl 2003 6881; BBl 2005 4265; BBl 2008 5791; BBl 2011 5511; BBl 2014 5409; BBl 2017 4417; BBl 2020 6473.

BBl 2020 6473

7 / 40

BBl 2022 2974

und die USA, führen daher ihr Engagement beide mit jeweils über 600 Armeeangehörigen fort. Auch weitere Länder wie Österreich und Deutschland, das diesen Entschluss im Juli 2022 gefasst hat, halten ihre Beteiligung aufrecht. Andere Staaten, die sich aktuell nicht mehr an der KFOR beteiligen, wie das Vereinigte Königreich und Frankreich, überlegen sich eine Rückkehr in die KFOR.

Die Aufgabe der KFOR gemäss Resolution 1244 ist es, ein sicheres Umfeld zu schaffen. Der kosovarische Staat, der primär für diese Aufgabe zuständig ist, ist nach wie vor noch nicht in der Lage, diese von der KFOR vollständig zu übernehmen. Seit Dezember 2018 ist Kosovo daran, seine leichtbewaffnete Zivilschutztruppe, die Kosovo Security Force (KSF), in eine reguläre Armee umzuwandeln. Dieser Vorgang beunruhigt Serbien, das ausschliesslich die KFOR als legitime Armee auf kosovarischem Staatsgebiet anerkennt, und behindert damit den Dialog zwischen den beiden Ländern.

Die KFOR handelt in Kosovo im Zusammenspiel mit den zivilen Missionen der UNO (UN Mission in Kosovo, UNMIK), der OSZE (OSCE Mission in Kosovo, OMIK) und der EU (European Union Rule of Law Mission in Kosovo, EULEX), deren Aufgaben und Zuständigkeiten mit der Entwicklung des kosovarischen Staates allmählich zurückgegangen sind. Für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ist die kosovarische Polizei zuständig. Bei Zwischenfällen kommt sie zuerst zum Einsatz. Im mehrheitlich von serbisch-stämmigen Kosovarinnen und Kosovaren bewohnten Norden des Landes sind die Einsätze der kosovarischen Polizei aufgrund der von Belgrad kontrollierten Parallelstrukturen allerdings problematisch. Die Präsenz der KFOR als Garantin der Sicherheit in zweiter Instanz hat daher namentlich im Norden eine beruhigende Wirkung auf die Bevölkerung. Angesichts der Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region infolge der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine wird die Präsenz der KFOR vermutlich noch während einiger Jahre erforderlich sein. Die KFOR wird daher ihren Einsatz im Zusammenspiel mit den Engagements von UNO, OSZE und EU weiterführen, die ihre zivilen Missionen im Land ebenfalls aufrechterhalten.

Der Bundesrat ist vor diesem Hintergrund der Ansicht, dass die Schweiz ihren Einsatz in der KFOR weiterführen muss ­ aus Solidarität mit der internationalen
Gemeinschaft sowie aus migrations-, wirtschafts- und sicherheitspolitischen Gründen. Während andere europäische Länder sich an der Verstärkung des Nato-Dispositivs im Osten beteiligen, soll die Schweiz dort, wo sie es kann, die internationalen Anstrengungen für die Sicherheit in Europa mittragen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Instabilität auf dem Westbalkan direkte Auswirkungen auf die Schweiz hat, besonders hinsichtlich der Immigration (bis zum Ende des bewaffneten Konflikts 1999 kamen über 50 000 Personen als Flüchtlinge in die Schweiz).5 Heute leben fast 500 000 Menschen mit südosteuropäischen Wurzeln in unserem Land, darunter über 150 000 kosovarischer Herkunft.

Mit Schreiben vom 27. Januar 2022 ersuchte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) den Bundesrat, in dieser Botschaft auf die Frage der Ziele und Kriterien einzugehen, welche für einen Abzug der Swisscoy langfristig erfüllt 5

Bericht des Bundesrates über den Stand und die weitere Ablösung militärischer Einsätze durch zivile Hilfe in Kosovo vom 29. November 2002, BBl 2003 1408.

8 / 40

BBl 2022 2974

sein müssten. Unter Ziffer 6.3 erläutert der Bundesrat namentlich die Ziele und Kriterien der Nato und der truppenstellenden Länder, darunter der Schweiz, im Hinblick auf eine Truppenreduktion oder gar einen Abzug der KFOR. Nach Ansicht des Bundesrates ist die Festlegung einseitiger Kriterien für eine Beendigung des SwisscoyEinsatzes nicht angebracht. Der Bundesrat legt auch die von der Schweiz verfolgten Ziele im Hinblick auf die Anerkennung von Kosovo als Staat und dessen Einbindung in die internationale Gemeinschaft dar (Ziff. 6.4).

2

Lage auf dem Westbalkan und in Kosovo

2.1

Regionale Lage

Die Lage im Westbalkan ist stabil, aber nach wie vor fragil. Seit dem Ende der letzten bewaffneten Konflikte in der Region wurden im Bereich der Sicherheit bedeutende Fortschritte erreicht. Über die Nato-Beitritte von Albanien und Kroatien 2009, Montenegro 2017 und jüngst Nordmazedonien 2020 hinaus sind die Beziehungen der Staaten des Westbalkans zu den übrigen europäischen Staaten enger geworden. Dass die EU im Juli 2022 grünes Licht für die Einleitung der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien erteilt hat, wurde als positives Signal gewertet. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben die Hoffnungen jedoch gedämpft, in Schlüsselbereichen rasch Fortschritte zu erzielen. Die Folgen der Covid-19-Epidemie und die Auswirkungen der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine gefährden die bereits erzielten Fortschritte.

Die Staaten des Westbalkans kämpfen darüber hinaus auch mit innenpolitischen Herausforderungen. Die anhaltenden ethnischen Spannungen und deren politische Instrumentalisierung beeinträchtigen die Stabilität und die Sicherheit in der Region. Hinzu kommen ungelöste territoriale Ansprüche und Probleme struktureller Natur. Die Folge sind mangelnde Perspektiven für die junge Bevölkerung in der Region; dies treibt viele Jugendliche nach Abschluss ihrer Ausbildung dazu, auszuwandern.

Die EU hat ein grosses Interesse an Frieden, politischer Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung im Westbalkan. Deshalb fördert sie die Beitrittsbemühungen der Bewerberländer mittels finanzieller Unterstützung, Handelsbeziehungen und der Visaliberalisierung. Im Gegenzug verlangt die EU die Umsetzung von Reformen.

Während der letzten Jahre ist die europäische Integration der sechs Staaten des Westbalkans in unterschiedlichen Stadien stehengeblieben. Auch bei den Beitrittsverhandlungen mit Serbien waren kaum Fortschritte zu verzeichnen, was auf den Rückgang der Rechtsstaatlichkeit im Land und die harzigen Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina zurückzuführen ist. Die Visabefreiung für kosovarische Staatsangehörige bei der Einreise in die EU ist noch immer hängig, obwohl die Kriterien seit 2018 erfüllt sind. Angesichts des langwierigen Prozesses bis zu einem allfälligen EU-Beitritt ist in den Westbalkanstaaten eine gewisse Frustration spürbar.

Neben den westlichen Staaten beeinflussen
weitere Akteure die Entwicklungen in der Region. Während China seine Präsenz mit Infrastrukturprojekten in Nordmazedonien, Montenegro und Serbien massiv erhöht hat, verzeichnen die Regionen mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, namentlich in Bosnien und Herzegowina, private 9 / 40

BBl 2022 2974

Investitionen aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten im Immobilien- und im Dienstleistungssektor. Die Türkei ihrerseits versucht ihren kulturellen Einfluss auf die europäischen Teile des ehemaligen Osmanischen Reichs durch Investitionen in die Wirtschaft, die Religion und die Bildung aufrechtzuerhalten. So namentlich in Kosovo, wo sie über ein grosses Netzwerk verfügt und die Präsenz von NGOs nutzt. Russland pflegt enge Beziehungen zu den slawisch-orthodoxen Gemeinschaften und nimmt über diese erheblich Einfluss in Serbien, Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina.

Eine bedeutende Ursache für die Instabilität in der Region ist Serbien, das unterschwellig von Russland unterstützt wird und Beobachterstatus in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) hat. Die politischen Beziehungen zwischen Belgrad und der Republika Srpska (RS), deren Vertreter im bosnischen Staatspräsidium seine Sezessionsbestrebungen und seine Nähe zu Serbien und Russland nicht kaschiert, sorgen für steigende Spannungen, insbesondere mit Bosnien und Herzegowina. Den beiden Ländern steht im Hinblick auf die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Aussöhnung noch viel Arbeit bevor, was die Stabilität der Region stark beeinflusst. Obwohl Serbien offiziell die Souveränität und die territoriale Integrität von Bosnien und Herzegowina respektiert, unterstützt das Land parallel weiterhin die Sezessionsbestrebungen der RS.

Darüber hinaus befindet sich Bosnien und Herzegowina seit 2021 in einer schweren politischen Krise. Ausgelöst wurde diese, als der ehemalige Hohe Repräsentant der Vereinten Nationen für Bosnien und Herzegowina6 über eine Änderung des Strafgesetzbuches die Leugnung des Völkermords unter Strafe stellte. Als Reaktion darauf beschlossen die Vertreterinnen und Vertreter der RS, sich aus den staatlichen Institutionen zurückzuziehen und sich nicht am Beschlussfassungsprozess zu beteiligen. Das Parlament der RS verabschiedete ebenfalls Massnahmen, die darauf abzielten, dem Zentralstaat Kompetenzen zu entziehen und diese der RS «zurückzugeben». Dieses Vorgehen stellt die territoriale Integrität des Landes infrage und ist ein Verstoss gegen das Dayton-Abkommen von 19957. Im Vorfeld der Wahlen von Oktober 2022 sind Versuche für Wahlreformen trotz mehreren von der internationalen Gemeinschaft (USA und EU)
organisierten Verhandlungsrunden gescheitert. Diese Reformbestrebungen sind für die kroatische Bevölkerung Bosniens nach wie vor zentral. Angesichts dessen hat der derzeitige Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina von seinen Befugnissen Gebrauch gemacht, namentlich um die Finanzierung der Wahlen sicherzustellen und technische Anpassungen am Wahlprozess vorzunehmen. Die Situation im Land bleibt volatil.

Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine hat in der Region dunkle Erinnerungen an die Kriege der 1990er-Jahre geweckt. Eine Destabilisierung des

6

7

Gemäss dem Daytoner Friedensabkommen kontrolliert der Hohe Repräsentant formell das politische Geschehen im Land. Er hat namentlich die Kompetenz, in Bosnien und Herzegowina Gesetze zu erlassen.

Abkommen, das nach Beendigung des Kriegs zwischen Serbien, Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina abgeschlossen wurde und das namentlich die administrative Aufteilung des Landes in zwei separate ethnische Entitäten vorsieht: die Föderation von Bosnien und Herzegowina und die Republika Srpska.

10 / 40

BBl 2022 2974

Westbalkans ist nicht ausgeschlossen, da Russland über die Mittel verfügt, um in Bosnien und Herzegowina, Serbien oder Montenegro für Instabilität zu sorgen. Das prorussische Serbien könnte als Drehscheibe für solche Destabilisierungsversuche dienen. Insbesondere die zwischen den beiden Ländern nach wie vor bestehende Luftverbindung könnte es Russland ermöglichen, militärische oder nachrichtendienstliche Elemente in den Westbalkan einzuschleusen. Eine euroatlantische Annäherung von Bosnien und Herzegowina oder Kosovo könnte Moskau als Vorwand dienen, um in der Region Unruhe zu stiften. Aus wirtschaftlicher Sicht trifft die Preisexplosion bei den fossilen Brennstoffen und den Grundnahrungsmitteln infolge des Ukrainekriegs und der Sanktionen des Westens vor allem die geringverdienende Bevölkerung im Westbalkan hart. In Albanien kam es an regelmässigen Demonstrationen gegen den Kaufkraftverlust zu zahlreichen Verhaftungen.

Aufgrund der politischen Spannungen in Bosnien und Herzegowina und im Nachgang zur russischen Militäraggression gegen die Ukraine hat die EU den Truppenbestand ihrer Friedensförderungsmission EUFOR ALTHEA nahezu verdoppelt. Im Juli 2022 hat Deutschland, das sich über den destabilisierenden Einfluss des Ukrainekriegs auf den Westbalkan besorgt zeigte, beschlossen, sich wieder an EUFOR ALTHEA zu beteiligen. Bei Redaktionsschluss der vorliegenden Botschaft war die Verlängerung des Mandats dieser Mission durch den UNO-Sicherheitsrat im November 2022 noch ungewiss, da Russland beschliessen könnte, sein Veto einzulegen. Einige westliche Staaten sind der Ansicht, dass im Falle einer Nichtverlängerung von EUFOR ALTHEA eine militärische Präsenz der Nato in Bosnien und Herzegowina nötig sein wird. Aus diesem Blickwinkel bleiben die militärischen Friedensförderungsmissionen der EU beziehungsweise der Nato zentral für die Stabilität im Westbalkan. Die Schweiz beteiligt sich seit 2004 mit 20 bewaffneten Armeeangehörigen an EUFOR ALTHEA.8

2.2

Lage in Kosovo

2.2.1

Allgemeine Lage

Kosovo ist seit 1999 de facto von Serbien losgelöst. 2008 erklärte Kosovo unilateral seine Unabhängigkeit, die seither von 117 Staaten, darunter der Schweiz, anerkannt worden ist. Serbien betrachtet Kosovo weiterhin als seine Provinz und anerkennt dessen Unabhängigkeit nicht. Diese Haltung behindert die internationale Anerkennung des jungen Staats, denn fünf EU-Länder (Spanien, Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern) weigern sich, die Unabhängigkeit Kosovos zu anerkennen, solange Serbien dies nicht tut. Deren Position gründet auf Sezessionsbestrebungen im jeweils eigenen Land und damit einhergehenden nationalen politischen Debatten. Auch Russland und China, die Serbien in den internationalen Foren, namentlich in der UNO und in deren Sicherheitsrat, unterstützen, anerkennen die Unabhängigkeit Kosovos nicht.

Obwohl in Kosovos Verfassung die Gleichheit der Ethnien verankert und die Rechte der Minderheiten garantiert sind, gestaltet sich die Wirklichkeit komplexer: Infolge 8

Bundesbeschluss vom 16. Dezember 2004 über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Armeeangehörigen in der multinationalen European Union Force (EUFOR) in Bosnien-Herzegowina, BBl 2004 7341.

11 / 40

BBl 2022 2974

der Verhärtung des politischen Verhältnisses zu Serbien und mangels Fortschritten bei der Suche nach einer Einigung zwischen Pristina und Belgrad werden diese Grundsätze nur teilweise umgesetzt. Diese Situation erklärt sich vor allem durch die anteilmässige Vertretung der Ethnien in der Bevölkerung Kosovos und deren räumliche Verteilung. Die grosse Mehrheit der Kosovarinnen und Kosovaren ist ethnisch albanisch. Von der serbischen Minderheit sind drei Viertel auf das Gebiet südlich des Flusses Ibar verteilt, während ein Viertel im fast ausschliesslich serbisch bewohnten Norden lebt. Die Bevölkerung im Norden steht grösstenteils unter dem Einfluss der politischen und administrativen Parallelstrukturen, die von Belgrad gestützt werden.

Aus diesem Grund üben die Behörden in Pristina im Norden Kosovos nur eine begrenzte und eher formale Kontrolle aus.

Trotz der Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina mit der Unterstützung der EU sind die Resultate bescheiden. Die politischen Positionen liegen weiterhin weit auseinander, und die EU sieht sich aufgrund der ausstehenden Visaliberalisierung und der Nichtanerkennung Kosovos durch fünf ihrer Mitgliedstaaten in ihrer Rolle als Mediatorin mit zusätzlichen Hindernissen konfrontiert.

2.2.2

Politischer Kontext

Seit Kriegsende besetzten vor allem ehemalige Mitglieder der Befreiungsarmee Kosovos (UÇK), die sich auf Familien-, Clan- und klientelistische Netzwerke stützen, eine Reihe von Funktionen in den Regierungs-Institutionen des Landes. Dies ermöglichte den Aufbau eines Systems von Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und organisiertem Verbrechen, das die Korruption begünstigt und die Entwicklung des Landes zu einem Rechtsstaat mit einer wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft bremst.

Seit Herbst 2020 führten die Anklagen des Kosovo-Sondergerichts in zur Verhaftung zahlreicher Funktionäre und politisch Verantwortlicher mit UÇK-Hintergrund, so etwa des Präsidenten Hashim Thaçi. Diese Entwicklung und die Unzufriedenheit der Bevölkerung angesichts des Klientelismus der ehemaligen UÇK-Kämpfer resultierte in einem deutlichen Machtverlust der ehemaligen Eliten und trug dazu bei, dass im April 2021 neue politische Kräfte an die Macht kamen. Die aktuelle Regierung von Premierminister Albin Kurti hat sich die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität zum Ziel gesetzt.

Erste positive Resultate sind bereits erkennbar. Dennoch steht die heutige Regierung vor grossen Herausforderungen, die durch die Covid-19-Epidemie und den Krieg in der Ukraine noch verschärft worden sind. Die Wirtschaft, die hauptsächlich auf Ausgaben und Direktzahlungen aus dem Ausland beruht, ist krisenanfällig. Sie generiert nicht genügend Arbeitsplätze für die mehrheitlich junge Bevölkerung. Die Arbeitslosenquote beträgt 30 Prozent, bei den 18- bis 24-Jährigen sogar 48 Prozent. Darüber hinaus hemmt der zu geringe Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung, insbesondere unter den Frauen, das Wachstum. Trotz bescheidener Handelsbeziehungen Kosovos zu Russland und zur Ukraine beeinflusst die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine auch die Wirtschaft des Landes: Als Nettoimporteur von Nahrungsmit-

12 / 40

BBl 2022 2974

teln, Agrarprodukten und Energie ist Kosovo vom weltweiten Preisschub direkt betroffen. Um die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sicherzustellen, hat Kosovo den Export von landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen verboten.

Darüber hinaus steht das Land in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft vor grossen Herausforderungen. Die Infrastruktur ist vielerorts unzulänglich, und es mangelt an gut ausgebildeten Arbeitskräften. Hochqualifizierte Personen sehen sich gezwungen, schlechtbezahlte Stellen anzunehmen, während die gutbezahlten Posten an Personen vergeben werden, die der politischen Partei angehören, die lokal an der Macht ist. Der Klientelismus greift teilweise sehr weit. Es kommt vor, dass infolge eines politischen Wechsels ganze Dörfer ihre Unterstützungsbeiträge und Arbeitnehmende ihre Stelle verlieren.

Vor diesem Hintergrund liegen die politischen Prioritäten auf nationaler Ebene auf der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der Bekämpfung der Korruption, der Gesundheitsversorgung und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Auf aussenpolitischer Ebene setzt sich die Regierung Kurti weiterhin für die europäische Integration Kosovos, eine Vertiefung der Kooperation mit der Nato und die strategische Partnerschaft mit den USA ein. Im Rahmen des Dialogs mit Serbien verfolgt der Premierminister im Gegensatz zu seinen Vorgängern eine klar definierte Verhandlungsstrategie. Für ihn führt jegliche Annäherung an Serbien zwangsläufig über die gegenseitige Anerkennung der Souveränität und die Vergangenheitsbewältigung, namentlich in Bezug auf das Verschwinden von Personen, die Übergangsjustiz sowie Kompensationen und weitere Reparations-Zahlungen. Diese Fragen sind mittlerweile Teil des Dialogs, der unter der Ägide der EU geführt wird. Der Krieg in der Ukraine hat auch Bedenken bezüglich des von Russland ausgehenden Destabilisierungsrisikos für die Region neu entfacht. Kosovo hat daher Brüssel gebeten, die europäische Integration der Länder der Region neu zu lancieren, und die Mitgliedstaaten der EU, welche die Unabhängigkeit Kosovos noch nicht anerkannt haben, aufgerufen, dies zu tun. Weiter hat das Land seiner Ambition Nachdruck verliehen, der Nato beizutreten, und gleichzeitig daran erinnert, dass die KFOR die wichtigste Garantin der Sicherheit bleibt.

2.2.3

Sicherheitslage

Trotz der scheinbar herrschenden Ruhe im Land ist die Sicherheit im Alltag in Kosovo weiterhin fragil. Diese Fragilität ist vor allem eine Folge der politischen Spannungen zwischen Serbien und Kosovo, die insbesondere im Norden und den weiteren mehrheitlich serbisch bewohnten Enklaven zutage treten.

Im Norden Kosovos sind Interventionen der kosovarischen Polizei und ihrer Spezialkräfte seit der Machtübernahme der Regierung Kurti häufiger geworden, die dort ihre Prioritäten in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption umsetzt. Wie es scheint, versucht Pristina mit Machtdemonstrationen, die entschlossener ausfallen als in der Vergangenheit, auch den Einfluss Serbiens einzuschränken. Die KFOR soll ausserdem im Norden mit ihren Geniemitteln intervenieren, um Hindernisse zu beseitigen, die an den Grenzübergängen auf der Verwaltungsgrenze zwischen Serbien und Kosovo (Administrative Boundary Line) aufgestellt worden sind.

13 / 40

BBl 2022 2974

Da die kosovarische Gesellschaft von einer Logik der Ethnien und Clans geprägt ist, instrumentalisieren Politikerinnen und Politiker beider ethnischen Seiten die Kriegstraumata. Das ist ein echtes Hindernis für die Versöhnung und die Vergangenheitsbewältigung. In jüngster Zeit haben auch die russische Militäraggression gegen die Ukraine und die dort begangenen Kriegsverbrechen Ängste in Zusammenhang mit den Traumata der Neunzigerjahre wachgerufen. Mehrere Quellen berichten, dass bei den Generationen, die den Krieg erlebt haben, Tendenzen zu beobachten sind, die mit paramilitärischen Aktivitäten vergleichbar sind.

Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist die Kleinkriminalität in Kosovo tief.

Hingegen ist die organisierte Kriminalität, die mit Clan- und Familienstrukturen verwoben ist, im Land verbreitet. Kosovo dient für verschiedene Arten des Handels als Drehkreuz. Da die Akteure der organisierten Kriminalität ein Interesse an einer gewissen Stabilität haben, um ihre Aktivitäten weiterführen zu können, stellen sie keine direkte Bedrohung für die Sicherheitslage dar. Allerdings untergräbt ihre Verbreitung in Wirtschaft, Politik und Justiz die Rechtssicherheit, die eine unabdingbare Voraussetzung für Investitionen ist, welche wiederum für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und seine europäische Integration notwendig sind.

Die terroristische Bedrohung hat sich nicht erheblich verändert und ist nicht höher als auf dem übrigen Kontinent. Auch Kosovo ist von der Problematik radikalisierter Einzelpersonen und der Rückkehr von kosovarischen Dschihad-Reisenden aus syrischirakischem Gebiet betroffen. Die Antiterrormassnahmen der Sicherheitsdienste und die kosovarischen Gesellschaftsstrukturen wirken aber der Ausbreitung dschihadistischer Ideologien erfolgreich entgegen.

Die Mitarbeitenden von in Kosovo tätigen internationalen Organisationen können ihre Aufgaben ohne besondere Gefährdung erfüllen. Insgesamt betrachtet, sind sie von den Sicherheitsproblemen des Landes nicht direkt betroffen.

Was die Sicherheit betrifft, kann die kosovarische Polizei ihre Rolle als erste Einsatzkraft vor Ort und Garantin der öffentlichen Ordnung erfüllen. Trotzdem ist sie vor allem im Norden des Landes nicht immer in der Lage, einzugreifen oder adäquat zu reagieren, wenn es darum geht, Zwischenfälle mit
ethnischen Minderheiten zu lösen.

Aufgrund eines Abkommens mit der KFOR darf die KSF im Norden weiterhin nicht eingreifen. Bestehende Spannungen verschärfen sich zudem aufgrund der seit Kurzem zu beobachtenden Präsenz von Angehörigen der serbischen Polizei auf kosovarischem Staatsgebiet. Vor diesem Hintergrund kommt der EULEX und der KFOR, die nach der kosovarischen Polizei als Second beziehungsweise Third Security Responders fungieren, im Norden nach wie vor eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der Sicherheit zu. Während der jüngsten Ausschreitungen im Gebiet nördlich des Ibars musste die KFOR als wichtigste Sicherheitsinstanz eingreifen, um die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung zu garantieren. Unter diesen Umständen gelingt es dank der dissuasiven und gleichzeitig diskreten Präsenz der KFOR, Ausschreitungen vorzubeugen und diese zu verhindern.

14 / 40

BBl 2022 2974

2.2.4

Verhältnis zu Serbien

Das Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien hat weitreichenden Einfluss auf den gesamten Westbalkan. Die Weigerung Serbiens, die Unabhängigkeit Kosovos zu anzuerkennen, verhindert die Aussöhnung zwischen den beiden Ländern und trägt erheblich zur Instabilität in der Region bei. Verschiedene nicht aufgearbeitete Aspekte des kosovarischen Unabhängigkeitskrieges belasten das Verhältnis zusätzlich, namentlich die Frage der Kriegsverbrecher und das Verschwinden von Personen. Diese Traumata der Vergangenheit werden von den machthabenden nationalistischen Eliten auf beiden Seiten willentlich wachgehalten.

Der seit 2011 von der EU geleitete Dialog zwischen Belgrad und Pristina zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten steht still. Bislang haben es die beiden Parteien nicht geschafft, Lösungen für praktische Probleme zu finden, und erst recht nicht, sich auf ein Abkommen zu einigen, welches das Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien endgültig regeln würde.

Serbien versucht, den Beitritt Kosovos zu internationalen Organisationen zu blockieren. Parallel dazu betreibt Serbien seit Ende 2017 eine internationale Kampagne, bei der es kleinere Staaten davon zu überzeugen versucht, ihre Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos zu widerrufen. Ende 2018 scheiterte infolge intensiven serbischen Lobbyings die dritte Kandidatur Kosovos um Aufnahme in Interpol. Die Regierung Kurti kontert mit Reziprozitätsmassnahmen. So anerkannte Kosovo im Herbst 2021 die serbischen Nummernschilder bei der Einreise nicht mehr, was Spannungen auslöste. Seither wurde noch keine Lösung im Hinblick auf eine gegenseitige Anerkennung der Nummernschilder gefunden. Im August 2022 entschied Pristina, in Kosovo die Immatrikulation der Fahrzeuge von 50 000 Kosovoserbinnen und Kosovoserben zu verlangen. Daraufhin kam es zwischen der kosovarischen Polizei und Demonstranten zu Auseinandersetzungen: Aus Protest gegen diesen Entscheid Pristinas wurden zwei Grenzübergänge zu Serbien blockiert. Wenn auch die EU und die USA die von Pristina verfolgte Politik als legitim ansehen, sorgt diese für erneute Spannungen oder gar punktuelle Auseinandersetzungen, vor allem im Norden Kosovos. Diese anhaltenden Auseinandersetzungen führen in den europäischen Hauptstädten zu Verärgerung, gerade vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine.
In kosovarischen Gemeinden mit serbischer Mehrheit greift Serbien weiter zum Mittel der Einschüchterung, insbesondere wenn es um die Ausübung der politischen Rechte geht. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2021 beanstandeten die internationalen Beobachterinnen und Beobachter die Kontrolle Serbiens über die kosovoserbischen Bürgerinnen und Bürger. Serbien muss sich nicht einmal mehr einer aggressiven Rhetorik bedienen: es reicht, Personen unter Druck zu setzen, die wirtschaftlich von den Parallelstrukturen abhängig sind und um ihre Arbeit bangen. Analog dazu werden serbische Angehörige von kosovarischen Institutionen dazu gedrängt, zu demissionieren.

Dies gilt besonders für die KSF, die mehrheitlich aus Kosovoalbanern besteht.

Die im Februar 2022 gestartete militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine hat eine Welle der Solidarität in den kosovoalbanischen Bevölkerungs- und Politikerkreisen ausgelöst (die Kosovoserbinnen und Kosovoserben stehen hinter der Position Belgrads). Die kosovarischen Behörden verurteilten die russische Aggression; sie haben die Sanktionen der EU vollständig übernommen und angeboten, 5000 Flüchtlinge 15 / 40

BBl 2022 2974

aufzunehmen. Dadurch versucht Pristina, sich als zuverlässiger Partner des Westens zu positionieren und sich von der moskaunahen Haltung Belgrads zu distanzieren.

Kosovo hat darüber hinaus daran erinnert, dass seine Unabhängigkeit die Folge einer Politik des Völkermords ist. Dagegen scheint Serbien, hin- und hergerissen zwischen seiner Position als EU-Beitrittskandidat und seiner Treue zu Russland, eine klare Positionierung zu verweigern. Unter westlichem Druck hat Belgrad die Resolution der UNO-Generalversammlung, mit der die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine verurteilt wird, unterstützt. Derweil übernimmt es die europäischen Sanktionen nicht. Diese Position lässt sich durch Serbiens Abhängigkeit von Moskau bei der Energieversorgung und durch die benötigte russische Unterstützung im UNOSicherheitsrat erklären. Das dient wiederum Kosovo, kann Pristina doch diese Ambiguität in seiner Strategie für den Dialog mit Serbien nutzen, um die Nähe Kosovos zu den westlichen Staaten unter Beweis zu stellen.

Für das Vorhaben, ein rechtlich bindendes umfassendes Abkommen zwischen Kosovo und Serbien abzuschliessen, dürfte es vor diesem Hintergrund noch Geduld brauchen. Ein solches Abkommen ist eng verbunden mit dem zum Erliegen gekommenen Prozess der europäischen Integration, während gleichzeitig die Fragen der Vergangenheit, die durch den Ukrainekrieg wieder in den Vordergrund getreten sind, die bilateralen Beziehungen weiter belasten.

2.2.5

Umwandlung der Kosovo Security Force (KSF)

Bis im Dezember 2018 war die KSF offiziell eine staatliche Zivilschutzorganisation, die leicht bewaffnet war, und paramilitärische Einheiten hatte. Im Dezember 2018 gab die Regierung Kosovos allerdings bekannt, die KSF in eine reguläre Armee umzuwandeln. Das kosovarische Parlament verabschiedete in der Folge die dafür notwendigen Gesetze. Serbien nimmt die Umwandlung der KSF in eine reguläre Armee besonders schlecht auf; für das Land kommt dieses Vorgehen einer Bedrohung für den Frieden mit seiner ehemaligen Provinz gleich. Belgrad stellt die Legitimität der KSF infrage, da ihre Bestände nur wenige Angehörige der serbischen Minderheit umfassen. Gemäss der Nato, die sich ebenfalls gegen diese Umwandlung ausspricht, verletzt der Entscheid das militärtechnische Abkommen, das 1999 zwischen der KFOR und der serbischen Armee abgeschlossen worden ist. Die USA, Deutschland, Frankreich und die Türkei befürworten dagegen grundsätzlich die Schaffung einer kosovarischen Armee.

Seit 2013 beschränkt ein Abkommen zwischen der Regierung Kosovos und der KFOR die Zuständigkeit der KSF im Norden des Landes. Daher kann die KSF im Norden nur mit dem Einverständnis der KFOR eingreifen. 2016 wurde das NATO Advisory and Liaison Team (NALT), ein Beratungs- und Verbindungsteam, ins Leben gerufen, das mit der KSF zusammenarbeitet. Die Hauptaufgabe des NALT ist es, die Entwicklung der Sicherheitsorgane in Kosovo unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze und demokratischer Kontrolle zu begleiten. Die Nato arbeitet mit der KSF ausschliesslich im Zivilschutzbereich und über das NALT zusammen.

Die Nato hat ein Interesse daran, dass diese Umwandlung auf multilateralem Weg anstatt über bilaterale Kanäle erfolgt, die nationalen Partikularinteressen Vorschub 16 / 40

BBl 2022 2974

leisten könnten. Sie erachtet daher die rasche Umwandlung der KSF als besorgniserregende Entwicklung, insbesondere weil gleichzeitig im Dialog zwischen Belgrad und Pristina keine Fortschritte erzielt werden. Das Kommando der KFOR, das für die Sicherheit des Luftraums über Kosovo zuständig ist, ist besonders über den Willen Pristinas beunruhigt, die KSF mit eigenen Luftraumkapazitäten auszustatten.

Die Schweiz hat in Kontakten mit offiziellen Vertreterinnen und Vertretern der kosovarischen Regierung ihre Haltung erörtert. Als unabhängiger Staat hat Kosovo grundsätzlich das Recht auf eigene Streitkräfte. Angesichts dessen, dass Serbien die Umwandlung der KSF in eine Armee missbilligt und nur die KFOR als legitime Streitkraft auf kosovarischem Staatsgebiet anerkennt, sollte allerdings die Einigung auf ein Abkommen angestrebt werden, bevor eine eigene Armee aufgebaut wird. Für die Schweiz bleibt die KFOR primäre Garantin der Sicherheit in Kosovo; sie ist darum nicht in die Weiterentwicklung der KSF involviert.

2.3

Präsenz und Einfluss der internationalen Gemeinschaft in Kosovo

Die UNO-Resolution 1244 ist die Grundlage für die Präsenz der KFOR und zahlreicher internationaler Organisationen in Kosovo. Zu Beginn des internationalen Engagements war die UNMIK verantwortlich für die Entwicklung einer zivilen Verwaltung und den Aufbau des kosovarischen Staates, namentlich seiner Polizei. Die OSZE-Mission (OMIK) war hauptsächlich in den Bereichen Demokratisierung und Menschenrechte tätig. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen betätigten sich damals ebenfalls im Land. Seit 2008 hat die EULEX sukzessive die Aufgaben des Exekutivmandats der UNMIK im Aufbau von Justiz, Polizei und Zollwesen sowie Grenzschutz übernommen.

Obwohl diese Missionen heute noch vor Ort präsent sind, hat sich ihre Rolle mit dem fortschreitenden Aufbau des kosovarischen Staates allmählich reduziert. Die UNMIK hat nur noch einen reduzierten Personalbestand. Dagegen verfügt die OMIK über einen grösseren Personalbestand, da sich Russland und Serbien angesichts der instabilen Lage in Kosovo einer Verkleinerung dieser Mission widersetzen. Die OMIK führt ihre Aktivitäten in Bereichen wie Demokratieentwicklung, Rechte ethnischer Minderheiten, Medienfreiheit, Gleichstellung der Geschlechter und Wahlunterstützung fort. Sie dokumentiert Berichte über Vorfälle zwischen den Ethnien und beobachtet die Wahlen in Kosovo auf Landes- und Gemeindeebene. 2018 hat die EULEX einen Grossteil ihres Exekutivmandats im Justizbereich an die kosovarischen Behörden abgetreten.

Sie ist nicht mehr mit eigenen Richterinnen und Richtern für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, Korruption, organisiertem Verbrechen und Terrorismus zuständig.

Ihre Exekutivkompetenzen beschränken sich nunmehr auf den Zeugenschutz und Verhaftungen in Zusammenhang mit Verfahren vor dem Kosovo-Sondergericht in Den Haag. Aufgrund ihres reduzierten Bestands von ein paar Hundert Polizisten hat die EULEX nur noch begrenzte Fähigkeiten, im Falle von Gewaltausbrüchen, die die kosovarische Polizei überfordern, direkt zu intervenieren. Diese Rolle hat damit faktisch die KFOR übernommen.

17 / 40

BBl 2022 2974

Angesichts der reduzierten Kapazitäten für eine internationale polizeiliche Intervention in Kosovo kann die KFOR als hauptsächliche internationale Akteurin im Sicherheitsbereich betrachtet werden. Ihr kommt weiterhin eine wesentliche Rolle als Garantin von Sicherheit und Stabilität zu, insbesondere dank ihrer hohen Akzeptanz bei allen Ethnien der kosovarischen Bevölkerung.

3

Die Rolle der KFOR

3.1

Auftrag der KFOR

Der Einsatz der KFOR wird durch die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates mandatiert und wurde von der kosovarischen Regierung nach der Unabhängigkeitserklärung von 2008 ausdrücklich begrüsst. Gemäss der Resolution hat die KFOR drei Aufträge zu erfüllen: ­

Schaffung und Erhalt eines sicheren und stabilen Umfelds (inkl. Gewährleistung der uneingeschränkten Bewegungsfreiheit);

­

Anwendung und Überwachung des Abkommens, das den Rückzug der serbischen Kräfte aus Kosovo sowie die Entwaffnung der kosovarischen Befreiungsarmee vorsieht;

­

Unterstützung der zivilen UNO-Mission UNMIK sowie weiterer ziviler internationaler Partner.

Die KFOR arbeitet eng mit UNMIK, OMIK und EULEX zusammen.

3.2

Entwicklung und Funktionsweise der KFOR

Angesichts der Verbesserung und Stabilisierung der Sicherheitslage seit Beginn ihres Mandats wurde die Rolle der KFOR angepasst und die Truppenstärke von anfänglich rund 50 000 Armeeangehörigen schrittweise reduziert. Gegenwärtig stellen 27 Staaten, darunter sieben Nicht-Nato-Staaten, insgesamt rund 3800 Armeeangehörige. Daraus resultierte auf operativer Ebene eine Veränderung der Mission in ihrer Zusammensetzung: von einer flächendeckend präsenten und hauptsächlich aus Infanteriemitteln bestehenden robusten Kraft, die Patrouillen und Kontrollen durchführte entwickelte sich eine leichtere Präsenz, deren Hauptaufgabe die Informations- und Nachrichtenbeschaffung ist (Lageverfolgung). Um im Falle einer Lageverschlechterung reagieren zu können, hat die KFOR eine Interventionskapazität mit robusten Mitteln beibehalten. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben stützt sich die KFOR auf drei Komponenten: Lageverfolgung, Intervention und Eingreifreserve. Dieses Dispositiv ermöglicht, im Land eine leichte Präsenz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Reservekräfte mit hoher Einsatzbereitschaft vor Ort (reduzierte Präsenz) und ausserhalb des Landes (verstärkte Präsenz) zu haben.

Ein Netz von 29 Liaison and Monitoring Teams (LMT) ist das Hauptelement der Kapazität der KFOR im Bereich der Lageverfolgung. Mit ihrer Hilfe können allfällige Konflikttendenzen, die zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage führen, rasch 18 / 40

BBl 2022 2974

erkannt und Interventionselemente im Bedarfsfall ausgelöst werden. Die LMT dienen dem Kommandanten der KFOR als Nachrichtenorgan. Sie nehmen auch Mediationsaufgaben auf lokaler Ebene wahr. Gleichzeitig stehen sie für die flächendeckende militärische Präsenz der KFOR. Die KFOR hat ausserdem Aufklärungsformationen, die diskret Nachrichten für das Kommando der KFOR beschaffen.

Für den Fall einer Lageverschlechterung verfügt die KFOR über zwei Einsatzbataillone, die in spezifisch zugeteilten Landesteilen intervenieren können. Ein drittes Bataillon ist in der Lage, ein breites Spektrum an Interventionen im ganzen Land und auch in Bosnien und Herzegowina für EUFOR ALTHEA durchzuführen. Die Interventionselemente werden durch Elemente taktischer Mobilität unterstützt, wie Transporthelikopter oder Teams zur Räumung von improvisierten Sprengvorrichtungen.

Sollte es die Lage erfordern, kann die KFOR darüber hinaus auf Eingreifreserven zurückgreifen, die ausserhalb von Kosovo stationiert sind und in allen Ländern des Balkans eingesetzt werden können: die Strategic Reserve Force mit rund 700 Armeeangehörigen, die dem Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) der Nato untersteht, und die Operational Reserve Force mit rund 1000 Armeeangehörigen, die dem Allied Joint Force Command der Nato untersteht.

Die Truppengrösse, die Aufgaben und die Ausrichtung der KFOR werden von den militärischen Stellen der Nato halbjährlich auf der Grundlage umfassender Situationsanalysen (Comprehensive Security Assessments of the Kosovo Environment) überprüft, um deren Übereinstimmung mit den aktuellen Sicherheitsbedürfnissen in Kosovo zu gewährleisten. Gestützt auf die von der Nato aktualisierten Bedürfnisse der KFOR können die truppenstellenden Staaten an den jährlichen Force Generation Conferences Beiträge anbieten. Die letzte solche Konferenz fand im Juni 2022 statt.

3.3

Bilanz und Perspektiven für die KFOR

Die KFOR ist nach wie vor der einzige internationale Akteur, der in Kosovo von allen Seiten anerkannt und geschätzt wird; sie hat grosse Glaubwürdigkeit. Sie profitiert auch davon, dass die verschiedenen Parteien ein gemeinsames Interesse an ihrer Präsenz haben, obwohl es keine direkte militärische Bedrohung in Kosovo mehr gibt.

Dank ihrem unparteilichen Ruf kann die KFOR mit den LMT flächendeckend präsent sein, ohne den Eindruck zu erwecken, das Land zu militarisieren. Sie hat auch die Durchsetzungskraft für den Fall, dass eine Situation eskalieren sollte, und kann im ganzen Land rasch intervenieren. Diese internationale militärische Präsenz in Kosovo schreckt vor gewalttätigen Handlungen ab und beruhigt die ethnischen Minderheiten, die sich nach wie vor im ganzen Land bedroht fühlen können. Auch Serbien schätzt diese Präsenz, denn die KFOR stellt sicher, dass die KSF im mehrheitlich serbisch besiedelten Norden Kosovos nicht aktiv ist, was andernfalls interethnische Zwischenfälle auslösen könnte. Die KFOR arbeitet eng mit verschiedenen Akteuren wie der UNO, der EULEX, den Sicherheitskräften Kosovos und der serbischen Armee zusammen.

Nach Ansicht der Nato ist der Einsatz der KFOR fortzuführen, solange Serbien und Kosovo sich als unfähig erweisen, friedliche Beziehungen zwischen souveränen Staa-

19 / 40

BBl 2022 2974

ten aufzubauen. Somit bleibt die KFOR als militärische Garantin eines sicheren Umfelds notwendig, das der Entwicklung Kosovos und der Stabilität der ganzen Region förderlich ist. Die an der Mission beteiligten Staaten teilen diesen Standpunkt; für sie ist die Umsetzung der Resolution 1244 nach wie vor aktuell. Denn die politische Situation und somit auch die Sicherheitslage im Land sind weiterhin labil. Italien und die USA, die wie erwähnt (Ziff. 1) die beiden grössten Truppensteller sind, setzen deshalb ihr Engagement fort. Auch andere Länder führen ihre Beteiligung fort, während Länder, die sich aus der KFOR zurückgezogen hatten, gar eine erneute Beteiligung erwägen.

3.4

Verankerung in der strategischen Haltung der Nato

Für die Nato ist mit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine die Stabilität im Westbalkan noch wichtiger geworden. Sie hat die möglichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Westbalkanstaaten genau verfolgt und festgestellt, dass die Einflussnahme und destabilisierende Aktionen durch Russland zugenommen haben. Deshalb hat sich ihr internationales Sekretariat seit Ausbruch des Konflikts stark dafür eingesetzt, die Aufmerksamkeit der Alliierten auf weitere potenzielle Krisenherde und eingefrorene Konflikte namentlich im Westbalkan sowie in Georgien und Moldawien zu lenken. Die politischen Organe der Allianz haben auch ihre Besuche in den Ländern der Region intensiviert. Die Teilnahme von Bosnien und Herzegowina am Nato-Gipfel in Madrid im Juni 2022 signalisierte dieses erstarkte Interesse. Im strategischen Konzept, das in Madrid verabschiedet wurde, ist festgehalten, dass die Westbalkanstaaten und die Schwarzmeerregion für die Allianz von strategischer Bedeutung sind.9 Laut der Analyse der militärischen Stellen der Nato kann die militärische Präsenz in Kosovo angesichts der gestiegenen Bedeutung der Region für die Stabilität in Europa nicht reduziert werden. Aus diesem Grund ist die Nato der Ansicht, dass die Kapazitäten der KFOR auf demselben Niveau erhalten werden müssen. Vor allem die Situation in Bosnien und Herzegowina bereitet der Allianz Sorgen. Wie bereits erwähnt (Ziff. 2.1) wurde der Truppenbestand der EUFOR ALTHEA kurz nach der russischen Militäraggression gegen die Ukraine von 600 auf 1100 Armeeangehörige erhöht, damit die bosnischen Behörden im Falle von Spannungen unterstützt werden können.

Bei dieser Ausgangslage kommt den Missionen von EU und Nato in Bosnien und Herzegowina sowie in Kosovo eine zentrale Rolle zu. Im Falle von Unruhen können sie die Behörden der Gaststaaten unterstützen, wenn nötig mit den ausserhalb des Landes stationierten Reservemitteln. Darüber hinaus ist die Nato der Auffassung, dass Missionen wie die KFOR verhindern können, dass fragile Regionen durch russische Einflussnahme destabilisiert werden.

9

Das strategische Konzept 2022 der Nato (Nato 2022 Strategic Concept) kann unter folgender Adresse abgerufen werden: www.nato.int > Topics > Strategic Concepts.

20 / 40

BBl 2022 2974

4

Aktueller Einsatz der Swisscoy

4.1

Entwicklung, Organisation und Aufgaben

Seit 1999 hat die Swisscoy ihre Organisation und ihre Aufgaben laufend den Bedürfnissen der KFOR angepasst, die sich ihrerseits aus der Lageentwicklung in Kosovo ableiten. Zu Beginn ihres Engagements war die Swisscoy eine Logistikkompanie mit einer Gesamtstärke von maximal 160 Armeeangehörigen, die mit Ausnahme eines bewaffneten Sicherungsdetachements unbewaffnet waren. Im Zuge einer ersten Reorganisation der KFOR erhielt die Swisscoy entsprechend der neuen Bedürfnisse ein infanteristisches Schwergewicht mit einem Maximalbestand von 220 nun bewaffneten Armeeangehörigen. Im Kontext der beschriebenen Anpassung des KFORDispositivs verlagerte auch die Swisscoy ihr Profil. Schwergewichte waren neu LMT und vielseitig einsetzbare Mittel im Bereich Genie und Transport. Daraus resultierte eine personelle Obergrenze von neu maximal 235 Armeeangehörigen. Zwischen 2018 und 2020 wurde der Maximalbestand auf 165 Armeeangehörige verkleinert. Diese Bestandesreduktion ging mit dem Abzug der schweren Geniemittel für Transport- und Bautätigkeiten einher, die von der KFOR nicht mehr benötigt wurden. 2019 meldete die KFOR zusätzliche Bedürfnisse in den Bereichen Bewegungsfreiheit und Nachrichtenbeschaffung sowie bei der Besetzung von Stabsoffiziersfunktionen an. 2021 wurde der Höchstbestand daher auf 195 Armeeangehörige erhöht, um der KFOR einen Pionierzug, einen Transportzug und zusätzliche Stabsoffiziere zur Verfügung stellen zu können.

Für die Dauer eines Jahres, von November 2018 bis Oktober 2019, hatte ein Schweizer höherer Stabsoffizier im Grade eines Brigadiers die Funktion des stellvertretenden KFOR-Kommandanten (Deputy Commander KFOR, DCOM KFOR) inne. Somit konnte die Schweizer Armee erstmals Erfahrungen auf dieser Führungsstufe in einer internationalen Friedensmission sammeln.

Aktuell sind sechs Schweizer LMT für die Informations- und Nachrichtenbeschaffung zuständig. Mit dem Lufttransportdetachement, das mit zwei Helikoptern ständig verfügbar ist, transportiert die Swisscoy Lasten und Personen. Im Bereich der Bewegungsfreiheit stellt die Swisscoy ein Team von Expertinnen und Experten für die Kampfmittelbeseitigung und einen Verkehrs- und Transportzug, mit dem sie Güter und Personen transportiert. Im Kommando der KFOR stellt die Swisscoy Stabsoffiziere. Ein medizinisches Team und eine Gruppe von
Militärpolizistinnen und Militärpolizisten übernehmen Aufgaben für die gesamte KFOR. Die Schweizer Armee stellt ausserdem den höchsten Verantwortlichen der Militärpolizei der KFOR, den Force Marshal Provost. Die Swisscoy ist auch an der Führung und Verwaltung des KFORCamps in Novo Selo beteiligt. Der seit dem Frühjahr 2021 zur Verfügung gestellte Pionierzug wird regelmässig eingesetzt, um Hindernisse auf den Strassen wegzuräumen und damit die Bewegungsfreiheit der KFOR sicherzustellen. Seit dem Frühjahr 2021 stellt die Swisscoy zudem Stabsoffiziere im Nachrichten-, Überwachungsund Aufklärungsbataillon (Intelligence, Surveillance and Reconnaissance, ISR) der KFOR.

21 / 40

BBl 2022 2974

4.2

Nutzen für die Schweiz

Der Nutzen, den die Schweiz als Nato-Partnerin seit 1999 aus ihrem operativen Beitrag zugunsten der KFOR ziehen kann, betrifft nicht nur die operative Weiterentwicklung der Armee, sondern auch die sicherheits- und aussenpolitische Ebene.

Auf militärpolitischer Ebene bietet der Swisscoy-Einsatz der Schweizer Armee zum einen die Möglichkeit, gegenüber der Allianz ihre Interessen zu vertreten, sowie zum anderen Zugang zu den Nato-Organen, in denen wichtige Informationen für die Armeeentwicklung ausgetauscht werden. Auf operativer Ebene erlangt die Schweizer Armee durch die Entsendung von Offizieren in das Hauptquartier und die Stäbe der KFOR ein besseres Verständnis der operativen Führung solcher Einsätze und der damit verbundenen Stabsprozesse, sei es im Bereich der Informationsbeschaffung oder der Definition des Einsatzes von robusten Mitteln. So konnten die in der Schweiz vermittelten Verfahren im Rahmen eines internationalen Echteinsatzes angewandt und evaluiert werden. Auf taktischer Ebene sind das Training und das Praktizieren von standardisierten Einsatzverfahren in Zusammenarbeit mit anderen Streitkräften von grossem Nutzen. Diese Aktivitäten zeigen, wie die Einsatzbereitschaft erreicht und aufrechterhalten werden kann, und erlauben Rückschlüsse für das Bereitschaftssystem der Schweizer Armee. Die Nachschub- und Rückschubprozesse über grosse Distanzen konnten auf ihre Einsatztauglichkeit in einem Echteinsatz überprüft werden. Auch wurde die Armee dank des Einsatzes der LMT mit neuen Verfahren im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit konfrontiert.

Zudem konnte die Schweizer Armee die Anwendung von Stabsprozessen im 24-Stunden-Betrieb in einem längeren Einsatz überprüfen. Lehren daraus flossen direkt in die entsprechenden Reglemente. Die Armee konnte ebenfalls ihre in Kosovo entwickelten neuen operativen Verfahren in ihre Doktrin einfliessen lassen.

Der persönliche Nutzen für die eingesetzten Armeeangehörigen liegt im Bereich der Erfahrung im Echteinsatz. Über sechs Monate muss die Führungsverantwortung wahrgenommen werden.

Wie oben erwähnt (Ziff. 4.1) konnte die Schweizer Armee mit der Entsendung eines höheren Staboffiziers als DCOM KFOR zum ersten Mal Erfahrungen in der Führung einer internationalen militärischen friedenserhaltenden Mission erwerben.

Schliesslich erlaubt der
Einsatz über längere Zeit auch, Erfahrungen insbesondere über Tauglichkeit, Leistungsfähigkeit und Wartungsbedarf des eingesetzten Materials zu sammeln. Davon profitiert die gesamte Armee.

Der Nutzen des Swisscoy-Einsatzes für die Schweiz zeigt sich auch auf sicherheitsund aussenpolitischer Ebene. Da der Partnerstatus für die Nato vor allem an bedeutende Beiträge an die Operationen geknüpft ist, ist die Tatsache, dass die Schweiz zu den wichtigsten und ältesten truppenstellenden Staaten der KFOR zählt, für ihre Beziehungen zur Nato zentral. Im Rahmen ihrer Partnerschaft mit der Nato ist die Swisscoy der wichtigste operative Beitrag der Schweiz.

Dieser Beitrag erlaubt es der Schweiz nicht nur, bei Evaluationen und Entscheiden betreffend die Mission mitzureden, sondern auch, an Treffen auf Minister- oder Generalstabschefebene und weiteren Diskussionsforen der Allianz teilzunehmen, zu der

22 / 40

BBl 2022 2974

sie allein aufgrund des Partnerstatus nicht Zugang hätte. Sie gelangt dadurch an Informationen, die für den weiteren Austausch auf internationaler Ebene und für die Ausrichtung ihrer Sicherheits- und ihrer Aussenpolitik nützlich sind. Die Beteiligung an der KFOR verschafft der Schweiz ausserdem die Möglichkeit, Stellen im internationalen Sekretariat und im internationalen Militärstab zu besetzen, wo sie sich an Projekten beteiligen kann, die für sie von Interesse sind, etwa im Bereich der Rüstungskontrolle und der Nonproliferation oder bei der Agenda zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Der Schweizer Beitrag wird von den Vertreterinnen und Vertretern der Nato im Rahmen von hochrangigen bilateralen und multilateralen Treffen regelmässig begrüsst und anerkannt.

Vor Ort dient die Präsenz der Swisscoy auch der Schweizer Aussenpolitik, dies namentlich dank regelmässiger Kontakte zwischen der Schweizer Botschaft in Kosovo und dem Kontingent. Diese departementsübergreifende Zusammenarbeit, die sich in einem regelmässigen Informationsaustausch äussert, wirkt sich auch positiv auf das Engagement der Schweiz im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit im Land aus.

Dank Informationen, die aus den Kontakten der LMT mit der Bevölkerung hervorgehen, konnte das Schweizerische Kooperationsbüro in Kosovo Entwicklungsprojekte umsetzen, die neuen, vor Ort identifizierten Bedürfnissen entsprechen.

4.3

Personal

4.3.1

Bereitschaft zur freiwilligen Dienstleistung

Nach 23-jähriger Einsatzdauer ist der Friedenförderungseinsatz in der Swisscoy nach wie vor attraktiv. Ein Einsatz bietet die Möglichkeit, in einem internationalen und multikulturellen Kontext zu arbeiten und umfangreiche Erfahrungen zu sammeln, die eine persönliche und berufliche Weiterentwicklung erlauben. Die Teilnahme an einem Einsatz zur Friedensförderung ist gemäss Artikel 66 Absatz 3 des Militärgesetzes vom 3. Februar 199510 (MG) freiwillig. Dank eines wirksamen Rekrutierungssystems gelingt es der Armee nach wie vor, ausreichend Personal zu gewinnen, das für einen Friedensförderungsdienst in der Swisscoy qualifiziert ist. ­Etwas schwieriger ist die Rekrutierung bestimmter Personalkategorien wie Spezialistinnen und Spezialisten in den Bereichen Führungsunterstützung, Logistik, Transport, Instandhaltung und Infrastruktur sowie von Militärpolizisten, Ärztinnen und Ärzten, Sanitäterinnen und Sanitätern sowie Offizieren.

Die Rekrutierung in zwei Schritten hat sich bewährt. In einer ersten Phase wird in einem der Rekrutierungszentren der Armee die Tauglichkeit für einen Friedensförderungsdienst geprüft. In der zweiten Phase, die vom Kompetenzzentrum Swissint in Stans durchgeführt wird, wird die Eignung der Freiwilligen für die vorgesehene Funktion überprüft.

Zwischen Januar 2021 und Dezember 2021 absolvierten von insgesamt rund 500 Interessierten rund 450 Freiwillige den ersten Rekrutierungstag. Davon wurden 413 für

10

SR 510.10

23 / 40

BBl 2022 2974

den zweiten Rekrutierungstag im Kompetenzzentrum Swissint eingeladen. Schliesslich konnten 170 Personen in einem der beiden Kontingente eingesetzt werden. Von den Angehörigen eines Swisscoy-Kontingents sind im Durchschnitt 81,5 % Milizangehörige und 18,4 % zivile und militärische Mitarbeitende des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), namentlich Stabsoffiziere, Helikopterbesatzungen und mechaniker, Militärpolizisten und Spezialistinnen und Spezialisten für die Räumung von improvisierten Sprengvorrichtungen.

Swisscoy-Kontingente bestehen im Durchschnitt zu 31,3 % aus Armeeangehörigen, die ihren laufenden Einsatz verlängern wollen oder bereits einen Einsatz bei der Swisscoy geleistet haben.

Diese Situation der personellen Alimentierung ist auf die Attraktivität des Friedensförderungsdienstes, ein attraktives Entlöhnungssystem, das den Standards des Bundes entspricht, und auf die geeigneten Kommunikationsmassnahmen zurückzuführen. Damit spricht die Armee nicht nur Personen in den eigenen Reihen an, sondern die gesamte Gesellschaft.

4.3.2

Frauen in der Swisscoy

Im Laufe der letzten Jahre hat die Teilnahme von Frauen an internationalen Missionen zur Friedenserhaltung stetig zugenommen, denn ihre besondere Rolle in der Friedensförderung wird zunehmend anerkannt. Je nach kulturellem oder religiösem Kontext, in dem eine Mission erfolgt, scheinen Frauen bei gewissen Aufgaben gar erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen zu sein. Die UNO hat die Bedeutung einer Präsenz von Frauen ebenfalls erkannt und sich einen Anteil von 20 % weiblichen Personals in Spezialistenfunktionen, etwa als militärische Beobachterinnen, in ihren Missionen als Ziel gesetzt. Die Frauen spielen eine Schlüsselrolle bei den Anstrengungen zur Friedensförderung in Kosovo. Aufgrund der Kultur der Ethnien, mit denen die KFOR interagiert, stossen männliche Armeeangehörige in der Kommunikation mit der weiblichen Bevölkerung eher auf Schwierigkeiten. Dies ist ein wichtiger Aspekt bei der Zusammensetzung der LMT, die regelmässige Kontakte mit der Bevölkerung in ihrer ganzen Vielfalt pflegen müssen.

Um den Umstand auszugleichen, dass Schweizerinnen nicht dienstpflichtig sind und meistens keine vorgängige militärische Ausbildung absolviert haben, umfasst die Ausbildung vor dem Einsatz in der Swisscoy für die weiblichen Kontingentsangehörigen auch eine Phase militärischer Grundausbildung.

Dadurch gelingt es der Armee, mehr Frauen für solche Einsätze, insbesondere in den LMT, zu rekrutieren. Der durchschnittliche Frauenanteil in der Swisscoy bewegt sich heute je nach Kontingent zwischen 15 und 20 %. Er ist weit höher als der Frauenanteil am Gesamtbestand der Armee (0,8 %). Dieser Unterschied erklärt sich namentlich mit der Attraktivität, der Entlöhnung, den Erfahrungen und den beruflichen Aussichten, die der Friedensförderungsdienst bietet.

Diese erfreuliche Entwicklung kommt nicht nur der militärischen Friedensförderung zugute. Für die Armee ist es ebenfalls eine lohnende Investition. Manche Frauen ent-

24 / 40

BBl 2022 2974

scheiden sich nach ihrem Einsatz in der militärischen Friedensförderung, in der Armee zu dienen, und absolvieren die Rekrutenschule oder übernehmen eine Fachoffiziersfunktion.

Die Anstrengungen zur Erhöhung der Beteiligung der Frauen in der Swisscoy und in der militärischen Friedensförderung werden fortgesetzt.

5

Zukunft der Swisscoy

5.1

Fortführung des Einsatzes: Interesse aus sicherheitsund aussenpolitischer Sicht

Die Wahrscheinlichkeit, dass es in Kosovo zu einem bewaffneten Konflikt kommt, ist nach wie vor gering. Die von der Nato und den für die KFOR truppenstellenden Staaten festgelegten Kriterien für eine Reduktion der Mission auf eine minimale Präsenz oder für den Abzug der Truppen sind jedoch nicht erfüllt. Ausserdem bedeutet das vom Krieg in der Ukraine ausgehende Destabilisierungspotenzial eine zusätzliche Herausforderung, die Kosovo neben den weiteren Herausforderungen zu bewältigen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Präsenz der KFOR wahrscheinlich noch viele Jahre lang notwendig.

Angesichts der engen Verbindungen zwischen der Schweiz und Kosovo, vor allem in demografischer Hinsicht, ist die Stabilität im Westbalkan auch im Interesse der Schweiz, die damit unmittelbar von der Präsenz der KFOR vor Ort profitiert. Die Stabilität in Kosovo ist ausserdem für den Frieden und die Sicherheit im Westbalkan von entscheidender Bedeutung und somit im Interesse von ganz Europa. Zu einem Zeitpunkt, da die Nato und ihre Mitglieder sich aktiv darum bemühen, das Dispositiv der Allianz im Osten zu verstärken, zeigt die Schweiz, indem sie ihr Engagement in der KFOR fortsetzt und dessen Verstärkung vorbereitet, dass sie bereit ist, ihren Teil der Verantwortung im Rahmen der von ihren Partnern ebenfalls unternommenen Bemühungen für die Sicherheit in Europa zu übernehmen. Sie trägt die gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit und beweist damit ihre Solidarität.

Diese Unterstützung ist umso wichtiger unter dem Blickwinkel einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Nato, die der Bundesrat in seinem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 202111 dargelegt hat. Angesichts einer Verschlechterung der Lage im Osten Europas könnten die Partner der Schweiz ihr Engagement in dieser Region erhöhen und ihre Leistungen im Rahmen der KFOR reduzieren. In einer solchen Situation könnte die Schweiz, für die ein militärischer Einsatz im Osten Europas nicht möglich ist, sogar ersucht werden, ihre Beteiligung an den Stabilisierungsbemühungen im Westbalkan, insbesondere im Rahmen der KFOR, zu verstärken. Die Fortführung und die Verstärkung des Schweizer Einsatzes zugunsten der KFOR stehen im Einklang mit ihren sicherheits- und aussenpolitischen Interessen.

11

Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 über die Folgen des Kriegs in der Ukraine; BBl 2022 2357.

25 / 40

BBl 2022 2974

5.2

Bestand

Für das laufende Mandat beträgt der Höchstbestand 195 Armeeangehörige. Mit diesem Kontingent stellt die Schweiz der KFOR die oben (Ziff. 4.1) beschriebenen Mittel zur Verfügung, um die seit 2018 im Zusammenhang mit der Verschlechterung der Sicherheitslage und der politischen Situation in Kosovo entstandenen Kapazitätslücken zu schliessen.12

5.2.1

Aufstockung zur Unterstützung der KFOR

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die KFOR während der Laufzeit des Mandats je nach Entwicklung der Sicherheitslage gegenüber den truppenstellenden Ländern einen kurzfristigen zusätzlichen Bedarf geltend machen kann. In einigen Fällen konnte die Swisscoy neue Funktionen übernehmen, indem sie bestimmte Aufgaben innerhalb des Kontingents neu zuwies. In anderen Situationen hingegen sah sich die Schweiz gezwungen, auf bestimmte Ersuchen der KFOR nicht einzugehen, da diese eine Genehmigung durch das Parlament mittels Zusatzbotschaft erfordert hätten. Aufgrund der Dauer dieses Verfahrens war eine Reaktion innert angemessener Frist jeweils nicht möglich. Daher beantragt der Bundesrat, dass ihm die Kompetenz übertragen wird, den Bestand der Swisscoy während der Laufzeit des Mandats um bis zu 30 Armeeangehörige aufzustocken. Der Bundesrat verfügt bereits über eine ähnliche Kompetenz: Er kann den Bestand vorübergehend aufstocken, um auf die Bedürfnisse des Kontingents in den Bereichen Sicherheit und Logistik einzugehen (Ziff. 5.2.2).

Angesichts der Verschlechterung der internationalen Lage würde eine solche Flexibilität zeigen, dass die Schweiz ihre Unterstützung für die KFOR fortsetzen und nötigenfalls anpassen will, während die Nato im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine vor grossen Herausforderungen steht. Sie würde auch die Absicht der Schweiz unterstreichen, sich im Rahmen der militärischen Friedensförderung stärker zu engagieren und ihre Beiträge im Einklang mit dem Bericht des VBS vom 9. November 202013 auszubauen.

5.2.2

Befristete Aufstockung für die Logistik und die Sicherheit des Kontingents

Um Situationen zu begegnen, die aus logistischen Gründen oder um die Sicherheit des Kontingents zu gewährleisten eine befristete Verstärkung der Swisscoy erfordern, ermächtigten die eidgenössischen Räte den Bundesrat für die Dauer des laufenden Mandats, den Bestand der Swisscoy für eine begrenzte Dauer und für definierte Aufgaben 12 13

Botschaft vom 27. November 2019 zur Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der multilateralen Kosovo Force (KFOR); BBl 2019 8447.

Bericht vom 9. November 2020 zuhanden der Chefin VBS über die Weiterentwicklung der militärischen Friedensförderung. Der Bericht kann unter folgender Adresse abgerufen werden: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Weiterentwicklung der militärischen Friedensförderung (Medienmitteilung vom 25. November 2020).

26 / 40

BBl 2022 2974

zu erhöhen.14 Konkret geht es darum, Eigenschutzmassnahmen bei erhöhter Bedrohung zu ergreifen (max. 20 Armeeangehörige) oder Instandhaltungsarbeiten durchzuführen (max. 50 Armeeangehörige).

In den vergangenen drei Jahren war keine Aufstockung aus Sicherheitsgründen nötig.

Alle sicherheitsrelevanten Ereignisse konnten mit den KFOR-Mitteln vor Ort bewältigt werden. Der Bundesrat ist dennoch der Ansicht, dass die Swisscoy im Fall einer starken Zunahme der Bedrohung vor Ort möglicherweise mehr Mittel zum Selbstschutz benötigen könnte, um ihre Mission erfüllen zu können. Deshalb schlägt er vor, die Möglichkeit zu verlängern, für eine Dauer von längstens vier Monaten bis zu 20 zusätzliche Armeeangehörige einzusetzen, wie dies im laufenden Mandat bereits vorgesehen ist. In erster Linie kämen dafür Angehörige des Kommandos Spezialkräfte zum Einsatz.

Eine Aufstockung des Kontingents für längstens acht Monate mit 50 Armeeangehörigen für Instandhaltungsarbeiten war ebenfalls nicht nötig. Durch eine Änderung im Dispositiv der KFOR könnten aber kurzfristige logistische Bedürfnisse entstehen. Daher schlägt der Bundesrat vor, auch diese Möglichkeit beizubehalten.

5.3

Dauer des Einsatzes

Gemäss Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates verlängert sich der Einsatz der KFOR, «sofern der Sicherheitsrat nichts anderes beschliesst». Im März 2022 hielt die Nato in ihrem «Comprehensive Security Assessment» fest, dass die Präsenz der KFOR in Kosovo notwendig bleibt, da die Voraussetzungen zur Reduktion ihrer Kapazitäten nicht erfüllt sind. Diese Einschätzung wurde an der Sitzung des Nordatlantikrats vom 25. Mai 2022, die der KFOR gewidmet war, bestätigt.

Aus den in den Ziffern 2, 3.4, 4.2, 5.1 und 5.2 dargelegten Gründen beantragt der Bundesrat, den Einsatz der Swisscoy um drei weitere Jahre, das heisst bis zum 31. Dezember 2026, zu verlängern. Er kann jederzeit eine vorzeitige Beendigung des Einsatzes beschliessen. In einem solchen Fall informiert er die Aussenpolitischen und Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte gemäss Artikel 152 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200215.

6

Festlegung einer Strategie und von Kriterien für den Ausstieg der Schweiz aus der KFOR

6.1

Anfrage der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates

Anschliessend an ihre Sitzung vom 17. und 18. Januar 2022 wünschte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) vom Bundesrat, folgende Aspekte in der vorliegenden Botschaft zu behandeln: 14 15

BBl 2020 6473 SR 171.10

27 / 40

BBl 2022 2974

a.

die Ziele und Kriterien, die in den Bereichen Nationenbildung und nachhaltige Entwicklung gemäss Agenda 2030 in Kosovo für einen Ausstieg der Schweiz aus der KFOR erfüllt sein müssen; dabei soll insbesondere geschildert werden, welche Strategie der Bundesrat zur Erreichung dieser Ziele in den Bereichen kollektive Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Aussenwirtschaftspolitik verfolgt;

b.

die Unterstützung der Schweiz für Kosovo bei seinen Anstrengungen, internationalen Organisationen beizutreten;

c.

die von der KFOR und der an ihr beteiligten Staaten ihrerseits verfolgten Ziele.

Die Antwort auf Buchstabe c, das heisst die von der KFOR und der an ihr beteiligten Staaten verfolgten Ziele, ist in Ziffer 6.2 ausgeführt. Ziffer 6.3 befasst sich mit der Frage, ob die Schweiz ihre eigene Strategie und ihre eigenen Kriterien für den Rückzug aus der Swisscoy festlegen sollte. Die Antworten des Bundesrates zu den Buchstaben a und b finden sich in Ziffer 6.4.

6.2

Ziele der KFOR und der an ihr beteiligten Staaten

Halbjährlich bewertet die Nato im Rahmen ihres Comprehensive Security Assessment of the Kosovo Environment auf der Grundlage der in Kosovo beobachteten Fortschritte die Notwendigkeit der KFOR-Präsenz im Land sowie deren Grösse.

Zur Beurteilung, ob das Profil der KFOR von einer sogenannten Deterrent Presence, der abschreckenden Präsenz, auf eine sogenannte Minimal Presence, also einer minimalen Präsenz, reduziert werden kann, hat die Nato vier Kriterien festgelegt, anhand derer beurteilt werden kann, ob die Sicherheitslage einen solchen Übergang zulässt: 1.

Der Schutz von Religions- und Kulturerbestätten fällt nicht mehr in die Zuständigkeit der KFOR.

2.

Die Sicherheitskräfte Kosovos erfüllen die Aufgaben ihres Mandats in ganz Kosovo und entlang der Administrative Boundary Line.

3.

Die Sicherheitskräfte Kosovos haben ein hohes Mass an Autonomie erreicht, das es ihnen ermöglicht, Bedrohungen für ein sicheres und stabiles Umfeld ohne die Unterstützung der KFOR einzudämmen.

4.

Der Normalisierungsprozess zwischen Belgrad und Pristina hat ein Stadium erreicht, in dem nicht mehr einseitige Massnahmen das Sicherheitsumfeld gefährden und die Umsetzung von Vereinbarungen zur sozioökonomischen Entwicklung in Kosovo beiträgt.

Da diese Kriterien in Absprache mit den truppenstellenden Staaten der KFOR festgelegt werden, ist auch die Schweiz an ihrer Aufstellung beteiligt. Die Kriterien werden anhand von elf Indikatoren analysiert, wie etwa dem Rechtsrahmen, der Einbindung der serbischen Minderheitsgemeinden, der Vergangenheitsbewältigung und der Fähigkeit der kosovarischen Sicherheitskräfte, ihre Aufgaben im gesamten Land zu erfüllen. Die Erfüllung der Kriterien ist entscheidend für die Reduzierung der KFORBestände.

28 / 40

BBl 2022 2974

Gemäss dem Comprehensive Security Assessment vom März 2022 bestehen die Sicherheitsprobleme fort. Das liegt vor allem an den Mängeln im Normalisierungsprozess zwischen Serbien und Kosovo, den einseitigen Handlungen der Parteien und den externen Einflüssen, insbesondere seitens Russlands. In dieser Hinsicht ergab die Bewertung, dass der Übergang der KFOR hin zu einer minimalen Präsenz mittelfristig sehr unwahrscheinlich ist und dass die KFOR ihr derzeitiges Kräftedispositiv beibehalten sollte. Nach Meinung des Kommandanten der KFOR sind die Voraussetzungen für eine Reduzierung der KFOR auf eine minimale Präsenz nicht erfüllt, da drei dieser Kriterien von dem ins Stocken geratenen Dialog zwischen Serbien und Kosovo abhängen. Grund für dieses Stocken ist insbesondere die Sorge über die schnelle Umwandlung der KSF in eine reguläre Armee.

Sollten ein oder mehrere truppenstellende Staaten der KFOR eine Anpassung des KFOR-Mandats wünschen, wäre eine Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat erforderlich. Jede Änderung des Mandats der KFOR erfordert eine neue Resolution des Sicherheitsrats und damit die Zustimmung seiner ständigen Mitglieder, insbesondere Chinas und Russlands. Die Aussicht auf eine Änderung scheint unwahrscheinlich, da es keine Einigung zwischen Serbien und Kosovo gibt, und vor allem, weil Russland sich verpflichtet hat, nur eine Lösung zu unterstützen, die von Belgrad gebilligt wird.

Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen machen diese Aussicht umso unwahrscheinlicher.

6.3

Stellungnahme des Bundesrates zur Festlegung einer Strategie und von Kriterien für den Abzug der Swisscoy

Es ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage in den Westbalkanstaaten eines Tages zu der Erkenntnis führen wird, dass die internationale Militärpräsenz, sei es in Form der KFOR oder der EUFOR ALTHEA, nicht mehr notwendig ist. Nach mehr als zwei Jahrzehnten des Einsatzes ist es legitim zu fragen, welche Kriterien erfüllt sein sollten, um den Einsatz beenden zu können.

Durch den Einsatz der Swisscoy zugunsten der KFOR entschied sich die Schweiz, sich an den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zu beteiligen, die darauf abzielen, die Entwicklung einer Region zu stabilisieren und zu fördern, die noch immer von einem bewaffneten Konflikt geprägt ist. Diese Bemühungen wurden in Form einer multinationalen Mission zur militärischen Friedensförderung mit einem vom UNO-Sicherheitsrat erteilten multilateralen Mandat konkretisiert. Dieses Mandat verleiht dem multilateralen Engagement einen rechtsverbindlichen Charakter. Die Schweiz beteiligt sich durch ihren Beitrag somit ebenfalls an der Umsetzung des internationalen Rechts. In diesem Sinne ist Swisscoy kein bilateraler Beitrag zugunsten von Kosovo, sondern vielmehr Teil multilateraler Anstrengungen in Form einer multinationalen Nato-Mission, die darauf abzielt, Frieden und Stabilität in Kosovo zu bewahren. Mit anderen Worten: Die KFOR existiert mit oder ohne Beteiligung der Schweiz.

Die Nato ist für die Umsetzung des sicherheitsrelevanten Teils des UNO-Mandats zuständig. Sie leitet diese Mission und trifft Entscheidungen über die Grösse und 29 / 40

BBl 2022 2974

Struktur der KFOR, die Dauer der Mission, die Ziele und Kriterien für die Bewertung der Sicherheitslage sowie über die Annahmen zur Entwicklung der Sicherheitslage.

Wie unter Ziffer 6.2 ausgeführt, stellte die Nato vier Kriterien auf, um festzustellen, ob die Lage eine Reduktion der KFOR-Kapazitäten rechtfertigt. In ihrer Rolle als truppenstellender Staat der KFOR beteiligt sich die Schweiz an der Festlegung und Bewertung dieser Kriterien. Derzeit sind diese Kriterien nicht erfüllt, und die Nato geht davon aus, dass dies auch mittelfristig nicht der Fall sein wird. Der Bundesrat teilt diese Einschätzung.

Unabhängig von diesen Überlegungen und als souveräner Staat kann die Schweiz jederzeit beschliessen, sich auf der Grundlage von Kriterien, die sie selbst einseitig festgelegt hat, aus der KFOR zurückzuziehen. Im Falle eines einseitigen Rückzugs der Schweiz müsste die KFOR auf wichtige Kapazitäten wie die zur Verfügung gestellten Transporthelikopter und Geniemittel verzichten, die nicht leicht zu ersetzen sind. Ausserdem könnte der Verlust eines neutralen Partners wie der Schweiz zu Problemen führen, insbesondere in Regionen, in denen bestimmte truppenstellende Länder von den dort ansässigen ethnischen Gruppen nicht akzeptiert werden. Ein einseitiger Rückzug hätte auch erhebliche aussen- und sicherheitspolitische Folgen für die Schweiz. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde eine solche Entscheidung bei der Nato und den EU-Ländern auf Unverständnis stossen. Die Schweiz würde damit signalisieren, dass sie sich vom multilateralen Engagement zur Stabilisierung Kosovos und seiner Umgebung distanziert, während die Nato und die anderen truppenstellenden Staaten ihr Engagement fortsetzen. Eine solche Entsolidarisierung wäre angesichts der Verschlechterung der Sicherheitslage, die durch den Krieg in der Ukraine verursacht wurde, schwer zu erklären. Darüber hinaus stünde ein Abzug der Swisscoy im Widerspruch zur Absicht des Bundesrates, die Zusammenarbeit mit der Nato zu verstärken.

Der Abzug der Swisscoy hätte auch Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen der Schweiz zu Serbien und zu Kosovo, die aufgrund fehlender Fortschritte in ihrem Dialog die KFOR als Garantin ihrer Sicherheit sehen.

Aufgrund dieser Überlegungen ist der Bundesrat der Ansicht, dass der mittelfristige Rückzug der Schweiz aus der
KFOR und damit auch die Festlegung einseitiger Kriterien zur Beendigung des Swisscoy-Einsatzes nicht angezeigt sind. Der Bundesrat anerkennt, dass Kriterien aufgestellt werden müssen, um die Fortschritte vor Ort zu bewerten und das Profil der Mission entsprechend anzupassen. Angesichts des multilateralen Charakters des Engagements ist er jedoch der Ansicht, dass solche Kriterien gemeinsam mit den zur Mission beitragenden Partnerstaaten aufgestellt werden sollten, wie dies derzeit der Fall ist. Nach Ansicht des Bundesrates muss die Beteiligung der Schweiz an der KFOR weiterhin auf den von der Nato und den truppenstellenden Staaten der KFOR festgelegten Kriterien beruhen, sowie auf deren Sicherheitseinschätzung, der Umsetzung des UNO-Mandats und dem Interesse der Schweiz an Stabilität und Sicherheit in dieser Region, zu der sie eine besondere Beziehung hat.

30 / 40

BBl 2022 2974

6.4

Strategien in den Bereichen kollektive Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Aussenwirtschaftspolitik

Die Themen kollektive Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit sowie Wirtschaftsund Aussenpolitik gehen über die Verantwortung und den Aufgabenbereich der KFOR hinaus. Sie fallen grösstenteils in den Zuständigkeitsbereich der internationalen Zusammenarbeit im zivilen Bereich. Die Nationenbildung, die nachhaltige Entwicklung, die Entwicklungszusammenarbeit, die Aussenwirtschaftspolitik und die Mitgliedschaft Kosovos in internationalen Organisationen sind Bereiche, die vor allem vom Engagement der internationalen Gemeinschaft und der Schweiz in den Bereichen Zusammenarbeit und Diplomatie abhängen. Sie fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der KFOR, die für die Sicherheit und die Stabilität in Kosovo und in der Region sowie für die territoriale Integrität des Landes verantwortlich ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der zivile und der militärische Bereich der Friedensförderung unabhängig voneinander sind. Denn ohne den multilateralen militärischen Einsatz der KFOR, der die Bedingungen für Sicherheit und Stabilität schafft, die für die Umsetzung der internationalen Zusammenarbeit in Zivilsachen unerlässlich sind, könnten keine Fortschritte in den Bereichen erzielt werden, die für die Kommission von Interesse sind.

Im Rahmen ihrer zivilen Zusammenarbeit mit Kosovo beteiligt sich die Schweiz aktiv an den internationalen Bemühungen um Frieden, Stabilität und Entwicklung im Land.

Parallel zu ihrem Engagement im Rahmen der militärischen Friedensförderung in der KFOR hat die Schweiz Kosovo im zivilen Bereich seit 1998 mit einem Gesamtbetrag von rund 500 Millionen Franken unterstützt. Heute ist die Schweiz der drittgrösste Kooperationspartner von Kosovo.

6.4.1

Ziele der Schweiz in den Bereichen Nationenbildung und nachhaltige Entwicklung sowie Strategien in den Bereichen kollektive Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Aussenwirtschaftspolitik

Ziele und Kriterien im Bereich Nationenbildung Das Ziel der KFOR und damit auch der Swisscoy ist es, die territoriale Integrität Kosovos zu gewährleisten und die Sicherheit und Stabilität in der Region und in Kosovo zu wahren. Mit der Anerkennung von Kosovo als souveränem Staat und ihrem Engagement in der KFOR handelt die Schweiz im Einklang mit ihrer Aussen- und Entwicklungspolitik in der Region, die wiederum von dem Ziel bestimmt wird, die Funktionsfähigkeit des kosovarischen Staates und seiner Institutionen zu konsolidieren.

Durch ihr Engagement trägt die Schweiz, auch im Rahmen der KFOR, zur Entwicklung eines stabilen, demokratischen, multiethnischen und friedlichen Landes bei.

Die Präsenz der KFOR und damit auch des Schweizer Kontingents erfüllt dabei wesentliche Ziele, nämlich die Aufrechterhaltung eines sicheren und gesicherten Umfelds, die Bewegungsfreiheit für alle Bürgerinnen und Bürger von Kosovo und die 31 / 40

BBl 2022 2974

Erleichterung der euroatlantischen Integration der Westbalkanstaaten, ohne die die Nationenbildung nicht erreicht werden kann. Jede Verringerung der Grösse der KFOR hängt somit eng mit der Fähigkeit Kosovos zusammen, die eine oder andere Komponente des KFOR-Mandats allein zu übernehmen. Seit dem Ende des Krieges sind bedeutende Fortschritte auf dem Weg zu einer solchen Autonomie erzielt worden, und die Entwicklung des Landes geht in eine gute Richtung. Damit der kosovarische Staat die beschriebenen Aufgaben allein übernehmen kann, müssen zwei Rahmenbedingungen, die nicht direkt mit der Politik der nachhaltigen Entwicklung von Kosovo zusammenhängen, erfüllt sein: Zum einen müssen Kosovo und Serbien ein umfassendes Friedensabkommen abschliessen, zum anderen muss Kosovo der Nato beitreten. Der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien ist und bleibt das grösste Hindernis auf dem Weg zu diesem Ziel. Solange dieser Streit nicht beigelegt ist, wird sich die Wirtschaft in der Region nicht nachhaltig entwickeln können und der Migrationsdruck wird hoch bleiben. Daher hat die Schweiz ein grosses Interesse daran, dass sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern normalisieren.

Ziele und Kriterien im Bereich nachhaltige Entwicklung gemäss der Agenda 2030 Die Schweiz trägt mit ihrem Kooperationsprogramm in drei Einsatzbereichen zur Umsetzung der Agenda 2030 in Kosovo bei. Dabei verfolgt sie die Ziele der Stärkung des Friedens und der Förderung einer demokratischen und inklusiven Gesellschaft, der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und der Stärkung von Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zu dessen Prävention. Dadurch sind die meisten Anstrengungen der Schweiz langfristig angelegt und unterstützen die Bemühungen Kosovos, die UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen.

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit arbeitet im ganzen Land mit allen ethnischen Gemeinschaften zusammen, um die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaften zu stärken und so die wirtschaftliche, soziale und demokratische Entwicklung auf lokaler wie auch nationaler Ebene zu fördern. Sie unterstützt auch die Entwicklung günstiger Rahmenbedingungen für Unternehmen, die das Wachstum des Privatsektors ermöglichen, was auch der Aussenhandelspolitik zugutekommt, sowie für Investitionen der grossen kosovarischen
Diaspora, die in der Schweiz lebt.

Insgesamt trägt die Schweiz durch ihr Engagement, auch im Rahmen der KFOR, zur Entwicklung eines stabilen, demokratischen, multiethnischen und friedlichen Landes bei. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den Übergangsprozess und die europäische Integration Kosovos sowie für die Stabilität des Landes und der Region.

Strategie der kollektiven Sicherheit Die Schweiz engagiert sich durch ihr Kontingent in der KFOR, ihre Diplomatie und ihre Kooperationsinstrumente in erheblichem Masse im Bereich der kollektiven Sicherheit in Kosovo. Sie unterstützt insbesondere den von der EU in Gang gebrachten Dialog zwischen Belgrad und Pristina, der die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo fördert. Die Abteilung Frieden und Menschenrechte des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unterstützt auf der Grundlage des Kooperationsprogramms 2022­2025 für Kosovo die Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien. Sie trägt zur Verbesserung

32 / 40

BBl 2022 2974

der Beziehungen zwischen den Gemeinschaften in Kosovo und des Rechts dieser Gemeinschaften bei und fördert das Verständnis der politischen Akteure und der Öffentlichkeit für die Vergangenheitsarbeit. Die Schweiz beteiligt sich darüber hinaus im Rahmen der OSZE aktiv an den Diskussionen über die Sicherheitslage in Kosovo und wird diese Bemühungen als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat in den Jahren 2023 und 2024 fortsetzen.

Strategie der Entwicklungszusammenarbeit Im Bereich Entwicklung und Zusammenarbeit hat die Schweiz ein Kooperationsprogramm 2022­2025 für Kosovo verabschiedet, das gemeinsam von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), dem Staatssekretariat für Migration (SEM) und dem Staatssekretariat des EDA ausgearbeitet wurde.16 Mit drei beteiligten eidgenössischen Departementen verfolgt das Programm einen umfassenden Ansatz: Unter der Leitung und Koordination der Schweizerischen Botschaft in Kosovo arbeiten die Schweizer Ämter bei der Umsetzung des Programms mit den Regierungsstellen, der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor des Landes zusammen. Das Programm ist für den Zeitraum 2022­2025 mit einem Budget von 86 Millionen Franken ausgestattet und verfolgt seine Ziele in den folgenden Bereichen: 1) demokratische Regierungsführung und Frieden; 2) inklusive, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und menschenwürdige Arbeitsplätze; 3) Klimawandel, Wasser und Gesundheit. Damit deckt das Programm die ersten Aspekte weitgehend ab, deren Behandlung von der SiK-N gefordert wird.

Aussenwirtschaftsstrategie Im Bereich der Aussenwirtschaftspolitik ist die Schweiz die zweitgrösste ausländische Investorin in Kosovo. Sie fördert bilaterale Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen des 2011 mit Kosovo geschlossenen Abkommens über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.17 Im Rahmen ihrer Kooperationsaktivitäten unterstützt die Schweiz die Entwicklung günstiger Rahmenbedingungen für Unternehmen und das Wachstum des Privatsektors in Kosovo. Diese Unterstützung kommt auch der Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz zugute, die im Jahr 2021 das sechstwichtigste Ziel für kosovarische Exporte war. Darüber hinaus wird der Handel verstärkt gefördert, sobald das unter Schweizer Federführung ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und Kosovo in Kraft getreten ist.

16 17

Das Programm kann unter folgender Adresse abgerufen werden: www.eda.admin.ch > Die Schweiz weltweit > Kosovo > Internationale Zusammenarbeit > Programm.

Abkommen vom 27. Oktober 2011 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kosovo über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen; SR 0.975.247.5.

33 / 40

BBl 2022 2974

6.4.2

Unterstützung der Bemühungen Kosovos um den Beitritt zu internationalen Organisationen

Die Schweiz anerkennt Kosovo seit 2008 als souveränen Staat und unterstützt seine Integration, seine Vertretung in und Teilnahme an internationalen Organisationen sowie seinen Beitritt zu multilateralen Abkommen. In diesem Bereich hat die Schweiz bisher ihre Haltung von Fall zu Fall festgelegt. Entscheidend war jeweils die Bedeutung der betreffenden Organisation, und ob Kosovo Verpflichtungen erfüllen kann, die sich gegebenenfalls aus einem Beitritt ergeben würden.

Durch ihr langjähriges Engagement im Bereich der internationalen Zusammenarbeit unterstützt die Schweiz Kosovo bei der Durchführung von Reformen, die für seine Integration in die internationale Gemeinschaft von zentraler Bedeutung sind. Eine beträchtliche Anzahl von Mitgliedstaaten internationaler Organisationen, denen Pristina beitreten möchte, darunter fünf EU-Mitgliedstaaten, anerkennen Kosovo jedoch nicht.

Die Schweiz ist sich dieser Tatsache bewusst und beabsichtigt, sich weiterhin für die Integration Kosovos in die internationale Gemeinschaft einzusetzen. Während der Zeit ihres Einsitzes im UNO-Sicherheitsrat 2023­2024 wird sich die Schweiz für die internationale Integration von Kosovo einsetzen.

7

Auswirkungen

7.1

Finanzielle Auswirkungen

7.1.1

Kosten des Einsatzes

Aufgrund von Entwicklungen, die sich auf das Umfeld und die Aufgaben der Swisscoy auswirken können, können auch die Kosten des Einsatzes während des Mandats variieren, dies auch bei gleichbleibendem Bestand. Beispielsweise verursachen Aufgaben, die vorrangig Infanteriemittel erfordern, geringere Kosten als Aufgaben, die Geniemittel oder besondere Fachkenntnisse der eingesetzten Armeeangehörigen erfordern.

Die Kostenentwicklung in den letzten Jahren verdeutlicht, dass die Zahl der Armeeangehörigen nicht allein massgebend ist. Im Jahr 2020 kostete der Swisscoy-Einsatz bei einem Maximalbestand von 165 Armeeangehörigen rund 38,2 Millionen Franken.

Im Jahr 2021 kostete der Einsatz rund 37,4 Millionen Franken, obwohl der Maximalbestand im April 2021 von 165 Armeeangehörigen auf 195 Armeeangehörige aufgestockt wurde.

Obwohl also der Maximalbestand im Jahr 2021 höher war als im Jahr 2020, sanken die Kosten für den Einsatz, dies im Wesentlichen aufgrund des Verlaufs der Covid19-Pandemie. Denn ab dem Frühjahr 2020 mussten zusätzliche Ausgaben für Versorgung, Truppenbetreuung und Logistik getätigt werden. Insbesondere waren zusätzliche Flüge erforderlich, um medizinisches Material in den Einsatzraum zu transportieren. Auch der Transport auf den Strassen musste durch zusätzliche Flüge ersetzt werden, da die Grenzen 2020 wegen der Pandemie geschlossen wurden. Aufgrund der Gesundheitsmassnahmen, die die Anzahl der Personen pro Fahrzeug begrenzten, mussten vor Ort mehr Fahrten durchgeführt werden. Urlaubstage, die aufgrund der

34 / 40

BBl 2022 2974

Pandemie nicht genommen werden konnten, mussten ausgezahlt werden. 2021 führte die verbesserte Gesundheitssituation zu geringeren Ausgaben.

Es ist vorgesehen, dass das Budget für einen Maximalbestand von 195 Armeeangehörigen von 40,9 Millionen Franken pro Jahr für das laufende Mandat (2021­2023) auf 45 Millionen Franken pro Jahr für das nächste Mandat (2024­2026) erhöht wird.

Diese Erhöhung ist aus den folgenden Gründen notwendig: ­

Infolge der Revision der Verordnung vom 22. November 201718 über die Militärdienstpflicht und der Verordnung des VBS über das Personal für die Friedensförderung, die Stärkung der Menschenrechte und die humanitäre Hilfe, die am 1. Januar 2023 in Kraft treten, kann die einsatzbezogene Ausbildung in der Schweiz für noch Militärdienstpflichtige nicht mehr durch ein Aufgebot mittels Marschbefehl erfolgen. Diese Regelung führt zu Mehrausgaben von rund 1,7 Millionen Franken im Personalbereich (Ausbildungsvertrag) und rund 200 000 Franken an Betriebskosten (Verpflegung und Fahrausweise).

­

Um der Teuerung Rechnung zu tragen, wurde das Budget für alle Ausgabenbereiche um 5 % erhöht.

Die voraussichtlichen Kosten für den Swisscoy-Einsatz mit einem Maximalbestand von 195 Armeeangehörigen setzen sich wie folgt zusammen: Rubrik

Maximalbestand 195

Maximalbestand 195

2021­2023

2024­2026

Einmietung von Flugleistungen (insb. Versorgungsflüge)

3 525 000

3 700 000

Basisausgaben, Material, Nach- und Rückschub, Instandhaltung, Rekrutierung

1 200 000

1 300 000

Betriebsausgaben, Verpflegung, Betriebsstoff, Kommunikation

3 900 000

4 300 000

Personal

32 300 000

35 700 000

Jährliche Gesamtkosten

40 925 000

45 000 000

Mandat

Die Kosten für den Einsatz werden durch das Armeebudget des VBS gedeckt.

7.1.2

Kosten des Einsatzes im Falle einer Aufstockung zur Unterstützung der KFOR

Falls der Bundesrat zur Erfüllung eines zusätzlichen Bedürfnisses der KFOR die Entsendung eine Verstärkung mit maximal 30 zusätzlichen Armeeangehörigen beschliesst (vgl. Ziff. 5.2.1), steigen die vorgesehenen Kosten pro Jahr um 6,2 Millionen Franken und sehen wie folgt aus: 18

SR 512.21

35 / 40

BBl 2022 2974

Rubrik

Maximalbestand 225

Mandat

2024­2026

Einmietung von Flugleistungen (ins. Versorgungsflüge)

3 700 000

Basisausgaben, Material, Nach- und Rückschub, Instandhaltung, Rekrutierung

1 400 000

Betriebsausgaben, Verpflegung, Betriebsstoff, Kommunikation

4 900 000

Personal

41 200 000

Jährliche Gesamtkosten

51 200 000

Die Zusatzkosten in Zusammenhang mit einer Erhöhung des Maximalbestands des Kontingents während der Laufzeit des Mandats würden durch das Armeebudget gedeckt.

7.1.3

Zusatzkosten im Fall einer befristeten Aufstockung für die Logistik und die Sicherheit des Kontingents

Die allfällige befristete Aufstockung des Kontingents für die Instandhaltung und die Infrastrukturbewirtschaftung oder bei einer notwendigen Erhöhung des Schutzgrades hätte folgende finanzielle Auswirkungen: Rubrik

Verstärkung für Aufgaben der Instandhaltung und der Infrastrukturbewirtschaftung

Verstärkung zur Erhöhung des Schutzgrades

Angenommene Einsatzdauer vor Ort

max. 8 Monate

max. 4 Monate

Angenommene Detachementsgrösse

max. 50 Personen

max. 20 Personen

Betriebsausgaben, Verpflegung, Betriebsstoff, Kommunikation

735 000

158 000

Basisausgaben, Material, Nachund Rückschub, Instandhaltung, Rekrutierung, Infrastruktur

3 900 000

53 000

Personal

5 000 000

998 000

Zusatzkosten für Detachement pro Einsatz

9 653 000

1 209 000

Die hier genannten Kosten fallen nur dann an, wenn der Bundesrat die Entsendung einer entsprechenden Verstärkung beschliesst. Auch sie würden im Armeebudget aufgefangen.

36 / 40

BBl 2022 2974

7.2

Personelle Auswirkungen

Seit Beginn des Swisscoy-Einsatzes verstärken projektbezogene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Kompetenzzentrum Swissint. Diese zivilen Angestellten haben Arbeitsverträge, die auf die Dauer des Schweizer Swisscoy-Mandates ausgelegt sind.

Ihre Stellen sind an den Einsatz der Swisscoy gebunden und fallen bei dessen Beendigung weg. Die projektbezogenen Angestellten werden vor allem in der Rekrutierung, im Finanzwesen, bei der Planung, in der Führungsunterstützung, im Nachschub, in der Instandhaltung und in der Ausbildung eingesetzt. Aktuell entspricht der Personalbestand 35 Vollzeitstellen (FTE). Eine allfällige Erhöhung des Höchstbestands um 30 Armeeangehörige während der Laufzeit des Mandats, um zusätzliche Bedürfnisse der KFOR abzudecken, würde vier zusätzliche FTE erfordern, die im Rahmen des ordentlichen Armeebudgets finanziert würden.

Dazu unterstützen sechs Zeitmilitärs in Stans die Ausbildung. Dies ist nötig, weil jedes Kontingent zuerst auf den militärischen Ausbildungsstand in der Einheit gebracht und anschliessend funktionsbezogen ausgebildet und mit den Besonderheiten des Einsatzraums vertraut gemacht werden muss. Die Ausbildung der Kontingente ist insofern aufwendig, als die Inhalte stets den Veränderungen der Lage vor Ort und der Auftragslage anzupassen sind.

7.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Fortführung des Swisscoy-Einsatzes bedeutet für den Kanton Nidwalden als Standortkanton des Kompetenzzentrums Swissint keine Veränderung.

8

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2019­202319 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 2020 über die Legislaturplanung 2019­202320 angekündigt. Der vorliegende Beschluss entspricht jedoch dem Ziel 11 der Botschaft («Die Schweiz engagiert sich für Reformen zur Stärkung der multilateralen Zusammenarbeit, intensiviert gezielt ihr Engagement in der internationalen Zusammenarbeit und setzt sich für optimale Rahmenbedingungen als Gaststaat internationaler Organisationen ein»), in dem es heisst: «Die Schweiz setzt sich ein für Frieden und Sicherheit im Rahmen einer regelbasierten und effizienten multilateralen Ordnung und leistet Beiträge an die Wahrung der Sicherheit der Schweiz und die Stärkung der europäischen und internationalen Stabilität.»21 Mit dem vorliegenden Bundesbeschluss soll der Einsatz der Swisscoy in der KFOR bis zum 31. Dezember 2026

19 20 21

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 BBl 2020 1777, hier 1852.

37 / 40

BBl 2022 2974

verlängert werden, wobei die Schweiz jederzeit die Möglichkeit hat, den Einsatz zu beenden.

9

Vernehmlassung

Zum vorliegenden Geschäft wurde keine Vernehmlassung durchgeführt, da es weder von grosser politischer oder finanzieller Tragweite im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200522 (VlG) ist, noch die Kantone in erheblichem Mass betrifft (Art. 3 Abs. 1 Bst. e VlG).

10

Rechtliche Aspekte

10.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Artikel 58 Absatz 2 der Bundesverfassung23 (BV) gibt der Armee folgenden Auftrag: «Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.» Artikel 1 Absatz 4 MG24 führt denn auch aus, dass die Armee im Rahmen ihrer Aufgaben friedensfördernde Beiträge im internationalen Rahmen zu leisten hat.

Die Verfassungsmässigkeit des Friedensförderungsdienstes wurde bereits mehrfach geprüft und bejaht, soweit die Einsätze auf Freiwilligkeit beruhen.25 Keine Rolle spielt dabei, welche Massnahmen zum Schutz von Personen, Truppen und zur Auftragserfüllung vorgenommen werden, z. B. die Frage der Bewaffnung. Der Bundesrat ist jedoch verpflichtet, Einsätze im Einzelfall auf die Vereinbarkeit mit den aussen- und sicherheitspolitischen Maximen, dem Neutralitätsrecht sowie der Neutralitätspolitik hin zu prüfen.

Die Voraussetzungen für Einsätze zur Friedensförderung sind in Artikel 66 MG festgelegt: Ein solcher Einsatz kann auf der Grundlage eines UNO- oder OSZE-Mandates angeordnet werden und muss den Grundsätzen der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik entsprechen; er muss von Personen geleistet werden, die eigens dafür ausgebildet sind; die Teilnahme ist freiwillig. Im Fall der Swisscoy sind diese Voraussetzungen erfüllt: Die KFOR handelt auf der Grundlage der Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates, und ihr Personal besteht ausschliesslich aus Freiwilligen, die vorgängig durch das Kompetenzzentrum Swissint spezifisch ausgebildet werden.

22 23 24 25

SR 172.061 SR 101 SR 510.10 Vgl. insbesondere die Botschaft vom 8. Dezember 1993 betreffend das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung sowie den Bundesbeschluss über die Organisation der Armee, BBl 1993 IV 1, Ziff. 61; H. Meyer, St. Galler Kommentar zu Art. 58 BV, Rz. 37.

38 / 40

BBl 2022 2974

10.2

Zuständigkeit

Der Bundesrat ist für die Führung der Aussen- und Sicherheitspolitik zuständig; er kann Friedensförderungseinsätze anordnen und die notwendige Ausrüstung und Bewaffnung sowie weitere Massnahmen festlegen. Da der Swisscoy-Einsatz bewaffnet erfolgt, mehr als 100 Angehörige der Armee umfasst und länger als drei Wochen dauert, bedarf die Weiterführung des Swisscoy-Einsatzes, wie er mit dieser Botschaft vorgeschlagen wird, der Zustimmung der Bundesversammlung (Art. 66b Abs. 4 MG).

10.3

Erlassform

Der vorliegende Erlass stellt einen Einzelakt der Bundesversammlung dar, der in einem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 173 Abs. 1 Bst. h BV). Artikel 66b Absatz 4 MG sieht die Bewilligung der Bundesversammlung vor für einen bewaffneten Einsatz mit mehr als 100 Angehörigen der Armee oder einer Dauer von länger als drei Wochen. Dem fakultativen Referendum unterliegen Bundesbeschlüsse, soweit Verfassung und Gesetz dies vorsehen (Art. 141 Abs. 1 Bst. c BV). Weil im vorliegenden Fall weder die Verfassung noch das Gesetz ein Referendum vorsehen, wird der Erlass in die Form eines einfachen Bundesbeschlusses gekleidet (Art. 163 Abs. 2 BV).

10.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder Subventionen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken nach sich ziehen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

39 / 40

BBl 2022 2974

40 / 40