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22.074 Botschaft zu einem Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz vom 16. November 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über einen Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. November 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Im Zweiten Weltkrieg wurde in Mitholz (Gemeinde Kandergrund, Kanton Bern) ein unterirdisches Munitionslager der Schweizer Armee gebaut. Im Dezember 1947 kam es zu mehreren Explosionen. Gemäss Schätzung der Fachleute befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel heute noch bis zu 3500 Bruttotonnen Munition mit einigen hundert Tonnen Sprengstoff. Im Zusammenhang mit der Projektierung eines neuen Rechenzentrums wurden 2018 und 2020 im Auftrag des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) erneut Risikobeurteilungen durchgeführt. Es zeigte sich, dass nicht akzeptable Risiken gemäss der Störfallverordnung (StFV) sowie den Weisungen des VBS über das Sicherheitskonzept für den Umgang mit Munition und Explosivstoffen (WSUME) vorliegen. Der Bundesrat beauftragte das VBS am 4. Dezember 2020, ihm bis Ende Oktober 2022 eine Botschaft zu einem Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz vorzulegen. Nur mit der Räumung können die Risiken in den akzeptablen Bereich gemäss StFV und WSUME gesenkt und auch endgültig beseitigt werden. Die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz soll bis 2040 dauern und die Hauptphasen Vorausmassnahmen, Schutzmassnahmen und Vorbereitung der Räumung, Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände umfassen. Danach sind die Instandsetzung des Geländes und die Wiederbesiedlung von Mitholz vorgesehen.

Mit dieser Botschaft wird dem Parlament ein Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz in Höhe von 2,59 Milliarden Franken beantragt.

Ausgangslage Im Zweiten Weltkrieg wurde in Mitholz (Gemeinde Kandergrund, Kanton Bern) ein unterirdisches Munitionslager der Schweizer Armee gebaut. Nach Ende des Krieges wurden grosse Munitionsmengen von den Einsatzräumen der Truppe nach Mitholz zurückverschoben und eingelagert. Im Dezember 1947 kam es zu mehreren grossen Explosionen und Trümmerwurf. Neun Menschen starben, mehrere Dutzend Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Die Explosionen führten zum Einsturz des vorgelagerten Bahntunnels und der darüber liegenden Fluh. Rund 840 der insgesamt rund 7000 Bruttotonnen der eingelagerten Munition explodierten. Gemäss Schätzung der Fachleute befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel davor heute
noch bis zu 3500 Bruttotonnen Munition mit einigen hundert Tonnen Sprengstoff.

Die Risikobeurteilungen 1949 und 1986 kamen zum Schluss, dass zwar weitere kleinere Explosionen nicht ausgeschlossen werden könnten, die Auswirkungen jedoch vor allem auf den Bereich des verschütteten Bahnstollens beschränkt wären. Deshalb wurden die übrigen Anlageteile weiter genutzt und ausgebaut: Ab 1987 diente die Anlage der Armeeapotheke als Produktionsstandort und Lager sowie als Unterkunft für die Truppe.

Im Zusammenhang mit der Projektierung eines neuen Rechenzentrums wurde 2018 im Auftrag des VBS eine neue Risikobeurteilung durchgeführt mit dem Ergebnis, dass 2 / 60

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die Wahrscheinlichkeit und das mögliche Ausmass einer Explosion deutlich grösser seien als früher angenommen. Es lägen nicht akzeptable Risiken gemäss StFV und WSUME für Bevölkerung, Gebäude, Strasse und Bahn in der Umgebung des ehemaligen Munitionslagers vor. Deshalb wurden die Truppenunterkunft und das Lager der Armeeapotheke geschlossen sowie auf den Bau des neuen Rechenzentrums verzichtet.

Weiter wurde eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung risikosenkender Massnahmen eingesetzt.

Als Sofortmassnahme wurde im Mai 2019 ein Mess- und Alarmierungssystem in Betrieb genommen. In den Bereichen Munition, Hydrologie und Geologie werden seitdem technische Untersuchungen durchgeführt. Weiter wurden bauliche Vorausmassnahmen konzipiert sowie rechtliche und finanzielle Fragen der betroffenen Bevölkerung von Mitholz bearbeitet.

2020 hat das VBS eine erneute Risikoanalyse durchgeführt, welche den Handlungsbedarf, die Risiken zu senken, nicht grundlegend änderte.

Im Teilprojekt «Variantenevaluation Mitholz» suchten Fachleute des Bundes und des Kantons Bern sowie externe Fachleute nach geeigneten Massnahmen, um das von den Munitionsrückständen im ehemaligen Munitionslager ausgehende Risiko in den akzeptablen Bereich nach den Beurteilungskriterien der StFV und der WSUME zu reduzieren. Der Bundesrat beauftragte das VBS am 4. Dezember 2020, ihm bis Ende Oktober 2022 eine Botschaft zu einem Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz vorzulegen und eine Projektorganisation für die Projektierung des «Gesamtkonzepts Räumung» einschliesslich der Option «Überdeckung» als Rückfallposition einzusetzen.

Inhalt der Vorlage Mit dieser Botschaft wird dem Parlament beantragt, die Munitionsrückstände in Mitholz zu räumen.

Nebst der vom Bundesrat beschlossenen Räumung wurden noch eine Variante zur Überdeckung des ehemaligen Munitionslagers und eine Alternative zur Verkapselung der Anlage ohne Räumung der Munitionsrückstände geprüft. Die Überdeckung soll gemäss Bundesratsbeschluss vom 4. Dezember 2020 für den Fall eines notwendigen Abbruchs der Räumung ebenfalls geplant werden. Von einer Verkapselung soll gestützt auf ein Expertengutachten jedoch abgesehen werden.

Nur mit der Räumung können die Risiken endgültig beseitigt werden. Jedoch müssen die Bewohnerinnen und Bewohner im Sicherheitsperimeter
vor Beginn der Räumungsarbeiten wegziehen und für die Verkehrsträger Strasse und Bahn Schutzmassnahmen ergriffen werden. Nach der Räumung kann Mitholz wieder besiedelt werden, und die Anlage könnte wieder genutzt werden.

Mit der vorliegenden Botschaft wird dem Parlament ein Verpflichtungskredit in Höhe von 2,59 Milliarden Franken beantragt. Die Schätzungen bilden den aktuellen Kenntnis- und Planungsstand des Projekts ab. Zum Zeitpunkt der Botschaftserstellung (September 2022) hatte die Planung in den Teilprojekten noch nicht den Reifegrad eines Bauprojekts mit Kostenvoranschlag. Dementsprechend wurde für die Teilprojekte ein spezifischer Zuschlag für die Kostenunsicherheit eingerechnet. Die bestehende

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Planungsunsicherheit führte ebenfalls zu Unsicherheiten bei der Ermittlung der Höhe des Verpflichtungskredits.

Die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz soll in die folgenden Hauptphasen gegliedert werden: ­

2022 bis 2025: Vorausmassnahmen

­

2026 bis 2030: Schutzmassnahmen (Bevölkerung, Strasse und Bahn) und Vorbereitung der Räumung

­

2031 bis 2040: Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände

­

Ab 2041: Instandsetzung des Geländes und Wiederbesiedlung von Mitholz

Der Verpflichtungskredit setzt sich wie folgt zusammen: ­

1. Tranche für die erste und zweite Hauptphase: Voraus- und Schutzmassnahmen sowie Vorbereitung der Räumung: 1,09 Milliarden Franken

­

2. Tranche für die dritte und vierte Hauptphase: Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände sowie Instandsetzung des Geländes und Wiederbesiedlung von Mitholz: 0,74 Milliarden Franken

­

Reserven für Projektrisiken und die erwartete Teuerung: 0,76 Milliarden Franken

Die 1. Tranche soll mit dem Bundesbeschluss über den Verpflichtungskredit freigegeben werden, die 2. Tranche durch den Bundesrat. Nebst der 2. Tranche soll der Bundesrat auch die Reserven freigeben können.

Auf der Grundlage des Finanzhaushaltgesetzes kann die Finanzierung der Personalund Sachausgaben im Zusammenhang mit der Räumung über die Rückstellung beim Generalsekretariat des VBS abgewickelt werden; die Erfolgsrechnung des Bundes wird nicht belastet.

Die Investitionsausgaben in den Bereichen Liegenschaftskäufe und Nationalstrasse sind dagegen in den Voranschlag und den Finanzplan des Bundes einzustellen; sie können nicht über die Rückstellung abgewickelt werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht 1

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Ausgangslage 1.1 Geschichte der Munitionsanlage 1.2 Risikoanalysen und Variantenevaluation von 2018 bis 2020 1.2.1 Arbeitsgruppe Mitholz 1.2.2 Risikoanalysen VBS 2018 und 2020 1.2.3 Variantenevaluation 1.2.4 Geprüfte Varianten 1.2.5 Vor- und Nachteile der Varianten, Begründung der gewählten Lösung 1.2.6 Beschluss des Bundesrats vom 4. Dezember 2020 zur Räumung des Munitionslagers 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

7 7 9 9 9 11 12

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Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungs-verfahren 2.1 Verzicht auf Vernehmlassung 2.2 Mitwirkung zur Variantenevaluation 2.3 Festlegungen im Sachplan Militär (SPM)

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Projekt zur Räumung der Munitionsrückstände ab 2021 3.1 Projekt- und Räumungsziele 3.2 Projektorganisation 3.3 Risikoanalyse VBS 2022 3.4 Abfall- und altlastenrechtliche Beurteilung 3.5 Perimeter 3.6 Projektablauf 3.7 Beurteilung der Projektrisiken 3.8 Projektbeschrieb 3.8.1 Bereits realisierte Sofortmassnahmen 3.8.2 Voraus- und Vorbereitungsarbeiten 3.8.3 Schutzmassnahmen für die Bevölkerung 3.8.4 Schutzmassnahmen für Nationalstrasse und Bahn 3.8.5 Abbau der Fluh und Geländemodellierungen 3.8.6 Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände 3.8.7 Bau der Projektinfrastruktur 3.8.8 Instandsetzung und Wiederbesiedlung 3.8.9 Option Überdeckung 3.9 Berichterstattung 3.10 Aufsicht und Zuständigkeiten

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Inhalt des Kreditbeschlusses 4.1 Antrag des Bundesrates und Begründung 4.2 Inhalt der Vorlage, Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Bundesbeschlusses 4.3 Teuerungsannahmen 4.4 Entwicklung seit der Variantenevaluation

44 44

Auswirkungen 5.1 Finanzielle Auswirkungen 5.2 Personelle Auswirkungen 5.3 Koordination mit dem Betrieb und Ausbau des Lötschberg-Basistunnels 5.4 Auswirkungen auf Raum und Umwelt 5.5 Volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen

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Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Gesetzmässigkeit 6.2.1 Umweltschutzgesetz und Störfallverordnung 6.2.2 Fonds zur Finanzierung der Nationalstrassen und des Agglomerationsverkehrs (NAF) 6.3 Erlassform 6.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 6.5 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

57 57 57 57

Bundesbeschluss über einen Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Geschichte der Munitionsanlage

Im Zweiten Weltkrieg errichtete die Schweizer Armee im Berner Oberland ein unterirdisches Nachschub-Munitionslager. Die strategisch gute Lage und die direkte Erschliessung per Bahn waren Gründe, weshalb sie für das Lager den Standort in Mitholz (Gemeinde Kandergrund) wählte. Die Anlage wurde in den Jahren 1941 bis 1945 erstellt und umfasste sechs parallel liegende Lagerkammern von jeweils 150 Metern Länge. Diese waren miteinander verbunden: einerseits durch einen vorgelagerten zweispurigen Bahntunnel für die direkte Einlagerung der Munition, andererseits durch einen kleinen Verbindungsgang am rückwärtigen Ende der Kammern. Nach Ende des Krieges wurden grosse Munitionsmengen von den Einsatzräumen der Truppe nach Mitholz zurückverschoben und dort eingelagert.

Die Explosionen von 1947 In der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 1947 ereigneten sich im Munitionslager mehrere grosse Explosionen. «Ein ungeheurer Hagel von Geschossen, Steinblöcken und brennenden Gegenständen wurde zu allen Öffnungen herausgeschleudert. Stichflammen erreichten eine Länge von etwa 150 Metern. Die nördliche Ecke der Fluh stürzte ein.»1 Kleinere Explosionen und Brände wüteten noch Tage danach. Vor allem der Trümmerwurf richtete im Dorf Mitholz grosse Schäden an: Neun Menschen starben, mehrere Dutzend Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Die Explosionen führten zum Einsturz des vorgelagerten Bahntunnels und der darüber liegenden Fluh.

Die folgenden Angaben zu den Munitionsmengen werden basierend auf historischen Dokumenten als Annäherung abgeleitet. Es wird geschätzt, dass rund 840 der insgesamt rund 7000 Bruttotonnen der eingelagerten Munition explodiert sind. Ein Teil der nicht explodierten Munition wurde nach dem Unglück geräumt. Die geräumten Mengen wurden damals detailliert dokumentiert. Eine Räumung der Munitionsrückstände im verschütteten Bahnstollen wurde unter anderem aus geologischen Gründen als zu risikoreich erachtet. Wie Fachleute schätzen, befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel davor heute noch bis zu 3500 Bruttotonnen Munition mit Verpackungsmaterial und einigen hundert Tonnen Sprengstoff. Erst die Räumung wird zeigen, wie viel Munition tatsächlich noch verschüttet vorhanden ist.

Nach dem Unglück setzte der Bundesrat eine Untersuchungskommission ein, welche die Ursache für die
Explosionen finden sollte. Trotz der beigezogenen Experten konnte diese aber nicht abschliessend festgestellt werden. Man vermutet, dass eine chemisch bedingte Selbstzündung in einem der Munitionsstücke für die Auslösung der Ereignisse verantwortlich war. Der Ablauf des Unglücks, die anschliessenden

1

Zitat aus «Zusammenfassende Darstellung der Explosionskatastrophe vom 19. und 20. Dezember 1947 in der unterirdischen Munitionsanlage Mitholz», Gruppe für Rüstungsdienste, Technische Unterabteilung 6, Thun.

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Räumungsarbeiten und die technischen sowie administrativen Untersuchungen wurden ausführlich dokumentiert.

Risikobeurteilungen von 1949 und 1986 Der Risikobeurteilung der Untersuchungskommission im Jahr 1949 folgte 1986 eine weitere Fachbeurteilung. Beide kamen zum Schluss, dass zwar weitere kleinere Explosionen nicht ausgeschlossen werden könnten, deren Auswirkungen sich jedoch vor allem auf den Bereich des verschütteten Bahnstollens beschränken würden. Aufgrund dieser Einschätzungen wurden die übrigen Anlageteile weiter genutzt und ausgebaut: Ab 1987 diente die Anlage der Armeeapotheke als Produktionsstandort und Lager sowie als Truppenunterkunft.

Planung eines neuen Rechenzentrums und neue Beurteilung des Risikos In den 2010er-Jahren plante das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ein neues Rechenzentrum am Standort Mitholz.

Im Zusammenhang mit dessen Projektierung wurde 2018 das von den Munitionsrückständen ausgehende Risiko neu beurteilt. Ein Team, bestehend aus VBS-internen und -externen Experten, hielt das Ergebnis seiner Beurteilung im Schlussbericht vom 27. September 20182 fest. Demzufolge sind die Wahrscheinlichkeit und das mögliche Ausmass einer Explosion deutlich grösser als in den früheren Risikobeurteilungen angenommen. Eine Explosion könnte insbesondere auch in der Umgebung grosse Schäden verursachen.

Sofortmassnahmen aufgrund der Risikobeurteilung Die Risikobeurteilung wies gemäss der Störfallverordnung vom 27. Februar 1991 (StFV; SR 814.012) und den Weisungen des VBS vom 1. Januar 20213 über das Sicherheitskonzept für den Umgang mit Munition und Explosivstoffen (WSUME) nicht akzeptable Risiken aus für die Bevölkerung und die Verkehrsteilnehmenden (Strasse und Bahn) in der Umgebung des ehemaligen Munitionslagers. Gestützt auf diese Erkenntnisse empfahl die Expertengruppe bereits mit ihrem Zwischenbericht vom 27. April 2018 folgende Sofortmassnahmen: die Truppenunterkunft und das Lager der Armeeapotheke zu schliessen, auf den Bau des neuen Rechenzentrums an diesem Standort zu verzichten sowie eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung risikosenkender Massnahmen einzusetzen. Diese Empfehlungen wurden umgehend umgesetzt.

Zudem erarbeitete der Kanton Bern unter Einbezug der regionalen Behörden und Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes eine Notfallplanung für den Fall eines Explosionsereignisses.

2 3

www.vbs.admin.ch/de/umwelt/umweltschutz/mitholz.html#bevoelkerung www.vbs.admin.ch/de/umwelt/umweltschutz/mitholz.html#expertenberichte

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1.2

Risikoanalysen und Variantenevaluation von 2018 bis 2020

1.2.1

Arbeitsgruppe Mitholz

Bildung und Mitglieder der Arbeitsgruppe Mitholz Gemäss der Empfehlung im Zwischenbericht der Expertengruppe vom 27. April 2018 beauftragte der Bundesrat das VBS am 27. Juni 2018, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die für weitere Abklärungen und die Prüfung von risikosenkenden Massnahmen verantwortlich ist. Diese Arbeitsgruppe Mitholz unter der Leitung von Brigitte Rindlisbacher, ehemalige Generalsekretärin des VBS, umfasste folgende Organisationen: Generalsekretariat VBS, Armasuisse Immobilien und Armasuisse Wissenschaft + Technologie (W+T), Gruppe Verteidigung (Armeestab, Kommando Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung KAMIR), Bundesämter für Bevölkerungsschutz (BABS), Umwelt (BAFU), Verkehr (BAV) und Strassen (ASTRA), Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Kanton Bern, Regierungsstatthalteramt FrutigenNiedersimmental, Gemeinden Kandergrund und Kandersteg, BLS Netz AG und Kanton Wallis.

Arbeiten der Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe konzentrierte sich schwergewichtig auf die Prüfung geeigneter Massnahmen, um das von den Munitionsrückständen ausgehende Risiko auf ein gemäss StFV und WSUME akzeptables Niveau zu senken.

Als erste Massnahme wurde im Mai 2019 ein Mess- und Alarmierungssystem in Betrieb genommen. In den Bereichen Munition, Hydrologie und Geologie wurden technische Untersuchungen durchgeführt. Zur Reduktion des Risikos bzw. der Auswirkungen einer Explosion wurden bauliche Vorausmassnahmen wie z. B. Stahlbetonpfropfen für das Verschliessen der bestehenden Anlagezugänge konzipiert. Zusätzlich wurden rechtliche und finanzielle Fragen der Betroffenen bearbeitet ­ insbesondere in Zusammenhang mit dem erforderlichen Wegzug der Bevölkerung von Mitholz.

1.2.2

Risikoanalysen VBS 2018 und 2020

Die Risikoanalysen aus den Jahren 2018 und 2020 zeigten auf, wie gross die Risiken durch die verschüttete Munition für die Umgebung sind und dass diese gemäss den einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht zulässig sind. Die Risikoanalysen erfolgten aus zwei Blickwinkeln: Anhand der Kriterien der StFV wurde das kollektive Risiko für unbeteiligte Dritte beurteilt (z. B. Bevölkerung inkl. Verkehrsteilnehmende). Ein weiterer Gradmesser waren die Kriterien der WSUME. Diese berücksichtigen die Risiken aller Beteiligten in Abhängigkeit von ihrer individuellen Aufenthaltsdauer im Gefahrenbereich (z. B. Arbeitszeiten in der Landwirtschaft).

Risikoanalyse VBS 2018 Die Risikoanalyse vom 27. September 2018 war im Rahmen der Projektierung eines Rechenzentrums in Mitholz erarbeitet worden. Sie basierte auf den damals verfügbaren Dokumenten zu den früheren Untersuchungen des Explosionsunglücks vom 9 / 60

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Dezember 1947 und auf Begehungen von Teilen der Anlage. Zur Lage und zum Zustand der Munition im verschütteten Bahnstollen standen nur wenige Informationen zur Verfügung. In ihrem Bericht gingen die Experten grundsätzlich von zwei Szenarien aus: Ein kleineres Ereignis mit der Explosion von 1 Tonne Sprengstoff mit einer Ereignishäufigkeit von einmal pro 300 Jahre wurde als plausibelste Ereignisgrösse beurteilt. Ein grösseres Ereignis mit der Explosion von 10 Tonnen Sprengstoff mit einer Ereignishäufigkeit von einmal pro 3000 Jahre erachteten die Experten ebenfalls als möglich. Ihrer Meinung nach hätten insbesondere der Trümmerwurf von Felsmaterial und ein Luftstoss infolge einer Explosion gefährliche Auswirkungen auf weite Teile des Dorfes Mitholz, einen Abschnitt der Nationalstrasse zwischen Frutigen und Kandersteg sowie einen Abschnitt der Lötschberg-Bergstrecke der Bahn. In der Anlage selbst bestünden im Falle einer Explosion Gefahren durch erhöhten Kammerdruck, Feuer, toxische Explosionsgase und Erdstösse. Zudem wiesen die Experten in ihrer Beurteilung auf mögliche Felsstürze oder Einstürze im Bahnstollen hin. Für die benachbarte Bevölkerung und die Verkehrsträger waren die berechneten Risiken gemäss Risikoanalyse VBS 2018 daher sowohl nach StFV als auch nach WSUME inakzeptabel.

Bestätigung der Risikoanalyse VBS 2018 durch das BAFU Im April 2019 beurteilte das BAFU als Bundesfachstelle für die Störfallvorsorge die Risikoanalyse VBS 2018 gemäss dem üblichen Prozess im Vollzug der StFV. Das BAFU stützte sich dabei auf ein unabhängiges Gutachten des deutschen FraunhoferInstituts für Kurzzeitdynamik in Efringen-Kirchen (Ernst-Mach-Institut, EMI). Es kam gestützt auf dieses Gutachten zum Schluss, dass die Einschätzung des VBS plausibel sei, und bestätigte, dass die Risiken gemäss den Kriterien der StFV im nicht akzeptablen Bereich lägen. Das EMI-Gutachten erachtete auch ein Szenario mit 20 Tonnen Sprengstoff mit anderen Gefährdungsbereichen als möglich. Dieses zusätzliche Szenario wurde bei den weiteren Arbeiten ebenfalls berücksichtigt, namentlich zu den risikosenkenden Massnahmen und bei der Notfallplanung des Kantons Bern.

Risikoanalyse VBS 2020 Im Februar 2020 wurden die Zwischenergebnisse einer aktualisierten Risikoanalyse auf Einladung des VBS an einem mehrtägigen Workshop mit internationalen
Munitions- und Räumdienstexperten aus den USA, Schweden, Norwegen, Holland, Deutschland und Frankreich beurteilt. Zusätzlich wurden Simulationen und Untersuchungen zum Kupferazid durchgeführt, das als möglicher Verursacher von Explosionen gilt.

Aufgrund der Erkenntnisse aktualisierte die Expertengruppe des VBS die Risikoanalyse von 2018: Die Wahrscheinlichkeit für die Übertragung einer Explosion auf weitere Munitionsrückstände im vorhandenen Munitions- und Gesteinsgemenge wurde als kleiner eingeschätzt. Folglich stuften die Fachleute des VBS in ihrer Risikoanalyse 2020 die Wahrscheinlichkeit, dass sich insbesondere eine Explosion von 10 Tonnen Sprengstoff ereignen könnte, kleiner ein als noch 2018. In ihrer Analyse berücksichtigten sie deshalb ein zusätzliches Ereignis mit 3 Tonnen Sprengstoff.

Diese Einschätzung führte zu Risiken, die nach den Kriterien der StFV am oberen Rand des Übergangsbereichs (siehe Abbildung 3.1.1) liegen. Der Handlungsbedarf, die Risiken zu senken, änderte sich damit aber nicht grundlegend.

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Das VBS unterbreitete die aktualisierte Risikoanalyse 2020 wiederum dem BAFU zur Beurteilung. Gestützt auf ein zweites Gutachten des Fraunhofer EMI4 erachtete das BAFU die Einschätzung des VBS als zu optimistisch. Es seien weiterhin Szenarien möglich, die eine Explosion von 10 Tonnen Sprengstoff gemäss Kriterien der StFV Risiken im nicht akzeptablen Bereich ergeben könnten. Weiter erachtete es das BAFU als notwendig, das Risiko für die störfallrelevanten Szenarien (grosse Explosionsereignisse) vor Beginn derjenigen Arbeiten, die zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für eine Ereignisauslösung durch Menschenhand führen könnten, mit Schutzmassnahmen oder Evakuierungen der Bevölkerung und Sperrungen der Verkehrsträger in den akzeptablen Bereich zu senken. Die Durchführung von Arbeiten in den vermuteten Bereichen mit grossen Munitionsansammlungen sei sonst nicht verantwortbar ­ dies insbesondere im Lichte des Vorsorgeprinzips gemäss StFV und der geltenden Sorgfaltspflicht bei Arbeiten in diesen Bereichen, aber auch aufgrund der noch immer grossen Unsicherheiten, wie beispielsweise in Bezug auf die Munitionsverteilung.

Das VBS könnte nur dann auf solche Schutzmassnahmen, Evakuierungen und Sperrungen verzichten, wenn es nachvollziehbar aufzeigen könnte, dass die geplanten Arbeiten das Risiko für eine Auslösung störfallrelevanter Szenarien nicht erhöhten.

1.2.3

Variantenevaluation

Die Suche nach geeigneten Massnahmen, um das von den Munitionsrückständen in Mitholz ausgehende Risiko in den akzeptablen Bereich nach StFV und WSUME zu senken, erfolgte durch das Projektteam «Variantenevaluation Mitholz», bestehend aus Experten des Bundes und des Kantons Bern sowie externen Fachleuten.

Das Projektteam machte zunächst eine breite Auslegeordnung von Varianten und bewertete diese anhand von definierten Kriterien. Die Varianten wurden gegliedert in die Kategorien «Umfassende Räumung», «Teilweise Räumung» und «Keine Räumung». Dabei wurden auch vermeintlich abwegige Alternativen geprüft: etwa die Munitionsrückstände gezielt zu sprengen, die Anlage mit Wasser aufzufüllen oder Schutzmauern ausserhalb der Anlage zu errichten. Die aufgrund der Bewertung verbliebenen Varianten wurden auf ihre technische und bauliche Machbarkeit sowie hinsichtlich ihrer Auswirkungen vertieft untersucht, optimiert und bewertet.

Gesamtkonzept Räumung Nach Prüfung aller Möglichkeiten stand die Variante «umfassende Räumung» der Munitionsrückstände im Zentrum der weiteren Abklärungen, um so die von den Munitionsrückständen ausgehenden Risiken endgültig zu beseitigen. Am 26. September 2019 präzisierte die Chefin des VBS den Projektauftrag für die Variantenevaluation mit dem expliziten Ziel der Räumung des ehemaligen Munitionslagers. Diese Zielvorgabe erfolgte im Einvernehmen mit dem Kanton Bern und der Gemeinde Kandergrund.

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«Unterstützung Massnahmenerarbeitung und -beurteilung ehemaliges Munitionslager Mitholz, Vorausmassnahmen, Variantenvergleich und VBS-Risikoanalyse 2020», Bericht des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut (EMI), September 2020.

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Phasen der Räumung Die Arbeitsgruppe konkretisierte den möglichen Ablauf der Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz im Rahmen des «Gesamtkonzepts Räumung». In diesem skizzierte sie vier Phasen: In Phase 1 sollen mit Vorausmassnahmen eine erste Schutzwirkung realisiert und die Planungsarbeiten für den gesamten folgenden Prozess bis und mit Räumung vorangetrieben werden. In Phase 2 werden gezielte technische Untersuchungen im und um das ehemalige Munitionslager durchgeführt. Phase 3 sieht vor, den Wegzug der Bevölkerung vorzubereiten und die notwendigen Schutzmassnahmen für Strasse und Bahn zu realisieren ­ auch die Anlagen für die Munitionssortierung und -entsorgung werden bereitgestellt. In Phase 4 werden die Munitionsrückstände geräumt.

Die Akzeptanz des Gesamtkonzepts wurde im Rahmen einer öffentlichen Mitwirkung im Frühjahr 2020 geprüft. Gemäss «Bericht zur Mitwirkung der Bevölkerung von Kandergrund und Kandersteg sowie der Behörden»5 vom 19. Juni 2020 haben sich die Bevölkerung, die Gewerbebetriebe und die Gemeinden von Kandergrund, Kandersteg und Frutigen, der Talrat Lötschen, die Kantone Bern und Wallis, das ASTRA, das BAFU, das BAV, die EFV und die BLS Netz AG zum Gesamtkonzept Räumung geäussert. Die Arbeitsgruppe empfahl dem Bundesrat in ihrem abschliessenden Bericht, das Gesamtkonzept Räumung umzusetzen.

1.2.4

Geprüfte Varianten

Variante Überdeckung Als Alternative zur Räumung der Munitionsrückstände prüfte die Arbeitsgruppe Mitholz die Variante einer Überdeckung des ehemaligen Munitionslagers. Dabei würden die Hohlräume in der Anlage mit losem Material verfüllt, um so die Stabilität der Fluh zu gewährleisten und das Risiko einer Explosion infolge Steinschlags zu reduzieren.

Anschliessend würde die Anlage so weit mit Gesteinsmaterial überschüttet, dass ein allfälliges Explosionsereignis keine Auswirkungen auf die Umgebung hätte.

Für diese Variante wurde in der Variantenevaluation im Jahr 2020 mit Kosten von 90 bis 210 Millionen Franken gerechnet. Gemäss den Vorgaben der StFV und den WSUME müssten die Risiken vor Beginn der Arbeiten an den vermuteten Munitionsnestern auf ein akzeptables Mass gesenkt werden. Ansonsten wären diese potenziell risikoerhöhenden Arbeiten nicht verantwortbar. Das heisst, dass auch bei einer Überdeckung wegen der mehrjährigen Projektdauer Schutzmassnahmen wie die Evakuierung der Bevölkerung sowie Schutzbauten oder Sperrungen von Strasse und Bahn unumgänglich wären. Hierzu wäre mit zusätzlichen Kosten von mindestens 220 bis 330 Millionen Franken zu rechnen gewesen (d. h. total 310 bis 540 Mio. Fr.). Die Arbeiten würden insgesamt rund 15 bis 20 Jahre dauern. Mit der Variante Überdeckung könnte das von den Munitionsrückständen ausgehende Risiko in den akzeptablen Bereich gemäss StFV und WSUME gesenkt werden. Es wurde aber nicht geprüft,

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wie eine Freisetzung des verbleibenden grossen Schadstoffpotenzials zuverlässig vermieden werden könnte.

Variante Verkapselung Im Sinne eines weiteren Variantenvorschlags reichte ein privater Ingenieur im Mai 2021 ein Konzept ein, das eine «Verkapselung» der Anlage ohne Räumung der Munitionsrückstände vorschlug. Das Konzept sah vor, mit einer Verkapselung sämtliche Hohlräume zu einem monolithischen, massiven Festkörper zu verfüllen. Diese Technologie hatte das Projektteam bereits früher beleuchtet und wegen technischer Mängel verworfen. Sie ist nur in abgegrenzten Bereichen und unter kontrollierbaren Bedingungen ein- und umsetzbar.

Trotzdem liess das VBS die Machbarkeit noch durch ein unabhängiges Gutachten der ETH Zürich überprüfen. Im ETH-Gutachten vom 19. August 2021 des Instituts für Geotechnik, Professur für Untertagbau, wurde das Konzept mit dem vorgeschlagenen Bauablauf beurteilt. Das Gutachten kam zum Schluss, dass damit weder die Munitionsrückstände sicher eingeschlossen noch der Durchfluss von Wasser ausgeschlossen werden könnten. Es könnten auch keine Erfolgskontrollen durchgeführt und keine allfällig erforderlichen späteren Massnahmen getroffen werden. Zudem wäre es nach der Verkapselung unmöglich, die Munitionsrückstände später zu bergen. Aus diesen Gründen hat das VBS die Variante Verkapselung als nicht zielführend bewertet und erneut verworfen.

1.2.5

Vor- und Nachteile der Varianten, Begründung der gewählten Lösung

Das von den Munitionsrückständen ausgehende Risiko liegt gemäss den Beurteilungskriterien der StFV und der WSUME im nicht akzeptablen Bereich. Das Risiko für eine Ereignisauslösung muss vor Beginn der Räumungsarbeiten auf ein akzeptables Niveau gesenkt werden. Dazu braucht es zwingend Schutzmassnahmen für die Bewohnerinnen und Bewohner von Mitholz sowie für Strasse und Bahn. Der Wegzug der Bevölkerung aus dem Sicherheitsperimeter für die Dauer der sicherheitsrelevanten Arbeiten ist bei allen Varianten unumgänglich.

Umfassende Räumung der Munitionsrückstände Die umfassende Räumung der Munitionsrückstände ist die einzige Möglichkeit, sämtliche Risiken endgültig zu beseitigen. Dies gilt für Explosionsrisiken wie auch für das Risiko der Freisetzung von umweltgefährdenden Stoffen. Nach der Räumung wird es in der Umgebung der Anlage keine Nutzungseinschränkungen mehr geben ­ sogar die Anlage selbst, die in weiten Teilen in einem sehr guten Zustand ist, könnte wieder genutzt werden. Mit den Schutzmassnahmen werden in Mitholz die Verkehrssituation sowie der Schutz vor Naturgefahren dauerhaft verbessert. Ein wesentlicher Nachteil der Räumung ist allerdings, dass sie sehr lange dauert. Zudem ist sie mit nicht zu unterschätzenden Risiken für das beteiligte Personal verbunden. Die Räumung hat einschneidende Konsequenzen für die Bevölkerung, die den Sicherheitsperimeter mindestens während der Räumungsarbeiten für viele Jahre verlassen muss. Weiter 13 / 60

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müssen Strasse und Bahnstrecke durch Schutzbauten aufwendig geschützt werden.

Die Personen, die diese Schutzbauten errichten, sind ebenfalls einem Risiko ausgesetzt. Schliesslich ist die Räumung mit hohen Kosten verbunden.

Variante Überdeckung Die Überdeckung hätte den Vorteil, dass die verschüttete Munition weder manipuliert noch bewegt werden müsste. Temporär erhöhte Risiken für das Räumpersonal könnten damit vermieden werden. Zudem würde die Variante rund 40 Prozent weniger kosten und die Risiken etwas früher reduzieren als die Räumung. Hingegen würden die Munitionsrückstände mit ihrem grossen Schadstoffpotenzial bei einer Überdeckung im Berg verbleiben und weiterhin ein Risiko für die Umwelt, insbesondere für das Grundwasser, darstellen. Die Munitionsrückstände und die Schadstoffe müssten mit baulichen Massnahmen dauerhaft und vollständig gegen den Wassereintritt geschützt werden. Mit einem Monitoring müssten die Oberflächen- und Grundwasserströme überwacht werden. Dabei wäre allerdings fraglich, ob bei Feststellen von Schadstoffen innert nützlicher Frist Massnahmen getroffen werden könnten. Die Freisetzung von Schadstoffen als Folge eines Naturereignisses (z. B. Überschwemmung) oder einer Explosion könnte nicht ausgeschlossen werden.

Aus der Erfahrung mit der in Schweizer Seen versenkten Munition ist zudem nicht auszuschliessen, dass die Forderung nach einer Räumung der Munitionsrückstände später wieder erhoben würde. Aus diesem Grund hat auch das BAFU in seiner Stellungnahme zur Variantenevaluation empfohlen, eine allfällige Überdeckung so zu planen, dass eine spätere Räumung der Munition möglich bliebe.

Begründung der gewählten Lösung Aus Sicht des Bundesrates überwiegen die Vorteile einer umfassenden Räumung trotz der Konsequenzen für die betroffene Bevölkerung, der Auswirkungen auf Raum und Umwelt und auch trotz der im Vergleich zu den anderen Varianten hohen Kosten.

Mit der Räumung steht der Bund zu seiner Verantwortung für die heutige Situation und beseitigt die Risiken endgültig. Die umfassende Räumung ist die nachhaltigste Lösung: Sie wird weder technischen noch politischen Handlungsbedarf nach sich ziehen, und künftige Generationen werden keinem weiteren Risiko ausgesetzt. Eine Räumung zu einem späteren Zeitpunkt wäre noch aufwendiger als heute und würde zu noch höheren Kosten führen.
Der Bundesrat, der Regierungsrat des Kantons Bern, der Gemeinderat von Kandergrund sowie die «Interessengemeinschaft Mitholz» mit ihren mehr als 100 vorwiegend ortsansässigen Mitgliedern aus der Bevölkerung wollen die von den Munitionsrückständen ausgehende Gefahr mit der Räumung definitiv beseitigen. Mit den alternativen Varianten würde die Munition im Fels verbleiben und dauerhaft ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen.

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1.2.6

Beschluss des Bundesrats vom 4. Dezember 2020 zur Räumung des Munitionslagers

Der Bundesrat beschloss am 4. Dezember 2020 auf der Grundlage der Arbeiten der Arbeitsgruppe Mitholz und in Kenntnis der Resultate der Mitwirkung, dass die Munitionsrückstände aus dem ehemaligen Munitionslager Mitholz geräumt werden sollen.

Aus Sicht des Bundesrates überwiegen die Vorteile einer Räumung trotz der grossen Auswirkungen auf Raum und Umwelt und der hohen Kosten. Damit steht der Bund zu seiner Verantwortung für die heutige Situation. Er bekräftigt zudem seinen Willen, die Risiken endgültig zu beseitigen und weiteren Handlungsbedarf ­ sowohl auf technischer als auch auf politscher Ebene ­ künftig auszuschliessen.

Der Bundesrat beauftragte das VBS, die Räumung mit den Schutzmassnahmen anhand des Gesamtkonzepts Räumung zu projektieren und bis im Herbst 2022 eine Botschaft zur Finanzierung zu erarbeiten. Als Rückfallposition, wenn eine Räumung aus technischen oder Sicherheitsgründen nicht möglich ist oder abgebrochen werden muss, soll die Option der Überdeckung der Munitionsrückstände vorsorglich ebenfalls projektiert werden. Zum Schutz der Nationalstrasse während der Räumung beschloss der Bundesrat, die Verlängerung des Tunnels Mitholz weiter zu verfolgen.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Mit der Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz folgt der Bundesrat seiner Leitlinie 3 in der Botschaft vom 29. Januar 20206 zur Legislaturplanung 2019­2023 «Die Schweiz sorgt für Sicherheit, engagiert sich für den Schutz des Klimas und agiert als verlässliche Partnerin in der Welt». Zudem stützt sich die Räumung auf die Strategie «Nachhaltige Entwicklung 2030», in welcher der Bundesrat eine nachhaltige Entwicklung als eine wichtige Anforderung für alle Politikbereiche des Bundes verankert hat.7 Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20208 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20209 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Trotzdem ist sie angezeigt. Eine umfassende Räumung des ehemaligen Munitionslagers ist aus Sicherheitsgründen geboten und entspricht einem grossen Anliegen der Politik und der ortsansässigen Bevölkerung.

Zudem ist die endgültige Sanierung eine nachhaltige und generationengerechte Lösung des Problems.

Während der gesamten Dauer der Räumung ist der Verkehr auf Schiene und Strasse durch das Kandertal sichergestellt. So wird eine kritische Infrastruktur geschützt, wie es die «Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen 2018­2022»10 des Bundesrates vorsieht: Der Bundesrat will die Verfügbarkeit von wichtigen Gütern und 6 7 8 9 10

BBl 2020 1777 www.are.admin.ch/sne BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 www.babs.admin.ch/de/aufgabenbabs/ski/nationalestrategie.html

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Dienstleistungen in der Schweiz garantieren und namentlich auch im Sektor Verkehr erhebliche Risiken für gravierende Versorgungsstörungen vermeiden.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Im Zusammenhang mit «Mitholz» wurden mehrere Motionen eingereicht: ­

18.3798: Pulverfass Mitholz. Definitive Räumung des ehemaligen Munitionslagers

­

18.4385: Saubere Aufarbeitung des unzulänglichen Risikomanagements und der mangelhaften Informationspolitik des VBS in Bezug auf das ehemalige Munitionslager Mitholz

­

19.4304, 19.4345 und 19.4373: Verkehrserschliessung von Kandersteg (und des Wallis) bei einem Spontanereignis in Mitholz und/oder während der Räumungsarbeiten dauerhaft von Norden her sicherstellen

Diese Motionen wurden entweder von einem Rat abgelehnt oder bereits abgeschrieben, weil sie nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt wurden oder weil die Urheberin bzw. der Urheber aus dem Rat ausgeschieden ist. Somit werden den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft keine parlamentarischen Vorstösse zur Abschreibung beantragt.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Verzicht auf Vernehmlassung

Hinsichtlich eines Verpflichtungskredits für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz kann gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 (SR 172.061) auf eine Vernehmlassung bei den Kantonen, Parteien und weiteren interessierten Kreisen verzichtet werden. Aus der Vernehmlassung wären keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind. Die betroffenen Kantone Bern und Wallis sind in die Projektorganisation eingebunden und im Steuerungsausschuss vertreten. Auf operativer Ebene verfügt die Projektleitung über mehrere Sitzungsformate, um sich mit den zuständigen Fachstellen und Behörden laufend abzustimmen.

Für die politische Abstimmung des Projekts wurde eine Begleitgruppe unter der Leitung von Nationalrat Albert Rösti eingesetzt. In der Begleitgruppe vertreten sind die Regierungen der Kantone Bern und Wallis, das Regierungsstatthalteramt FrutigenNiedersimmental, die Gemeinden Kandergrund und Kandersteg, Tourismus- und Gewerbe-Organisationen des Kandertals, der Talrat des Lötschentals, der Verband Oberwalliser Verkehr und Tourismus sowie Natur- und Umweltverbände.

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2.2

Mitwirkung zur Variantenevaluation

Das Mitwirkungsverfahren der interessierten Kreise und der Betroffenen wurde im Februar 2020 mit Informationsanlässen in Kandergrund und Kandersteg gestartet und dauerte bis Ende Mai 2020. Per Fragebogen konnten sich die betroffenen Gruppen zum Projekt äussern. Dazu gehören die Bevölkerung von Kandergrund und Kandersteg, externe Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken in Mitholz, die Gemeinden Kandergrund, Kandersteg und Frutigen, die Kantone Bern und Wallis, der Talrat des Lötschentals, die Bundesämter ASTRA, BAFU, BAV und EFV sowie die BLS Netz AG.

Wie die Auswertung ergeben hat, sind die Betroffenheit und die Belastung insbesondere der Einwohnerinnen und Einwohner von Mitholz sehr gross. Die Räumung wirkt sich für die meisten von ihnen auf die Zukunftsplanung aus. Das Mess- und Alarmierungssystem stiess auf sehr grosse Akzeptanz, und auch die Notfallplanung und die Kommunikation der Behörden wurden mehrheitlich als gut beurteilt. Das Räumungskonzept wurde unterschiedlich beurteilt. Kritisiert wurde insbesondere die lange Dauer der Räumung. Bereits bei einem Evakuierungszeitraum von mehr als einem Jahr würde gut die Hälfte der Antwortenden aus Mitholz dauerhaft wegziehen, bei zehn Jahren sind es mehr als 80 Prozent. Eine Mehrheit möchte bei einem Wegzug in der Region bleiben. Sie erwarten vom VBS eine grosszügige Unterstützung und Entschädigung. Sperrungen des Strassen- oder Schienenverkehrs sind aus Sicht der Befragten kaum tragbar. Insbesondere die kantonalen und lokalen Behörden, die BLS Netz AG sowie die Tourismuskreise forderten nachdrücklich, dass die Verkehrsverbindungen ununterbrochen in der heutigen Qualität zur Verfügung stehen müssen.

Die Ergebnisse aus der Befragung wurden im «Bericht zur Mitwirkung der Bevölkerung von Kandergrund und Kandersteg sowie der Behörden» vom 19. Juni 2020 dokumentiert und so weit wie möglich in den Planungen berücksichtigt.

2.3

Festlegungen im Sachplan Militär (SPM)

Im Sachplan Militär (SPM) wurden die planerischen Grundlagen für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers geschaffen. Der SPM ist ein Planungs- und Koordinationsinstrument des Bundes im Sinne des Raumplanungsgesetzes vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700). Er legt die Ziele und Vorgaben für die militärische Infrastruktur behördenverbindlich fest. Das ehemalige Munitionslager Mitholz wurde in den Programmteil des SPM integriert und das neue Objektblatt 02.902 «Besondere Anlage Mitholz» erstellt. Zum SPM-Objektblatt Mitholz führte das VBS vom 2. Mai bis zum 17. August 2022 die Anhörung und das Mitwirkungsverfahren durch. Die Mitholzer Bevölkerung äusserte sich bis zum 1. Juni 2022 zum Entwurf. Die Kantone Bern und Wallis nahmen unter Einbezug der betroffenen Gemeinden am 17. August 2022 bzw.

am 20. Juli 2022 Stellung. Der Bundesrat hat das SPM-Objektblatt 02.902 «Besondere Anlage Mitholz» am 16. November 2022 verabschiedet.

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3

Projekt zur Räumung der Munitionsrückstände ab 2021

3.1

Projekt- und Räumungsziele

Projektziele Mit dem Projekt sollen die vom ehemaligen Munitionslager ausgehenden Risiken so weit reduziert werden, dass die Sicherheit in Mitholz gewährleistet und die Lebensqualität nicht mehr beeinträchtigt ist. Die Voraussetzungen für sicheres Wohnen und Arbeiten sowie für den Betrieb von Gewerbe und Landwirtschaft sollen wiederhergestellt und Umweltrisiken reduziert werden. Der Verkehr auf Strasse und Schiene durch das Kandertal soll während der Räumung nicht beeinträchtigt werden.

Räumungsziele Nach dem Explosionsunglück von 1947 waren die Munitionsrückstände grossflächig im gesamten Talkessel verteilt. Zwar fanden Aufräumarbeiten ausserhalb der Anlage im Rahmen der damaligen Möglichkeiten statt. Trotzdem werden bis heute Muni- tionsrückstände gefunden. Das Projekt verfolgt das Ziel, die noch vorhandenen Munitionsrückstände zu räumen. Es geht in erster Linie darum, die Gefahr durch ungewollte Explosionen auszuschliessen. Die grossen und konzentrierten Munitionsmengen werden im verschütteten Bahnstollen und teilweise im Schuttkegel vor der Anlage vermutet. Gefahr geht aber auch von Munitionsrückständen in den Klüften der Fluh und im gesamten Räumungsbereich aus. Um die konkreten Ziele der Räumung zu definieren, wurden die kommunalen und kantonalen Behörden einbezogen.

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Abbildung 3.1.1 Übersichtskarte mit Räumungszielen

Bevor die Erd- und Tiefbauarbeiten beginnen, werden die Baustellenbereiche schichtweise mit Detektoren untersucht und das Material abgetragen. Dabei gefundene Munitionsrückstände werden fortlaufend geräumt. Detektoren kommen auch auf den Weideflächen im Räumungsbereich zum Einsatz: Identifizierte Fundstücke werden geräumt, damit die Fläche wieder gefahrlos für die Landwirtschaft genutzt werden kann. Zugängliche Waldflächen werden ebenfalls mit Detektoren überprüft. Bei Verdacht auf Munitionsrückstände wird im Wald eine Räumung im Rahmen der Verhältnismässigkeit geprüft.

Selbst nach einer minutiösen Räumungsarbeit bleibt ein Restrisiko, dass ausserhalb der Baustellenbereiche einzelne Munitionsrückstände verbleiben. Bei späteren Erdund Tiefbauarbeiten braucht es deshalb weiterhin die Begleitung durch Fachleute des Kommandos Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung (Kommando KAMIR).

3.2

Projektorganisation

Der Bundesrat beauftragte am 4. Dezember 2020 das VBS, für die Planung und Durchführung der Munitionsräumung eine Projektorganisation einzusetzen.

Diese wurde im ersten Quartal 2021 eingesetzt. Die acht Teilprojekte wurden den sachverständigen Verwaltungseinheiten zugewiesen. Die Teilprojekte «Unterstützung 19 / 60

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der Bevölkerung» sowie «Rückführung» werden vom Generalsekretariat VBS geführt. Die Armasuisse Immobilien ist zuständig für die Teilprojekte «Bauten und bauliche Unterstützung» sowie «Materiallogistik und Umweltmassnahmen». Das ASTRA führt das Teilprojekt «Strasse», während die BLS Netz AG das Teilprojekt «Bahn» verantwortet. Das Kommando KAMIR führt das Teilprojekt «Räumung», die Armasuisse Wissenschaft + Technologie verantwortet das Teilprojekt «Entsorgung der Munitionsrückstände».

Der Steuerungsausschuss fungiert als Aufsichtsorgan unter der Leitung des Generalsekretärs VBS. Neben den beteiligten Organisationen des VBS sind auch das ASTRA, das BAV, die Kantone Bern und Wallis sowie die BLS Netz AG eingebunden. Ein Expertengremium mit Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten (z. B. NEAT oder Sanierung der Sondermülldeponie Kölliken) unterstützt den Steuerungsausschuss auf strategischer Ebene.

Expertengruppe des VBS und internationale Zusammenarbeit Die Expertengruppe des VBS mit internen und externen Fachleuten verschiedener Gebiete unterstützt das Projekt namentlich in den sicherheitsrelevanten Bereichen. In den Bereichen Munitionsräumung sowie Munitionsentsorgung pflegen die beiden zuständigen Teilprojekte einen intensiven Austausch mit internationalen Partnerorganisationen wie dem Munitions Safety Information Analysis Center der Nato. Im Rahmen der Ausbildung pflegt das Kommando KAMIR eine intensive Zusammenarbeit mit den Deutschen Räumdiensten. Der Austausch über die Verfahren und Technologien zur industriellen Räumung wurde mit den Besuchen von grossen Räumstellen in Deutschland vertieft (z. B. Dethlinger Teich und Wittsock). Das Kommando KAMIR wird für die Planung durch einen deutschen Experten unterstützt.

Zusammenarbeit mit Forschung und Entwicklung Die Munitionsrückstände sollen möglichst sicher, effizient und umweltverträglich geräumt und entsorgt werden. Das Projekt Mitholz pflegt deshalb über das Schweizer Drohnen- und Robotik-Zentrum der Armasuisse Wissenschaft + Technologie eine aktive Zusammenarbeit mit der ETH Zürich. Technologische Entwicklungen und Trends werden beobachtet. Sofern sich daraus Chancen für das Projekt Mitholz ergeben, wird die Umsetzung in konkrete Entwicklungsprojekte geprüft. Im Vordergrund stehen Technologien aus den Bereichen Detektion, Geo-Radar, Robotik, ferngesteuerte Maschinen und Gerätschaften sowie künstliche Intelligenz.

3.3

Risikoanalyse VBS 2022

Situations- und Ereignisanalyse Für die Risikoanalyse VBS 2022 wurden die Dokumente der früheren Untersuchungen des Explosionsunglücks vom Dezember 1947 nochmals detailliert ausgewertet und mit neuen Erkenntnissen ergänzt. Zusätzlich hat das VBS eine Reihe von technischen Untersuchungen zur Munition und deren Verhalten vorgenommen, um die Risiken besser beurteilen zu können. Weiter wurden numerische Simulationen und Modellversuche durchgeführt, um vertiefte Erkenntnisse zur Explosionsübertragung zu 20 / 60

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gewinnen. Aufgrund der früheren Analysen befinden sich maximal 3500 Bruttotonnen Munitionsrückstände im verschütteten Bahnstollen und im Schuttkegel vor der Anlage. Untersuchungen von einzelnen Munitionsstücken aus dem verschütteten Bahnstollen haben gezeigt, dass die Munition teilweise noch funktionsfähig ist. Das Risiko ergibt sich aus der geografischen Nähe zu Mitholz, zur Nationalstrasse sowie zur BLS-Bergstrecke und aus der einsturzgefährdeten Fluh über dem Bahnstollen.

Eine Explosion kann beispielsweise durch chemische Reaktionen, Steinschlag im Bahnstollen als Folge eines Erdbebens oder durch Blitzschlag ausgelöst werden.

Trotz aller Erkenntnisse bestehen aufgrund der noch ausstehenden technischen Untersuchung weiterhin entscheidende Wissenslücken zur Lage, Menge und Verteilung der Munition in Teilen des verschütteten Bahnstollens. So fehlen beispielsweise gesicherte Informationen zum verschütteten ehemaligen Lastwagenzugang Süd und zum Sackstollen, wo grössere Ansammlungen von Munitionsrückständen vermutet werden. Neue Erkenntnisse sind ab 2023 zu erwarten, wenn basierend auf den historischen Unterlagen auch die technischen Untersuchungen und Sondiergrabungen durchgeführt sein werden. Ungefähr ab 2032 wird zudem der Zugang zu den vermuteten grösseren Munitionsrückständen im ehemaligen Lastwagenzugang Süd möglich sein. Dafür muss jedoch zuerst die Fluh mit der schützenden Felsüberdeckung abgetragen werden, was einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Aus geologischen Gründen ist die Bergung der Munition im Stollen ohne Abbau der Fluh sicherheitstechnisch nicht umsetzbar.

Wirkungsanalyse und Bewertung des Risikos Simulationen und Modellversuche der Armasuisse Wissenschaft + Technologie haben gezeigt, dass Übertragungen von Explosionen im vorhandenen Munitions- und Gesteinsgemisch weniger wahrscheinlich sind, als in früheren Risikoanalysen angenommen wurde. Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses mit 10 Tonnen Sprengstoff ist somit geringer als ursprünglich angenommen. Ein Ereignis mit 1 Tonne Sprengstoff, ausgelöst durch nicht kontrollierbare Naturgewalten wie z. B. Erdbeben, gilt als wahrscheinlichste Ereignisgrösse. Die Wirkung eines Ereignisses ist stark abhängig von seinem Ort. Die den Simulationen zugrunde liegenden Parameter lassen sich aber wegen der fehlenden Informationen zur Lage
und Menge der Munitionsrückstände nicht validieren. Deshalb kann ein Ereignis mit 10 Tonnen Sprengstoff auch in der Risikoanalyse VBS 2022 nicht ausgeschlossen werden.

Um das Risiko und die geplanten Schutzmassnahmen zu beurteilen, wurden die möglichen Auswirkungen eines Explosionsereignisses mit ihren Letalitätszonen ausgewertet. Im aktuellen Zustand hätten insbesondere der Trümmerwurf von Felsmaterial und sekundär ein Luftstoss infolge einer Explosion gefährliche Auswirkungen auf weite Teile des Dorfes Mitholz. Auch ein Abschnitt der Nationalstrasse zwischen Frutigen und Kandersteg sowie ein Abschnitt der Lötschberg-Bergstrecke der BLS Netz AG wären betroffen.

Relevante Szenarien aus der Risikoanalyse VBS 2022 Wegen dieser Unsicherheiten ergibt sich in der Risikoanalyse VBS 2022 ein grosser Streubereich. Risiken im nicht akzeptablen Bereich können nicht ausgeschlossen werden. Um dem Vorsorgeprinzip der StFV gerecht zu werden, bleiben die Szenarien der 21 / 60

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Risikoanalysen VBS 2018 und 2020 für die Ausgestaltung der Schutzmassnahmen relevant. Ein Ereignis mit 1 Tonne Sprengstoff gilt als wahrscheinlichste Ereignisgrösse. Ein Ereignis mit 10 Tonnen Sprengstoff kann auch in der Risikoanalyse VBS 2022 nicht ausgeschlossen werden und bleibt damit für die Bemessung der Schutzperimeter und der Schutzbauten massgebend. Basierend auf diesem Szenario wurden für die erforderlichen Schutzmassnahmen die Schutzziele definiert. Bei einem Ereignis mit 10 Tonnen Sprengstoff wäre im Auswurfbereich mit Trümmern von 150 bis 3000 Kilogramm zu rechnen. Die Bevölkerung kann in den bestehenden Häusern nicht wirksam vor Trümmern dieser Grösse geschützt werden. Deshalb ist es unumgänglich, dass die Bevölkerung im Sicherheitsperimeter während der Dauer der Räumung den Perimeter verlässt. Die Verkehrsträger sind gegen Trümmer dieser Grösse durch bauliche Massnahmen zu schützen.

Abbildung 3.3.1 Wahrscheinlichkeit und Ausmass von Ereignissen gemäss Risikoanalysen VBS

Risikosenkende Massnahmen Im Lichte des Vorsorgeprinzips gemäss StFV und der zu hohen individuellen Risiken nach WSUME ist die Gefahr, welche durch Arbeiten an den vermuteten Munitions22 / 60

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nestern entsteht, nicht zu verantworten. Bevor die Arbeiten beginnen können, muss das Risiko für grosse Explosionsereignisse durch Schutzmassnahmen in den akzeptablen Bereich gesenkt werden ­ beispielsweise einerseits mit Evakuierungen der Bevölkerung, andererseits mit Sperrungen der Verkehrsträger.

Abbildung 3.3.2 Gesamtübersicht zu den Hauptphasen der Räumung und den möglichen Auswirkungen von Ereignissen

Als Vorausmassnahme ist vorgesehen, die Zugangsstollen mit Stahlbetonpfropfen und einem Hochdrucktor zu verschliessen. Im Bahnstollen sind zudem Massnahmen zum Schutz vor Steinschlag sowie die Verfüllung mit losem Schüttmaterial geplant.

Diese Vorausmassnahmen sollen das Risiko bis Ende 2024 maximal reduzieren; es verbleibt jedoch das Risiko für Krater-Trümmerwurf in der unmittelbaren Umgebung der Anlage. In einer zweiten Hauptphase ­ voraussichtlich ab 2026 ­ sollen die Schutzbauwerke für die Strasse und die Lötschberg-Bergstrecke der BLS Netz AG erstellt werden.

Wegen der engen Platzverhältnisse vor der Anlage wird mit dem Abbau der Fluh erst gestartet, nachdem die Rohbauten der Schutzbauwerke für Strasse und Bahn erstellt sind ­ dies auch, um die Risiken vorgängig zu senken. Das Verfüllen der offenen Klüfte sowie des Bahnstollens wird anschliessend den sicheren Abbau der Fluh ermöglichen. Parallel dazu müssen die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner im Sicherheitsperimeter an einen sicheren Ort umziehen, damit die schützende Felsüberdeckung über dem Bahnstollen abgebaut werden kann.

Sobald der Bahnstollen geöffnet ist, verändern sich das Gefährdungsbild und der Gefahrenbereich. Nach dem Abbau der Fluh über dem Bahnstollen können bei einem Explosionsereignis Trümmer- und Splitterwurf nicht ausgeschlossen werden. Die 23 / 60

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maximalen Auswirkungen einer Explosion nach Abbau der schützenden Felsüberdeckung sind massgebend, wenn der Sicherheitsperimeter zum Wegzug der Bevölkerung definiert und die Schutzbauwerke bemessen werden.

Als weitere technische Massnahme werden der Bahnstollen und die Fluh mit einem Mess- und Alarmierungssystem überwacht. Dies erlaubt es, die Bevölkerung bei Bedarf zu alarmieren. Eine Sicherheits- und Notfallorganisation wird den Betrieb überwachen und im Bedarfsfall sofort intervenieren. Sie wird eng mit den Notfallorganisationen der zivilen Behörden zusammenarbeiten und sich mit den Verkehrsleitzentralen des ASTRA und der BLS Netz AG abstimmen.

Beurteilung der Risikoanalyse VBS 2022 durch das BAFU Im Juni 2022 beurteilte das BAFU die Risikoanalyse VBS 2022. Es stützte sich dabei auf ein drittes unabhängiges Gutachten des Fraunhofer EMI.11 In seiner Beurteilung anerkennt das BAFU generell, dass die in der Risikoanalyse VBS 2022 neu berechneten Risiken aufgrund zusätzlicher Analysen und Erkenntnisse tiefer zu liegen kommen als in den Risikoanalysen VBS 2018 und 2020. Wo die Risiken innerhalb der Streubereiche tatsächlich liegen, kann aufgrund der Unsicherheiten bezüglich Lage, Menge und Verteilung der Munition im Bahnstollen nicht beurteilt werden. Es fehlen weitergehende experimentelle Nachweise und technische Untersuchungen wie beispielsweise Sondiergrabungen, die nötig wären, um nicht akzeptable Risiken sicher ausschliessen zu können. Ebenso fehlt eine experimentelle Validierung des verwendeten mathematischen Modells.

Höhere Risiken können also nicht bedenkenlos ausgeschlossen werden. Die ursprünglichen konservativeren Annahmen aus den Risikoanalysen VBS 2018 und 2020 bleiben somit für die Planung von Voraus-, Schutz- und Räummassnahmen massgebend.

So hat das VBS z. B. den Sicherheits- und Evakuationsperimeter wie auch die Dimensionierung der Schutzbauten für die Bahnlinie und die Strasse im Lichte der Unsicherheiten auf die konservativen Ergebnisse von 2018 abgestützt, was das BAFU im Sinne des Vorsorgeprinzips und der Planungssicherheit begrüsst. Den Fokus des VBS, mögliche Auswirkungen und Schadenausmasse zu reduzieren, erachtet das BAFU als zielführend. Wie die Massnahmen technisch und materiell konkret ausgestaltet werden sollen, ist mit der weiteren Planung zu vertiefen (z. B. Füllmaterial
und Einbaumethode der Hohlraumverfüllung). Schliesslich regt das BAFU an, die Abfolge der Vorausmassnahmen so zu gestalten, dass die geplanten Pfropfen und das Hochdrucktor ihre Schutzfunktion vor den Arbeiten an den vermuteten Munitionsnestern erfüllen können.

3.4

Abfall- und altlastenrechtliche Beurteilung

In den Munitionsrückständen im verschütteten Bahnstollen und im Schuttkegel vor der Anlage besteht ein grosses Schadstoffpotenzial. Materialproben zeigten, dass das Gesteinsmaterial im Bahnstollen mit Detonationsrückständen durchsetzt ist. Festgestellt wurden namentlich Belastungen durch Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, 11

www.vbs.admin.ch/de/umwelt/umweltschutz/mitholz.html#expertenberichte

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Zink und Antimon sowie durch Sprengstoffrückstände. In den Klüften über dem Bahnstollen sowie im Schuttkegel vor der Anlage wurden ebenfalls lokal begrenzte Schadstoffbelastungen festgestellt. Punktuelle Bodenproben in den Baustellenbereichen der Nationalstrasse, der Bahngalerie der Lötschberg-Bergstrecke sowie der Projektinfrastrukturen zeigten, dass in einzelnen Bereichen ebenfalls der Boden mit Schadstoffen belastet ist. Weitere Untersuchungen und Analysen sind erforderlich.

Die Schadstoffe werden nur langsam freigesetzt. Die Qualität des Grund- und Oberflächenwassers wird in einem umfassenden und an die Projektbedingungen angepassten Monitoring überprüft. Bisher werden unbedenkliche Schadstoffkonzentrationen gemessen. Deshalb besteht aufgrund der heutigen Kenntnisse für das ehemalige Munitionslager Mitholz aus altlastenrechtlicher Sicht keine Sanierungspflicht. Wegen der komplexen geologischen und hydrologischen Verhältnisse kann die Freisetzung von Schadstoffen im zerklüfteten Untergrund aber nicht mit abschliessender Sicherheit überwacht werden. Mit den geschätzten rund 3500 Bruttotonnen Munitionsrückständen besteht ein grosses Schadstoffpotenzial. Obwohl aktuell eine geringfügige Freisetzung von Schadstoffen gemessen wird, kann die Freisetzung grösserer Mengen nicht ausgeschlossen werden ­ namentlich als Folge eines Explosionsereignisses. Wegen der Rahmenbedingungen im oberen Kandertal ist den Schutzgütern ­ insbesondere den Grundwasserströmen ­ besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Deshalb wird der Standort im Kataster der belasteten Standorte des VBS als «überwachungsbedürftig» geführt.

Gemäss der Abfallverordnung vom 4. Dezember 2015 (VVEA; SR 814.600) darf höchstens schwach verschmutztes Abbau- und Aushubmaterial für die Wiederauffüllung oder für Terrainveränderungen verwendet werden. Stärker verschmutztes Abbau- und Aushubmaterial muss, soweit technisch und wirtschaftlich sinnvoll, behandelt werden (z. B. mit einer Bodenwaschanlage). Nicht reinigungsfähiges Material und die Rückstände aus dem Behandlungsprozess müssen entsprechend ihrem Belastungsgrad umweltkonform in geeignete Anlagen gebracht oder entsorgt werden. Dementsprechend müssen die Qualität des Abbau- und Aushubmaterials im Bauablauf laufend überprüft und die Materialbehandlung in Abhängigkeit von der Verschmutzung angepasst
werden.

Als Eigentümer des ehemaligen Munitionslagers Mitholz ist der Bund gemäss der StFV verpflichtet, Sicherheitsmassnahmen zur Senkung der Risiken umsetzen. Mit diesen Massnahmen müssen insgesamt 1 bis 1,5 Millionen Kubikmeter Aushub- und Ausbruchmaterial sowie Boden verarbeitet werden. Gemäss den Vorgaben der VVEA muss das verschmutzte Material im Rahmen der Bauarbeiten überprüft, gereinigt, normenkonform zwischengelagert, verwertet oder zur konformen Entsorgung weggeführt werden. Mit der Entfernung der Munitionsrückstände und der Behandlung des Ausbruch- und Aushubmaterials sowie des Bodens wird das Schadstoffpotenzial beseitigt, weshalb die Räumung auch aufgrund der Altlastensituation als sinnvolle Massnahme betrachtet werden kann.

Die Schadstoffuntersuchungen im Evakuationsperimeter waren zum Zeitpunkt der Botschaftserstellung noch im Gang (Stand August 2022). Für den Baustellenbereich gemäss Abbildung 3.1.1 sind die Aufwendungen für die rechtskonforme Überprüfung, Reinigung, Zwischenlagerung, Verwertung oder Entsorgung des verschmutzten

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Materials im Verpflichtungskredit eingerechnet. Für die weiteren Bereiche sind keine abfall- und altlastenrechtlichen Sanierungsmassnahmen eingeplant.

3.5

Perimeter

Basierend auf der Risikoanalyse VBS 2022 und in Zusammenarbeit mit dem BAFU sowie den zuständigen Fachstellen des Kantons Bern hat das VBS den Evakuationsund den Sicherheitsperimeter festgelegt. Die Perimeter und die weiteren raum- und umweltwirksamen Auswirkungen des Projekts werden mit dem Objektblatt Mitholz durch den Bundesrat im Sachplan Militär (SPM) festgesetzt. Das SPM-Objektblatt Mitholz schafft die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung des Projekts.

Das Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern hat im April 2019 für die Bevölkerung im Bereich des ehemaligen Munitionslagers die «Empfehlungen zum richtigen Verhalten» herausgegeben. Auf diesem Merkblatt ist der damalige Perimeter für das betroffene Gebiet ersichtlich. Das Merkblatt und der definierte Perimeter sind auf den Fall eines Ereignisses ausgerichtet.

Die Notfallplanung muss über die gesamte Projektdauer weiterentwickelt und aktualisiert werden. Sie wurde 2019 massgeblich durch die Auswurfzonen des Explosionsunglücks geprägt. Insbesondere in nördlicher Richtung haben die Zonen des möglichen Auswurfs aus dem ehemaligen Bahnstollen zu einer grossen Ausdehnung des Perimeters geführt. Unter Berücksichtigung der Auswurfzonen aus der Risikoanalyse VBS 2022 muss der Perimeter auch in südlicher und östlicher Richtung geringfügig vergrössert werden. Die Anpassung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Hauptmenge der Munitionsrückstände im südlich liegenden Bereich der Anlage und im südlichen Sackstollen vermutet wird. Mit dem späteren Ausbau der Anlage wurden in südlicher Richtung neue Stollen gebaut, durch die heute neue und zusätzliche Auswurfzonen entstehen können.

Der neu definierte Evakuationsperimeter wurde durch das VBS zusammen mit dem BAFU und der kantonalen Störfallfachstelle definiert. Die «Empfehlungen zum richtigen Verhalten» werden vom Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern überarbeitet.

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Abbildung 3.5.1 Übersicht über die Perimeter gemäss SPM-Objektblatt Mitholz

Evakuationsperimeter Der Evakuationsperimeter hat eine Fläche von rund 120 Hektaren. Er umfasst den Anlageperimeter der ehemaligen Munitionsanlage, der sich überwiegend im Eigentum des Bundes befindet. Ebenfalls in diesem Perimeter liegen Grundstücke der Gemeinde Kandergrund und der BLS sowie die Nationalstrasse Frutigen-Kandersteg, aber auch den Steinbruch der Firma Vigier sowie Liegenschaften und Parzellen von rund 100 privaten Eigentümerinnen und Eigentümern.

Der Evakuationsperimeter muss bei einem Ereignis oder bei einer angeordneten Evakuierung verlassen werden. Er kann aber unter Auflagen genutzt werden.

Sicherheitsperimeter Im Sicherheitsperimeter ist der dauernde Aufenthalt von unbeteiligten Dritten aufgrund der Risiken unzulässig. Die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner dieses Perimeters müssen während der Dauer der Räumungsarbeiten umgesiedelt werden.

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Deshalb erfolgen im Sicherheitsperimeter nötigenfalls Enteignungen. Im Sicherheitsperimeter befinden sich rund 50 Gebäude, wovon etwa die Hälfte bewohnt sind.

Darunter sind auch Landwirtschafts- und Gewerbebetriebe. Damit die landwirtschaftlichen Nutzflächen weiter bewirtschaftet werden können, wird es für die Landwirtschaftsbetriebe spezifische Betriebskonzepte geben, welche die jeweilige Gefahrenexposition berücksichtigen.

Im Sicherheitsperimeter wird ebenfalls die Infrastruktur für die Entsorgung der Munitionsrückstände errichtet, um zusätzlichen Flächenbedarf für die sicherheitsrelevanten Infrastrukturen zu vermeiden.

Anlageperimeter Der Anlageperimeter umfasst den Nahbereich des ehemaligen Munitionslagers und ist von der Räumung der Munitionsrückstände unmittelbar betroffen. Zwecks Freilegung des verschütteten Bahnstollens sollen der Schuttkegel sowie die Fluh abgebaut werden. Dazu ist eine Waldrodung erforderlich. Aus Sicherheitsgründen ist der Anlageperimeter gegen den Zutritt von Unbefugten zu schützen.

3.6

Projektablauf

Um die Risiken möglichst rasch zu senken, wurde der Zeitplan gegenüber den üblichen Abläufen optimiert bzw. verkürzt. Er ist damit sehr eng gehalten. Er erfordert schnellere Planungsprozesse und Verfahren ­ Verzögerungen durch Einsprachen und Vergabebeschwerden sind darin nicht berücksichtigt. Verzögerungen im Bewilligungsprozess würden sich damit direkt auf die Terminprognosen auswirken. Die entsprechenden Termin- und Kostenrisiken sind in den Projektrisiken berücksichtigt.

Das Projekt zur Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz ist in folgende Hauptphasen gegliedert: 2022 bis 2025: Vorausmassnahmen Die Vorausmassnahmen, einschliesslich der temporären Verfüllung des verschütteten Bahnstollens, haben zum Ziel, das Risiko zu senken, das von den vorhandenen Munitionsrückständen ausgeht. Zugänge und Notausgänge werden mit Stahlbetonpfropfen und einem Hochdrucktor verschlossen. Die Hohlräume und Klüfte über dem Bahnstollen werden schichtweise mit losem Verfüllmaterial aufgefüllt, damit Felsstürze beim Rückbau der verbleibenden und instabilen Fluh kein Gefahrenmoment mehr bieten.

2026 bis 2030: Schutzmassnahmen und Vorbereitung der Räumung In dieser Phase ist der Bau des Schutztunnels geplant, welcher die Strassenverbindung von Frutigen nach Kandersteg und zum Autoverlad ins Wallis sicherstellt. Die neu errichtete Galerie soll die Lötschberg-Bergstrecke der BLS schützen. Um diese Schutzbauten zu realisieren, müssen erste Häuser bis Ende 2025 verlassen worden sein. Weitere betroffene Bewohnerinnen und Bewohner im Sicherheitsperimeter müssen ihre Häuser bis Ende 2030 verlassen. Ab 2028 beginnt der Rückbau der Fluh.

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Parallel dazu muss die notwendige Infrastruktur für die Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände aufgebaut werden.

2031 bis 2040: Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände Als erster Schritt wird die schützende Felsüberdeckung über dem Bahnstollen abgebaut. Unter Berücksichtigung der Arbeitssicherheit wird die Räumstelle im Bahnstollen mit einer Hallenkonstruktion überdacht, um sie vor der Witterung zu schützen.

Für die eigentliche Räumung der Munitionsrückstände im Bahnstollen rechnet das VBS mit einer Dauer von sechs Jahren. Gleichzeitig erfolgt die fach- und umweltgerechte Entsorgung der Munition.

Ab 2041: Instandsetzung des Geländes und Wiederbesiedlung von Mitholz Sobald die Räumung abgeschlossen ist, werden die Projektinfrastruktur und die Schutzgalerie der Bahn rückgebaut sowie das Gelände wieder instand gesetzt. Damit der Sicherheitsperimeter wieder besiedelt werden kann, sind die erforderlichen Infrastrukturen wie Zufahrtsstrassen, Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen wieder zu erstellen. Die bestehende Ortsdurchfahrt durch Mitholz wird als Teil des untergeordneten Strassennetzes an die Gemeinde Kandergrund abgetreten. Das VBS wird die für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers erworbenen Grundstücke nach Abschluss der Arbeiten unter Beachtung von Vorkaufsrechten wieder veräussern.

3.7

Beurteilung der Projektrisiken

Risikomanagement Angesichts der Grösse und Komplexität des Projekts ist ein wirksames Risikomanagement von grosser Bedeutung. Dieses ist als zentrales Führungsinstrument der Projektsteuerung und -führung verankert. Es ermöglicht, Probleme und Gefahren bei der Umsetzung frühzeitig zu orten, und dient den Verantwortlichen als Grundlage, um rechtzeitig geeignete Massnahmen zur Sicherung des Projekterfolgs zu treffen. Die Abwicklung des projektbezogenen Qualitäts- und Risikomanagements auf Stufe Projekt wird im Risikomanagementplan beschrieben. Darin wird auch das Zusammenspiel mit dem Risikomanagement in den Teilprojekten festgelegt: Das Risikomanagement der Teilprojekte basiert, wenn möglich, auf den etablierten Risikomanagementstrukturen der jeweiligen Verwaltungseinheiten. Es umfasst die teilprojektspezifischen Risiken und Massnahmen (z. B. Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden während des Strassenbaus gewährleisten). Die spezifischen Risikokosten der Teilprojekte sind in diesen eingerechnet. Wesentliche Risiken in den Teilprojekten werden in das Risikomanagement des Projekts aufgenommen. Die Berichterstattung zu Risiken und Massnahmen erfolgt gemäss Ziffer 3.9.

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Standortbezogene Risiken Das VBS kann auf umfangreiche Erfahrungen aus Räumungen von Munitionslagern und Schadenplätzen im Ausland zurückgreifen. Wegen der einmaligen Standortfaktoren weist das Projekt Mitholz dennoch erhebliche Risiken auf, insbesondere weil: ­

Bereiche von Mitholz, die Nationalstrasse sowie die Lötschberg-Bergstrecke der BLS im Gefahrenbereich liegen und somit das Potenzial für eine schwere Schädigung von unbeteiligten Dritten besonders gross ist,

­

weiterhin grosse Unsicherheiten bestehen bezüglich genauer Lage, Zustand und Menge der Munition im verschütteten Bahnstollen; diese Unsicherheit wird erst nach Öffnen des Bahnstollens kleiner ­ voraussichtlich nach 2032,

­

mit der unstabilen Fluh, dem wasserdurchlässigen, karstigen Untergrund und der Grundwassersituation besonders anspruchsvolle geologische und hydrologische Verhältnisse vorherrschen,

­

als Folge von Bränden und Explosionen im Bahnstollen, in den Klüften und teilweise im Schuttkegel vor der Anlage eine erhebliche Belastung durch Schadstoffe, z. B. Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Zink und Antimon, sowie durch Sprengstoffrückstände besteht,

­

in Teilbereichen des Projektperimeters erhebliche Naturgefahren durch Lawinen, Steinschlag, Hochwasser oder Murgänge bestehen und

­

die Arbeiten in engen Platzverhältnissen durchzuführen und zusätzlich mit dem geplanten Ausbau des Lötschberg-Basistunnels abzustimmen sind.

Projektbezogene Risiken Aufgrund der hohen Komplexität des Projekts bestehen Risiken in verschiedenen Kategorien wie beispielsweise Personenrisiken, wirtschaftliche und rechtliche Risiken, technologische und Elementarrisiken sowie gesellschaftliche, politische und ökologische Risiken.

Als Grundlage für die vorliegende Botschaft wurde eine erste Beurteilung der Risiken auf Stufe Projekt vorgenommen12. Die Risiken können zu Zeitverzögerungen und/oder Mehrkosten führen.

12

­

Einsprachen und Beschwerden: Während der militärischen Plangenehmigungsverfahren und im Rahmen von öffentlichen Beschaffungen ist es wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich, dass Einsprachen und Beschwerden zu längeren Verfahren und damit zu Verzögerungen führen.

­

Ressourcen: Es ist möglich bis wahrscheinlich, dass die ungenügende Verfügbarkeit von Material, Geräten und Dienstleistungen sowie qualifiziertem Personal die Realisierung der Schutzbauten und Projektinfrastruktur und/oder der Munitionsräumung und -entsorgung verzögert.

Eintretenswahrscheinlichkeit: sehr unwahrscheinlich ( 1 %), unwahrscheinlich (1 % 2 %), selten (2 % 10 %), möglich (10 % 33 %), wahrscheinlich (33 % bis
50 %), sehr wahrscheinlich (50 % < 100 %).

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­

Extremereignisse durch Naturgefahren: Mögliche Murgänge, Hochwasser, Lawinen oder andere extreme Naturgefahrenereignisse beeinträchtigen die Projektinfrastruktur. Die Schadensbehebung verzögert die Arbeiten und führt zu Mehrkosten.

­

Unfälle: Seltene bis mögliche Personenunfälle mit schweren Verletzungen oder Todesfolge unterbrechen die laufenden Arbeiten für längere Zeit. Zudem können Unfälle zu umfangreicheren Arbeitssicherheitsauflagen oder Haftungsforderungen führen.

­

Materialbewirtschaftung: Es ist möglich, dass im gesamten Baustellenbereich grössere Materialmengen oder stärker verschmutztes Material (Erdreich, Fels) auftreten als erwartet. Dieses Material muss normenkonform behandelt, verwertet oder zur konformen Entsorgung weggeführt werden. Nutzungseinschränkungen und Betriebsausfälle müssen entschädigt werden.

­

Räumung der Munitionsrückstände: Die Bergung der Munitionsrückstände im Bahnstollen und im Schuttkegel ist wegen deren Lage, Verteilung oder Menge schwieriger oder aufwendiger als erwartet. Das Vorgehen bei der Räumung muss grundsätzlich angepasst werden. Aufgrund der konservativen Annahmen in den Risikoanalysen wird das Risiko als unwahrscheinlich eingeschätzt. Diese Einschätzung kann aber zum Zeitpunkt der Botschaftserstellung aufgrund der nicht abgeschlossenen technischen Untersuchungen nicht überprüft werden.

­

Unkontrollierte Explosion: Während des Räumungs- oder Entsorgungsprozesses ereignet sich eine unkontrollierte Explosion. Dieses seltene Ereignis beschädigt die Schutz- und Projektinfrastruktur (z. B. die Überdachung der Räumstelle oder die Entsorgungsanlage) oder verursacht Schäden in einem weiteren Umkreis. Die Schadensbehebung verzögert die Projektarbeiten und führt zu Mehrkosten. Zudem können unkontrollierte Explosionen zu umfangreicheren Sicherheitsauflagen führen.

­

Abbruch der Räumung: Aus technischen oder Sicherheitsgründen kann die Räumung nicht umgesetzt werden, und es wird auf die Option Überdeckung umgeschwenkt. Das Eintreten dieses Risikos wird als unwahrscheinlich bis möglich beurteilt. Je nach Zeitpunkt des Umschwenkens im Projektverlauf kann dies zu Mehrkosten gegenüber der Räumung führen.

­

Teuerung: Es ist wahrscheinlich, dass die effektive Teuerung höher ist als die Teuerungsannahmen gemäss Artikel 6 des Bundesbeschlusses (siehe Ziff. 4) für die Bemessung des Verpflichtungskredits.

Risikomindernde Massnahmen Bei nicht tragbaren Risiken werden risikomindernde Massnahmen festgelegt. Massnahmen können das Vermeiden der Ursache, das Reduzieren der Eintretenswahrscheinlichkeit und der Auswirkung oder das Übertragen des Risikos auf Dritte sein.

Das VBS prüft, in welchem Umfang Risiken durch Versicherungen oder beauftragte

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Firmen abgedeckt werden können. Die vorliegende Botschaft enthält folgende wesentlichen Massnahmen, um Projektrisiken zu mindern: ­

Betroffene Bevölkerung schützen: Mit dem Wegzug der betroffenen Bevölkerung aus dem Sicherheitsperimeter an einen sicheren Ort wird das Risiko einer schweren Schädigung der Bewohnerinnen und Bewohner beseitigt (vgl.

Ziff. 3.8.3).

­

Verkehrsverbindungen aufrechterhalten: Mit den Schutzbauten für Strasse und Bahn wird das Risiko einer schweren Schädigung der Verkehrsteilnehmenden und der Verkehrsinfrastrukturen beseitigt. Zudem wird während der Räumung der Munitionsrückstände die Erreichbarkeit des oberen Kandertals, des Lötschentals sowie allgemein des Kantons Wallis über die LötschbergBergstrecke sichergestellt (vgl. Ziff. 3.8.4). Bis zur Inbetriebnahme des Schutztunnels kann mit der Notumfahrung innert fünf Arbeitstagen die Erreichbarkeit von Kandersteg sichergestellt werden (vgl. Ziff. 3.8.1).

­

Notfallmassnahmen sicherstellen: Zur Gewährleistung der Sicherheit über die gesamte Projektdauer hinweg baut das VBS eine Notfallorganisation auf, welche die Überwachung sicherstellt und bei Bedarf erforderliche Interventionen auslösen kann.

­

Projektinfrastruktur schützen: Die Projektinfrastruktur wird so gebaut, dass sie gegen wahrscheinliche Naturgefahrenereignisse möglichst gut geschützt ist und unkontrollierte Explosionen im Räumungs- und Entsorgungsprozess möglichst nur zu lokal begrenzten Schäden führen.

­

Option Überdeckung planen: Die vorsorgliche Genehmigung der Option Überdeckung im bevorstehenden Plangenehmigungsverfahren soll im Falle eines Abbruchs der Räumung das rasche Umschwenken auf diese Option ermöglichen (vgl. Ziff. 3.8.9).

­

Betroffene einbeziehen: Die Betroffenen werden kontinuierlich informiert.

Mit den Mitwirkungsverfahren wird der Einbezug der Behörden und der Betroffenen sichergestellt. Mit verschiedenen Gremien ist die Abstimmung mit den lokalen Behörden, den Betroffenen sowie weiteren interessierten Kreisen gewährleistet, so z. B. mit der Interessengemeinschaft Mitholz.

­

Erfahrungen nutzen: Interne und externe Fachleute sind in verschiedenen Rollen in die Projektorganisation eingebunden. Zudem wird mit vergleichbaren nationalen und internationalen Projekten und anerkannten Fachleuten ein Austausch gepflegt, um aus deren Erfahrungen zu lernen.

Verschiedene Risiken können nicht vermieden, reduziert oder übertragen werden und müssen durch den Bund getragen werden. So muss er zum Beispiel als Anlageninhaber Massnahmen ergreifen, um die Risiken nach StFV und WSUME zu reduzieren.

Gleichzeitig kann er die finanziellen Risiken, die bei den Räumungsarbeiten auftreten, nicht oder nur begrenzt durch eine Versicherung mindern. In Zusammenarbeit mit der EFV wird eine Marktanalyse zur Versicherbarkeit der Risiken erstellt, mit welcher auch alternative Versicherungsmodelle geprüft werden.

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Projektchancen Neben den beschriebenen Risiken können sich auch Chancen für einen Zeitgewinn oder Minderkosten ergeben ­ allerdings in wesentlich geringerem Umfang: ­

Zeitgewinn durch eine schnellere Räumung zum Beispiel, weil Lage, Menge und Verteilung der Munition vorteilhafter sind als angenommen;

­

Minderkosten für den Bund, weil während des Projekts verarbeitetes Material (Gestein, Wertstoffe) sowie die vom VBS erworbenen Liegenschaften verkauft werden können.

Fazit Die Risikosituation des Projekts widerspiegelt sich im Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers, indem explizit eine Reserve für Projektrisiken vorgesehen ist (vgl. Ziff. 4).

Zum Zeitpunkt der Botschaftserstellung (Stand August 2022) hatte die Planung in den Teilprojekten noch nicht den Reifegrad eines Bauprojekts mit Kostenvoranschlag und einem ausgebauten Risikomanagement. Dementsprechend ist das Risikomanagement noch nicht vollständig etabliert und lückenlos. Der übliche Reifegrad kann für die Schutzbauwerke erst nach Abschluss der Planung gegen Ende 2024 und für die weiteren Massnahmen ab 2031 erreicht werden. Mit dem Kreditbeschluss kann aber nicht bis dahin zugewartet werden. Der Wegzug der durch die Schutzbauten Bahn und Strasse betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner muss bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Es braucht deshalb rasch einen Entscheid zur Finanzierung der Räumung, damit die erforderlichen Liegenschaften rechtzeitig für den Umzug bereitgestellt werden können. Für die Planung, Bewilligung und Realisierung der Ersatzbauten benötigen die Betroffenen mindestens zwei Jahre.

Aus diesem Grund beantragt der Bundesrat dem Parlament bereits zum jetzigen Zeitpunkt einen Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz, im Wissen um die noch grossen Unsicherheiten und Projektrisiken.

3.8

Projektbeschrieb

3.8.1

Bereits realisierte Sofortmassnahmen

Empfehlungen der Fachleute aus der Risikoanalyse Aufgrund der Risikoanalyse 2018 hat das VBS eine Reihe von Sofortmassnahmen umgesetzt: Die Nutzung der Truppenunterkunft wurde eingestellt, das Lager der Armeeapotheke an einen neuen Standort verschoben, und auf die Realisierung eines neuen Rechenzentrums in Mitholz wurde verzichtet. Weiter hat das VBS bauliche Sicherungsmassnahmen getroffen, um den Zugang zur Anlage für Unbefugte zu verhindern.

Im Frühjahr 2019 hat das VBS ein Mess- und Alarmierungssystem in Betrieb genommen, um risikorelevante Veränderungen zu erkennen und bei Bedarf Bevölkerung und Behörden zu alarmieren. Über 60 Sensoren überwachen die Anlage. Fachleute können über ein Portal die aktuellen Messwerte einsehen und werden bei definierten Abwei33 / 60

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chungen sofort alarmiert. Eine direkte Alarmierung der Bevölkerung erfolgt im Einvernehmen mit Kanton und Gemeinde ­ etwa im Fall eines mutmasslichen Brandes in der Anlage ­ bei Überschreiten vordefinierter Temperaturen.

Trotz der nicht akzeptablen Risiken gaben die Fachleute in der Risikoanalyse VBS 2018 keine Empfehlung ab, wonach die Bevölkerung Mitholz unmittelbar verlassen müsste oder die Verkehrsträger gesperrt werden müssten. Mit der Installation des Mess- und Alarmierungssystems können die Risiken besser überwacht sowie bei Bedarf vorsorglich die Evakuierung der Bevölkerung und die Sperrung der Strasse und Bahn ausgelöst werden. Insgesamt bleiben die Risiken aber im nicht akzeptablen Bereich. Dennoch vertritt das VBS die Ansicht, dass es trotz der nach wie vor grossen Unsicherheiten zum heutigen Zeitpunkt nicht verhältnismässig wäre, eine unmittelbare Evakuierung bzw. Umsiedlung der Bevölkerung oder Sperrung der Verkehrsträger ins Auge zu fassen. Auch das BAFU hat bisher keine dahingehenden Empfehlungen ausgesprochen. Um die Bevölkerung und die Verkehrsträger besser zu schützen, soll das Risiko so rasch wie möglich weiter gesenkt werden.

Notumfahrung Um im Falle eines Ereignisses die Verbindung nach Kandersteg sicherzustellen, hat der Kanton Bern zusammen mit der Gemeinde Kandergrund eine vorsorgliche Planung einer einspurigen Notumfahrung erarbeitet und in einer Überbauungsordnung genehmigt. Das ASTRA hat die darin vorgesehenen baulichen Massnahmen im Jahr 2021 vorbereitet. Gemäss der Überbauungsordnung käme ein Vollausbau der Notumfahrung nur bei einem Ereignis zum Tragen und würde innerhalb von fünf Arbeitstagen realisiert.

Notfallplanung Der Kanton Bern hat für den Fall eines Explosionsereignisses eine Notfallplanung erarbeitet ­ dies unter Einbezug der regionalen Behörden und Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes. Zusammen mit Fachleuten des VBS hat das Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern für die betroffene Bevölkerung «Empfehlungen zum richtigen Verhalten» erarbeitet und publiziert. Diese Empfehlungen werden überarbeitet.

3.8.2

Voraus- und Vorbereitungsarbeiten

Angesichts der Risikosituation sollen erste bauliche Massnahmen so rasch wie möglich umgesetzt werden. Dazu plant das VBS, die Notausgänge mit Stahlbetonpfropfen und die heutige Zufahrt mit einem Hochdrucktor zu verschliessen. Dies würde bei einer Explosion verhindern, dass Trümmer aus diesen Portalen geschleudert würden.

Die Massnahmen sollen bis Ende 2024 umgesetzt werden. Sie können das Risiko zwar reduzieren ­ es bleibt gemäss StFV aber weiterhin im nicht akzeptablen Bereich.

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3.8.3

Schutzmassnahmen für die Bevölkerung

Gesundheitsschutz Für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz muss die im Sicherheitsperimeter wohnhafte Bevölkerung ihre Häuser verlassen. Für die Schutzbauten und den Abbau der Fluh entstehen Grossbaustellen. Nutzungseinschränkungen, Lärm und Staub sowie Erschütterungen werden die in Mitholz verbleibenden Menschen unweigerlich betreffen. Über den Sicherheitsperimeter hinaus unterstützt das VBS deshalb weiterhin auch alle Bewohnerinnen und Bewohner des Evakuationsperimeters, wenn diese einen Wegzug wünschen. Die betroffenen Personen wurden im März 2022 entsprechend informiert.

Schutz vor finanziellen Einbussen Bis Ende 2021 hat das VBS die Liegenschaften im Evakuationsperimeter bewerten lassen. Die Bewertung basierte auf einem Schätzerhandbuch, das für die spezifische Situation in Mitholz erstellt wurde. Bei einer unabhängigen Prüfung hat der Hauseigentümerverband des Kantons Bern bestätigt, dass die im Schätzerhandbuch festgelegten Liegenschaftswerte fair sind und dass der bei der Bewertung vorhandene Spielraum zugunsten der Eigentümerschaft genutzt wurde.

Das VBS wird die Liegenschaften gemäss der «Strategie Erwerb Liegenschaften» erwerben und die Betroffenen entschädigen. Die Strategie wurde mit der EFV und der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) sowie mit kantonalen Fachstellen abgestimmt. Alle Eigentümerinnen und Eigentümer sowie die betroffene Mieterschaft erhalten eine Inkonvenienz-Entschädigung. Den Eigentümerinnen und Eigentümern von selbstbewohnten Liegenschaften im Evakuationsperimeter gewährt das VBS zusätzlich zum Schätzwert der Liegenschaft einen Zuschlag zum Landwert und zum Objektwert. Die betroffenen Personen sollen damit eine vergleichbare Ersatzliegenschaft in der Gemeinde Kandergrund oder den umliegenden Gemeinden erwerben können. Das Ziel sind einvernehmliche Lösungen. Als letztmögliche Massnahme für die Umsiedlung und zur Realisierung der erforderlichen Infrastrukturen wird das Enteignungsrecht in Anspruch genommen (gemäss Art. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung, EntG; SR 711 und Art. 126a Abs. 2 des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995, MG; SR 510.10).

Bis Mitte September 2022 konnten bereits zwölf Liegenschaften erworben werden, und für acht weitere besteht eine grundsätzliche Einigung über den Erwerb.

Grundstückgewinnsteuer Der
Verkauf der Liegenschaften in Mitholz unterliegt der Grundstückgewinnsteuer (vgl. Art. 12 des Steuerharmonisierungsgesetzes vom 14. Dezember 1990, StHG; SR 642.14 und Art. 126­147 des Bernischen Steuergesetzes vom 21. Mai 2000, StG; BSG 661.11). Nach Auffassung der ESTV und der kantonalen Steuerverwaltung ist auch für den Spezialfall Mitholz keine Ausnahme von diesem Grundsatz möglich. Die Steuer wird bei selbstgenutzten Liegenschaften jedoch aufgeschoben, wenn die Eigentümerschaft den erzielten Erlös innert angemessener Frist dafür verwendet, eine gleichgenutzte Ersatzliegenschaft in der Schweiz zu erwerben oder zu bauen. Erst bei

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einer späteren Veräusserung dieser Ersatzliegenschaft ist die Grundstückgewinnsteuer durch die Eigentümerschaft geschuldet.

Das VBS entschädigt die Eigentümerinnen und Eigentümer so, dass sie mit dem Erlös aus Mitholz eine gleichwertige Ersatzliegenschaft in der Region kaufen können. Sollte ein Teil des Erlöses als Grundstückgewinnsteuer geschuldet sein, kann dieses Ziel teilweise nicht mehr erreicht werden. Deshalb hat Grossrat Ernst Wandfluh am 7. März 2022 die kantonale Motion «Keine Bereicherung des Kantons auf Kosten der Mitholzer Bevölkerung» eingereicht. Das VBS und der Kanton Bern erarbeiten hierzu eine konkrete Lösung.

Teil-Ortsplanungsrevision Kandergrund Als raumplanerische Grundlage für die Umsiedlung und Wiederansiedlung der betroffenen Bevölkerung werden in der Gemeinde Kandergrund im Rahmen der TeilOrtsplanungsrevision die «Sonderzone Mitholz» und die «Besitzstandszone Mitholz» geschaffen.

Die Sonderzone Mitholz dient der Umsiedlung der Personen, die den Sicherheitsperimeter zwingend verlassen müssen oder für die ein weiterer Verbleib in Mitholz unzumutbar ist.

Für die Errichtung der erforderlichen Schutzbauten, Infrastrukturen oder wegen Terrainmodellierungen werden verschiedene Gebäude abgebrochen werden müssen.

Weitere Gebäude werden abzubrechen sein, weil deren Weiterbetrieb und Unterhalt aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll ist. Um den Besitzstand dieser Gebäude zu wahren, wird mit der Teil-Ortsplanungsrevision eine «Besitzstandszone Mitholz» geschaffen. Diese bezweckt, Mitholz als Streusiedlung wieder zu besiedeln. Bauten und Anlagen, die als Folge von Räumungsarbeiten oder Schutzmassnahmen abgebrochen werden müssen, können nach Abschluss der Räumungsarbeiten während einer bestimmten Zeit am gleichen Standort oder in der näheren Umgebung wieder aufgebaut werden ­ unter der Voraussetzung, dass keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen.

Zukünftige Anpassungen der bau- und raumplanungsrechtlichen Grundlagen könnten die spätere Wiedererrichtung von heute legalen Bauten erschweren, die im Verlauf des Räumungsprojekts abgebrochen werden müssen. Damit die Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit gewahrt sind, kann aus Sicht des Bundes in der Ortsplanung von Kandergrund festgehalten werden, dass zukünftige Baugesuche für die Wiedererrichtung
solcher abgebrochenen Bauten (z. B. bei Nutzung des Grundstücks für temporäre Infrastruktur zur Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände) im Sinne der Besitzstandsgarantie gleich beurteilt werden wie Baugesuche für Ersatzneubauten für noch existierende Gebäude. Als Basis für die Beurteilung dient das Gebäudeinventar, welches das VBS im Jahr 2021 erstellt hat.

Unterstützung der Bevölkerung, des Gewerbes und der Landwirtschaft In Zusammenarbeit mit den Fachstellen des Kantons wird das VBS die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner in verschiedenen Lebensbereichen bedarfsgerecht unterstützen. Betroffene Gewerbebetriebe werden in ihrer betrieblichen und finanziellen Planung ebenfalls unterstützt.

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Im gesamten Projektperimeter werden gemeinsam mit der zuständigen kantonalen Fachstelle INFORAMA Betriebskonzepte für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe erstellt. Es gilt, die Rahmenbedingungen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung im Evakuationsperimeter zu definieren. Die betroffenen Betriebe werden fachlich und finanziell unterstützt. Das VBS ist bestrebt, Ersatzflächen ausserhalb des Evakuationsperimeters bereitzustellen und damit Betriebsausfälle auszugleichen. Es wird bei Bedarf die erforderlichen Realersatzflächen erwerben und bereitstellen.

3.8.4

Schutzmassnahmen für Nationalstrasse und Bahn

Schutztunnel Strasse Die Verbindung Spiez ­ Frutigen ­ Kandersteg gilt seit dem 1. Januar 2020 als Nationalstrasse 3. Klasse und ist somit Teil des Nationalstrassennetzes. Damit ist das ASTRA als Betreiber der Nationalstrasse N06 verantwortlich, die Verfügbarkeit dieser Strassenverbindung jederzeit sicherzustellen. Gemäss der Risikoanalyse VBS 2022 muss die Nationalstrasse während der Räumung des ehemaligen Munitions- lagers vor den Auswirkungen einer Explosion geschützt werden.

Der Bundesrat hat am 4. Dezember 2020 beschlossen, dass die nördliche Verlängerung des bestehenden Lawinenschutztunnels Mitholz weiterverfolgt werden soll. In einem weiteren Schritt hat das ASTRA die Linienführung im Auftrag des VBS optimiert. Insgesamt wurden zwölf Varianten erarbeitet und bewertet. Die Varianten wurden anhand der sogenannten Nachhaltigkeitsindikatoren für Strasseninfrastrukturprojekte (NISTRA) beurteilt. Diese berücksichtigen gleichwertig die Nachhaltigkeitsdimensionen «Gesellschaft», «Wirtschaft» und «Umwelt».

Die vorgeschlagene Variante mit der Linienführung östlich des Bahnhofs BlauseeMitholz hat sowohl in der Beurteilung als auch in der Sensitivitätsanalyse am besten abgeschnitten. Sie zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass das besiedelte Gebiet der Streusiedlung Mitholz am wenigsten betroffen ist. Diese Linienführung fügt sich am besten in das bestehende Natur- und Landschaftsbild ein. Der Bereich vor dem ehemaligen Munitionslager muss für die Räumung ohnehin schichtweise abgetragen werden. Mit der vorgeschlagenen Linienführung und einer zeitlichen Staffelung der Flächenbelegungen durch das Projekt kann der Baustellenbereich so klein wie möglich gehalten werden. Zusätzlich kann ein wesentlicher Teil des Schutztunnels mit einer bergmännischen Tunnelbauweise realisiert werden. Mit dem teilweisen Untertagbau können die Flächenbeanspruchung sowie die Emissionen durch die Baustelle massgeblich reduziert werden.

Der Schutztunnel Strasse gliedert sich von Süden nach Norden in die nachstehenden Abschnitte: Das Nordportal des bestehenden Lawinenschutztunnels muss für die normenkonforme Ausgestaltung auf einer Länge von rund 85 Metern abgebrochen und neu gebaut werden. Aus lüftungstechnischen Gründen muss der neue Schutztunnel als eigenständiges Tunnelbauwerk unabhängig vom bestehenden Lawinenschutztunnel
konzipiert werden. Deshalb wird der Übergang vom bestehenden Lawinenschutztunnel in den neuen Schutztunnel auf einer Länge von mindestens 250 Metern als einseitig offene Galerie ausgestaltet. Mit der weiteren Planung wird geprüft, inwiefern der Übergang zwischen den beiden Tunnelbauwerken optimiert oder nach Abschluss der 37 / 60

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Räumung angepasst werden kann. Die Emissionen aus den Galerie- und Portalbereichen sollen maximal reduziert werden. Nach der Galerie folgt auf einer Länge von 290 Metern ein Tagbautunnel. Zur Minderung der Risiken während der Bauzeit wird der Schutztunnel im Gefahrenbereich vor dem ehemaligen Munitionslager in einer angepassten Bauweise erstellt. Die nordseitige Hälfte des Schutztunnels kann mit einem bergmännischen Tunnelvortrieb durch den felsigen Untergrund gebaut werden.

Das Nordportal des neuen Schutztunnels bildet schliesslich den Anschluss an die bestehende Nationalstrasse.

Der neue Schutztunnel ist Bestandteil der Nationalstrasse. Er wird vom ASTRA betrieben werden. Artikel 8a Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 8. März 1960 über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11) sieht vor, dass bestehende Nationalstrassen ins Eigentum des Kantons übergehen, wenn sie durch eine neue Linienführung ersetzt werden. Im vorliegenden Fall wird nach Abschluss der Räumungsarbeiten die Ortsdurchfahrt durch den Bund instand gesetzt und an die zukünftigen Bedürfnisse angepasst. In Absprache mit dem Tiefbauamt des Kantons Bern gehen das Eigentum und die Zuständigkeit für die Ortsdurchfahrt nach Ende der Räumungsarbeiten direkt an die Gemeinde Kandergrund. Bis zum Abschluss der Räumungsarbeiten (ca. 2040) bleibt der Bund für die Ortsdurchfahrt zuständig. Der Betrieb und Unterhalt sowie die baulichen Anpassungen an die zukünftigen Bedürfnisse der Ortsdurchfahrt sind entsprechend Sache des Bundes. Die Finanzierung des Betriebs und Unterhalts sowie der baulichen Anpassungen erfolgt über das Räumungsprojekt Mitholz.

Schutzgalerie Bahn Gemäss Risikoanalyse VBS 2022 ist die Lötschberg-Bergstrecke der BLS während der Räumung des ehemaligen Munitionslagers vor den Auswirkungen einer Explosion zu schützen, da die Risiken nicht tragbar sind. Ohne Schutzmassnahmen müsste der Personenverkehr auf der Bergstrecke bis zum Abschluss der Räumungsarbeiten während rund zehn Jahren eingestellt und durch Busfahrten ersetzt werden. Zudem hilft die Schutzgalerie, die Bahnstrecke nach einem allfälligen Ereignis offen zu halten.

Im Fokus liegt das Teilstück der Bahn, das durch den Sicherheitsperimeter führt. Im Fall einer Explosion soll eine einseitig geschlossene Stahlbetongalerie die Strecke vor Trümmern schützen. Die geplante Galerie
erstreckt sich von der Rotbachquerung beim Bahnhof Blausee-Mitholz bis zur Abzweigung der Gleisanschlüsse zum Steinbruch Mitholz. Der Bahndamm wird für die Errichtung des Galeriebauwerks stellenweise verbreitert. Als zusätzlicher Schutz werden die dem ehemaligen Munitionslager zugewandte Galeriewand und die Decke mit einem energieabsorbierenden Trümmerschutz ausgestattet. Die Galerie muss im zentralen Bereich unmittelbar vor dem ehemaligen Munitionslager den Schutz vor Trümmern bis zum Gewicht von 3000 Kilogramm gewährleisten. Für die dem ehemaligen Munitionslager abgewandten Bereiche der Schutzgalerie wird das Schutzziel halbiert. Die Dimensionen der Galerie werden so gering wie möglich gehalten: in der Höhe, indem die Stromversorgung mit einer platzsparenden Deckenstromschiene realisiert wird, in der Länge durch zusätzliche organisatorische und technische Massnahmen, um durch eine rechtzeitige Alarmierung zu vermeiden, dass ein Zug auf eine mögliche Schadenstelle oder auf Trümmer im ungeschützten Gleisbereich auffährt.

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Die Planung umfasst den Bau, den Betrieb während der Nutzungsdauer sowie den Rückbau der Bahngalerie nach Abschluss der Räumung. Sowohl der Bau als auch der Rückbau der Galerie sollen unter laufendem Bahnbetrieb erfolgen. Die gesamten Kosten für Bau, Betrieb und Rückbau der Bahngalerie sind im Verpflichtungskredit Mitholz eingerechnet.

3.8.5

Abbau der Fluh und Geländemodellierungen

Die Fluh über dem verschütteten Bahnstollen ist einsturzgefährdet. Um die Arbeitssicherheit zu gewährleisten, muss sie vor der Räumung abgebaut werden. Geplant ist ein offenes, schichtweises Verfahren ­ ähnlich einem Steinbruch. Die geologische und topografische Situation ist dabei eine besondere Herausforderung: Durch die Folgen des Explosionsunglücks 1947 ist die Fluh stark zerklüftet und instabil. Die Felsstruktur mit einer überhängenden «Nase» und den instabilen Felsformationen «Dreispitz» und «Zweispitz» stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.

Abbildung 3.8.5.1 Ansicht der Fluh mit den Felsformationen «Nase», «Dreispitz» und «Zweispitz»

Für den Abbau muss der Bereich über der Fluh mit besonderen Massnahmen erschlossen werden. Die Arbeiten werden Lärm, Staub und Erschütterungen verursachen. Zusätzlich braucht es besondere Massnahmen für die Sicherheit.

Das Projekt erfordert Anpassungen der bestehenden Terraingestaltung und der Bachläufe. Letztere werden an die neuen Terrainhöhen angepasst. Naturgefahren vor Ort wie Lawinen, Felsstürze, Hangrutschungen, Wassergefahren oder Murgänge gilt es bei der Planung zur Räumung der Munitionsrückstände zu berücksichtigen. Dazu sind 39 / 60

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die Gefahrenkarten im Evakuationsperimeter zu aktualisieren. Für wasserbauliche Massnahmen gelten die Vorgaben für Projekte gemäss dem Bericht «Hochwasser 2011 ­ Lokale, lösungsorientierte Ereignisanalyse (LLE) Kandertal» des Tiefbauamts des Kantons Bern vom März 2014, die nötigenfalls ergänzt werden. Die Schutzziele gegenüber Naturgefahren und das akzeptierbare Risiko sind zu definieren. Bei zu hoher Gefahr gilt es, planerische, bauliche, technische und organisatorische Massnahmen optimal zu kombinieren. Die Planung wird hinsichtlich der Naturgefahren eng zwischen dem VBS, dem BAFU und den Umweltfachstellen des Kantons Bern sowie mit externen Fachleuten abgestimmt.

Unverschmutztes Abbaumaterial wird vor Ort für spätere Terrainmodellierungen zwischengelagert. Sofern technisch und wirtschaftlich sinnvoll, wird hochwertiges Abbaumaterial wiederverwendet. Überschüssiges Material wird im Steinbruch eingelagert. Ein umfassender Materialbewirtschaftungsprozess wird für den sicheren und korrekten Umgang mit Abbaumaterial sorgen. Für die Materiallogistik strebt das VBS eine gute Anbindung an die bestehenden Gleisanschlüsse an.

3.8.6

Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände

Parallel zu den Vorausmassnahmen und Vorbereitungsarbeiten werden die Räumflächen im Evakuationsperimeter mit Detektoren untersucht und identifizierte Munitionsrückstände geräumt. Für die Arbeitssicherheit auf den späteren Baustellen werden im gesamten Baustellenbereich die Oberflächen detektiert, das Bodenmaterial schichtweise abgetragen und triagiert. In dieser Phase rechnet man nicht mit grossen Munitionsmengen. Die geborgenen Munitionsrückstände wird das Kommando KAMIR in einem Sprengbunker oder mit mobilen Einrichtungen vor Ort vernichten oder in eine geeignete Entsorgungseinrichtung transportieren. Für effiziente Räumungs- und Entsorgungsprozesse wird es Zwischen- und Pufferlager brauchen, wobei die aktuellen Lagerungsvorschriften gelten werden.

Bei einem erheblichen Teil der Munitionsrückstände dürfte es sich um Explosionsschrott handeln, der keine grosse Explosionsgefahr mehr darstellt. Für die Bemessung der Räumung und der Entsorgungsanlage geht das VBS von einer umsetzungsfähigen Munitionsmenge von rund 1500 Bruttotonnen aus.

Das Schuttmaterial im verschütteten Bahnstollen wird mit geschützten und gehärteten Baumaschinen und Geräten geborgen. Bei grosser Gefährdung kommen ferngesteuerte Manipulatoren und Baumaschinen zum Einsatz. Das Schuttmaterial wird in speziellen Transportbehältnissen bereitgestellt und wegtransportiert.

Für die weitere Verarbeitung wird das Schuttmaterial triagiert. Transportsichere Munitionsrückstände werden direkt für die Entsorgung bereitgestellt. Handhabungs- sichere Munitionsrückstände müssen in einer Trennanlage bearbeitet werden, wobei die Zünder von den Wirkteilen (Munitionsteile mit Explosivstoffen) abgetrennt werden.

Nach der Trennung können die Wirkteile mit der transportsicheren Munition der Entsorgung zugeführt werden. Die Zünder werden aus Sicherheitsgründen vor Ort vernichtet.

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Für die Räumung wird mit einem internen und externen Personalbestand von 16 Personen gerechnet. Mobile Schutzmassnahmen werden die einzelnen Räumbereiche sichern. Aus Sicherheitsgründen kann trotzdem nicht beliebig viel Personal eingesetzt werden, weil zwischen den Räumbereichen die erforderlichen Sicherheitsabstände einzuhalten sind. Für die Räumung des verschütteten Bahnstollens rechnet das VBS mit sechs Jahren. Zur Verkürzung der Räumungsdauer und zur Reduktion der Personenrisiken im Räumbereich wird ein gestaffelter Schichteinsatz geplant. Die Räumung orientiert sich an den international gebräuchlichen Standards, Richtlinien und Reglementen für die Kampfmittelräumung.

Für die Entsorgung wird überprüft, ob die Munition vollständig vor Ort vernichtet oder ob transportsichere Munition in eine geeignete Entsorgungseinrichtung im Inoder Ausland transportiert werden soll. Für die Entsorgung in der Schweiz steht die Anlage der RUAG in Altdorf (UR) im Vordergrund.

Für die Vernichtung von nicht transportsicherer Munition und der Zünder muss vor Ort eine Munitionsverbrennungsanlage eingerichtet und betrieben werden. Zur Vernichtung der vorhandenen Munitionssorten wird die Anlage auf eine Menge von zwei Kilogramm TNT-Äquivalent (qTNT) ausgelegt. Dies erlaubt im Einschichtbetrieb die Vernichtung von rund 100 Kilogramm qTNT pro Tag. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wird die Munitionsentsorgung auf diese wahrscheinliche Menge dimensioniert. Sollte dennoch eine grössere Munitionsmenge zur Entsorgung anfallen, kann der Entsorgungsprozess ausgeweitet (z. B. längere Betriebszeit), die Kapazität mit einem zweiten Ofen ausgebaut oder ein Teil der transportfähigen Munition zur Entsorgung in eine geeignete Entsorgungseinrichtung im In- oder Ausland transportiert werden.

Um sie weiter verarbeiten zu können, müssen grosse Munitionsrückstände mit speziellen Schneideverfahren aufgetrennt werden. Alternativ wird der Sprengstoff ausgewaschen und dient im Entsorgungsofen weiter als Brennstoff. Loser Schutt und Bruchstücke mit Munitionsüberresten werden bei Bedarf in einer Trommelanlage zerkleinert und in einer Metalltrennanlage triagiert. Metallische Munitionsrückstände werden aus Sicherheitsgründen in einem Ofen thermisch behandelt, bevor sie dem Stoffkreislauf als Metallschrott zugeführt werden können.

Der Explosionsschutt
wird ebenfalls triagiert. Munitionsrückstände werden für die Entsorgung ausgeschieden. Das Abbaumaterial wird auf Schadstoffbelastungen untersucht und wenn nötig gewaschen. Unbelastetes oder gesäubertes Material wird zwischengelagert und zur Terrainmodellierung wiederverwendet.

3.8.7

Bau der Projektinfrastruktur

Die Projektinfrastruktur umfasst die Räumungs- und Entsorgungsinfrastruktur für die Triage, Verarbeitung und Entsorgung des Räummaterials bis zur Verwertung oder zum Abtransport. Der gesamte Anlageperimeter muss vor dem Zutritt unberechtigter Personen geschützt werden ­ er wird zu diesem Zweck vollständig umzäunt. Eine Loge wird für die Zutrittskontrolle verantwortlich sein. Für die Notfallorganisation ist ein Betriebsgebäude geplant. Zur Baustelleninfrastruktur gehören zudem Garderoben, Baubüros, Sanitärräume, Labore, Werkstätten, Lager und Depots.

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Der Anlageperimeter wird mit einer neuen Zufahrtstrasse erschlossen. Die Zufahrt erfolgt von Süden her über die bestehende Umfahrungsstrasse des Lawinenschutztunnels. Für die Zufahrt werden ­ soweit möglich und sinnvoll ­ bestehende Wege ausgebaut. Neben einer allgemeinen Projektinfrastruktur braucht es Installationen für die Ver- und Entsorgung (z. B. Energiespeicher wie Gastanks oder Abwasserbehandlungsanlagen). Wegen des erwarteten öffentlichen Interesses plant das VBS in sicherer Entfernung zur Räumstelle einen Besucherpavillon.

Das VBS will verhindern, dass Schadstoffe aus dem verschütteten Bahnstollen durch Regenwasser ausgewaschen werden und in die Umwelt gelangen. Deshalb ist der Bau einer Halle geplant. Diese sogenannte Einhausung der Räumstelle erlaubt es, die Arbeitsbedingungen für die Räumung zu optimieren und den Räumungsprozess unabhängig von äusseren Einflüssen zu steuern. Die Arbeitssicherheit für das Räumungspersonal hat dabei oberste Priorität.

Bei der Planung und Realisierung der Projektinfrastruktur ist auf einen haushälterischen Umgang mit dem Boden gemäss Artikel 1 RPG zu achten. Nach Abschluss der Räumung wird die nicht mehr benötigte Infrastruktur zurückgebaut.

3.8.8

Instandsetzung und Wiederbesiedlung

Bei Mitholz handelt es sich um eine klassische Streusiedlung. Im Evakuationsperimeter befinden sich über 160 Grundstücke, wovon nur gerade zwölf in einer Bauzone liegen. Alle weiteren Grundstücke liegen in der Landwirtschaftszone. Mit dem Kauf der Liegenschaften gewährt das VBS den heutigen Eigentümerinnen und Eigentümern auf Wunsch ein Vorkaufsrecht, damit sie ihre Liegenschaften nach Abschluss der Räumung wieder erwerben können. Dies schafft Rechtssicherheit für die Wiederbesiedlung und die Wiedererstellung der Häuser; für viele der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer ist dies die Voraussetzung dafür, dass sie dem Verkauf ihrer Liegenschaften zustimmen.

Die Voraussetzungen für die spätere Wiederbesiedlung werden mit der Teil-Ortsplanungsrevision Kandergrund geschaffen.

Die Infrastrukturen für die Erschliessung sowie die Ver- und Entsorgung des Sicherheitsperimeters müssen nach Abschluss der Räumung für die Wiederbesiedlung wiederhergestellt und bei Bedarf angepasst werden. Die erforderlichen Massnahmen wird das VBS zu einem späteren Zeitpunkt planen.

3.8.9

Option Überdeckung

Das Räumung der Munitionsrückstände erfolgt gemäss den allgemein gültigen internationalen Standards zur Räumung von Kampfmitteln und mit Einsatz aller verfügbaren Hilfsmittel (z. B. ferngesteuerte Geräte). Als Rückfallposition wird die Option Überdeckung geplant. Sie kommt dann zum Zug, wenn die Räumung technisch oder aus Sicherheitsgründen nicht umgesetzt oder nicht weiterverfolgt werden kann. Oder wenn sich im Verlauf des Projekts herausstellt, dass die schädlichen Auswirkungen 42 / 60

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der Räumung grösser sind als deren Nutzen (z. B. wenn schwere Umweltschäden zu befürchten wären). Es handelt sich um eine vorsorgliche Planung, um Risiken zu reduzieren und die Reaktionszeiten bei einem allfälligen Abbruch der Räumung zu verkürzen. Damit das VBS auch bei kritischen Entwicklungen jederzeit handlungsfähig bleibt, soll die Option Überdeckung als Teil des bevorstehenden Plangenehmigungsverfahrens und des vorliegenden Kreditbeschlusses vorsorglich genehmigt werden.

Den Entscheid, auf die Option Überdeckung umzuschwenken und auf die weitere Räumung zu verzichten, müsste der Bundesrat aber dannzumal nach Anhörung der Kantone Bern und Wallis und der interessierten Kreise mit einem separaten Beschluss fällen. Kein ausreichender Grund für den Abbruch der Räumung und den Wechsel auf die Überdeckung wären hingegen Unfälle während der Räumungsarbeiten. Bei komplexen Tiefbauprojekten können Baustellenunfälle nicht ausgeschlossen werden.

Das Konzept zur Überdeckung berücksichtigt den heutigen Kenntnisstand. Es muss im weiteren Projektverlauf neu beurteilt und geplant werden. Dazugewonnene Erkenntnisse wie die tatsächliche Munitionsmenge sowie geologische oder hydrologische Verhältnisse können zu einer Anpassung des Konzepts führen ­ etwa was die Höhe der Überdeckung betrifft.

Wegen der offenen Klüfte wäre die Verfüllung der Hohlräume eine Voraussetzung der Option. Für die Überdeckung würde der Schuttkegel vor der Fluh mit zusätzlichem Lockergestein überschüttet. Für die südlichen Sektoren des verschütteten Bahnstollens, wo die grössten Munitionsmengen vermutet werden, müsste die Überdeckung bis zu 40 Meter hoch sein. Während der Aufschüttung würde das Umfeld laufend auf ein allmähliches Absenken des Bodens überwacht. Die zusätzliche Last der Überschüttung könnte Setzungen bis zur geplanten Achse des Strassentunnels verursachen, was jedoch bei der Planung des Strassentunnels berücksichtigt wird. Das Oberflächenwasser würde gefasst und seitlich abgeleitet, um den Wassereintrag zu verhindern. Der Unterlauf des Stegenbach würde umgeleitet, wobei der Geschiebesammler auf das erforderliche Volumen vergrössert würde. Nach Abschluss der Überdeckung würde das Gelände renaturiert. Die gesamte Projektinfrastruktur und die Schutzgalerie der Bahn würden schliesslich zurückgebaut.

3.9

Berichterstattung

Das Projekt Mitholz wird aufgrund seines Ressourcenbedarfs, seiner Komplexität und des grossen Risikopotenzials als «Top-Projekt VBS» geführt. Dies bedeutet, dass die Departementsleitung des VBS mindestens halbjährlich über den Stand und die Entwicklung orientiert wird und ­ falls angezeigt ­ Handlungsrichtlinien für die weitere Bearbeitung erlässt.

Die Berichterstattung an den Steuerungsausschuss als Aufsichtsorgan des Projekts wird im Projektmanagementplan sowie im Risikomanagementplan beschrieben.

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3.10

Aufsicht und Zuständigkeiten

Die zuständigen parlamentarischen Kommissionen werden regelmässig durch das VBS über das Projekt informiert. Für die periodische Anpassung der Rückstellungen (z. B. Anpassung an die Kostenentwicklung) wird der Bundesrat die notwendigen Kreditanträge im Rahmen der Nachtragsbotschaften an das Parlament stellen.

Der Bundesrat setzt den Beschluss des Parlaments zur Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz um und ist für den gesamten Vollzug des Auftrags verantwortlich. Er gibt die zweite Kredittranche sowie die Reserven für Projektrisiken und teuerungsbedingte Mehrkosten auf Antrag des VBS frei.

Das VBS setzt den Auftrag des Bundesrates um und definiert die zentralen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für die Steuerung des Projekts. Es verantwortet die Aufsicht über das Projekt und die ordentliche Verwendung der freigegebenen Kredittranchen sowie deren Bewirtschaftung. Das VBS beantragt beim Bundesrat die Freigabe der zweiten Kredittranche und der Reserve für Projektrisiken.

Das Generalsekretariat VBS stellt die Führung des Projekts sicher. Es definiert die Vorgaben für die Projektführung und die Ausführung in den Teilprojekten in einem Projektmanagementplan. Es verantwortet die sorgfältige Planung und Realisierung des Projekts. Es stellt die Bewirtschaftung der freigegebenen Kredittranchen sicher und verantwortet den wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz der Mittel. Das Generalsekretariat stellt die Steuerung der Projektumsetzung durch die beteiligten Verwaltungseinheiten sicher. Es überwacht die auftragsgemässe Ausführung der Teilprojekte.

Die beteiligten Verwaltungseinheiten (z. B. ASTRA, Armasuisse) stellen die Ausführung der Teilprojekte in ihren Zuständigkeitsbereichen gemäss den definierten Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sicher. Aus Effizienzgründen und zur Vermeidung von Abwicklungsrisiken werden für die Ausführung der Teilprojekte möglichst die etablierten Rollen- und Prozessmodelle sowie die Managementsysteme der beteiligten Veraltungseinheiten genutzt. Diese bewirtschaften die Kredite für die Ausführung der Teilprojekte gemäss ihren etablierten Prozessen und internen Kontrollsystemen.

4

Inhalt des Kreditbeschlusses

4.1

Antrag des Bundesrates und Begründung

Mit der vorliegenden Botschaft beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Räten einen Verpflichtungskredit in der Höhe von 2,59 Milliarden Franken für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz. Der Verpflichtungskredit gliedert sich in zwei Tranchen. Er enthält auch Reserven für Projektrisiken und die erwartete Teuerung.

Mit der ersten Tranche sollen die Voraus- und Schutzmassnahmen sowie die Vorbereitung der Räumung ab dem 1. Januar 2023 finanziert werden. Die zweite Tranche dient der Finanzierung der Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände sowie der Instandsetzung des Geländes und der Wiederbesiedlung von Mitholz.

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Es wird beantragt, dass die Bundesversammlung die erste Tranche mit der Verabschiedung des Bundesbeschlusses freigibt. Über die Freigabe der zweiten Tranche sowie die Auflösung der Reserve für Projektrisiken soll der Bundesrat entsprechend dem Projektfortschritt entscheiden.

Begründung Das von den Munitionsrückständen ausgehende Risiko liegt gemäss den Beurteilungskriterien der StFV und der WSUME im nicht akzeptablen Bereich. Als Eigentümer des ehemaligen Munitionslagers Mitholz ist der Bund gemäss der StFV verpflichtet, Sicherheitsmassnahmen zur Senkung der Risiken umsetzen. Er muss alle zur Verminderung des Risikos geeigneten Massnahmen treffen, die nach dem Stand der Sicherheitstechnik verfügbar, aufgrund seiner Erfahrung ergänzt und wirtschaftlich tragbar sind (Art. 3 Abs. 1 StFV).

Das Potenzial für schwere Schädigungen liegt in Mitholz insbesondere bei der Bevölkerung sowie beim Personenverkehr mit der Bahn. Aufgrund der generellen Schadenminimierungspflicht des Bundes müssen die Risiken vor Beginn der Arbeiten an den vermuteten Munitionsnestern auf ein akzeptables Mass gesenkt werden. Mit den geplanten Voraus- und Vorbereitungsarbeiten, dem Wegzug der Bevölkerung aus dem Sicherheitsperimeter sowie mit den Schutzbauten für Bahn und Strasse wird das Risiko für die Bevölkerung und die Verkehrsteilnehmenden für die Durchführung der Räumung gemäss den Kriterien der StFV und der WSUME in den akzeptablen Bereich gesenkt.

Beim Verzicht auf einzelne Massnahmen (z. B. Verzicht auf die Schutzgalerie für die Bahn) müssten im Ereignisfall Opfer im betroffenen Bereich bewusst in Kauf genommen werden, was aus Sicht des Bundesrates aus moralischen Gründen nicht verantwortbar ist.

Mit der Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz will der Bundesrat die von den Munitionsrückständen ausgehende Gefahr definitiv beseitigen und nicht auf spätere Generationen übertragen. Sollte die Räumung technisch oder aus Sicherheitsgründen nicht umgesetzt oder nicht weiterverfolgt werden können, will der Bundesrat das von der Munition ausgehende Risiko mit einer Überdeckung reduzieren, welche als Rückfallebene geplant wird.

Der Bund als Eigentümer der Anlage ist gestützt auf die Störfallverordnung verpflichtet, mit geeigneten Schutzmassnahmen das Gefahrenpotenzial in Mitholz zu reduzieren. Aufgrund der generellen
Schadenminimierungspflicht sind die Massnahmen so zu planen, dass eine Schädigung von Dritten vermieden werden kann. Mit dem Einsatz von ferngesteuerten Geräten oder Robotern kann das Risiko für das Räumungspersonal reduziert werden. Zusätzlich wird die Gefährdung für die Umgebung mit passiven Schutzmassnahmen (z. B. Splitterschutz) bestmöglich begrenzt. Zum Schutz der Bevölkerung sind bei der Arbeit an den Munitionsrückständen die Sicherheitsabstände gemäss den geltenden Weisungen und Reglementen einzuhalten. Ausgehend von den vorhandenen Munitionsarten stellt die unkontrollierte Explosion einer 15cm-Langgranate das gefährlichste Einzelereignis dar. Der Sicherheitsperimeter deckt die erforderlichen Sicherheitsabstände ab. Die vermutete Menge von bis zu 3500 Bruttotonnen Munitionsrückständen kann mit organisatorischen Schutzmassnahmen wie temporären Evakuierungen oder Sperrungen der Strasse und Bahn nicht 45 / 60

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bewältigt werden, vor allem auch aus Gründen eines effizienten und flexiblen Räumungsablaufes sowie der erwarteten Emissionen. Aus diesen Gründen sind der Wegzug der Bevölkerung aus dem Sicherheitsperimeter sowie die Realisierung der Schutzbauten für Bahn und Strasse nicht zuletzt wegen der Schadenminimierungsund Sorgfaltspflicht des Bundes unumgänglich.

Nach heutigem Kenntnisstand besteht aus altlastenrechtlicher Sicht keine Pflicht, das ehemalige Munitionslager Mitholz zu sanieren. Gemäss Kataster der belasteten Standorte des VBS ist der Standort des ehemaligen Munitionslagers als überwachungsbedürftig eingestuft. In den Grundwasserproben werden bisher unbedenkliche Schadstoffkonzentrationen für Schwermetalle und Sprengstoffrückstände gemessen. Das von den Munitionsrückständen ausgehende Schadstoffpotenzial ist gross und die geologischen sowie hydrologischen Verhältnisse sind sehr komplex. Mit der Entfernung der Munitionsrückstände und der Behandlung des Ausbruchs und Aushubmaterials sowie des Bodens wird das Schadstoffpotenzial beseitigt, weshalb die Räumung auch aufgrund der Altlastensituation als sinnvolle Massnahme betrachtet werden kann.

Mit dem Gesamtkonzept Räumung wird der Gesamtablauf bis zur umfassenden Räumung der Munitionsrückstände als Einheit geplant. Die Hauptphasen mit den einzelnen Massnahmen sind integrierender Bestandteil und stehen in einer gegenseitigen Abhängigkeit. Die Vorausmassnahmen sind als Hilfsmassnahmen für die Umsetzung der Räumung konzipiert. So ist namentlich die Verfüllung der Hohlräume mit losem Schüttgut als temporäre Massnahmen zur inneren Abstützung der Fluh während des Felsabbaus konzipiert. Diese wird mit dem Abbau der Fluh wieder abgetragen und kann die dauerhafte Stabilisierung der Fluh sowie den Schutz vor eindringendem Wasser nicht gewährleisten.

Die Umsetzung des Gesamtkonzepts Räumung kann bei eintretenden Risiken und Kostenüberschreitungen nicht ohne Weiteres unter- oder abgebrochen werden. Namentlich nach dem Abbau der schützenden Felsüberdeckung über dem verschütteten Bahnstollen muss das von den Munitionsrückständen ausgehende Risiko entweder durch die geplante Räumung oder mit der als Rückfallposition geplanten Option Überdeckung wieder in den akzeptablen Bereich gesenkt werden.

Für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz muss die
im Sicherheitsperimeter wohnhafte Bevölkerung spätestens 2030 ihre Häuser verlassen, wobei verschiedene Häuser für die Realisierung der Schutzbauten für Strasse und Bahn bereits bis Ende 2025 zu räumen sind. Für die Planung des Wegzugs ist die betroffene Bevölkerung auf einen raschen Grundsatzentscheid zur Räumung angewiesen. Aus diesen Gründen wird zu diesem unüblich frühen Zeitpunkt und trotz der nach wie vor grossen Planungsunsicherheit ein Verpflichtungskredit für das gesamte Vorhaben mit den ausgewiesenen Reserven für Projektrisiken beantragt.

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4.2

Inhalt der Vorlage, Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Bundesbeschlusses

Aufgrund der Kostenschätzungen (Stand August 2022) werden die Projektkosten wie folgt veranschlagt (Art. 1­3 des Bundesbeschlusses): Mio. Fr.

­ Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz: ­ Erste Tranche: Voraus- und Schutzmassnahmen, Vorbereitung der Räumung ­ Zweite Tranche: Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände sowie Instandsetzung des Geländes und Wiederbesiedlung von Mitholz ­ Reserven für Projektrisiken und die erwartete Teuerung Verpflichtungskredit

1090 740 760 2590

Für die einzelnen Teilprojekte wurden spezifische Kostenschätzungen mit Angabe der jeweiligen Kostengenauigkeit erstellt. Je nach Planungsstand handelt es sich um Kostenschätzungen gestützt auf Vorprojekte oder um Grobkostenschätzungen basierend auf Machbarkeitsstudien. Die Schätzungen bilden den aktuellen Kenntnis- und Planungsstand des Projekts ab und enthalten ebenfalls die Mehrwertsteuer. Zum Zeitpunkt der Botschaftserstellung hatte die Planung in den Teilprojekten noch nicht den Reifegrad eines Bauprojekts mit Kostenvoranschlag. Dieser Reifegrad kann für die Schutzbauwerke erst nach Abschluss der Planung gegen Ende 2024 und für die weiteren Massnahmen ab 2031 erreicht werden. Dementsprechend wurde für die Teilprojekte ein spezifischer Zuschlag für die Kostenunsicherheit (z. B. Kostengenauigkeit nach SIA) von 360 Millionen Franken eingerechnet. Er ist abgeleitet von der Kostengenauigkeit nach SIA.

Der Verpflichtungskredit teilt sich wie folgt auf:

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Abbildung 4.2.1 Übersicht Verpflichtungskredit

Die Kostenschätzung für die erste Tranche beinhaltet ebenfalls die Projektausgaben ab dem 1. Januar 2023 bis zum Kreditbeschluss des Parlaments. Diese Ausgaben sind notwendig, um Vorausmassnahmen zur Risikoreduktion nach StFV und WSUME zu realisieren sowie das militärische Plangenehmigungsverfahren zügig vorbereiten zu können. Mit fortschreitender Planung und Realisierung können die Tätigkeiten während der ersten und zweiten Tranche weiter spezifiziert und die Kosten genauer geschätzt werden. Es ist möglich, dass im Projektverlauf Massnahmen nötig werden, die nicht in die Schätzungen eingeflossen sind ­ zum Beispiel im Zusammenhang mit der Instandsetzung des Geländes und der Wiederbesiedlung von Mitholz nach Räumungsende. Solche Mehrkosten ­ wie auch eine höhere Teuerung, als heute erwartet wird ­ würden dem Parlament mit Zusatzkrediten beantragt, sofern sie nicht über die bestehende Reserve abgedeckt werden könnten.

Rund 45 Prozent der Kosten stehen im Zusammenhang mit der Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände sowie weitere rund 30 Prozent im Zusammenhang mit den Schutzmassnahmen für Bevölkerung, Strasse und Bahn. Rund 25 Prozent entfallen auf Projektinfrastruktur und Projektführung.

Erste Tranche: Voraus- und Schutzmassnahmen, Vorbereitung der Räumung (Art. 2 Bst. a) ­

Aufbau und Betrieb einer Notfallorganisation inklusive Mess-/Alarmierungssystem (Ziff. 3.3 und 3.8.1)

­

Erstellung einer Notumfahrung (Ziff. 3.8.1)

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­

Voraus- und Vorbereitungsarbeiten (Ziff. 3.8.2)

­

Schutzmassnahmen für die Bevölkerung und Unterstützung der Bevölkerung sowie der Behörden (Ziff. 3.8.3)

­

Schutzmassnahmen für Nationalstrasse und Bahn (Ziff. 3.8.4)

­

Abbau der Fluh und Geländemodellierungen (Ziff. 3.8.5)

­

Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände im Baustellenbereich und in weiteren Räumflächen (Ziff. 3.8.6)

­

Bau der Projektinfrastruktur (Ziff. 3.8.7)

­

Planung der Option Überdeckung (Ziff. 3.8.9)

Zweite Tranche: Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände sowie Instandsetzung des Geländes und Wiederbesiedlung von Mitholz (Art. 2 Bst. b) ­

Betrieb einer Notfallorganisation inklusive Mess-/Alarmierungssystem (Ziff. 3.3 und 3.8.1)

­

Räumung und Entsorgung von Munitionsrückständen im verschütteten Bahnstollen und im Schuttkegel sowie in weiteren Räumflächen (Ziff. 3.8.6)

­

Geländemodellierungen (gemäss Ziff. 3.8.5)

­

Betrieb und Rückbau von Schutzmassnahmen an der Bahn (Ziff. 3.8.4)

­

Betrieb und Rückbau der Projektinfrastruktur (Ziff. 3.8.7)

­

allenfalls Umsetzung der Option Überdeckung bei entsprechendem Beschluss (Ziff. 3.8.9)

­

Planung der Instandsetzung des Geländes und der Wiederbesiedlung von Mitholz (Ziff. 3.8.8)

Reserve für Projektrisiken (Art. 3) Die Reserve für Projektrisiken beinhaltet insbesondere die Teuerungsprognose im Umfang von rund 340 Millionen Franken über die gesamte Projektdauer (Berechnung siehe Ziff. 4.3). Die Höhe der Reserve ist zudem in der beschriebenen Risikosituation begründet (vgl. Ziff. 3.7). Sie wird aufgrund von Eintretenswahrscheinlichkeit und Auswirkungen der einzelnen Projektrisiken berechnet. Die Risiken mit der grössten Kostenfolge betreffen wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich eintretende Zeitverzögerungen und die Teuerung sowie das seltene Risiko von unkontrollierten Explosionen, welche die Schutz- und Projektinfrastruktur beschädigen könnten.

Die im Verpflichtungskredit enthaltene Reserve für Projektrisiken deckt keine Risiken ab, deren Eintreten sehr unwahrscheinlich und deren Auswirkungen sehr hoch wären.

Nicht abgedeckt sind zum Beispiel: ­

extreme Naturgefahrenereignisse, die umweltgefährdende Stoffe ausschwemmen oder seltener als alle 300 Jahre auftreten,

­

wesentlich grössere von den Munitionsrückständen ausgehende Risiken als die konservativen Einschätzungen in der Risikoanalyse VBS 2022,

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­

unkontrollierte Explosionsereignisse während der Munitionsräumung, die Schäden in einem weiteren Umkreis von Mitholz verursachen,

­

Kosten aus Personenschäden mit Todesfolgen oder schweren Verletzungen,

­

eine altlastenrechtliche Sanierungspflicht ausserhalb des Baustellenbereichs (Abbildung 3.1.1).

Solche Mehrkosten würden dem Parlament in Form von Zusatzkrediten beantragt, sofern sie nicht innerhalb des Verpflichtungskredits abgedeckt werden könnten.

Abgrenzung Die Kosten der Variantenevaluationen und der bereits realisierten Massnahmen (vgl. Ziff. 1.2 und 3.8.1) sowie für erste Liegenschaftskäufe hat das VBS in den Jahren 2018 bis 2022 über bestehende Voranschlags- und Verpflichtungskredite finanziert.

Freigabe der Kredittranchen und der Reserven Die erste Tranche soll mit der Verabschiedung des Bundesbeschlusses zum Verpflichtungskredit freigegeben werden. Die zweite Tranche und die Reserven sollen entsprechend dem Projektfortschritt und den auftretenden Risiken durch den Bundesrat freigegeben werden. Zudem wird beantragt, dass der Bundesrat Kreditreste aus der ersten in die zweite Tranche verschieben kann (Art. 4).

4.3

Teuerungsannahmen

Dem Verpflichtungskredit liegen je nach Massnahme folgende Indizes zugrunde: ­

Landesindex der Konsumentenpreise vom April 2022 (103,3 Punkte, Dez. 2020 = 100 Punkte);

­

Schweizerischer Baupreisindex (Baugewerbe total), Grossregion Espace Mittelland, vom April 2022 (109,6 Punkte; Okt. 2020 = 100 Punkte);

­

Schweizerischer Baupreisindex (Tiefbau), Grossregion Espace Mittelland, vom April 2022 (106,9 Punkte; Okt. 2020 = 100 Punkte);

­

Bahnbau-Teuerungsindex vom April 2022 (142,7 Punkte, Okt. 1994 = 100 Punkte);

­

Schweizerischer Wohnimmobilienpreisindex (Einfamilienhäuser Gemeindetyp 5) vom 2. Quartal 2022 (114,3 Punkte, 4. Quartal 2019 = 100 Punkte).

Mangels anderer verlässlicher Werte stützt sich die Teuerungsberechnung auf die langjährigen Jahresteuerungen des Landesindexes der Konsumentenpreise sowie des Schweizerischen Baupreisindexes ab. Es wird mit einer Teuerung von 1,7 Prozent gerechnet.

Sollte der bewilligte Verpflichtungskredit die teuerungsbedingten Mehrkosten nicht auffangen können, wird dem Parlament zu gegebener Zeit ein Zusatzkredit beantragt.

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4.4

Entwicklung seit der Variantenevaluation

Für die Umsetzung der Räumung wurden für die vorliegende Botschaft die gesamten Massnahmen geplant und die Kosten erstmals umfassend ermittelt. Im Verpflichtungskredit werden gemäss den einschlägigen Vorgaben auch die Mehrwertsteuer, die Teuerung und weitere Projektnebenkosten eingerechnet.

Ende 2020 wurden mit der Variantenevaluation die Kosten für die Räumung der störfallrelevanten Munitionsmengen im verschütteten Bahnstollen auf 500 bis 900 Millionen Franken geschätzt. Das vorliegende Räumungsprojekt verfolgt darüber hinaus ein umfassendes Räumungsziel. Der Räumungsbereich wurde auf den gesamten Auswurfbereich des Explosionsunglücks 1947 ausgeweitet. Zusätzlich zu den störfallrelevanten Grossereignissen im Bereich des ehemaligen Munitionslagers wird mit der Ausweitung das Risiko im gesamten Auswurfbereich beseitigt.

Gemäss den Vorgaben der VVEA muss das verschmutzte Material aus dem Bahnstollen, dem Schuttkegel sowie den Auswurfbereichen des Explosionsunglücks von 1947 im Rahmen der Bauarbeiten überprüft, gereinigt, normenkonform eingelagert und umweltkonform in geeigneten Anlagen entsorgt werden. Die entsprechenden Kosten sind nun eingerechnet. Zum Schutz der Umwelt vor einem zusätzlichen Schadstoffeintrag sollen zusätzliche Schutzmassnahmen wie eine Leichtbauhalle über der Räumstelle realisiert werden. Für die sichere Durchführung der Räumung müssen die Räumstelle sowie die zu erstellenden Infrastrukturen vor Naturgefahren geschützt werden. Mit diesen zusätzlichen Massnahmen wird ebenfalls Mitholz besser vor Naturgefahren geschützt. Mit der vorgeschlagenen Linienführung der Nationalstrasse kann der bauliche Eingriff des gesamten Projekts auf eine kleinere Fläche konzentriert und das Natur- und Landschaftsbild bestmöglich geschützt werden. Der Sicherheit der Räumstelle und des gesamten Räumungsbereichs wird grosses Gewicht beigemessen.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle Auswirkungen

Rückstellung Mitholz und Schuldenbremse Das Finanzhaushaltgesetz vom 7. Oktober 2005 (FHG, SR 611.0) in der Fassung vom 1. Januar 2022 wird erstmals mit dem Voranschlag 2023 angewendet. Demnach werden die für die Schuldenbremse relevanten Ausgaben neu periodengerecht im Sinne der Erfolgsrechnung abgebildet, das heisst, in der Schuldenbremse werden neu die Rückstellungsbildungen berücksichtigt. Hingegen tangieren Rückstellungsverwendungen die Schuldenbremse nicht mehr. Deshalb kann das Projekt grösstenteils über die Rückstellung finanziert werden, die per 31. Dezember 2020 in der Bilanz des Generalsekretariats VBS gebildet wurde (590 Mio. Fr. gemäss damaligem Stand).

Rückstellungen sind Verpflichtungen, die bezüglich ihrer Fälligkeit und/oder Höhe ungewiss sind. Sie sind in der Bilanz zu erfassen. Mit der Rechnung 2022 soll die Rückstellung gemäss der vorliegenden Kostenschätzung voraussichtlich um rund eine Milliarde Franken erhöht werden. Sie wird jährlich anhand des erwarteten künftigen Mittelabflusses überprüft. Notwendige Rückstellungserhöhungen unterliegen ab 2023 51 / 60

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­ gestützt auf Artikel 3 Absätze 5 und 6 FHG ­ neu der Schuldenbremse. Sie müssen dem Parlament grundsätzlich als Nachtragskredit, falls nötig als Kreditüberschreitung beantragt werden.

Dem Verpflichtungskredit wird die Verwendung der Rückstellung belastet, welche im Unterschied zur Rückstellungsbildung die Schuldenbremse des Bundes nicht tangiert.

Für aktivierungsfähige Ausgaben (Investitionen), die nach Projektende einen Nutzen bringen, wird keine Rückstellung gebildet. Sie belasten die Schuldenbremse zum Zeitpunkt der Ausgabe. Solche Ausgaben betreffen insbesondere die Schutzbauten für die Strasse, die nach Projektende bestehen bleiben. Zusätzlich fallen in geringem Masse Liegenschaftskäufe von Bewohnerinnen und Bewohnern von Mitholz darunter ­ die Armasuisse Immobilien tätigt diese Käufe. Die detaillierte finanzielle Abwicklung wird in einem Handbuch zur Rechnungsführung und Rechnungslegung im Projekt Mitholz beschrieben.

Finanzierung der Schutzbauten für die Strasse Die Erstellung der Schutzbauten für die Strasse durch das ASTRA wird über den Fonds zur Finanzierung der Nationalstrassen und des Agglomerationsverkehrs (NAF) abgewickelt und dem Verpflichtungskredit Mitholz belastet. Die Finanzierung dieser Bauten erfolgt durch zusätzliche Einlagen im Umfang von rund 159 Millionen Franken (aktuelle Kostenschätzung inkl. Mehrwertsteuer) in den NAF im Rahmen der jährlichen Budgetprozesse.

Übersicht Zusammenhänge Verpflichtungskredit und Rückstellung Der Verpflichtungskredit gemäss Ziffer 4.2 ist umfassender als die Rückstellung. Er enthält die Kosten, inklusive eines Zuschlags für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers, sowie aktivierungsfähige (Investitions-)Ausgaben. Der Zuschlag ist abgeleitet von der Kostengenauigkeit nach SIA. Der Verpflichtungskredit beinhaltet zudem Reserven für Projektrisiken und die erwartete Teuerung. Sehr wahrscheinliche Projektrisiken mit einer Eintretenswahrscheinlichkeit von über 50 Prozent werden grundsätzlich ebenfalls in die Rückstellung eingerechnet. Die Personalausgaben sind nicht Bestandteil des Verpflichtungskredits, werden hingegen in der Rückstellung berücksichtigt.

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Abbildung 5.1.1 Zusammenhänge Verpflichtungskredit und Rückstellung

5.2

Personelle Auswirkungen

Für die Umsetzung des Projekts Mitholz sind Eigenleistungen durch bundesinterne Mitarbeitende erforderlich ­ namentlich seitens VBS (hauptsächlich Generalsekretariat VBS, Gruppe Verteidigung und Armasuisse) und UVEK (hauptsächlich ASTRA und BAFU). Der Personalbedarf kann noch nicht für die ganze Projektdauer verlässlich geschätzt werden ­ er verändert sich je nach Projektphase. Zudem hängt er davon ab, ob Leistungen durch bundesinterne Mitarbeitende erbracht oder als externe Dienstleistungen eingekauft werden. Die Finanzierung der Eigenleistungen erfolgt zulasten der Rückstellung Mitholz im Generalsekretariat VBS. Die Abwicklung ist dieselbe wie bei anderen Abkommandierungen innerhalb der Bundesverwaltung: Der Lohn wird von der arbeitgebenden Verwaltungseinheit ausbezahlt und periodisch an das Generalsekretariat VBS weiterverrechnet. Das Generalsekretariat VBS belastet diese Ausgaben der Rückstellung Mitholz. Die detaillierte finanzielle Abwicklung wird in einem Handbuch zur Rechnungsführung und Rechnungslegung im Projekt Mitholz beschrieben.

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5.3

Koordination mit dem Betrieb und Ausbau des Lötschberg-Basistunnels

Gleichzeitig mit der Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz ist der Ausbau des Lötschberg-Basistunnels geplant. Für diese Bauarbeiten wird der Installationsplatz Mitholz benutzt. Die Beanspruchung der Flächen im Raum Mitholz durch die beiden Projekte ist eng abzustimmen. Die Koordination wurde bereits sichergestellt. Dies gilt auch hinsichtlich des Rettungskonzepts für den Lötschberg-Basistunnel, welches bis zur Inbetriebnahme des ausgebauten Tunnels auf eine permanente Erschliessung des Zugangsstollens Mitholz für die Evakuierung von Reisenden angewiesen ist.

Für den Teilausbau des Basistunnels hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) am 8. Juni 2022 die Plangenehmigung erteilt. Dagegen wurde eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.

Am 22. Juni 2022 hat der Bundesrat den Vorschlag zum durchgehenden Ausbau des Lötschberg-Basistunnels auf zwei Röhren mit dem Bahnausbauschritt 2035 in die Vernehmlassung geschickt. Das Parlament entscheidet voraussichtlich 2023 über den Ausbau. Der Baubeginn ist sowohl für den Teil- wie für den Vollausbau auf Anfang 2026 geplant.

Beim Teilausbau, welcher lediglich die bahntechnische Ausrüstung der im Rohbau erstellten Tunnelröhre West zwischen Ferden und Mitholz umfasst, müssten Fern- und Güterverkehrszüge während acht Monaten über die Bergstrecke umgeleitet werden.

Solche Umleitungen erhöhen das Risiko gemäss StFV und WSUME und beeinflussen den Umfang der Schutzmassnahmen, das Bauprogramm sowie den Zeitplan des Projekts Mitholz. Dieses Risiko für den Umleitungsverkehr würde sich bei einem Vollausbau mit durchgehendem Ausbau auf zwei Röhren gegenüber dem Teilausbau reduzieren. Das Risiko, das vom verbleibenden Verkehr ausgeht, kann durch technische Massnahmen reduziert werden, etwa durch ein Alarmierungssystem gegen Auffahren auf Trümmerteile. Die Schutzgalerie für die Bahn ist für den Personenverkehr in jedem Fall notwendig ­ unabhängig davon, ob der Teil- oder der Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels realisiert wird.

Aufgrund der Schnittstellen zwischen dem Räumungsprojekt und dem Ausbau des Lötschberg-Basistunnels wurde das Projekt mit dem Sachplan Verkehr, Teil Infrastruktur Schiene (SIS), abgestimmt.

5.4

Auswirkungen auf Raum und Umwelt

Räumliche Abstimmung im Sachplan Militär (SPM) Die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz hat erhebliche Auswirkungen auf Raum und Umwelt im engen Talboden. Die Grundsätze zur räumlichen Abstimmung dieser Auswirkungen wurden im SPM-Objektblatt Mitholz parallel zur vorliegenden Botschaft durch den Bundesrat behördenverbindlich festgesetzt. Der SPM ist mit dem Sachplan Verkehr, Teil Infrastruktur Schiene (SIS), abgestimmt.

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Teil-Ortsplanungsrevision, Sonderzone und Besitzstandzone Mitholz Parallel zur Projektplanung führt die Gemeinde Kandergrund eine Teil-Ortsplanungsrevision durch mit zwei Zielen: Erstens will sie mit einer «Sonderzone Mitholz» die nötigen Baulandflächen für den Umzug der Bevölkerung innerhalb des Gemeindegebiets verfügbar machen. Zweitens will sie mit der «Besitzstandzone Mitholz» die baurechtlichen Voraussetzungen schaffen für den Wiederaufbau der Gebäude.

Umgang mit Natur- und Landschaftswerten Im Evakuationsperimeter befinden sich Objekte aus Bundesinventaren wie Trockenwiesen und -weiden, ein überregionaler Wildtierkorridor, historische Verkehrswege sowie weitere wertvolle Natur- und Landschaftswerte. Die geplanten Eingriffe an der Fluh werden diese unweigerlich beeinträchtigen. Für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz werden deshalb Massnahmen nötig, die diesem Umstand Rechnung tragen. Im Umgang mit den Natur- und Landschaftswerten orientiert sich das VBS an den Festlegungen im SPM-Programmteil 2017, Kapitel 3.5.2. Das SPMObjektblatt Mitholz stellt zudem klar, dass die Massnahmen zur Räumung des ehemaligen Munitionslagers der Umweltverträglichkeitsprüfung unterstellt sind.

Besonders die grossflächige Abtragung von Boden- und Gesteinsmaterial wird sich erheblich auf Natur und Landschaft auswirken. Gleiches gilt für die grossen Mengen an Aushub- und Ausbruchmaterial, die zwischengelagert oder abgelagert werden müssen. Der Abbau des «Dreispitzes» und des vorgelagerten Schuttkegels erfordern grossflächige Rodungen und tangieren Lebensräume von geschützten und gefährdeten Arten. Das VBS wird hierfür ein umfassendes Ersatzmassnahmenkonzept einschliesslich vorgezogener Überbrückungsmassnahmen erarbeiten und umsetzen.

Umgang mit Schadstoffen, Entsorgung, Grundwasser-Monitoring Die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz erfordert grosse bauliche Eingriffe im Bereich der Anlage, grosse Geländeverschiebungen sowie das Errichten von zusätzlicher Infrastruktur (Schutzbauten für Strasse und Bahn, Entsorgungsanlage etc.).

Die Räumung wird so geplant, dass eine Belastung der Umwelt durch die Sprengstoffrückstände, Schwermetalle und Brandrückstände verhindert wird. Es müssen Massnahmen getroffen werden, damit keine Sprengstoffrückstände und Schadstoffe aus den Bränden und Explosionen
in die Umwelt gelangen können. So wird der Räumstellenbereich zum Beispiel mit einer Leichtbauhalle vor Witterungseinflüssen geschützt. Bei den Arbeiten müssen grosse Mengen von potenziell belastetem Abbaumaterial laufend analysiert, triagiert und entsprechend behandelt, gereinigt oder entsorgt werden. Hierzu sind mit der weiteren Planung detaillierte Materialbewirtschaftungskonzepte zu erstellen.

Die Qualität des Grund- und des Oberflächenwassers wird in einem umfassenden und an die Projektbedingungen angepassten Monitoring über die gesamte Projektdauer überprüft. Auch der Umgang mit dem auf den Baustellen eingesetzten Wasser wird lückenlos überwacht; die fachgerechte Entsorgung wird sichergestellt.

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Umgang mit Naturgefahren, Verbesserung der Naturgefahrensituation Die Naturgefahrensituation vor Ort gilt es bei der Planung und Umsetzung des Projekts zu berücksichtigen. Im Projektperimeter treten insbesondere Hochwasser und Murgänge, Felsstürze, Hangrutschungen und Lawinen auf. Diese gefährden zum Teil beanspruchte Flächen und geplante Bauten mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit und Intensität.

Die grösste Gefahr geht von möglichen Murgängen im Stegenbach aus. Massnahmen zum Schutz der Baustelle nehmen grosse Flächen auf dem Schwemmkegel im Süden des ehemaligen Munitionslagers in Anspruch. Weitere Bachläufe betreffen in erster Linie die Baustellen für die Schutzbauten von Strasse und Bahn. Hier braucht es spezifische Schutzmassnahmen.

Rutschungen und Stürze wirken insbesondere hangnah, was ebenfalls lokale Schutzmassnahmen erfordert. Das Rutschgebiet Stegenbach, südöstlich der Anlage, tangiert das Projekt lediglich am Rande. Es wird während der Bauzeit überwacht. Lawinen können primär die geplante Zufahrt zur Baustelle südlich der Anlage gefährden. In Zeiten erhöhter Lawinengefahr muss deshalb damit gerechnet werden, dass die Zufahrt zur Baustelle temporär gesperrt werden muss. Für den sicheren Betrieb der Baustelle wird in jedem Fall ein Sicherheitskonzept Naturgefahren ausgearbeitet und umgesetzt.

Die Naturgefahrensituation sowie die erwarteten Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt werden sowohl generisch für das Projekt als auch spezifisch auf die einzelnen Teilprojekte bezogen und in ihrem Zusammenwirken beurteilt. Aufgrund der heutigen Kenntnisse sind wesentliche Gefährdungen durch Naturgefahren zu erwarten. Diesen kann aber mit (Schutz-)Massnahmen begegnet werden. Im Zuge der Baumassnahmen kann der Schutz vor bestehenden Naturgefahren permanent verbessert werden (z. B.

Murgangschutz mit grösserem Geschiebesammler im Stegenbach).

5.5

Volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen

Das ehemalige Munitionslager Mitholz befindet sich an einer für die Kantone Bern und Wallis verkehrstechnisch neuralgischen Stelle ­ sowohl für den Schienen- wie für den Strassenverkehr. Die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Sperrung oder längeren Störung der Verkehrsverbindungen wären für beide Kantone sowie für das Kander- und das Lötschental einschneidend.

Die Lötschberg-Bergstrecke der BLS bildet für den öffentlichen Verkehr das Rückgrat für die touristische Erschliessung des oberen Kandertals und des Lötschentals.

Kandersteg zählt durchschnittlich pro Tag über 1200 Zugreisende, die Haltepunkte auf der Lötschberg-Südrampe zählen gemeinsam rund 1000 Zugreisende, und an Wochenenden liegen die Zahlen deutlich höher. Die geplante Schutzgalerie kann den sicheren Betrieb der Lötschberg-Bergstrecke während der gesamten Projektdauer gewährleisten. Streckensperrungen, die während der Bauphase nötig sind, werden ausserhalb der normalen Bahnbetriebszeiten geplant. Damit wird die Bahnerschliessung der Tourismusgebiete im Raum Kandersteg, im Lötschental sowie an der Lötschberg56 / 60

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Südrampe nicht beeinträchtigt. Bei einem Ausfall des Lötschberg-Basistunnels steht die Lötschberg-Bergstrecke als Ausweichstrecke für den sicheren Betrieb der Lötschberg-Achse zwischen Spiez und Visp zur Verfügung.

Mit dem Schutztunnel für die Nationalstrasse und der Bahngalerie für die LötschbergBergstrecke der BLS sind die Verkehrsverbindungen zwischen dem Mittelland und dem Kanton Wallis über die gesamte Projektdauer sichergestellt. Dies gilt auch für den Autoverlad zwischen Kandersteg und Goppenstein.

Abbau von Hartschotter Der Rohstoff Hartstein ist eine bedeutsame Komponente für die Funktionsfähigkeit des Strassen- und Schienennetzes. In der Schweiz werden heute im wesentlichen Kieselkalk und Flyschsandstein als Hartstein verwendet. In den letzten Jahrzehnten kam es in der Schweiz zu Versorgungsengpässen. Aktuell wird im Steinbruch Mitholz und an fünf weiteren Standorten Kieselkalk abgebaut. Eine Erweiterung des bestehenden Abbaugebiets im Raum Bütschi ist beantragt, aber im kantonalen Richtplan nicht festgesetzt. Die Definition des Evakuations- und des Sicherheitsperimeters beeinträchtigt weder den Abbau von Hartstein im bestehenden Steinbruch noch die Erweiterung des Abbaugebiets.

Monitoring der sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen Aus wissenschaftlicher Sicht stellen die Räumung des ehemaligen Munitionslagers und die damit verbundene Umsiedlung der Bevölkerung eine in der Schweiz einmalige Situation dar. In Zusammenarbeit mit der Universität Bern werden im Rahmen des Projekts ein unabhängiges Monitoring und eine Evaluation der Projektziele im gesellschaftlichen und sozialen Bereich aufgebaut.

Es gibt verschiedene Fragestellungen, welche für die Forschung von übergeordneter Bedeutung sind und welche in weiterführenden Forschungsarbeiten untersucht werden sollen. Die Universität Bern wird ein Konzept für weiterführende Forschungsarbeiten erarbeiten und bei Institutionen der Forschungsförderung separate Anträge für deren Finanzierung stellen.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den vorliegenden Kreditbeschluss ergibt sich aus Artikel 167 der Bundesverfassung (BV; SR 101).

6.2

Gesetzmässigkeit

6.2.1

Umweltschutzgesetz und Störfallverordnung

Gemäss den Artikeln 10 und 41 Absatz 2 des Umweltschutzgesetzes (USG; SR 814.01) ist das VBS bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach den Artikeln 126­ 130 MG und der Militärischen Plangenehmigungsverordnung vom 13. Dezember 57 / 60

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1999 (SR 510.51) auch für den Vollzug des USG zuständig. Gleiches gilt für die StFV, die gestützt auf das USG und das Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991 (SR 814.20) erlassen wurde.

Die StFV schützt die Bevölkerung und die Umwelt vor schweren Schädigungen infolge von Störfällen. Als Störfall gilt ein ausserordentliches Ereignis in einer Anlage, bei dem erhebliche Einwirkungen ausserhalb des Betriebsareals auftreten. Die StFV gilt für Betriebe (z. B. Produktionsanlagen oder Lager), in denen die in Anhang 1.1 StFV festgelegten Mengenschwellen für gefährliche Stoffe, Zubereitungen oder Sonderabfälle überschritten werden.

Der Inhaber eines solchen Betriebs ist durch die StFV verpflichtet, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um Störfälle von vornherein zu vermeiden, auftretende Störfälle sofort zu erkennen, entsprechend zu handeln sowie deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu begrenzen. Er muss alle geeigneten Massnahmen treffen, die nach aktuellem Stand der Sicherheitstechnik verfügbar, aufgrund seiner Erfahrung ergänzt und wirtschaftlich tragbar sind. Dazu gehören Massnahmen, die das Gefahrenpotenzial herabsetzen, Störfälle verhindern und deren Einwirkungen begrenzen (Art. 3 StFV). Bei Betrieben mit dem Potenzial zur schweren Schädigung sind darüber hinaus die Risiken zu ermitteln und von der Vollzugsbehörde zu beurteilen. Bei nicht tragbaren Risiken muss der Inhaber zusätzliche Sicherheitsmassnahmen (Art. 8 StFV) zur Senkung der Risiken umsetzen.

Mit der Revision der StFV im Jahr 2015 wurde das weltweit gültige Chemikalienklassierungssystem Globally Harmonized System (GHS) in die StFV aufgenommen. Es beinhaltet explizit auch Explosivstoffe, wodurch Munitionslager seither der StFV unterliegen.

Die Mengenschwelle für Munition liegt gemäss Anhang 1.1 StFV in Verbindung mit der Vollzugshilfe «Mengenschwellen gemäss Störfallverordnung (StFV)» des BAFU bei 2000 Kilogramm Nettomenge Explosivstoff. In Mitholz lagern mutmasslich noch 3500 Bruttotonnen Munitionsrückstände. Die Anlage ist folglich störfallrelevant, und die Vorgaben der StFV sind zu berücksichtigen.

Die WSUME legen das Konzept für den sicheren Umgang mit Munition und Explosivstoffen fest. Sie regeln im VBS auch die Umsetzung der StFV beim Umgang mit Munition und Explosivstoffen. Sie gelten für die Schweizer Armee, die Ämter der Gruppe Verteidigung, die Armasuisse und auch für Dritte, sofern die Einhaltung vertraglich vereinbart wurde.

6.2.2

Fonds zur Finanzierung der Nationalstrassen und des Agglomerationsverkehrs (NAF)

Voraussichtlich ab 2026 wird der neue Schutztunnel Strasse erstellt. Er soll nach der Räumung nicht zurückgebaut, sondern zum Zeitpunkt der Fertigstellung ins Nationalstrassennetz aufgenommen werden. Die neue Strasse weist somit einen Nutzen unabhängig vom Projekt Mitholz auf.

Die Abwicklung soll ­ wie bei anderen Bauvorhaben des ASTRA ­ über den NAF erfolgen. Dadurch kann an die technischen Verfahren und das fachspezifische Wissen 58 / 60

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des ASTRA betreffend NAF angeknüpft werden. Auch die Rechnungsführung und -legung können somit wie üblich erfolgen. Dies entspricht einem wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel (Art. 12 Abs. 4 zweiter Satz FHG). Es kann dadurch vermieden werden, dass spezifisch für dieses Projekt neue technische und finanzhaushaltsrechtliche Strukturen aufgebaut werden müssen. Für die mit der Erstellung des Schutztunnels Strasse verbundenen Entnahmen aus dem NAF (Art. 5 Abs. 1 Bst. a Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 30. September 2016 über den Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr, NAFG; SR 725.13) wird dieser mittels Voranschlagskrediten entschädigt. Für den NAF führt die Räumung des Munitionslagers Mitholz zu Mehrausgaben, die er nicht mit seinen bisherigen Mitteln bestreiten muss. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass die baulichen Massnahmen an der betroffenen Nationalstrasse durch ein ausserordentliches exogenes Ereignis und nicht durch eine ordentliche Abnützung verursacht sind. Die für den Bau jährlich notwendigen Mittel werden deshalb vom Bundesrat im Rahmen der Voranschlagsprozesse in den NAF eingelegt und dem Verpflichtungskredit für die Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz belastet. Das ASTRA schätzt den jährlich dafür zu budgetierenden Betrag.

Dem NAF fliessen gemäss Artikel 86 Absätze 2 und 3 BV grundsätzlich regelmässig wiederkehrende zweckgebundene Einnahmen zu. Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe h BV bestimmt, dass dem NAF weitere vom Gesetz zugewiesene Mittel zufliessen können, sofern diese Mittel im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr stehen.

Konkret ist, wie erwähnt, der Bund bzw. das VBS als Betreiberin der Anlage verpflichtet, technische Sicherheitsvorkehren zu treffen (Art. 10 Abs. 1 USG). Ausserdem ist das VBS im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben nach dem MG für den Vollzug des USG zuständig (Art. 41 Abs. 2 USG). Gestützt auf das USG wurde die StFV erlassen (Art. 39 Abs. 1 USG). Diese hält in Artikel 3 fest, dass der Inhaber eines Betriebs alle zur Verminderung des Risikos geeigneten Massnahmen treffen muss, die nach dem Stand der Sicherheitstechnik verfügbar, aufgrund seiner Erfahrung ergänzt und wirtschaftlich tragbar sind. Dazu gehören Massnahmen, mit denen das Gefahrenpotenzial herabgesetzt, Störfälle verhindert und deren Einwirkungen
begrenzt werden. Die dem NAF im vorliegenden Fall als Entschädigung zufliessenden Mittel stützen sich auf Artikel 41 USG und Artikel 3 StFV. Der Gesetzgeber hat mithin den Bund als Betreiber der Anlage bereits per Gesetz verpflichtet, den Störfall zu vermeiden und die dafür notwendigen Ausgaben zu tätigen. Die Rechtsgrundlagen des USG stellen damit eine hinreichende formell-gesetzliche Grundlage im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe h BV dar, soweit die Störfallvermeidung strassenbauliche Massnahmen erfordert. Dieser Artikel dient als verfassungsrechtliche Grundlage für die entsprechende Bestimmung des Bundesbeschlusses, mit der ausnahmsweise Mittel des Bundes dem NAF zugewiesen werden.

Auf die Schaffung einer formell-gesetzlichen Grundlage im NAFG oder in einem eigenen Gesetz kann vorliegend ausnahmsweise verzichtet werden, da der Bund bereits gesetzlich verpflichtet ist, die Ausgabe zu tätigen, und es sich um einmalige mit der Sanierung verbundene Kosten handelt, die der ausserordentlichen Situation geschuldet sind. Sie unterscheiden sich damit vom Konzept von Artikel 86 Absätze 2 und 3 BV, die grundsätzlich von regelmässigen Einlagen bzw. Entnahmen ausgehen. Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe h BV dient als verfassungsrechtliche Grundlage für die entsprechende Bestimmung des Bundesbeschlusses, mit der ausnahmsweise Mittel 59 / 60

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des Bundes dem NAF zugewiesen werden. Der Ausnahmecharakter dieser Finanzierung bedeutet, dass sie nicht als Präzedenzfall für mögliche weitere Fälle dieser Art dienen kann.

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den vorliegenden Kreditbeschluss ergibt sich aus Artikel 167 BV. Damit ist die Voraussetzung einer doppelten Grundlage (Rechtsgrundlage und Parlamentsbeschluss nach Art. 167 BV) erfüllt.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 163 Absatz 2 BV in Verbindung mit Artikel 25 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) ist für den vorliegenden Bundesbeschluss die Form des einfachen und damit nicht dem Referendum unterstehenden Bundesbeschlusses vorgesehen.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedarf der Verpflichtungskredit der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte, da er neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken nach sich zieht.

6.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Der vorgelegte Beschluss sieht keine neuen Finanzhilfen oder Abgeltungen im Sinne des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 (SR 616.1) vor.

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