BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.008 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2022 einschliesslich Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2022 vom 11. Januar 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir erstatten Ihnen Bericht über wichtige Fragen der Aussenwirtschaftspolitik 2022, gestützt auf Artikel 10 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen, und ersuchen Sie, vom Bericht Kenntnis zu nehmen.

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung: 1.

die Entwürfe der folgenden Bundesbeschlüsse, mit je einer Botschaft, gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen (Beilagen zur Genehmigung, Teil I): ­ Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen KaffeeÜbereinkommens von 2022; ­ Bundesbeschluss über die Genehmigung des 2022 revidierten Internationalen Kakao-Übereinkommens von 2010; ­ Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Deutschland über Zusammenarbeit und Koordinierung der Wettbewerbsbehörden;

2.

den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen, mit dem Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2022 (Beilagen zur Genehmigung, Teil II), gestützt auf Artikel 10 Absatz 4 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen in Verbindung mit Artikel 13 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986, mit Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2017 über die Einfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten und mit Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981.

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Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. Januar 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Zusammenfassung Der Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2022 gibt eine Übersicht über wichtige Fragen der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik im Berichtsjahr und ordnet diese in die Aussenwirtschaftsstrategie 2021 ein. Die Genehmigung der Geschäftsführung erfolgt anlässlich der Behandlung des jährlichen Geschäftsberichts des Bundesrates.

Die Schweizer Wirtschaft erholte sich im Berichtsjahr erwartungsgemäss (Ziff. 1).

Die globale Unsicherheit nahm jedoch weiter zu. Ebenso ist weltweit ein Anstieg der Inflation zu verzeichnen. Neben den anhaltenden Lockdown-Phasen in China erschweren seit Ende Februar 2022 die Auswirkungen der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine den internationalen Handel. Zudem verknüpfen vermehrt Länder ihre Wirtschafts- und Handelspolitik mit sicherheitspolitischen Überlegungen. Die Tendenzen zu mehr Protektionismus sowie zur Bildung wirtschaftlicher und politischer Blöcke verstärkten sich weiter.

Das Schwerpunktkapitel (Ziff. 2) befasst sich dieses Jahr mit den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Weltwirtschaft, insbesondere auf die globalen Produktions- und Lieferketten. Der Krieg in der Ukraine beeinflusste die Handelsströme insbesondere bei Nahrungsmitteln und Energieträgern. Die schweizerische Wirtschaft bewies erneut ihre Resilienz. Entscheidend war die Diversifizierung der Beschaffungsquellen. Der Bundesrat ergriff gezielt Massnahmen, um die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern, wie Nahrungsmitteln und Energieträgern, sicherzustellen. Beispielsweise senkte er den Grenzschutz auf Futtergetreide und stärkte die Strom- und Gasversorgung.

Mit der vom Parlament beschlossenen Aufhebung der Industriezölle oder etwa mit der Digitalisierung der Zollprozesse sollen optimale Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft geschaffen werden (Ziff. 3). Der Zugang der Schweizer Wirtschaft zu Infrastrukturgrossprojekten im Ausland wird durch das enge Zusammenwirken der relevanten Bundesstellen und der Privatwirtschaft gefördert («Team Switzerland»Ansatz). Bereits im Berichtsjahr zeigte sich der Erfolg dieses Ansatzes an der vermehrten Beteiligung von Schweizer Unternehmen an Infrastrukturprojekten im Ausland.

Für den Bundesrat ist die Beibehaltung des bilateralen Wegs mit der wichtigsten Handelspartnerin der Schweiz, der EU, weiterhin prioritäres Ziel
(Ziff. 4). Dazu legte er am 23. Februar 2022 die Stossrichtung für ein Verhandlungspaket fest. Die Schweiz und die EU führten im Berichtsjahr Sondierungsgespräche, um auszuloten, wie eine gemeinsame Grundlage für allfällige zukünftige Verhandlungen aussehen könnte. In diesen Gesprächen wurde ein gemeinsames Verständnis über den vom Bundesrat eingebrachten Paketansatz entwickelt. Im Zusammenhang mit dem Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten genehmigte der Bundesrat im Berichtsjahr eine Mehrzahl der Umsetzungsabkommen. Die fortschreitende Regulierung neuer Themengebiete im Binnenmarkt der EU und industriepolitische Vorschläge haben auch Auswirkungen auf die Schweiz. Der Bundesrat verfolgte die Entwicklungen eng und leitete beispielsweise Abklärungen für Handlungsoptionen im Zusammenhang mit dem vorgesehenen CO2-Grenzausgleichsmechanismus ein.

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Die geografische Diversifizierung leistet einen wichtigen Beitrag zur Verlässlichkeit der Wertschöpfungsketten und damit zur Widerstandsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft. Der Bundesrat hat deshalb die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftspartnern in allen Regionen, aber besonders mit den prioritären Wirtschaftspartnern der Schweiz vertieft (Ziff. 5). Die laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen wurden fortgeführt. Auch ein Investitionsschutzabkommen mit Indonesien und ein Wettbewerbsabkommen mit Deutschland wurden im Berichtsjahr unterzeichnet. Die Verhandlungen über ein Abkommen betreffend die gegenseitige Anerkennung der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel mit den USA wurden abgeschlossen.

Die Verhandlungen in den multilateralen Organisationen zeigten erfreuliche Ergebnisse (Ziff. 6). Die 12. WTO-Ministerkonferenz leistete einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des multilateralen Handelssystems. Erstmals seit 2013 konnte mit dem Abkommen über Hochseefischereisubventionen ein neues multilaterales Abkommen vereinbart werden. Auch setzte sich die Schweiz zur Durchsetzung ihrer Interessen in WTO-Streitbeilegungsverfahren ein. Im Verfahren der Schweiz gegen die von den USA verhängten Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte veröffentlichte das Panel im Dezember 2022 seinen Abschlussbericht: die Schweiz erhielt Recht. In der Internationalen Arbeitsorganisation wurden erstmals seit 1998 die vier bestehenden Grundprinzipien und -rechte bei der Arbeit um ein weiteres ergänzt: das Recht auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld. Des Weiteren konnten nach 15 Verhandlungsrunden innert zwei Jahren die Verhandlungen über die Modernisierung des Energiechartavertrags zum Schutz der Investitionen im Energiebereich abgeschlossen werden. Der Vertrag konnte noch nicht verabschiedet werden, da noch nicht alle Parteien beschlussfähig waren.

Der Bundesrat bekräftigte sein Engagement für einen nachhaltigen Handel (Ziff. 7).

Neben dem oben erwähnten Abschluss eines multilateralen Abkommens über Hochseefischereisubventionen sind die gut vorangekommenen Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zu Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit hervorzuheben. In Bezug auf Freihandelsabkommen verabschiedete der Bundesrat seinen Bericht über Ex-ante-Nachhaltigkeitsanalysen. Eine solche Analyse wurde erstmals
anlässlich der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Thailand lanciert. Als weitere Massnahme, im Bereich der Förderung der sozialen Nachhaltigkeit, beteiligte sich die Schweiz finanziell am neuen Programm «Productivity Ecosystems for Decent Work» der Internationalen Arbeitsorganisation. Sehr wichtig waren dem Bundesrat ausserdem die Rahmenbedingungen und Standards für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. So unterstützte der Bundesrat die Prozesse der OECD zur Aktualisierung der Leitsätze für multilaterale Unternehmen und der Corporate Governance. Zudem verfasste er einen Leitfaden, um Schweizer Unternehmen im Ausland für die Achtung von Menschenrechten zur sensibilisieren.

Der Bericht enthält erstmals ein Kapitel zur digitalen Wirtschaft, einem Handlungsfeld der neuen Aussenwirtschaftsstrategie (Ziff. 8). Die Schweiz brachte sich etwa in die multilateralen WTO-Verhandlungen zu E-Commerce ein und stellte in den bilateralen Freihandelsverhandlungen das überarbeite E-Commerce-Modellkapitel vor.

Ebenso führte die Schweiz mit den USA Sondierungsgespräche für eine Nachfolgelösung zum sogenannten Privacy Shield, um einen möglichst reibungslosen Datenfluss zwischen der Schweiz und den USA zu gewährleisten.

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Die Schweiz setzte sich auch im Berichtsjahr für die von der Covid-19-Krise und dem Krieg in der Ukraine besonders betroffenen Schwellen- und Entwicklungsländer ein (Ziff. 9). Beispielsweise förderte die Schweiz mit Projekten im Bereich der Digitalisierung die Integration der Partnerländer und deren Unternehmen in die Weltwirtschaft. Die Übernahme des Vorsitzes ihrer Stimmrechtsgruppen bei der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank sowie dem Grünen Klimafonds verschaffte der Schweiz mehr Einfluss in der strategischen Ausrichtung der beiden Organisationen.

Sanktionen, Exportkontrollen und Rüstungskontrollpolitik stellten die Schweiz im Berichtsjahr vor grosse Herausforderungen (Ziff. 10). Als Reaktion auf die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine schloss sich die Schweiz den umfassenden Sanktionen der EU fast vollumfänglich an.

Ausblick Das geopolitische sowie das globale makroökonomische Umfeld dürften auch im kommenden Jahr von grossen Herausforderungen geprägt bleiben. Bei einem fortwährenden Krieg in der Ukraine wird die Energieversorgungslage voraussichtlich auch im Winter 2023/24 angespannt sein. Der Bundesrat wird daher die Lage verfolgen und bei Bedarf zusätzliche Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung im Falle einer drohenden Mangellage treffen.

Vor diesem Hintergrund bleibt die Diversifizierung der Wertschöpfungsketten wichtig für die Resilienz der schweizerischen Wirtschaft. Der Bundesrat wird die Instrumente der Wirtschafts- und Handelsdiplomatie nutzen, um den offenen, hürdenfreien und geregelten Handel zu fördern. Eine besonders wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auf multilateraler Ebene die WTO-Reform, für die sich der Bundesrat weiterhin einsetzen wird. Das schliesst die Wiederherstellung der Streitschlichtung, die Verhandlungen über die verbleibenden Themen bei den Hochseefischereisubventionen, die Lehren aus der Covid-19-Pandemie und die Verlängerung des Moratoriums gegen Zollabgaben auf elektronische Übermittlungen ein. Ebenso wird sich der Bundesrat im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit weiterhin für die Resilienz und Diversifizierung der Wirtschaft der Entwicklungs- und Schwellenländer einsetzen.

In den bilateralen oder plurilateralen Wirtschaftsbeziehungen bleiben der Abschluss und die Modernisierung von Freihandelsabkommen
und Investitionsschutzabkommen zentral. Der Bundesrat wird sich für den raschen Abschluss der Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Kosovo, Malaysia, Mercosur und Thailand einsetzen. Zur Weiterentwicklung der Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich führt der Bundesrat die Gespräche über eine mögliche Modernisierung des Handelsabkommens sowie die Verhandlungen über ein Finanzdienstleistungsabkommen fort.

Die Weiterentwicklung und die Stärkung der bilateralen Beziehungen mit der EU haben für den Bundesrat weiterhin höchste Priorität. Bevor die Schweiz und die EU Verhandlungen aufnehmen können, muss eine ausreichende gemeinsame Basis geschaffen werden. Deshalb sollen die Sondierungen weitergeführt werden.

Die beiden thematischen Schwerpunkte der Aussenwirtschaftsstrategie, «Nachhaltigkeit bei Umwelt und Sozialem» sowie «digitale Wirtschaft», bleiben zentral. So wird sich der Bundesrat im Rahmen der WTO beispielsweise für die Fortführung der 5 / 86

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plurilateralen Verhandlungen zum Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit einsetzen. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Thailand wird erstmals eine Ex-ante-Nachhaltigkeitsanalyse durchgeführt. Zur Stärkung der verantwortungsvollen Unternehmensführung wird sich der Bundesrat im Rahmen der OECD für die Verabschiedung der aktualisierten Leitsätze für multilaterale Unternehmen engagieren.

Im Zusammenhang mit der Integration der digitalen Wirtschaft wird der Bundesrat auch im nächsten Berichtsjahr an der Weiterentwicklung des internationalen Regelwerks zum elektronischen Handel arbeiten; und dies sowohl im Rahmen der plurilateralen WTO-Prozesse als auch im Rahmen von Freihandelsabkommen und Digitalabkommen.

Wichtig ist dem Bundesrat bei diesen Tätigkeiten die Gewährleistung einer partizipativen Aussenwirtschaftspolitik. Die interessierten Kreise werden über verschiedene Kanäle verstärkt einbezogen.

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Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung

3

Abkürzungsverzeichnis

10

1

Allgemeine aussenwirtschaftliche Lage 1.1 Wirtschafts- und Konjunkturlage 1.2 Geopolitische Entwicklungen

11 11 12

2

Schwerpunktkapitel: Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Weltwirtschaft, insbesondere auf die globalen Produktions- und Lieferketten 2.1 Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf den Welthandel und die Handelspolitik 2.1.1 Auswirkungen auf Handelsströme und Investitionen 2.1.2 Auswirkungen auf die Handels- und Investitionspolitik 2.1.3 Auswirkungen der Sanktionspolitik der Schweiz und ihrer Handelspartner 2.2 Wertschöpfungsketten auf dem Prüfstand 2.2.1 Bedeutung der Wertschöpfungsketten für die Resilienz 2.2.2 Rolle des Staates in der Stärkung der Resilienz 2.3 Massnahmen des Bundesrates zur Stärkung der Resilienz 2.3.1 Aussenwirtschaftspolitische Massnahmen 2.3.2 Stärkung der Versorgung 2.4 Fazit

3

4

Wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen mit Bezug zur Aussenwirtschaft 3.1 Massnahmen zur Vereinfachung des internationalen Warenhandels 3.1.1 Aufhebung der Industriezölle 3.1.2 Transformationsprogramm DaziT und Revision des Zollgesetzes 3.2 Investitionsprüfung 3.3 Wirtschaftspolitische Massnahmen zur Standortförderung: Infrastrukturgrossprojekte 3.4 Wirtschaftspolitische Massnahmen zur Stärkung der Resilienz der Schweizer Wirtschaft 3.5 Einbezug der interessierten Kreise Wirtschaftsbeziehungen mit der EU 4.1 Die EU als wichtigste Handelspartnerin der Schweiz 4.2 Offene Punkte in den Gesamtbeziehungen mit der EU 4.3 Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten

13 13 13 16 18 20 20 22 23 23 25 28 29 30 30 30 31 31 33 33 33 34 36 37

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4.4

5

Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts und neue Partnerschaften der EU mit Drittstaaten 4.4.1 Auswirkungen von EU-Regulierungen auf die Schweiz 4.4.2 Strategische Autonomie

38 38 39

Bilaterale Beziehungen und Wirtschaftsabkommen 5.1 Priorisierung der Partnerländer 5.2 Bilaterale Wirtschaftsabkommen 5.2.1 Freihandelsabkommen 5.2.2 Investitionsschutzabkommen 5.2.3 Weiterentwicklung und Vertiefung der Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich 5.2.4 Wettbewerbsabkommen Schweiz­Deutschland

40 40 42 42 43

6

Multilaterale Beziehungen und Wirtschaftsabkommen 6.1 Welthandelsorganisation 6.1.1 Multilaterale Ergebnisse der Ministerkonferenz 6.1.2 Plurilaterale Verhandlungsthemen 6.1.3 Fälle in der WTO-Streitschlichtung 6.2 Internationale Arbeitsorganisation 6.3 OECD 6.4 Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer 6.5 Modernisierung des Energiechartavertrags

45 45 46 47 48 49 49 51 52

7

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung 7.1 Beitrag der Aussenwirtschaftspolitik zur Nachhaltigkeit 7.1.1 Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung 7.1.2 WTO und ökologische Nachhaltigkeit 7.1.3 FHA und nachhaltige Entwicklung 7.1.4 Soziale Dimension der Nachhaltigkeit 7.2 Verantwortungsvolle Unternehmensführung 7.2.1 Transparenz und Sorgfaltspflichten im Bereich Mensch und Umwelt 7.2.2 Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen 7.2.3 Aktionspläne zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt sowie zu Wirtschaft und Menschenrechten 7.2.4 Aktualisierung der G20/OECD-Grundsätze der Corporate Governance 7.2.5 Stärkung der Integrität und Nachhaltigkeit im Rohstoffsektor

53 53 53 54 55 56 58

Digitale Wirtschaft 8.1 Rahmenbedingungen der digitalen Wirtschaft 8.2 Multilaterale und plurilaterale Prozesse

63 63 64

8

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44 45

58 59 60 61 61

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8.3 8.4 9

Bilaterale Prozesse Entwicklungen im EU-Binnenmarkt

64 65

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 9.1 Zusammenspiel der internationalen Zusammenarbeit und der Aussenwirtschaftsstrategie 9.2 Wirkungsmessung in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit 9.3 Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Digitalisierung 9.4 Multilaterale Zusammenarbeit

66

10 Exportkontrolle, Sanktionen und Rüstungskontrollpolitik 10.1 Exportkontrolle 10.2 Sanktionsmassnahmen 10.3 Rüstungskontrollpolitik 10.3.1 Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» 10.3.2 Kriegsmaterialexporte im Kontext des Kriegs in der Ukraine

70 70 70 72

11 Anhänge 11.1 Verhandlungsthemen in der WTO 11.2 Laufende Verhandlungen zu Freihandelsabkommen 11.3 Aktivitäten von Gemischten Ausschüssen unter bestehenden Freihandelsabkommen 11.4 Laufende Verhandlungen über Investitionsschutzabkommen 11.5 Laufende Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen 11.6 Treffen von Gemischten Wirtschaftskommissionen und Wirtschaftsmissionen 11.7 Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

73 73 74

12 Beilagen zur Genehmigung 12.1 Teil I: Wirtschaftsvereinbarungen 12.2 Teil II: Zolltarifarische Massnahmen

85 85 86

67 68 68 69

72 72

77 78 79 82 84

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Abkürzungsverzeichnis AS

Amtliche Sammlung des Bundesrechts

BBl

Bundesblatt

Covid-19 Coronavirus-Krankheit-2019 (aufgrund einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus, Severe Acute Respiratory Syndrome) DBA

Doppelbesteuerungsabkommen

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EU

Europäische Union

FHA

Freihandelsabkommen

G20

Gruppe der Zwanzig (Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA, Vereinigtes Königreich)

IAO

Internationale Arbeitsorganisation

ISA

Investitionsschutzabkommen

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development)

SDG

Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der UNO (Sustainable Development Goals)

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SR

Systematische Sammlung des Bundesrechts

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organization)

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organization)

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Bericht 1

Allgemeine aussenwirtschaftliche Lage

1.1

Wirtschafts- und Konjunkturlage

Im Berichtsjahr setzte sich die Erholung der Schweizer Wirtschaft fort. Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) der Schweiz lag bis im dritten Quartal 2022 im Rahmen der Erwartungen, gestützt insbesondere durch die Binnennachfrage.1 Der private Konsum wurde durch die günstige Entwicklung des Arbeitsmarkts gestützt. Die saisonbereinigte Quote der registrierten Arbeitslosen sank im November 2022 auf 2,0 Prozent, den tiefsten Wert seit 20 Jahren. Gleichzeitig bremste das internationale Umfeld die konjunktursensitiveren Bereiche des verarbeitenden Gewerbes, wie die Maschinen- oder Metallindustrie.

Die starken Anstiege der Energiepreise führten auch in der Schweiz zu einer höheren Teuerung gegenüber den Vorjahresmonaten von bis zu 3,5 Prozent im Sommer 2022.2 Im Vergleich mit anderen Ländern blieb diese allerdings moderat (vgl. Ziff. 2). Dazu dürften der vergleichsweise tiefe Ausgabenanteil der Haushalte für Energie und die energieeffiziente Wirtschaft beigetragen haben. Um dem Anstieg der Inflation entgegenzuwirken erhöhten verschiedene Zentralbanken, darunter die Schweizerische Nationalbank, ihre Leitzinsen.

Der weitere Konjunkturverlauf wird entscheidend von der weltwirtschaftlichen Entwicklung sowie von der Energieversorgung abhängen. Im Verlauf der Herbstmonate zeichnete sich, zumindest im Hinblick auf die kurzfristige Entwicklung, eine gewisse Entspannung der Energiesituation ab. Die europäischen Gasspeicher waren besser gefüllt als erwartet und die Pegel der Schweizer Stauseen überdurchschnittlich hoch. An den Spot- und Terminmärkten blieben die Preise trotzdem um ein Mehrfaches über den Werten vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine.

Gemäss der Dezember-Prognose der Expertengruppe Konjunkturprognosen ist für die Schweiz für das Jahr 2023 ein BIP-Wachstum von 1,0 Prozent zu erwarten (Sportevent-bereinigt; Prognose von September: 1,1 %), bei einer Inflation von 2,2 Prozent (Prognose von September: 2,3 %).3 Damit würde sich die Schweizer Wirtschaft schwach entwickeln, ohne aber in eine schwere Rezession zu geraten. Diese Prognose setzt voraus, dass weder im Winter 2022/23 noch im darauffolgenden Winter 2023/24 eine ausgeprägte Energiemangellage mit breitflächigen Produktionsausfällen eintritt.

1

2

3

Quartalsdaten Bruttoinlandprodukt des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zum BIP gemäss Produktionsseite, Sportevent-bereinigt, vom 29. Nov. 2022, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Wirtschaftslage & Wirtschaftspolitik > Wirtschaftslage > Bruttoinlandprodukt > Daten (Stand: 15.12.2022).

Monatliche Inflationsdaten des Bundesamts für Statistik, Landesindex der Konsumentenpreise, Totalindex auf allen Indexbasen, vom 1. Dez. 2022, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Preise > Konsumentenpreise > Indexierung (Stand: 15.12.2022).

Konjunkturprognose der Expertengruppe des Bundes vom 13. Dez. 2022, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Wirtschaftslage & Wirtschaftspolitik > Wirtschaftslage > Konjunkturprognosen (Stand: 15.12.2022).

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Sie geht aber davon aus, dass die Energiesituation angespannt und die Energiepreise hoch bleiben. Die Unsicherheit hinsichtlich der Energiesituation ist aber gross.

1.2

Geopolitische Entwicklungen

Die weltweite wirtschaftliche Unsicherheit nahm im Berichtsjahr trotz einer deutlichen Erholung von den Auswirkungen der Covid-19-Krise zu. Sie wird genährt durch die getrübten wirtschaftlichen Aussichten in den drei grössten Wirtschaftsräumen USA, China und Europäische Union (EU). Zum einen hängen diese mit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine zusammen (vgl. Ziff. 2). Diese führte zu Verwerfungen auf den internationalen Märkten und akzentuierte geopolitische Trends. Darüber hinaus zeigten sich die Risiken der starken Abhängigkeit Europas, einschliesslich der Schweiz, von russischen Energieträgern. Zum anderen steigt die Inflation weltweit, wovon Entwicklungs- und Schwellenländer überproportional betroffen sind. Die Null-Covid-Politik Chinas wirkt sich darüber hinaus negativ aus, namentlich durch anhaltende Unterbrüche von Produktions- und Lieferketten. Im Hintergrund findet ein immer offener ausgetragener Systemwettbewerb zwischen den USA und China statt. Er drückt sich in einem gegenseitigen Willen zur Entflechtung («Decoupling») einer der bedeutendsten globalen Handelsbeziehungen der jüngeren Geschichte aus. Die Vorkommnisse in der Taiwanstrasse und die dadurch verschärften sicherheitspolitischen Risiken unterstreichen diese Tendenz.

In diesem Umfeld richtet sich auch die Wirtschafts- und Handelspolitik zahlreicher Länder zunehmend an Sicherheitserwägungen aus. Staatliche Eingriffe in Form von Sanktionen, Netz- und Informationssperren, Export- und Kapitalbeschränkungen gewinnen an Bedeutung. Bereits bestehende politische Bestrebungen zu einer Rückverlagerung gewisser Wertschöpfungsketten, auch durch industriepolitische Instrumente, erhalten weiteren Auftrieb. Gleichzeitig zeigen traditionelle Alliierte wie die EU mit ihren Mitgliedstaaten und die USA den Willen zur gegenseitigen Annäherung. Russland konnte manche seiner Partnerschaften, etwa mit China, der Türkei oder dem Iran, festigen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen, die alle Regionen und Volkswirtschaften betreffen, sehen sich die Schweiz und ihre global ausgerichtete Wirtschaft mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Diese umfassen etwa erhöhte Preise für Energie, Rohstoffe und Logistik sowie bedeutende Unsicherheiten für Investitionen und für die grenzüberschreitenden Produktions- und Lieferketten.
In welchem Ausmass sich diese Unwägbarkeiten auf das globale Wachstum, den Handel und die Investitionen auswirken werden, lässt sich derzeit nicht abschliessend beurteilen. Sie stellen aber einmal mehr die Resilienz der internationalen Wirtschaft auf die Probe, da sie das notwendige Vertrauen in die internationale Arbeitsteilung erschüttern. Diese ist allerdings Grundlage des weltweiten, und insbesondere des schweizerischen, Wohlstands. Die Schweiz ist als offene, mittelgrosse Volkswirtschaft, die keinem Wirtschaftsblock angehört, besonders exponiert. Deshalb setzt sie sich weiterhin für offene Märkte und die internationale Zusammenarbeit ein. Die geografische Diversifizierung ihrer Wirtschaft trägt zur Versorgungssicherheit bei. Dies zeigte sich im Rahmen der Covid-19-Krise und nun erneut angesichts des Kriegs in

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der Ukraine.4 Das diesjährige Schwerpunktkapitel ist deshalb den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die globalen Produktions- und Lieferketten und den Handlungsmöglichkeiten der Schweiz gewidmet (vgl. Ziff. 2).

2

Schwerpunktkapitel: Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Weltwirtschaft, insbesondere auf die globalen Produktions- und Lieferketten

Der Krieg in der Ukraine verursachte weitreichende aussenwirtschaftliche Verwerfungen. Die Unternehmen sind ebenso wie in der Covid-19-Krise gefordert, die Resilienz der globalen Produktions- und Lieferketten zu stärken. Im vorliegenden Kapitel werden zunächst die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine genauer beleuchtet, bevor die Rolle der Wertschöpfungsketten und die staatlichen Handlungsoptionen zur Erhöhung der Resilienz erörtert werden. Abschliessend werden die aktuellen Massnahmen der Schweiz zusammengefasst.

2.1

Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf den Welthandel und die Handelspolitik

2.1.1

Auswirkungen auf Handelsströme und Investitionen

Als grosse Exporteure von Energieträgern, Lebens- und Futtermitteln sowie Industrierohstoffen sind Russland und die Ukraine für die Weltwirtschaft bedeutend. So hatten 2019 beide Länder zusammen einen Anteil von gut 25 Prozent an den weltweiten Weizenexporten. Russland war 2019 der grösste Exporteur von Erdgas, Palladium, Nickel und Eisen- und Stahlprodukten sowie der zweitgrösste Exporteur von raffinierten Erdölprodukten. Die Ukraine ist vor Russland das weltweit wichtigste Exportland von Sonnenblumenöl.

Der Krieg in der Ukraine wirkte sich stark auf den internationalen Handel aus. Zum einen wurden die Produktion in der Ukraine eingeschränkt und gewisse Produktionsstandorte zerstört, was global insbesondere das Angebot gewisser Grundnahrungsmittel begrenzte. Zum anderen führte der Krieg zu logistischen Problemen, etwa aufgrund nicht mehr verfügbarer Häfen und Luftraumsperrungen. Weiter schränkten auch westliche Sanktionen sowie eigene Exportbeschränkungen den russischen Aussenhandel mit gewissen Gütern ein.

Damit verschärften sich die seit der Covid-19-Krise bestehenden Lieferkettenprobleme weiter. Russische und, zu einem geringeren Teil, ukrainische Exporte dienten vor dem Krieg als Vorleistungen für verschiedene Industriebranchen, darunter etwa das Baugewerbe oder die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie. Die Lieferkettenprobleme hemmten die Industrie insbesondere in Europa und wirkten sich nachgelagert auf weitere, nicht direkt betroffene Unternehmen aus. Im Laufe des 4

Bericht des Bundesrates vom 20. Jan. 2021 zur Aussenwirtschaftspolitik 2020, Schwerpunktkapitel «Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den internationalen Handel und die globalen Wertschöpfungsketten» (BBl 2021 343).

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Berichtsjahres konnten indes wichtige Güter, wie zum Beispiel Kabelbäume, zum Teil substituiert werden, wodurch der Druck auf die Lieferketten etwas nachliess.

Global trug der Krieg zu starken Preisanstiegen bei: Die Energiepreise erreichten im ersten Halbjahr 2022 Niveaus, die zuletzt vor Ausbruch der Finanzkrise beobachtet wurden. Auch die Preise von Nahrungsmitteln sowie Metallen und Mineralien stiegen im Zuge des Kriegs deutlich an. Sowohl bei Metallen und Mineralien als auch bei Erdöl liess der Preisdruck im Jahresverlauf allerdings wieder nach, nicht zuletzt im Zuge einer abgeschwächten Nachfrage aus China und Befürchtungen einer allgemein nachlassenden Konjunktur. Auch die Weltmarktpreise für Lebensmittel, insbesondere für Weizen, gingen nach Inkrafttreten der Black Sea Grain Initiative wieder etwas zurück. Die Black Sea Grain Initiative wurde am 22. Juli 2022 von Russland und der Ukraine mit der Türkei und den Vereinigten Nationen unterzeichnet. Sie soll den Export von ukrainischem Getreide, anderen Nahrungsmitteln und Dünger über den Seeweg trotz des Kriegs ermöglichen.

2021 stammten rund 25 Prozent der Erdölimporte, 40 Prozent der Erdgasimporte und 45 Prozent der Kohleimporte der EU aus Russland.5 Im Rahmen der EU-Sanktionsmassnahmen trat im Dezember 2022 das Importverbot für über den Seeweg transportiertes Rohöl in Kraft. Über den Seeweg importiert die EU ungefähr 60 Prozent ihres Erdöls aus Russland. Über Pipelines werden unter anderem Deutschland, Polen, aber auch Ungarn, die Slowakei und Tschechien bedient. Da Deutschland und Polen bereits ihren Verzicht auf das Öl per Pipeline angekündigt haben, dürfte das Embargo de facto ungefähr 90 Prozent der Erdölimporte aus Russland abdecken. Das Embargo auf verarbeitete Erdölprodukte soll im Februar 2023 in Kraft treten. Dies nachdem bereits am 10. August 2022 ein Importverbot für russische Kohle implementiert worden war.

Zudem führten die EU, die G7-Mitgliedsländer und Australien am 3. Dezember 2022 einen Preisdeckel von 60 US-Dollar pro Barrel russisches Erdöl ein. Der Preisdeckel tritt de facto am 19. Januar 2023 in Kraft.

Prinzipiell sind alle diese Energieträger gut substituierbar, da sie auf verschiedene Arten transportiert werden können. Allerdings könnten längere Transportwege und Engpässe bei den Transportkapazitäten dazu beitragen,
dass die Energiepreise weiter hoch bleiben. Die Substitution von russischem Erdgas ist dagegen wesentlich schwieriger, da der Transport von Erdgas von einer spezifischen Infrastruktur (Pipelines, Flüssigerdgas-Terminals) abhängt. Die verringerten Gaslieferungen aus Russland konnten in Europa durch vermehrte Importe aus Norwegen, Aserbeidschan und Algerien sowie in Form von verflüssigtem Erdgas, unter anderem aus Katar und den USA, sowie dem gesunkenen Verbrauch weitgehend kompensiert werden. Um einem Gasmangel im Winter 2022/23 entgegenzuwirken, wurden jedoch weitere Massnahmen beschlossen. So passte die EU-Kommission Anfang Juli 2022 die Verordnung 2017/19386 über Massnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung 5

6

Eurostat (2022), International trade in goods ­ a statistical picture, EU imports of energy products ­ recent developments, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/eurostat/ > Publications > Statistics Explained > all online publications > other statistical publications by theme (Stand: 22.12.2022).

Verordnung (EU) 2017/1938 des europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Okt. 2017 über Massnamen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010.

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an, damit die unterirdischen Gasspeicher vor Beginn des Winters 2022/23 zu mindestens 80 Prozent und vor Beginn der folgenden Winter zu 90 Prozent gefüllt werden.

Die EU setzte sich zudem von August 2022 bis April 2023 ein Sparziel von 15 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Gasverbrauch der letzten fünf Jahre. Zudem beschloss die EU im Oktober 2022 ein unverbindliches Stromsparziel von 10 Prozent bis März 2023 sowie ein verbindliches Sparziel von 5 Prozent während des Spitzenverbrauchs. Die Lage entspannte sich zum Jahresende hin etwas: Die Erdgaslager in Europa konnten dank des milden Herbstwetters und den Sparanstrengungen schneller als üblich gefüllt werden. Zwar kann eine Gasmangellage im Falle eines kalten Winters oder dem Wegfall von Importen nicht ausgeschlossen werden, die Wahrscheinlichkeit einer solchen wird durch den hohen Lagerstand jedoch reduziert. Bei einem fortwährenden Krieg in der Ukraine ist mit einer angespannten Energieversorgungslage auch für den kommenden Winter 2023/24 zu rechnen. Da im Gegensatz zu 2022 voraussichtlich kaum russisches Gas eingespeichert werden wird, könnte der Winter 2023/24 noch herausfordernder werden.

Inwiefern der Krieg in der Ukraine zu einer permanenten Umleitung globaler Handelsströme führt, lässt sich noch nicht abschliessend beurteilen. Im Sommer 2022 gelangten Exporte gewisser Güter aus Russland aber bereits vermehrt in andere Weltregionen. So waren im Juni mehr als ein Viertel der Schifftransporte mit russischem Erdöl für Länder ausserhalb der EU und der G7-Länder bestimmt, und weniger als die Hälfte für EU-Länder. Zu Jahresbeginn lagen die entsprechenden Anteile bei etwa 7 respektive knapp 70 Prozent.7 Gleichzeitig deuten die Aussenhandelszahlen für Indien, die Türkei und China auf zunehmende Warenimporte aus Russland hin. Trotzdem dürfte es nicht möglich sein, den Handel mit der EU vollständig zu kompensieren. Andere Exportgüter wie Erdgas können aufgrund fehlender Infrastruktur kaum kompensiert werden.

Entsprechend ist der Handel zwischen Russland und den EU-Ländern seit Beginn des Kriegs stark zurückgegangen. Die Schweiz importierte russische Waren bereits zuvor nur in geringem Masse (0,46 % der Gesamtwarenimporte im Jahr 2021). Die importierten Energieträger russischer Herkunft wie Erdgas oder Erdöl werden meist von Nachbarländern
beschafft, weshalb der Handel zwischen Russland und der EU indirekt auch für die Schweiz von Bedeutung ist. Die Warenexporte der EU nach Russland lagen vier Monate nach Beginn des Kriegs rund 40 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die EU-Warenimporte hingegen lagen gut 40 Prozent über dem Vorjahreswert, was vor allem auf die deutliche Verteuerung der Energieträger zurückzuführen sein dürfte. Mit der Umsetzung des Erdölembargos ist ein bedeutender Rückgang der Warenimporte aus Russland in die EU zu erwarten, wobei Russland nur einen Teil dieser Erdöllieferungen in andere Weltregionen umlenken können wird.

Die Schweizer Warenexporte nach Russland verminderten sich seit Ausbruch des Kriegs weniger stark als jene der EU-Länder. Dies ist vor allem auf den gewichtigen Handel mit Medikamenten und immunologischen Produkten zurück zu führen, der nicht sanktioniert ist und insgesamt nur geringfügig eingebrochen ist.

7

Auch die International Energy Agency (IEA) sah im August 2022 Verschiebungen der russischen Ölexportdestinationen: IEA (2022): Oil Market Report ­ August 2022, abrufbar unter: https://www.iea.org > reports (Stand: 17.8.2022).

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2.1.2

Auswirkungen auf die Handels- und Investitionspolitik

Die Sanktionen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine (vgl. Ziff. 10.2) kurbelten die Debatte zur Entwicklung der globalen Handelspolitik an, vor allem bezüglich einer möglichen Entkopplung bestimmter Volkswirtschaften von gewissen Ländern oder Regionen. Diese sicherheitspolitisch motivierte Debatte kam bereits mit der Eskalation von Massnahmen und Gegenmassnahmen wichtiger Handelsnationen (insb. der USA und China) in Gang.

Diese Tendenzen werden unter anderem auch mit einer Reduktion geopolitischer Risiken begründet: Es bestehen Zweifel, dass die Handelsflüsse im Fall einer Krise aufrechterhalten werden können. Entsprechend sollen plötzliche Einschränkungen der Ein- und Ausfuhr von strategisch wichtigen Gütern und Dienstleistungen oder von Investitionen verhindert werden. Deshalb streben viele Länder vermehrt nach einer Regionalisierung oder Reorganisation ihrer Lieferketten zu Gunsten befreundeter Länder. Die daraus entstehende Blockbildung hat höhere volkswirtschaftliche Kosten zur Folge und erschwert in anderen Krisen, wie Pandemien oder Naturkatastrophen, den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Langfristig kann dies wiederum die Produktivität und Resilienz der Weltwirtschaft senken. Dies gilt insbesondere für offene Volkswirtschaften mit kleinem Binnenmarkt, wie die Schweiz, die überdies über keine enge politische Einbindung in einen Wirtschaftsblock verfügen.8 Internationale Handelspolitik Mit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine führte eine Vielzahl von Ländern umfangreiche Handelssanktionen ein. Die USA, die EU und weitere Länder setzten zudem das in den WTO-Abkommen festgelegte Meistbegünstigungsrecht Russlands und Belarus' einseitig aus. Ferner führten gewisse Länder, wie die EU und das Vereinigte Königreich, handelserleichternde Massnahmen zugunsten der Ukraine ein.

Insgesamt stieg die Anzahl handelsbeschränkender Massnahmen bei gewissen lebenswichtigen Gütern, wie Lebensmitteln, Dünger und Futter deutlich (vgl. Grafik 1). Die gleiche Tendenz war nach Beginn der Covid-19-Pandemie zu beobachten. Diese Massnahmen trafen vor allem ärmere Länder, da sie eine geringere Resilienz bei der Ernährungssicherheit aufweisen. Sie erhöhten auch das Risiko einer Kettenreaktion von Vergeltungsmassnahmen. Dies tangiert auch die Versorgungssicherheit der Schweiz und die Schweizer Wirtschaft im Allgemeinen.

8

OECD (2021): Fostering Economic Resilience in a World of Open and Integrated Markets: Risks, Vulnerabilities and Are-as for Policy Actions. Report prepared for the 2021 UK presidency of the G7, OECD Publishing.

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Darüber hinaus setzten Staaten zunehmend auf industriepolitische Vorkehrungen, um die Abhängigkeit vom Ausland bei sogenannten strategischen Gütern zu senken (vgl. Ziff. 1.2). Die Gefahren dieser Tendenzen für die Schweizer Versorgungssicherheit wurden im Bericht vom 31. August 2022 zur Motion Häberli-Koller9 beleuchtet.

Grafik 1 Anzahl weltweit eingeführter Ausfuhrbeschränkungen seit 2020 betreffend Nahrungsmittel und medizinische Güter

Quelle: Global Trade Alert, November 2022.

Internationale Investitionspolitik Bei internationalen Investitionen zeichneten sich ähnliche Entwicklungen wie bei der Handelspolitik ab: Die westlichen Sanktionen drückten die Investitionstätigkeit in Russland und verstärkten die Auswirkungen der von Russland seit einigen Jahren forcierten Importsubstitutionspolitik. Die Auswirkungen sanktionsbedingter Einschränkungen auf die lokalen Produktionskapazitäten, die Vermeidung von Reputationsrisiken sowie die Befürchtung potenzieller weiterer Gegenmassnahmen Russlands, insbesondere eines Nationalisierungsgesetzes für Unternehmen aus «feindlichen Staaten», dürften diesen Rückgang beschleunigen. Zugleich dürften sich gewisse Trends bei der internationalen Investitionspolitik seit dem Ausbruch des Kriegs fortsetzen,

9

Bericht des Bundesrates vom 31. Aug. 2022 über «Essentielle Güter. Wirtschaftliche Abhängigkeiten verringern», in Erfüllung der Motion 20.3268 Häberli-Koller vom 4. Mai 2020, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 21.9.2022).

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beziehungsweise Fahrt aufnehmen.10 So wurden bereits vor dem Krieg in zahlreichen Ländern Investitionskontrollen vor dem Hintergrund eines zunehmenden Systemwettbewerbs zwischen dem Westen und China eingeführt oder verschärft (vgl. Ziff. 3.2).

Im Rahmen der OECD begleitet die Schweiz die Ukraine seit Beginn der Neunzigerjahre bei ihren Reformbemühungen zur Verbesserung des Investitionsklimas. Die Ukraine unterzog sich 2021 einem Investment Policy Review in Bezug auf den Energiesektor,11 der auf ähnlichen Untersuchungen von 2011 aufbaut. Die Berichte behandeln Themen wie Infrastruktur, Besteuerung oder Unternehmensverhalten. Die Ukraine zeigte sich bestrebt, viele notwendige Strukturreformen umzusetzen. Im Rahmen der Ukraine-Konferenz zum Wiederaufbau von Anfang Juli 2022 stellte die Ukraine die aktuelle Lage, ihre Bedürfnisse sowie Investitionsmöglichkeiten internationalen Organisationen, hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Staaten und dem Privatsektor in vier ausgesuchten Bereichen vor: Infrastruktur, Energie, IT und Digitalisierung sowie verarbeitende Industrie. Ziel der Konferenz war es, einen Beitrag zu leisten, um den Wiederaufbau in der Ukraine schnell und effizient in die Wege zu leiten.

2.1.3

Auswirkungen der Sanktionspolitik der Schweiz und ihrer Handelspartner

Als Reaktion auf die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine schloss sich die Schweiz im Berichtsjahr den umfassenden Sanktionen der EU an. Diese beinhalteten Finanzsanktionen sowie Aus- und Einfuhrbeschränkungen auf bestimmte Waren und Dienstleistungen (vgl. Ziff. 10).

Unternehmen, welche in den sanktionierten Bereichen tätig sind, wurden durch die Sanktionen stark beeinträchtigt. Insgesamt dürften die Auswirkungen der beschlossenen Sanktionen gegenüber Russland für die Schweizer Volkswirtschaft aber verkraftbar sein. Dies gilt auch für den Rohstoffhandelsplatz Schweiz. Allerdings wirkten sich Vergeltungsmassnahmen Russlands, wie die Reduktion der Erdgaslieferungen nach Europa, auch auf die Versorgungssicherheit und die Gas- und Strompreise in der Schweiz aus.

Die potenziell grössten Auswirkungen der Sanktionen auf die Schweizer Wirtschaft dürften vom Erdölembargo ausgehen (vgl. Ziff. 2.1.1). Der Bundesrat hat am 10. Juni 2022 beschlossen, diese Sanktionen zu übernehmen. Da Erdölprodukte auf einem liquiden, integrierten Weltmarkt beschafft werden können, konnten alternative Liefermöglichkeiten erschlossen, beziehungsweise verstärkt genutzt werden, um wegfallende Lieferungen aus Russland zu kompensieren. Allerdings ist die Schweiz auch hier auf die Erschliessung seitens ihrer Nachbarländer angewiesen, von denen sie die Erdölprodukte direkt importiert. Zudem ist mit grösseren logistischen Aufwänden zu rechnen, was die Energiepreise tendenziell weiter ansteigen lässt.

10

11

OECD & UNCTAD (2022): Twenty-seventh Report on G20 Investment Measures, 4­5, abrufbar unter: www.oecd.org > Topics > Investment > Monitoring investment and trade measures (Stand: 17.8.2022).

OECD (2021): OECD Energy Investment Review of Ukraine, abrufbar unter: www.oecd.org > Topics > Investment (Stand: 17.8.2022).

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Der Bundesrat befasste sich mit den Auswirkungen der hohen Energiepreise und prüfte mögliche Massnahmen. Der Bundesrat sah jedoch aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage und der im internationalen Vergleich relativ tiefen Inflation keinen Handlungsbedarf. Das Parlament beschloss in der Wintersession, die ordentlichen AHV- und IV-Renten für das Jahr 2023 vollständig an die Preisentwicklung anzupassen.

Sind die Sanktionen gegen Russland wirksam?

Sanktionen haben sich als wichtiges und in vielen Fällen notwendiges Instrument der Wirtschafts- und der Aussenwirtschaftspolitik bewährt. Während zu Beginn des Kriegs in der Ukraine internationale Organisationen mit einem massiven Wirtschaftseinbruch Russlands rechneten, gibt es derzeit hingegen Hinweise, die zwar auf eine starke Rezession hindeuten, nicht aber auf einen ausgeprägten Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung.

Kurzfristig trafen vor allem die finanziellen Sanktionen mit dem Ziel, die Finanzierung des Kriegs zu behindern, das Finanzsystem Russlands schwer. Bestimmte Handelssanktionen sollten der russischen Wirtschaft darüber hinaus Güter verwehren, die für den Kriegseffort wichtig sind. Die starke Entwertung des Rubels erwies sich jedoch als kurzfristig und trotz dem Rückzug von über eintausend ausländischen Unternehmen waren die bisher verfügbaren offiziellen russischen Wirtschaftskennzahlen überraschend gut.

Hinsichtlich Erdöl und Erdgas führten die europäischen Länder kein sofortiges Importverbot ein und sperrten nicht alle russischen Banken vom internationalen Kommunikationsnetzwerk SWIFT aus, da sie weiterhin auf die Lieferungen für den Winter 2022/23 angewiesen waren. Gleichzeitig führte die erhöhte Unsicherheit zu starken Preisanstiegen, welche die Liquidität des russischen Staates steigerten: Neben erhöhten Steuereinnahmen und Gewinnen der weitgehend staatlichen Energieunternehmen erhob Russland hohe Zölle auf die Ausfuhr von Energieträgern. Russische Kapitalverkehrskontrollen verlangsamten zudem den Abfluss an Finanzmitteln. Insbesondere aber trugen viele Länder weltweit die Sanktionen nicht mit, was die teilweise Umlenkung der Handelsströme vor allem in asiatische Märkte ermöglichte. Somit verlagerte die russische Wirtschaft ihre Ausrichtung zusehends von Europa in Richtung Asien. Der Wert der russischen Gasexporte in die EU
ist seit April 2022 aber stark gefallen.

Mittel- bis langfristig werden die Exportkontrollen den Zugang zu Technologien und Ersatzteilen blockieren und so die russische Industrie, vor allem im Zusammenhang mit militärischen Anwendungen, drosseln.

Generell beschränkt jedoch die zunehmende Isolierung des Landes auch betreffend Datentransparenz die Einschätzung der Wirtschaftslage Russlands. Informationen bezüglich der Struktur der Währungsreserven, Geschäftsbilanzen, Zollstatistiken oder Haushaltsausgaben werden von russischer Seite stark eingeschränkt oder vollständig ausgeblendet. Es ist daher kaum mehr möglich, ein aussagekräftiges Bild der russischen Wirtschaft zu generieren.

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2.2

Wertschöpfungsketten auf dem Prüfstand

Die Anfälligkeit der Lieferketten für exogene Schocks ­ und damit auch die Abhängigkeit vom Aussenhandel ­ rückte bereits mit der Eskalation von Massnahmen und Gegenmassnahmen, insbesondere der USA und China, in den Fokus. Mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Schwierigkeiten beim Transport sowie den Ausfuhrbeschränkungen auf medizinische Güter und Nahrungsmittel (vgl. Grafik 1) wurden Lieferunterbrüche für viele Unternehmen zur Hauptsorge. Zusammen mit den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine führten diese Schocks zu einem erhöhten Bewusstsein in der Wirtschaft, dass sich Resilienz neben Effizienz als Wettbewerbsvorteil erweisen kann.

2.2.1

Bedeutung der Wertschöpfungsketten für die Resilienz

International stark vernetzte Wertschöpfungsketten führen aus wirtschaftspolitischer Sicht zu höherer Effizienz: Die einzelnen Produktionsschritte sind geografisch verteilt, um die Vorteile der jeweiligen Standorte zu nutzen und dadurch möglichst kostengünstig in der verlangten Qualität zu produzieren.12 Zugleich fördert die globale Vernetzung der Produktion den internationalen Wettbewerb, beziehungsweise die Wettbewerbsfähigkeit und die Resilienz der betroffenen Unternehmen. Global stark eingebundene Länder wachsen schneller, erzielen ein höheres Einkommen und profitieren von tieferen Preisen sowie einer grösseren Produktauswahl für die Haushalte.13 Globale Wertschöpfungsketten führen zudem in den meisten Ländern zu einer geringeren Einkommensvolatilität.14 Gleichzeitig führt die internationale Vernetzung zu einer erhöhten Exponiertheit gegenüber externen Schocks.15 Diese Exponiertheit ist insbesondere bei komplexen Lieferketten, vor allem in den weit verbreiteten Just-in-Time Lieferketten, und bei Kaskadeneffekten hoch.16 Zudem haben die jüngsten geopolitischen Krisen aufgezeigt, dass starke wirtschaftliche Abhängigkeiten von einzelnen Ländern bei essentiellen 12

13

14 15 16

Irwin, Douglas A. (2017): Ricardo and comparative advantage at 200. In: Cloth for Wine?

The Relevance of Ricardo's Comparative Advantage in the 21st century. Evenett, Simon J. (Hrsg.). CEPR Press, 7­15.

Baldwin, John & Yan, Beiling (2014): Global Value Chains and the Productivity of Canadian Manufacturing Firms. In: Economic Analysis Research Paper Series, 11F0027M, 90. Statistics Canada; Criscuolo, Chiara & Timmis, Jonathan (2018): GVCS and Centrality: Mapping Key Hubs, Spokes and the Periphery. OECD Productivity Working Papers, 12; Urata, Shujuro & Baek, Youngmin (2019): Does Participation in Global Value Chains Increase Productivity? An Analysis of Trade and Value-Added Data. In: ERIA Discussion Paper Series 301.

Caselli, Francesco / Koren, Miklos / Lisicky, Milan / Tenreyro, Silvana (2020): Diversification through Trade. In: Quarterly Journal of Economics 135(1), 449­502.

OECD (2021): Issues Note: Efficiency and Risks in Global Value Chains in the Context of Covid-19, OECD Economics Department Working Papers, 1637, OECD Publishing.

Pisch, Frank (2020): Managing Global Production: Theory and Evidence from Just-in-Time Supply Chains. In: CEP Discussion Papers, 1689; Acemoglu, Daron / Akcigit, Ufuk / Kerr, William (2015): Networks and the Macroeconomy: An Empirical Exploration. In: NBER Macroeconomics Annual, 30(1), 273­335.

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oder strategischen Gütern zu geopolitischen Zwecken missbraucht werden können.17 Diese Risiken werfen wie auch früher sicherheitspolitische Fragen auf.

Die Unternehmen gehen mit diesen Risiken um, indem sie ihre Lieferketten regelmässig evaluieren und ihre Strategien den erwarteten geopolitischen Rahmenbedingungen anpassen.18 Beispielsweise reagierten sie auf die Engpässe bei der Covid-19-Krise mit deutlichen Lagererhöhungen.19 Dabei spielt die Diversifizierung der Liefernetzwerke eine zentrale Rolle.20 Eine möglichst intensive, aber breit diversifizierte Nutzung der globalen Lieferketten erhöht daher die Resilienz einer Volkswirtschaft. Wie das Beispiel der Covid-19-Krise zeigte, kann bei globalen Schocks, welche nicht gleichzeitig in allen Regionen stattfinden, eine internationale Vernetzung die Unterbrüche abfedern.21 Die Einbindung der Schweiz in globale Wertschöpfungsketten generiert nicht nur potenzielle Abhängigkeiten bei der Einfuhr von Vorleistungen für die Schweiz, sondern zugleich bei ausländischen Herstellern, welche schweizerische Vorleistungen weiterverarbeiten. Sollten Handelspartner der Schweiz Lieferungen mit Ausfuhrbeschränkungen unterbrechen, würde dies daher nicht nur die Schweiz, sondern auch andere Länder ­ potenziell sogar die Beschränkungen einführenden Handelspartner ­ betreffen. Diese durch globale Lieferketten hergestellte strategische Interdependenz reduziert somit wiederum das Risiko von Lieferunterbrechungen durch Handelspartner und erhöht somit die allgemeine Versorgungssicherheit.

Eine staatlich forcierte Rückverlagerung der Lieferketten ins Inland oder in wenige ausgewählte Länder würde die Resilienz einer Wirtschaft hingegen schwächen, auch im Zusammenhang mit Schocks, die nicht auf politische Entscheide zurückgehen, wie Naturkatastrophen oder Pandemien.22 Zudem sind Anliegen nach einer weitreichenden Renationalisierung von Wertschöpfungsketten oftmals unrealistisch, da für eine effektive Reduktion der Abhängigkeit vom Ausland die gesamte Produktionskette verlagert werden müsste, also auch die Produktion der Vorleistungen. Für die Schweiz als mittelgrosse Volkswirtschaft ist die gesamte Produktionsverlagerung nicht möglich (z. B. bei vielen Rohstoffen), beziehungsweise nicht rentabel.23 17 18

19

20 21

22

23

Evenett, Simon J. (2020): Chinese whispers: COVID-19, global supply chains in essential goods, and public policy. In: Journal of International Business Policy 3(2), 408­429.

Bill-Körper, Alexis & Eichler, Martin (2017): Resilienz der Schweizer Volkswirtschaft: Befunde und ursächliche Faktoren anhand modellgestutzter Simulationen und ökonometrischer Analysen. BAK Economics AG, Strukturberichterstattung, 56/3.

Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) (2022): Unternehmen versuchen, sich mit Vorprodukten einzudecken. KOF-Bulletin, 159, abrufbar unter: www.kof.ethz.ch> News & Veranstaltungen > KOF-Bulletin (Stand: 25.8.2022).

OECD (2021): Issues Note: Efficiency and Risks in Global Value Chains in the Context of Covid-19, OECD Economics Department Working Papers, 1637, OECD Publishing.

Bonadio, Barthélémy / Huo, Zhen / Levchenko, Andrei A. / Pandalai-Nayar, Nitya (2021): The Global Supply Chains in the Pandemic. In: Journal of International Economics 133, 103534.

Miroudot, Sébastien (2020): Resilience versus robustness in global value chains: Some policy implications. In: Baldwin, Richard E. / Evenett, Simon J. (Hrsg.): COVID-19 and Trade Policy: Why Turning Inward Won't Work. CEPR Press, 122­130.

Bericht des Bundesrates vom 14. Dez. 2018 über die Versorgung der Schweiz mit Seltenen Erden, in Erfüllung des Postulates 12.3475 Schneider-Schneiter vom 12. Juni 2012, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Rohstoffe (Stand: 12.8.2022).

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2.2.2

Rolle des Staates in der Stärkung der Resilienz

Die Unternehmen können ihre Resilienz entlang mehrerer Dimensionen stärken.

Diese Dimensionen beinhalten Elemente wie das Personal, die internen Prozesse, eine vorausschauende Unternehmensleitung, aber auch finanzielle Reserven. Der Staat kann mit einem ausgewogenen Steuersystem und guten ordnungspolitischen Rahmenbedingungen seinen Teil zur Stärkung der Resilienz beitragen. Dazu steht eine Reihe von steuerlichen Mechanismen und finanzpolitischen Instrumenten bereit (automatische Stabilisatoren).24 Darüber hinaus kann die öffentliche Hand durch die Berücksichtigung der Versorgungssicherheit bei Beschaffungen einen Beitrag zur Resilienz leisten (aktuell wird hierzu die Motion Würth 20.340925 umgesetzt).

Die Unternehmen sind für die Ausgestaltung ihrer Wertschöpfungsketten verantwortlich. Sie analysieren ihre Lieferkettenrisiken und treffen Massnahmen, um ihre Resilienz zu gewährleisten. Der Bundesrat intensivierte seine Arbeiten, um den Unternehmen einen optimalen Beschaffungs- und Vertriebszugang sicherzustellen und so die Diversifizierung zu ermöglichen (vgl. Ziff. 2.3.1).

Neben dieser gesamtwirtschaftlichen, auf Aussenwirtschaft fokussierten Perspektive nimmt der Bund gemäss Artikel 102 der Bundesverfassung (BV)26 und dem Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 201627 (LVG) eine subsidiäre Rolle bei der Sicherstellung der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen ein. Darunter fallen Energieträger, Nahrungsmittel, Heilmittel oder andere unentbehrliche Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs. Im Fall unmittelbar drohender oder bereits eingetroffener schwerer Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selber zu begegnen vermag, trifft der Bundesrat Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung (vgl. Ziff. 2.3.2). Solche Mangellagen können beispielsweise bei Kriegen, Pandemien oder Naturkatastrophen auftreten und aufgrund fehlender Koordination zwischen privatwirtschaftlichen Marktakteuren verstärkt werden.

Bei Eingriffen der wirtschaftlichen Landesversorgung ist darauf zu achten, dass die Marktmechanismen ­ also die Wirkung von Angebot und Nachfrage ­ und die damit verbundenen Preissignale möglichst bestehen bleiben. Denn solche Signale schaffen Anreize für Unternehmen, ihr Angebot zu erhöhen, oder für die Nachfrage, auf alternative Güter auszuweichen.28 Abgesehen davon ist die wirtschaftliche Landesversorgung keine staatliche Versicherung oder Garantie für die Wirtschaft. Unternehmen 24

25

26 27 28

Bericht des Bundesrates vom 16. Dez. 2022 «Die Resilienz der Schweizer Unternehmen stärken», in Erfüllung des Postulates 20.3544 Noser vom 9. Juni 2020; Medienmitteilung des Bundesrates vom 16. Dez. 2022, Widerstandsfähigkeit von Schweizer Unternehmen: Kein staatlicher Handlungsbedarf beide abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 16.12.2022).

Motion 20.3409 Würth «Öffentliche Beschaffungen. Sicherheit und Verlässlichkeit von Lieferketten berücksichtigen» vom 22. Sept. 2020, abrufbar unter: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista (Stand: 23.8.2022).

SR 101 SR 531 Bericht des Bundesrates vom 31. Aug. 2022 über «Essentielle Güter. Wirtschaftliche Abhängigkeiten verringen», in Erfüllung der Motion Häberli-Koller 20.3268 vom 4. Mai 2020, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 21.9.2022).

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sind für die Beschaffung ihrer Vorleistungen und die Einschätzung ihrer Risiken selbst verantwortlich. Ein verfrühtes Eingreifen würde die Motivation der Eigenvorsorge von Unternehmen untergraben und die Versorgungssicherheit dadurch sogar verringern statt sie zu stärken. Daher ist jeweils genau abzuwägen, inwiefern bei Engpässen die Versorgungssicherheit auch ohne staatliche Eingriffe gewährleistet bleibt.

2.3

Massnahmen des Bundesrates zur Stärkung der Resilienz

Die Massnahmen des Bundesrates zur Stärkung der Resilienz lassen sich in zwei Kategorien aufteilen: Die aussenwirtschaftspolitischen Massnahmen stärken die Resilienz im internationalen Kontext, während im Inland eine wichtige Rolle der wirtschaftlichen Landesversorgung zukommt.

2.3.1

Aussenwirtschaftspolitische Massnahmen

Für die Schweiz als mittelgrosse, offene Volkswirtschaft ist ein internationaler Marktzugang zentral für die Resilienz ihrer Aussenwirtschaft (vgl. Ziff. 2.2.1). Daher definiert die Aussenwirtschaftsstrategie29 die Stärkung der Resilienz durch Diversifizierung als ein strategisches Handlungsfeld.

Der dafür nötige Marktzugang für Ein- und Ausfuhren wird mit verschiedenen Instrumenten sichergestellt: Die Schweiz setzt sich bei der Welthandelsorganisation intensiv für multi- und plurilaterale Lösungsansätze ein, welche auch in Krisen die Vorhersehbarkeit und Transparenz der Handelspolitik gewährleisten und die Handelsflüsse stärken sollen (vgl. Ziff. 6.1). Auf der bilateralen Ebene setzt die Schweiz auf eine laufende Erweiterung und Modernisierung ihres Freihandelsnetzes (vgl. Ziff. 5.2) und die Erneuerung des bilateralen Weges mit der EU (vgl. Ziff. 4).

Ebenso pflegt sie ihr wirtschaftsdiplomatisches Netzwerk, um in Krisenfällen schnell gemeinsame Lösungen zu finden. Die Wirtschaftsmissionen, die gemischten Wirtschaftskommissionen und die Wirtschaftsdialoge im Rahmen bestehender Handelsabkommen sind ebenfalls wirksame Instrumente, um den Marktzugang für Schweizer Unternehmen zu erleichtern und diese in ihren Bestrebungen zur Erhöhung der Resilienz zu unterstützen (vgl. Ziff. 5.1 und 11.6). Weiter trifft die Schweiz auch unilaterale Massnahmen, zum Beispiel den Abbau der Industriezölle (vgl. Ziffer 3.1.1).

Im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit fördert die Schweiz Wirtschaftswachstum und nachhaltigen Wohlstand in Partnerländern. Damit leistet sie einen Beitrag zur Bewältigung von Armut und Ungleichheit, sowie von globalen Herausforderungen. In diesem Sinne trägt die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit dazu bei, die Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz zu diversifizieren. Widerstandsfähigere Partnerländer stärken zudem die Resilienz der Weltwirtschaft und 29

Strategie des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) vom 24. Nov. 2021 zur Aussenwirtschaftspolitik, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Aussenwirtschaftspolitik (Stand: 16.8.2022).

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somit jene der offenen Volkswirtschaft Schweiz (vgl. Ziff. 9). Generell leistet die Schweiz mit ihrer Aussenwirtschaftspolitik, wie in der Aussenwirtschaftsstrategie erfasst, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, welcher die Resilienz der Partnerländer stärkt (vgl. Ziff. 7).

Massnahmen als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine Neben diesen langfristigen Bestrebungen beschloss der Bundesrat als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine zahlreiche weitere aussenwirtschaftspolitische Massnahmen.

Hervorzuheben sind in diesem Kontext die Massnahmen betreffend die Gas- und Stromversorgung (vgl. Ziff. 2.3.2).

Im Rahmen der Agrarpolitik wurden der Grenzschutz gesenkt, beziehungsweise Zollkontingente erhöht, um Preiserhöhungen und Engpässen bei Nahrungs-, Futter- und Düngemitteln entgegenzuwirken. So wurde beispielsweise am 8. März 2022 der Grenzschutz für verschiedene Sorten von Futtergetreide ausserordentlich reduziert.30 Kurz danach wurde auch das Zollkontingent für Brotgetreide um 60 000 Tonnen erhöht.31 Die Schweiz trug im Rahmen der 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation im Juni 2022 mehrere Beschlüsse und Erklärungen mit, welche die Resilienz globaler Lieferketten stärken sollen (vgl. Ziff. 6.1). Dies betraf insbesondere die Herstellung und Verteilung wichtiger Güter im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sowie die Ernährungssicherheit. Dabei wurde ein Verbot von Ausfuhrbeschränkungen bei humanitären Nahrungsmittellieferungen an das Welternährungsprogramm vereinbart.

Durch das Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und der Ukraine erhält die Ukraine bereits auf einen Grossteil ihrer Waren einen privilegierten Marktzugang in die Schweiz und umgekehrt. Die EFTA-Staaten beschlossen zudem im Berichtsjahr, eine Modernisierung des Freihandelsabkommens mit der Ukraine anzustossen.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit Die Schweiz ist langjährige Partnerin der Ukraine im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Eingebettet in das Kooperationsprogramm Ukraine 2020­2023 fokussiert die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit auf die Schwerpunkte wettbewerbsfähige kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und nachhaltige Städte.

Die Unterstützung zielte unter anderem darauf ab, die ukrainische Wirtschaft breiter und dezentraler aufzustellen, um ihre Resilienz zu erhöhen. Des Weiteren unterzeichnete das
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) an der Ukraine-Konferenz zum Wiederaufbau in Lugano im Rahmen seiner wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwei Abkommen mit der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung für insgesamt 20 Millionen Schweizerfranken. Beide Initiativen zielen darauf ab, kritische nicht-militärische Staatsfunktionen aufrechtzuerhalten, das Wirtschaftsreformprogramm mit dem Wiederaufbauprogramm in Einklang zu bringen und 30

31

Medienmitteilung des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) vom 8. März 2022, Bund senkt Einfuhrzölle für Futtermittel, abrufbar unter: www.blw.admin.ch > Services und Medien > Medienmitteilungen (Stand: 3.8.2022).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 10. Juni 2022, Bundesrat erhöht Zollkontingent für Brotgetreide, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 3.8.2022).

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die Wettbewerbsfähigkeit von KMU zu erhalten. Die genannten Ausgaben erfolgen nicht zulasten anderer Programme der internationalen Zusammenarbeit.

Darüber hinaus analysiert die internationale Zusammenarbeit der Schweiz laufend die Konsequenzen des Kriegs für die Entwicklungsländer und ergreift entsprechende Massnahmen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Ernährungssicherheit, die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelhilfe sowie die wirtschaftliche Resilienz und Stabilität.

2.3.2

Stärkung der Versorgung

Eine bedeutende Rolle im Zusammenhang mit der Stärkung der Resilienz spielt die wirtschaftliche Landesversorgung. Sie beruht auf einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der Privatwirtschaft. Dabei übernimmt der Staat in schweren Mangellagen die Koordinationsrolle und greift lenkend ins Marktgeschehen ein. Die wirtschaftliche Landesversorgung profitiert mit ihrer Milizorganisation von der notwendigen Praxisnähe, um rasch und kontinuierlich die Versorgungslage zu beurteilen.

Die wirtschaftliche Landesversorgung wird zurzeit infolge der Erfahrungen der letzten Jahre neu ausgerichtet. Der Bundesrat hat dazu am 30. März 2022 unter anderem Anpassungen der Führungs- und Organisationsstrukturen sowie beispielsweise die Präzisierung der Auskunftspflichten im Fall von Versorgungskrisen beschlossen. Die gesetzlichen Grundlagen werden entsprechend überarbeitet.

Massnahmen zur Stärkung der Energieversorgung Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine stand für die wirtschaftliche Landesversorgung bisher die Versorgung mit Energieträgern im Zentrum. Für den Winter 2022/23 war aufgrund der verminderten Gaslieferungen aus Russland nicht nur mit einer kritischen Versorgungslage im Gasbereich zu rechnen, sondern auch mit einer allgemeinen Strommangellage in Europa.

Der Bundesrat beschloss deshalb zur Sicherstellung der Gasversorgung am 4. März 2022 und 18. Mai 2022 Vorsorgemassnahmen. Er verpflichtete die Gasbranche, Speicherkapazitäten in den Nachbarländern und Optionen für zusätzliche Gaslieferungen zu erschliessen. Zudem beauftragte er den Verband der Schweizerischen Gasindustrie, ein Überwachungskonzept für die Gasversorgung auszuarbeiten und analog zum Strombereich eine Kriseninterventionsorganisation aufzubauen. Am 24. August 2022 entschied der Bundesrat zudem, dass sich die Schweiz für das Winterhalbjahr 2022/23 beim Gas ein freiwilliges Sparziel von 15 Prozent setzt. Um dieses Ziel zu erreichen, richtete der Bundesrat Ende August 2022 eine Informationskampagne an alle Erdgasverbraucher. Diese Kampagne ruft dazu auf, mit der Verwendung von Erdgas sparsamer umzugehen und macht hierzu Empfehlungen und Ratschläge. Zudem empfahl der Bundesrat den Zweistoffkunden, auf freiwilliger Basis von Gas auf Heizöl umzustellen, und verabschiedete am 16. September 2022 zeitlich begrenzte Lockerungen für diese Verbraucher in der CO2-Verordnung vom 30. November 201232 und der

32

SR 641.711

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Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 198533. Am 16. November 2022 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), die mit den interessierten Kreisen im Vorfeld konsultierten Verordnungen über Verbote und Beschränkungen der Verwendung von Gas sowie über die Kontingentierung des Gasbezugs für den Fall einer schweren Mangellage bis auf den Stand der Verabschiedung und dringlichen Inkraftsetzung vorzubereiten. Ergänzend dazu soll bis Ende Januar 2023 Klarheit über die Rahmenbedingungen für eine Plattform zum Handel von Gaskontingenten geschaffen werden. Am 14. Dezember 2022 schaltete das Bundesamt für Energie (BFE) ein Energie-Dashboard auf, das unter anderem dazu dient, die Öffentlichkeit über Energieeinsparungen und die Versorgungslage zu informieren.34 Für die Sicherung der Stromversorgung beschloss der Bundesrat schon am 16. Februar 2022, für den Winter 2022/23 eine Wasserkraftreserve einzurichten. Speicherkraftwerksbetreiber behalten gegen Entgelt eine bestimmte Menge Energie zurück, die bei Bedarf abgerufen werden kann. Der Bundesrat verabschiedete hierzu am 7. September 2022 die Verordnung zur Einrichtung einer Wasserkraftreserve.35 Am 17. August 2022 beschloss der Bundesrat, Vertragsverhandlungen zum Einsatz von Reservekraftwerken für den Einsatz im Spätwinter 2022/23 zu führen.36 Hierzu verabschiedete er am 23. September 2022 die Verordnung über die Bereitstellung eines temporären Reservekraftwerks in Birr37 und unterzeichnete am 22. Dezember 2022 einen Vertrag für ein weiteres Reservekraftwerk in Cornaux.38 Am 7. Dezember 2022 unterzeichnete der Bund Verträge mit den Energieunternehmen Axpo, CKW und BKW, damit diese Notstromaggregate aggregieren und als Reservekraftwerk einsetzen können. Am 19. Oktober 2022 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Winterreserveverordnung. Sie regelt den Einsatz der Wasserkraftreserve sowie von Reservekraftwerken und Notstromgruppen zur Stärkung der Stromversorgung in der Schweiz. Um Engpässe im Übertragungsnetz zu vermeiden, ermöglichte der Bundesrat ab dem 1. Oktober 2022 die temporäre Erhöhung der Betriebsspannung auf zwei Übertragungsleitungen.39 Im Hinblick auf das Management einer Strommangellage eröffnete der Bundesrat zudem am 23. November 2022 das Vernehmlassungsverfahren für vier Bewirtschaftungsmassnahmen. Es handelt sich dabei um die 33 34 35

36

37

38

39

SR 814.318.142.1 Das Energie-Dashboard ist abrufbar unter: www.energiedashboard.admin.ch (Stand: 09.01.2023).

SR 734.722; Medienmitteilung des Bundesrates vom 7. Sep. 2022, Bundesrat setzt Verordnung zur Wasserkraftreserve in Kraft, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 22.11.2022).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 17. Aug. 2022, Bundesrat stärkt für den Winter 2022/23 die Versorgungssicherheit weiter, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 17.8.2022).

SR 531.64; Medienmitteilung des Bundesrates vom 23. Sep. 2022, Energie: Bundesrat ermöglicht den Start der Arbeiten für Reservekraftwerk in Birr (AG), abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 22.10.2022).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 22. Dez. 2022, Bund unterzeichnet Vertrag für ein zweites Reservekraftwerk, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 3.1.2023).

SR 531.63; Medienmitteilung des Bundesrates vom 30. Sep. 2022, Energie: Bundesrat erhöht Kapazitäten im Schweizer Strom-Übertragungsnetz, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 8.12.2022).

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Regelung von Verwendungsbeschränkungen und Verboten, Sofortkontingentierung von Grossverbrauchern, Kontingentierung von Grossverbrauchern sowie Netzabschaltungen.40 Ausserdem nahm das Parlament am 30. September 2022 ein dringliches Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen für Stromunternehmen an, welches am 1. Oktober 2022 in Kraft trat.41 Mit diesem Rettungsschirm sorgte der Bundesrat vor. Systemkritische Schweizer Stromunternehmen können im Fall von aussergewöhnlichen Marktentwicklungen beim Bund Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen beziehen.

Zum Ausbau der einheimischen erneuerbaren Energien sowie zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Strombereich durch mittel- bis langfristig wirksame Massnahmen legte der Bundesrat am 18. Juni 2021 dem Parlament die Botschaft zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vor.42 Dieses Gesetz wird derzeit im Parlament beraten. Der Bundesrat schlug zudem vor, die Baubewilligungsverfahren zu beschleunigen. Neu soll es nur noch ein einziges Beschwerdeverfahren geben. Damit könnten die Genehmigungszeiten für grosse Wind- und Wasserkraftanlagen deutlich reduziert werden.

Im Weiteren erfolgte mit Wirkung ab 3. Oktober 2022 die Freigabe der Pflichtlager für Autobenzin, Diesel- und Heizöl sowie Flugpetrol.43 Dies in erster Linie aufgrund eingeschränkter Kapazitäten auf dem Rhein sowie logistischer Probleme bei ausländischen Bahntransporten.

Massnahmen im Bereich der Ernährungssicherheit Neben den Massnahmen an der Grenze zur Versorgung mit Nahrungsmitteln (vgl.

Ziff. 2.3.1) beschloss der Bund verschiedene weitere Massnahmen. Das WBF entschied im Dezember 2021 die Freigabe der Pflichtlager von Düngemitteln.44 Ab dem 1. April 2022 unterstellte der Bundesrat Rapssaatgut, bei welchem die Schweiz vollständig auf Importe angewiesen ist, der Pflichtlagerhaltung.45 Des Weiteren erliess der Bundesrat am 29. Juni 2022 befristete Erleichterungen bei den Deklarationspflichten auf Lebensmittelverpackungen.46 40

41 42

43 44

45

46

Medienmitteilung des Bundesrates vom 23. Nov. 2022, Energie: Massnahmen für den Fall einer Strommangellage gehen in Vernehmlassung, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand 8.12.2022).

SR 734.91 BBl 2021 1666; Medienmitteilung des Bundesrates vom 18. Juni 2021, Bundesrat verabschiedet Botschaft zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 12.8.2022).

SR 531.211.38 Medienmitteilung des Bundesrates vom 20. Dez. 2021. Mit Pflichtlagerfreigabe soll Versorgungsengpass beim Dünger aufgefangen werden, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 12.8.2022).

Verordnung vom 26. Jan. 2022 über die Pflichtlagerhaltung von Saatgut (SR 531.215); Medienmitteilung des Bundesrates vom 26. Jan. 2022, die Schweiz legt wieder ein Pflichtlager für Saatgut an, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 16.8.2022).

Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 16. Dez. 2016 (SR 817.02; AS 2022 396); Medienmitteilung des Bundesrates vom 29. Juni 2022, Bundesrat unterstützt eine flexible Deklaration der Alternativen zu Sonnenblumenöl, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 25.7.2022).

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Der Bundesrat setzt gezielt Krisenstäbe ein, sobald ernsthafte Herausforderungen bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln entstehen. Zusätzlich wurde im Berichtsjahr ein Fachstab Land- und Ernährungswirtschaft gegründet. Dieser befasst sich bereits in der normalen Lage mit der Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung, damit beim Eintritt einer besonderen oder ausserordentlichen Lage die Bewältigungsaktivitäten der verantwortlichen Stellen erleichtert werden.

Der Bundesrat arbeitete auch an langfristigen Strategien zur Erhöhung der Ernährungssicherheit. Im Zusammenhang mit der am 12. Februar 2020 verabschiedeten Agrarpolitik 22+ (AP22+) legte der Bundesrat in Erfüllung der Postulate 20.3931 und 21.3015 einen Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik vor.47 Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerates nahm am 27. Juni 2022 den Bericht zur Kenntnis und entschied, die Beratungen zur AP22+ wiederaufzunehmen.

Weitere Massnahmen zur Stärkung der Resilienz Zudem bestehen auch angrenzende Handlungsfelder, welche die Versorgungssicherheit stärken können. Beispielsweise kann die Förderung der Kreislaufwirtschaft im Rahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 203048 zur Versorgungssicherheit und der Resilienz der Wirtschaft beitragen, indem sie etwa eine verlängerte Nutzungsdauer von elektronischen Geräten oder eine bessere Reparierbarkeit sowie Verfügbarkeit von Sekundärmaterialien ermöglicht. Der Bundesrat hat die Verwaltung beauftragt, Vorschläge für spezifische Massnahmen auszuarbeiten.49 Zudem kann der am 6. April 2022 verabschiedete Aktionsplan50 zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung zur erhöhten Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln beitragen.

2.4

Fazit

Der Krieg in der Ukraine löste grosse Veränderungen in den globalen Handelsströmen aus. Dies lag vor allem an der wichtigen Rolle Russlands und der Ukraine bei der Produktion von Nahrungsmitteln und Energieträgern. Während ärmere Länder besonders stark bei den Nahrungsmitteln betroffen waren, kam es infolge der Exportdrosselung durch Russland und der von zahlreichen Ländern ergriffenen Sanktionen zur angespannten Versorgungslage bei Energieträgern in Europa einschliesslich der Schweiz.

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50

Bericht des Bundesrates vom 22. Juni 2022 über die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik, in Erfüllung der Postulate 20.3931 der WAK-S vom 20. Aug. 2020 und 21.3015 der WAK-N vom 2. Febr. 2021, abrufbar unter: www.blw.admin.ch > Politik > Agrarpolitik (Stand: 17.10.2022).

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 des Bundesrates vom 23. Juni 2021, abrufbar unter: www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Strategie und Berichterstattung (Stand: 15.12.2022).

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Themen Wirtschaft und Konsum > Fachinformationen > Massnahmen des Bundes für Ressourcenschonung (Stand: 25.10.2022).

Aktionsplan des Bundesrates vom 6. April 2022 gegen die Lebensmittelverschwendung, in Erfüllung des Postulates 18.3829 Chevalley vom 25. Sept. 2018, abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Thema Abfall > Abfallwegweiser > Biogene Abfälle > Abfallarten > Lebensmittelabfälle (Stand: 15.12.2022).

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Generell konnte Europa die Abhängigkeit von russischen Energieträgern in kürzester Zeit stark verringern. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine verstärkten auch bereits vorhandene Tendenzen in der Handelspolitik zum zunehmenden Protektionismus und zur politischen Blockbildung.

Auch wenn bislang nur eine Zwischenbilanz der Sanktionen gezogen werden kann, zeigt diese auf, dass restriktive Massnahmen ein wichtiger Teil der Reaktion auf den Krieg in der Ukraine sind, aber mit solchen Massnahmen allein aussenpolitische Ziele nicht erreicht werden können. Mittel- bis langfristig werden allerdings stärkere Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft erwartet.

Die Abhängigkeit der Schweiz von der Energieversorgung der europäischen Handelspartner unterstrich die Wichtigkeit guter Beziehungen mit der EU.

Angesichts dieser neuen Herausforderungen stellte die Schweizer Wirtschaft ihre Resilienz erneut unter Beweis. Dabei spielte die Diversifizierung der Beschaffungsquellen eine zentrale Rolle. Da die Engpässe grösstenteils lebenswichtige Güter wie Energieträger und Nahrungsmittel betrafen, griff der Bundesrat gezielt ein, um die Versorgung der Schweiz mit diesen Gütern sicherzustellen. Ferner traf er zahlreiche Massnahmen im Rahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung zur Stärkung der Strom- und Gasversorgungssicherheit.

Es ist damit zu rechnen, dass die geopolitische Lage unsicher bleibt, vor allem bei einem anhaltenden Krieg in der Ukraine. Die wirtschaftlichen und strukturellen Risiken dürften hoch bleiben und vom Winterverlauf abhängen, auch wenn sich die Energieversorgungslage in Europa infolge gefüllter Erdgaslager, mildem Herbstwetter und der Sparanstrengungen bis Ende 2022 entspannte. Es ist auch für den kommenden Winter 2023/24 mit einer angespannten Energieversorgungslage zu rechnen. Hierbei ist die mittel- und langfristige Diversifizierung durch die Nachbarländer weg von russischen Energieträgern für die Energieversorgung der Schweiz zentral. Der Bundesrat ist sich der Lage bewusst und geht diese Herausforderungen gemäss den obengenannten Massnahmen an.

3

Wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen mit Bezug zur Aussenwirtschaft

Zahlreiche wirtschaftspolitische Massnahmen haben direkte Auswirkungen auf die Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz. Deshalb setzt die Aussenwirtschaftsstrategie im Handlungsfeld 9 auf die Berücksichtigung der Wechselwirkungen mit der Innenpolitik. Dabei soll die Schweiz sowohl der aussenwirtschaftspolitischen als auch der innenpolitischen Tragweite von Regulierungen Rechnung tragen.

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3.1

Massnahmen zur Vereinfachung des internationalen Warenhandels

Der Bundesrat ist bestrebt, optimale Rahmenbedingungen im internationalen Warenhandel zu schaffen und mit diversen Initiativen den Handel für Schweizer Unternehmen, darunter insbesondere auch KMU, zu vereinfachen. Gemäss der Handlungsempfehlung 3 der Aussenwirtschaftsstrategie und des Berichts «Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz ­ Gesamtschau des Bundesrates»51 setzt er sich für einen offenen, hürdenfreien und geregelten Handel ein. Es werden nachfolgend zwei solche Initiativen vorgestellt.

3.1.1

Aufhebung der Industriezölle

Die Aufhebung der Industriezölle stärkt den Wirtschafts- und Industriestandort Schweiz. Der realisierte Wohlfahrtsgewinn wird auf rund 860 Millionen Schweizerfranken geschätzt. Die Massnahme erleichtert den Import von Industrieprodukten und ermöglicht dem produzierenden Gewerbe Zugang zu günstigeren Vorleistungen aus dem Ausland. Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft im Inland und beim Export gestärkt. Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von tieferen Preisen für importierte Konsumgüter.

Die Aufhebung der Industriezölle ist für den 1. Januar 2024 vorgesehen. Dies entschied der Bundesrat am 2. Februar 2022, nachdem das Parlament die notwendige Änderung des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 198652 am 1. Oktober 202153 verabschiedet hatte und die Referendumsfrist am 20. Januar 2022 unbenutzt abgelaufen war. Der Bundesrat wird im Januar 2023 unter umfassender Berücksichtigung der Finanzlage erneut über das genaue Datum des Inkrafttretens der Aufhebung der Industriezölle beraten.

3.1.2

Transformationsprogramm DaziT und Revision des Zollgesetzes

Der Transformationsprogramm DaziT sieht eine umfassende Vereinfachung und durchgehende Digitalisierung der Prozesse beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit bis Ende 2026 vor. Mit effizienteren Grenzprozessen und wirksameren Grenzkontrollen sollen wesentliche Erleichterungen und administrative Entlastungen für die Wirtschaft, die Konsumentinnen und Konsumenten, die Reisenden sowie die Verwaltung herbeigeführt werden. Damit die Vorteile von DaziT vollumfänglich genutzt werden können, ist eine Anpassung der bestehenden Rechtsgrundlagen nötig.

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Medienmitteilung des Bundesrates vom 16. Febr. 2022, Bundesrat treibt Vorhaben zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz voran, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand 25.7.2022).

SR 632.10 BBl 2021 2330

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Der Bundesrat hat die entsprechende Botschaft54 zur Totalrevision des Zollgesetzes vom 18. März 200555 am 24. August 2022 verabschiedet.

3.2

Investitionsprüfung

Das Parlament beauftragte den Bundesrat mit der Annahme der Motion 18.3021 Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen»56, gesetzliche Grundlagen für eine Prüfung von ausländischen Direktinvestitionen zu schaffen. Der Bundesrat führte daher vom 18. Mai 2022 bis zum 9. September 2022 eine Vernehmlassung über ein Investitionsprüfgesetz durch. Der Bundesrat sieht vor, die Botschaft im zweiten Halbjahr 2023 zu verabschieden.

Das neue Gesetz soll eine Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch die Übernahme inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren verhindern. Vor allem bei staatlichen oder staatsnahmen Investoren werden mögliche Gefährdungen oder Bedrohungen erwartet. Entsprechend sollen solche Übernahmen in allen Branchen einer Genehmigungspflicht unterstellt werden.

Darüber hinaus sollen besonders kritische Bereiche definiert werden, in denen eine Genehmigungspflicht für alle ausländischen - staatlichen und privaten - Investoren bestehen soll. Kleine Unternehmen sollen grundsätzlich ausgenommen werden (Bagatellschwelle).

Der Bundesrat spricht sich weiterhin gegen die Einführung einer Investitionsprüfung aus. Gemäss seiner Beurteilung ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstig und das bestehende Regelwerk ausreichend. Die Politik der Offenheit gegenüber Investitionen aus dem Ausland ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz von zentraler Bedeutung.

3.3

Wirtschaftspolitische Massnahmen zur Standortförderung: Infrastrukturgrossprojekte

Die Bedeutung von internationalen Grossprojekten hat seit der Covid-19-Pandemie zugenommen. Viele Regierungen fördern Infrastrukturprojekte zur Gewährleistung eines reibungslosen Strukturwandels nach der Covid-19-Pandemie (sog. «Re-StartProjekte») sowie zur Bekämpfung des Klimawandels. Gleichzeitig stieg auch der internationale Konkurrenzkampf um entsprechende Aufträge. Für die Ausführung solcher Projekte etablierten sich vor allem Generalunternehmer (Engineering-Procurement-and-Construction; EPC). Diese bieten schlüsselfertige Lösungen und beschaffen Produkte und Dienstleistungen, welche sie nicht selber bereitstellen können.

Schweizer Anbieter, beispielsweise Schienenfahrzeugbauer, Energie- und Umwelttechnikunternehmen, positionieren sich vor allem als Zulieferer zu ausländischen EPC-Unternehmen oder deren Unterlieferanten.

54 55 56

BBl 2022 2724 SR 631.0 Motion 18.3021 Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» vom 26. Febr. 2018, abrufbar unter: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista (Stand: 23.8.2022).

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Der Bundesrat hatte am 21. April 2021 entschieden, den Zugang der Schweizer Wirtschaft zu bedeutenden ausländischen Infrastrukturprojekten weiter zu verbessern. Die Schweizer Exportwirtschaft soll dabei unterstützt werden, sich insbesondere in den Bereichen Innovation und Nachhaltigkeit zu positionieren. Im Fokus steht der Ausbau der Koordination zwischen der Schweizer Industrie, den relevanten Stellen der Bundesverwaltung und den Förderinstrumenten des Bundes sowie der effizienten Zusammenführung der ausländischen Nachfrage und des Schweizer Angebots. Dazu siedelte der Bundesrat im SECO eine zentrale Koordinationsstelle an. Zusätzlich schuf das Eidgenössische Departemente für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in seinem Aussennetz sechs neue Stellen für sogenannte Infrastrukturscouts, welche in den jeweiligen Märkten nach Opportunitäten für Schweizer Zulieferer für Infrastrukturgrossprojekte Ausschau halten und entsprechende Kontakte für Schweizer Unternehmen herstellen. Als Fokusländer wurden Indien, Indonesien, die Vereinigte Arabische Emirate, Südafrika, Brasilien und die USA definiert.

Seit 2022 verfolgt die Schweiz auch im Infrastrukturbereich den «Team Switzerland»Ansatz. Ziel ist es, durch das enge Zusammenwirken der relevanten Bundesstellen und der Privatwirtschaft das Wissen über Grossprojekte im Ausland, die dortigen Rahmenbedingungen, EPC-Generalunternehmer, Finanzierungslösungen sowie die Leistungsfähigkeit der Schweizer Exporteure zu bündeln. Dieses Wissen ist auf verschiedene Akteure in der Wirtschaft, den Exportförderer Switzerland Global Enterprise, die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV), die Internationalen Entwicklungsbanken (z. B. die Weltbankgruppe, die Asian Development Bank und die European Bank for Reconstruction and Development) sowie die Schweizer Botschaften und Generalkonsulate (inkl. Swiss Business Hubs) und weitere Bundesstellen verteilt. Kontakte auf der politischen Ebene sind erforderlich, um zeitnah an Informationen zu geplanten Projekten zu kommen.

Der «Team Switzerland»-Ansatz war bereits im Berichtsjahr sehr erfolgreich: Ausländische EPC-Unternehmen zeigten insbesondere in Kombination mit einer Finanzierung über die SERV grosses Interesse, Schweizer Exporteure in ihre Projekte zu integrieren. Im 2022 konnten sich mehr als 60 Exporteure an Projekten,
im Umfang von rund 215 Millionen Schweizerfranken versichert, beteiligen, beispielsweise für Eisenbahnprojekte in der Türkei und den Bau von Berufsschulen in Ghana. Insgesamt sieben EPC-Generalunternehmen eröffneten seit Projektstart eine Niederlassung in der Schweiz. Eine Schweizer Niederlassung ist eine der Bedingungen für den Erhalt von Versicherungsleistungen von der SERV. Dies verdeutlicht das grosse Interesse an einer auch zukünftigen Zusammenarbeit der betreffenden EPC-Generalunternehmen mit Schweizer Exporteuren. Zur Promotion von Schweizer Gütern und Dienstleistungen nutzte das «Team Switzerland» Reisen der Bundesräte und gemischte Wirtschaftskommissionen und fand Plattformen am Weltwirtschaftsforum und an der Ukraine-Konferenz zum Wiederaufbau in Lugano.

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3.4

Wirtschaftspolitische Massnahmen zur Stärkung der Resilienz der Schweizer Wirtschaft

Der Bundesrat veröffentlichte in Erfüllung der Motion 20.3268 Häberli-Koller am 31. August 2022 einen Bericht zur Rolle der globalen Wertschöpfungsketten für die Versorgungssicherheit der Schweiz mit essentiellen Gütern.57 Aufgrund der bereits zahlreichen Massnahmen sowie deren laufenden Anpassungen in den jeweiligen Bereichen stellte der Bundesrat keinen weiteren Handlungsbedarf fest. Die aktuellen Massnahmen zu Energieträgern, Nahrungsmitteln und Heilmitteln sowie die Reform der wirtschaftlichen Landesversorgung werden im Schwerpunktkapitel beschrieben (vgl. Ziff. 2.3.2).

3.5

Einbezug der interessierten Kreise

Im Rahmen der Handlungsfelder 1 und 8 der Aussenwirtschaftsstrategie legt der Bundesrat die aussenwirtschaftspolitischen Prioritäten anhand eines frühzeitigen Einbezugs aller interessierten Kreise fest und informiert die Öffentlichkeit systematisch über diese Aktivitäten. Die Festlegung sowie die Umsetzung der Aussenwirtschaftspolitik sollen transparent, nachvollziehbar und für die Anliegen der interessierten Kreise zugänglich sein. Beispielsweise lud der Bundesrat im Berichtsjahr die interessierten Kreise öffentlich ein, allfällige spezifische Interessen und Anliegen im Hinblick auf die Modernisierung des Handelsabkommens vom 11. Februar 201958 zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich (vgl. Ziff. 5.2.3) bekannt zu geben.59 Ebenfalls intensivierte die Schweiz, zusammen mit der EFTA, den Einbezug der interessierten Kreise im Rahmen der Freihandelsabkommen (vgl. Ziff. 7.1.3).

4

Wirtschaftsbeziehungen mit der EU

Der Bundesrat anerkennt im Handlungsfeld 4 der Aussenwirtschaftsstrategie die EU als wichtigste Handelspartnerin und definiert den Erhalt und die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs als prioritäres Ziel. Im Entwurf seines Berichts «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz­EU» vom 9. Dezember 2022 bestätigte der Bundesrat, dass der

57

58 59

Bericht des Bundesrates vom 31. Aug. 2022 über «Essentielle Güter. Wirtschaftliche Abhängigkeit verringern», in Erfüllung der Motion 20.3268 Häberli-Koller vom 4. Mai 2020, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 21.9.2022).

SR 0.946.293.671 Medienmitteilung des SECO vom 7. Juli 2022, SECO erhebt Interessen im Hinblick auf die Modernisierung des Handelsabkommens Schweiz­UK, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 25.7.2022).

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bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die beste Lösung sei.60 Der Bericht evaluiert die gegenwärtigen europapolitischen Handlungsoptionen der Schweiz. Der Bundesrat verabschiedete den Bericht unter Vorbehalt der Ergebnisse der Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen der beiden Räte. Die offenen Punkte in den Gesamtbeziehungen mit der EU will er auf der Grundlage eines breiten Paketansatzes angehen (vgl. Ziff. 4.2). Auf dieser Grundlage führte die Staatssekretärin des EDA im Berichtsjahr intensive Sondierungsgespräche mit der EU. Am 23. November 2022 begrüsste der Bundesrat die Fortschritte, nahm von den bestehenden Differenzen Kenntnis und beschloss, die Phase der intensivierten Sondierungen fortzusetzen.

4.1

Die EU als wichtigste Handelspartnerin der Schweiz

Die EU war 2021 mit einem Anteil von 51 Prozent am gesamten Schweizer Waren-61 und Dienstleistungshandel62 die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin der Schweiz. Das Handelsvolumen der Schweiz mit der EU war rund dreieinhalbmal so gross, wie dasjenige mit der zweitwichtigsten Handelspartnerin, den USA und beinahe zehnmal grösser als dasjenige mit dem drittwichtigsten Handelspartner, China.

Der EU-Binnenmarkt ist für die Einbindung der Schweizer Unternehmen in internationale Wertschöpfungsketten zentral. Mehr als die Hälfte der Importe aus der EU sind Vorleistungen, die in die Herstellung von Schweizer Produkten einfliessen.

Auch werden über 50 Prozent der Schweizer Exporte in der EU weiterverarbeitet.63 Die enge Einbindung in internationale Wertschöpfungsketten ermöglicht es Schweizer Unternehmen, sich auf wertschöpfungsintensive Aktivitäten zu konzentrieren.

Dadurch bleiben sie, trotz verhältnismässig hohen Kosten im Inland, international wettbewerbsfähig. Neben der geografischen Nähe ist dafür ein möglichst reibungsloser grenzüberschreitender Handel entscheidend. Dies ermöglichen die zahlreichen bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU.

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Entwurf des Berichts des Bundesrates vom 9. Dez. 2022 über die Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz­EU, in Erfüllung des Postulates 13.3151 Aeschi vom 20. März 2013, des Postulates 14.4080 Grüne Fraktion vom 8. Dez. 2014, des Postulates 17.4147 Naef vom 14. Dez. 2017, des Postulates 21.3618 Sozialdemokratische Fraktion vom 1. Juni 2021, des Postulates 21.3654 Cottier vom 8. Juni 2021, des Postulates 21.3667 Grüne Fraktion vom 9. Juni 2021, des Postulates 21.3678 Fischer vom 10. Juni 2021, der Motion 21.4184 Minder vom 30. Sept. 2021, des Postulates 21.4450 Z'graggen vom 15. Dez. 2021 und des Postulates 22.3172 Maitre vom 16. März 2022, abrufbar unter: www.eda.admin.ch/europa > Dienstleistungen und Publikationen > Berichte (Stand: 15.12.2022).

Daten sind abrufbar unter: www.bazg.admin.ch > Themen > Aussenhandelsstatistik > Datenbank Swiss-Impex (Stand: 16.12.2022).

Daten sind abrufbar unter: https://data.snb.ch > Tabellenangebot > Aussenwirtschaft > Aussenwirtschaft der Schweiz > Zahlungsbilanz der Schweiz > Leistungsbilanz > Dienste nach Ländern > Jahr (Stand: 16.12.2022).

Datenbank zu Trade in Value Added, abrufbar unter: www.oecd.org > Directorate for Science, Technology and Innovation > Industry and globalisation > Global Value Chains & Trade in Value Added > Trade in Value Added (Stand: 20.12.2022). Die Angaben beziehen sich auf Daten zum Jahr 2018.

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So stellt das Freihandelsabkommen vom 22. Juli 197264 eine Freihandelszone für Industrieprodukte bereit und regelt in Protokoll Nr. 2 den Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen. Das Agrarabkommen vom 21. Juni 199965 gewährt ergänzend Zollzugeständnisse auf ausgewählte Basisagrarprodukte (inkl. dem Käsefreihandel). Es schafft einen gemeinsamen Veterinärraum für Tiere und tierische Produkte, und sieht damit die vollständige Abschaffung der Veterinärkontrollen vor.

Weiter werden zum Beispiel für Pflanzen und pflanzliche Produkte die phytosanitären Kontrollen erheblich verringert. Das Abkommen vom 25. Juni 200966 über Zollerleichterungen und Zollsicherheit gewährt massgebliche Erleichterungen im Güterverkehr (z. B. Wegfall der Voranmeldepflicht für Importe in die EU). Das Abkommen vom 21. Juni 199967 über technische Handelshemmnisse (Mutual Recognition Agreement, MRA) ermöglicht einen gegenseitigen Marktzugang in insgesamt 20 Produktesektoren aufgrund einer einzigen Konformitätsbewertung. Damit werden unterschiedliche Vorschriften und zusätzliche Kontrollen in den unter das Abkommen fallenden Produktesektoren vermieden. Schliesslich sichert das Abkommen vom 21. Juni 199968 über das öffentliche Beschaffungswesen den Zugang zu wichtigen Beschaffungsmärkten.

Im Bereich der Dienstleistungen kann die Schweiz durch die entsprechenden Abkommen zu Versicherungen69, Luftverkehr70, Landverkehr71 und Personenverkehr72 in ausgewählten Sektoren am EU-Binnenmarkt teilnehmen. Die Personenfreizügigkeit bleibt ausserdem zur bedarfsgerechten Deckung der Arbeitskräftenachfrage wichtig.73

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Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81).

Abkommen vom 25. Juni 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen ­ mit Anhängen (ZESA, SR 0.631.242.05).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.8).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68).

Abkommen vom 10. Okt. 1989 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung (SR 0.961.1).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (SR 0.740.72).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681).

Medienmitteilung des SECO vom 7. Juli 2022, Personenfreizügigkeit: Zuwanderung dämpft Arbeitskräftemangel, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 21.9.2022).

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Sie ermöglicht es Schweizer Unternehmen, benötigte Fachkräfte rasch, flexibel und ohne übermässigen administrativen Aufwand aus der EU/EFTA zu rekrutieren.

4.2

Offene Punkte in den Gesamtbeziehungen mit der EU

Die Binnenmarktabkommen mit der EU (MRA, Agrarabkommen, Luft- und Landverkehrsabkommen sowie die Anhänge II und III des Personenfreizügigkeitsabkommens)74 sehen, im Gegensatz zu klassischen Freihandelsabkommen, eine Rechtsharmonisierung vor. Sie basieren entweder auf der Übernahme von EU-Recht oder der gegenseitigen Anerkennung der Gleichwertigkeit relevanter Vorschriften. Diese Abkommen müssen regelmässig aktualisiert werden, um den neuen rechtlichen Entwicklungen in den Vertragsparteien Rechnung zu tragen. Dazu besteht allerdings keine rechtliche Verpflichtung: Die Regelung der dynamischen Rechtsübernahme ist einer der offenen Punkte in den Gesamtbeziehungen mit der EU.

Die EU hielt auch im Berichtsjahr daran fest, dass die Funktionsweise der bestehenden vertraglichen Ordnung zwischen der Schweiz und der EU substanziell erneuert werden soll. Ohne eine institutionelle Regelung zeigte sich die EU weiterhin nicht bereit, das Kapitel über Medizinprodukte des MRA zu aktualisieren. Die gegenseitige Anerkennung der relevanten Vorschriften ist in diesem Bereich nicht mehr gewährleistet, obwohl die Schweiz eine gleichwertige Gesetzgebung mit derjenigen der EU verabschiedet hat. Deshalb müssen Schweizer Hersteller von Medizinprodukten seit dem 26. Mai 2021 einen gesetzlichen Vertreter (Bevollmächtigten) in der EU ernennen und ihre Produkte mit den Kontaktdaten dieses Vertreters umetikettieren, um in die EU exportieren zu können. Ausserdem ist die Europäische Kommission der Ansicht, dass unter altem Recht ausgestellte Schweizer Zertifikate nicht mehr gültig seien. Infolge neuer Rechtsvorschriften für In-vitro-Diagnostika seit dem 26. Mai 2022 stünde eine weitere Aktualisierung des relevanten Kapitels des MRA an. Um die Versorgung der Schweiz mit sicheren Medizinprodukten zu gewährleisten, hat der Bundesrat Auffangmassnahmen ergriffen, darunter insbesondere die Anerkennung der Konformitätsbescheinigungen der EU für Medizinprodukte. Der Bundesrat kam am 29. Juni 2022 zum Schluss, dass sich diese Massnahmen bewährt haben und eine Anpassung des Schweizer Rechts deshalb nicht nötig sei. Eine erneute Überprüfung findet 2024 statt. Am 28. November 2022 nahm das Parlament die Motion 20.3211 Müller75 an, die den Bundesrat auffordert, Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme, insbesondere aus den USA,
in der Schweiz zu anerkennen. Die Annahme der Motion stellt Herausforderungen für die Patientensicherheit und die Aufrechterhaltung der Gleichwertigkeit mit der EU-Gesetzgebung dar. Diese stellt ihrerseits eine Voraussetzung für die Weiterführung des MRA dar.

74 75

Für die vollständigen Bezeichnungen siehe Ziff. 4.1.

Motion 20.3211 Müller «Für mehr Handlungsspielraum bei der Beschaffung von Medizinprodukten zur Versorgung der Schweizer Bevölkerung» vom 4. Mai 2020, abrufbar unter: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista (Stand: 15.12.2022).

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Weitere offene Punkte neben der Frage der Rechtsübernahme sind Ausnahmen und Schutzklauseln im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit und die Streitbeilegung. Ein zentrales Anliegen für die EU ist auch das sogenannte Level Playing Field: die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle am EU-Binnenmarkt beteiligten Unternehmen, dies betrifft vor allem die staatlichen Beihilfen.

Der Bundesrat beabsichtigt, die offenen Punkte in den Gesamtbeziehungen mit der EU auf der Grundlage eines Paketansatzes anzugehen.76 Dazu gehören institutionelle Elemente, die mit einem sektoriellen Ansatz in den einzelnen Binnenmarktabkommen verankert werden sollen. Teil des Paketansatzes sollen namentlich die Assoziierung der Schweiz an künftigen EU-Programmen (insb. in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation) sowie der Abschluss neuer Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit sein. In diesem Rahmen ist der Bundesrat auch bereit, eine Verstetigung des Schweizer Beitrags zu prüfen (vgl. Ziff. 4.3).

Auf dieser Basis fanden im Berichtsjahr Sondierungsgespräche statt, um die Positionen der Partner zu erörtern und zu prüfen, ob eine gemeinsame Basis für die Wiederaufnahme von Verhandlungen besteht. Bei diesen Gesprächen wurden auch die Spielräume und Lösungsansätze berücksichtigt, wie sie vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) identifiziert wurden. Grundlage dafür war eine Auslegeordnung der bestehenden Regulierungsunterschiede im Bereich der Binnenmarktabkommen der Bilateralen I77 sowie eine politische Beurteilung dieser Auslegeordnung basierend auf Gesprächen mit wichtigen innenpolitischen Akteuren.78 Zur Stärkung der politischen und inhaltlichen Steuerung dieser Gespräche suchte der Bundesrat im Rahmen des neu geschaffenen Sounding Board den direkten Austausch mit den Vertretern der Kantone, der Sozialpartner und der Wirtschaft.79

4.3

Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten

Das Parlament hatte auf Antrag des Bundesrates 2021 einen zweiten Schweizer Beitrag an 13 ausgewählte EU-Mitgliedstaaten freigegeben und sendete damit ein wichtiges Signal mit Blick auf die Fortsetzung und Weiterentwicklung des bilateralen Weges. Durch die von der Schweiz mitfinanzierten Programme und Projekte werden 76

77

78

79

Medienmitteilung des Bundesrates vom 25. Febr. 2022, Beziehungen zur EU: Der Bundesrat legt Stossrichtung für Verhandlungspaket fest, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 21.9.2022).

Bericht des EJPD vom 10. Jan. 2022 an den Bundesrat über Regelungsunterschiede zwischen dem Schweizerischen Recht und dem Recht der Europäischen Union, Analyse der Möglichkeiten zur Anpassung des Schweizer Rechts zum Zwecke des Abbaus dieser Unterschiede, abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Publikationen & Services > Berichte, Gutachten und Verfügungen > Berichte und Gutachten (Stand: 21.9.2022).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 17. Juni 2022, Der Bundesrat will die Sondierungen mit der EU intensivieren, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 21.9.2022).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 11. Okt. 2022, Sondierungen CH­EU: Projektorganisation zur Stärkung der politischen und inhaltlichen Steuerung, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 24.11.2022).

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die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der Partnerländer gestärkt. Davon wird auch die Schweiz als Handelspartnerin dieser Länder profitieren.

Die Schweiz und die EU unterzeichneten am 30. Juni 2022 ein Memorandum of Understanding (MoU)80, dass die Aufteilung der insgesamt 1,302 Milliarden Schweizerfranken auf die Partnerländer sowie die thematischen Prioritäten und zentrale Umsetzungsprinzipien festhält. Es dient als Grundlage für den Abschluss bilateraler Umsetzungsabkommen, welche die rechtliche Basis der Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten bilden. Im Jahr 2022 genehmigte der Bundesrat die meisten dieser Umsetzungsabkommen.

4.4

Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts und neue Partnerschaften der EU mit Drittstaaten

Die EU führt die wirtschaftliche Integration im Binnenmarkt fort und bezieht auch neue Themen und Bereiche ein. Viele Entwicklungen in der EU haben direkte Auswirkungen auf die Schweiz, wie zum Beispiel diejenigen im Bereich der digitalen Märkte (vgl. Ziff. 8.4). Gleichzeitig ist die EU bestrebt, ihre Regulierungsansätze als internationale Standards über den EU-Binnenmarkt hinaus zu etablieren. Das hat Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen (vgl. Ziff. 4.4.1). Die stärkere Integration des Binnenmarkts der EU kann auch eine abschottende Wirkung haben. Schliesslich kann die engere Zusammenarbeit der EU mit Drittstaaten neue Herausforderungen für die Schweiz mit sich bringen (vgl. Ziff. 4.4.2). Dieses Umfeld bietet grundsätzlich auch für die Schweiz Chancen für neue Partnerschaften mit der EU. Umgekehrt steigt das Risiko, dass sich Wertschöpfungsketten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums etablieren, an denen Schweizer Unternehmen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen teilnehmen können. Umso wichtiger ist es dem Bundesrat, die offenen Fragen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU möglichst rasch zu klären und die Grundlage für neue Abkommen und Zusammenarbeitsformen zu schaffen (vgl. Ziff. 4.2).

4.4.1

Auswirkungen von EU-Regulierungen auf die Schweiz

Wichtig für Schweizer Unternehmen sind beispielsweise die Datenschutzvorschriften der neuen Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO)81. Sie sind beispielsweise auf Schweizer Unternehmen anwendbar, wenn sie aus der EU stammende Personendaten bearbeiten oder archivieren (vgl. Ziff. 8.1).

80

81

Medienmitteilung des Bundesrates vom 30. Juni 2022, Schweiz und EU unterzeichnen Memorandum of Understanding zum zweiten Schweizer Beitrag, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 21.9.2022).

Verordnung (EU) 2016/679 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Apr. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).

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Auch die vom Europäischen Parlament und im Rat im November 202282 verabschiedete Verordnung gegen Verzerrungen im Binnenmarkt durch Subventionen aus Drittstaaten kann sich auf Schweizer Unternehmen auswirken. Sie erfasst insbesondere finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten (mithin auch der Schweiz), die sich auf Unternehmenszusammenschlüsse, beziehungsweise die Übernahme der Kontrolle eines Unternehmens, oder auf Angebote im öffentlichen Vergabeverfahren im EUBinnenmarkt auswirken können. Solche Zuwendungen müssen bei der Europäischen Kommission angemeldet werden, wenn sie einen gewissen Schwellenwert überschreiten. Darüber hinaus erhält die Kommission die Möglichkeit, auch in anderen Marktsituationen eine Prüfung von drittstaatlichen Subventionen vorzunehmen. Sie kann dem betreffenden Unternehmen Abhilfemassnahmen zur Beseitigung der Binnenmarktverzerrung auferlegen.

Weiter werden verschiedene Regulierungsprojekte im Rahmen des Pakets «Fit für 55» neue Standards schaffen. Damit soll das Ziel des europäischen Grünen Deals, den Treibhausgasausstoss in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu sein, erreicht werden.

Der geplante CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism; CBAM) wird sich direkt auf die Schweiz auswirken. Dies aufgrund der engen Wirtschaftsbeziehungen und des bilateralen Abkommens vom 23. November 201783 über die Verknüpfung der Emissionshandelssysteme. Die EU möchte mit dem CBAM Verlagerungen der Produktion in Standorte mit niedrigeren CO2-Preisen verhindern. Dazu sollen auf Einfuhren, basierend auf deren CO2-Gehalt, Abgaben erhoben werden. Die Gefahr einer Verlagerung von CO2-Emissionen aus der EU in die Schweiz ist aufgrund der Verknüpfung der Emissionshandelssysteme grundsätzlich ausgeschlossen, weshalb die Schweiz vom CBAM der EU ausgenommen wird. In Erfüllung des Postulates 20.393384 der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates «Steuerliche Anreize für einen nachhaltigen internationalen Handel» klärt der Bundesrat derzeit ab, wie sich ein solcher CBAM gleichwohl auf die Schweiz auswirken würde und welche Handlungsoptionen bestehen. Der Bericht wird finalisiert, sobald die definitive CBAM-Verordnung der EU vorliegt.

4.4.2

Strategische Autonomie

Die stärkere Integration im Binnenmarkt der EU kann auch industriepolitische und abschottende Wirkung haben. So strebt die EU eine «strategische Autonomie» in Lieferketten für wichtige Sektoren oder Zukunftstechnologien an. In diesem Zusammenhang werden strategische Förderprojekte (sog. Important Projects of Common European Interest) in den Bereichen Batterien, Wasserstoff, Mikroelektronik und 82 83

84

Verordnung (EU) 2022/2560 des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dez. 2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen.

Abkommen vom 23. Nov. 2017 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union zur Verknüpfung ihrer jeweiligen Systeme für den Handel mit Treibhausgasemissionen (SR 0.814.011.268).

Postulat 20.3933 Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates «Steuerliche Anreize für einen nachhaltigen internationalen Handel», abrufbar unter: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista (Stand: 21.9.2022).

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Pharmazeutika lanciert. Ebenfalls werden strategische Allianzen, wie die Batterieallianz85 oder die European Raw Materials Alliance86 (an der sich auch Schweizer Unternehmen beteiligen), gebildet. Auch der Vorschlag für ein europäisches Chip-Gesetz87 zur Förderung der europäischen Halbleiterindustrie gliedert sich in diese Bestrebungen zum Abbau von Abhängigkeiten ein.

Mit einem engeren Einbezug der Schweiz bei der Vorbereitung und Umsetzung solcher Initiativen könnte allenfalls die Teilnahme von Schweizer Unternehmen und die Einbindung der Schweizer Wirtschaft in wichtige Wertschöpfungsketten verbessert werden. In verschiedenen Bereichen intensiviert die EU bereits ihre Partnerschaften auch mit Drittstaaten wie Norwegen (im Bereich Energie und Batterien) oder den USA (im Bereich Halbleiter). Mit den USA findet zudem ein intensiverer Austausch im Rahmen des sogenannten Trade and Technology Council88 statt.

5

Bilaterale Beziehungen und Wirtschaftsabkommen

5.1

Priorisierung der Partnerländer

Die Schweiz ist als mittelgrosse, stark in die Weltwirtschaft integrierte Volkswirtschaft auf den Zugang zu geografisch diversifizierten Märkten angewiesen. Die grenzüberscheitenden Wertschöpfungsketten wurden in den letzten Jahren vor grosse Herausforderungen gestellt (vgl. Ziff. 1.2).89 Die Widerstandsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft hängt von verlässlichen Wertschöpfungsketten ab (vgl. Ziff. 2.2.1).

Die geographische Diversifikation leistet einen wichtigen Beitrag zur Verlässlichkeit der Wertschöpfungsketten und damit zur Widerstandsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft. Im Rahmen der Aussenwirtschaftsstrategie 2021 will der Bundesrat deshalb die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftspartnern der Schweiz in allen Regionen vertiefen. Zugleich will der Bundesrat seine Ressourcen, gemäss dem Handlungsfeld 4 der Aussenwirtschaftsstrategie, auf die wichtigsten Wirtschaftspartner der Schweiz konzentrieren.

Für die Priorisierung der Wirtschaftspartner berücksichtigt die Schweiz den Umfang des tatsächlichen bilateralen Handels- und Investitionsvolumens und das wirtschaftliche Potential des jeweiligen Partnerlandes, insbesondere als Absatzmarkt für schweizerische Waren und Dienstleistungen sowie als Investitionsstandort. Die 2021 vom Bundesrat gutgeheissene Strategie Subsahara-Afrika 2021­2024 identifizierte

85 86 87

88 89

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.eba250.com (Stand: 21.9.2022).

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.erma.eu (Stand: 21.9.2022).

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.ec.europa.eu > Strategie > Priorities 2019­2024 > Ein Europa für das digitale Zeitalter > Europäisches Chip-Gesetz (Stand: 21.9.2022).

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu > Policies (Stand: 21.9.2022).

Bericht des Bundesrates vom 20. Jan. 2021 zur Aussenwirtschaftspolitik 2020, Schwerpunktkapitel «Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den internationalen Handel und die globalen Wertschöpfungsketten» sowie Ziff. 1 (BBl 2021 343).

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besonderes wirtschaftliches Potential gewisser Länder Afrikas.90 Entsprechend sind verstärkte Beziehungen mit diesen Staaten einer der strategischen Schwerpunkte dieser Strategie. Auch bestehende und künftige Aktivitäten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zur besseren Integration der Partner in die Weltwirtschaft und die spezifische Interessenlage der Schweizer Wirtschaft etwa hinsichtlich der politischen Herausforderungen im jeweiligen Markt sind wichtige Faktoren. Auf diesen Grundlagen entscheidet die Schweiz fortlaufend, mit welchen Wirtschaftspartnern die Beziehungen intensiviert werden sollen. Dabei werden auch andere aussenpolitische Faktoren und Interessen der Schweiz berücksichtigt, wie beispielsweise die Migrationsaussenpolitik. Bei der Auswahl möglicher Partner für den Abschluss neuer Freihandelsabkommen (FHA) spielt zudem die mögliche Benachteiligung von Schweizer Unternehmen gegenüber anderen Partnerländern (v. a. EU, Japan und USA) eine wichtige Rolle. Ebenso wichtig ist die Aussicht auf einen erfolgreichen Vertragsabschluss.

Der Bundesrat analysiert im Sinne der Aussenwirtschaftsstrategie laufend das zukünftige Potential von Partnern und prüft Mittel und Wege, um die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit diesen Partnern weiter auszubauen und vertiefen zu können. Die Schweiz verfolgt nach wie vor eine regulatorische Annäherung und eine enge Kooperation mit ihrer bedeutendsten Handelspartnerin, der EU (vgl. Ziff. 4.2). Aufgrund der Intensität des wirtschaftlichen Austausches und der in vielen Bereichen gemeinsamen Wertvorstellungen kommt den Nachbarstaaten besondere Bedeutung zu. Mit Deutschland schloss die Schweiz im Berichtsjahr ein Wettbewerbsabkommen ab (vgl. Ziff. 5.2.4). Ebenso ist das Vereinigte Königreich (vgl. Ziff. 5.2.3) ein wichtiger Partner der Schweiz. Über den europäischen Kontinent hinaus sind beispielsweise Ägypten, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Mexiko, SaudiArabien, Südafrika, Thailand und die USA von Bedeutung. Im Berichtsjahr wurden ein Investitionsschutzabkommen (ISA) mit Indonesien (vgl. Ziff. 5.2.2) sowie die Verhandlungen über ein Abkommen betreffend die gegenseitige Anerkennung der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel mit den USA abgeschlossen. Zudem wurden Verhandlungen über FHA mit Indien, Indonesien, Mexiko und
Thailand geführt (vgl. Ziff. 5.2.1).

Mit allen prioritären Ländern werden zudem regelmässig bilaterale Wirtschaftsdialoge zwischen den Behörden oder Gemischte Wirtschaftskommissionen (GWK) unter Beteiligung privatwirtschaftlicher Akteure durchgeführt (vgl. Ziff. 11.6). Von den insgesamt 37 GWK sind gegenwärtig rund 29 aktiv, wovon wiederum 18 regelmässig, alle 18 bis 24 Monate, durchgeführt werden. Die in den vergangenen Jahren (2017-2022) durchgeführten GWK umfassten beispielsweise Aserbaidschan, China, Deutschland, Italien, Österreich, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, die Türkei, die USA sowie mehrere Länder, mit denen die Schweiz in Verhandlungen über FHA stand, wie beispielsweise Brasilien, Indien, Indonesien und Mexiko.

90

Äthiopien, Angola, Côte d'Ivoire, Ghana, Kenia, Nigeria, Ruanda, Senegal, Südafrika.

Subsahara-Afrika Strategie 2021­2024 des Bundesrates vom 13. Jan. 2021, abrufbar unter: www.eda.admin.ch > EDA > Publikationen (Stand: 22.12.2022).

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Stehen wichtige Gründe der Durchführung einer GWK entgegen, wird diese seitens der Schweiz ausgesetzt. So werden angesichts der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine die GWK mit Russland und diejenige mit Belarus bis auf Weiteres nicht durchgeführt.

5.2

Bilaterale Wirtschaftsabkommen

Die Schweiz vertritt ihre Interessen anhand einer breiten Palette von wirtschaftsvölkerrechtlichen Instrumenten, darunter auch bilaterale Wirtschaftsabkommen. Diese tragen zur Umsetzung der Handlungsfelder 3, 4, 5 und 6 der Aussenwirtschaftsstrategie bei, indem sie einen offenen und geregelten Handel fördern, durch Diversifizierung die Resilienz der Lieferketten stärken, zu Nachhaltigkeit bei Umwelt und Sozialem beitragen (vgl. Ziff. 7) und die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit wichtigen Handelspartnern ermöglichen.

Die FHA (vgl. Ziff. 5.2.1), ISA (vgl. Ziff. 5.2.2) und die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) (vgl. Ziff. 11.5) stellen die Hauptinstrumente dar, auf die sich die Schweiz stützt. Im Berichtsjahr hat die Schweiz zudem ihre Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich (vgl. Ziff. 5.2.3) vertieft und ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich mit Deutschland (vgl. Ziff. 5.2.4) abgeschlossen.

5.2.1

Freihandelsabkommen

Ausbau und Pflege der Beziehungen Die Schweiz arbeitete im Berichtsjahr im Rahmen der EFTA weiter an der Modernisierung und am Ausbau ihres FHA-Netzes. Die Schweiz verfügt zurzeit über 33 FHA mit 43 Partnern. Im Laufe des Berichtsjahres fanden Verhandlungen über FHA mit Chile, dem Kosovo, Malaysia und Thailand statt. Darüber hinaus hat die EFTA ein umfassendes FHA mit Moldova so gut wie abgeschlossen. Damit setzt die Schweiz ihre Politik zur Unterstützung der moldavischen Wirtschaftsreformen und der Integration Moldovas in europäische und internationale Strukturen der Wirtschaftszusammenarbeit fort. Unter Vorbehalt der definitiven Zustimmung der Vertragsparteien enthält dieses FHA erstmals das neue EFTA-Modellkapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung (vgl. Ziff. 7.1.3) sowie über den elektronischen Handel (E-Commerce) (vgl. Ziff. 8.3). Ausserdem wurden die Prozesse mit Indien, Mercosur, Mexiko, SACU und Vietnam in hybrider Form fortgeführt (vgl. vollständige Liste, Ziff. 11.2).

Im Berichtsjahr haben die EFTA-Staaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der FHA-Verhandlungen mit Thailand eine Ex-ante-Nachhaltigkeitsanalyse lanciert (vgl. Ziff. 7.1.3).

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Nutzen der FHA für Wirtschaftsakteure Die Schweiz und die EFTA publizierten am 15. Juni 2022 je eine umfassende Datenanalyse zur Nutzung von FHA.91 Der FHA-Monitor ist seit 2020 verfügbar für die Schweiz und ihre FHA-Partner sowie seit dem Berichtsjahr für die EFTA-Staaten und deren FHA-Partner. Er zeigt, in welchem Umfang die Unternehmen dank FHA Zölle einsparten. Beim Import in die Schweiz wurden 2020 Zolleinsparungen in der Höhe von 2,3 Milliarden Schweizerfranken realisiert.

Die Schweiz führte 2021 und 2022 zwei Firmenbefragungen zur Nutzung von FHA durch. Ziel war es, besser zu verstehen, wie die FHA durch die Unternehmen genutzt werden und wie sich die Nutzung von FHA weiter vereinfachen lässt. Im Rahmen der Gesamtschau «Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz»92 vom 16. Februar 2022 beauftragte der Bundesrat das SECO bis Ende 2022 zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie die Nutzung der FHA für die Wirtschaftsakteure vereinfacht und verbessert werden könnte.

5.2.2

Investitionsschutzabkommen

Mit Direktinvestitionen im Ausland im Wert von über 1 406 Milliarden Schweizerfranken93 gehört die Schweiz zu den zehn grössten Kapitalexporteuren weltweit. Ausserdem zählt sie mit 1 064 Milliarden Schweizerfranken94 an ausländischen Direktinvestitionen auch zu den zehn grössten Kapitalimporteuren. Es liegt somit im Interesse der Schweiz, günstige Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Dazu tragen die bilateralen ISA bei, genau wie die FHA, welche den Marktzugang für ausländische Investitionen gewähren. Die ISA bieten den Investoren dank der darin enthaltenen Garantien und Umsetzungsmechanismen zusätzliche Rechtssicherheit und Schutz vor politischen Risiken.95 Vor diesem Hintergrund erneuert die Schweiz, die momentan über 111 geltende ISA verfügt, ihr Netz von ISA fortlaufend durch den Abschluss neuer Abkommen. Im Berichtsjahr wurde das neue ISA mit Indonesien unterzeichnet und in die Vernehmlassung gegeben. Ausserdem fanden parallel zu Verhandlungen über das FHA drei Verhandlungsrunden zur Revision des ISA mit Malaysia und drei zur Revision des

91

92

93

94

95

FHA-Monitor 2020 vom 15. Juni 2022, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Freihandelsabkommen > Nutzung von Freihandelsabkommen > FHA-Monitor (Stand: 25.7.2022).

Gesamtschau des Bundesrates vom 16. Febr. 2022 über die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 25.7.2022).

Bericht der Schweizerischen Nationalbank vom 16. Dez. 2022 über die Direktinvestitionen 2021, abrufbar unter: www.snb.ch > Statistiken > Berichte und Medienmitteilungen > Direktinvestitionen (Stand: 16.12.2022).

Bericht der Schweizerischen Nationalbank vom 16. Dez. 2022 über die Direktinvestitionen 2021, abrufbar unter: www.snb.ch > Statistiken > Berichte und Medienmitteilungen > Direktinvestitionen (Stand: 16.12.2022).

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2017 vom 10. Jan. 2018, Ziff. 1 «Die Entwicklungen im internationalen Investitionsschutz als Chance nutzen» (BBl 2018 821).

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ISA mit Mexiko statt. Eine Übersicht über die laufenden Verhandlungen findet sich im Anhang unter Ziffer 11.4.

5.2.3

Weiterentwicklung und Vertiefung der Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich

Das bilaterale Handelsabkommen vom 11. Februar 201996 zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich sieht vor, dass innerhalb von 24 Monaten nach Beginn seiner Anwendbarkeit (ab 1. Jan. 2021) exploratorische Gespräche geführt werden, um dieses Abkommen zu ersetzen, zu modernisieren oder weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die engen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.

Vor diesem Hintergrund schlossen die Schweiz und das Vereinigte Königreich im Berichtsjahr eine Überprüfung der bestehenden handelsrelevanten Abkommen ab. Im September 2022 wurden zudem exploratorische Gespräche aufgenommen, um zu prüfen, ob eine gemeinsame Basis für die Aufnahme von Verhandlungen besteht. Der Bundesrat sieht insbesondere in den Bereichen Handelserleichterung, Dienstleistungen, digitaler Handel, Geistiges Eigentum, Handel und nachhaltige Entwicklung, handelspolitische Schutzmassnahmen sowie Streitschlichtung Potenzial für die Weiterentwicklung der Beziehungen. Zur Vorbereitung der Exploration lud der Bundesrat interessierte Akteure im Berichtsjahr ein, allfällige Anliegen und Interessen bekannt zu geben (vgl. Ziff. 3.5). Die erhaltenen Rückmeldungen wurden bei den Explorationen mit dem Vereinigten Königreich über eine Modernisierung des FHA berücksichtigt.

Die Schweiz und das Vereinigte Königreich unterzeichneten am 17. November 2022 ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen in fünf Sektoren, um Handelshemmnisse soweit möglich zu vermeiden. Dieses wird ab dem 1. Januar 2023 vorläufig angewendet und tritt spätestens am 28. Februar 2023 in Kraft.

Das befristete Abkommen vom 14. Dezember 202097 über die Mobilität von Dienstleistungserbringern regelt den gegenseitigen erleichterten Zugang für Dienstleistungserbringer nach dem Wegfall des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich. Es wurde seit dem 1. Januar 2021 provisorisch angewendet. Am 18. März 2022 wurde das Abkommen vom Parlament genehmigt. Das Abkommen war auf zwei Jahre befristet. Die Schweiz und das Vereinigte Königreich beschlossen im Berichtsjahr eine Verlängerung des Abkommens um drei Jahre bis am 31. Dezember 2025.

In den Verhandlungen über ein Abkommen im Bereich der Finanzdienstleistungen erzielten die Schweiz und das Vereinigte Königreich im
Berichtsjahr gute Fortschritte.

Das Abkommen soll die gegenseitige Anerkennung der relevanten Regulierungsund Aufsichtsrahmen regeln. Ziel ist die Erleichterung des grenzüberschreitenden Marktzugangs für Finanzdienstleistungen in den Bereichen Versicherung, Banken, 96 97

SR 0.946.293.671 SR 0.946.293.671.2

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Asset Management sowie Kapitalmarktinfrastruktur. Im Dezember 2022 fand ein Treffen der beiden Finanzminister statt. Ein Abschluss des Abkommens wird für 2023 angestrebt.

5.2.4

Wettbewerbsabkommen Schweiz­Deutschland

Das Abkommen über Zusammenarbeit und Koordinierung der Wettbewerbsbehörden zwischen der Schweiz und Deutschland wurde am 1. November 2022 in Berlin unterzeichnet. Es wird dem Parlament mit beiliegender Botschaft zur Genehmigung unterbreitet (vgl. Ziff. 12.1.3). Das Abkommen ergänzt das 201398 abgeschlossene Kooperationsabkommen mit der EU. Es soll die Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden beider Länder erleichtern und zu einem besseren Schutz des Wettbewerbs in der Schweiz und Deutschland beitragen.

6

Multilaterale Beziehungen und Wirtschaftsabkommen

Die Schweiz setzte sich im Berichtsjahr in den in diesem Kapitel aufgeführten Organisationen für die Weiterentwicklung von internationalen Regeln und Standards ein und verteidigte ihre Rechte wo nötig in Streitschlichtungsverfahren. Das entspricht dem Handlungsfeld 2 der Aussenwirtschaftsstrategie. Für die Schweiz ist der multilaterale Rahmen der bevorzugte Lösungsansatz zur Bewältigung globaler Herausforderungen. Die multilateralen Instrumente im Bereich der Nachhaltigkeit werden unter Ziffer 7 und im Bereich der Digitalisierung unter Ziffer 8 abgebildet.

6.1

Welthandelsorganisation

Die 12. ordentliche Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO), die vom 12.-17. Juni 2022 in Genf abgehalten wurde, verhalf zu einer Dynamisierung der Verhandlungen und wichtigen Ergebnissen. Das multilaterale Handelssystem wurde gestärkt (vgl. Ziff. 6.1.1 und 6.1.2). Zusätzlich war für die Schweiz das WTO-Handelsexamen von Bedeutung, das am 18. und 20. Mai 2022 stattfand. Die WTO-Mitglieder würdigten die Schweiz für ihre konstruktive Rolle in der WTO und für die Unterstützung des multilateralen Handelssystems. Hervorgehoben wurde die Offenheit der schweizerischen Aussenhandelspolitik, insbesondere die bevorstehende Aufhebung der Industriezölle (vgl. Ziff. 3.1.1). Die Kritik der WTO-Mitglieder bezog sich unter anderem auf den hohen Grenzschutz im Agrarsektor.

98

SR 0.251.268.1

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6.1.1

Multilaterale Ergebnisse der Ministerkonferenz

Die Vorbereitungen der 12. Ministerkonferenz wurden durch die Covid-19-Pandemie sowie die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine erheblich beeinträchtigt. Diese akuten Herausforderungen überlagerten das anhaltend angespannte handelspolitische Umfeld unter anderem aufgrund der Handelskonflikte zwischen den USA und China. Gleichwohl gelang es, mit dem Abkommen über Fischereisubventionen99 (vgl. Ziff. 7.1.2) erstmals seit 2013 ein neues multilaterales Abkommen zu vereinbaren. Zudem konnten erstmals seit 2015 wieder materiell neue Beschlüsse auf Ministerstufe verabschiedet werden. Die Ergebnisse sind in ihrer rechtlichen Tragweite zwar weniger weitgehend als von der Schweiz und anderen Mitgliedern angestrebt. Sie haben aber eine gewichtige Bedeutung für die Stärkung des multilateralen Handelssystems und der WTO.

Als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie und zur Vorbereitung auf künftige Pandemien bekräftigten die WTO-Mitglieder die Bedeutung eines stabilen und berechenbaren Handelsumfelds und des multilateralen Handelssystems.100 Weiter wurde ein Beschluss101 zum WTO-Übereinkommen vom 15. April 1994102 über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights; TRIPS-Abkommen) erzielt. Im Rahmen dieses Beschlusses einigten sich die WTO-Mitglieder auf Klarstellungen und gewisse verfahrenstechnische Erleichterungen für Entwicklungsländer bei der Vergabe von Zwangslizenzen für die Herstellung und den Export von Impfstoffen gegen Covid-19. Die WTO-Mitglieder führten nach der Ministerkonferenz die Beratungen weiter, ob der Beschluss auf Therapeutika und Diagnostika gegen Covid-19 ausgedehnt werden soll.

Vor dem Hintergrund der seit mehreren Jahren voranschreitenden Nahrungsmittelkrise wurde eine Erklärung zur Ernährungsunsicherheit103 sowie ein Verbot von Exportbeschränkungen für Lieferungen an das UN-Welternährungsprogramm104 verabschiedet. Wie bereits an der letzten WTO-Ministerkonferenz konnten die WTO-Mitglieder sich auch diesmal nicht auf ein Arbeitsprogramm für die weiteren 99

100

101

102 103

104

Abkommen vom 17. Juni 2022 über Fischereisubventionen (WT/MIN(22)/33), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

Ministererklärung vom 17. Juni 2022 über die Antwort der WTO auf die Covid-19Pandemie und die Vorbereitung auf künftige Pandemien (WT/MIN(22)/31), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

Ministerbeschluss vom 17. Juni 2022 über das TRIPS-Abkommen (WT/MIN(22)/30), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

SR 0.632.20 Ministererklärung vom 17. Juni 2022 über die dringliche Antwort auf die Ernährungsunsicherheit (WT/MIN(22)/28), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

Ministerbeschluss vom 17. Juni 2022 über die Befreiung von Exportverboten oder -beschränkungen für den Erwerb von Nahrungsmitteln des Welternährungsprogramms (WT/MIN(22)/29), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

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Agrarverhandlungen einigen. Erste Gespräche nach der Ministerkonferenz deuten aber darauf hin, dass die Agrarverhandlungen weiterhin eine hohe Priorität behalten werden. Die Schweiz setzte sich bei der Wiederaufnahme der Agrarverhandlungen gemeinsam mit gleichgesinnten WTO-Mitgliedern für die Berücksichtigung nachhaltiger Ernährungssysteme ein. Die WTO-Mitglieder verabschiedeten anlässlich der Ministerkonferenz zudem eine Erklärung105 zu den künftigen Herausforderungen im Bereich sanitärer und phytosanitärer Massnahmen (SPS) und nahmen Beratungen auf.

In der Abschlusserklärung106 zur Ministerkonferenz hielten die WTO-Mitglieder ihre Absicht fest, auf die notwendige Reform der WTO und bis 2024 auf einen voll funktionsfähigen Streitschlichtungsmechanismus hinzuarbeiten. Diese Erklärung und die Aufnahme informeller Konsultationen durch die USA gaben einen neuen Impuls für die Arbeiten zur Überwindung der seit drei Jahren bestehenden Blockade des Berufungsgremiums. Das Moratorium107 gegen die Erhebung von Zöllen auf elektronischen Übermittlungen, welches seit 1998 regelmässig verlängert wurde, konnte an der 12. Ministerkonferenz ein weiteres Mal erneuert werden. Ohne entsprechenden Beschluss des WTO-Generalrates oder der zuständigen Ministerinnen und Minister der Mitglieder läuft das Moratorium auf den 31. März 2024 aus. Die Schweiz setzt sich für die Weiterführung des Moratoriums ein.

6.1.2

Plurilaterale Verhandlungsthemen

Die Schweiz beteiligte sich an allen plurilateralen Verhandlungsprozessen in der WTO. Die Verhandlungen über das Abkommen zur Erleichterung von Investitionen sind inhaltlich weit fortgeschritten. Damit streben über 110 Staaten zu mehr Transparenz und zur Straffung der Verfahren betreffend Investitionen. Das Abkommen enthält zudem Bestimmungen zur internationalen Zusammenarbeit, konkret zum Informationsaustausch zur Anwendung des Abkommens, und zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umsetzung des Abkommens. Die Verhandlungen in anderen laufenden Prozessen (vgl. Ziff. 11.1) wurden weitergeführt, insbesondere im Bereich Handel und Umwelt (vgl. Ziff. 7.1.2), sowie zum elektronischen Handel (E-Commerce) (vgl. Ziff. 8.2). Weiter umstritten ist die Frage, wie plurilaterale Verhandlungsergebnisse ins (multilaterale) WTO-Recht aufgenommen werden können.

Sie wird auch Teil der Debatte zur Reform der WTO sein.

105

Ministererklärung vom 17. Juni 2022 über sanitäre und phytosanitäre Themen für die 12. WTO-Ministerkonferenz: Bewältigung der SPS-Herausforderungen der modernen Welt (WT/MIN(22)/27), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

106 Abschlussdokument der 12. Ministerkonferenz vom 17. Juni 2022 (WT/MIN(22)/24), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

107 Ministerbeschluss vom 17. Juni 2022 über Work Programme on Electronic Commerce (WT/MIN(22)/32), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

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6.1.3

Fälle in der WTO-Streitschlichtung

Um ihrer Rechte zu verteidigen, nutzt die Schweiz unter anderem die Streitbeilegungsverfahren der WTO.108 So reichte sie 2018 eine Klage gegen die von den USA verhängten Zusatzzölle auf Stahl und Aluminium ein. Im Dezember 2022 veröffentlichte das Panel seinen Abschlussbericht.109 Das Panel folgte den rechtlichen Argumenten der Schweiz. Es kam zum Schluss, dass die Massnahmen der USA gegen das WTO-Recht verstossen und sich nicht durch die sogenannte «Sicherheitsausnahme» rechtfertigen lassen. Die Sicherheitsausnahme ermöglicht es den WTO-Mitgliedern, unter bestimmten Voraussetzungen Massnahmen zum Schutz ihrer Sicherheitsinteressen zu ergreifen. Diese Entscheidung stellt das Recht der WTO-Mitglieder, solche Massnahmen zu ergreifen, nicht in Frage. Die WTO-Mitglieder haben in dieser Hinsicht einen grossen Handlungsspielraum. Sie müssen jedoch bestimmte gesetzliche Mindestanforderungen erfüllen, deren Einhaltung von einem Panel überprüft werden kann. Auch in den Verfahren Norwegens, Chinas und der Türkei gegen die Massnahmen der USA wurden die Panelberichte im Dezember 2022 veröffentlicht.110 Die Schweiz beteiligt sich zudem als Drittpartei an verschiedenen WTO-Verfahren.

So kann sie rechtliche oder systemische Argumente zu systematisch wichtigen Fragen einbringen, ohne selbst als Klägerin aufzutreten. Beispielsweise nahm die Schweiz als Drittpartei am ersten Ad-hoc-Berufungsverfahren teil. In diesem Verfahren bestritt die EU die von der Türkei verlangten Anforderungen an den Produktionsstandort für pharmazeutische Produkte. Dies ist ein Sektor, auf den ein grosser Teil der Schweizer Exporte in die Türkei entfällt. Das Schiedsgericht fällte seine Entscheidung am 25. Juli 2022. Diese erste Erfahrung mit einem Ad-hoc-Berufungsverfahren ist eine positive Entwicklung für das Streitbeilegungssystem der WTO. Sie zeigt, dass Handelsstreitigkeiten trotz der Lähmung des Berufungsorgans endgültig und wirksam beigelegt werden können. Dieses Verfahren gleicht demjenigen der vorläufigen multipartiten Berufungs-Vereinbarung (Multi-Party Interim Appeal Arbitration Arrangement, MPIA). Das MPIA wurde im April 2020 eingerichtet und zählt heute 25 Teilnehmende, darunter die Schweiz. Es sieht ein Berufungsverfahren vor einem Schiedsgericht vor, bis das WTO-Berufungsorgan erneut funktionsfähig ist. Eine erste MPIA-basierte Berufung wurde im Oktober 2022 von Kolumbien in einem Antidumpingfall gegen die EU eingereicht.

108

Die Liste der laufenden WTO-Verfahren mit Beteiligung der Schweiz als Partei oder als Drittpartei ist abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Internationale Organisationen > WTO (Stand: 8.9.2022).

109 Abschlussbericht des Panels vom 9. Dez. 2022 (WT/DS556/R), abrufbar unter: www.wto.org > Trade topics > Dispute settlement > The disputes > DS556 (Stand: 15.12.2022).

110 Panelberichte sind abrufbar unter: www.wto.org > Trade topics > Dispute settlement > The disputes > By country / territory (Stand: 15.12.2022).

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6.2

Internationale Arbeitsorganisation

Die Internationale Arbeitskonferenz entschied an der 110. Tagung im Juni 2022, die vier bestehenden Grundprinzipien und -rechte bei der Arbeit erstmals seit 1998 um ein weiteres zu ergänzen: das Recht auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld.

Diese Grundprinzipien und -rechte111 sind von allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu achten und zu fördern, unabhängig davon, ob sie die entsprechenden grundlegenden Übereinkommen ratifiziert haben. Zu diesen gehören neu das Übereinkommen Nr. 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt von 1981112 und das Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz von 2006113. Die Schweiz engagierte sich für die Aufnahme dieses neuen Grundrechts.

Des Weiteren nahm die Schweiz an der 5. Weltkonferenz zur Beseitigung von Kinderarbeit teil, die von der südafrikanischen Regierung zusammen mit der IAO organisiert wurde. Diese Konferenz war für die Schweiz von besonderer Bedeutung, da sie am 1. Januar 2022 als erstes Land eine speziell auf Kinderarbeit ausgerichtete Sorgfaltspflicht für Unternehmen eingeführt hatte.114 Die Schweiz informierte die Konferenzteilnehmenden über ihre Erfahrungen und Massnahmen im Rahmen einer Nebenveranstaltung über die Rolle der Unternehmen im Kampf gegen die Hauptursachen von Kinderarbeit.

6.3

OECD

Im Mittelpunkt des Ministertreffens vom 9. und 10. Juni 2022 in Paris standen die Auswirkungen der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine auf die Weltwirtschaft.115 Weiter begrüssten die Ministerinnen und Minister die Gründung des Inclusive Forum on Carbon Mitigation Approaches (IFCMA). Das IFCMA wird bestehende Massnahmen zur CO2-Reduzierung identifizieren und ihre Wirksamkeit analysieren. Ausserdem wurden die Fahrpläne für den Beitritt von fünf Kandidatenländern (Brasilien, Bulgarien, Kroatien, Peru, Rumänien) verabschiedet.

Die Schweiz unterstützte die internationalen Bestrebungen für mehr Transparenz und gleich lange Spiesse (Level Playing Field) bei der Besteuerung multinationaler Konzerne. Als OECD-Mitglied beteiligte sie sich aktiv am BEPS-Projekt gegen Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) und an den Folgearbeiten. Im Berichtsjahr gingen die Arbeiten zu den im Oktober 2021 durch das

111

112 113 114 115

Erklärung der IAO vom 18. Juni 1998 über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, in der geänderten Fassung von 2022, abrufbar unter: www.ilo.org > Labour standards (Stand: 12.9.2022).

Übereinkommen Nr. 155 vom 22. Juni 1981 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt, abrufbar unter: www.ilo.org > Labour standards (Stand: 12.9.2022).

Übereinkommen Nr. 187 vom 15. Juni 2006 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, abrufbar unter: www.ilo.org > Labour standards (Stand: 12.9.2022).

Art. 964quinquies­964septies des Obligationenrechts (SR 220).

2022 Ministerial Council Statement, abrufbar unter: www.oecd.org/mcm > Key 2022 MCM documents (Stand: 21.9.2022).

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Inclusive Framework (IF) on BEPS116 der OECD verabschiedeten Eckwerten zur künftigen Besteuerung von grossen Unternehmensgruppen weiter. Das Projekt ist in zwei Säulen gegliedert. Die erste Säule sieht neue Gewinnzuteilungsregeln namentlich in Bezug auf Marktstaaten vor: Betroffen sind Unternehmensgruppen mit über 20 Milliarden Euro Jahresumsatz und über 10 Prozent Gewinnmarge, was gemäss Angaben der OECD/G20 die rund 100 grössten und profitabelsten Unternehmensgruppen weltweit umfasst. Für die Umsetzung der ersten Säule ist ein multilaterales Übereinkommen angedacht. Gemäss Zeitplan des IF on BEPS soll das Übereinkommen in der ersten Hälfte 2023 zur Unterzeichnung aufliegen, damit es im Jahr 2024 in Kraft treten kann, nachdem eine kritische Masse an Staaten es ratifiziert haben. Die zweite Säule sieht eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für international tätige Unternehmensgruppen mit einem Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro vor. Potentiell erfasst werden eine tiefe dreistellige Zahl an inländischen Unternehmensgruppen sowie die Geschäftseinheiten einer tiefen vierstellige Zahl ausländischer Unternehmensgruppen. Der Bundesrat beschloss im Januar 2022, diese Mindeststeuer mit einer Verfassungsänderung umzusetzen. Basierend darauf soll eine temporäre Verordnung sicherstellen, dass die Mindeststeuer auf den 1. Januar 2024 in Kraft treten kann. Das Gesetz wird im Nachgang auf dem ordentlichen Weg erlassen.117 Das Parlament verabschiedete in der Wintersession die Verfassungsänderung.118 Die Volksabstimmung ist im Juni 2023 geplant.

Im Juni 2022 verteidigte die Schweiz vor der Arbeitsgruppe Korruption ihren zweiten Fortschrittsbericht zum 2018 durchgeführten Peer-Review. Vorgeworfen werden der Schweiz weiterhin das Fehlen eines gesetzlich verankerten Schutzes für Whistleblower in der Privatwirtschaft sowie die bescheidene Bussenobergrenze für der Korruption überführte Unternehmen (5 Mio. CHF). Falls bis im Juni 2023 in diesen zwei Punkten keine konkreten Fortschritte vorliegen, könnten seitens der OECD weitere Massnahmen ergriffen werden, wie zum Beispiel die Entsendung einer hochrangigen Delegation nach Bern zur Erörterung dieser Themen. Auch die parlamentarische OECD-Delegation tauschte sich bei ihrem ersten Besuch in Paris im Juli 2022 insbesondere über diese zwei Themen aus.
Die Umweltministerinnen und -minister wiesen an ihrem Treffen des Ausschusses für Umweltpolitik (Environment Policy Committee, EPOC) der OECD vom 30. und 31. März 2022 erneut darauf hin, wie eminent wichtig eine Reaktion auf die Klimaerwärmung und eine Ausrichtung der Finanzflüsse auf die Umweltziele ist. Auch andere globale Krisen (z. B. Verlust der Biodiversität, Verschmutzung) sowie ökologische Herausforderungen beim Umgang mit Kunststoffen und im Zusammenhang mit dem Handel und der Digitalisierung wurden behandelt. Ebenso besprochen wurde die Notwendigkeit, die Umwelt- und Sektorpolitik stärker miteinander zu verbinden.

116

Das IF ist die oberste technische und politische Instanz für die Behandlung der Empfehlungen des BEPS-Projekts und die Fortführung der diesbezüglichen Arbeiten. Aktuell zählt das IF 142 Mitgliedstaaten, 138 tragen das Statement mit.

117 Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.efd.admin.ch > Steuern > Steuern international > Umsetzung der OECD-Mindeststeuer in der Schweiz (Stand: 21.9.2022).

118 BBl 2022 1700

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Am 3. und 4. November 2022 tauschten sich die Agrarministerinnen und -minister der OECD-Mitgliedstaaten sowie wichtiger Partnerländer zum Thema «Building Sustainable Agriculture and Food Systems in a Changing Environment» aus. In ihrer Erklärung119 über transformative Lösungen für nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme legten die Ministerinnen und Minister wirtschaftspolitische Massnahmen fest, um langfristig die Ernährungssicherheit und eine gesunde Ernährung zu gewährleisten, die Lebensgrundlagen zu verbessern und die Nachhaltigkeit voranzutreiben.

Diese Stossrichtungen entsprechen denjenigen, die der Bundesrat auch in seinem Bericht über die zukünftige Ausrichtung der Schweizer Agrarpolitik formuliert hat. Die Stärkung des Handels und der Funktionsweise der Märkte trägt als Teil eines kohärenten Massnahmenpakets zur Transformation der Ernährungssysteme hin zu mehr Nachhaltigkeit bei.

Am 14. und 15. Dezember 2022 fand das Ministertreffen des OCED-Ausschusses für die Politik der digitalen Wirtschaft (Committee on Digital Economy Policy, CDEP) statt. An der Konferenz wurde eine Ministererklärung verabschiedet, in der die Prioritäten und Meilensteine für die künftige Arbeit des CDEP festgelegt wurden.120 Die OECD-Mitglieder einigten sich zudem in einer zweiten Ministererklärung erstmals auf Grundsätze für den behördlichen Zugriff auf personenbezogene Daten von privaten Unternehmen.121 Die Erklärung hält fest, wie nationale Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden auf solche Daten zugreifen können, und soll dadurch das Vertrauen in den grenzüberschreitenden Datenverkehr stärken. Weiter wurden an dem Treffen eine Reihe von Empfehlungen zur Cybersicherheit lanciert.

6.4

Gruppe der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenländer

Die Gruppe der 20 Industrie- und Schwellenländer (G20) ist das bedeutendste internationale Forum für Wirtschaftspolitik und Regulierung. Während des Berichtsjahres präsidierte Indonesien die G20 unter dem Leitmotiv «Recover Together, Recover Stronger». Die Schweiz wurde erneut zu allen Arbeitsgruppen des «Finance Track», welcher sich auf finanzielle und monetäre Fragen konzentriert, eingeladen. Zudem nahm die Schweiz im sogenannten «Sherpa Track» an den Arbeitsgruppen AntiKorruption, Gesundheit, sowie Handel, Investitionen und Industrie teil. Die Schweiz nahm auch an den Treffen der G20-Finanzministerinnen und -minister sowie der Zentralbankgouverneurinnen und -gouverneure, am Treffen der G20-Gesundheitsund Handelsministerinnen und -minister sowie am G20-Gipfel in Bali teil. So wirkte die Schweiz aktiv an den Diskussionen in den drei prioritären Säulen Indonesiens 119

Erklärung vom 4. Nov. 2022 über Transformative Solutions for Sustainable Agriculture and Food Systems (OECD/LEGAL/0483), abrufbar unter: https://legalinstruments.oecd.org (Stand: 9.11.2022).

120 Erklärung vom 15. Dez. 2022 über Trusted, Sustainable and Inclusive Digital Future (DSTI/CDEP(2022)19/REV1), abrufbar unter: https://legalinstruments.oecd.org (Stand: 19.12.2022).

121 Erklärung vom 14. Dez. 2022 über Government Access to Personal Data held by Private Sector Entities (DSTI/CDEP(2002)22), abrufbar unter: https://legalinstruments.oecd.org (Stand: 19.12.2022).

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mit: Globale Gesundheitsarchitektur, nachhaltige Energiewende und digitale Transformation.

6.5

Modernisierung des Energiechartavertrags

Nach 15 Verhandlungsrunden, die sich über zwei Jahre hingezogen hatten, wurden die Verhandlungen über die Modernisierung des Vertrags über die Energiecharta (ECT) vom 17. Dezember 1994122 im Berichtsjahr abgeschlossen. Der ECT ist ein multilateraler Vertrag zwischen rund 50 hauptsächlich zentralasiatischen und europäischen Ländern, der grenzübergreifende Investitionen im Energiesektor schützen und den Transit in diesem Bereich erleichtern soll.

Ziel der Modernisierung war es, den Vertrag und insbesondere die Schutznormen an die neuen Gegebenheiten anzupassen, vor allem in Bezug auf den Klimawandel und die erneuerbaren Energien. Das Endresultat zeugt von den Anstrengungen, welche die Vertragsparteien trotz ihrer unterschiedlichen Verhandlungszielen unternommen haben. Der überarbeitete ECT wird auch auf neue saubere Energien wie Wasserstoff, Biomasse und Biogas anwendbar sein. Gleichzeitig dürfen die Vertragsparteien in ihrem Hoheitsgebiet den Investitionsschutz für fossile Brennstoffe ausschliessen. Bei den Schutznormen wurden mehrere Artikel präzisiert (gerechte und billige Behandlung, indirekte Enteignung). Weiter wurde eine Bestimmung eingeführt, die den Staaten eine Regulierung im öffentlichen Interesse zugesteht. Auch die Investor-Staat- und Staat-Staat-Streitschlichtungsmechanismen wurden präzisiert und insbesondere durch Transparenzbestimmungen ergänzt. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit haben die Parteien ihre Rechte und Pflichten aus den multilateralen Umwelt- und Arbeitsübereinkommen (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen vom 9. Mai 1992123 über Klimaänderungen [UNFCCC], Klimaübereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015124, IAO-Kernübereinkommen125) bekräftigt und sich gleichzeitig für die Einhaltung einer guten Unternehmensführung eingesetzt.

Die Änderungen des ECT konnten anlässlich der ECT-Konferenz vom 22. November 2022 nicht verabschiedet werden, da noch nicht alle Parteien beschlussfähig waren. Bis Ende 2023 soll die Genehmigung des Verhandlungsergebnisses anlässlich einer Ad-hoc-Sitzung der ECT-Konferenz erneut behandelt werden.

122 123 124 125

SR 0.730.0 SR 0.814.01 SR 0.814.012 IAO-Kernübereinkommen, abrufbar unter: www.ilo.org > Countries > Germany > Country Website > ILO Arbeits- und Sozialstandards > ILO-Kernarbeitsnormen (Stand: 12.9.2022).

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7

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung

Die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik dient dem Erhalt und der Steigerung des Wohlstands der Schweizer Bevölkerung, im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung. Während die aussenwirtschaftspolitischen Instrumente in erster Linie auf die Stärkung der wirtschaftlichen Dimension zielen, kommt auch den Dimensionen Umwelt und Soziales eine hohe Bedeutung zu. Die Schweiz förderte deshalb, wie im Handlungsfeld 6 der Aussenwirtschaftsstrategie vorgesehen, den nachhaltigen Handel im Rahmen der WTO (vgl. Ziff. 7.1.2) und der FHA (vgl. Ziff. 7.1.3), unterstützte globale Standards zum Schutz der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (vgl. Ziff. 7.1.4) und engagierte sich für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung (vgl. Ziff. 7.2). Damit setzt sie sich gemäss Artikel 104a Buchstabe d BV auch dafür ein, dass der grenzüberschreitende Handel zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Land- und Ernährungswirtschaft beiträgt.

7.1

Beitrag der Aussenwirtschaftspolitik zur Nachhaltigkeit

Das multilaterale Abkommen über die Fischereisubventionen126 (vgl. Ziff. 7.1.2) sowie die im umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vom 16. Dezember 2018127 zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien enthaltenen Marktzugangskonzessionen (vgl. Ziff. 7.1.3) stärken die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit.

Das von der Schweiz mitfinanzierte IAO Programm Productivity Ecosystems for Decent Work (vgl. Ziff. 7.1.4) leistet einen Beitrag zur sozialen Dimension der Nachhaltigkeit. Indem die Schweiz über verschiedene Abkommen, Projekte und Programme informiert und diese veröffentlicht, trägt sie zudem zu einer transparenten Aussenwirtschaftspolitik, angestrebt im Handlungsfeld 8 der Aussenwirtschaftsstrategie, bei.

7.1.1

Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) bilden den Referenzrahmen für die globale nachhaltige Entwicklung. Dazu verabschiedete der Bundesrat im Mai 2022 den zweiten Länderbericht zuhanden der UNO.128 Dieser wurde am Hochrangigen Politischen Forum für Nachhaltige Entwicklung der UNO (High-level Political Forum on Sustainable Development, HLPF) 126

Abkommen vom 17. Juni 2022 über Fischereisubventionen (WT/MIN(22)/33), abrufbar unter: www.wto.org > About WTO > Decision-making > Ministerial conferences > MC12 ­ Geneva, 12­16 June 2022 (Stand: 21.9.2022).

127 SR 0.632.314.271 128 Bericht des Bundesrates vom 4. Mai 2022 über die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, Länderbericht der Schweiz 2022, abrufbar unter: www.eda.admin.ch > Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung >Strategie und Berichterstattung > Länderbericht an die UNO (Stand: 29.8.2022).

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präsentiert. Der Länderbericht zeigt auf, wo sich die Schweiz auf dem Weg zur Zielerreichung befindet. Sie ist in der Erreichung einiger SDG, wie beispielsweise der Bildung, der Gesundheitsversorgung oder der Gewährleistung rechtsstaatlicher Institutionen, bereits weit fortgeschritten. Allerdings bleibt der Handlungs- und Abstimmungsbedarf insbesondere in jenen Bereichen gross, die der Bundesrat in seiner Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 (SNE 2030) als Schwerpunktthemen festgehalten hat.129 Handlungsbedarf besteht gemäss Länderbericht beispielsweise beim Abbau von Markteintrittshürden, der Internalisierung externer Kosten, der weiteren Öffnung der Schweizer Volkswirtschaft sowie der Sicherung und Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen zur EU. Diese Erkenntnisse fliessen in den Aktionsplan zur SNE 2030 ein, der 2024 verabschiedet werden soll.

7.1.2

WTO und ökologische Nachhaltigkeit

Mit dem neuen multilateralen Abkommen über Fischereisubventionen verzeichnete die WTO im Berichtsjahr nach über 20 Jahren Verhandlungen einen wichtigen Erfolg im Bereich Handel und Umwelt. Das an der 12. Ministerkonferenz verabschiedete Abkommen stützt sich auf die Nachhaltigkeitsziele der UNO (SDG-Unterziel 14.6).

Die vereinbarten Bestimmungen verbieten Subventionen für die Hochseefischerei, welche zur illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (sog. IUUFischerei; illegal, unreported, and unregulated fishing) sowie zur Fischerei in bereits überfischten Beständen beitragen. Bislang konnte gegen eine dritte Kategorie von Subventionen, nämlich diejenigen, die die Überkapazitäten und Überfischung fördern, keine Lösung gefunden werden, weil die unterschiedliche Verpflichtung von Industriestaaten und Entwicklungsländern umstritten blieb. Die Verhandlungen dazu werden weitergeführt. Das vereinbarte Abkommen wird nach Ablauf einer Frist von vier Jahren ausser Kraft treten, wenn diese Verhandlungen bis dann nicht abgeschlossen sind.

Ferner trieben einige WTO-Mitglieder, darunter die Schweiz, die plurilateralen Prozesse im Bereich Handel und Umwelt voran. Sie umfassten drei Initiativen. Erstens strebten die Teilnehmer im informellen Dialog über Handel und Kunststoffverschmutzung (Informal Dialogue on Plastics Pollution and Environmentally Sustainable Plastics Trade, IDP) konkrete handelspolitische Schritte an, um die Verschmutzung durch Kunststoffe verstärkt zu bekämpfen. Zweitens wurde anlässlich der Ministerkonferenz ein Arbeitsprogramm hinsichtlich einer Reform der Subventionen für fossile Energien (Fossil Fuel Subsidy Reform, FFSR) verabschiedet. Drittens wurden die Arbeiten im Rahmen der strukturierten Gespräche über Handel und ökologische Nachhaltigkeit (Trade and Environmental Sustainability Structured Discussions, TESSD) unter Einbezug der Zivilgesellschaft auf die Themen handelsbezogene Klimamassnahmen, Umweltgüter und -dienstleistungen, Kreislaufwirtschaft und Subventionen fokussiert.

129

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 und Aktionsplan 2021­2024 des Bundesrates vom 23. Juni 2021, beide abrufbar unter: www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Strategie und Berichterstattung (Stand: 29.8.2022).

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Die Schweiz führte zusammen mit den Ländern Costa Rica, Fidschi, Island, Neuseeland und Norwegen die plurilateralen Verhandlungen zum Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit (Agreement on Climate Change, Trade and Sustainability, ACCTS) im Berichtsjahr fort. Die Handelsminister der teilnehmenden Länder bekräftigten an ihrem Treffen vom 15. Juni 2022 das Ziel, die Verhandlungen so bald als möglich abzuschliessen.

7.1.3

FHA und nachhaltige Entwicklung

Nachhaltigkeitsbestimmungen in FHA Das umfassende Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien knüpfte zum ersten Mal in einem FHA der Schweiz Marktzugangskonzessionen für ein bestimmtes Produkt (Palmöl) an die Einhaltung von Kriterien bezüglich einer nachhaltigen Produktion. Die entsprechende Umsetzung erfolgte in der Schweiz auf Verordnungsstufe.130 Im Berichtsjahr sind zwei Gesuche um Berechtigung zur Einfuhr von Palmöl zum Präferenz-Zollansatz eingegangen und bewilligt worden. Total wurden 21 Tonnen Palmöl (0,2 % des Indonesien zugestandenen Kontingents) zum Präferenz-Zollansatz in die Schweiz eingeführt. Wie in der revidierten Aussenwirtschaftsstrategie angekündigt, wird der Bundesrat auch in Zukunft prüfen, ob im Fall von Produkten, deren Produktionsprozesse aus Nachhaltigkeitssicht besonders problematisch sind, die Konzessionen für einen erleichterten Markzugang mit der Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards verknüpft werden sollen und können.

Zusammen mit den anderen EFTA-Staaten verstärkte die Schweiz, wie in den Handlungsfeldern 6 und 8 der Aussenwirtschaftsstrategie anvisiert, den Mechanismus zur Überwachung der Umsetzung von Nachhaltigkeitsbestimmungen in FHA. Konkret wurden Informationen über die Umsetzung dieser Bestimmungen in den Partnerländern eingeholt und der Einbezug der relevanten Anspruchsgruppen intensiviert. Im Berichtsjahr führte dieser verstärkte Mechanismus zu substanziellen Diskussionen über die Umsetzung der Nachhaltigkeitsbestimmungen an den Treffen der Gemischten Ausschüsse unter den FHA mit Georgien131 und mit Indonesien132.

Nachhaltigkeitsanalysen in zukünftigen FHA Die Aussenwirtschaftsstrategie sieht in Handlungsfeld 1 vor, im Vorfeld wichtiger Wirtschaftsabkommen gezielte wissenschaftliche Einschätzungen durchzuführen.

Der Bundesrat legte in seinem Bericht vom 25. Mai 2022 «Ex-ante Beurteilung der Auswirkungen von FHA auf die nachhaltige Entwicklung» in Erfüllung des Postulates 19.3011 der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) dar, wie

130

Verordnung vom 18. Aug. 2021 über die Einfuhr von nachhaltig produziertem Palmöl aus Indonesien zum Präferenz-Zollansatz (SR 632.324.27).

131 Öffentliche Berichte der EFTA, EFTA and Georgia hold their first Joint Committee meeting vom 13. Mai 2022, abrufbar unter www.efta.int > Newsroom (Stand: 8.9.2022).

132 Öffentliche Berichte der EFTA, EFTA and Indonesia hold their first Joint Committee meeting in Jakarta vom 7. Dez. 2022, abrufbar unter www.efta.int > Newsroom (Stand: 14.12.2022).

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er dies in Bezug auf die FHA umsetzen wird.133 Auf Grundlage einer Voranalyse soll von Fall zu Fall beurteilt werden, ob es notwendig und sinnvoll ist, eine Ex-anteNachhaltigkeitsanalyse durchzuführen. Eine vertiefte Analyse ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es sich um einen wichtigen künftigen FHA-Partner handelt und wenn unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Entwicklung sensible Branchen oder Bereiche identifiziert werden, die von der durch ein FHA erwarteten Veränderung der Marktzugangsbedingungen signifikant betroffen sind. Der Bericht liefert eine Übersicht und kritische Beurteilung von verfügbaren Methoden für die Durchführung von Ex-ante-Nachhaltigkeitsanalysen. Grundlage dafür bildet eine von der Schweiz finanzierte Hintergrundstudie der OECD134.

Die Schweiz verhandelt die meisten ihrer FHA im EFTA-Verbund. Dementsprechend sollen auch die Studien nach Möglichkeit gemeinsam mit den anderen EFTA-Staaten durchgeführt werden. Durch das grössere Handelsvolumen können die potenziellen Effekte eines FHA umfassender ermittelt werden, was zu repräsentativeren Resultaten führt. Im Berichtsjahr haben die EFTA-Staaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der FHA-Verhandlungen mit Thailand eine Ex-ante-Nachhaltigkeitsanalyse lanciert.

7.1.4

Soziale Dimension der Nachhaltigkeit

IAO-Projekte Im Berichtsjahr wurde das neue, von der Schweiz mitfinanzierte IAO-Programm Productivity Ecosystems for Decent Work in einer Pilotphase lanciert. Dieses soll in Südafrika, Ghana und Vietnam die Ursachen von niedriger Produktivität und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen angehen, unter anderem durch die Bekämpfung der Ausbeutung im informellen Sektor. Die bestehenden IAO-Programme, namentlich Better Work und Sustaining Competitive and Responsible Enterprises (SCORE), wurden weitergeführt. Diese Projekte, welche die Schweiz mitfinanziert, unterstützen Firmen und Arbeitnehmende in der Bekleidungsindustrie und anderen arbeitsintensiven Sektoren mit einem sozialpartnerschaftlichen Ansatz darin, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und ihre Produktivität zu steigern. Sie leisteten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Arbeitsmärkte in den Partnerländern.

Arbeitsdialoge Die Schweiz führt mit China, Indonesien, Vietnam und seit dem Berichtsjahr mit Südafrika bilaterale Aktivitäten im Themenbereich Arbeit und Beschäftigung durch, welche auf Memoranda of Understanding (MoU) basieren. Das MoU mit dem 133

Bericht des Bundesrates vom 25. Mai 2022 über die Ex-ante-Beurteilung der Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die nachhaltige Entwicklung, in Erfüllung des Postulates 19.3011 der GPK-N vom 1. März 2019, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Freihandelsabkommen > Nachhaltige Entwicklung > Nachhaltigkeitsanalysen > Postulatsbericht (Stand: 25.11.2022).

134 Moïsé, Evdokia & Rubínová, Stela (2021): Sustainability Impact Assessments of Free Trade Agreements: A Critical Review. OECD Trade Policy Papers, 255, abrufbar unter: www.oecd.org > Publications (Stand: 24.8.2022).

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südafrikanischen Arbeitsministerium wurde am 5. Juli 2022 unterzeichnet. Diese MoU institutionalisieren einen regelmässigen Dialog auf hochrangiger Ebene zwischen den Arbeitsministerien/-marktbehörden und Sozialpartnern der genannten Länder und der Schweiz. Die Arbeitsdialoge fördern die Umsetzung von Projekten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Arbeit und Beschäftigung und leisten einen Beitrag zur Umsetzung der sozialen Nachhaltigkeit in den FHA der Schweiz. Die Behörden in den Partnerländern sind in die Umsetzung der drei oben erwähnten und von der Schweiz mitfinanzierten IAO-Projekte eingebunden.

Im Berichtsjahr fand der erste hochrangige, tripartite Arbeitsdialog mit dem indonesischen Ministry of Manpower (MOM) nach virtuellen und bilateralen Kontakten im November in Jakarta statt. Im Zentrum der Diskussionen standen die Umsetzung der bestehenden Projekte der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit mit der IAO, des Nachhaltigkeitskapitels im umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vom 16. Dezember 2018 zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien sowie die Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen im Palmölsektor.

Berücksichtigung der Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungsrecht Das revidierte Gesetz vom 21. Juni 2019135 und die revidierte Verordnung vom 12. Februar 2020136 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB und VöB) verfolgen das Ziel, dass öffentliche Gelder wirtschaftlich eingesetzt werden und nachhaltige ökonomische, ökologische und soziale Auswirkungen haben. Im Ausland zu erbringende Leistungen werden ausschliesslich an jene Anbieterinnen sowie diejenigen Subunternehmen vergeben, die mindestens die in Anhang 6 BöB aufgelisteten Kernübereinkommen der IAO einhalten. Sind die am Ort der Leistung geltenden rechtlichen Vorschriften noch strenger, müssen die Anbieterinnen diese befolgen. Ausserdem sind die Auftraggeberinnen und Auftraggeber verpflichtet sicherzustellen, dass die Anbieterinnen das neue Grundrecht auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld (vgl. Ziff. 6.2) ebenfalls einhalten. Die Auftraggeberin oder der Auftraggeber kann neben den IAO-Kernübereinkommen auch die Einhaltung von Prinzipien aus weiteren IAO-Übereinkommen verlangen, soweit die Schweiz diese ratifiziert hat. Zudem müssen mindestens die am Ort der Leistung geltenden
rechtlichen Vorschriften zum Schutz der Umwelt und zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen eingehalten werden.

Der Bund unterstützt die Beschaffungsstellen bei der Umsetzung dieser Bestimmungen mit verschiedenen Schulungen und Instrumenten wie beispielsweise Empfehlungen oder der «Wissensplattform nachhaltige öffentliche Beschaffung» (WöB)137.

135 136 137

SR 172.056.1 SR 172.056.11 Online-Wissensplattform für nachhaltige öffentliche Beschaffung WöB, abrufbar unter: www.woeb.swiss (Stand: 17.10.2022).

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7.2

Verantwortungsvolle Unternehmensführung

Gemäss dem Positionspapier des Bundesrates zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt138 spielt der Bund eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Rahmenbedingungen und Standards für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Diese müsse aber in erster Linie von den Unternehmen selbst umgesetzt werden. Der Bund legt jedoch Wert darauf, dass die verantwortungsvolle Unternehmensführung im Dialog mit Unternehmen und weiteren Anspruchsgruppen gefördert wird.

7.2.1

Transparenz und Sorgfaltspflichten im Bereich Mensch und Umwelt

Am 1. Januar 2022 traten die neuen Bestimmungen des Obligationenrechts139 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie zu Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Konfliktmineralien und Kinderarbeit in Kraft. Die neuen Pflichten werden mit der Berichterstattung über das Geschäftsjahr 2023 zur Anwendung gelangen. Der Bundesrat konkretisierte die Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Klimabelange für grosse Unternehmen in einer Verordnung.140 Diese sieht ab dem Geschäftsjahr 2024 die verbindliche Umsetzung der Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) vor.141 Das EJPD analysierte im Berichtsjahr, ob sich aus den Entwicklungen in der EU im Bereich Mensch und Umwelt, namentlich der erfolgten Revision der Richtlinie zur Berichterstattungspflicht über die Nachhaltigkeit sowie des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine neue Richtlinie zu weitgehenden Sorgfaltspflichten, auch Anpassungsbedarf für das Schweizer Recht ergibt. Der Bundesrat geht von einem Anpassungsbedarf aus und entschied am 2. Dezember 2022, bis spätestens im Juli 2024 eine Vernehmlassungsvorlage zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auszuarbeiten und deren Folgen für die Schweizer Wirtschaft zu untersuchen. Bezüglich der Sorgfaltspflichten will er bis Ende 2023 die Auswirkungen der künftigen EU-Richtlinie vertieft analysieren.142 138

139 140

141 142

Positionspapier und Aktionsplan des Bundesrates vom 1. April 2015 zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung > Corporate Social Responsibility (Stand: 21.9.2022).

Art. 964bis­964septies des Obligationenrechts (SR 220).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 23. Nov. 2022, Bundesrat setzt Verordnung zur verbindlichen Klimaberichterstattung grosser Unternehmen auf 1. Jan. 2024 in Kraft, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation> Medienmitteilungen (Stand: 23.11.2022).

Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures, abrufbar unter: www.fsb-tcfd.org > Recommendations (Stand: 21.9.2022).

Bericht des EJPD vom 25. Nov. 2022 zum Prüfauftrag des EJPD vom 23. Febr. 2022, Analyse Vorschläge EU-Richtlinien über Sorgfaltspflichten und Berichterstattung zur Nachhaltigkeit und möglicher Anpassungsbedarf im Schweizer Recht, Bericht Entwürfe Nachhaltigkeitspflichten EU und geltendes Recht Schweiz; Medienmitteilung des Bundesrates vom 2. Dez. 2022, Nachhaltige Unternehmensführung: Bundesrat legt weiteres Vorgehen fest, beide abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 2.12.2022).

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In Bezug auf den Finanzsektor fokussierten sich die Arbeiten im Berichtsjahr auf die Transparenz zur Klimaverträglichkeit von Finanzprodukten, beispielsweise durch freiwillige Swiss Climate Scores.143 Damit soll die Glaubwürdigkeit und Vergleichbarkeit der freiwilligen Verpflichtungen von Finanzinstituten gestärkt werden.

Das am 1. Januar 2022 in Kraft getretene revidierte Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983144 verbietet, illegales Holz und die daraus gefertigten Produkte in Verkehr zu bringen. Gleichzeitig trat die neue Holzhandelsverordnung vom 12. Mai 2021145 (HHV) in Kraft, welche neue Sorgfaltspflichten für Erstinverkehrbringer enthält und die Rückverfolgbarkeit sichergestellt. Die HHV übernimmt Regulierungen aus der EU-Holzhandelsverordnung146, von der insbesondere Schweizer Unternehmen, die Holz und Holzprodukte importieren, betroffen sind.

7.2.2

Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen

Im Berichtsjahr begann die OECD-Arbeitsgruppe zur verantwortungsvollen Unternehmensführung mit den Verhandlungen zur Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.147 Ziel ist es, die Kohärenz der OECD-Leitsätze mit den seit der letzten Revision im Jahr 2011 entwickelten Instrumenten (z. B. Agenda 2030; OECD-Leitfäden zur Sorgfaltsprüfung) sicherzustellen. Die Schweiz setzt sich insbesondere dafür ein, dass die Leitsätze die neuen Entwicklungen in den Bereichen Umwelt, Menschenrechte und Arbeitsbedingungen berücksichtigen. Zudem sollen zusätzliche Vorgaben eine einheitliche Umsetzung der Leitsätze durch die 51 Nationalen Kontaktpunkte (NKP) fördern.148 Die Verhandlungen sollen bis zur OECDMinisterkonferenz im Juni 2023 abgeschlossen werden.

Im Berichtsjahr begann der Schweizer NKP Vermittlungsgespräche im Zusammenhang mit einer Eingabe zu Glencore (Kolumbien). Weiter schloss er seine Verfahren gestützt auf die Eingaben zu Syngenta AG (Indien) und FIFA (USA) ab. Zudem veröffentlichte er Berichte zur Umsetzung der Massnahmen, welche im Rahmen der

143

144 145 146

147

148

Medienmitteilung des Bundesrates vom 29. Juni 2022, Bundesrat lanciert «Swiss Climate Scores» für Klimatransparenz bei Finanzanlagen, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 21.9.2022).

SR 814.01 SR 814.021 Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Okt. 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen.

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Stand: 21.9.2022).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 22. Juni 2022, Bundesrat will die OECDLeitsätze für multinationale Unternehmen aktualisieren, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 29.8.2022).

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bereits früher abgeschlossenen Verfahren zu BKW Energie AG (Norwegen) und UBS AG (China) vereinbart worden waren.149 Die OECD-Arbeitsgruppe veröffentlichte im Oktober einen neuen Leitfaden150 zur Sorgfaltsprüfung bei der Projekt- und Anlagenfinanzierung.

7.2.3

Aktionspläne zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt sowie zu Wirtschaft und Menschenrechten

Der Bundesrat gab im Rahmen des Aktionsplans151 zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt sowie des Nationalen Aktionsplans152 (NAP) zu Wirtschaft und Menschenrechte 2020­2023 eine externe Studie zur Überprüfung der Umsetzung der Sorgfaltsprüfung durch Schweizer Unternehmen in Auftrag. Diese soll den Stand der Umsetzung der OECD-Leitfäden153 zur Sorgfaltsprüfung und der UNO-Leitprinzipien154 für Wirtschaft und Menschenrechte durch die Unternehmen evaluieren. Zusätzlich wurde die Evaluation des NAP Wirtschaft und Menschenrechte lanciert, um Rechenschaft über die Umsetzung der Massnahmen zur Förderung der Menschenrechte durch den Bund abzulegen und Optimierungspotenzial für die Erarbeitung eines künftigen NAP zu eruieren. Weiter führte der Bund über 20 Sensibilisierungsveranstaltungen zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung für Unternehmen verschiedener Branchen durch und erarbeitete mehrere Hilfsmittel. Beispielsweise verfasste er einen Leitfaden155, der Schweizer Vertretungen im Ausland bei der Sensibilisierung der Schweizer Unternehmen in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte unterstützt.

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154 155

Eine Übersicht über abgeschlossene und pendente Fälle ist abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung > Nationaler Kontaktpunkt der Schweiz > Statements zu konkreten Fällen (Stand: 29.8.2022).

OECD-Leitfaden zu Responsible business conduct due diligence for project and asset finance transactions vom 28. Okt. 2022, abrufbar unter: www.oecd-ilibrary.org > Catalogue > Papers > OECD Business and Finance Policy Papers (Stand: 25.11.2022).

Positionspapier und Aktionsplan 2020­2023 des Bundesrates vom 15. Jan. 2020 zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung > Corporate Social Responsibility (CSR) (Stand: 21.9.2022).

Nationaler Aktionsplan der Schweiz 2020­2023 vom 15. Jan. 2020 zu den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, abrufbar unter: www.nap-bhr.admin.ch > Der NAP (Stand: 21.9.2022).

OECD-Leitfäden zur Sorgfaltsprüfung, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung > OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen > Instrumente zur Umsetzung der Leitsätze (Stand: 21.9.2022).

UNO-Leitprinzipien vom 16. Juni 2011 für Wirtschaft und Menschenrechte, abrufbar unter: www.nap-bhr.admin.ch > Dokumentation (Stand: 21.9.2022).

Leitfaden vom 15. Sept. 2022 zu Wirtschaft und Menschenrechten für das Schweizer Aussennetz, abrufbar unter: www.nap-bhr.admin.ch > Der NAP > Staatliche Schutzpflicht (Stand: 7.12.2022).

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7.2.4

Aktualisierung der G20/OECD-Grundsätze der Corporate Governance

Die G20/OECD-Grundsätze der Corporate Governance vom 23. Dezember 2015156 sind der internationale Massstab zur Unterstützung der Staaten bei der Ausarbeitung von politisch, rechtlich und institutionell wirksamen Rahmenbedingungen für die Unternehmensführung börsenkotierter Gesellschaften. Mehr als 50 Länder weltweit wenden diese Grundsätze an. Ziel der Aktualisierung ist es, diese Grundsätze angesichts der Erkenntnisse aus der Covid-19-Krise anzupassen. Hervorzuheben ist der Vorschlag zur Einführung von Anreizen für Unternehmen, ihre Finanzierungs- und Investitionsentscheide sowie das Risikomanagement so zu gestalten, dass diese zur Nachhaltigkeit und Resilienz des Unternehmens und der Wirtschaft beitragen. Die Schweiz beteiligt sich aktiv an diesen Arbeiten, damit die Grundsätze auch weiterhin eine wichtige und qualitativ hochwertige Referenz bleiben. Der aktualisierte Text wurde im Berichtsjahr in die öffentliche Konsultation gegeben.

7.2.5

Stärkung der Integrität und Nachhaltigkeit im Rohstoffsektor

Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Rohstoffhandels für die Schweiz und der innen- und aussenpolitischen Exponiertheit des Sektors legt der Bundesrat in regelmässigen Abständen die Grundzüge seiner Politik fest und verabschiedet Empfehlungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, der Integrität und der Koordination der Akteure des Sektors. So setzt sich die Schweiz unter anderem für die Entwicklung, Verbreitung und wirksame Umsetzung einer guten Regierungsführung durch Staaten und Unternehmen ein.157 Auch engagierte sich die Schweiz als Vorstandsmitglied der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Diese internationale Initiative widmet sich unter Beteiligung zahlreicher Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und Staaten speziell der Transparenz der Einnahmen von Entwicklungsländern aus dem Abbau von Rohstoffen. Im Berichtsjahr präzisierte die EITI ihren Standard für die Offenlegung von Zahlungen von Rohstoffhandelsunternehmen an EITI-Länder durch einen Leitfaden158. Zudem wurde mit finanzieller Unterstützung der Schweiz und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und staatlichen Rohstoffunternehmen ein Leitfaden159 für die Offenlegung von rohstoffbesicherten Krediten durch die EITI 156

G20/OECD-Grundsätze der Corporate Governance vom 23. Dez. 2015, abrufbar unter: www.oecd-ilibrary.org > Catalogue > Books (Stand: 21.9.2022).

157 Berichte und Empfehlungen sind abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Rohstoffe (Stand: 8.9.2022).

158 EITI Guidance vom Sept. 2020 über Reporting guidelines for companies buying oil, gas and minerals from governments, EITI requirement 4.2., abrufbar unter: https://eiti.org > Guide > Revenue collection (Stand: 8.9.2022).

159 EITI Guidance Note vom Febr. 2021 über Infrastructure provisions and barter agreements, EITI Requirement 4.3., abrufbar unter: https://eiti.org > Guide > Revenue collection (Stand: 8.9.2022).

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entwickelt. Er soll zusätzliche Transparenz über die finanzielle Situation von Entwicklungsländern schaffen, insbesondere im Hinblick auf deren zunehmend kritische Verschuldungssituation.

Auf multilateraler Ebene setzte sich die Schweiz ausserdem weiterhin für eine bessere Umweltgovernance bei Rohstoffen ein. Sie spielte an der fünften Tagung der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (United Nations Environment Assembly, UNEA) im März 2022 eine zentrale Rolle bei der Annahme der Resolution160 «Environmental aspects of minerals and metals management». Diese Resolution ermutigt die Mitgliedstaaten und Anspruchsgruppen dazu, ihre Praktiken und Investitionen im Bergbausektor auf die Agenda 2030 abzustimmen.

Im Rahmen der öffentlich-privaten Partnerschaft Swiss Better Gold engagierte sich die Schweiz im Berichtsjahr für die Verbesserung der sozialen Bedingungen von Bergleuten im Kleinbergbau, den Schutz der Umwelt beim Goldabbau und die Erhöhung der Transparenz der Lieferketten für Gold aus Kleinminen. So setzte die Schweiz beispielweise Massnahmen um, um die schädliche Verwendung von Quecksilber und Cyanid im Goldbergbau in Bolivien, Brasilien, Kolumbien und Peru zu verringern, den CO2-Ausstoss zu reduzieren und die entsprechenden Erfahrungen zwischen den wichtigsten Akteuren des Sektors auszutauschen.

Zudem beauftragte der Bundesrat die interdepartementale «Plattform Rohstoffe», bestehend aus dem SECO, dem EDA und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik und der Schweizerischen Nationalbank mit der Prüfung, wie eine vertiefte Datenerhebung zum Rohstoffsektor der Schweiz besser fundierte politische Entscheide erlauben würde.

Für die Schweiz bleiben der Kaffee- und Kakaosektor von Relevanz. Die Schweiz trat seit 1963 allen Internationalen Kaffee161- und seit 1972 allen Internationalen KakaoÜbereinkommen162 bei und setzte sich für deren Weiterentwicklung ein. Im Berichtsjahr wurden die Verhandlungen zum neuen Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 2022 sowie zum revidierten Internationalen Kakao-Übereinkommen von 2010 abgeschlossen. Diese werden der Bundesversammlung als Beilage zu diesem Bericht zur Genehmigung unterbreitet (vgl. Ziff. 12.1.1 und 12.1.2.). Wie die Vorgängerübereinkommen fördern diese die Kooperation zwischen den Konsumenten- und Produzentenländern und fokussieren neu verstärkt auf die Nachhaltigkeit und die Verbesserung der Lebensgrundlage der lokalen Bauern.

160

Resolution vom 2. März 2022 über Environmental aspects of minerals and metals managment (UNEP/EA.5/Res.12), abrufbar unter: www.unep.org > Environment Assembly ­ UNEA > Key Documents > Resolutions and Decisions > The Resumed session of UNEA-5 (UNEA-5.2) ­ Proceedings, Report, Ministerial Declaration, Resolutions and Decisions UNEA 5.2 (Stand: 25.11.2022).

161 SR 0.916.117.1 162 SR 0.916.118.1

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8

Digitale Wirtschaft

Die Aussenwirtschaftsstrategie legt neu einen thematischen Schwerpunkt auf die Integration der Digitalisierung in der Aussenwirtschaftspolitik. Der Bundesrat strebt auf nationaler, bilateraler und multilateraler Ebene eine Weiterentwicklung und rechtliche Absicherung günstiger Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft an.

8.1

Rahmenbedingungen der digitalen Wirtschaft

Die Digitalisierung ist einer der wesentlichen Treiber von Veränderungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Der im Berichtsjahr vorgelegte Monitoringbericht163 zeigt, dass sich der Schweizer Arbeitsmarkt auch in den vergangenen Jahren durch eine hohe Anpassungsfähigkeit auszeichnete. Berufe und Tätigkeiten veränderten sich laufend, ohne dass sich daraus negative Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung oder die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse ergaben. Der Bundesrat ist weiterhin bestrebt, gute Rahmenbedingungen für eine möglichst hohe Erwerbsbeteiligung und eine hohe Qualität der Arbeitsverhältnisse sicherzustellen. Um Chancen und Risiken frühzeitig zu identifizieren, werden die verschiedenen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt im Zusammenhang mit der Digitalisierung weiterhin beobachtet.

Der Bundesrat würdigte die Bedeutung der digitalen Transformation und Vernetzung für die schweizerische Aussenwirtschaft bereits im Aussenwirtschaftsbericht 2019.164 Heute sind kaum grenzüberschreitende Transaktionen oder Dienstleistungen denkbar, welche nicht auch gestützt auf digitale Technologien zustande kommen. Die Schweiz schneidet hinsichtlich der relevanten Rahmenbedingungen grundsätzlich weiterhin gut ab: Gemäss dem Digital Services Trade Restrictiveness Index (DSTRI) der OECD ist die Schweiz die offenste Volkswirtschaft aller EU/EFTA-Länder für digitale Dienstleistungen. Der Index erfasst Massnahmen mit handelsverzerrender Wirkung, die sich in einer digitalisierten Welt akzentuieren. Dies sind etwa Vorschriften, welche die qualifizierte Schriftlichkeit von Dokumenten, eine Niederlassungspflicht oder die Bestimmung eines gesetzlichen Vertreters im Zielmarkt verlangen.165 Das schweizerische Bundesgesetz vom 19. Juni 1992166 über den Datenschutz (DSG) wurde im Rahmen einer Totalrevision den veränderten technologischen und gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst.167 Es ist vorgesehen, das revidierte DSG und die dazugehörige Verordnung auf den 1. September 2023 in Kraft zu setzen. Dies wird

163

164 165 166 167

Bericht des Bundesrates vom 9. Dez. 2022 über Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt ­ Monitoring 2022, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Wirtschaftslage & Wirtschaftspolitik > Wirtschaftspolitik > Digitalisierung (Stand: 9.12.2022).

Bericht des Bundesrates vom 15. Jan. 2020 zur Aussenwirtschaftspolitik 2019, Schwerpunktkapitel «Digitalisierung und Aussenwirtschaft» (BBl 2020 1565).

DSTRI ist abrufbar unter: https://goingdigital.oecd.org > Policy Dimensions > Market openness > OECD Digital Services Trade Restrictiveness Index (Stand: 29.8.2022).

SR 235.1 Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Staat & Bürger > Laufende Rechtssetzungsprojekte (Stand: 21.9.2022); für die Botschaft siehe BBl 2017 6941.

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es der Schweiz erlauben, das revidierte Datenschutzübereinkommen SEV 108168 des Europarates zu ratifizieren. Die Europäische Kommission stufte das Schweizer Datenschutzrecht zuletzt im Jahr 2000 als adäquat ein. Der Bericht der Europäischen Kommission zur Aufrechterhaltung dieser Einstufung steht noch aus. Der Anerkennung der Angemessenheit des schweizerischen Rechtsrahmens gemäss DSGVO169 kommt hohe wirtschaftliche Bedeutung zu. Diese würde auch zukünftig die grenzüberschreitende Übermittlung von Personendaten zwischen der Schweiz und der EU ohne zusätzliche Auflagen ermöglichen.

8.2

Multilaterale und plurilaterale Prozesse

Die Schweiz nahm auch im Berichtsjahr aktiv an den seit 2019 zwischen gut 80 WTOMitgliedern laufenden plurilateralen WTO-Verhandlungen zu E-Commerce teil (Joint Statement Initiative on E-commerce, JSI). Bis Ende des Berichtsjahres konnten acht Bestimmungen weitgehend finalisiert werden: Konsumentenschutz, elektronische Unterschriften, Spam, Open Government Data, elektronische Verträge, Transparenz, papierloser Handel, offener Zugang zum Internet. Ziel ist es, in diesen Bereichen einheitliche Regeln zu schaffen und damit den globalen Handel und den Datenaustausch zu erleichtern. Die Mitinitiatoren der JSI (Australien, Japan und Singapur) veröffentlichten am Rande der 12. WTO-Ministerkonferenz eine Erklärung.170 Darin initiierten sie, gemeinsam mit der Schweiz, ein Rahmenwerk für den Kapazitätsaufbau im Bereich E-Commerce (Framework for Capacity Building on E-Commerce) (vgl. Ziff. 9.3 für die Unterstützung der Entwicklungsländer). An der 12. WTOMinisterkonferenz einigten sich die Mitglieder überdies auf eine weitere Verlängerung des Moratoriums gegen die Erhebung von Zöllen auf elektronischen Übermittlungen bis am 31. März 2024 (vgl. Ziff. 6.1.1).

8.3

Bilaterale Prozesse

Die Schweiz führte im Berichtsjahr Sondierungsgespräche über eine Nachfolgelösung zum Privacy Shield fort. Mangels Transparenz und rechtsstaatlicher Garantien bei Zugriffen von US-Behörden auf Personendaten von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) den EU-Angemessenheitsbeschluss zum Privacy Shield im Juli 2020 invalidiert. Vor dem Hintergrund dieses Entscheides löschte der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte die USA von

168

Übereinkommen vom 28. Jan. 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (SEV Nr. 108), abrufbar unter: www.coe.int > Vertragsbüro > Gesamtverzeichnis (Stand: 21.9.2022).

169 Verordnung (EU) 2016/679 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).

170 WTO Joint Statement Initiative on E-commerce of June 2022: Statement by Ministers of Australia, Japan and Signapore, abrufbar unter: www.wto.org > Trade topics > Joint initiatives > Electronic Commerce > News (Stand: 29.8.2022).

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der Liste jener Staaten, deren Gesetzgebung einen angemessenen Datenschutz im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 DSG gewährleisten.171 Am 4. Mai 2022 verkündeten die EU und die USA eine Einigung im Grundsatz über eine Nachfolgelösung. Das darin skizzierte Trans-Atlantic Data Privacy Framework (TADPF) soll die vom EuGH im Schrems-II-Urteil vom Juli 2020 geäusserten datenschutzrechtlichen Bedenken adressieren.172 Im Rahmen des TADPF wollen die USA die Verhältnismässigkeit von Datenzugriffen durch die US-Behörden gewährleisten und einen zweistufigen, unabhängigen Rechtsbehelfsmechanismus einrichten. Am 7. Oktober 2022 verabschiedete die US-Regierung ein Exekutivdekret zum TADPF und damit zusammenhängende Vorschriften des US-Generalanwaltes. Die Schweiz wird die vorliegenden Rechtstexte prüfen. Die Beurteilung der Angemessenheit des Datenschutzes im Ausland erfolgt nach Massgabe des anwendbaren schweizerischen Rechts. Der Bundesrat ist bestrebt, einen mindestens gleichwertigen Schutzstandard im Verhältnis Schweiz­USA sicherzustellen. Zentral ist zudem, dass die Schweizer Unternehmen auch unter der Nachfolgelösung zum Privacy Shield gegenüber den Unternehmen in der EU nicht benachteiligt werden.

Die Schweiz setzt weiterhin auf den Abschluss von umfassenden FHA mit Regeln zum digitalen Handel.173 Darüber hinaus zieht der Bundesrat mit geeigneten Handelspartnern künftig auch eigenständige Digitalabkommen in Betracht (sog. Digital Trade Agreements). Ein wichtiges Instrument für die Vereinbarung von Regeln zum digitalen Handel ist das 2021 fertiggestellte EFTA-Modellkapitel über den elektronischen Handel. Dieses entspricht dem aktuellen internationalen Standard zur Regelung des digitalen Handels. Im Berichtsjahr schlugen die EFTA-Staaten die neuen Bestimmungen erstmals im Rahmen der Verhandlungen für die FHA mit Moldova und mit Thailand vor. Mit Singapur fanden im Berichtsjahr erste Gespräche im Hinblick auf ein eigenständiges Digitalabkommen statt.

8.4

Entwicklungen im EU-Binnenmarkt

Mit der «Strategie für die digitale Dekade 2030»174 soll Europa für das digitale Zeitalter vorbereitet werden. Zwei bedeutende Gesetzesvorhaben der EU sind das Paket über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und jenes über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA). Beide traten im Berichtsjahr (16. bzw. 1. Nov.) in Kraft.

Mit dem DSA sollen einheitliche Regeln für die Rechte und Verantwortlichkeiten von

171

SR 235.1; zusätzliche Informationen sowie die Staatenliste sind abrufbar unter: www.edoeb.admin.ch > Datenschutz > Handel und Wirtschaft > Übermittlung ins Ausland (Stand: 21.9.2022).

172 Gemeinsame Erklärung vom 25. März 2022 der Europäischen Kommission und der Vereinigten Staaten zum Transatlantischen Datenschutzrahmen, abrufbar unter: https//ec.europa.eu > Kommission > Presseraum (Stand: 29.8.2022).

173 Nachfolgende FHA der Schweiz enthalten bereits Regeln zum digitalen Handel: EFTA-Türkei, EFTA-Zentralamerika, EFTA-Peru, EFTA-Golfkooperationsrat GCC, Schweiz­Japan, EFTA-Kolumbien.

174 Webseite der EU-Kommission, Gestaltung der digitalen Zukunft Europas, abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu > Home (Stand: 9.9.2022).

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digitalen Dienstleistern geschaffen werden.175 Der DMA stellt, in Ergänzung des europäischen Wettbewerbsrechts, Regeln für wenige grosse Online-Plattformen auf.

Weitere bedeutende Regulierungsvorhaben bestehen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und der Cybersicherheit.176 Der Bundesrat beauftragte 2018 eine interdepartementale Koordinationsgruppe, die EU-Digitalpolitik regelmässig auf ihre möglichen Auswirkungen auf die Schweiz, Schweizer Unternehmen sowie Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zu prüfen. Die jüngste Analyse zu den geplanten EU-Massnahmen und deren möglichen Auswirkungen auf die Schweiz wurde im Juli 2021 veröffentlicht.177 Im Berichtsjahr wurden die Arbeiten zur nächsten Gesamtanalyse lanciert, welche im ersten Halbjahr 2023 publiziert werden soll.

Im Berichtsjahr aktualisierte der Bundesrat den Grundlagenbericht von 2017 über die Rahmenbedingungen der digitalen Wirtschaft. Der neue Bericht zeigt, dass der Bundesrat die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren in etlichen Bereichen verbessert hat. Dazu gehören die digitale Verwaltung, Cybersicherheit, Datenschutz sowie Bildung, Forschung und Innovation. Ein spezieller Fokus wird im Bericht zudem auf die Themen E-Government, Wettbewerbs- sowie Aussenwirtschaftspolitik gelegt.178 Ferner führte der Bundesrat eine verwaltungsinterne Aussprache zur Klärung durch, ob und wie Kommunikationsplattformen reguliert werden sollen.179

9

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit

Viele Entwicklungsländer kämpften noch mit den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie, als die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sie unvermittelt vor eine Vielzahl neuer Herausforderungen stellten, beispielsweise die Nahrungsmittelknappheit, steigende Energiepreise und eine verschärfte Schuldenproblematik. Im Zuge dieser Krisen zeigte sich, dass handelsbeschränkende Massnahmen ärmere Länder besonders treffen, da sie eine geringere Resilienz haben (vgl. Ziff. 2.1.2). Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit war nach 2021180 auch 2022 besonders gefordert. Sie wird auch künftig einen wichtigen Beitrag leisten, 175 176 177

178

179

180

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.https://digital-strategy.ec.europa.eu > Home > Policies (Stand: 21.9.2022).

Zusätzliche Informationen sind abrufbar unter: www.https://ec.europa.eu > Home > Strategy > Priorities 2019­2024 > A Europe fit for the digital age (Stand: 21.9.2022).

Analysedokument des UVEK, EDA, EFD, WBF, EDI und EJPD vom 14. Juni 2021 über die Schweiz und die Digitalstrategie der Europäischen Union, abrufbar unter: www.bakom.admin.ch > Digitalisierung und Internet > Digitalisierung > Digitale Schweiz (Stand: 21.10.2022).

Bericht des Bundesrates vom 9. Dez. 2022 über Digitalisierung ­ Handelsfelder der Wirtschaftspolitik, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Wirtschaftslage & Wirtschaftspolitik > Wirtschaftspolitik > Digitalisierung (Stand: 9.12.2022).

Medienmitteilung des Bundesrates vom 17. Nov. 2021, Bundesrat will breite Diskussion zur Regulierung von Kommunikationsplattformen, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Stand: 21.9.2022).

Bericht des Bundesrates vom 20. Jan. 2021 zur Aussenwirtschaftspolitik 2020, Schwerpunktkapitel «Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den internationalen Handel und die globalen Wertschöpfungsketten» (BBl 2021 343).

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um die wirtschaftliche Situation in den Entwicklungsländern zu stabilisieren. Dabei orientiert sie sich an den Zielen und Schwerpunkten der Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA-Strategie) 2021­2024181.

9.1

Zusammenspiel der internationalen Zusammenarbeit und der Aussenwirtschaftsstrategie

Die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit tragen direkt zur Umsetzung verschiedener Handlungsfelder der Aussenwirtschaftsstrategie bei.

Die Schweiz hat ein Interesse an einem möglichst breit abgestützten Multilateralismus und unterstützt daher eine wirksame Eingliederung von Entwicklungs- und Schwellenländern in die marktwirtschaftlich orientierte Weltwirtschaft (Handlungsfeld 2).

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit schafft in diesem Rahmen günstige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und menschenwürdige Erwerbsmöglichkeiten und stärkt die Resilienz der Partnerländer. Die Schweiz setzt sich gemäss Handlungsfeld 3 für einen offenen, regelbasierten Aussenhandel ein. Dieser trägt zu weltweit nachhaltigem Wohlstand bei. Daher sind der Handel mit und Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern von hoher Priorität. Zum Beispiel trugen die bilateralen Programme zur Integration in Wertschöpfungsketten und die Verbesserung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in Kolumbien zur grösseren Resilienz des Landes bei. Widerstandsfähigere Partnerländer stärken zudem die Resilienz der Weltwirtschaft und somit auch jene der offenen Volkswirtschaft der Schweiz (Handlungsfeld 5). Beispielsweise investiert deshalb die SIFEM AG (Swiss Investment Fund for Emerging Markets), die Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, in kleine, mittlere und schnell wachsende private Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dadurch sollen der Kapazitätsaufbau bei KMU gefördert und deren Zugang zur Weltwirtschaft verbessert werden. Im Berichtsjahr erarbeitete der Bundesrat eine neue gesetzliche Grundlage für die Organisationsbestimmungen der SIFEM AG. Die Vorlage wurde im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens ausnahmslos begrüsst und stärkte die Rolle der SIFEM AG als wichtiges Instrument der internationalen Zusammenarbeit.

Die Schweiz unterstützt die Wirtschaft der Partnerländer auch im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung (Handlungsfeld 6). Beispielsweise fördert die Schweiz in Indonesien seit langem die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards bei der Produktion von Landwirtschaftsprodukten, unter anderem Palmöl. Dies trug letztlich zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien über ein umfassendes Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
bei (vgl. Ziff. 7.1.3).

Die Schweiz ist mit ihren Programmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit in Nordafrika, Subsahara-Afrika, Zentral-, Süd- und Südostasien, Osteuropa, und Lateinamerika präsent. Die Kooperationsprogramme mit diesen Ländern ergänzen die Priorisierung von Wirtschaftspartnern der Schweiz (vgl. Ziff. 5.1).

181

Strategie des EDA vom 19. Febr. 2020 über die internationale Zusammenarbeit 2021­ 2024; abrufbar unter: www.eda.admin.ch > EDA > Publikationen (Stand: 29.8.2022) (BBl 2020 2597).

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9.2

Wirkungsmessung in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit

Die während den beiden ersten Jahren im Rahmen der IZA-Strategie umgesetzten Projekte zeigten, dass die thematischen Schwerpunkte und die gewählten Ansätze eine angemessene Antwort auf die entwicklungspolitischen Herausforderungen in den Partnerländern darstellen. Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz vermag die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzuschwächen.182 Die etablierte Wirkungsmessung der internationalen Zusammenarbeit wurde für die neue Strategieperiode weiter ausgebaut und weist gute Resultate aus, beispielsweise bei der Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Steigerung nachhaltiger Exporte.

Die Erfolgsquote aller 31 im Jahr 2021 extern evaluierten Projekte der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit blieb auf einem hohen Niveau von 90 Prozent.

Zusätzlich überprüfte die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit im Berichtsjahr im Rahmen von unabhängigen Evaluationen spezifische Modalitäten und Ziele der internationalen Zusammenarbeit. Eine kürzlich abgeschlossene Überprüfung zeigte auf, wie sie mit dem Privatsektor in den Jahren 2013­2021 Entwicklungsziele gemeinsam erreicht hatte, unter anderem durch den Einsatz der finanziellen Mittel des Privatsektors.183 2022 lancierte die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit ausserdem eine unabhängige Evaluation ihres Klimaportfolios.

9.3

Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Digitalisierung

Die Schweiz unterstützt Initiativen und Projekte im Bereich der Digitalisierung, die eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung fördern. Ziel ist es, Entwicklungs- und Schwellenländer zur Nutzung und Regulierung von digitalen Technologien zu befähigen, um ihre Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen, sie in das globale Produktions- und Handelssystem einzubinden, Marktzutrittsschranken abzubauen sowie Menschen und Unternehmen den Zugang zu digitalen Finanzdienstleistungen zu erleichtern.

Die Schweiz unterstützte im Berichtsjahr Menschen und Unternehmen, beispielsweise beim Aufbau von Kapazitäten im Bereich des digitalen Marketings. Sie förderte weiterhin die Entwicklung globaler digitaler Plattformen wie den Global Trade Helpdesk, der Unternehmen hilft, gezielt Daten zur Verbesserung ihrer Handels- und Investitionsentscheidungen zu sammeln. Zudem verstärkte die Schweiz ihre Unterstützung für Digitalisierungsbestrebungen in Entwicklungs- und Schwellenländern im FinTech-Bereich: Ein Programm in Zentralasien schaffte regulatorische Hürden für 182

Bericht des Bundesrates vom 26. Jan. 2022 zur Aussenwirtschaftspolitik 2021, Schwerpunktkapitel «Die Covid-19-Pandemie und die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit» (BBl 2022 655).

183 Orange & Teal (2022), Evaluation Report: independent evaluation on the engagement of SECO's economic cooperation division with the private sector during 2013­2021, abrufbar unter: www.seco-cooperation.admin.ch > Dokumentation > Unabhängige Evaluationen (Stand: 22.12.2022).

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elektronische Zahlungen per Mobiltelefon im Finanzdienstleistungssektor ab und ermöglichte es, Bankkonten online zu eröffnen und zu verwalten. Dadurch erhielten mehr Menschen Zugang zu digitalen Finanzdienstleistungen.

Die Schweiz unterstützte Entwicklungs- und Schwellenländer auch in ihrer digitalen Gouvernanz, um eine effiziente Regulierung der Digitalisierung und der digitalen Wirtschaft im Einklang mit internationalen Standards sicherzustellen. Dies erlaubt Unternehmen dieser Länder, am digitalen Handel und am Datenverkehr teilzunehmen.

So beteiligte sich die Schweiz im Berichtsjahr finanziell an einem Pilotprogramm der Weltbank, dem Digital Advisory and Trade Assistance Fund (DATA Fund). Dieses zielt darauf ab, Entwicklungsländer bei der Verbesserung ihres regulatorischen Rahmens für den elektronischen Handel zu unterstützten und damit ihre Teilnahme an der Joint Statement Initiative on E-commerce (vgl. Ziff. 8.2) zu erleichtern. Dies ergänzt den Beitrag der Schweiz an das United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) E-commerce and Digital Economy Programm. Die von der Schweiz in diesem Rahmen finanzierten E-Trade Readiness Assessments ermöglichten den Entwicklungsländern, ihr Ökosystem für den elektronischen Handel zu analysieren und Verbesserungsempfehlungen zu erhalten. Solche Bewertungen spielen eine zentrale Rolle beim Aufbau günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für den elektronischen Handel.

9.4

Multilaterale Zusammenarbeit

Die Zunahme der Fragilität, der Klimawandel sowie der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen prägten im Berichtsjahr die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Um den verschiedenen Krisen entgegenzuwirken und die langfristigen Entwicklungsziele zu erreichen, wurde die 20. Wiederauffüllung der Internationalen Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA) der Weltbank um ein Jahr vorgezogen. Der Bundesrat beschloss, einen Kernbeitrag im Umfang von 725 Millionen US-Dollar an die IDA zu leisten. Ausserdem wurden die Verhandlungen zur 16. Wiederauffüllungsrunde des Afrikanischen Entwicklungsfonds (African Development Fund, AfDF-16) der Afrikanischen Entwicklungsbank (African Development Bank, AfDB) abgeschlossen.

Am 4. Juli 2022 feierte die schweizerische Stimmrechtsgruppe in der Weltbankgruppe und im Internationalen Währungsfonds (IWF) an einem hochrangigen Treffen in Bad Ragaz ihr 30-jähriges Bestehen. Die Mitglieder tauschten sich über die Herausforderungen des Kriegs in der Ukraine für die Weltwirtschaft und die Länder der Stimmrechtsgruppe aus, vor allem in Bezug auf das Finanz- und Handelssystem, die nachhaltige Entwicklung und die Armutsbekämpfung.

Die Schweiz übernahm 2022 entsprechend dem Rotationsschema für zwei Jahre den Vorsitz ihrer Stimmrechtsgruppen in den Exekutivräten der Asiatischen InfrastrukturInvestitionsbank (Asian Infrastructure Investment Bank, AIIB) und des Grünen Klimafonds (Green Climate Fund, GCF). Dies gab der Schweiz mehr Einfluss auf die strategische Ausrichtung der beiden Institutionen. In der AIIB engagierte sich die Schweiz für eine ergebnisorientierte und wirksame Finanzierung von nachhaltigen Entwicklungsprojekten sowie die Einhaltung und stete Verbesserung von Umwelt69 / 86

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und Sozialstandards. Im GCF setzte sich die Schweiz für ehrgeizige Klimaziele, ein stärkeres Engagement des Fonds mit dem Privatsektor, die Berücksichtigung vulnerabler Gruppen sowie für Politik- und Governance-Reformen ein.

10

Exportkontrolle, Sanktionen und Rüstungskontrollpolitik

Im Rahmen des dritten Handlungsfelds der Aussenwirtschaftsstrategie, welches einen offenen und geregelten Handel anvisiert, engagiert sich die Schweiz für die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und einen kontrollierten Handel mit konventionellen Rüstungsgütern sowie doppelt verwendbaren Gütern («dual-use»). Sie beteiligt sich deshalb im Rahmen internationaler Übereinkommen184 und Exportkontrollregimen185 aktiv an der Ausgestaltung von Leitlinien und Güterlisten.

Der Bundesrat kann zudem Zwangsmassnahmen erlassen, um Sanktionen durchzusetzen, die von der UNO, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder von den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz beschlossen worden sind und die der Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte, dienen.

10.1

Exportkontrolle

Die Kennzahlen der Berichtsperiode zu den Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes vom 13. Dezember 1996186 sind im Anhang unter Ziffer 11.7 aufgeführt.

10.2

Sanktionsmassnahmen

Gestützt auf das Embargogesetz vom 22. März 2002187 sind gegenwärtig 25 Sanktionsverordnungen sowie die Diamantenverordnung vom 29. November 2002188 («Kimberley-Prozess») in Kraft. Die Listen der sanktionierten natürlichen und juristischen Personen in den Anhängen der entsprechenden Verordnungen wurden laufend aktualisiert und angepasst, um Änderungen der Sanktionslisten des UNO-

184

185

186 187 188

Z. B. Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel (SR 0.518.61), Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen (Biologiewaffenübereinkommen, SR 0.515.07), Chemiewaffenübereinkommen vom 13. Januar 1993 (SR 0.515.08) und Vertrag vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (SR 0.515.03).

Namentlich der Australiengruppe, dem Raketentechnologie-Kontrollregime, der Gruppe der Nuklearlieferländer und im Rahmen der Vereinbarung von Wassenaar; zusätzliche Informationen zu diesen Exportkontrollregimen sind abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Exportkontrollpolitik Dual-Use (Stand: 21.9.2022).

SR 946.202 SR 946.231 SR 946.231.11

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Sicherheitsrates, beziehungsweise der EU, Rechnung zu tragen.189 Die vom Bundesrat 2019 lancierte Revision des Embargogesetzes190 wurde am 30. September 2022 in der Schlussabstimmung vom Nationalrat abgelehnt.

Der Bundesrat hat am 16. Dezember 2022191 Zwangsmassnahmen im Zusammenhang mit der andauernden Krise und der anhaltenden und destabilisierenden Kriminalität durch bewaffnete Banden in Haiti erlassen. Damit setzt der Bundesrat die vom UNOSicherheitsrat beschlossenen Sanktionen in schweizerisches Recht um.

Als Reaktion auf die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine schloss sich die Schweiz den umfassenden Sanktionen der EU an (vgl. Ziff. 2.1.3).192 Die Massnahmen umfassten Handelsbeschränkungen für eine Vielzahl an Gütern, Restriktionen im Finanzbereich und gezielte Finanz- und Reisesanktionen. Nicht angeschlossen hat sich die Schweiz den Massnahmen betreffend die Verbreitung bestimmter russischer Sender und bestimmten Transportverboten. Der Bundesrat ist der Meinung, dass es wirksamer ist, unwahren und schädlichen Äusserungen mit Fakten zu begegnen, anstatt sie zu verbieten. Die Übernahme der Transportverbote betreffend Strassentransport und Zugang zu Häfen ist aufgrund der geografischen Situation der Schweiz nicht notwendig. Den Sanktionen, welche die EU gegenüber Belarus als Reaktion aufgrund der Unterstützung des Landes für die russische Militäraggression in der Ukraine erlassen hatte, schloss sich die Schweiz ebenfalls an.193 Die Sanktionen gegenüber Russland und Belarus stellten die Behörden und Unternehmen aufgrund ihres Umfangs und der kurzen Zeit, in der sie verabschiedet wurden, vor grosse Herausforderungen, dies sowohl in der Schweiz als auch im Ausland. Insbesondere die bestehende Zentralisierung der Thematik der Sanktionen innerhalb des SECO ermöglichte eine im internationalen Vergleich präzise und leistungsfähige Koordination. Beispielsweise richtete das SECO umgehend eine Informationshotline ein, um die Schweizer Wirtschaft zu unterstützen und Unsicherheiten abzufedern. Um auf die neue Situation zu reagieren, wurden ausserdem verschiedene Anpassungen vorgenommen. So wurden beispielsweise die Abläufe bei Anträgen auf Ausnahmeregelungen für eine partielle Freigabe von gesperrten Geldern angepasst.

Im Rahmen des geltenden Rechtsrahmens wird die Schweiz bei der
Umsetzung der Sanktionen gegenüber Russland mit ihren internationalen Partnern weiterhin und ­ wo sinnvoll ­ verstärkt zusammenzuarbeiten. So wurde die Schweiz beispielsweise von der Europäischen Kommission zur Teilnahme an mehreren Untergruppen im

189

190 191 192 193

Die Anhangs- und Verordnungsänderungen sind abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschafts & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Sanktionen/Embargos > Änderungen im 2022 (Stand: 20.9.2022).

Botschaft vom 13. Dez. 2019 zur Änderung des Embargogesetzes (BBl 2020 645).

Verordnung vom 16. Dez. 2022 über Massnahmen betreffend Haiti (SR 946.231.139.4).

Verordnung vom 4. März 2022 über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72).

Verordnung vom 16. März 2022 über Massnahmen gegenüber Belarus (SR 946.231.116.9).

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Rahmen der Taskforce «Freeze and Seize»194 eingeladen und nimmt aktiv an diesem Austausch teil.

10.3

Rüstungskontrollpolitik

10.3.1

Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer»

Der Bundesrat beschloss am 30. März 2022, den indirekten Gegenvorschlag der Bundesversammlung zur Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative)» auf den 1. Mai 2022 in Kraft zu setzen.195 Die bisherigen Bewilligungskriterien wurden von der Kriegsmaterialverordnung vom 25. Februar 1998196 (KMV) ins Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 1996197 (KMG) überführt. Die Ausnahmeregelung in Artikel 5 Absatz 4 KMV wurde ersatzlos gestrichen. Damit sind Kriegsmaterialexporte in Länder, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, ausgeschlossen. Zuvor waren diese möglich, wenn ein geringes Risiko bestand, dass das auszuführende Kriegsmaterial zur Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden könnte.

10.3.2

Kriegsmaterialexporte im Kontext des Kriegs in der Ukraine

Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine ersuchten verschiedene Drittstaaten die Schweiz um Zustimmung, damit sie aus der Schweiz beschafftes Kriegsmaterial an die Ukraine weitergeben dürfen. Der Bundesrat befand am 3. Juni 2022, dass die Schweiz aufgrund der neutralitätsrechtlichen Pflicht zur Gleichbehandlung der Konfliktparteien und aufgrund der Bewilligungskriterien des Kriegsmaterialgesetzes diese Zustimmung nicht erteilen könne. Ebenfalls am 3. Juni 2022 bestätigte der Bundesrat, dass Kriegsmaterial-Zulieferungen in Form von Baugruppen und Einzelteilen von Schweizer Unternehmen an europäische Rüstungsunternehmen möglich bleiben, selbst wenn das damit im Ausland hergestellte Kriegsmaterial in die Ukraine gelangen könnte. Derartige Exporte sind mit dem Neutralitätsrecht vereinbar.198

194

195 196 197 198

Zusätzliche Informationen zur Taskforce «Freeze and Seize» sind abrufbar unter: https://eu-solidarity-ukraine.ec.europa.eu > EU Solidarity with Ukraine > EU sanctions against Russia following the invasion of Ukraine (Stand: 20.12.2022).

AS 2022 226, 227 SR 514.511 SR 514.51 Medienmitteilung des Bundesrates vom 3. Juni 2022, Ukraine: Bundesrat hat verschiedene Kriegsmaterial-Geschäfte beurteilt, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung (Stand: 25.8.2022).

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11

Anhänge

11.1

Verhandlungsthemen in der WTO

Multilaterale Verhandlungen Themen

Gegenstand

Mandat der WTO / Bemerkungen

Fischereisubven- Subventionen, die zu Übertionen kapazitäten und Überfischung beitragen.

Verhandlungen gestützt auf das an der 12. Ministerkonferenz vereinbarte Abkommen.

Gesundheit

Stärkung von Produktionskapazitäten für medizinische Güter, vor allem für Impfstoffe, und Erleichterung der Verteilung, um insbesondere die Bekämpfung der Covid-19Pandemie zu unterstützen.

Arbeiten in den zuständigen Gremien auf Basis der Ministererklärung vom 17. Juni 2022 zur Antwort der WTO auf die Covid-19-Pandemie und zur Vorbereitung auf künftige Pandemien.

Landwirtschaft

Inlandstützung und weitere Themen im Bereich des internationalen Agrarhandels.

Neuausrichtung der multilateralen Verhandlungen gestützt auf das geltende WTO-Agrarabkommen, nachdem an der 12. Ministerkonferenz erneut kein Arbeitsprogramm erzielt werden konnte.

WTO-Reform

Reform zur Verbesserung der drei Funktionen Überwachung der Regeln, Verhandlungen und Streitbeilegung.

Konkretisierung des Reformprozesses gestützt auf die Erklärung der 12. Ministerkonferenz.

Streitbeilegung

Gewährleistung eines voll funktionsfähigen Streitschlichtungssystems.

Beratung zur Erreichung dieses Ziels bis 2024 gemäss Erklärung der 12. Ministerkonferenz.

Plurilaterale Verhandlungen Themen

Gegenstand

Mandat der WTO, Bemerkungen

Elektronischer Han- Erleichterung des del elektronischen Handels.

Gemeinsame plurilaterale Erklärung. Einige Themen konnten in den laufenden Verhandlungen bereits bereinigt werden.

Wirtschaftliche Stärkung von Frauen

Informelle Arbeitsgruppe gestützt auf eine gemeinsame, plurilaterale Erklärung.

Stärkung der Beteiligung von Frauen am Welthandel.

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Themen

Gegenstand

Mandat der WTO, Bemerkungen

Kleinst-, Kleinund Mittelbetriebe (KKMU)

Erleichterung der Integration Laufende Arbeiten gestützt auf von KKMU in globale eine gemeinsame, plurilaterale Wertschöpfungsketten.

Erklärung.

Informeller Dialog über Plastikverschmutzung und über ökologisch nachhaltigen Kunststoffhandel

Verringerung der Plastikver- Informeller Dialog gestützt auf schmutzung durch die eine gemeinsame, plurilaterale Handelspolitik.

Erklärung.

Reform der Subven- Handelspolitischer Beitrag Informeller Dialog gestützt auf tionen für fossile zu einer Reform der Subven- eine gemeinsame, plurilaterale Energien tionen für fossile Energien. Erklärung.

Strukturierte Beitrag zu einem die Umwelt Informeller Dialog gestützt auf Gespräche über schützenden globalen eine gemeinsame, plurilaterale Handel und ökologi- Handelssystem.

Erklärung.

sche Nachhaltigkeit Investitionserleichterung

Transparenz und Straffung von Verfahren betreffend Investitionen.

Gemeinsame plurilaterale Erklärung. Fast alle Themen wurden in den laufenden Verhandlungen bereinigt.

11.2

Laufende Verhandlungen zu Freihandelsabkommen

(Stand 31. Dezember 2022) Partner

Gegenstand der Verhandlung

Verhandlung seit / Anzahl Runden

Bemerkungen

Chile

Revision des FHA von 2003199

2019 / 4

Modernisierung/Weiterentwicklung des bestehenden Abkommens. Neu: Aufnahme von Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung, Finanzdienstleistungen, Handelserleichterungen sowie eines Anhangs zu den Finanzdienstleistungen.

Kosovo

Neues FHA

2022 / 2

Im August begonnene Verhandlungen mit 2 Verhandlungsrunden im Berichtsjahr. Es konnten innert kurzer Zeit beachtliche Fortschritte erzielt werden.

Voraussichtlicher Abschluss der Verhandlungen im Jahr 2023.

199

SR 0.632.312.451

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Partner

Gegenstand der Verhandlung

Verhandlung seit / Anzahl Runden

Bemerkungen

Indien

Neues FHA

2008 / 17

Diverse Kontakte u.a. auch auf Stufe Delegationsleitung. Differenzen beim Marktzugang im Güterbereich, beim Handel mit Dienstleistungen, beim geistigen Eigentum und bei den Ursprungregeln. Keine Verhandlungsrunde seit September 2017.

Malaysia

Neues FHA

2014 / 13

Verhandlungen fortgeschritten. Differenzen namentlich beim Marktzugang im Güterbereich, insbesondere für Landwirtschaftsprodukte, sowie in den Bereichen Handel und nachhaltige Entwicklung, geistiges Eigentum und öffentliches Beschaffungswesen. Zwei Verhandlungsrunden im Berichtsjahr.

Mercosur200 Neues FHA

2017 / 10

Verhandlungen seit 2019 in der Substanz abgeschlossen. Rechtliche Bereinigung läuft. Datum für die Unterzeichnung noch offen.

Mexiko

2016 / 4

Modernisierung/Weiterentwicklung sämtlicher Bereiche des bestehenden Abkommens. Neu: Aufnahme eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung sowie eines Anhangs über Handelserleichterungen.

Revision des FHA von 2000201

Keine Verhandlungsrunde seit Juni 2017. Beide Seiten bestätigten im Berichtsjahr das Interesse an einer Weiterführung der Verhandlungen und suchen nach einer Kompromisslösung beim Marktzugang für Landwirtschaftsprodukte.

Moldova

200 201

Neues FHA

2021 / 5

Verhandlungen so gut wie abgeschlossen. Voraussichtliche Unterzeichnung im 1. Halbjahr 2023.

Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay.

SR 0.632.315.631.1

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Partner

Gegenstand der Verhandlung

Palästina

Revision der 2020 / 3 Konzessionen im Agrarbereich202

Verhandlungsaufnahme im Juni 2020.

Drittes Treffen im März 2022. Ziel ist die Überführung der bestehenden Vereinbarung für Agrarprodukte (Briefwechsel) in ein bilaterales Agrarabkommen vergleichbar mit jenen, die die Schweiz mit anderen Partnern hat.

SACU203

Revision des FHA von 2006204

2018 / 6

Modernisierung/Weiterentwicklung betreffend Warenverkehr, Zollaspekte und die Aufnahme eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung.

Keine Fortschritte im Berichtsjahr.

Thailand

Neues FHA

2022 / 2

Wiederaufnahme der Verhandlungen im Juni mit zwei Verhandlungsrunden im Berichtsjahr. Gute Fortschritte in allen Disziplinen, wobei sich schwierige Verhandlungen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens und des geistigen Eigentums abzeichnen. Ziel: Abschluss der Verhandlungen innerhalb von zwei Jahren.

Vietnam

Neues FHA

2012 / 16

Substanzielle Differenzen namentlich beim Marktzugang für Industrieund Landwirtschaftsprodukte, beim öffentlichen Beschaffungswesen und beim geistigen Eigentum. Keine Verhandlungsrunde seit Mai 2018, aber anhaltender Austausch auf Stufe Chefunterhändler/innen und Expert/innen.

202 203 204

Verhandlung seit / Anzahl Runden

Bemerkungen

SR 0.632.316.251 Südafrikanische Zollunion: Botsuana, Eswatini, Lesotho, Namibia und Südafrika.

SR 0.632.311.181

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11.3

Aktivitäten von Gemischten Ausschüssen unter bestehenden Freihandelsabkommen

(Stand 31. Dezember 2022) Partner

Abkommen

Treffen

Beschlüsse, Bemerkungen

Georgien

FHA EFTAGeorgien

1. Treffen, 13. Mai 2022

Zwei Beschlüsse: Verabschiedung der Verfahrensregeln des Gemischten Ausschusses und Anpassung des Anhangs II zu den Ursprungsregeln.205

Golf-Koope- FHA rationsrat EFTAGCC

4. Treffen,

Hauptthemen waren die korrekte Umsetzung des Abkommens in den Ländern des Golf-Kooperationsrates sowie die WTO-Notifikation, die im Oktober 2022 erfolgte.

Keine Beschlüsse.

Indonesien

CEPA EFTAIndonesien

1. Treffen, 7. Dez. 2022

Vereinigtes Königreich

Handelsab- 2. Treffen, kommen 8. Juni 2022

Hauptthema: Aushandlung eines Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen in wichtigen Sektoren mit Anwendung ab 1. Jan. 2023.

Keine Beschlüsse.

EU

FHA 66. Treffen, Schweiz­ 13. Okt. 2022 EU, Unteraussc huss für Zollfragen

Keine formellen Beschlüsse.

Gespräche über Themen im Zollbereich.

20. Jan. 2022

Verabschiedung der Verfahrensregeln des Gemischten Ausschusses und Bilanz zu den ersten Erfahrungen bei der Umsetzung des CEPA, inkl. Bestimmungen zu Handel und nachhaltiger Entwicklung.206

205

Berichterstattung der EFTA (auf Englisch), abrufbar unter: www.efta.int > Global Trade Relations > Free Trade Agreements > Georgia > News (Stand: 17.10.2022).

206 Berichterstattung der EFTA (auf Englisch), abrufbar unter: www.efta.int > Global Trade Relations > Free Trade Agreements > Indonesia > News (Stand: 15.12.2022).

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Partner

Abkommen

Treffen

Beschlüsse, Bemerkungen

EU

FHA SchweizEU

69. Treffen, 4. Nov. 2022

Keine formellen Beschlüsse.

Handelsangelegenheiten im Zusammenhang mit dem FHA72 (inkl. EU-Schutzmassnahmen auf Stahlimporte).

Handel mit verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten.

Aktuelle handelspolitische Entwicklungen.

Austausch über die Nutzung der FHA.

Zollthemen und Ursprungsregeln.

EU

FHA SchweizEU

11.4

Zirkularbeschluss

Beschluss über die Anpassung der Referenzpreise des Protokolls Nr. 2.

Laufende Verhandlungen über Investitionsschutzabkommen

(Stand 31. Dezember 2022) Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Anzahl Runden

Bemerkungen

Indien

Neues ISA

2017 / 3

Das ISA aus dem Jahr 1997207 wurde durch Indien gekündigt, ausser Kraft seit dem 6. April 2017.

2017 und 2018 fanden 3 Verhandlungsrunden statt. Fortführung der Verhandlungen in der zweiten Hälfte 2022 geplant.

Indonesien Neues ISA

207

AS 2002 2037

78 / 86

2018 / 7

Verhandlungen über ein neues ISA wurden im September 2021 nach 7 Verhandlungsrunden abgeschlossen und das Abkommen wurde am 24. Mai 2022 unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet. Das ISA wird nach Abschluss der Vernehmlassung dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet.

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Verhandlung seit / Anzahl Runden

Bemerkungen

Kolumbien Revision des ISA

­

Revision des ISA von 2006208.

Malaysia

Revision des ISA

2016 / 3

Revision des ISA

2021 / 4

Revision des ISA

2018 / 5

Partner

Mexiko

Slowakei

Gegenstand der Verhandlungen

11.5

Verhandlungsbeginn sobald Kolumbien seine internen Konsultationen abgeschlossen hat.

Revision des ISA aus dem Jahr 1978209.

Wird parallel zum FHA verhandelt.

2022 fanden drei Verhandlungsrunden statt.

Revision des ISA aus dem Jahr 1995210.

Die Verhandlungen wurden 2021 neu lanciert. 2022 fanden drei Verhandlungsrunden statt.

Revision des ISA aus dem Jahr 1990211.

Die Verhandlungen sind weitgehend abgeschlossen. Zurzeit finden interne Konsultationen zwischen der Slowakei und der EU-Kommission statt.

Laufende Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen

(Stand 31. Dezember 2022) Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Angola

Neues DBA 2020 / 2

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Bosnien und Neues DBA 2013 / 1 Herzegowina Costa Rica

Neues DBA 2006 / 2

Dänemark

Revision des DBA

208 209 210 211 212

2017 / 1

Revision des DBA von 1973212.

SR 0.975.226.3 SR 0.975.252.7 SR 0.975.256.3 SR 0.975.274.1 SR 0.672.931.41

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Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Deutschland

Revision des DBA

2014 / 10

Estland

Revision des DBA

2017

Revision des DBA von 2002214.

Frankreich

Revision des DBA

2022 / 11

Revision des DBA von 1966215.

Revision des DBA

­

Revision des DBA

­

Revision des DBA

2011 / 3

Indien

Indonesien

Israel

Revision des DBA von 1971213.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Revision des DBA von 1994216.

Aufnahme von Verhandlungen in Vorbereitung.

Revision des DBA von 1988217.

Aufnahme von Verhandlungen in Vorbereitung Revision des DBA von 2003218.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Jordanien

Neues DBA 2022 / 1

Kamerun

Neues DBA 2018 / 2

Kanada

Revision des DBA

2017 / 1

Kasachstan

Revision des DBA

2021 / 1

Revision des DBA von 1999220.

Katar

Revision des DBA

2020

Revision des DBA von 2009221

Kenia

Neues DBA 2019 / 2

213 214 215 216 217 218 219 220 221

SR 0.672.913.62 SR 0.672.933.41 SR 0.672.934.91 SR 0.672.942.31 SR 0.672.942.71 SR 0.672.944.91 SR 0.672.923.21 SR 0.672.947.01 SR 0.672.965.61

80 / 86

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Revision des DBA von 1997219.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

BBl 2023 304

Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Kolumbien

Revision des DBA

2011 / 1

Revision des DBA von 2007222.

Lettland

Revision des DBA

2017

Revision des DBA von 2002223.

Libyen

Neues DBA 2007 / 2

Verhandlungen zurzeit eingefroren.

Malaysia

Revision des DBA

Revision des DBA von 1974224.

-

Derzeit ist Malaysia nicht bereit Verhandlungen aufzunehmen.

Nigeria

Neues DBA 2017 / 3

Österreich

Revision des DBA

2021

Revision des DBA von 1974225.

Russland

Revision des DBA

2017

Revision des DBA von 1995226.

Ruanda

Neues DBA 2017 / 1

Senegal

Neues DBA 2008 / 2

Serbien

Revision des DBA

2017

Singapur

Revision des DBA

2018 / 1

Revision des DBA von 2011228.

Slowakei

Revision des DBA

2017

Revision des DBA von 1997229.

Slowenien

Revision des DBA

2017

Revision des DBA von 1996230.

Revision des DBA

2020 / 2

Spanien

222 223 224 225 226 227 228 229 230 231

Verhandlungen zurzeit eingefroren.

Revision des DBA von 2007227.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Revision des DBA von 1966231.

SR 0.672.926.31 SR 0.672.948.71 SR 0.672.952.71 SR 0.672.916.31 SR 0.672.966.51 SR 0.672.957.31 SR 0.672.968.91 SR 0.672.969.01 SR 0.672.969.11 SR 0.672.933.21

81 / 86

BBl 2023 304

Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Sri Lanka

Revision des DBA

2017 / 2

Revision des DBA von 1983232.

Südafrika

Revision des DBA

2009 / 2

Revision des DBA von 2007233.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Zuwarten auf die Bereitschaft Südafrikas zur Unterzeichnung.

Syrien

Neues DBA 2005 / 1

Verhandlungen zurzeit eingefroren.

Simbabwe

Neues DBA 1999 / 4

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Tunesien

Revision des DBA

2017

Revision des DBA von 1994234.

USA

Revision des DBA

2022 / 5

Revision des DBA von 1996235.

Vietnam

Revision des DBA

2015

Revision des DBA von 1996236.

11.6

Treffen von Gemischten Wirtschaftskommissionen und Wirtschaftsmissionen

Wichtigste Missionen und bilaterale Arbeitstreffen des WBF-Vorstehers und der SECO-Staatssekretärin in der Schweiz und im Ausland (Stand: 31. Dezember 2022) Partner

Format, Ort und Datum

Deutschland

Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit Staatssekretär Patrick Rapp, Bundesland Baden-Württemberg (Bern, 24. November 2022).

Indien

Wirtschafts- und Wissenschaftsmission des WBF-Vorstehers (Mumbai, New Delhi, 2.­5. Oktober 2022).

Italien

Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit den zwei Staatssekretären Manlio Di Stefano und Benedetto Della Vedova aus dem Aussenministerium sowie Staatssekretär Gilberto Pichetto Fratin aus dem Ministerium Wirtschaftsentwicklung (Rom, 22./ 23. März 2022).

232 233 234 235 236

SR 0.672.971.21 SR 0.672.911.82 SR 0.672.97581 SR 0.672.933.61 SR 0.672.978.91

82 / 86

BBl 2023 304

Partner

Format, Ort und Datum

Japan

Begleitung der Mission des EDA-Vorstehers durch die SECOStaatssekretärin mit Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation (Tokio, Osaka, Kyoto, 18.­22. April 2022).

Kanada

Virtueller Cleantech Innovation Summit Schweiz­Kanada, Teilnahme des WBF-Vorstehers und der SECO-Staatssekretärin (16./17. März 2022).

Marokko

Bilaterale Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit den Handels-, Investitions- und Wirtschaftsministern sowie Jahrestreffen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (Marrakesch, 9.­12. Mai 2022).

Mexiko

Wirtschaftsmission (Mexiko-City, Querétaro, 18./19. März 2022) und virtuelle Teilnahme der SECO-Staatssekretärin, bilateraler Austausch mit der Subsekretärin für Aussenhandel, Luz María de la Mora (Mexiko-Stadt, 17. März 2022).

Polen

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin. Arbeitstreffen mit Grzegorz Puda, Minister of Development Funds and Regional Policy, sowie Waldemar Buda, Minister of Economic Development and Technology (Warschau, 5./6. Dezember 2022).

Spanien

Wirtschaftsmission (Barcelona, Madrid, 10./11. November 2022).

Südafrika

Wirtschafts- und Wissenschaftsmission des WBF-Vorstehers (Pretoria, Johannesburg, Kapstadt, 5.­9. Juli 2022).

USA

Herbsttreffen der Weltbankgruppe, Teilnahme des WBF-Vorstehers (Washington DC, 13./14. Oktober 2022).

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin im Vorfeld der Joint Economic Commission Schweiz­USA (New York, Philadelphia, Washington DC, 12.­14. Dezember 2022).

Gemischte Wirtschaftskommissionen (Stand: 31. Dezember 2022) Partner

Dialogrunde, Ort und Datum

Argentinien

4. Tagung, Buenos Aires, 29. November 2022

Aserbaidschan

9. Tagung, Baku, 12.­16. Dezember 2022

Brasilien

11. Tagung, Brasilia, 13.­15. Juni 2022

Chile

3. Tagung, Bern, 25. November 2022

Deutschland

44. Tagung, Hamburg, 3./4. November 2022

Indonesien

9. Tagung, Videokonferenz, 24. Februar 2022

Katar

1. Tagung, Dübendorf, 5. September 2022 83 / 86

BBl 2023 304

Partner

Dialogrunde, Ort und Datum

Mexiko

11. Tagung, Mexiko-City, 17. März 2022

Österreich

Bilaterale Gespräche, Bern, 1. September 2022

Peru

12. Tagung, Lima, 28. März­1. April 2022

Tadschikistan

3. Tagung, Duschanbe, 31. August 2022

Türkei

10. Tagung, Ankara, 21. Juni 2022

USA

17. Tagung, Washington DC, 15. Dezember 2022

11.7

Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Vom 1. Oktober 2021 bis 30. September 2022 wurden gestützt auf die Güterkontrollverordnung vom 3. Juni 2016237 (GKV) und die Chemikalienkontrollverordnung vom 21. August 2013238 (ChKV) die nachfolgend aufgeführten Gesuche behandelt. Detaillierte Aufstellungen der erteilten Bewilligungen und Ablehnungen können auf der Webseite des SECO239 konsultiert werden: Güterkategorie

Anhang 2, Teil 1 GKV ­ Liste der Nukleargüter

Anzahl

Wert in Millionen CHF

23

4,8

1403

377

Anhang 3 GKV ­ Liste der besonderen militärischen Güter

161

67,4

Anhang 5 GKV ­ Güter, die nicht international abgestimmten Ausfuhrkontrollen unterliegen

98

27,7

Chemiewaffenübereinkommen ­ Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit

41

0,6

Anhang 2, Teil 2 GKV ­ Liste der Dual-Use-Güter

Bewilligungen nach Art. 3 Abs. 4 GKV Einfuhrzertifikate

­

­

461

255,3

122

­

Generallizenzen Ordentliche Generalausfuhrbewilligung nach GKV (OGB)

237 238 239

SR 946.202.1 SR 946.202.21 www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen (Stand: 21.9.2022).

84 / 86

BBl 2023 304

Güterkategorie

Anzahl

Wert in Millionen CHF

Ausserordentliche Generalausfuhrbewilligung nach GKV (AGB)

50

­

Generalausfuhrbewilligung nach ChKV (GAB)

1

­

Abgelehnte Gesuche

1

1

12

Beilagen zur Genehmigung

12.1

Teil I: Wirtschaftsvereinbarungen

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Genehmigung): Botschaft zur Genehmigung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 2022

BBl 2023 305

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 2022 (Entwurf)

BBl 2023 306

Internationales Kaffee-Übereinkommen von 2022

BBl 2023 307

Botschaft zur Genehmigung des 2022 revidierten Internationalen Kakao-Übereinkommens von 2010

BBl 2023 308

Bundesbeschluss über die Genehmigung des 2022 revidierten Internationalen Kakao-Übereinkommens von 2010 (Entwurf)

BBl 2023 309

Internationales Kakao-Übereinkommen von 2010, 2022 revidiert

BBl 2023 310

Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit und Koordinierung der Wettbewerbsbehörden

BBl 2023 311

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit und Koordinierung der Wettbewerbsbehörden (Entwurf) BBl 2023 312 Abkommen zwischen dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit und Koordinierung der Wettbewerbsbehörden

BBl 2023 313

85 / 86

BBl 2023 304

12.2

Teil II: Zolltarifarische Massnahmen

Beilage nach Artikel 10 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen in Verbindung mit Artikel 13 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986, Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2017 über die Einfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten und Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981 (zur Genehmigung): Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2022

BBl 2023 314

Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Entwurf)

BBl 2023 315

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