BBl 2022 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

22.080 Botschaft zur Änderung des Entsendegesetzes vom 2. Dezember 2022

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Entsendegesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. Dezember 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-3983

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Übersicht Mit der Vorlage soll eine Grundlage geschaffen werden für den Betrieb einer durch den Bund zur Verfügung gestellten elektronischen Plattform für die Kommunikation unter den Vollzugsorganen der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit. Da die Plattform durch den Bund betrieben wird und auf der Plattform (vorübergehend) besonders schützenswerte Daten von juristischen und natürlichen Personen aufbewahrt werden, soll dafür im Einklang mit dem Datenschutzgesetz eine Grundlage im formellen Gesetz geschaffen werden.

Ausgangslage Im Rahmen der Bestrebungen des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zur Verbesserung der Arbeitsweise der Paritätischen Kommissionen und der Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den kantonalen und den paritätischen Organen, die das Entsendegesetz vollziehen, wurde eine Expertengruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Vollzugsorgane unter der Leitung des Staatssekretariates für Wirtschaft (SECO) gebildet. Diese schlug vor, die Schnittstellen für die Übermittlung der Daten beim Transfer von Kontrolldaten unter den Vollzugsorganen festzulegen und Empfehlungen zur Ausgestaltung dieser Schnittstelle auszuarbeiten.

In einer Pilotphase wurden die Empfehlungen technisch in der Form einer Plattform für die elektronische Kommunikation umgesetzt. Anforderung an den Plattformservice war die Sicherstellung einer generellen Anwendungsmöglichkeit nach Abschluss des Pilotprojekts. Die Plattform für diese elektronische Datenübermittlung soll nach der Evaluation der Pilotphase durch das SECO betrieben werden. Die dafür erforderlichen rechtlichen Bestimmungen müssen im Entsendegesetz aufgenommen werden.

Diese Bestimmungen waren bereits in der Vorlage 21.032 zur Revision des Entsendegesetzes zur Umsetzung der Motion Abate vom 7. Juni 2018 (18.3473 «Optimierung der flankierenden Massnahmen. Änderung von Artikel 2 des Entsendegesetzes») enthalten. Die Botschaft und die entsprechende Vorlage waren im April 2021 durch den Bundesrat verabschiedet und danach im Parlament diskutiert worden. Die Bestimmungen für die Plattform waren in der parlamentarischen Debatte unbestritten. Der Ständerat war im Juni 2022 jedoch aufgrund der Bestimmungen zu den kantonalen Mindestlöhnen in dieser Vorlage das zweite Mal nicht auf die Vorlage eingetreten, weshalb die Revision
endgültig scheiterte. Da das Bundesgesetz über den Datenschutz für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung verlangt, werden die diesbezügliche Vorlage und die dazu gehörende Botschaft nochmals dem Parlament vorgelegt.

Inhalt der Vorlage Im Entsendegesetz wird eine Bestimmung aufgenommen, welche den Bund beauftragt, den Organen, die das Entsendegesetz vollziehen, eine Plattform für die elektronische Kommunikation von Daten zur Verfügung zu stellen, die dafür notwendigen Daten aufzubewahren und die Plattform zu warten. Unter den gespeicherten Daten können sich auch Informationen über die verwaltungs- und allenfalls strafrechtlichen Verfahren oder Sanktionen im Vollzug des Entsendegesetzes befinden. Mit den neuen Bestim2 / 14

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mungen wird damit dem Bundesgesetz über den Datenschutz Genüge getan, das für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Daten von natürlichen und juristischen Personen eine Grundlage in einem Bundesgesetz verlangt.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit

Das Abkommen vom 21. Juni 19991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) trat am 1. Juni 2002 in Kraft. Mit der schrittweisen Einführung des freien Personenverkehrs ging ab dem 1. Juni 2004 der Verzicht auf die vorgängigen Kontrollen der Einhaltung der üblichen Arbeits- und Lohnbedingungen als Voraussetzung zur Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung einher. Der Ursprung der Einführung der flankierenden Massnahmen (FlaM) lag in der Befürchtung, dass aufgrund der Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes ein Druck auf die Löhne entstehen könnte oder indirekt die einheimischen Arbeitskräfte verdrängt werden könnten. Das Ziel der FlaM ist es, einerseits die missbräuchliche Unterbietung der Schweizer Arbeits- und Lohnbedingungen zu verhindern und andererseits faire Wettbewerbsbedingungen für die in- und ausländischen Unternehmen zu gewährleisten. Unter die FlaM fallen auch Dienstleistungserbringer aus dem Vereinigten Königreich; sie werden seit dessen Austritt aus der EU vom Befristeten Abkommen vom 14. Dezember 20202 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland über die Mobilität von Dienstleistungserbringern erfasst.

Die flankierenden Massnahmen umfassen im Wesentlichen das Entsendegesetz vom 8. Oktober 19993 (EntsG), die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung der Gesamtarbeitsverträge (GAV) und den Erlass von Normalarbeitsverträgen (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen. Die FlaM sehen eine umfassende Beobachtung des Arbeitsmarktes sowie gezielte Kontrollen der Arbeits- und Lohnbedingungen bei Arbeitgebern, die Arbeitskräfte in die Schweiz entsenden, und bei Schweizer Arbeitgebern vor. Bei meldepflichtigen selbstständigen Dienstleistungserbringern geht es um die Überprüfung des Erwerbsstatus, um eine allfällige Scheinselbstständigkeit bekämpfen zu können. Die Umsetzung der FlaM wurde verschiedenen Akteuren übertragen. Der Vollzug ist dual ausgestaltet, damit die Kontrollorgane ihre spezifischen Kompetenzen am besten einbringen können. Die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen eines allgemein verbindlich erklärten GAV erfolgt durch die mit der Durchsetzung des GAV betrauten paritätischen Kommissionen
(PK). In Branchen, in denen kein allgemeinverbindlich erklärter GAV besteht, nehmen die tripartiten Kommissionen (TPK) beziehungsweise in ihrem Auftrag die kantonalen Arbeitsmarktinspektorinnen und Arbeitsmarktinspektoren die Kontrollen wahr.

1 2 3

SR 0.142.112.681 SR 0.946.293.671.2 SR 823.20

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Das System der FlaM hat seit seiner Einführung zahlreiche Weiterentwicklungen erfahren und wurde laufend den sich verändernden Gegebenheiten angepasst. So wurden die gesetzlichen Grundlagen mehrmals revidiert und der Vollzug wurde den Bedürfnissen der Praxis angepasst. Wo Lücken existierten, wurden Massnahmen ergriffen, um diese Mängel zu beheben. Insbesondere wurde ein Augenmerk auf die effiziente Zusammenarbeit der Vollzugsorgane gelegt.

1.1.2

Plattform für die elektronische Kommunikation

Im Rahmen der Bestrebungen des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zur Verbesserung der Arbeitsweise der PK und der Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den kantonalen und den paritätischen Vollzugsorganen im Vollzug des EntsG prüfte eine Expertengruppe die bestehenden IT-Instrumente im Hinblick auf eine nationale technische Lösung oder eine nationale Vollzugsdatenbank im Vollzug des EntsG. Als Ergebnis dieser Prüfarbeiten schlug die Expertengruppe vor, angesichts der technischen Vielfalt der bereits verwendeten Instrumente nicht auf eine einheitliche Lösung zu setzen, sondern die Schnittstellen für den Datenaustausch im Rahmen des Transfers von Kontrolldaten unter den Vollzugsorganen festzulegen und Empfehlungen zur Ausgestaltung einer Schnittstelle auszuarbeiten. Anstelle des manuellen Erfassens von Daten aus elektronischen Unterlagen oder auf Papier soll der Import von Datensätzen direkt in die jeweilige Applikation erfolgen. Auf diesem Weg soll der Datenaustausch unter den Organen, die das EntsG vollziehen, optimiert und soll der Arbeitsaufwand und die Fehlerquote reduziert werden.

Der Bundesrat beauftragte am 23. November 2016 im Rahmen der Konkretisierungsmassnahmen zum Aktionsplan im FlaM-Vollzug das WBF bzw. das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), zusammen mit den Vollzugsorganen ein Schnittstellenkonzept für den Datenaustausch zu erarbeiten.

In der Folge wurde ein Konzept zur Datenübermittlung im Vollzug des EntsG ausgearbeitet, welches Schnittstellen für den Transfer von Datensätzen festlegt. Von Mai 2018 bis April 2020 wurde das Schnittstellenkonzept in einem Pilotprojekt unter Beteiligung einer PK, zweier Kontrollvereine und einer kantonalen Behörde getestet.

Das Schnittstellenkonzept wurde technisch in der Form einer Übermittlungs-Plattform umgesetzt, welche im Rahmen des Pilotprojekts entwickelt und getestet wurde.

Durch die standardisierte Definition der Schnittstellen kann eine weitgehende Unabhängigkeit in einer technisch heterogenen Landschaft von bestehenden Applikationen im Vollzug des EntsG gewährleistet werden. Mit dem Plattformservice ist es den Organen möglich, Informationen effizient und ohne Medienbrüche untereinander zu übermitteln.

Laut den Rückmeldungen der am Pilotprojekt Beteiligten wurde mit der medienbruchfreien Übermittlung eine
beträchtliche Effizienzsteigerung erzielt. Ebenso konnte die Datenqualität dank der Vermeidung von Kopierfehlern deutlich gesteigert werden.

Die Beteiligten waren sich einig, dass die Übermittlungsplattform einen grossen Mehrwert bringt.

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Eine Umfrage beim Verband der kantonalen Arbeitsmarktbehörden (VSAA) und der Interessengemeinschaft der PK (IG PBK) ergab weiter, dass eine möglichst flächendeckende Nutzung der Plattform angestrebt werden sollte, damit das bestehende Effizienz- und Qualitätsoptimierungspotenzial effektiv ausgeschöpft werden kann. Zu diesem Zweck sollte der Bund beim Betrieb der Plattform eine koordinierende respektive fördernde Rolle übernehmen. Vor diesem Hintergrund bietet sich eine Lösung an, in welcher der Bund die Plattform selbst über eine bundeseigene IT-Umgebung betreibt.

Aufgrund der erfolgreichen Testphase und der Ergebnisse der Konsultation soll die Plattform nun definitiv im Vollzug des EntsG eingeführt werden.

Hauptzweck der Plattform ist die Übermittlung von Kontrollergebnissen im Vollzug des EntsG durch die paritätischen und kantonalen Vollzugorgane. Im Rahmen dieser Datenübermittlung zwischen den Kontrollorganen können auch besonders schützenswerte Daten von natürlichen und juristischen Personen bearbeitet werden, insbesondere Informationen über die verwaltungs- und allenfalls strafrechtlichen Verfahren oder Sanktionen im Vollzug des EntsG. Stellt der Bund bzw. das SECO eine Plattform für die Datenübermittlung im Vollzug des EntsG zur Verfügung, so muss es die Daten vorübergehend aufbewahren können. Das SECO wird die Daten selber inhaltlich nicht bearbeiten, aber es erhält unter Umständen im Rahmen der Wartungsarbeiten Kenntnis vom Inhalt der Informationen, die die Kontrollorgane einander übermitteln. Daten über juristische Personen (auch besonders schützenswerte) fallen nicht mehr in den Geltungsbereich des neuen Datenschutzgesetzes vom 25. September 20204 (DSG), das am 1. September 2023 in Kraft tritt. Bearbeitet ein Bundesorgan solche besonders schützenswerte Daten, so muss dies nicht mehr ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sein, wenn die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Bearbeitung notwendig ist, in einem formellen Gesetz vorgesehen ist (Art. 57r Abs. 1 des geänderten Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19975 [RVOG], das am 1. September 2023 in Kraft tritt). In Bezug auf die juristischen Personen, die kontrolliert werden, muss also lediglich die neue Aufgabe des SECO ­das Führen der Plattform ­ im EntsG vorgesehen werden. Da aber auch selbstständige Dienstleistungserbringer
und damit natürliche Personen kontrolliert werden, muss die Bearbeitung von Informationen über verwaltungs- und strafrechtliche Verfahren oder Sanktionen über diese Personen im Gesetz explizit vorgesehen werden.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Für die Umsetzung der Plattform für die elektronische Kommunikation im Vollzug des EntsG bieten sich organisatorisch verschiedene Möglichkeiten hinsichtlich Anbieter und Betreiber der Plattform an. So könnten die Vollzugsorgane selber einen Dritten mit dem Betrieb der Plattform beauftragen, oder der Bund in seiner Funktion als Koordinator könnte die Plattform betreiben bzw. einen Dritten damit beauftragen.

Die Umfrage beim VSAA und bei der IG PBK ergab, dass eine möglichst flächen4 5

SR 235.1; AS 2022 491 SR 172.010; AS 2022 491

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deckende Nutzung der Plattform angestrebt werden soll. Beide Seiten wiesen u. a. auf die Verantwortung des Bundes zur Förderung der Effizienz der FlaM hin und sprachen sich dafür aus, dass der Bund eine aktive Rolle hinsichtlich der Plattform einnimmt. Eine dezentrale Lösung basierend auf einer Einigung unter den vielen Vollzugsorganen ­ ohne Beteiligung des Bundes ­ würde die genannten Ziele nicht erreichen.

Vor diesem Hintergrund wurde die Lösung gewählt, bei welcher der Bund die Plattform selbst über eine bundeseigene IT-Umgebung betreibt und mit der somit eine möglichst flächendeckende Nutzung erreicht werden kann. Das auf Bundesebene zuständige Amt, das SECO, hat das Information Service Center WBF (ISCeco) mit der Einrichtung und dem Betrieb der Plattform beauftragt. Das ISCeco ist der InformatikLeistungserbringer des WBF und entwickelt, integriert und betreibt Fachanwendungen für dieses. Die Vorteile dieser Lösung sind, dass die Koordination der Übermittlungsplattform im Vollzug des EntsG sichergestellt ist und aufgrund des erfolgreichen Pilotprojekts eine zeitnahe und vergleichsweise kostengünstige Variante umgesetzt werden kann.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20206 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20207 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

Die Revision wird aufgrund eines Auftrags des Bundesrates an das WBF, eine Plattform für die elektronische Kommunikation zwischen den FlaM-Vollzugsorganen zu betreiben, durchgeführt und ist aus folgenden Gründen angezeigt: Die Verbesserung der Effizienz im Vollzug des EntsG ist ein Daueranliegen des Bundesrates. So wurde im Rahmen der Bestrebungen zur Verbesserung der Arbeitsweise der PK und der Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den kantonalen und den paritätischen Vollzugsorganen u. a. überprüft, inwiefern die bestehenden IT-Instrumente vereinheitlicht werden sollten und könnten. Der Bundesrat hat am 23. November 2016 im Rahmen der Konkretisierungsmassnahmen zum Aktionsplan im FlaMVollzug das WBF bzw. das SECO beauftragt, zusammen mit den Vollzugsorganen ein Schnittstellenkonzept für den Datenaustausch im Vollzug des EntsG zu erarbeiten.

Die Einrichtung der Plattform für die elektronische Kommunikation im Vollzug des EntsG stellt das Ergebnis dieser Arbeiten dar und ist Ausfluss des erwähnten Aktionsplans des Bundesrates.

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BBl 2020 1777 BBl 2020 8385

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2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20058 (VlG) ist bei der Vorbereitung einer Gesetzesrevision im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) 9 eine Vernehmlassung durchzuführen. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VIG kann jedoch auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist. Für das vorliegende Vorhaben wurde ein Pilotprojekt durchgeführt, welches von einer Expertengruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Vollzugsorgane des EntsG begleitet wurde. Nach Abschluss des Pilotprojekts konsultierte das SECO die interessierten Verbände, den VSAA und die IG PBK, welche sich für eine möglichst flächendeckende Nutzung der Plattform aussprachen, wobei der Bund eine koordinierende respektive fördernde Rolle einnehmen sollte.

Durch den Einbezug der betroffenen kantonalen und paritätischen Vollzugsorgane während des Pilotprojekts und für die Festlegung des weiteren Vorgehens haben die interessierten Kreise sich zum Vorhaben geäussert und folglich wurde gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet.

3

Grundzüge der Vorlage

3.1

Die beantragte Neuregelung

Der Vollzug des EntsG obliegt in Branchen mit einem allgemeinverbindlich erklärten GAV den PK und in den übrigen Branchen den kantonalen Behörden (Art. 7 Abs. 1 EntsG). Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch unter diesen Vollzugsorganen sind in Artikel 8 EntsG geregelt. Der Bund finanziert diese Kontrolltätigkeit (Art. 7a EntsG) und nimmt die Oberaufsicht über den Vollzug des EntsG wahr (Art. 14 EntsG). Der neue Artikel 8a schafft eine Grundlage für den Betrieb einer elektronischen Übermittlungsplattform durch das SECO, auf welcher die Vollzugsorgane des EntsG die Daten im Vollzug des EntsG übermitteln können. Die gesetzliche Grundlage erlaubt es dem SECO, die zu diesem Zweck erforderlichen Personendaten und Daten juristischer Personen, welche auch besonders schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 5 Buchstabe c Ziffer 5 DSG und Artikel 57r Absatz 2 Buchstabe a RVOG (administrative Verfahren und Sanktionen) sein können, zu bearbeiten. Das Bearbeiten beschränkt sich auf das Aufbewahren der Daten und das Warten der Plattform.

Sinnbildlich lassen sich das Schnittstellenkonzept und die Übermittlungsplattform am besten mit einem Briefkastensystem veranschaulichen. Das erste Kontrollorgan lädt die von ihm auf seiner IT-Umgebung bearbeiteten Daten über eine Schnittstelle auf 8 9

SR 172.061 SR 101

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die Übermittlungsplattform und legt diese damit in den Briefkasten eines anderen Vollzugsorgans. Dieses holt die Daten dort ab und lädt sie zur Bearbeitung auf seine eigene IT-Umgebung herunter. Nach der Bearbeitung lädt das Vollzugsorgan das Dossier erneut auf die Übermittlungsplattform und sendet es in den Briefkasten des folgenden Vollzugsorgans, welches dieses zum Zweck der Bearbeitung abholen und auf seine IT-Umgebung herunterladen kann.

3.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Finanzierung der Übermittlungsplattform soll durch den Bund erfolgen. Diese wird aus dem Globalbudget des SECO finanziert und ist im Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan (IAFP) enthalten.

3.3

Umsetzungsfragen

Der vorgeschlagene Artikel 8a EntsG regelt die Grundzüge für den Betrieb und die Bearbeitung der Daten im Zusammenhang mit der Plattform. Der Betrieb der Plattform durch das SECO erfordert, dass dieses bzw. der Betreiber (ISCeco) gewisse Tätigkeiten für die Wartung der Plattform und die Aufbewahrung der Daten vornehmen kann. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten in der Verordnung vom 21. Mai 200310 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (EntsV).

Diese beinhalten die Verantwortung des SECO als Betreiber der Plattform für die Datensicherheit, insbesondere die technischen Anforderungen an die Plattform und die Schnittstelle, die Zugriffsrechte der Kontrollorgane nach Artikel 7 auf die Daten und die Dauer, während der diese auf der Plattform aufbewahrt werden können. Die Aufbewahrungsdauer soll zwölf Monate betragen. Die Übermittlung der Daten soll in verschlüsselter Form erfolgen. Als Betreiber der Plattform trägt das SECO zudem die Verantwortung für die eigene Bearbeitung der Daten im Rahmen der Aufbewahrung und der Wartungsarbeiten. Mit der Plattform ändert sich einzig die Art der Übermittlung zwischen den Vollzugsorganen, nicht die Datenbearbeitung. Demnach sind die PK und die kantonalen Behörden in ihrem gesetzlichen Aufgabenbereich für die Richtigkeit der Datenbearbeitung und für die Behandlung von Auskunfts- und Berichtigungsbegehren verantwortlich. Für die kantonalen Behörden ist das kantonale Datenschutzrecht massgebend. Dabei ist zu beachten, dass die Übermittlungsplattform nicht den gesamten Vollzugsprozess des EntsG von der Meldung des Dienstleistungserbringers vor Beginn seines Einsatzes bis hin zu einer allfälligen Verwaltungssanktion wegen Verstosses gegen das EntsG abdeckt. Die Plattform bringt im Stadium der Kontrolle den grössten Nutzen, da in diesem Rahmen am häufigsten Daten zwischen dem Kontrollverein, der PK und der kantonalen Behörde übermittelt werden.

Die Übermittlungsplattform wird auf einem Server des ISCeco angesiedelt. Damit ist die technische und fachliche Betreuung an der geeigneten Stelle gewährleistet. Die in

10

SR 823.201

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der EntsV definierten und vom SECO zu erfüllenden Anforderungen gelten auch für das von ihm beauftragte ISCeco.

4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 8 Abs. 2 zweiter Satz Die bisherige Grundlage für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch unter den Vollzugsorganen des EntsG wird um einen Verweis auf Artikel 8a ergänzt, wonach diese zum Zweck des Informationsaustausches die Plattform für die elektronische Kommunikation nach Artikel 8a verwenden können.

Art. 8a Der neue Artikel 8a schafft eine Grundlage für den Betrieb einer elektronischen Übermittlungsplattform durch das SECO, auf welcher die Vollzugsorgane des EntsG die Daten im Vollzug des EntsG übermitteln können. Die Aufgabe des SECO beschränkt sich auf das Aufbewahren der Daten und das Warten der Plattform (Abs. 2). Davon betroffen sind Daten über verwaltungs- und strafrechtliche Verfolgungen oder Sanktionen, die im Zusammenhang mit dem Vollzug des EntsG übermittelt werden. Letztere sind besonders schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 5 Buchstabe c Ziffer 5 DSG und Artikel 57r Absatz 2 RVOG. Die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten muss gemäss Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe a DSG in einem Gesetz im formellen Sinne verankert sein. Das SECO kann besonders schützenswerte Daten juristischer Personen bearbeiten, ohne dass dies im Gesetz explizit gesagt werden müsste (siehe Ziff. 1.1.2). Es genügt nach dem neuen Artikel 57r Absatz 1 RVOG, wenn die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Bearbeitung erforderlich ist, im Gesetz vorgesehen ist. Gleichwohl werden aus Transparenzgründen, und um Missverständnisse vorzubeugen, auch diese Daten in Artikel 8a Absatz 2 ausdrücklich genannt.

Art. 9 Abs. 3 erster Satz Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung: Da das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) weiter oben in Artikel 8a Absatz 1 erstmals genannt wird, kann in Artikel 9 direkt die Abkürzung verwendet werden.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Plattform ist ein technisches Instrument, welches die administrativen Abläufe im Vollzug des EntsG effizienter und sicherer werden lässt. Es sind keine Auswirkungen auf das Vollzugssystem des EntsG und auf die Funktion des Bundes in seiner Oberaufsicht über den Vollzug des EntsG (Art. 14 EntsG) damit verbunden. Der Bund ist heute schon verpflichtet, den Austausch und die Zusammenarbeit unter den Vollzugsorganen des EntsG und der FlaM durch geeignete Mittel zu fördern, namentlich 10 / 14

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durch das Zurverfügungstellen des erforderlichen Materials und durch die Schaffung adäquater Austauschstellen (Art. 13 Abs. 2 EntsV).

Da die Übermittlungsplattform bereits im Rahmen des Pilotprojekts entwickelt und getestet wurde und das SECO die Eigentümerreche an der Plattform innehat, sind die Kosten für die Bereitstellung durch das ISCeco relativ gering. Die erstmalige Bereitstellung und Finanzierung der Anschlusskosten der kantonalen und paritätischen Vollzugsorgane werden auf rund 750 000 Franken (inkl. Bundesbeteiligung an Umrüstungskosten) veranschlagt. Hinzu kommen die jährlichen Betriebskosten und Kosten für die Betreuung der Nutzerinnen und Nutzer von insgesamt rund 125 000 Franken.

Die Kosten für die erstmalige Bereitstellung und den Betrieb der Plattform werden durch die bestehenden Mittel im Globalbudget des SECO getragen. Die Errichtung und der Betrieb der Plattform können mit den bestehenden Personalressourcen des SECO bewältigt werden.

5.2

Auswirkungen auf Kantone

Die einmaligen Anschlusskosten der kantonalen und paritätischen Vollzugsorgane an die Plattform des Bundes werden gemäss Ziffer 5.1 durch den Bund finanziert. Seitens der Kantone fallen für die Nutzung der Plattform keine zusätzlichen Betriebskosten an. Zusätzliche personelle Ressourcen sind nicht erforderlich. Mittelfristig ist bei den Kantonen und bei den paritätischen Vollzugskommissionen aufgrund der Effizienzsteigerung durch die Plattform weniger administrativer Aufwand im Vollzug des EntsG zu erwarten.

5.3

Auswirkungen auf weitere Bereiche

Auf nationaler Ebene sind in den Bereichen Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt keine darüber hinausgehenden Auswirkungen zu erwarten. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht weiter geprüft.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsgrundlage für Artikel 8a EntsG findet sich in Artikel 110 BV.

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6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Wie in der Botschaft vom 23. Juni 199911 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG erwähnt, stützt sich das EntsG auf die EURichtlinie 96/71/EG12. Anhang I Artikel 22 FZA bezieht sich ausdrücklich auf diese Richtlinie. Es finden sich darin keine konkreten Regelungen zur Ausgestaltung der Vollzugsmassnahmen. In der Schweiz sind die Kontrollen seit Beginn der FlaM dual ausgestaltet. Die Bekanntgabe bzw. Übermittlung der Informationen, die bei den Kontrollen erhoben werden, erfolgt bereits heute. Neu werden diese via Schnittstelle oder Plattform erfolgen, was zu einem effizienteren Kontrollsystem führen soll. Am Vollzugssystem selbst ändert die Art und Weise der Bekanntgabe nichts, weshalb der Entwurf mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist.

6.3

Erlassform

Da mit diesem Entwurf ein geltendes Bundesgesetz geändert wird, ist der Erlass im Sinne von Artikel 164 BV in die Form eines Bundesgesetzes zu kleiden.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen geschaffen, die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach sich ziehen, noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen mit Ausgaben über einem der Schwellenwerte beschlossen.

6.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die geltende Finanzierungsregelung wird unverändert beibehalten.

6.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Regelung der datenschutzrechtlichen Anforderungen hinsichtlich des Betriebs der Plattform für die elektronische Kommunikation wird an den Bundesrat delegiert. Das SECO als Betreiber der Plattform trägt die Verantwortung für die Datensicherheit (Art. 7 DSG). In der EntsV sind daher insbesondere die technischen Anforderungen an die Plattform und die Schnittstelle sowie der Zugriff der Kontrollorgane auf die Daten zu regeln. In der EntsV wird zudem die Dauer, während der die Daten auf der Plattform aufbewahrt werden dürfen, auf 12 Monate beschränkt.

11 12

BBl 1999 6128 Richtlinie 96/71 vom 16. Dez. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen; Abl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1.

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6.7

Datenschutz

Da auf der elektronischen Plattform auch besonders schützenswerte Daten über Verwaltungssanktionen und Sanktionsverfahren gemäss Artikel 9 EntsG übermittelt werden können, ist für die Aufbewahrung der Daten auf der Plattform durch den Bund eine explizite Grundlage im EntsG erforderlich (siehe dazu Ziff. 1.1.2 und 4).

Der Bund ist zudem für die Datensicherheit auf der Plattform verantwortlich (Art. 7 DSG). Die Anforderungen an die Datensicherheit wie die technischen Anforderungen an die Plattform und die Schnittstelle sowie der Zugriff der Kontrollorgane des EntsG werden in der EntsV präzisiert.

Es sind keine Abgrenzungsschwierigkeiten in Bezug auf die Verantwortung für die Datenbearbeitung durch die Vollzugsorgane des EntsG zu erwarten. Der Bund ist nicht am Vollzug des EntsG beteiligt und nimmt daher nicht am Austausch von Vollzugsdaten zwischen den PK und den kantonalen Behörden teil. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch unter den PK und den kantonalen Behörden ist in Artikel 8 EntsG geregelt. In Artikel 8 Absatz 2 wird neu ein Verweis auf die Nutzung der elektronischen Plattform gemäss Artikel 8a im Vollzug des EntsG eingeführt. Die PK und die kantonalen Behörden sind in ihrem gesetzlichen Aufgabenbereich für die Datenbearbeitungsprinzipien, wie die Rechtmässigkeit der Bearbeitung, die Datenrichtigkeit und die Behandlung von Auskunfts- und Berichtigungsbegehren, verantwortlich. Für die kantonalen Behörden ist das kantonale Datenschutzrecht massgebend, für die Tätigkeiten der PK ist das DSG anwendbar. An dieser Ausgangslage ändert sich durch den Betrieb der Plattform nichts. Als Betreiber der Plattform trägt der Bund primär die Verantwortung für die Sicherheit der Plattform, die PK und die kantonalen Behörden sind gemäss den jeweils anwendbaren Erlassen für die Datenbearbeitung verantwortlich.

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