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22.079 Botschaft zur Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf vom 23. November 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. November 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-3830

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Übersicht Der Bundesversammlung wird beantragt, mit einfachem Bundesbeschluss Änderungen in den Verfassungen der Kantone Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf zu gewährleisten. Alle Änderungen sind bundesrechtskonform. Die Gewährleistung ist somit zu erteilen.

Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes.

Steht eine kantonale Verfassungsbestimmung im Einklang mit dem Bundesrecht, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt sie diese Voraussetzung nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Zürich: ­

den Klimaschutz;

im Kanton Glarus: ­

den Klimaschutz;

­

den Finanzhaushalt;

im Kanton Solothurn: ­

die öffentlichen Schulen;

im Kanton Basel-Landschaft: ­

Volksinitiativen;

­

die Ombudsperson;

im Kanton Wallis: ­

die Regulierung von Grossraubtieren;

im Kanton Genf: ­

die Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds;

­

den administrativen Rat der Gemeinden;

­

die Entwicklung der strukturierenden thermischen Netze.

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Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Zürich

1.1.1

Volksabstimmung vom 15. Mai 2022

Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich haben in der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 dem neuen Artikel 102a der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 20051 (KV-ZH) betreffend den Klimaschutz mit 276 103 Ja gegen 135 255 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 22. Juni 2022 ersuchen der Regierungspräsident und die Staatsschreiberin im Namen des Regierungsrates um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2 Bisheriger Text

Klimaschutz Neuer Text Art. 102a Klima [Marginalie] 1 Kanton und Gemeinden setzen sich für die Begrenzung des Klimawandels und dessen Auswirkungen ein. Sie berücksichtigen dabei die Ziele des Bundes und der für die Schweiz verbindlichen internationalen Abkommen.

Insbesondere richten sie ihre Massnahmen darauf aus, die Treibhausgasemissionen bis zur Treibhausgasneutralität zu vermindern.

2 Sie sorgen dafür, dass dazu geeignete Massnahmen, namentlich in den Bereichen Siedlungsentwicklung, Gebäude, Verkehr, Landund Forstwirtschaft sowie Industrie und Gewerbe, umgesetzt werden.

3 Sie können die Entwicklung und Anwendung von Technologien, Materialien und Prozessen fördern, die zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen.

Nach Artikel 74 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)2 erlässt der Bund Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. Der Bund verfügt dementsprechend über eine allgemeine, konkurrierende und nachträglich derogierende Rechtsetzungskompetenz.3 Die Bundesversammlung hat im Bereich des Klimaschutzes gestützt darauf insbesondere das

1 2 3

SR 131.211 SR 101 Vgl. Anne-Christine Favre in: Vincent Martenet / Jacques Dubey (Hrsg.), Constitution fédérale, Comm. romand, Basel 2021, Art. 74 Rz. 14.

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CO2-Gesetz vom 23. Dezember 20114 und das Energiegesetz vom 30. September 20165 erlassen. Die Kantone behalten ihre Rechtsetzungskompetenzen, soweit der Bund seine nicht vollständig ausgeschöpft hat, und überdies die Kompetenzen in ihren eigenen Zuständigkeitsbereichen, wobei die kantonale Rechtsetzung das Bundesumweltrecht unterstützen kann, indem es dieses ergänzt oder verstärkt.6 Im Bereich des Klimaschutzes sind beispielsweise vor allem die Kantone zuständig für Massnahmen, die den Verbrauch von Energie in Gebäuden betreffen (Art. 89 Abs. 4 BV).

Der neue Artikel 102a KV-ZH sieht vor, dass sich Kanton und Gemeinden für die Begrenzung des Klimawandels und dessen Auswirkungen einsetzen. Insbesondere richten sie ihre Massnahmen darauf aus, die Treibhausgasemissionen bis zur Treibhausgasneutralität zu vermindern. Sie sorgen dafür, dass dazu geeignete Massnahmen, namentlich in den Bereichen Siedlungsentwicklung, Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft sowie Industrie und Gewerbe, umgesetzt werden.

Die Ziele von Artikel 102a KV-ZH gehen in die gleiche Richtung wie diejenigen des Bundes. So hat beispielsweise der Bundesrat ebenfalls ein Netto-Null-Ziel für Treibhausgasemissionen beschlossen.7 Die Ziele des Kantons Zürich implizieren insbesondere Massnahmen im Bereich des Energieverbrauchs in Gebäuden, ein Bereich, in dem die Bundeskompetenzen begrenzt sind. Artikel 102a KV-ZH ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten. Die kantonale Ausführungsgesetzgebung muss indessen mit dem höherrangigen Recht vereinbar sein, insbesondere mit dem CO2-Gesetz und dem Energiegesetz.

1.2

Verfassung des Kantons Glarus

1.2.1

Landsgemeinde vom 1. Mai 2022

An der Landsgemeinde vom 1. Mai 2022 haben die Stimmberechtigten des Kantons Glarus dem neuen Artikel 22a der Verfassung des Kantons Glarus vom 1. Mai 19888 (KV-GL) betreffend Klimaschutz sowie den Änderungen der Artikel 62 und 90 KVGL im Hinblick auf eine Änderung des Glarner Finanzhaushaltsgesetzes zugestimmt.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2022 ersucht der Ratsschreiber im Namen der Staatskanzlei um die eidgenössische Gewährleistung.

4 5 6 7

8

SR 641.71 SR 730.0 Vgl. ebd., Art. 74 Rz. 15.

Bundesratsbeschluss vom 28. August 2019, angeführt in der Botschaft vom 11. August 2021 zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» und zum direkten Gegenentwurf (Bundesbeschluss über die Klimapolitik), BBl 2021 1972 S. 22.

SR 131.217

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1.2.2

Klimaschutz

Bisheriger Text

Neuer Text

Zweites Kapitel: Öffentliche Aufgaben und Finanzordnung Erster Abschnitt: Umweltschutz und Raumordnung

Gliederungstitel vor Art. 22 Zweites Kapitel: Öffentliche Aufgaben und Finanzordnung Erster Abschnitt: Umweltschutz, Klimaschutz und Raumordnung Art. 22a Klimaschutz 1 Kanton und Gemeinden setzen sich für die Begrenzung der Klimaveränderung und deren nachteiligen Auswirkungen ein. Sie leisten den erforderlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele des Kantons, des Bundes und der für die Schweiz verbindlichen internationalen Abkommen.

2 Sie sorgen dafür, dass dazu geeignete Massnahmen umgesetzt werden. Die Massnahmen zum Klimaschutz sind umwelt-, sozial- und wirtschaftsverträglich auszugestalten.

3 Sie setzen finanzielle Anreize zur Erreichung der Klimaziele.

Der neue Artikel 22a KV-GL sieht insbesondere vor, dass sich Kanton und Gemeinden für die Begrenzung der Klimaveränderung und deren nachteiligen Auswirkungen einsetzen. Sie sorgen dafür, dass dazu geeignete Massnahmen umgesetzt werden. Die Massnahmen zum Klimaschutz sind umwelt-, sozial- und wirtschaftsverträglich auszugestalten.

Die Ausführungen unter Ziffer 1.1.2 zu einer thematisch verwandten Änderung der KV-ZH gelten hier ebenfalls. Die Ziele des Kantons Glarus implizieren insbesondere Massnahmen im Bereich des Energieverbrauchs in Gebäuden, ein Bereich, in dem die Bundeskompetenzen begrenzt sind. Artikel 22a KV-GL ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten. Die kantonale Ausführungsgesetzgebung muss indessen mit dem höherrangigen Recht vereinbar sein, insbesondere mit dem CO2-Gesetz9 und dem Energiegesetz10.

9 10

SR 641.71 SR 730.0

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1.2.3

Finanzhaushalt

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 62 Landsgemeindememorial 3 Mit dem Memorial werden der Landsgemeinde die Jahresrechnung, der Finanzbericht sowie das Budget zur Kenntnis gebracht.

Art. 62 Abs. 3 Aufgehoben

Art. 90 Finanzbefugnisse Dem Landrat stehen zu: a. die Festsetzung des Budgets, die Prüfung und Abnahme der Jahresrechnung und die Genehmigung des Finanzplans;

Art. 90 Bst. a Dem Landrat stehen zu: a. die Festsetzung des Budgets, die Prüfung und Abnahme der Jahresrechnung und die Kenntnisnahme des Integrierten Aufgaben- und Finanzplans;

Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt auch deren Organisationsautonomie. Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Die Änderungen der Artikel 62 und 90 KV-GL sehen vor, dass der Landsgemeinde die Jahresrechnung, der Finanzbericht sowie das Budget nicht mehr mit dem Memorial zur Kenntnis gebracht werden. Die Unterlagen können indessen auf der Internetseite des Kantons eingesehen werden. Im Weiteren genehmigt der Landrat nicht mehr den Finanzplan, sondern nimmt Kenntnis des Integrierten Aufgaben- und Finanzplans. Die Änderungen betreffen die kantonalen politischen Rechte und die kantonale Organisationsautonomie. Sie sind bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.3

Verfassung des Kantons Solothurn

1.3.1

Volksabstimmung vom 15. Mai 2022

Die Stimmberechtigten des Kantons Solothurn haben in der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 der Änderung von Artikel 105 der Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 198611 (KV-SO) betreffend die öffentlichen Schulen mit 55 422 Ja gegen 9582 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 24. Juni 2022 ersucht die StaatsschreiberStellvertreterin im Namen der Staatskanzlei um die eidgenössische Gewährleistung.

11

SR 131.221

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1.3.2

Öffentliche Schulen

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 105 Öffentliche Schulen 1 Die Einwohnergemeinden errichten und führen die Volksschulen mit Ausnahme der sonderpädagogischen Institutionen; der Kindergarten ist Teil der Volksschule. ...

2 Der Kanton errichtet und führt sonderpädagogische Institutionen und die übrigen öffentlichen Schulen.

Art. 105 Abs. 1 erster Satz, 2 und 2bis 1 Die Einwohnergemeinden errichten und führen die Volksschulen; der Kindergarten ist Teil der Volksschule. ...

2 Der Kanton errichtet und führt die sonderpädagogischen Institutionen. Er kann weitere kantonale Angebote auf der Volksschulstufe führen. Das Gesetz regelt die Einzelheiten.

2bis Der Kanton errichtet und führt die übrigen öffentlichen Schulen. Das Gesetz regelt deren Aufgaben und Organisation.

Nach Artikel 62 Absatz 1 BV sind für das Schulwesen die Kantone zuständig. In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt auch deren Organisationsautonomie.

Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Nach Artikel 50 Absatz 1 BV ist die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. Die Änderung von Artikel 105 KV-SO sieht insbesondere vor, dass der Kanton auf der Volksschulstufe nicht nur sonderpädagogische Institutionen errichten und führen kann, sondern auch weitere kantonale Angebote. Die Änderung betrifft das Schulwesen, die kantonale Organisationsautonomie und die Gemeindeautonomie. Sie ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.4

Verfassung des Kantons Basel-Landschaft

1.4.1

Volksabstimmung vom 13. Februar 2022

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft haben in der Volksabstimmung vom 13. Februar 2022 den Änderungen der §§ 28­31 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 198412 (KV-BL) betreffend Volksinitiativen mit 58 024 Ja gegen 17 084 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 21. März 2022 ersucht der Redaktor der Gesetzessammlung im Namen der Landeskanzlei um die eidgenössische Gewährleistung.

12

SR 131.222.2

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1.4.2

Volksinitiativen

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 28

§ 28 Abs. 1bis 1bis Die Frist zur Einreichung der Unterschriften beträgt zwei Jahre.

Grundsätze

§ 29 Verfahren 2 ... Das Gesetz regelt die Ausnahmen und die Säumnisfolgen.

3 ... Hat das Volk oder der Landrat beschlossen, dem Begehren Folge zu geben, so arbeitet der Landrat innert zweier Jahre eine entsprechende Vorlage zuhanden des Volkes aus. ...

§ 29 Abs. 2 zweiter Satz, 3 zweiter Satz und 3bis 2 ... Aufgehoben 3 ... Hat das Volk oder der Landrat beschlossen, dem Begehren Folge zu geben, so arbeitet der Landrat innert zweier Jahren eine entsprechende Vorlage aus. ...

3bis Das Gesetz regelt die Ausnahmen und Säumnisfolgen der Behandlungsfristen von Volksbegehren.

§ 30 Obligatorische Abstimmungen Der obligatorischen Volksabstimmung unterliegen: b. Gesetze und Staatsverträge mit gesetzeswesentlichem Inhalt, die der Landrat mit weniger als vier Fünfteln der anwesenden Mitglieder beschliesst oder die er durch separaten Beschluss dem obligatorischen Referendum unterstellt; c. formulierte Initiativbegehren und gegenübergestellte Gegenvorschläge; d. nichtformulierte Initiativbegehren, die der Landrat ablehnt, gegenübergestellte Gegenvorschläge sowie Vorlagen, die der Landrat auf Grund nichtformulierter Initiativbegehren ausarbeitet;

§ 30 Bst. b­d Der obligatorischen Volksabstimmung unterliegen: b. Gesetze und Staatsverträge mit gesetzeswesentlichem Inhalt sowie Vorlagen aufgrund von zurückgezogenen nichtformulierten Initiativbegehren, die der Landrat mit weniger als Vierfünftel der anwesenden Mitglieder beschliesst oder die er durch separaten Beschluss der obligatorischen Volksabstimmung unterstellt; c. formulierte Initiativbegehren und gleichzeitig gegenübergestellte Gegenvorschläge; d. nichtformulierte Initiativbegehren, die der Landrat ablehnt, und gleichzeitig gegenübergestellte Gegenvorschläge sowie Vorlagen aufgrund von nichtformulierten Initiativbegehren;

§ 31 Fakultative Abstimmungen 1 Auf Begehren von 1500 Stimmberechtigten werden der Volksabstimmung unterbreitet: c. Gesetze sowie Staatsverträge mit gesetzeswesentlichem Inhalt, die nicht der obligatorischen Volksabstimmung unterliegen;

§ 31 Abs. 1 Bst. c 1 Auf Begehren von 1500 Stimmberechtigten werden der Volksabstimmung unterbreitet: c. Gesetze und Staatsverträge mit gesetzeswesentlichem Inhalt sowie Vorlagen aufgrund von zurückgezogenen nichtformulierten Initiativbegehren, die nicht der obligatorischen Volksabstimmung unterliegen;

Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt auch deren Organisationsautonomie. Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Die Änderungen der §§ 28­31 KV-BL sehen insbesondere eine Frist von zwei Jahren zur Einreichung der Unterschriften einer Volksinitiative 8 / 18

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vor. Die KV-BL hatte bis jetzt keine Frist dazu enthalten. Die Änderungen sehen im Weiteren vor, dass die Frist zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlags des Landrats nicht nur bei formulierten, sondern auch bei nichtformulierten Initiativbegehren verlängert werden kann. Schliesslich unterliegen Gegenvorschläge aufgrund von zurückgezogenen formulierten Initiativbegehren und Gesetzesvorlagen aufgrund von zurückgezogenen nichtformulierten Initiativbegehren nicht mehr in jedem Fall der obligatorischen Volksabstimmung, sondern dem fakultativen Referendum gemäss den Regelungen der KV-BL, wie sie auch für (andere) kantonale Gesetze gelten. Die Änderungen betreffen die kantonalen politischen Rechte und die kantonale Organisationsautonomie. Sie sind bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.4.3

Volksabstimmung vom 15. Mai 2022

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft haben in der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 mehreren Änderungen der KV-BL betreffend die Ombudsperson mit 59 307 Ja gegen 9338 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 23. Juni 2022 ersucht der Redaktor der Gesetzessammlung im Namen der Landeskanzlei um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.4

Ombudsperson

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 10 Eingaben an Behörden 1 Jeder kann ohne Nachteil Petitionen und andere Eingaben an die Behörden richten. ...

2 Jeder kann an den Ombudsman gelangen.

§ 10 Abs. 1 erster Satz und 2 1 Jede Person kann ohne Nachteil Petitionen und andere Eingaben an die Behörden richten.

...

2 Jede Person kann an die Ombudsperson gelangen.

§ 51 Unvereinbarkeit 1 Die Mitglieder des Landrates und des Regierungsrates, der Ombudsman, die Richterinnen und Richter sowie Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber des Kantonsgerichts können nur einer dieser Behörden angehören.

§ 51 Abs. 1 1 Die Mitglieder des Landrats und des Regierungsrats, die Ombudsperson, die Richterinnen und Richter sowie Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber des Kantonsgerichts können nur einer dieser Behörden angehören.

§ 67 Weitere Zuständigkeiten 1 Der Landrat: e. wählt den Regierungspräsidenten und den Vizepräsidenten für ein Jahr sowie die Präsidenten, Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder der kantonalen Gerichte, den Landschreiber, den Ombudsman und die eidgenössischen Geschworenen für eine Amtsperiode;

§ 67 Abs. 1 Bst. e 1 Der Landrat: e. wählt das Regierungspräsidium und das Vizepräsidium für ein Jahr sowie die Präsidien, Vizepräsidien und übrigen Mitglieder der kantonalen Gerichte, die Landschreiberin oder den Landschreiber sowie die Ombudsperson für eine Amtsperiode;

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Bisheriger Text

Neuer Text

5. Ombudsman

Gliederungstitel vor § 88 5. Ombudsperson

§ 88 Stellung und Unabhängigkeit 1 Der Ombudsman wacht über die Rechtmässigkeit, Korrektheit und Zweckmässigkeit der Verwaltung in Kanton und Gemeinden sowie der Justizverfahren.

2 Er ist nicht an Weisungen anderer Behörden gebunden.

3 Sein Amt ist nicht vereinbar mit der Ausübung eines anderen Berufes oder Gewerbes oder einer leitenden Stellung in einer politischen Partei.

§ 88

§ 89 Aufgaben 1 Der Ombudsman gibt seine Ansicht über die von ihm untersuchten Angelegenheiten in geeigneter Weise bekannt und wirkt in erster Linie auf ein gütliches Einvernehmen hin.

2 Er kann Beanstandungen anbringen, auf Mängel des geltenden Rechts hinweisen und Empfehlungen abgeben. Rechtsakte kann er weder ändern noch aufheben.

3 Er ist befugt, Akten einzusehen und alle erforderlichen Auskünfte zu verlangen. Er unterliegt der gleichen Geheimhaltungspflicht wie die entsprechenden Behörden oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

4 Er erstattet dem Landrat mindestens jährlich Bericht.

§ 89 Abs. 1­4 1 Die Ombudsperson gibt ihre Ansicht über die untersuchten Angelegenheiten in geeigneter Weise bekannt und wirkt in erster Linie auf ein gütliches Einvernehmen hin.

2 Die Ombudsperson kann Beanstandungen anbringen, auf Mängel des geltenden Rechts hinweisen und Empfehlungen abgeben.

Rechtsakte kann sie weder ändern noch aufheben.

3 Die Ombudsperson ist befugt, Akten einzusehen und alle erforderlichen Auskünfte zu verlangen. Sie unterliegt der gleichen Geheimhaltungspflicht wie die entsprechenden Behörden oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

4 Die Ombudsperson erstattet dem Landrat mindestens jährlich Bericht.

Stellung, Unabhängigkeit und Unvereinbarkeit 1 Die Ombudsperson wacht über die Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit der Verwaltungshandlungen in Kanton und Gemeinden sowie der Justizverfahren.

2 Die Ombudsperson nimmt ihre Aufgaben unabhängig wahr. Sie ist nicht an Weisungen anderer Behörden gebunden.

3 Unvereinbarkeiten regelt das Gesetz.

In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt deren Organisationsautonomie. Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Die vorliegenden Änderungen der KV-BL haben die Regelungen zur Ombudsperson zum Gegenstand. Insbesondere werden neu die Unvereinbarkeiten erst auf Gesetzesstufe geregelt, womit eine Teilzeitbeschäftigung der Ombudsperson vorgesehen werden kann. Weitere Änderungen ergeben sich aufgrund der sprachlichen Gleichbehandlung. Die Änderungen betreffen die kantonale Organisationsautonomie. Sie sind bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.5

Verfassung des Kantons Wallis

1.5.1

Volksabstimmung vom 28. November 2021

Die Stimmberechtigten des Kantons Wallis haben in der Volksabstimmung vom 28. November 2021 dem neuen Artikel 14a der Verfassung des Kantons Wallis vom 10 / 18

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8. März 190713 (KV-VS) betreffend die Regulierung von Grossraubtieren mit 87 088 Ja gegen 51 875 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 11. Mai 2022 ersuchen der Präsident des Staatsrates und der Staatskanzler im Namen des Staatsrates um die eidgenössische Gewährleistung.

1.5.2 Bisheriger Text

Regulierung von Grossraubtieren Neuer Text Art. 14a Der Staat erlässt Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Beschränkung und Regulierung des Bestands. Die Förderung des Grossraubtierbestandes ist verboten.

Nach Artikel 14a erster Satz erste Satzhälfte KV-VS muss der Staat Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren erlassen. Zu diesen gehören nach Bundesrecht der Luchs, der Bär, der Wolf und der Goldschakal.14 Auch nach Bundesrecht sind die Kantone verpflichtet, Massnahmen zur Verhütung von Wildschaden und somit zum Schutz vor Grossraubtieren zu treffen.15 Die Kantone haben dabei einen erheblichen Umsetzungsspielraum. Nach Artikel 14a erster Satz zweite Satzhälfte KV-VS muss der Staat Vorschriften zur Beschränkung und Regulierung des Bestands von Grossraubtieren erlassen. Der Abschuss eines einzelnen Wolfes sowie die Bestandsregulierung werden durch das Bundesrecht geregelt.16 Nach Artikel 25 JSG vollziehen die Kantone das Jagdgesetz unter Aufsicht des Bundes. Grundsätzlich ist es damit zulässig, dass die Kantone zum Beispiel die zumutbaren Schutzmassnahmen nach Artikel 9bis Absatz 4 JSV präzisieren. In Bezug auf die zu treffenden Schutzmassnahmen ist insbesondere Artikel 10ter Absätze 1 und 2 JSV hervorzuheben. Danach sind die zu treffenden Herdenschutzmassnahmen nicht abschliessend geregelt, womit die Kantone weitere Massnahmen vorsehen können. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Bundesvorschriften, welche die Massnahmen gegen einzelne Wölfe und die Bestandsregulierung festlegen, unmittelbar anwendbar sind. Insofern besteht nur ein geringer Spielraum für weitergehende kantonale Bestimmungen.

Nach Artikel 14a zweiter Satz KV-VS ist die Förderung des Grossraubtierbestands verboten. Das JSG sieht nicht ausdrücklich die Förderung von Grossraubtieren durch den Bund vor. Gleichwohl ist der Bund verpflichtet, Massnahmen der Kantone zur Verhütung von Wildschaden, der durch Grossraubtiere an Nutztieren verursacht wird, (finanziell) zu fördern und zu koordinieren.17 Ziel dieser Förderung ist es, das Konfliktpotenzial zu entschärfen und für den Wolf die nötige Akzeptanz in der 13 14

15 16 17

SR 131.232 Vgl. Art. 12 Abs. 5 Jagdgesetz vom 20. Juni 1986 (JSG; SR 922.0), Art. 10ter Jagdverordnung vom 29. Februar 1988 (JSV; SR 922.01) sowie die Erläuterungen zur JSV-Revision vom 6. November 2013.

Vgl. Art. 12 Abs. 1 JSG.

Vgl. Art. 12 Abs. 2 JSG i. V. m. Art. 9bis JSV bzw. Art. 12 Abs. 4 JSG i. V. m. Art. 4 bzw. 4bis JSV.

Vgl. BBI 2014 4909, 4943 und Art. 12 Abs. 5 JSG.

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Bevölkerung zu schaffen. Sollte Artikel 14a zweiter Satz KV-VS nur auf ein Verbot der finanziellen Förderung durch den Kanton abzielen, so wäre dies nicht bundesrechtswidrig, da Artikel 12 Absatz 5 JSG lediglich den Bund zur finanziellen Förderung verpflichtet. Zu beachten ist, dass der Kanton Wallis in diesem Fall aber weiterhin zum Vollzug der durch den Bund geförderten Massnahmen verpflichtet ist. Würde Artikel 14a zweiter Satz KV-VS jedoch jegliche Schutzmassnahmen verbieten, so würde dies im Widerspruch zu Artikel 12 Absatz 1 JSG stehen, der die Kantone verpflichtet, Massnahmen zur Verhütung von Wildschaden zu treffen.

Artikel 14a KV-VS kann somit ein Sinn beigemessen werden, der ihn nicht klarerweise als vor Bundesrecht unzulässig erscheinen lässt (Günstigkeitsprinzip).18 Die Bestimmung erweist sich als bundesrechtskonform und ist damit zu gewährleisten.

Die kantonalen Ausführungsbestimmungen müssen indessen mit dem höherrangigen Recht, insbesondere mit dem JSG und der JSV, vereinbar sein.

1.6

Verfassung der Republik und des Kantons Genf

1.6.1

Volksabstimmung vom 28. November 2021

Die Stimmberechtigten des Kantons Genf haben in der Volksabstimmung vom 28. November 2021 verschiedenen Änderungen der Verfassung der Republik und des Kantons Genf vom 14. Oktober 201219 (KV-GE) betreffend die Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds mit 120 605 Ja gegen 11 126 Nein zugestimmt. Sie haben im Weiteren der Änderung von Artikel 141 Absatz 2 KV-GE betreffend den administrativen Rat der Gemeinden mit 115 065 Ja gegen 12 232 Nein zugestimmt. Mit zwei Schreiben vom 19. Januar 2022 ersuchen der Präsident des Staatsrates und die Kanzlerin im Namen des Staatsrates um die eidgenössische Gewährleistung.

1.6.2

Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds

Bisheriger Text

Neuer Text Art. 46 Abs. 2 Bst. e 2 Die Abstimmungen werden innert kürzester Frist durchgeführt, und zwar spätestens innert eines Jahres: e. nach der Annahme einer Resolution über die Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds wegen Vertrauensverlusts durch den Grossen Rat.

18 19

BGE 139 I 292 E. 5.7.

SR 131.234

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Bisheriger Text

Neuer Text Art. 65 Abs. 2 2 Resolutionen des Grossen Rates über die Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds wegen Vertrauensverlusts sind den Stimmberechtigten ebenfalls obligatorisch zur Abstimmung zu unterbreiten.

Gliederungstitel nach Art. 115 5. Abschnitt: Amtsenthebung Art. 115A Amtsenthebung wegen Vertrauensverlusts 1 Jedes Mitglied des Staatsrates kann durch eine Resolution des Grossen Rates seines Amtes enthoben werden, wenn es aufgrund seines Verhaltens nicht mehr über das zur Ausübung seiner Funktion notwendige Vertrauen der Stimmberechtigten verfügt.

2 Der Vorschlag zur Resolution über die Amtsenthebung muss von mindestens 40 Mitgliedern des Grossen Rates unterzeichnet sein, wobei die Anzahl Unterschriften einer Fraktion begrenzt ist auf die der Fraktion gemäss Proporzwahl zugeteilte Anzahl Mitglieder in der Plenarversammlung.

3 Die Resolution über die Amtsenthebung muss mit drei Viertel der abgegebenen Stimmen angenommen werden, wobei Stimmenthaltungen nicht gezählt werden, mindestens aber von der Mehrheit der Mitglieder des Grossen Rates.

4 Wenn die Stimmberechtigten der Resolution über die Amtshebung zustimmen, so endet das Mandat des betreffenden Staatsratsmitglieds, sobald das Abstimmungsergebnis validiert ist.

5 Als Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter, der vom Grossen Rat angenommen wurde, bevor er den Stimmberechtigten obligatorisch zur Abstimmung unterbreitet wird, unterliegt die Resolution über die Amtsenthebung nicht der kantonalen Beschwerde.

Art. 115B Amtsenthebung wegen dauerhafter Amtsunfähigkeit 1 Das Gesetz kann die Amtsenthebung eines Mitglieds des Staatsrates wegen dauerhafter Amtsunfähigkeit vorsehen.

2 In diesem Fall wird die Amtsenthebung den Stimmberechtigen nicht obligatorisch zur Abstimmung unterbreitet und unterliegt der kantonalen Beschwerde.

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Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt auch deren Organisationsautonomie. Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Nach Artikel 86 Absatz 3 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200520 (BGG) können die Kantone für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen. Dies kann wegen des politischen Inhalts des Entscheids der Fall sein, etwa weil er von obersten politischen Behörden (Parlament, Regierung), allenfalls unter Mitwirkung des Volks, getroffen wird.21 Die vorliegenden Änderungen der KV-GE regeln das Verfahren zur Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds. Nach Artikel 115A Absätze 1 und 3 KV-GE kann jedes Mitglied des Staatsrates durch eine Resolution des Grossen Rates seines Amtes enthoben werden, wenn es aufgrund seines Verhaltens nicht mehr über das zur Ausübung seiner Funktion notwendige Vertrauen der Stimmberechtigten verfügt. Die Resolution über die Amtsenthebung muss mit drei Viertel der abgegebenen Stimmen angenommen werden, wobei Stimmenthaltungen nicht gezählt werden, mindestens aber von der Mehrheit der Mitglieder des Grossen Rates. Nach Artikel 65 Absatz 2 KV-GE sind Resolutionen des Grossen Rates über die Amtsenthebung wegen Vertrauensverlusts den Stimmberechtigten obligatorisch zur Abstimmung zu unterbreiten. Nach Artikel 115A Absatz 5 KV-GE unterliegt die Resolution über die Amtsenthebung wegen Vertrauensverlusts als Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter nicht der kantonalen Beschwerde. Schliesslich kann nach Artikel 115B KV-GE das Gesetz die Amtsenthebung eines Mitglieds des Staatsrates wegen dauerhafter Amtsunfähigkeit vorsehen.

Die vorliegenden Änderungen betreffen die kantonalen politischen Rechte und die kantonale Organisationsautonomie. Soweit die Resolution über die Amtsenthebung wegen Vertrauensverlusts als anfechtbarer Entscheid beurteilt wird, ist der Ausschluss der kantonalen Beschwerde nach Artikel 86 Absatz 3 BGG zulässig. Die Änderungen sind bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

20 21

SR 173.110 Vgl. Esther Tophinke in: Marcel Alexander Niggli / Peter Uebersax / Hans Wiprächtiger / Lorenz Kneubühler (Hrsg.), Bundesgerichtsgesetz, Basel, 3. Aufl. 2018, Art. 86 Rz. 20.

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1.6.3

Administrativer Rat der Gemeinden

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Art. 141 Gemeindeexekutive 2 Sie [Die Gemeindeexekutive] setzt sich zusammen aus: b. einem administrativen Rat aus 3 Mitgliedern in Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern; c. einer Gemeindepräsidentin oder einem Gemeindepräsidenten und 2 Adjunktinnen und Adjunkten in den anderen Gemeinden.

Art. 141 Abs. 2 Bst. b und c 2 Sie [Die Gemeindeexekutive] setzt sich zusammen aus: b. einem administrativen Rat aus 3 Mitgliedern in den anderen Gemeinden.

c. Aufgehoben

Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt auch deren Organisationsautonomie. Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Nach Artikel 50 Absatz 1 BV ist die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. Die vorliegende Änderung sieht vor, dass sich in Gemeinden mit höchstens 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern die Gemeindeexekutive nicht mehr aus einer Gemeindepräsidentin oder einem Gemeindepräsidenten und zwei Adjunktinnen und Adjunkten zusammensetzt, sondern aus einem administrativen Rat aus drei Mitgliedern. Die vorliegende Änderung betrifft die kommunalen politischen Rechte, die kantonale Organisationsautonomie und die Gemeindeautonomie. Sie ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.6.4

Volksabstimmung vom 13. Februar 2022

Die Stimmberechtigten des Kantons Genf haben in der Volksabstimmung vom 13. Februar 2022 der Änderung von Artikel 168 KV-GE betreffend die Entwicklung der strukturierenden thermischen Netze mit 82 999 Ja gegen 21 732 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 23. März 2022 ersuchen der Präsident des Staatsrates und die Kanzlerin im Namen des Staatsrates um die eidgenössische Gewährleistung.

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1.6.5

Entwicklung der strukturierenden thermischen Netze

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Art. 168 Industrielle Betriebe 2 Das Monopol kann auf eine öffentlich-rechtliche Institution übertragen werden. Diese bietet auch weitere industrielle Dienstleistungen an, namentlich die Versorgung mit Gas und thermischer Energie sowie die Behandlung der Abfälle.

3 Sie kauft die von Privatpersonen oder Unternehmen produzierte erneuerbare Energie zu angemessenen Bedingungen ab.

4 Sie gestaltet keine degressiven Tarife, die nicht den energiepolitischen Zielen des Staates entsprechen.

Art. 168 Abs. 2­5 2 Die Verteilung und Versorgung mit thermischer Energie in strukturierenden thermischen Netzen sowie die Ausdehnung letzterer sind, soweit es das Bundesrecht zulässt, ebenfalls ein Kantonsmonopol.

3 Diese Monopole können auf eine öffentlichrechtliche Institution übertragen werden.

Diese bietet auch weitere industrielle Dienstleistungen an, namentlich die Versorgung mit Gas und thermischer Energie in nichtstrukturierenden Netzen sowie die Behandlung der Abfälle.

4 Sie kauft die von Privatpersonen oder Unternehmen produzierte erneuerbare Energie zu angemessenen Bedingungen ab.

5 Sie gestaltet keine degressiven Tarife, die nicht den energiepolitischen Zielen des Staates entsprechen.

Nach Artikel 75 Absatz 1 zweiter Satz BV obliegt die Raumplanung den Kantonen und dient der zweckmässigen und haushälterischen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes. Nach Artikel 89 Absatz 1 BV setzen sich Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch ein. Nach Artikel 94 Absatz 4 BV sind Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind. Letztere umfassen die historischen Regale der Kantone, insbesondere die Bergwerk-, Salz-, Jagd-, Fischerei- und Wasserkraftregale.22 Die kantonalen Regalrechte umfassen indessen aber auch weitere Monopole, die solche Abweichungen begründen.23 So hat das Bundesgericht Monopole im Bereich der Brandversicherung von Gebäuden, des Plakatanschlags auf öffentlichem Grund, nicht aber auf privatem Grund, oder der Wasser- und Stromversorgung sowie Verteilung als zulässig erachtet.24 Die Monopole müssen sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.25 Im Unterschied zu den historischen Regalen dürfen die neuen Monopole keine fiskalischen Zwecke verfolgen.26 22 23 24 25 26

Vgl. Vincent Martenet in: Vincent Martenet / Jacques Dubey (Hrsg.), Constitution fédérale, Comm. romand, Basel 2021, Art. 94 Rz. 63.

Vgl. dgl.

Vgl. ebd., Art. 94 Rz. 65.

Vgl. ebd., Art. 27 Rz. 117.

Vgl. Klaus A. Vallender in: Bernhard Ehrenzeller / Benjamin Schindler / Rainer J. Schweizer / Klaus A. Vallender (Hrsg.), Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Komm., Zürich / St. Gallen / Basel / Genf, 3. Aufl. 2014, Art. 27 Rz. 81.

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Artikel 168 Absatz 2 KV-GE sieht vor, dass, soweit es das Bundesrecht zulässt, die Verteilung und Versorgung mit thermischer Energie in strukturierenden thermischen Netzen sowie die Ausdehnung letzterer ein Kantonsmonopol sind. Die Koordinierung der Ausdehnung der strukturierenden thermischen Netze auf Stufe Kantonsgebiet hat zum Ziel, die Anzahl mit fossiler Energie betriebener individueller Heizungen zu verringern und so einen Beitrag zur Verminderung der Treibhausgasemissionen zu leisten.27 Nach Artikel 168 Absatz 3 KV-GE kann im Weiteren insbesondere das Monopol im Bereich der strukturierenden thermischen Netze auf eine öffentlich-rechtliche Institution übertragen werden. Schliesslich übernehmen die Absätze 4 und 5 von Artikel 168 KV-GE unverändert die bisherigen Absätze 3 und 4 dieser Bestimmung; nur die Neunummerierung dieser Absätze ist damit Gegenstand der vorliegenden Gewährleistung.

Die vorliegende Änderung betrifft die Raumplanung und die Energiepolitik, insbesondere auf dem Gebiet der thermischen Energie. Das neue Monopol im Bereich der strukturierenden thermischen Netze erweist sich als vereinbar mit den bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen im Bereich der kantonalen Monopole. Die Änderung ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

2

Rechtliche Aspekte

2.1

Bundesrechtskonformität

Die Prüfung hat ergeben, dass die Änderungen der Verfassungen der Kantone Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf die Anforderungen von Artikel 51 BV erfüllen. Somit ist ihnen die Gewährleistung zu erteilen.

2.2

Zuständigkeit der Bundesversammlung

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 Absatz 2 und 172 Absatz 2 BV für die Gewährleistung zuständig.

2.3

Erlassform

Die Gewährleistung erfolgt mit einfachem Bundesbeschluss, da weder die BV noch ein Gesetz das Referendum vorsehen (vgl. Art. 141 Abs. 1 Bst. c i. V. m. Art. 163 Abs. 2 BV).

27

Vgl. S. 4 des kantonalen Abstimmungsbüchleins zur Abstimmung vom 13. Februar 2022.

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