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23.009 Aussenpolitischer Bericht 2022 vom 1. Februar 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Aussenpolitischen Bericht 2022 und ersuchen Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Februar 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-0330

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Zusammenfassung Der Aussenpolitische Bericht 2022 gibt einen Überblick über die Aussenpolitik der Schweiz im Jahr 2022. Gestützt auf Artikel 148 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes legt der Bundesrat darin Rechenschaft über die aussenpolitischen Aktivitäten ab, insbesondere über jene mit Bezug zur Aussenpolitischen Strategie 2020­2023 (APS 20­ 23), gemäss deren Struktur der Bericht gegliedert ist. Gemäss dem Bundesratsentscheid vom 11. Mai 2011 wird im Bericht auch ein Schwerpunktthema behandelt; dieses Jahr ist dies die Aussenpolitik im Ukraine-Krieg.

Kapitel 1 schildert die turbulente weltpolitische Lage im Berichtsjahr und verortet das aussenpolitische Handeln der Schweiz. Kapitel 2 erläutert das Instrumentarium zur Sicherstellung der aussenpolitischen Kohärenz. In Kapitel 3 wird das Schwerpunktthema behandelt. In ihrer Reaktion auf Russlands militärische Aggression gegen die Ukraine positionierte sich die Schweiz unmissverständlich auf der Seite des Völkerrechts. Sie tat dies auf der Grundlage ihrer eigenständigen und der Neutralität verpflichteten Aussenpolitik. Mit der «Ukraine Recovery Conference» in Lugano setzte die Schweiz ein international gewürdigtes Zeichen der Solidarität.

Kapitel 4 widmet sich dem ersten thematischen Schwerpunkt der APS 20­23: Frieden und Sicherheit. Es rekapituliert die erfolgreiche Wahl der Schweiz in den UNOSicherheitsrat und die Vorbereitungen für die Einsitznahme ab 2023. Auch die verstärkten Aktivitäten der Schweiz in den Bereichen Demokratieförderung, Rüstungskontrolle und humanitäre Hilfe werden dargelegt. Der zweite Schwerpunkt der APS 20­23, Wohlstand, wird in Kapitel 5 behandelt. Hier wird dargelegt, wie sich die Schweiz in einem geopolitisch anspruchsvollen Umfeld für gute Rahmenbedingungen für ihre Wirtschaft und die internationale Forschungszusammenarbeit einsetzte.

Ebenfalls werden die Anpassungen bestehender Programme der internationalen Zusammenarbeit in Reaktion auf die globalen Folgen des Ukraine-Kriegs thematisiert.

In Kapitel 6 wird die Nachhaltigkeit im Bereich der Aussenpolitik ­ der dritte Schwerpunkt der APS 20­23 ­ dargelegt. Die Umsetzung der Agenda 2030 wurde durch die Folgen des Ukraine-Kriegs weltweit erheblich verlangsamt. Der zweite freiwillige Länderbericht der Schweiz zeigt auf, dass auch hierzulande Handlungsbedarf bezüglich
Nachhaltigkeit besteht. Kapitel 7 behandelt die Digitalisierung als vierten thematischen Schwerpunkt der APS 20­23. Es fokussiert auf Massnahmen zur Stärkung des internationalen Genf als wichtiges Zentrum für die globale Technologiegouvernanz.

Kapitel 8 analysiert die Entwicklung der Beziehungen mit der EU, den Nachbarstaaten und weiteren EU/EFTA-Staaten sowie dem Vereinigten Königreich. Basierend auf dem Paketansatz des Bundesrates wurden ab März 2022 Sondierungsgespräche mit der Europäischen Kommission geführt. In Kapitel 9 werden die Beziehungen zu den weiteren Weltregionen und den globalen Schwerpunktländern erörtert. In Kapitel 10 wird die Aussenpolitik auf multilateraler Ebene aufgezeigt. Kapitel 11 behandelt Ressourcenfragen und die Kommunikation. Den Abschluss des Berichts bildet Kapitel 12 mit einer Bilanz und einem Ausblick. Die Anhänge umfassen den Bericht zur Menschenrechtsdiplomatie 2019­2022 sowie eine Auflistung der Berichte des Bunderates zu aussenpolitischen Themen, eine Liste relevanter Publikationen des EDA und eine tabellarische Übersicht über den Stand der Zielerreichung der APS 20­23.

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Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung

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1

Weltpolitische Entwicklungen 2022 1.1 Russlands militärische Aggression gegen die Ukraine 1.2 Zäsur in Europa 1.3 Der Krieg als Trendbeschleuniger 1.4 Wirtschaftliche Verbundkrise

5 5 6 7 9

2

Kohärenz in der Aussenpolitik

10

3

Schwerpunkt: Aussenpolitik im Ukraine-Krieg 3.1 Völkerrecht 3.2 Solidarität 3.3 Gute Dienste 3.4 Krisenbewältigung 3.5 Folgerungen

11 11 12 13 14 15

4

Frieden und Sicherheit 4.1 Gute Dienste und Friedensförderung 4.2 Internationale Sicherheit 4.3 Wahl in den UNO-Sicherheitsrat 4.4 Menschenrechte 4.5 Humanitäres 4.6 Migration und Flucht

15 15 17 17 18 19 19

5

Wohlstand 5.1 Globales Wirtschaftssystem 5.2 Wirtschafts-, Finanz- und Freihandelsabkommen 5.3 Bildung, Forschung und Innovation 5.4 Entwicklungszusammenarbeit

20 20 21 21 22

6

Nachhaltigkeit 6.1 Agenda 2030 6.2 Umwelt und Klima 6.3 Wasser 6.4 Energie 6.5 Finanz und Unternehmensführung 6.6 Katastrophenvorsorge 6.7 Gesundheit 6.8 Kultur

23 23 24 25 25 26 27 27 28

7

Digitalisierung 7.1 Digitale Gouvernanz

28 28 3 / 102

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7.2 7.3 7.4 7.5

Cybersicherheit Digitale Selbstbestimmung Tech4Good Wissenschaftsdiplomatie

29 30 31 31

8

Europa 8.1 Konsolidierung des bilateralen Wegs 8.2 Nachbarstaaten und übrige EU/EFTA-Staaten 8.3 Beziehungen zum UK

32 32 36 37

9

Regionen und globale Schwerpunktländer 9.1 Eurasien 9.2 Amerikas 9.3 Mittlerer Osten und Nordafrika 9.4 Subsahara-Afrika und Frankophonie 9.5 Asien und Pazifik

38 38 39 40 41 41

10 Multilateralismus 10.1 UNO 10.2 Internationales Genf und Gaststaat 10.3 OSZE, Europarat 10.4 OECD, Bretton-Woods und Entwicklungsbanken 10.5 G20 10.6 Völkerrecht

42 42 43 44 45 46 46

11 Ressourcen 11.1 Aussennetz und Personal 11.2 Krisenmanagement und Sicherheit 11.3 Konsularische Dienstleistungen 11.4 Verständnis der Aussenpolitik im Inland 11.5 Landeskommunikation im Ausland

47 47 47 48 49 49

12 Bilanz und Ausblick

50

Abkürzungsverzeichnis

51

Anhänge 1.

Bericht über die Menschenrechtsdiplomatie der Schweiz: Bilanz 2019­2022 2.

Berichte des Bundesrates zu aussenpolitischen Aspekten 3.

Publikationen des EDA 4.

Stand Zielerreichung Aussenpolitische Strategie 2020-2023

56 73 81 87

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Bericht 1

Weltpolitische Entwicklungen 2022

Die Welt steht seit drei Jahren im Zeichen von Grosskrisen. Nach der Covid-19-Pandemie war es Russlands militärische Aggression gegen die Ukraine, die das Berichtsjahr prägte. Die Energiekrise, die wachsende Ernährungsunsicherheit, die hohe Schuldenlast vieler Staaten und die Rückkehr der Inflation haben zu herausfordernden internationalen Rahmenbedingungen beigetragen. Hinzu kommt der Klimawandel, dessen Auswirkungen vielerorts immer konkreter spürbar werden.

Die Anhäufung von Krisen stellt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor Belastungsproben. Die internationale Ordnung, welche der Schweiz über Jahrzehnte Sicherheit und Wohlstand gebracht hat, steht unter wachsendem Druck. Stabile neue Verhältnisse zeichnen sich noch nicht ab. Wir finden uns in einer Übergangsphase, die von Unsicherheit, hoher Volatilität und damit geringer Vorhersehbarkeit geprägt ist. Sie setzte bereits vor dem Ukraine-Krieg ein und kann lange andauern. Der Bundesrat hat bereits im Aussenpolitischen Bericht 2021, drei Wochen vor Beginn des UkraineKriegs, von einer «Zeitenwende» gesprochen.

1.1

Russlands militärische Aggression gegen die Ukraine

Die Möglichkeit eines russischen Angriffs auf die Ukraine begann sich gegen Ende 2021 abzuzeichnen. Die militärische Drohkulisse Russlands an der Grenze zur Ukraine wuchs stetig an. Zugleich übermittelte Moskau im Dezember kaum erfüllbare Forderungen nach einer neuen europäischen Sicherheitsordnung, die de facto die Anerkennung einer russischen Einflusssphäre bedeutet hätte. Eine intensive internationale Krisendiplomatie blieb ergebnislos. Bei einem Treffen der Aussenminister Russlands und der USA in Genf am 21. Januar 2022 tauschte sich Bundespräsident Cassis separat mit beiden Seiten aus und bot die guten Dienste der Schweiz an.

Mit dem Beginn der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Präsident Putin hat damit die paneuropäische Sicherheitsordnung, die über Jahrzehnte unter Einbindung Russlands erarbeitet worden war, zum Einsturz gebracht. Während die europäische Sicherheit seit Langem starke Krisensymptome zeitigte, hat Russland mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg eine neue Ausgangslage geschaffen. Zahlreiche Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht zeugen von einer grausamen Kriegsführung. Hinzu kommen inakzeptable nukleare Drohungen seitens der russischen Regierung und der Beschuss von zivilen kritischen Infrastrukturen, insbesondere von zivilen Kernkraftwerken. Auch die sogenannten Referenden in den teilweise von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine und die Annexion dieser Gebiete durch Russland verstiessen gegen das Völkerrecht. Dass all dies von einer UNO-Vetomacht ausging, der eine besondere Verantwortung für die internationale Sicherheit obliegt, macht den Sachverhalt noch gravierender. Russland hat Europa unsicherer gemacht und in der Ukraine grosse Zerstörung und viel Leid verursacht. Der Krieg hat in kurzer Zeit zehn5 / 102

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tausende Todesopfer gefordert. Knapp ein Fünftel der 41 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ist ins Ausland geflohen, knapp ein Sechstel ist im Land vertrieben.

Bemerkenswert ist, wie entschlossen und erfolgreich die Ukraine gegen die Aggression Widerstand leistet. Sie verteidigt die Freiheit und Demokratie ganz Europas.

Der Ukraine-Krieg prägte die Schweizer Aussenpolitik. Der Bundesrat hat Russlands Vorgehen in der Ukraine unmissverständlich und wiederholt verurteilt. Die Schweiz hat sich auf der Seite des Völkerrechts positioniert, EU-Sanktionen mitgetragen und die notleidende ukrainische Bevölkerung solidarisch unterstützt. Die entsprechenden Massnahmen werden im Schwerpunktkapitel dargelegt (Kap. 3). Der Bundesrat gestaltete seine Politik auf der Grundlage der dauernden Neutralität und der Überzeugung, dass ein entschlossenes Einstehen für die Prinzipien der UNO-Charta im Interesse der Schweiz ist.

1.2

Zäsur in Europa

Russlands Bruch mit Europa und seine revisionistische Aussenpolitik haben zur Folge, dass die Frage der Friedenssicherung auf dem Kontinent wieder ins Zentrum der Politik rückt. Die Zeichen stehen auf Abschreckung, Aufrüstung und der Verhinderung einer weiteren Eskalation des Kriegs. Die NATO zeigt sich revitalisiert und leitete im Berichtsjahr eine Norderweiterung in die Wege. Die USA haben sich einmal mehr als wichtigster Anker europäischer Sicherheit erwiesen. Nach den Spannungen um den Abzug aus Afghanistan stand das Jahr im Zeichen eines neuen transatlantischen Schulterschlusses. Auch die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU entwickelt sich dynamisch, die OSZE hingegen steht vor einer unsicheren Zukunft. Mit der Europäischen Politischen Gemeinschaft ist eine neue Plattform für politischen Dialog auf höchster Ebene geschaffen worden. Über vierzig Staaten haben am ersten Gipfel im Oktober in Prag teilgenommen, darunter die Schweiz. Wie weit und nachhaltig Europa als Folge der russischen Aggression enger zusammenwächst, und dies über die EU hinaus, bleibt abzuwarten. Neue Dynamiken sind erkennbar.

Die EU hat an geopolitischem Profil gewonnen ­ auch wenn sie sich weiterhin mit internen Fliehkräften konfrontiert sieht, die sich je nach Krisenentwicklung verstärken können. Sie reagierte rasch auf Russlands militärische Aggression und beschloss umfassende Wirtschafts-, Finanz- und personenbezogene Sanktionen, die im Jahresverlauf sukzessive verschärft wurden. Innerhalb der EU haben die osteuropäischen Staaten an Einfluss gewonnen. Mit der Ukraine, Moldova sowie Bosnien und Herzegowina sind neue Beitrittskandidaten hinzugekommen. Die Erweiterungspolitik wird wieder stärker im strategischen Kontext gesehen.

Die Ukraine wird humanitär, finanziell, politisch und mit Waffenlieferungen breit unterstützt. Die EU-Kommission hat eine Unterstützung «as long as it takes» in Aussicht gestellt. Für 2023 ist eine monatliche Finanzhilfe von 1,5 Milliarden Euro vorgesehen.

Der Wiederaufbau wird eine Generationenaufgabe sein. Mit der «Ukraine Recovery Conference» lancierten die Schweiz und die Ukraine im Juli einen breit abgestützten Prozess. Die im Rahmen dieser Konferenz verabschiedeten sogenannten «LuganoPrinzipien» sind eine wichtige Grundlage der internationalen Vorbereitungsarbeiten und Symbol der Hoffnung für die ukrainische Bevölkerung.

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Russland ist in Europa weitgehend isoliert und verliert auch in seiner Nachbarschaft an Einfluss. Der Ausschluss des Landes aus dem Europarat nach 26 Jahren Mitgliedschaft markiert eine neuerliche Zäsur in den weit zurückreichenden Kontroversen um Russlands Rolle in Europa. Global betrachtet präsentiert sich allerdings ein anderes Bild: Hier ist Russland weniger isoliert. Nahezu ausschliesslich westliche Staaten und Verbündete der USA in Ostasien haben Sanktionen ergriffen. Und während mit über 140 Staaten eine deutliche Mehrheit in der UNO-Generalversammlung die militärische Aggression Russlands verurteilten, sahen über fünfzig Staaten von einer solchen Verurteilung ab, darunter Südafrika, Indien und China. Diese Staaten machen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Vielerorts wird der Krieg weniger unter dem Blickwinkel des Völkerrechts, denn als europäisches Problem betrachtet.

1.3

Der Krieg als Trendbeschleuniger

Im grösseren weltpolitischen Kontext wirkt der Krieg in erster Linie als Trendbeschleuniger. Verschiedene Entwicklungen, auf die der Bundesrat bereits früher hingewiesen hat, haben sich akzentuiert. Dazu gehört erstens die zunehmende Bedeutung der Macht- und Geopolitik. Die Konkurrenz der Grossmächte steht dabei im Vordergrund. Die sino-amerikanische Rivalität wirkt sich mittlerweile weltweit aus. Chinas Aufstieg zur Weltmacht ist nicht mehr nur wirtschaftlich, sondern zunehmend auch technologisch und militärisch begründet. So baut das Land sein Nukleararsenal massiv aus. China ist autoritärer und aussenpolitisch selbstbewusster geworden.

Auch Russland muss weiterhin zu den Grossmächten gerechnet werden, weil es über das weltgrösste Nukleararsenal verfügt, Rohstoffe und Rüstungsgüter exportiert sowie in Regionen wie Afrika und Nahost beträchtlichen Einfluss hat. Im Berichtsjahr sind Russland und China näher zusammengerückt ­ ohne dass sich eine eigentliche Allianz abgezeichnet hätte. In einer gemeinsamen Erklärung vom 4. Februar 2022 versichern sie sich die beiden Präsidenten «grenzenloser Freundschaft», verwahren sich gegen jegliche Einmischung in innere Angelegenheiten und plädieren für «neuartige internationale Beziehungen». Dabei deuten sie Konzepte wie Demokratie und Menschenrechte um.

Regional ist Ostasien neben Europa zum zweiten geopolitischen Hotspot geworden.

Die Spannungen um Taiwan haben zugenommen. Die sicherheitspolitischen und weltwirtschaftlichen Risiken im Falle einer Eskalation sind hoch. Dabei sind die beiden Sicherheitsarenen Europa und Ostasien zunehmend verschränkt zu betrachten.

China verfolgt die Entwicklungen um den Ukraine-Krieg mit Blick auf Taiwan sehr genau. Umgekehrt werden die USA erwarten, dass der neuerliche transatlantische Schulterschluss in Europa auch im Falle einer Eskalation in Ostasien Bestand hat.

Die Schweiz hat die Bestrebungen fortgeführt, ihre Beziehungen zu Grossmächten und wichtigen Regionen in einem strategischen Rahmen zu gestalten. Nach der ChinaStrategie im letzten Jahr verabschiedete der Bundesrat eine Amerikas-Strategie 2022-2025. Eine Südostasien-Strategie 2023-2026 ist in Finalisierung. Mit den USA wurde auf Stufe Staatssekretärin ein jährlicher «Dialog zur strategischen Partnerschaft» institutionalisiert. Die Beziehungen mit Russland werden in der nächsten aussenpolitischen Strategie neu zu definieren sein. Vor dem Hintergrund der vielen welt7 / 102

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politischen Bruchstellen blieb die Schweiz in zahlreiche Friedensprozesse involviert und bot ihre guten Dienste an. Das ausbleibende Einverständnis Moskaus für ein Schutzmachtmandat für die Wahrung der ukrainischen Interessen in Russland zeugt exemplarisch davon, dass sich das Umfeld für Friedensförderung heute sehr anspruchsvoll präsentiert.

Ein zweiter Trend betrifft die Erosion der bestehenden Ordnung und die abnehmende Respektierung des Völkerrechts. Die Machtverhältnisse sind unübersichtlich. Eine künftige sino-amerikanische Zweiteilung der Welt bleibt denkbar, liegt heute aber nicht vor. Zahlreiche Regionalmächte erhöhen durch eine variable Aussenpolitik ihren Handlungsspielraum. Beispiele sind Indien, Saudi-Arabien und die Türkei. Zur Unübersichtlichkeit trägt bei, dass unterschiedliche Dynamiken auf die internationalen Beziehungen einwirken. Autoritäre Staaten haben an wirtschaftlichem und politischem Gewicht gewonnen. Inwieweit die liberalen Demokratien der autoritären Herausforderung ­ von aussen wie innen ­ standhalten können, ist eine zentrale Frage.

Dennoch erklärt der Gegensatz zwischen Demokratien und Autokratien die heutigen Verhältnisse nur unzureichend. Es fällt auf, dass auch manche nichtwestlichen Demokratien auf eine gewisse Distanz zu Europa und den USA gehen. Auch sie wollen keine Gestaltungs- und Deutungsdominanz des Westens mehr. Ein Indiz für die neuen Verhältnisse war der Erfolg Chinas, im UNO-Menschenrechtsrat eine Debatte über Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Region Xinjiang mit neunzehn zu siebzehn Stimmen bei elf Enthaltungen zu verhindern.

Beschleunigt hat sich drittens der Trend einer Regionalisierung. Die Globalisierung hat weiter an Kraft verloren. Fragen der Versorgungssicherheit sind durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg in den Vordergrund gerückt. Die Resilienz von Lieferketten hat gegenüber reinen Effizienzabwägungen an Bedeutung gewonnen. Das Ringen um Forschungs- und Produktionskapazitäten bezüglich neuer Technologien, Mikrochips und Halbleiter geht einher mit Bemühungen um die Minderung von Abhängigkeiten. Nicht nur in der Handelspolitik, sondern auch weltpolitisch lässt sich ein Trend zur Regionalisierung beobachten. Der Ansatz, regionale Lösungen für regionale Probleme zu entwickeln, prägt zum Beispiel immer mehr die Golfregion.
Für die Schweiz bedeuten die Regionalisierung und die Polarisierung einerseits, dass ihr Erfolgsmodell der weltweit vernetzten Volkswirtschaft unter Druck gerät. Der Zugang zu geografisch diversifizierten Märkten wird noch wichtiger. Andererseits erfordert das heutige Umfeld, dass die Aussenpolitik und die Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz solide in Europa verankert sind. Aufgrund der geografischen und kulturellen Nähe und wegen ihres politischen und wirtschaftlichen Gewichts sind die EU und ihre Mitgliedstaaten die wichtigsten Partner der Schweiz. Der Bundesrat hat am 23. Februar 2022 entschieden, mit der EU einen Paketansatz zur Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs zu sondieren. In diesen Sondierungsgesprächen konnte ein gemeinsames Verständnis über diesen Ansatz entwickelt werden.

(Ziff. 8.1). Auf der Grundlage des am 7. September 2022 verabschiedeten Zusatzberichts zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 will der Bundesrat die sicherheitspolitische Kooperation mit der EU und der NATO ausbauen. Bezüglich Aussenpolitik vereinbarten die Staatssekretärin EDA und der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Diensts der EU künftig halbjährlich einen Dialog zu führen. Damit hat

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die Schweiz gezielte Massnahmen ergriffen, um die europäische Partnerschaft weiterzuentwickeln.

Schliesslich schwächt als vierter Trend die tiefgreifende globale Vertrauenskrise die Leistungsfähigkeit multilateraler Gremien zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Verlust an Biodiversität oder Pandemien. Während schon frühere Epochen im Zeichen geopolitischer Rivalitäten standen, sind diese globalen Herausforderungen ein Wesensmerkmal unserer Zeit. Sie betreffen alle Staaten und sind nur durch Kooperation zu bewältigen. Internationalen Organisationen kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Der Multilateralismus bleibt unverzichtbar und vermochte auch im Berichtsjahr wichtige Beiträge zu leisten ­ exemplarisch erwähnt seien die «Black Sea Grain Initiative» des UNO-Generalsekretärs und die Inspektionen von ukrainischen Kernkraftwerken durch die Internationale Atomenergieagentur (IAEA).

Aber es wird eine neue Verständigung und institutionelle Anpassungen brauchen um die Handlungsfähigkeit mancher multilateraler Gremien zu steigern.

Mit ihrem erstmaligen Einsitz als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat verfügt die Schweiz ab 2023 über ein zusätzliches Instrument, um auf der Basis ihrer aussenpolitischen Glaubwürdigkeit zu einem wirksamen Multilateralismus beizutragen (Ziff. 4.3). Auch mit dem internationalen Genf will die Schweiz globale Lösungen und einen Dialog zwischen den Machtzentren fördern. Im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit (IZA) hat sie im Berichtsjahr zahlreiche Beiträge an die Bewältigung globaler Herausforderungen geleistet (Ziff. 5.4).

1.4

Wirtschaftliche Verbundkrise

Krieg und Pandemie haben zur Folge, dass sich viele Länder mit einer wirtschaftlichen Verbundkrise konfrontiert sehen. Staatsschulden sind als Folge von Programmen zur Krisenbewältigung markant gestiegen. Die Rückkehr der Inflation geht mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten einher und schmälert den fiskalischen Spielraum für weitere Abfederungsmassnahmen sowie Investitionen in öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung und Infrastruktur. Europa muss aufgrund seiner Importabhängigkeit von russischem Gas und Öl die Energiepolitik rasch neu ausrichten, um eine noch weitreichendere Energiekrise zu vermeiden. Im Zentrum steht erstens die Versorgung mit genügend Gas und Strom. Zweitens würden dauerhaft hohe Energiepreise die Industriebasis in Europa gefährden ­ auch weil die USA und China deutlich billigere Energie beziehen können. Beide Herausforderungen führten zu präzedenzlosen Notfallinterventionen der EU in die Energiemärkte. Es wurde wieder mehr Kohle verstromt. Zugleich korrigierten viele Staaten ihre Ziele für grüne Energie nach oben.

Mittelfristig könnte sich die Energiewende damit beschleunigen.

Weltweit leiden viele Länder unter Getreidemangel und ungenügender Versorgung mit Düngemittel. Hungerkrisen haben sich verschärft. Nach Angaben der UNO wurden innert der letzten zwei Jahre die globalen Entwicklungsfortschritte der vorangegangenen fünf Jahre zunichtegemacht. Die wichtigste Ursache war die Pandemie. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen verstärken diese Negativentwicklung. Es ist mit mehr gesellschaftlichen Spannungen und politischen Verwerfungen zu rechnen. Flucht und irreguläre Migration könnten weiter zunehmen.

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2022 war also ein schwieriges Jahr, und die Aussichten bleiben herausfordernd, auch für die Schweiz. Sie steht jedoch im internationalen Vergleich nach wie vor gut da und ist gemäss dem UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP) das höchstentwickelte Land der Welt. Aber auch sie muss sich auf ein raueres Umfeld einstellen, in dem sie sich stärker als bisher positionieren muss und in dem sie bisweilen unter erheblichem Konformitätsdruck stehen wird. Eine eigenständige, bürgernahe, den Interessen und Werten der Bundesverfassung verpflichtete Aussenpolitik hat sich auch im Berichtsjahr bewährt. Sie wird aber nicht nur wichtiger, sondern auch anspruchsvoller und erfordert ein politisch breit getragenes Verständnis darüber, wofür die Schweiz in der sich rasant verändernden Welt steht und was sie erreichen will.

2

Kohärenz in der Aussenpolitik

Kohärenz in der Aussenpolitik ist im aktuellen Umfeld besonders wichtig. Ein Instrument zur Stärkung der Kohärenz ist die aussenpolitische Strategiekaskade. Die Aussenpolitische Strategie 2020-2023 (APS 20-23) ist der zentrale Bezugsrahmen für die Politikgestaltung. Zu wichtigen geografischen und thematischen Teilbereichen verabschiedet der Bundesrat in dieser Legislatur erstmals Folgestrategien. Sie bilden die zweite Ebene der Strategiekaskade und enthalten Schwerpunkte, Ziele und Massnahmen für vier Jahre. Die dritte Ebene der Kaskade bilden Grundlagendokumente auf Departementsstufe. Diese Strategiekaskade bewährt sich auch in Krisenzeiten. Sie bietet zugleich Orientierung und die erforderliche Flexibilität, um auf Krisen reagieren zu können. Mit ihr wird die Zusammenarbeit zwischen den Departementen gestärkt. Im Berichtsjahr verabschiedete der Bundesrat die Strategie Rüstungskontrolle und Abrüstung 2022-2025 und die Amerikas-Strategie 2022-2025. Das EDA hat zudem einen OSZE-Aktionsplan 2022-2025 und Leitlinien Wasser 2022-2025 verabschiedet.

Abb. 1: Aussenpolitische Strategiekaskade (illustrative Auswahl an Dokumenten)

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3

Schwerpunkt: Aussenpolitik im Ukraine-Krieg

Die Aussenpolitik stand 2022 im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Der Bundesrat reagierte rasch und entschlossen auf Russlands militärische Aggression. Die Schweiz übernahm die EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus und stärkte somit deren Wirkung. Zugleich gestaltete sie die Krisenbewältigung auf der Grundlage ihres eigenständigen aussenpolitischen Profils.

3.1

Völkerrecht

Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass in den internationalen Beziehungen das Völkerrecht gilt und Rechtsbrüche wirksam geahndet werden. Diese Haltung vertrat sie im Ukraine-Krieg in aller Deutlichkeit. Bereits am 24. Februar 2022 verurteilte der Bundespräsident in einer Erklärung die militärische Intervention Russlands und die massive Verletzung des Völkerrechts aufs Schärfste. Er forderte Russland auf, seine Truppen unverzüglich von ukrainischem Boden zurückzuziehen. Seither hat die Schweiz in verschiedensten multilateralen und bilateralen Kontexten diese Verurteilung bekräftigt und sich für die Wahrung des Völkerrechts eingesetzt. Sie hat auch die sogenannten Referenden in den von Russland teilweise besetzten Gebieten der Ukraine und die Annexion durch Russland als völkerrechtswidrig verurteilt. Regelmässig hat die Schweiz auch alle Parteien zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufgerufen. Sie engagiert sich im Kampf gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen und unterstützt die Suche nach Vermissten. So überwies sie die Situation in der Ukraine gemeinsam mit 41 weiteren Staaten an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC), unterstützte die Schaffung von Untersuchungskommissionen im UNOMenschenrechtsrat und in der OSZE und nahm an hochrangigen Treffen zu Rechenschaftsbemühungen in der Ukraine teil. Dabei stärkte die Schweiz diese unabhängigen Rechenschaftsmechanismen und engagierte sich für koordinierte Untersuchungen.

Am 28. Februar 2022 entschied der Bundesrat, die Sanktionen der EU gegenüber Russland zu übernehmen.1 Am 16. März 2022 schloss er sich auch den EU-Sanktionen gegen Belarus an.2 Die Schweiz hat sich seither den von der EU getroffenen zusätzlichen Massnahmen gegen Russland innert kurzer Frist angeschlossen, mit Ausnahme der Medienverbote und der (für die Schweiz irrelevanten) Verbote betreffend Strassen- und Wassertransport (Ziff. 9.1). Der Bundesrat hat überdies Einreiseverbote gegen verschiedene Personen ausgesprochen. Zudem hat die Schweiz die internationale Rechtshilfe mit Russland ausgesetzt, das Visaerleichterungsabkommen im Einklang mit dem Vorgehen der EU suspendiert und die Polizeizusammenarbeit auf wenige Ausnahmen begrenzt.

Das Neutralitätsrecht ­ das Teil des Völkerrechts ist ­ verbietet der Schweiz, eine Kriegspartei militärisch zu unterstützen. Namentlich
ist der Export von Rüstungsgütern aus staatlichen Beständen an Kriegsparteien verboten. Bei der Bewilligung von Ausfuhren von Rüstungsgütern durch Private müssen alle Kriegsparteien gleichbehandelt werden. Die Schweiz hat über das Neutralitätsrecht hinaus in ihrem Kriegs1 2

SR 946.231.176.72 SR 946.231.116.9

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materialgesetz festgehalten, dass Exporte von Kriegsmaterial nicht bewilligt werden, wenn das Bestimmungsland in einen internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist. Der Bundesrat erläuterte seine entsprechenden Entscheide in seinem Neutralitätsbericht vom 26. Oktober 2022.3 Die geltende Rechtslage hatte zur Folge, dass die Schweiz den Anfragen verschiedener Staaten, eine Wiederausfuhr von Kriegsmaterial in die Ukraine zu ermöglichen, nur teilweise entsprechen konnte. Ihre Zuverlässigkeit im Bereich von Kriegsmaterialexporten wurde bisweilen in Frage gestellt. Negative Folgen für die heimische sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis zeichnen sich ab. Es war notwendig, den rechtlichen Handlungsrahmen der Schweiz detailliert zu erklären.

Gegenüber anderen Staaten, die sich für einen weitreichenden Ausschluss Russlands aus multilateralen Gremien einsetzten, betonte die Schweiz in manchen Fällen die Vorteile der Einbindung Russlands in multilaterale Gremien. Sie setzte sich auch dafür ein, dass die internationalen Organisationen ihren Mandaten nachkommen können und als Dialogplattformen Bestand haben. Russland wurde am 16. März 2022 aus dem Europarat ausgeschlossen und ist seit dem 16. September 2022 keine Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr (Ziff. 10.3). Im UNO-Menschenrechtsrat wurde Russland suspendiert. Seine Teilnahme an OECD-Gremien wurde ebenfalls ausgesetzt.

3.2

Solidarität

Die rasche und unkomplizierte Aufnahme von rund 70 000 Schutzsuchenden aus der Ukraine, von denen mehr als die Hälfte bei Privatpersonen wohnen, ist das deutlichste Zeichen der Solidarität, das die gesamte Schweiz der Ukraine entgegengebracht hat.

Für die Aufnahme ukrainischer Schutzsuchender hat der Bund 2022 gut 900 Millionen ausgegeben. Überdies zeigte sich die Schweiz bereit, behandlungsbedürftige Zivilpersonen, darunter auch Kinder, zur akutsomatischen Behandlung aufzunehmen.

Ebenfalls hat sich die Schweiz mittels humanitärer Hilfe und der Erhöhung ihrer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit vor Ort für die vom Krieg direkt betroffene Bevölkerung eingesetzt. Die Unterstützung umfasste drei Komponenten: die Lieferung von über 5700 Tonnen Hilfsgütern an die Ukraine und ihre Nachbarländer, den Einsatz von über siebzig Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) in der Region und die finanzielle Unterstützung von internationalen sowie lokalen humanitären Organisationen. Eine rasch wirksame Nothilfe, die auf die thematischen Prioritäten Wasser, Schutz der Zivilbevölkerung und Gesundheit des Schweizer Kooperationsprogramms in der Ukraine abgestimmt wurde, konnte geleistet werden (Ziff. 4.5). Zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen entschied der Bundesrat am 22. März und am 2. November weitere Mittel für die humanitäre Hilfe bzw. die Winterhilfe zur Verfügung zu stellen, insbesondere für die dringliche Instandstellung der Energie-Infrastruktur und Nothilfemassnahmen.

3

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Medienmitteilungen des Bundesrats > Bundesrat verabschiedet Postulatsbericht zur Neutralität.

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Insgesamt hat der Bund 2022 in der Ukraine und der Region eine Unterstützung im Umfang von mehr als 230 Millionen Franken geleistet. Dafür notwendige zusätzliche Mittel wurden von der Bundesversammlung genehmigt. Hinzu kommen Beiträge der Kantone und Gemeinden, private Initiativen sowie grosse Geber (z.B. das IKRK).

Als eine der wichtigsten Unterstützerinnen des Reformprozesses in der Ukraine hat die Schweiz 2022 die Verantwortung für die Ausrichtung der 5. Ukraine-Reformkonferenz übernommen. Aufgrund des Kriegs wurde mit der miteinladenden Ukraine beschlossen, die Veranstaltung auf den Wiederaufbau zu fokussieren. Am 4. und 5. Juli 2022 fand daher in Lugano die «Ukraine Recovery Conference» (URC2022) statt. An der URC2022 nahmen über tausend Personen aus 42 Staaten teil, inkl. 5 Staats- und Regierungschefinnen und -chefs, darunter die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, 22 Ministerinnen und Minister, rund 50 Parlamentarierinnen und Parlamentarier, 17 internationale Organisationen und rund 600 Vertreterinnen und Vertreter des Privatsektors und der Zivilgesellschaft. Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde während der Eröffnungsplenarsitzung live aus Kiew zugeschaltet.

Die URC2022 brachte zum ersten Mal alle am Wiederaufbauprozess interessierten Akteure zusammen. Zwei wichtige Ergebnisse wurden erreicht: Es gelang, einen Wiederaufbauprozess für die Ukraine auf internationaler Ebene zu lancieren und sich auf die sogenannten Lugano-Prinzipien zur Steuerung des Prozesses zu einigen. Nach der URC2022 wurde ein Folgeprozess umgesetzt. Dessen Ziel ist es, weitere Vorbereitungen für den Wiederaufbau zu treffen und die Umsetzung der Lugano-Prinzipien sowie eine optimale Übergabe an das UK zu gewährleisten, das die Konferenz 2023 organisieren wird. Es sind spezifische Anlässe in Bezug auf Veranstaltungen, Kommunikation und Durchführung vorgesehen. Diese Elemente sind um die Lugano-Erklärung und -Prinzipien herum aufgebaut. Teil des Folgeprozesses war auch die Reise des Bundespräsidenten in die Ukraine und seine Teilnahme an Ukraine-Konferenzen in Berlin und Paris. Dabei wurde deutlich, dass der in Lugano begonnene Prozess fortgesetzt wird und die Lugano-Prinzipien als eine wichtige Basis für die Organisation des Wiederaufbauprozesses dienen.

3.3

Gute Dienste

Die guten Dienste sind ein Instrument der Schweizer Aussenpolitik. Es handelt sich um Dienstleistungen, welche die Schweiz erbringen kann, wenn sie ein Mandat erhält.

Die Schweiz hat den beiden Parteien zu Beginn des Kriegs das Angebot ihrer guten Dienste in allgemeiner Form in Erinnerung gerufen. Dazu gehören: 1) die Rolle als Gastgeberin für Gespräche und Treffen, 2) die inhaltliche Unterstützung und das Einbringen von Expertise bei möglichen Verhandlungen und 3) Schutzmachtmandate, die nach dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 19614 über diplomatische Beziehungen das Einverständnis aller drei beteiligen Staaten voraussetzen.

Der ukrainische Präsident gab Ende April dem Wunsch Ausdruck, dass die Schweiz ein Schutzmachtmandat für die Ukraine in Russland übernimmt. Dies ist ein Zeichen des Vertrauens in die Schweiz und in die Professionalität und die Expertise der 4

SR 0.191.01

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Schweizer Diplomatie. Die zweimonatigen Verhandlungen mit der Ukraine konnten Anfang Juli erfolgreich abgeschlossen werden. Das russische Aussenministerium war zeitnah über die Aufnahme der Verhandlungen und mehrfach in allgemeiner Form über deren Stand informiert worden. Es wurde umgehend über die Parameter des Entwurfs des Abkommens informiert und gebeten, sein Einverständnis zu geben. Dieses lag bis Ende 2022 nicht vor.

3.4

Krisenbewältigung

Angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze hatte das EDA bereits im Dezember 2021 eine Sitzung der Interdepartementalen Arbeitsgruppe Russland einberufen, um die Entwicklungen und ihre Implikationen mit allen relevanten Ämtern abzugleichen. Zugleich gab der Vorsteher des EDA den Auftrag für den Einsatz einer departementsinternen Task Force Ukraine-Russland für den Fall einer Eskalation. Seit Beginn der russischen Aggression sind diese Task Force, eine Krisenzelle im Krisenmanagement-Zentrum des EDA (KMZ) und die Einsatzleitung der DEZA/Humanitären Hilfe mit den verschiedenen Aspekten der aussenpolitischen Krisenbewältigung befasst. Zudem wurde die Interdepartementale Koordinationsgruppe Ukraine/Russland (IKUR) auf Stufe Generalsekretärinnen und -sekretäre und Vizekanzler unter der Leitung des EDA und mit organisatorischer Unterstützung des Bundesstabs Bevölkerungsschutz eingesetzt. Der Sicherheitsausschuss des Bundesrats befasste sich ebenfalls mehrfach mit den Folgen des Kriegs für die Schweiz.

Neben der Koordination des Tagesgeschäfts dienen die Gremien auch der Stärkung der Antizipation. Der Nachrichtendienst des Bundes arbeitete Szenarien aus, welche der Vorbereitung auf mögliche künftige Lageänderungen dienen. Das EDA und anderen Departemente erarbeiteten auf dieser Grundlage verschiedene Massnahmen und Handlungsoptionen, um beim Eintreten auf Entwicklungen rasch und adäquat reagieren zu können. Zusätzlich hat das EDA Repriorisierungen vorgenommen und die zuständige geographische Abteilung im Staatssekretariat temporär gestärkt. Ein regelmässiges Lageprodukt und Informationsnotizen stellten seit der ersten Kriegswoche sicher, dass die relevanten Stellen und der Bundesrat rechtzeitig über die erforderlichen Informationen verfügen. Diese Instrumente haben sich in der Krise bewährt.

Die Krisenzelle des KMZ hat mit ihren Partnern innerhalb und ausserhalb des EDA die Botschaft in Kiew wie auch die Schweizer Vertretungen in den umliegenden Ländern auf verschiedene Entwicklungsszenarien vorbereitet. Das Krisenmanagementteam der Botschaft konnte dadurch gemeinsam mit Experten des KMZ und der Schweizer Armee, insbesondere des KSK-Kontingents, rasch und adäquat Massnahmen vor Ort im Bereich des Sicherheits- und Krisenmanagements ergreifen. Am 28.

Februar 2022 wurde die
Botschaft temporär geschlossen. Dank der raschen Verlagerung der konsularischen Zuständigkeit für die Ukraine an einen Ersatzstandort konnte das EDA die Erbringung von konsularischen Dienstleistungen jederzeit gewährleisten und eine optimale Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen bei der Ausreise aus dem Krisengebiet sicherstellen. Seit der Wiedereröffnung am 19. Mai 2022 werden die diplomatischen und humanitären Aktivitäten der Botschaft unter Einhaltung der Sicherheitsmanagement-Prozesse des KMZ weitergeführt.

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3.5

Folgerungen

Parallel zur Krisenbewältigung stand im Berichtsjahr die Frage im Zentrum, welche Folgerungen sich aus dem Ukraine-Krieg für die weitere Gestaltung der Aussen- und Sicherheitspolitik ergeben. In seinem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 kam der Bundesrat am 7. September 2022 zum Schluss, dass es im Interesse der Schweiz liegt, ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik ­ unter Einhaltung der Neutralität ­ konsequenter als bislang auf die internationale Zusammenarbeit auszurichten. Der Bericht legt Möglichkeiten zum Ausbau der sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit mit der NATO und der EU dar. Ebenfalls betont er die Notwendigkeit, die Fähigkeiten zur sicherheitspolitischen Früherkennung und Antizipation im Verbund verschiedener Bundesstellen weiterzuentwickeln.5 Ebenfalls hat der Bundesrat eine Aussprache zur Neutralität geführt und kam dabei zum Schluss, dass die Neutralitätspolitik, wie sie seit dem Bericht zur Neutralität vom 29. November 19936 definiert und praktiziert wurde, ihre Gültigkeit behält. Die Neutralitätspolitik lässt der Schweiz einen hinreichend grossen Handlungsspielraum, um auf die Ereignisse in Europa nach der russischen militärischen Aggression gegen die Ukraine zu reagieren. Am 26. Oktober 2022 hat der Bundesrat den Bericht in Erfüllung des Postulats der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats (22.3385 Klarheit und Orientierung in der Neutralitätspolitik) an die Bundesversammlung überwiesen.7 In der Aussenwirtschaftspolitik hat die Schweiz ihre Anstrengungen zur Diversifikation von Handlungspartnern gestärkt und Massnahmen zur Sicherstellung der Erdgasversorgung ergriffen. Schliesslich wird der Bundesrat in der zweiten Jahreshälfte 2023 eine neue Aussenpolitische Strategie für die Legislatur 2024­2027 verabschieden, die dem Wandel des Umfelds Rechnung tragen wird. Die Strategie wird interdepartemental abgestützt erarbeitet.

4

Frieden und Sicherheit

4.1

Gute Dienste und Friedensförderung

Die Nachfrage nach Beiträgen der Schweiz an Frieden und Sicherheit blieb auch im Berichtsjahr intakt. Gleichzeitig ist die Tradition der guten Dienste und Friedensförderung der Schweiz kein Selbstläufer mehr, sondern verlangt nach Agilität und langfristigen Investitionen. Geopolitische Veränderungen, neue Konfliktdynamiken und Akteure haben eine Dynamisierung des friedenspolitischen Umfelds zur Folge.

Entlang den Schwerpunkten der APS 20­23 verfolgte die Schweiz 2022 zahlreiche friedensfördernde Initiativen und leistete gute Dienste (Gaststaat für Gespräche, Schutzmachtmandate, Dialogunterstützung, Mediation). Schwerpunkte sind die fast zwanzig Länder, in denen die Schweiz über ein friedenspolitisches Programm verfügt.

5 6 7

Abrufbar unter: www.vbs.admin.ch > Sicherheitspolitik: Verstärkte internationale Zusammenarbeit unter Einhaltung der Neutralität.

BBl 1994 I 153 Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Medienmitteilungen des Bundesrats > Bundesrat verabschiedet Postulatsbericht zur Neutralität.

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Neben direkten Mediationstätigkeiten stärkt die Schweiz mit ihrer Expertise multilaterale und regionale Organisationen, so auch die UNO-Friedensprozesse für Syrien und Libyen (Ziff. 9.3). In der zweiten Jahreshälfte hatte die Schweiz den Vorsitz der internationalen Kontaktgruppe der Sondergesandten für die Grossen Seen inne. Weiterhin ist die Schweiz in der Dialogunterstützung aktiv, zum Beispiel in Myanmar oder im Abchasien-Kontext. Daneben unterstützte sie die Umsetzung von Friedensabkommen, unter anderem in Kolumbien, im Sudan, im Südsudan und in Mozambik.

In Kolumbien unterstützt sie die Friedensverhandlungen als Mitglied der internationalen Begleitgruppe.

Die Schweiz setzt sich für inklusive Friedensprozesse und insbesondere für die Einbindung von Frauen in Friedensprozesse ein. Zusammen mit Südafrika hatte die Schweiz 2022 den Ko-Vorsitz des Netzwerks «Women, Peace and Security Focal Points» inne und führte dessen viertes Treffen in Genf durch. In Genf trafen sich im Oktober auch die Aussenminister Armeniens und Aserbaidschans, um Deeskalationsmöglichkeiten auszuloten. Auf der Grundlage ihres Schutzmachtmandats für die USA ko-fazilitierte die Schweiz zudem die Ausreise eines US-iranischen Doppelbürgers aus dem Iran, was von der US-Regierung verdankt wurde.

Die Schweiz engagiert sich weiterhin für die Prävention von Konflikten. Im Bereich der Prävention von gewalttätigem Extremismus und der Verhinderung neuer Gewaltzyklen führte sie ihr langjähriges Engagement in West- und Zentralafrika fort. Sie moderierte mehrere regionale und nationale Dialogrunden mit dem Ziel, die Zivilgesellschaft zu stärken und nicht-militärische Lösungsansätze zu unterstützen. Sie führte ihr Engagement gegen die Straflosigkeit von Menschrechtsverletzungen, Verletzungen des humanitären Völkerrechts, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord fort. Ein Fokus lag dabei auf der Ukraine. In Kolumbien trug die Schweiz dazu bei, dass erstmals auch die im Exil lebenden Konfliktopfer am Prozess der Wahrheitsfindung teilnehmen konnten. Sie unterstützte die Suche nach vermissten Personen, so etwa in der Ukraine, im Libanon, in Syrien sowie im Balkan. Die Schweiz gründete zusammen mit dem IKRK und nationalen Rotkreuzgesellschaften das «Red Cross and Red Crescent Missing Persons and Separated Families Centre».

Mit Blick
auf die geopolitischen Entwicklungen verstärkte die Schweiz im Berichtsjahr ihre Arbeit im Bereich der Demokratieförderung. Nebst der Unterstützung von glaubwürdigen und transparenten Wahlprozessen zur Stärkung demokratischer Institutionen setzte sie sich dafür ein, dass Demokratie als Chance und Gelegenheit wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang organisierte die Schweiz im April eine hochrangige internationale Tagung zur Demokratieaussenpolitik. Im Bereich Schutz der Zivilbevölkerung setzte die Schweiz unter anderem ihr Engagement in der humanitären Minenräumung fort. Namentlich unterstützte sie Projekte in Myanmar, Kolumbien sowie Bosnien und Herzegowina. Zudem brachte sie sich aktiv in die Verhandlungen über ein UNO-Dokument zur Munitionsbewirtschaftung ein. Schliesslich setzte sich die Schweiz für eine starke politische Erklärung zum Einsatz von Explosivwaffen in bewohntem Gebiet ein und schloss sich dieser an.

Zur Stärkung ihres globalen friedenspolitischen Engagements entsandte die Schweiz im Berichtsjahr zivile Expertinnen und Experten in Feldmissionen der UNO, der OSZE, der EU sowie weiterer Organisationen. 2022 leisteten 163 Expertinnen und Experten 177 multilaterale oder bilaterale Einsätze in 42 Ländern. Davon fan16 / 102

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den 55 Einsätze im Rahmen von 10 Wahlbeobachtungsmissionen der OSZE, der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in 10 Ländern statt.

4.2

Internationale Sicherheit

Die Schweiz ist seit 26 Jahren im Rahmen der NATO-Partnerschaft für den Frieden aktiv und war 2022 in Genf Gastgeberin des jährlichen NATO-Partnerschaftssymposiums. Damit bot sie nicht nur eine Plattform für den Austausch zwischen Alliierten und Partnern, sondern konnte den Dialog zur Partnerschaft der Zukunft mitgestalten. Zudem stellte sie informelle Dialogplattformen zur europäischen Sicherheit bereit. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die europäische Sicherheit und auf die Schweizer Aussen- und Sicherheitspolitik prägten die Debatten (Kap. 3).

Die Umsetzung der vom Bundesrat im Berichtsjahr verabschiedeten Strategie Rüstungskontrolle und Abrüstung 2022-2025 ist im aktuellen Umfeld zugleich anspruchsvoll und zentral. An der Überprüfungskonferenz des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) setzte sich die Schweiz für ein Massnahmenpaket zur Reduktion von Nuklearwaffenrisiken sowie für die Stärkung der Sicherheit und Sicherung von Kernkraftwerken ein. Zu Letzterem berief der Bundespräsident eine hochrangige Veranstaltung ein. Aufgrund einer Blockade Russlands ging die Konferenz ohne gemeinsame Erklärung zu Ende. Substantielle Massnahmen zur institutionellen Stärkung des Biowaffenübereinkommenens (BWÜ), die auch von der Schweiz vorangetrieben wurden, konnten an der entsprechenden Überprüfungskonferenz nicht beschlossen werden. Jedoch konnte ein gemeinsames Schlussdokument verabschiedet werden, das unter anderem die Ausarbeitung solcher Massnahmen vorsieht. Im Rahmen des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) setzt sich die Schweiz weiterhin für die Stärkung der globalen Norm gegen die Bewaffnung mit toxischen Chemikalien und die Wahrung der Glaubwürdigkeit der OPCW ein. Im Zuge ihres Vorsitzes des Raketentechnologie-Kontrollregimes (MTCR) organisierte sie die jährliche Plenarversammlung in Montreux. Dabei setzte sie sich vor allem für die Stärkung der Institutionen und des technischen Charakters des Regimes ein.

Im Bereich Terrorismusbekämpfung unterstützte die Schweiz Aktivitäten der UNO zugunsten der Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, so etwa die strafrechtliche Verfolgung von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Schweiz setzte sich zudem für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit von Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates und der Ombudsperson
ein. Sie unterstützt unabhängige Forschung zur Terrorismusbekämpfung, zu Sanktionen und zu deren Einfluss auf humanitäre Aktivitäten. Weiter unterstützte sie ein Projekt des «Soufan Center» zur künftigen Rolle des UNO-Sicherheitsrates bei der Terrorismusbekämpfung.

4.3

Wahl in den UNO-Sicherheitsrat

Am 9. Juni 2022 hat die UNO-Generalversammlung die Schweiz als nichtständiges Mitglied für die Jahre 2023 und 2024 in den UNO-Sicherheitsrat gewählt. Die Schweiz erhielt 187 von 192 möglichen Stimmen. Seit dem UNO-Beitritt der Schweiz 17 / 102

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2002 wurde kein Land der Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten mit einem besseren Ergebnis gewählt, was als Vertrauensbeweis verstanden werden kann.

Mit der Wahl ging eine lange Phase zu Ende, die mit einem eingehenden Konsultationsprozess der Bundesversammlung und 2011 mit der offiziellen Einreichung der Kandidatur durch den Bundesrat begonnen hatte. Im ersten Halbjahr 2022 warb die Schweiz mit dem Slogan «A Plus for Peace» noch einmal intensiv um Unterstützung, insbesondere mit einem persönlichen Schreiben des Bundespräsidenten an die Staatsund Regierungschefinnen und -chefs der UNO-Mitgliedstaaten. Eine Motion zum Rückzug der Schweizer Kandidatur für den Sicherheitsrat wurde vom Nationalrat im Rahmen einer ausserordentlichen Session am 10. März 2022 abgelehnt. Auch der Ständerat lehnte eine gleichlautende Motion8 ab.

Am 25. Mai 2022 legte der Bundesrat vier Prioritäten für den Einsitz im Sicherheitsrat fest: nachhaltigen Frieden fördern, Zivilbevölkerung schützen, Klimasicherheit angehen und Effizienz stärken. Die Aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat (APK) begrüssten in der Konsultation die Prioritäten. Vorgeschlagene Ergänzungen konnten berücksichtigt werden und die Prioritäten wurden am 31. August 2022 vom Bundesrat definitiv verabschiedet. Sie sind auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine relevant. Der Bundesrat und die APK wurden zudem zu den Grundsatzpositionen (sogenannte Eckwerte) der Schweiz zu wichtigen Agendapunkten des Sicherheitsrates informiert.

Von Oktober bis Dezember konnte die Schweiz als neugewähltes Mitglied an allen Sitzungen des Sicherheitsrates teilnehmen, wenn auch ohne Rederecht und Stimmabgabe. Im November fand ein Testlauf der vom Bundesrat festgelegten Koordinationsund Entscheidmechanismen statt. Der strukturierte Dialog mit der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft zur Mitgliedschaft im Sicherheitsrat wurde im Berichtsjahr fortgeführt. Die Schweiz ist für den Einsitz im Sicherheitsrat gut vorbereitet.

4.4

Menschenrechte

Die Menschenrechtslage hat sich weltweit verschlechtert, insbesondere aufgrund der Covid-19-Pandemie und der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine.

Die Polarisierung in den multilateralen Foren hat sich verstärkt, insbesondere im UNO-Menschenrechtsrat. Im Einklang mit den festgelegten Prioritäten setzte die Schweiz ihre Arbeit auf bilateraler und multilateraler Ebene in den vier Schwerpunktbereichen (Meinungsfreiheit, Todesstrafe, Folter, Minderheiten) und den drei Querschnittsthemen (Frieden und Sicherheit, Wirtschaft, Nachhaltigkeit) fort. Ebenso setzte sie sich für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung ein. Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit trägt die Schweiz durch die Anwendung des menschenrechtsbasierten Ansatzes zur Stärkung der Menschenrechte bei. Als Mitinitiantin einer Resolution in der UNO-Generalversammlung trug die Schweiz dazu bei, dass das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt als eigenständiges Menschenrecht anerkannt wurde. Im UNO-Menschenrechtsrat war sie Ko-Fazilitatorin der 8

Motion 21.4364 «Keine Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat» und Motion 21.4376 «Keine Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat».

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Resolution zur Förderung der Menschenrechte bei friedlichen Demonstrationen. Sie unterstützte den Weltkongress gegen die Todesstrafe in Berlin. Die Schweiz hat im Berichtsjahr bilaterale Menschenrechtsdialoge mit Brasilien, Indonesien, Mexiko und Nigeria geführt. Die Vorbereitungen für eine weitere Dialogrunde zwischen der Schweiz und China wurden 2022 weitergeführt. Damit der Menschenrechtsdialog stattfindet, fordert China, dass sich die Schweiz nicht an multilateralen Initiativen im Bereich der Menschenrechte in China beteiligt. Dies wäre jedoch inkohärent mit der Menschenrechtsdiplomatie gemäss China-Strategie 2021­2024.

4.5

Humanitäres

Entsprechend ihrer humanitären Tradition leistete die Schweiz im Berichtsjahr in zahlreichen Notlagen humanitäre Hilfe. Auf den Ukraine-Krieg antwortete sie mit umfangreichen Hilfsgütertransporten und der Entsendung von siebzig Expertinnen und Experten des SKH. Sie setzte zudem den effizienten und wirksamen Unterstützungsmechanismus der humanitären Bargeldhilfe ein. So wurden beispielsweise die ukrainischen Caritas-Organisationen finanziert, welche 30 000 notleidenden Menschen die Beschaffung von lebensnotwendigen Gütern ermöglichte (Ziff. 3.2).

Als Folge bewaffneter Konflikte, des Klimawandels, der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und der steigenden Lebensmittelpreise verschärften sich die Hungerkrisen weltweit. Deshalb stockte die Schweiz beispielsweise am Horn von Afrika ihre finanziellen Mittel bereits zu Beginn des Jahres auf und sprach substanzielle Beiträge nach der schweren Dürreperiode in der Region, mehrheitlich an das Welternährungsprogramm (WFP) in Somalia und Äthiopien. Auf multilateraler Ebene engagierte sich die Schweiz zugunsten der Ernährungssicherheit indem sie neben dem WFP namentlich auch die Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung (CGIAR) und den Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) unterstützte.

Als Vorsitzende einer Freundesgruppe bei der UNO in New York zum Schutz der Zivilbevölkerung widmete die Schweiz dem Thema mehrere Diskussionen, so etwa in der offenen Debatte des Sicherheitsrats oder bei Anlässen mit der Zivilgesellschaft.

Das IKRK ist der wichtigste Partner der Schweiz in der internationalen humanitären Hilfe und erhält ungefähr ein Drittel des Budgets der DEZA für humanitäre Hilfe. Die Schweiz ist somit die drittgrösste Geldgeberin des IKRK. Am 1. Oktober 2022 übernahm Mirjana Spoljaric Egger die Präsidentschaft von ihrem Vorgänger Peter Maurer.

4.6

Migration und Flucht

Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die grösste Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Die Schweiz leistet in der Ukraine Hilfe für die Binnenvertriebenen, unterstützt Nachbarländer der Ukraine darin, den Geflüchteten Schutz zu bieten, und nimmt Geflüchtete aus der Ukraine auf (Ziff. 3.2). Da Migration Bestandteil der IZA-Strategie des Bundesrates ist setzt sich die Schweiz für eine längerfristige Bekämpfung der vielschichtigen Ursachen von 19 / 102

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Flucht und irregulärer Migration ein. Deshalb unterstützt die Schweiz Herkunfts-, Transit- und Destinationsländer, um den Schutz und die Lebensbedingungen der Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten vor Ort zu verbessern und die nationalen Asyl- und Migrationssysteme effizienter zu gestalten. Nord-, Zentral- und Westafrika gehören neben dem Mittleren Osten, dem Westbalkan und dem Horn von Afrika zu den Schwerpunkten. Mit ihren Projekten für sichere und reguläre Arbeitsmigration innerhalb des afrikanischen Kontinents sowie zwischen dem Horn von Afrika und dem Nahen Osten schafft die Schweiz Perspektiven für Migrantinnen und Migranten und trägt zur nachhaltigen Entwicklung dieser Regionen bei. Darüber hinaus arbeitet sie mit den Nachbarländern Syriens und Afghanistans zusammen, um die Lebensbedingungen der dort angesiedelten Flüchtlinge zu verbessern. Ausserdem engagierte sie sich diesbezüglich im Rahmen der Folgeprozesse der vom UNO-Generalsekretär eingesetzten hochrangigen Gruppe zur Binnenvertreibung. Bei besonders vulnerablen Flüchtlingen sucht das UNHCR zur Aufnahme bereite Drittstaaten. Im Rahmen des Schweizer Resettlement-Programms wurden 2022 insgesamt 641 Flüchtlinge aufgenommen, die sich in der Türkei, im Libanon oder in Ägypten in einer prekären Situation befanden.

5

Wohlstand

5.1

Globales Wirtschaftssystem

Das Berichtsjahr war geprägt von Unsicherheiten: Zum Jahresbeginn legten Konjunkturprogosen eine wirtschaftliche Post-Covid-Erholung nahe. Die Wachstumsprognosen für die Schweiz mussten jedoch bereits im Frühsommer wieder auf unter drei Prozent gesenkt werden. Die Lockdowns in China und der Ukraine-Krieg brachten nicht nur die Lieferkettenproblematik zurück, sondern führten auch zu einem knappen Angebot auf den Weltmärkten. Dies mündete wiederum in höhere Rohstoff- und Energiepreise, die ihrerseits die Inflation antrieben.

An Fahrt gewonnen haben die Bestrebungen, Schweizer Unternehmen den Zugang zu ausländischen Infrastrukturgrossprojekten zu erleichtern. Die Schweiz hat zu diesem Zweck im Berichtsjahr sechs Infrastrukturfachpersonen angestellt, welche ihre Arbeit als Scouts in Fokusregionen aufgenommen haben. Der Export von Schweizer Infrastrukturlösungen wird verschiedensten Nachhaltigkeitszielen gerecht.

Im Rahmen der «Small Advanced Economies Initiative» (SAEI) lud die Schweiz die Partnerländer im Berichtsjahr nach Basel ein zum hochrangigen «Principals Meeting» und profilierte sich als Gastgeberin und Know-how-Trägerin auf den Gebieten «Trade», «Economics», «Science Diplomacy» und «Innovation» sowie der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Der Anlass bot Gelegenheit, um ein Schwerpunktthema der Schweiz zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele mit gleichgesinnten Staaten zu vertiefen: Trotz Effizienzgewinnen basieren Konsum- und Produktionsmuster der Schweiz weiterhin auf einem hohen Ressourcenverbrauch im In- und Ausland.

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5.2

Wirtschafts-, Finanz- und Freihandelsabkommen

Das Berichtsjahr begann mit einem Meilenstein: Per 1. Januar 2022 trat der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative9 in Kraft, eine international abgestimmte Gesetzgebung, welche in die Standortüberlegungen multinationaler Unternehmen einfliesst.

Die Schweiz verfügte im Berichtsjahr weiterhin über ein Netz von 33 Freihandelsabkommen (FHA) mit 43 Partnern. Mit verschiedenen Ländern (Moldova, Thailand, Malaysia) wurden die Verhandlungen fortgeführt. Jene zum FHA EFTA-Mercosur sind seit Sommer 2019 in der Substanz abgeschlossen. Das Abkommen wurde jedoch noch nicht unterzeichnet. Modernisierungsverhandlungen liefen mit der Zollunion des Südlichen Afrika (SACU), Chile und Mexiko. Auch die Zahl der Doppelbesteuerungsabkommen blieb im Berichtsjahr stabil (über 100).

Die WTO konnte anlässlich ihrer zwölften ordentlichen Ministerkonferenz im Juni in Genf das Subventionsverbot für illegale und unregulierte Fischerei verkünden.10 Mit dem Abschluss des Abkommens leistet die WTO einen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der UNO. In der Landwirtschaft verabschiedeten die Mitglieder eine Erklärung zu Handel und Ernährungssicherheit sowie einen verbindlichen Beschluss zum Verbot von Exportbeschränkungen für Lieferungen an das Welternährungsprogramm. Der Entscheid zum Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen) der WTO rund um Covid-19-Impfstoffe sieht für eine Dauer von fünf Jahren mehr Flexibilität zugunsten von Entwicklungsländern bei Ausnahmen vom Patentschutz (Zwangslizenzen) vor. Im Unterschied zu der von diversen WTO-Mitgliedern ursprünglich geforderten breiten Aussetzung des Schutzes des geistigen Eigentums bedeutet dies aber keine grundsätzliche Aufweichung des TRIPS-Abkommens.

5.3

Bildung, Forschung und Innovation

In den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation (BFI) will der Bundesrat das Exzellenzniveau der Schweiz aufrechterhalten und steigern. Die Bundesversammlung hat dem BFI-Bereich für die Finanzierungsperiode 2021­2024 insgesamt 28 Milliarden Franken zugesprochen.11 2022 führte die Schweiz zum zwölften Mal in Folge das jährliche Innovationsranking der Weltorganisation für geistiges Eigentum an.

Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass die internationale Zusammenarbeit und die Koordination bei einer Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit unerlässlich sind. In diesem Zusammenhang leisten die nationalen und internationalen Forschungsinfrastrukturen, an denen die Schweiz seit Langem beteiligt ist, einen wertvollen Beitrag. Im Berichtsjahr wurde die Schweiz vollberechtigtes Mitglied des 9 10

11

SR 221.433 Vgl. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2022, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Publikationen > Aussenwirtschaft > Aussenwirtschaftspolitik.

Abrufbar unter: www.sbfi.admin.ch > BFI-Politik > Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik des Bundes 2021­2024.

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«Square Kilometre Array Observatory» (SKAO). Der Beitritt der Schweiz zu dieser neuen globalen zwischenstaatlichen Organisation im Bereich der Astronomie trägt zur Diversifizierung ihrer internationalen Forschungspolitik bei. Am 13. April 2022 hat der Bundesrat die Botschaft zum Beitritt der Schweiz zu sechs internationalen Forschungsinfrastrukturnetzwerken mit der Rechtsform «European Research Infrastructure Consortium» (ERIC) und zur Änderung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 201212 über die Förderung der Forschung und der Innovation an die Bundesversammlung überwiesen.

Im September fanden zum dritten Mal die Berufsmeisterschaften «Swiss Skills» statt.

Dabei konnten die Teilnehmenden 150 Lehrberufe entdecken. Zudem wurde das Schweizer Berufsbildungssystem den Vertreterinnen und Vertretern sowie den Delegationen aus dem Ausland an diesem Grossanlass vorgestellt. Der Ausbau der bilateralen Beziehungen im BFI-Bereich ausserhalb der EU wurde fortgesetzt. Das Schweizerische Konsulat in Osaka wurde 2022 als sechster Swissnex-Hauptstandort in Anwesenheit des Bundespräsidenten eröffnet (Ziff. 11.1).

5.4

Entwicklungszusammenarbeit

Im Berichtsjahr stand auch die Entwicklungszusammenarbeit im Zeichen des Ukraine-Krieges und dessen Konsequenzen, nicht nur vor Ort und in umliegenden Ländern, sondern weltweit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Die globale Ernährungsunsicherheit verschlechterte sich bereits im vergangenen Jahrzehnt wegen des Klimawandels und anhaltenden Konflikten; die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie und des Ukraine-Kriegs verschärften die Probleme, insbesondere aufgrund steigender Getreide-, Dünger- und Energiepreise. Als Reaktion darauf verstärkte die Schweiz ihre kurz-, mittel- und langfristigen Massnahmen für wirtschaftliche Resilienz und globale Ernährungssicherheit. Dabei stehen Massnahmen zugunsten effizienter, widerstandsfähiger und nachhaltiger Ernährungssysteme im Zentrum. Ziele sind der gleichberechtigte Zugang zu ausreichenden und nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln, die eine ausgewogene und gesunde Ernährung ermöglichen. Der Einbezug des Privatsektors und die Ausrichtung auf Kleinbauernbetriebe stellen programmatische Schwerpunkte dar. Die Schweiz unterstützt zum Beispiel das «African Risk Capacity Programme» der Afrikanischen Union (AU), welches Versicherungen für Kleinbetriebe in Afrika anbietet.

Der Klimawandel und seine Folgen für die Umwelt bleiben ein zentraler Aspekt der Entwicklungszusammenarbeit. Die Verflechtung mit anderen Krisen wie der Ernährungs- und Energiekrise wird immer deutlicher. Anlässlich des ersten «International Cooperation Forum» in Genf wurden Wege aufgezeigt, wie dem Rechnung getragen werden kann. So unterstützt die Schweiz Bergregionen Zentralasiens, wo der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Wasser und das Auftreten von Naturgefahren haben wird. Sie bringt hier ihr Fachwissen zur Überwachung von Gletschern, Schnee und Permafrost ein, um Klimainformationsdienste zu entwickeln und die Planung von Anpassungsmassnahmen zu unterstützen.

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Die globale Gesundheit blieb ein wichtiges Thema der Entwicklungszusammenarbeit.

Die Schweiz unterstützt weiterhin die Initiative «Access to COVID-19 Tools Accelerator» (ACT-A), um Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu Impfstoffen, Tests und Therapien zu verhelfen. Die Pandemie führte zu einem erheblichen Rückschlag bei der Bekämpfung anderer ansteckender Krankheiten, umso wichtiger ist die erneuerte Unterstützung für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria sowie für UNAIDS. Die Schweiz beteiligt sich ferner an der Ausarbeitung eines neuen internationalen Pandemie-Instruments im Rahmen der WHO sowie an den Debatten über die Finanzierung der Prävention, Vorsorge und Reaktion auf Pandemien und die Umsetzung eines umfassenden Ansatzes an der Schnittstelle zwischen Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt (One Health).

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit setzt sich die Schweiz weiterhin für mehr lokale Gouvernanz ein, denn eine höhere Teilnahme der Bevölkerung am politischen Prozess und eine effektive Rechenschaftspflicht der Behörden führen zu besseren staatlichen Dienstleitungen. In Kosovo unterstützt sie zum Beispiel die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen und der guten Regierungsführung in Gemeinden. Aufgrund der guten Ergebnisse dieses Projekts beteiligen sich auch die EU, Schweden, Norwegen und die kosovarische Regierung daran.

Der globale Investitionsbedarf zum Erreichen der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung beträgt gemäss Schätzungen der UNO fünf bis sieben Billionen US-Dollar pro Jahr. Öffentliche Gelder allein können diesen Bedarf nicht decken. Sie können aber genutzt werden, um zusätzliche Mittel aus dem Privatsektor zu mobilisieren, die sonst nicht in Entwicklungsländer fliessen würden. Die Schweiz fördert daher innovative Finanzierungsmodalitäten sowie die Mobilisierung von Fachwissen und Geldern aus dem Privatsektor. Ein Beispiel dafür ist die «SDG Impact Finance Initiative» (SIFI), aber auch das im Berichtsjahr etablierte Garantieprogramm mit der Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes «Swiss Investment Fund for Emerging Markets» (SIFEM) zur Förderung von Investitionen in ärmeren Ländern.

6

Nachhaltigkeit

6.1

Agenda 2030

Die Halbzeit zur Umsetzung der 2015 verabschiedeten Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ist erreicht. Die siebzehn globalen Nachhaltigkeitsziele bleiben ehrgeizig, auch über den beabsichtigten Zeithorizont hinaus. Die Erreichung vieler Ziele hat durch die Pandemie, die Folgen des Ukraine-Kriegs und die zahlreichen weiteren Konflikte zusätzlich gravierende Rückschläge erlitten. Mit dem zweiten umfassenden Länderbericht13, der im Mai durch den Bundesrat verabschiedet und im Juli am Hochrangigen Politischen Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF) der UNO international präsentiert wurde, zog die Schweiz erneut Bilanz über den innen- und aussenpolitischen Umsetzungsstand der Agenda 2030. Der Länderbericht stützt sich auf eine

13

Abrufbar unter: www.SDGital2030.ch > Länderbericht.

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breitangelegte, digitalisierte Bestandsaufnahme, deren gesammelte Ergebnisse auf einer neuen Website publiziert sind.14 Im weltweiten Vergleich kann die Schweiz weiterhin auf einer guten Grundlage aufbauen: In Bereichen wie Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur oder Wettbewerbsfähigkeit war und bleibt die Ausgangslage gut. Dennoch ist auch die Schweiz innen- und aussenpolitisch nicht vollständig auf Kurs. Der Handlungs- und Abstimmungsbedarf bleibt insbesondere in jenen Bereichen gross, die der Bundesrat in seiner Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 (SNE 2030) als Schwerpunktthemen festgehalten hat: nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion, Klima, Energie und Biodiversität sowie Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt.

2018 wurde auf Bundesebene eine Organisationsstruktur zur Umsetzung der Agenda 2030 geschaffen. Die Wirksamkeit und Effizienz dieser Struktur sowie deren Aufgaben wurden im Berichtsjahr im Rahmen eines externen Mandats überprüft.

6.2

Umwelt und Klima

Die Reduktion der Treibhausgasemissionen und der Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt sind gemäss Länderbericht 2022 prioritäre Ziele der Schweiz zur Umsetzung der Agenda 2030. Dabei stützt sich die Schweiz auf zwei Statusberichte des Weltklimarates (IPCC), wonach die Wechselwirkungen zwischen Klima, Ökosystemen und Mensch grösser sind als bisher angenommen.15 Spätestens ab 2025 müssen die Treibhausgasemissionen abnehmen, um die Möglichkeit einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu erhalten.

An der 27. UNO-Klimakonferenz in Scharm el-Scheich wurde die Schaffung eines neuen Fonds zur Finanzierung von Klimaschäden der verletzlichsten Länder beschlossen. Zudem wurde das 1,5 Grad-Ziel bestätigt und ein Arbeitsprogramm für den Klimaschutz bis 2026 vereinbart. 2022 schloss die Schweiz weitere Staatsverträge zur Durchführung von Klimaprojekten mit Thailand, der Ukraine, Marokko, Malawi und Uruguay ab. Diese regeln die Bedingungen für die Anrechnung der Emissionsreduktionen an die Schweizer Verpflichtung gemäss dem Pariser Abkommen.

Anders als für die Klimakrise müssen für die anderen beiden Bereiche der globalen Dreifachkrise ­ Biodiversitätsverlust und Verschmutzung ­ die Regeln noch geschaffen werden. Dazu wurden im Berichtsjahr Fortschritte erzielt. So wurden insbesondere im «Kunming-Montréal-Rahmenwerk für Biodiversität» konkrete Ziele festgelegt um bis 2030 den Lebensraum von Tieren und Pflanzen zu erhalten, den Verlust an Artenvielfalt zu stoppen und bis 2050 das übergeordnete Ziel der Biodiversitätskonvention ­ ein Leben in Einklang mit der Natur ­ zu erreichen. Die UNEA beschloss im Februar die Ausarbeitung eines globalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung. Auch die Schaffung eines Wissenschaftsrates zu Chemikalien, Abfall und Verschmutzung analog dem IPCC wurde verabschiedet. Zudem wurde ein zwischenstaatlicher Prozess eingeleitet, um Vorschläge im Bereich der 14 15

http://www.SDGital2030.ch Abrufbar unter: www.ipcc.ch > Reports > Sixth Assessment Report > AR6 Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability.

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Stärkung der ökologischen Nachhaltigkeit von Mineralien zu entwickeln. Der 2018 gestellte Antrag der Schweiz bei der Berner Konvention des Europarats zur Herabstufung des Schutzes des Wolfs wurde abgelehnt.

Im Juni verabschiedete die Vertragsparteienkonferenz des Basler Übereinkommens16 einen von der Schweiz und Ghana eingereichten Konventionsanpassungsvorschlag zur besseren Kontrolle der Verbringungen von Elektronikschrott (e-waste). Die Städtegouvernanz wurde durch die Beteiligung an «UN-Habitat» und durch Programmen der Entwicklungszusammenarbeit gestärkt. Der Rat der Globalen Umweltfazilität (GEF) genehmigte das achte Wiederauffüllungspaket von über 5,3 Milliarden USDollar mit hohen Zielsetzungen in den Bereichen Biodiversität, Chemikalien und Abfälle, Klimawandel, internationale Gewässer und Desertifikationsbekämpfung.

Der Bundesrat hat bei der Bundesversammlung rund 155 Millionen Franken für den Zeitraum 2023­2026 beantragt.

6.3

Wasser

Die Welt ist immer weiter vom Ziel entfernt, bis 2030 die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle zu gewährleisten.

Die Schweiz setzt sich dabei besonders stark für dieses Nachhaltigkeitsziel 6 der Agenda 2030 ein. Das EDA hat 2022 Leitlinien Wasser 2022­2025 verabschiedet.17 Der gerechte Zugang zu angemessenen und nachhaltigen Wasser-, Sanitär- und Hygienedienstleistungen ­ ein von der UNO anerkanntes Menschenrecht ­ gehört zu den wichtigsten Bereichen ihres Engagements. Die Schweiz wirkt auf eine nachhaltigere Wasserbewirtschaftung auch durch den Privatsektor hin. Durch ihre «Blue Peace»Programme unterstützt sie die zwischenstaatliche Nutzung und Verwaltung von grenzüberschreitenden Wasserressourcen in Zentralasien, im Nahen Osten und in Westafrika. So ermöglichte die Schweiz in Genf die Unterzeichnung einer Erklärung über grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei den senegalesisch-mauretanischen Grundwasservorkommen. Mit ihrem Engagement im Rahmen des Weltwasserforums in Dakar im März und den Vorbereitungskonferenzen für die UNO-Wasserkonferenz 2023 in New York hat die Schweiz ihre Rolle als Innovatorin und Pionierin auf diesem Gebiet gestärkt. Dies betrifft den Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, den die Entwicklungs- und humanitäre Hilfe umfassenden Ansatz sowie die Bedeutung, die der Jugend als Akteurin des Wandels beigemessen wird.

6.4

Energie

Der Ukraine-Krieg hat eine weltweite Energiekrise ausgelöst. 2022 wurden verschiedene Massnahmen getroffen, um Engpässe zu vermeiden und die Versorgungssicherheit der Schweiz zu stärken. Betreffend die Gasversorgung wurden die Speicherkapazitäten in den Nachbarländern und Optionen für zusätzliche Gaslieferungen gesichert.

Die internationale Zusammenarbeit im Energiebereich und eine verringerte Import16 17

SR 0.814.05 Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > EDA > Publikationen.

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abhängigkeit sind für die Versorgungssicherheit der Schweiz unabdingbar. Der Ukraine-Krieg hat dies verdeutlicht.18 Der Länderbericht 2022 zur Umsetzung der Agenda 2030 bekräftigt die Senkung des Energieverbrauchs, die Förderung der Energieeffizienz sowie den Ausbau der erneuerbaren Energie als prioritäre Ziele der Schweiz. Die Schweiz setzt sich in verschiedenen internationalen Organisationen für eine nachhaltige Energiepolitik ein. Sie war 2019­2022 Mitglied im Verwaltungsrat der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA). Im Oktober organisierte die Schweiz mit IRENA in Genf eine internationale Konferenz zum Thema Wasserkraftfinanzierung in Entwicklungsländern. Hochrangige Vertretende von Regierungen, der Privatwirtschaft und internationaler Organisationen nahmen daran teil. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützte die Schweiz diverse Projekte und Initiativen für einen verbesserten Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und moderner erneuerbarer Energie für alle.

Der Energiecharta-Vertrag ­ ein völkerrechtlich verbindliches Investitionsschutzabkommen im Energiesektor ­ soll an die zeitgemässe Praxis im Investitionsschutz und an die Herausforderungen der Dekarbonisierung angepasst werden.19 Die ChartaKonferenz im November konnte die Neufassung nicht genehmigen.

6.5

Finanz und Unternehmensführung

Am 1. Januar 2022 traten gesetzliche Bestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unter anderem für grosse Finanzinstitute in Kraft.20 Der Bundesrat verabschiedete am 23. November 2022 die Verordnung zur Umsetzung der Berichterstattung bezüglich der Klimabelange. Diese wurde gestützt auf die Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Klimaberichterstattung (Task Force on Climate-related Financial Disclosures, TCFD) erarbeitet und tritt ab Januar 2024 in Kraft.21 Weiter empfiehlt der Bundesrat den Finanzmarktakteuren internationalen Netto-Null-Allianzen beizutreten sowie mit Hilfe von vergleichbaren und aussagekräftigen Klimaverträglichkeits-Indikatoren Transparenz bei allen Finanzprodukten und Kundenportfolien zu schaffen. Er hat dafür die «Swiss Climate Scores» lanciert.22 Zudem hatten Schweizer Pensionskassen, Banken, Asset Manager und Versicherungen auch im Berichtsjahr die Möglichkeit, freiwillig und kostenlos ihre Aktien-, Anleihen- und Hypothekenportfolios auf deren Klimaverträglichkeit testen zu lassen. Ausserdem wurden 2022 in einem Bericht Handlungsfelder und konkrete Massnahmen für einen nachhaltigen Schweizer 18

19 20 21

22

Siehe Schwerpunktkapitel des Berichts zur Aussenwirtschaftspolitik 2022, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Publikationen > Aussenwirtschaft > Aussenwirtschaftspolitik.

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Energie: Bundesrat genehmigt den modernisierten Energiechartavertrag.

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bestimmungen für besseren Schutz von Mensch und Umwelt gelten ab 1. Januar 2022.

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat setzt Verordnung zur verbindlichen Klimaberichterstattung grosser Unternehmen auf 1.1.2024 in Kraft.

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat lanciert «Swiss Climate Scores» für Klimatransparenz bei Finanzanlagen.

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Finanzplatz erarbeitet.23 Dabei liegt der Fokus sowohl national wie auch international zurzeit noch immer primär auf Umweltaspekten. Die Anwendbarkeit von Massnahmen auf weitere Nachhaltigkeitsziele wird jedoch ständig überprüft, um der Agenda 2030 Rechnung zu tragen.

6.6

Katastrophenvorsorge

Die weltweite Zahl der Todesopfer infolge Naturkatastrophen und Notlagen hat sich aufgrund der Covid-19-Pandemie und der Zunahme von Extremwetterereignissen erhöht. Die Schweiz engagiert sich in diversen Gremien in der Früherkennung, Prävention und Bewältigung von Katastrophen und Notlagen. Im Mai nahm sie mit einer Delegation aus Verwaltung, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie Vertreterinnen und Vertretern der Jugend und des Privatsektors in Bali an der «Global Platform for Disaster Risk Reduction» teil. Um die 2015 in Sendai gesetzten Ziele bis 2030 erreichen zu können, muss das Engagement sektorübergreifend verstärkt werden, insbesondere in Bezug auf soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Die Empfehlungen der Konferenz fliessen in einen Bericht der UNO ein, zu dem die Schweiz mit einem nationalen Bericht beiträgt. In ihren Partnerländern unterstützt die Schweiz Massnahmen wie die Kartierung von Gefahrenzonen, den Bau von erdbebensicheren Schulen oder die Ausbildung lokaler Fachpersonen. In Zentralasien und Indien hat sie ihr Netzwerk von Regionalberatenden für Katastrophenvorsorge aus dem SKH ausgebaut. Diese arbeiten mit lokalen Institutionen bei der Analyse und Vorhersage von Erdrutschen und klimabedingten Gletscherseeausbrüchen zusammen. Mit dem Pilotprojekt «Weather4UN» trägt die Schweiz zum Aufbau eines Koordinationsmechanismus der WMO bei. Dieser verbessert den Zugang zu meteorologischen Informationen für humanitäre Organisationen zum Schutz vor Naturgefahren.

6.7

Gesundheit

Die Covid-19-Pandemie erforderte neue und schnelle Massnahmen und Ansätze, entsprechende Mechanismen und Initiativen hierzu wurden lanciert. Verschiedene Organisationen haben ihr Mandat auf die Vorbereitung und Bekämpfung der Pandemie erweitert. Zusätzliche Akteure sind in die globale Gesundheitsarchitektur eingetreten.

Aus Sicht der Schweiz ist die multilaterale Zusammenarbeit bei der Bewältigung globaler Gesundheitskrisen zu stärken. Nach der Sondersitzung der Weltgesundheitsversammlung im November 2021 wurden Prozesse zur Stärkung der Vorbereitung und Bekämpfung von Pandemien eingeleitet. Zudem wurde auf globaler Ebene ein erster Beschluss zur nachhaltigen Finanzierung der WHO ausgehandelt. Des Weiteren finden Diskussionen über die Aktualisierung der Internationalen Gesundheitsvorschriften statt. Im Februar begannen die Verhandlungen über das neue internationale Instrument zur Stärkung der Pandemievorsorge und -reaktion im Rahmen des Zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums unter der Ägide der WHO.

23

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat legt Massnahmen für nachhaltigen Finanzplatz fest.

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Bei der Eröffnung der Weltgesundheitsversammlung am 22. Mai 2022 wurde in Anwesenheit von WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus und des Vorstehers des EDI ein neues WHO-Gebäude eingeweiht. Zu diesem Anlass spendete die Schweiz der Organisation ein Kunstwerk einer Schweizer Künstlerin. Das neue Gebäude wurde teilweise durch ein im Rahmen der Schweizer Gaststaatpolitik gewährtes Darlehen finanziert. Ebenfalls anlässlich der Weltgesundheitsversammlung im Mai wurde der WHO-Generaldirektor in seinem Amt bestätigt.

6.8

Kultur

Die Schweiz hat sich im Berichtsjahr aktiv für den Schutz des Kulturerbes in der Ukraine eingesetzt. Für den Zeitraum 2020­2024 ist die Schweiz Mitglied des zwischenstaatlichen Komitees der UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes. Auch die Landessprachen förderte sie, zum Beispiel im Rahmen der «Emna rumantscha». 2022 wurden an der UNESCO-Weltkonferenz MONDIACULT und einer Konferenz der Kulturminister des Europarats die Grundlagen der Kulturpolitik in den kommenden Jahren festgelegt, insbesondere der Beitrag der Kultur zu den Nachhaltigkeitszielen sowie zur Aufrechterhaltung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die «Terezin Declaration Conference» war eine Folgeveranstaltung der Erklärung von 2009 über den Holocaust und seine Folgen, insbesondere im Hinblick auf Raubkunst. Zudem wurde mit der Türkei ein Abkommen über den Transfer von Kulturgütern unterzeichnet.

Präsenz Schweiz (PRS) setzte bei der Imageförderung auf kulturelle Inhalte wie Tradition und Vielfalt, sei es bei externen Veranstaltungen wie dem Fotografie-Festival in Arles oder bei eigenen Veranstaltungen, wie der gemeinsam mit Pro Helvetia durchgeführten Design-Woche des «Pop-up House of Switzerland» in Mailand (Ziff. 11.5). Auch die Einladung ausländischer Medien zu Veranstaltungen ermöglichte es, kulturbezogene Botschaften zu platzieren. Die DEZA unterstützt mit ihrem Kulturengagement Kunstschaffende in den Ländern des Südens und Ostens und trägt so zur Anregung gesellschaftlicher Debatten bei. So unterstützte die Schweiz Poesie zur Friedensförderung in Somalia, Bühnenkunst zur Vergangenheitsbewältigung in Honduras oder Debatten zu Lösungen im Kontext des Klimawandels in Bangladesch.

7

Digitalisierung

7.1

Digitale Gouvernanz

Die Schweiz trieb 2022 die Umsetzungsarbeiten zur «UN Roadmap for Digital Cooperation» voran und trat für ein inklusiveres und effektiveres «UN Internet Governance Forum» (IGF) ein. Auf Anregung der Schweiz und anderer Stakeholder richtete sich das IGF 2022 an den Inhalten des für 2024 geplanten Global Digital Compact aus und lieferte somit wertvolle Inputs der globalen «multistakeholder community». Die Schweiz unterstützt die Arbeiten des «UN Tech Envoy Office», insbesondere jene im Zusammenhang mit dem internationalen Genf. Sie war auch in der OECD aktiv mit dem Vize-Vorsitz im Komitee für Digitale Wirtschaftspolitik (CDEP) und dem 28 / 102

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Vorsitz der Arbeitsgruppe des CDEP zu Sicherheit in der Digitalen Wirtschaft. Der Fokus lag auf der Entwicklung von Instrumenten, die bei neuen Herausforderungen im Digitalbereich klare Verhaltensweisen vorgeben. In der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) und den technischen Normierungsorganisationen sprach sich die Schweiz dafür aus, dass alle Ebenen des internationalen Regelwerks miteinander abgestimmt werden. An der Bevollmächtigtenkonferenz der ITU gelang der Schweiz die Wiederwahl in den Exekutivrat der Organisation.

Für den Aufbau von Kapazitäten in Drittstaaten finanzierte die Schweiz 2022 verschiedene Projekte, so etwa einen Kurs zum Thema «Secure Provision» zusammen mit dem «ASEAN­Japan Cybersecurity Capacity Building Centre» sowie ein Projekt mit der Nichtregierungsorganisation «Global Partners Digital», welches auf die Stärkung menschenrechtlicher Aspekte in multilateralen Cyberprozessen abzielt. 2022 hat sich der «Geneva Dialogue on Responsible Behaviour in Cyberspace» neu aufgestellt: Basierend auf der bestehenden Arbeit soll untersucht werden, wo ein gemeinsames Verständnis existiert und wo noch Klärungsbedarf herrscht.

Die 2021 geschaffene Abteilung Digitalisierung im EDA trägt dazu bei, das digitalaussenpolitische Profil der Schweiz weiter zu stärken. So wurden 2022 erste digitale Dialoge geführt mit Ländern wie Spanien, den Niederlanden, Malta, Dänemark und Österreich. Das EDA baut zudem ein Netzwerk von «Digital Knots» mit dreissig digital wichtigen Vertretungen im Aussennetz der Schweiz auf.

7.2

Cybersicherheit

Die Schweiz beteiligt sich in der UNO an der für den Zeitraum 2021-2025 eingerichteten Arbeitsgruppe (Open-Ended Working Group, OEWG) zu Entwicklungen auf dem Gebiet der Information und Telekommunikation im Kontext der internationalen Sicherheit. Eine Priorität bleibt das Engagement für die Einhaltung und weitere Konkretisierung der Anwendung des Völkerrechts und insbesondere des humanitären Völkerrechts im Cyberraum. Die Schweiz reichte mit Kanada ein «Working Paper» zum Völkerrecht ein. Sie erarbeitete zudem mit sechzehn weiteren Staaten eine gemeinsame Erklärung zum humanitären Völkerrecht. So prägte die Schweiz die im Zwischenbericht enthaltene Roadmap für die Arbeiten in der OEWG erfolgreich mit. Der im Juli verabschiedete Bericht empfiehlt im Hinblick auf die Arbeiten 2023 eine vertiefte Diskussion zu verschiedenen Völkerrechtsthemen, unter anderem zum humanitären Völkerrecht und zur Staatenverantwortlichkeit.24 Ausserdem beteiligte sich die Schweiz an den im Berichtsjahr begonnenen Verhandlungen einer UNO-Konvention zur Cyberkriminalität. Die Schweiz war auch in der OSZE aktiv, insbesondere an der Weiterentwicklung der sechzehn vertrauensbildenden Massnahmen im Bereich der Cybersicherheit. Daneben unterstützte sie internationale staatliche Initiativen, die auf die Erhaltung eines offenen, freien und sicheren Cyberraums abzielen. So ist die Schweiz, zusammen mit sechzig anderen Staaten, Sponsorin eines UNO-Aktionsprogramms für verantwortungsvolles staatliches Han-

24

Abrufbar unter: https://documents.un.org > Symbol > A/77/275.

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deln im Cyberraum. Weiter engagiert sich die Schweiz auch im Rahmen der «Counter Ransomware Initiative».

Die Schweiz setzte sich im Rahmen der «Humanitarian Data and Trust Initiative» (HDTI) gemeinsam mit dem IKRK und dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) für den Schutz von und verantwortungsvollen Umgang mit humanitären Daten ein. Mit Staaten und humanitären Organisationen wurden Leitlinien zum sicheren Teilen von humanitären Daten entwickelt, um schutzbedürftige Personen in humanitären Kontexten keinen zusätzlichen Risiken auszusetzen. Als Folge des Cyberangriffs auf das IKRK im Januar prüft das EDA mit dem NCSC, inwieweit Organisationen des internationalen Genfs bei Angriffen mithilfe eines «Information Sharing und Analysis Center» (ISAC) im Rahmen des Gaststaatmandates besser unterstützt werden können.

7.3

Digitale Selbstbestimmung

Um das Potenzial von Daten besser auszuschöpfen, braucht es Datennutzungskonzepte, welche die Kontrolle über die eigenen Daten und damit die digitale Selbstbestimmung stärken. Der Bundesrat nahm im März den Bericht Schaffung von vertrauenswürdigen Datenräumen basierend auf der digitalen Selbstbestimmung25 des UVEK und des EDA zur Kenntnis. Basierend darauf wurden verschiedene Folgeaufträge erteilt, unter anderem die Ausarbeitung eines freiwilligen Verhaltenskodex und die Förderung der Interoperabilität sektorieller Datenräume. International hat die Schweiz 2022 im Rahmen des internationalen Netzwerks zur digitalen Selbstbestimmung die Realisierung des Konzepts anhand von Anwendungsfällen weiter erörtert.

Am 13. April 2022 hat der Bundesrat den Bericht Künstliche Intelligenz und internationales Regelwerk zur Kenntnis genommen.26 Dieser befasst sich unter anderem mit der Expertise zu Recht und Technik, der Schweizer Position in internationalen Gremien zu Künstlicher Intelligenz (KI) und der Gestaltung des internationalen Regelwerks zu KI an der Schaltstelle der internationalen Normierungsorganisationen in Genf. Im Mai hat die Schweiz gemeinsam mit der Internationalen Elektrotechnischen Kommission eine Konferenz durchgeführt, an der diskutiert wurde, wie Normen (Rechtsregeln, Standards, Konformität) zur Vertrauensbildung beitragen. Im September hat der Bundesrat ein Verhandlungsmandat für eine Konvention des Europarates zu Künstlicher Intelligenz, Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat verabschiedet. Der Leiter Internationales des BAKOM wurde als Vorsitzender des Komitees für Künstliche Intelligenz gewählt, in welchem nicht nur Mitgliedsländer des Europarates, sondern auch Staaten aus Amerika und Asien teilnehmen. Die Konvention soll weltweit das erste rechtlich verbindliche internationale Instrument zu KI werden.

25 26

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Förderung vertrauenswürdiger Datenräume und der digitalen Selbstbestimmung.

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Künstliche Intelligenz und internationales Regelwerk: Aktives Engagement der Schweiz.

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7.4

Tech4Good

Innovative technologische Ansätze werden in der IZA regelmässig eingesetzt, etwa in der Nothilfe, bei der Bewältigung von Gesundheitsrisiken, bei der Prävention von Naturkatastrophen oder im Wassermanagement. Sie bieten grosse Chancen zur Wirksamkeitssteigerung. Die Schweiz unterstützt beispielsweise die Entwicklung von Technologien zur Suche von vermissten Personen in Krisensituationen wie etwa Naturkatastrophen. In der Mongolei fördert sie das digitale System «Responsible Nomads» zur Überprüfung von Standards in der Tierhaltung, welches über Kundeninformation Anreize für nachhaltige Viehwirtschaft schafft. Mit dem Aufbau einer Allianz für PeaceTech stärkt die Schweiz zusammen mit ihren Hochschulen und spezialisierten Organisationen die internationalen Anstrengungen, um neue Technologien in den Dienst des Friedens zu stellen. Ausserdem engagierte sich die Schweiz an der Seite des UNO-Umweltprogramms (UNEP) und beteiligte sich an der Erstellung des Aktionsplans für einen nachhaltigen Planeten im digitalen Zeitalter.

Eine Herausforderung bleibt der unterschiedliche Digitalisierungsgrad zwischen den Ländern. Diese Kluft wird sich weiter vergrössern, wenn es nicht gelingt, in Entwicklungsländern rasch eine angemessene digitale Infrastruktur aufzubauen und entsprechende Kompetenzen zu stärken. In diesem Zusammenhang unterstützt die Schweiz Projekte wie «Giga». Dieses wurde 2019 von UNICEF und der ITU lanciert mit dem Ziel, bis 2030 alle Schulen weltweit mit dem Internet zu verbinden (Ziff. 7.1, 10.2).

Neue Technologien bergen auch Risiken. Eine Priorität der Schweiz ist deshalb die Qualität, die Verwaltung und der Schutz von Daten in digitalen Systemen. Auf multilateraler Ebene setzt sie sich in diesem Bereich unter anderem für wirksame Regulierung ein. Die Schweiz unterstützt zudem mit Projekten wie der «Geneva Internet Platform» und deren «Digital Watch» die Information und Kapazitätsentwicklung von Vertretern und Vertreterinnen aus Entwicklungsländern in Bereichen der digitalen Gouvernanz und stärkt somit Genf als Standort digitaler Gouvernanz.

Auch die internen Prozesse und Instrumente der IZA-Akteure müssen sich weiterentwickeln. Es wurden deshalb im Berichtsjahr mehrere internationale Initiativen ins Leben gerufen, um Erfahrungen mit innovativen digitalen Projekten zu bündeln, Kompetenzen zu stärken und Risiken besser zu bewältigen.

7.5

Wissenschaftsdiplomatie

Wissenschaft und Technologie gehören zu den treibenden Kräften moderner Volkswirtschaften. Die Wissenschaftsdiplomatie ist ein wichtiges Instrument der Schweizer Aussenpolitik und ein Motor für die Erreichung der Ziele der Agenda 2030.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die vom Bundesrat und Genfer Staatsrat gegründete Stiftung «Geneva Science and Diplomacy Anticipator» (GESDA). Sie widmet sich der Antizipation technologischer Durchbrüche, die einen starken Einfluss auf Mensch, Gesellschaft und Planet haben werden und trägt zur Beschleunigung der diplomatischen Arbeit bei, um diese Durchbrüche zur Bewirtschaftung der globalen Allmend nutzbar zu machen. Nach einer Testphase von drei Jahren haben Bundesrat und Genfer Regierung entschieden, die Trägerschaft der Stiftung um weitere 10 Jahre zu 31 / 102

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verlängern. Im Oktober hat GESDA einen gut besuchten zweiten Gipfel abgehalten, an welchem das Flaggschiffprodukt, «GESDA Science Breakthrough Radar», erstmals vorgestellt wurde. Durch ihre Tätigkeit festigt die Stiftung die Stellung Genfs als führender Gouvernanzstandort. Auch das Swissnex-Netzwerk leistet mit der Ausübung seines Mandats zugunsten der internationalen Vernetzung der Schweizer Akteure im BFI-Bereich einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 (Ziff. 5.3).

Im Rahmen der Dimension «Diplomacy for Science» wird durch die Aushandlung von Abkommen die Stärkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit gefördert. Zur Dimension «Science for Diplomacy» gehören Projekte an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Diplomatie, wie beispielsweise das «Transnational Red Sea Center» der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne zum Schutz der Korallen im Roten Meer. Die Verankerung der Wissenschaftsdiplomatie im internationalen Geschehen gehört zu den Aufgaben des 2021 vom Bundesrat ernannten Sonderbotschafters für «Science Diplomacy».

8

Europa

8.1

Konsolidierung des bilateralen Wegs

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU bleiben ein zentraler Bestandteil der Schweizer Aussenpolitik. Gemäss der Legislaturplanung 2019-2023 strebt der Bundesrat gute und geregelte Beziehungen mit der EU an. Deren Erneuerung und langfristige Stabilisierung ist ein ständiges Anliegen des Bundesrates. Am 23. Februar 2022 hat er deshalb die Stossrichtung für ein neues Verhandlungspaket mit der EU festgelegt. Er hat dabei erneut bekräftigt, dass die Schweiz den bewährten bilateralen Weg im beidseitigen Interesse mit der EU fortsetzen will. Diese Stossrichtung umfasst einen breiten Paketansatz, der einen besseren Interessenausgleich zwischen den Anliegen beider Parteien ermöglichen soll. Zentrale Interessen für die Schweiz sind dabei: 1) die vollständige Anwendung der bilateralen Binnenmarktabkommen, inklusive zeitnaher Aktualisierung bei relevanten EU-Rechtsentwicklungen, 2) die Sicherstellung der Möglichkeit für die Schweiz, an künftigen EU-Programmen teilnehmen zu können sowie 3) der Abschluss neuer Abkommen zum Beispiel in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit. Parallel dazu strebt der Bundesrat die möglichst rasche Assoziierung an laufende EU-Programme wie «Horizon Europe» und Erasmus+ an. Der Bundesrat ist im Rahmen dieses breiten Paketansatzes auch bereit, auf die Anliegen der EU einzugehen. Die institutionellen Elemente sollen in den einzelnen Binnenmarktabkommen verankert werden. In Bezug auf die dynamische Rechtsübernahme bedingt dies aus Sicht der Schweiz die Festlegung bestimmter Ausnahmen und Schutzklauseln, insbesondere im Bereich der Personenfreizügigkeit.

Die Schweiz bietet zudem, wo diese relevant sind, Hand bei der Lösungssuche für die Regelung von staatlichen Beihilfen. Der Bundesrat ist im Rahmen des Verhandlungspakets des Weiteren bereit, eine Verstetigung des Schweizer Beitrags zu prüfen. Der Bundesrat beauftragte die Staatssekretärin des EDA, auf der Grundlage dieser Stossrichtung Sondierungsgespräche mit der EU zu führen. Dabei soll abgeklärt werden, ob eine gemeinsame Basis für die Aufnahme von Verhandlungen besteht. Am 17. Juni 32 / 102

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2022 entschied der Bundesrat, die Sondierungen zu intensivieren und zusätzlich technische Gespräche auf Expertenebene zu führen. An diesen Expertentreffen waren auch die thematisch betroffenen Bundesämter vertreten.

Ebenfalls am 17. Juni 2022 legte alt Staatssekretär Mario Gattiker dem Bundesrat im Rahmen seines Mandats zur Prüfung des innenpolitischen Spielraums in Bezug auf den Abbau von Regelungsunterschieden zwischen der Schweiz und der EU seinen Schlussbericht vor. Die darin aufgezeigten Spielräume und Lösungsansätze flossen in die Gespräche mit der EU ein. Nach sechs Sondierungsrunden und parallel dazu laufenden technischen Gesprächen führte der Bundesrat am 23. November 2022 eine Aussprache über die bisherigen Ergebnisse der Sondierungen und beschloss, die Sondierungen fortzusetzen.

Die relevanten innenpolitischen Interessensgruppen wurden seit Beginn der Sondierungen miteinbezogen. Zusätzlich zum institutionalisierten Austausch mit Bundesversammlung und Kantonen fanden verstärkt Diskussionen mit Vertreterinnen und Vertretern der Parteien, der Sozialpartner, der Wirtschaft, der Forschung und der Zivilgesellschaft statt. Der Bundesrat setzte dazu auch eine neue Projektorganisation ein, um die politische und inhaltliche Steuerung der Sondierungsgespräche zu stärken.

Am 9. Dezember 2022 verabschiedete der Bundesrat unter Vorbehalt der Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen der beiden Räte den Bericht «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz­EU» und erfüllte somit ein Anliegen des Parlaments. Am 30. Juni 2022 wurde in Brüssel das rechtlich nicht verbindliche «Memorandum of Understanding» (MoU) zum zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EUMitgliedstaaten unterzeichnet. Das MoU hält die wichtigsten Eckwerte des zweiten Schweizer Beitrags fest. Dazu gehören die Höhe des Betrages, die Aufteilung auf die Partnerländer, die thematischen Prioritäten sowie die Prinzipien für die Zusammenarbeit und die Umsetzung des Beitrags. Es bildet die politische Grundlage für die bilateralen Umsetzungsabkommen mit den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten (Ziff. 8.2).

Die Schweiz wollte mit der Freigabe des zweiten Beitrags das kontraproduktive Schema von sachfremden Verknüpfungen durchbrechen und gemeinsam mit der EU zu einer konstruktiven, zukunftsorientierten Zusammenarbeit zurückkehren. Trotz diesem Signal
des guten Willens seitens der Schweiz lehnte die EU die Aufnahme von Verhandlungen zur Assoziierung an die laufenden EU-Programme wie das «Horizon»-Paket oder Erasmus+ ab. Die EU machte diese von einer Verbesserung der allgemeinen Beziehungen Schweiz­EU und insbesondere von Fortschritten in Bezug auf die institutionellen Fragen abhängig. An dieser Ausgangslage hat sich trotz der Sondierungen zum Paketansatz nichts geändert. Die Schweiz wird weiterhin wie ein nicht-assoziierter Drittstaat behandelt und kann sich damit nur beschränkt an den Programmen beteiligen. Die Schweiz ist bereit, Gespräche über eine Assoziierung an die laufenden EU-Programme (Horizon Europe, Euratom, ITER, Digital Europe, Erasmus+) sowie über eine Teilnahme an Copernicus unverzüglich aufzunehmen.

Um die Auswirkungen der vorübergehenden Nichtassoziierung an das «Horizon»-Paket abzufedern, hat der Bundesrat für die Jahre 2021 und 2022 Übergangsmassnahmen beschlossen und dafür Gelder in der Höhe von über 1,2 Milliarden Franken zur Verfügung gestellt. Diese Übergangsmassnahmen orientieren sich an den Ausschreibungen des EU-Programms und sollen den Schweizer Akteuren vergleichbare Mittel wie bei einer Assoziierung zur Verfügung stellen. Zudem hat der Bundesrat kom33 / 102

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plementäre Ergänzungsmassnahmen beschlossen, welche den Schweizer Forschungsund Innovationsstandort unabhängig von einer Assoziierung stärken sollen. Betreffend Erasmus+ führt die Schweiz die seit 2014 eigenfinanzierte «Schweizer Lösung» weiter. Diese ermöglicht es Schweizer Institutionen, an den Mobilitäts- und Kooperationsaktivitäten von Erasmus+ als nicht-assoziiertes Drittland teilzunehmen. Die Paraphierung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz an der Agentur für das europäische globale Satellitennavigationssystem (GSA)27 ist weiterhin hängig.

Das Luftverkehrsabkommen und das Landverkehrsabkommen werden dahingegen regelmässig aktualisiert. Im Luftverkehr wurden die Bestimmungen für unbemannte Luftfahrtsysteme (u. a. Drohnen) an diejenigen der EU angepasst. Die EU verweigert der Schweiz aber nach wie vor die Kabotagerechte im Luftverkehr. Auch die Verhandlungen zur Anpassung des Landverkehrsabkommens zur vollständigen Umsetzung der technischen Säule des vierten EU-Eisenbahnpakets sowie zum Beitritt zur EU-Eisenbahnagentur (ERA) bleiben sistiert.

Die Arbeiten der EU im Rahmen des «Green Deals», einschliesslich des Pakets Fitfor-55, schreiten voran. Die Schweiz ist von der Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssytems (CBAM) in handels- und klimapolitischer Sicht betroffen, auch wenn sie von den Massnahmen ausgenommen sein dürfte. Die dazu eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe CO2-Grenzausgleichmechanismen hat den Auftrag, dem Bundesrat diesbezüglich Handlungsoptionen aufzuzeigen.

Am 16. November 2022 beschloss der Bundesrat, die im Freizügigkeitsabkommen (FZA) vorgesehene Ventilklausel gegenüber Staatsangehörigen aus Kroatien anzurufen. Da die im Abkommen vorgesehenen quantitativen Voraussetzungen erfüllt sind, wird die Schweiz ab dem 1. Januar 2023 für die folgenden zwölf Monate wieder Kontingente für Bewilligungen B und L einführen.28 Da die EU das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft vom 21. Juni 199929 über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) mit den institutionellen Fragen verknüpft, konnte dessen Kapitel 4 zu den Medizinprodukten auch im Berichtsjahr nicht aktualisiert werden. Eine zusätzliche Aktualisierung im Bereich der In-Vitro-Diagnostika wäre am 26. Mai 2022 fällig gewesen. Die Schweiz wird
daher trotz äquivalenter Rechtsgrundlagen im Bereich der Medizinprodukte seitens der EU weiterhin als Drittstaat behandelt. Der Bundesrat hat sich am 29. Juni 2022 mit der Versorgungslage bei den Medizinprodukten in der Schweiz befasst und entschieden, vorerst am geltenden System festzuhalten. So sollen die im Frühling 2021 beschlossenen Auffangmassnahmen wegen der fehlenden Aktualisierung des MRA weitergeführt werden. Der Bundesrat strebt weiterhin eine vollständige Aktualisierung des MRA an.

Im Bereich der öffentlichen Gesundheit beabsichtigt der Bundesrat nach wie vor den Abschluss eines Gesundheitsabkommens. Dieses soll die Zusammenarbeit mit der EU, die bisher ad hoc möglich sowie zeitlich und inhaltlich auf Krisensituationen 27 28 29

Die GSA wurde im Mai 2021 zur Agentur der EU für das Weltraumprogramm (EUSPA) aufgewertet und ist für das gesamte Weltraumprogramm der EU zuständig.

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Personenfreizügigkeit: Der Bundesrat aktiviert die Schutzklausel gegenüber Kroatien.

SR 0.946.526.81

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(z. B. Covid-19) beschränkt war, vertraglich absichern und vertiefen, insbesondere im Bereich Krisenmanagement. Im Bereich Landwirtschaft konnten verschiedene Anhänge des bilateralen Landwirtschaftsabkommens Schweiz­EU von 1999 aktualisiert werden30: einerseits kleinere technische Anpassungen im Bereich der gegenseitigen Zollzugeständnisse der beiden Parteien (Anhänge 1 und 2), andererseits der Anhang 12 betreffend den Schutz von Ursprungsbezeichnungen (GUB) und geografischen Angaben (GGA) für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Im Bereich der verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte einigten sich die Schweiz und die EU darauf, die Referenzpreise per 1. Oktober 2022 anzupassen.31 Im Berichtsjahr wurde die Schweiz dank ihrer Schengen-Assoziierung erneut ins Krisendispositiv der EU eingebunden, dies sowohl für die Koordination der Antwort auf die Covid-19-Pandemie ­ wie schon 2020 und 2021 ­ als auch für die Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs. Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie wurden die Ende 2021 begonnenen Arbeiten des Rates der EU zur Revision der Massnahmen der Schengen-Staaten an den Aussen- und Binnengrenzen weitergeführt, um sie den neuen Umständen anzupassen. Im Juni wurde das digitale Covid-Zertifikat der EU um ein weiteres Jahr verlängert. Dies wurde in der Schweiz als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands ebenfalls so übernommen. Im Einklang mit der APS 20­23 und den Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen ihrer Schengen-Assoziierung wurden 2022 nach der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen weitere Teile des Schengen-Besitzstands übernommen, namentlich die Weiterentwicklungen zum System über gefälschte und echte Dokumente online (FADO) und die revidierte EU-Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex-Verordnung)32, welche in einer Referendumsabstimmung am 15. Mai 2022 angenommen wurde. Der Bundesrat hat die Übernahme zweier weiterer substantieller Weiterentwicklungen unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsmässigen Voraussetzungen genehmigt. Die eine betrifft die Revision des Schengen-Evaluierungsund Überwachungsmechanismus, die andere die Verstärkung der Zusammenarbeit mit Europol über das Schengener Informationssystem (SIS)33.

Die Schweiz setzte sich für Fortschritte beim Migrations- und Asylpaket der EU ein.

Im Juni konnte die
mehrjährige Blockade im Rat der EU teilweise überwunden werden. Die Blockade bestand darin, dass sämtliche Reformvorhaben als Paket behandelt wurden. Im Frühsommer konnte jedoch ein partieller Kompromiss erzielt werden. Der Rat verabschiedete die Verhandlungsmandate für die Eurodac- und die ScreeningVerordnung. Parallel dazu unterzeichneten 22 Staaten, darunter die Schweiz, eine Solidaritätserklärung, die eine freiwillige Unterstützung für von Migration besonders stark betroffene Mitgliedstaaten des Mittelmeerraums vorsieht. Diese Unterstützung soll durch Umverteilung von Asylsuchenden («relocation») sowie finanzielle und materielle Beiträge erfolgen. Die Schweiz hat sich angesichts der hohen Zahl an 30 31 32

33

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Schweiz und EU schützen weitere regionale Spezialitäten.

SR 0.632.401 Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1052/2013 und (EU) 2016/1624.

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aufgenommenen Schutzsuchenden aus der Ukraine vorerst nicht an der Umverteilung beteiligt, sondern anderweitig Unterstützung bereitgestellt (Ziff. 3.2).

Im Januar hat die Europäische Asylagentur (EUAA) ihre Arbeit aufgenommen. Sie ersetzt das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), an dem sich die Schweiz über eine bilaterale Vereinbarung beteiligt hatte. Die Gespräche mit der EU zur Anpassung dieser Vereinbarung wurden 2022 weitergeführt. Bis dahin beteiligt sich die Schweiz im Rahmen der bestehenden Vereinbarung auch an den Aktivitäten von EUAA. Nachdem die Bundesversammlung die Beteiligung der Schweiz an der Prümer Zusammenarbeit und das Eurodac-Protokoll zum Zugang der Strafvollzugsbehörde auf Eurodac 2021 gutgeheissen hatte, hat die Schweiz diese zwei Abkommen im Berichtsjahr ratifiziert.34 Das Eurodac Protokoll ist am 1. Mai 2022 in Kraft getreten. Das Prümer Abkommen wird nach der formellen Ratifikation der EU voraussichtlich im Frühjahr 2023 in Kraft treten.

8.2

Nachbarstaaten und übrige EU/EFTA-Staaten

Die bilateralen Beziehungen zu allen EU/EFTA-Staaten waren im Berichtsjahr von den Beziehungen Schweiz­EU geprägt. Die zahlreichen Gespräche dienten primär dazu, das Verständnis für die Schweizer Europapolitik zu vertiefen (Ziff. 8.1) sowie die bilateralen Beziehungen zu diesen Staaten zu stärken. Das erste Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Prag, an dem Bundespräsident Cassis teilnahm, bot dazu Gelegenheit. Zudem führten auch die intensiven Kontakte im Kontext des Ukraine-Kriegs, insbesondere im Vorfeld und anlässlich der «Ukraine Recovery Conference» (Ziff. 3.2), zu einer Vertiefung der bilateralen Beziehungen. Die anhaltende Covid-19-Krise hat die Bedeutung der Nachbarländer und der grenzüberschreitenden Beziehungen für die Schweizer Aussenpolitik erneut verdeutlicht.

Der institutionelle Rahmen der Beziehungen mit den Nachbarstaaten wurde im Berichtsjahr gestärkt. Mit Österreich wurde mit der Umsetzung der Absichtserklärung über eine neue strategische Partnerschaft begonnen. Damit wird die Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten intensiviert, zum Beispiel in den Bereichen Interessenvertretung und gegenseitige Unterstützung in Drittländern. Dank der Absichtserklärung war die Besuchsdiplomatie mit Österreich im Berichtsjahr intensiv, mit zwei Treffen auf Präsidialstufe zu Jahresbeginn. Mit Deutschland, Österreich und Liechtenstein wurde der Aufbau einer gemeinsamen Dialogplattform für grenzüberschreitende Themen in der Bodenseeregion unter Einbezug der Bundesebene beschlossen.

Zudem wurde mit Deutschland ein bilateraler grenzüberschreitender Dialog durchgeführt. Die Pilotsitzungen zu diesen neuen Dialogplattformen haben im Frühjahr erfolgreich stattgefunden. Mit der Einrichtung dieser beiden zusätzlichen Instrumente verfolgt die Schweiz das Ziel, mit allen Nachbarländern und zu allen grenzüberschreitenden Themen institutionalisierte Dialoge zu führen.

Mit Frankreich wurden die Verhandlungen über die bilaterale Zusammenarbeit in Bezug auf das Rahmenabkommen zur Gouvernanz der Rhone fortgesetzt. Weiter wurden Verhandlungen für eine dauerhafte Lösung zur Erleichterung der Telearbeit in 34

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steuerlicher Hinsicht aufgenommen. Beim Flughafen Basel-Mülhausen ging Frankreich nicht auf den Vorschlag der Schweiz aus dem Jahr 2020 für eine dauerhafte Lösung zum Arbeitsrecht im Schweizer Sektor ein. In Bezug auf Italien klärte der Bund offene Fragen betreffend Campione d'Italia und die Auswirkungen einer Aufnahme der italienischen Enklave in das Zollgebiet der EU. Die Bundesversammlung hat das Abkommen über die Besteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern zwischen der Schweiz und Italien genehmigt. Es muss aber noch von der italienischen Seite ratifiziert werden. Die Schweiz hat im Berichtsjahr auch die Verkehrszusammenarbeit mit ihren Nachbarländern weiter verstärkt. Mit Deutschland wurde ein neues Abkommen unterzeichnet, welches den Ausbau bestimmter grenzüberschreitender Verbindungen vorsieht. Die Vertragsparteien beabsichtigen zudem, die Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation zu intensivieren und den grenzüberschreitenden Verkehr durch eine Harmonisierung der technischen Vorschriften weiter zu vereinfachen. Im Mai wurde die Schweizerische Botschaft beim Heiligen Stuhl eröffnet, welche auch für die diplomatischen Beziehungen zu Malta und San Marino zuständig ist (Ziff. 11.1). Mit der Mehrheit der Partnerländer im Bereich Kohäsion (Bulgarien, Estland, Kroatien, Malta, Polen, Rumänien, Ungarn und Zypern) und im Bereich Migration (Griechenland und Zypern) des zweiten Schweizer Beitrags wurden die bilateralen Umsetzungsabkommen bis Ende 2022 unterzeichnet. Mit der Unterzeichnung dieser Abkommen wurden auch die entsprechenden Finanzmittel pro Land verpflichtet. Somit kann die Umsetzung der Programme in Angriff genommen werden. Mit den restlichen Partnerländern im Bereich Kohäsion (Lettland, Litauen, Slowakische Republik, Slowenien und Tschechien) und im Bereich Migration (Italien) laufen die Verhandlungen weiter. Die grenzübergreifenden Interreg-Programme der EU sind in eine neue Periode gestartet (Interreg VI 2021­2027). Die Schweiz beteiligt sich im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) unter anderem an vier grenzüberschreitenden und zwei transnationalen Programmen, welche die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten stärken. Interreg hat in den Grenzregionen eine wichtige Katalysator-Funktion und ist ein Förderinstrument, das zur Realisierung konkreter Projekte genutzt wird.

8.3

Beziehungen zum UK

Die Schweiz und das UK pflegten auch im Berichtsjahr sehr gute und enge Beziehungen. Nach Inkraftsetzung der neuen bilateralen Abkommen im Vorjahr (Mind-theGap-Strategie) wurden die bilateralen Beziehungen 2022 in weiteren Bereichen ausgebaut (Mind-the-Gap-Plus). Im Vordergrund stehen dabei vier Kernbereiche: Handel, Finanzdienstleistungen, Forschung und Innovation sowie Mobilität. Die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen wurden durch den Besuch des Bundespräsidenten am 28. April 2022 untermauert. Im Mittelpunkt des Besuchs stand die Vertiefung der politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem UK. Konkret unterzeichneten die Schweiz und das UK eine gemeinsame Erklärung zur Weiterentwicklung ihrer bilateralen Partnerschaft in einer Roadmap für die oben genannten Kernbereiche. Weiter vereinbarten die beiden Länder eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Wissenschafts- und Innovationsbereich. Schliesslich nahmen die Schweiz und das UK exploratorische Gespräche zur 37 / 102

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Erweiterung des bestehenden Handelsabkommens auf. Im Rahmen des strategischen Dialogs auf Stufe Staatssekretärin wurde im September die Umsetzung dieser Vereinbarung weiter vorangetrieben.

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Regionen und globale Schwerpunktländer

9.1

Eurasien

Im Zuge des Ukraine-Kriegs hat die Schweiz die Sanktionen der EU gegen Russland und Belarus mit wenigen Ausnahmen übernommen, die humanitäre Hilfe sowie die Entwicklungszusammenarbeit in der Ukraine und den umliegenden Staaten erhöht sowie zahlreiche ukrainische Geflüchtete vorübergehend aufgenommen (Kap. 3). Der Übernahme eines Schutzmachtmandats für die Vertretung der Interessen der Ukraine in Russland hat Moskau bisher nicht zugestimmt (Ziff. 3.3). Russland bezeichnet die Schweiz seit der Übernahme der EU-Sanktionen als «unfreundlichen Staat» und stellt die Neutralität der Schweiz ­ zu Unrecht ­ in Frage. Dennoch wird ein punktueller Dialog mit Russland aufrechterhalten, etwa im Hinblick auf die Einsitznahme der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat. Anlässlich des Treffens des EDA-Vorstehers mit seinem russischen Amtskollegen am 21. September 2022 in New York verurteilte die Schweiz die geplanten Scheinreferenden zur Annexion besetzter Gebiete in der Ostukraine und Russlands nukleare Drohungen. Mit der Ukraine wurden die Beziehungen mit der Durchführung der URC2022 in Lugano im Juli (Ziff. 3.2) und dem Besuch des Bundespräsidenten in Kiew im Oktober weiter intensiviert.

Im März traf sich der Bundespräsident in Moldova mit Präsidentin Maia Sandu wie auch mit Premierministerin Natalia Gavrilia. Nach seiner Reise in die Ukraine fand im Oktober in Chisinau ein zweites Treffen mit Präsidentin Sandu tatt. Ein Erfolg für die Schweizer Diplomatie war im Februar die Freilassung der seit Sommer 2020 in Belarus inhaftierten schweizerisch-belarussischen Doppelbürgerin Natalia Hersche.

Die Situation in Zentralasien blieb im Berichtsjahr instabil. In mehreren Ländern kam es zu Unruhen und gewalttätigen Ereignissen mit Todesopfern. Die Spannungen zwischen Aserbaidschan und Armenien halten an und tragen zu einer fragilen Sicherheitslage im Südkaukasus bei. Der von regionalen und internationalen Akteuren fazilitierte Dialog wird dennoch fortgesetzt ­ in Genf kam es zu einem Treffen auf Stufe Aussenminister. Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine führt zu einem zusätzlichen geostrategischen Balanceakt der wirtschaftlich stark mit Russland verflochtenen Länder Zentralasiens und des Südkaukasus. Die Bewahrung ihrer Handlungsfreiheit und Stabilität ist auch für die Schweiz von Interesse. Die Schweiz
setzt sich weiterhin für Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft ein. Auch unterstützt sie Massnahmen in den Bereichen Klimawandel und Wasserdiplomatie («Blue Peace»).

Mit Usbekistan wurde im August ein Restitutionsabkommen unterzeichnet. Dieses regelt die Rückerstattung von im Rahmen der Strafverfahren im Zusammenhang mit Gulnara Karimova definitiv eingezogenen Vermögenswerten (Ziff. 10.6).

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hat die Schweiz ihrem langfristigen Engagement im Westbalkan ein verstärktes Augenmerk gewidmet. Durch den Besuch der Staatssekretärin des EDA in Serbien und Kosovo unterstrich die Schweiz ihre Unter38 / 102

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stützung für den Normalisierungsprozess zwischen den beiden Ländern. Mit der Sekundierung eines Diplomaten an das Büro des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina sowie dem Engagement mit militärischen Kontingenten im Rahmen der EUFOR- und KFOR-Missionen leistet die Schweiz einen wichtigen Beitrag zu Frieden und Sicherheit in der Region.

Im Rahmen ihres kritischen und konstruktiven Dialogs fordert die Schweiz die Türkei regelmässig zur Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen auf, insbesondere im Menschenrechtsbereich. Im Oktober empfing die Staatssekretärin des EDA ihren türkischen Amtskollegen zu politischen Konsultationen in Bern.

9.2

Amerikas

Das Berichtsjahr war geprägt von den Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie, welche die Fragilität der Gesellschaften des amerikanischen Doppelkontinents verdeutlichte. Eine Ausnahme davon bildete die schnelle wirtschaftliche Erholung in Kanada und in den USA. Von der Inflation und Engpässen bei der Versorgung mit Düngemitteln, landwirtschaftlichen Produkten und Treibstoffen waren hingegen alle Länder der Region Amerikas betroffen. Viele Menschen in den südlichen Regionen versuchten den Mangel an Sicherheit und wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie klimatische Risiken durch Mobilität zu kompensieren, grossenteils in die USA. Diese Dynamiken spiegeln sich auch auf politischer Ebene wider: Kolumbien vollzog mit der Wahl des linken Präsidenten Gustavo Petro im Juni einen historischen Machtwechsel, Instabilität prägte die Regierungen in Ecuador und Peru; autoritäre Tendenzen in Guatemala, El Salvador, Kuba und Nicaragua haben sich verstärkt. In Haiti verschlechterten sich sowohl die soziopolitische Situation wie auch die Sicherheitslage drastisch.

Das Engagement der Schweiz in der Region entspricht den Zielen der vom Bundesrat im Februar verabschiedeten Amerikas-Strategie 2022­2025. Die USA spielen als Weltmacht und globales Schwerpunktland eine massgebende Rolle bei der Umsetzung der APS 20­23. Sie wurden 2021 zum wichtigsten Zielland für Schweizer Exporte und sind für die Schweiz in diversen Bereichen ein bedeutender Partner.

Hochrangige Treffen trugen massgeblich zur Umsetzung der in der Amerikas-Strategie definierten Zielen und Massnahmen bei. Der strategische Partnerschaftsdialog Schweiz­USA, der im September zum zweiten Mal stattfand, ist für die Schweiz ein wichtiger Kanal zur Förderung der bilateralen Zusammenarbeit und des internationalen Handels. Kanada ist der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Beim «Swiss Canadian Cleantech Innovation Summit» im März standen Forschung, Innovation und Nachhaltigkeit als Möglichkeiten zur Vertiefung des bilateralen Austauschs im Fokus.

In der Region Lateinamerika und Karibik (LAK) wird die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit der DEZA bis 2024 schrittweise eingestellt. Dieser Prozess wurde im Berichtsjahr fortgeführt. 2022 leistete die Schweiz in der LAK-Region humanitäre Hilfe, etwa zur Bewältigung im Rahmen
von Gesundheitskrisen (z. B. Venezuela) oder bei Naturkatastrophen (z. B. Haiti). Im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit Mexiko und Brasilien (Ziff. 4.4) und der Teilnahme an Wahlbeobachtungsmissionen

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in Kolumbien, Peru, und Brasilien (Ziff. 4.1) setzte sich die Schweiz für die Förderung der Rechtsstaatlichkeit, der guten Regierungsführung und der Menschenrechte ein.

9.3

Mittlerer Osten und Nordafrika

Im Berichtsjahr setzte die Schweiz die MENA-Strategie 2021­2024 weiter um.

Infolge des Ukraine-Kriegs intensivierte sie den Austausch mit den Golfstaaten zu Wirtschaft und Finanzen, Energieversorgung, Nachhaltigkeit und Innovation. Vereinigte Arabische Emirate (VAE): Im März reiste der Vorsteher des EFD für den Finanzdialog an die Expo Dubai. Mitte August empfing der Bundespräsident den Aussenminister der VAE im Tessin. Anfang November nahm der Bundespräsident am Sicherheitsforum Sir Bani Yas in Abu Dhabi teil und unterzeichnete dort ein Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen mit den VAE. Katar: Im September leitete der Vorsteher des EFD den ersten Finanz- und Wirtschaftsdialog, nachdem er im März mit dem katarischen Finanzminister ein entsprechendes Memorandum of Understanding unterzeichnet hatte. Saudi-Arabien: Ende März besuchte der saudische Tourismusminister den Vorsteher des WBF in Bern. Ende Mai fand am Rande des WEF ein Investment-Dialog unter Leitung des WBF-Vorstehers und des saudischen Investitionsministers statt. Ende November besuchte der Vorsteher des EFD seinen Amtskollegen in Riad.

Die Schweiz setzte sich auch für den Frieden, die Menschenrechte sowie den Kampf gegen die Straflosigkeit ein und führte ihr humanitäres Engagement fort. Die Schweiz unterstützte weiterhin die politischen Prozesse der UNO für Libyen und Syrien (Ziff. 4.1). Nach dem Tod von Mahsa Amini und den anhaltenden Protesten verurteilte die Schweiz mehrfach und auf höchster Ebene die Menschenrechtsverletzungen im Iran. Dazu gehören die übermässige Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte, die grossen Einschränkungen des Internetzugangs und die Hinrichtungen im Rahmen der Proteste. Bei der Übernahme der Sanktionen werden alle Interessen, inklusive der guten Dienste der Schweiz sowie sicherheitspolitische Überlegungen mitberücksichtigt.

Die Schweiz trägt alle UNO-Sanktionen gegenüber dem Iran sowie die meisten EUSanktionen seit Jahren mit. Jüngst hat die Schweiz auch die EU Sanktionen im Zusammenhang mit der Lieferung iranischer Drohnen an Russland übernommen.

Beim Treffen in Bern mit dem palästinensischen Aussenminister Anfang März und beim Präsidialbesuch des israelischen Präsidenten Ende August betonte der Bundespräsident die Notwendigkeit politischer Perspektiven im Nahen Osten, basierend auf der
Zweistaatenlösung und dem Völkerrecht. Gegenüber dem tunesischen Präsidenten betonte der Bundespräsident am Rande des Frankophonie-Gipfels in Djerba (Ziff. 9.4) die Wichtigkeit der Stärkung der demokratischen Prozesse im Land. Im Zusammenhang mit dem Syrienkrieg leistete die Schweiz auch dieses Jahr 60 Millionen Franken humanitäre Hilfe für die betroffenen Länder. Mitte März mobilisierte sie zusammen mit Schweden und der UNO bei einer Geberkonferenz in Genf 1,6 Milliarden USDollar für die Notleidenden in Jemen. Die Schweiz steuerte 14,5 Millionen Franken dazu bei und unterstützte die UNO-Hilfsaktion für den vom Auseinanderbrechen bedrohten Öltanker FSO Safer vor der Küste Jemens mit 300 000 Franken. Die Beziehungen mit dem Irak haben sich im migrationspolitischen Bereich intensiviert.

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9.4

Subsahara-Afrika und Frankophonie

Im Fokus des Berichtsjahres stand die Umsetzung der Subsahara-Afrika-Strategie 2021­2024. Die zwei gemäss Strategie geschaffenen Stellen für einen Sondergesandten für den Sahel und einen für das Grosse Horn von Afrika wurden besetzt. Die beiden Sondergesandten haben ihre Arbeit aufgenommen. Der Prozess bezüglich der Eröffnung einer Botschaft in Bamako wurde aufgrund der sicherheitspolitischen Lage in Mali sistiert. Im Hinblick auf die mögliche diplomatische Verstärkung der Präsenz in Ruanda wurde ein Plan zur Intensivierung der bilateralen Beziehungen erarbeitet.

Der afrikanische Kontinent steht weiterhin vor grossen Herausforderungen. Dazu gehören politische Fragilität und Instabilität, Armut, Konflikte, Klimawandel, humanitäre Krisen, Menschenrechtsverletzungen und die sozioökonomischen Folgen der Covid-19-Pandemie. Verschärft wurde die Lage ­ insbesondere in Bezug auf die Ernährungssicherheit ­ durch den Ukraine-Krieg, dessen Folgen vor allem durch steigende Preise für Energieträger und Grundnahrungsmittel sowie eine steigende Verschuldung der öffentlichen Hand spürbar sind. Folglich blieb das Engagement der Schweiz im Bereich der IZA im Berichtsjahr hoch. Zudem hat die schweizerische humanitäre Hilfe auf diverse Krisen reagiert, beispielswiese auf die Hungersnöte am Horn von Afrika, im Sahel sowie in Madagaskar. In der Zentralafrikanischen Republik wurde ein vorläufig auf vier Jahre befristetes humanitäres Büro in Bangui eröffnet.

Durch den Ukraine-Krieg hat das geopolitische Seilziehen um Afrika weiter zugenommen. Sowohl die USA und die EU wie auch Russland und China intensivierten ihre Besuchsdiplomatie. Auch die Schweiz hat ihre Beziehungen zu Subsahara-Afrika weiter gestärkt, sowohl durch hochrangige Besuche wie durch den Abschluss sektorieller Abkommen. Im Februar stattete der Bundespräsident Niger gemeinsam mit Nationalratspräsidentin Irène Kälin und dem Präsidenten des IKRK, Peter Maurer, einen offiziellen Besuch ab. Im Mai empfing er den damaligen kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta zu einem offiziellen Besuch in Bern. In diesem Rahmen wurden auch die neue Botschaft Kenias in Bern eröffnet und eine Absichtserklärung zur bilateralen Zusammenarbeit unterzeichnet. Der Vorsteher des WBF besuchte im Juli mit einer Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation Südafrika. Im März empfing die
Vorsteherin des EJPD den kapverdischen Aussenminister Rui Alberto de Figueiredo Soares für die Unterzeichnung von zwei Abkommen im Migrationsbereich in Bern.

Im November nahm der Bundespräsident in Djerba am 18. Frankophoniegipfel teil.

9.5

Asien und Pazifik

Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs waren auch in der Region Asien und Pazifik spürbar. Steigende Preise für Nahrungsmittel und Energie verursachten im Berichtsjahr eine teilweise gravierende Verschlechterung der Versorgungslage. In Sri Lanka war diese Entwicklung Auslöser für Massenproteste, die zum Rücktritt des Präsidenten und der Regierung führten. Auch andernorts verschärften die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs bereits bestehende strukturelle Probleme. So musste Pakistan etwa Hilfskredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch nehmen. Gleichzeitig erholte sich China nicht wie erhofft von der Covid-19-Pandemie: 41 / 102

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Die Fortführung teilweise einschneidender Schutzmassnahmen im Rahmen der NullCovid-Strategie belastete das Wachstum stark.

Im August kam es zu einer Zunahme der Spannungen um Taiwan. Der Besuch der Vorsitzenden des US-amerikanischen Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf der Insel wurde von chinesischer Seite scharf kritisiert. Die Regierung in Peking unterstrich dabei ihre Bereitschaft zur Durchsetzung ihrer Interessen, etwa durch beispiellose Militärübungen. Das Verhältnis zwischen China und den USA kühlte sich weiter ab, nachdem es schon zuvor unter Divergenzen bezüglich des Ukraine-Kriegs gelitten hatte. Die Schweiz traf Massnahmen, um sich auf eine allfällige Eskalation der Situation um Taiwan vorzubereiten.

In diesem angespannten Umfeld war die Schweiz im Berichtsjahr bestrebt, den Dialog aufrechtzuerhalten und ihre Beziehungen zur Region Asien und Pazifik weiter zu intensivieren. Besondere Bedeutung kam dabei Japan zu: Im April besuchte der Bundespräsident in Begleitung einer hochrangigen Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt. Der EFD-Vorsteher reiste im August, und der Vorsteher des WBF im Oktober nach Indien. Die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit stand im Zentrum des Besuchs. Mit Australien, Bhutan, Indien, Laos, Nepal, und Singapur wurde der politische Dialog fortgeführt. Die Umsetzung der 2021 vom Bundesrat verabschiedeten China-Strategie schritt voran, wobei unter anderem die Einbindung der Kantone, Städte und Gemeinden in die Schweizer China-Politik im Fokus stand. Auch die Friedensbemühungen in der Region wurden fortgesetzt: So etwa in Myanmar oder in Sri Lanka, wo die Schweiz den Dialog zwischen Parlamentsmitgliedern zur Lösung der politischen Krise unterstützte.

Zudem leistete die Schweiz in Sri Lanka und Pakistan humanitäre Hilfe.

Im Rahmen ihres Engagements zugunsten der Bevölkerung Afghanistans unterstützte die Schweiz die Gründung einer Stiftung in Genf. Diese verwaltet einen Teil der früher in den USA blockierten Gelder der afghanischen Zentralbank und soll diese teilweise zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität in Afghanistan ausgeben. Die Schweiz nimmt darüber hinaus im Stiftungsrat Einsitz.

Mit der Eröffnung einer Botschaft in Bern unterstrich Australien die Bedeutung, die es den bilateralen Beziehungen mit der Schweiz beimisst. Damit sind neu alle Länder der G20 mit einer Botschaft in Bern vertreten.

10

Multilateralismus

10.1

UNO

Die Arbeit der UNO war im Berichtsjahr weiterhin durch die Covid-19-Krise geprägt.

Unter anderem mussten deshalb einige bereits verschobene Treffen erneut zurückgestellt werden. Nach wie vor waren die Pandemie und ihre Bewältigung auch Gegenstand vieler Diskussionen. Während sich die UNO-Mitgliedstaaten über die Prinzipien der Solidarität und der internationalen Kooperation bei der Pandemiebekämpfung einig sind, rissen Fragen betreffend die konkreten Massnahmen für einen verbesserten Impfzugang für alle, den Patentschutz oder die Staatsverschuldung als Folge der Pandemie tiefe Gräben auf.

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Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine beschäftigte die UNO stark und beeinflusst die multilaterale Zusammenarbeit massgeblich. Die Schweiz engagierte sich auch in diesem Rahmen für die Bewältigung der vielfältigen Folgen des bewaffneten Konflikts in der Ukraine wie auch in anderen Staaten. Sie machte sich dafür stark, dass die UNO ihre Rolle als universelle Dialogplattform zur Diskussion globaler Probleme und Herausforderungen weiterhin wahrnehmen kann. Dabei setzte sie auf die Zusammenarbeit mit sogenannt gleichgesinnten Staaten, versuchte wo möglich und angebracht aber auch, andere Staaten miteinzubinden. Ferner setzte sich die Schweiz ein für eine Stärkung der im Feld tätigen UNO-Organisationen. Diese stehen in zahlreichen Ländern vor zusätzlichen Herausforderungen, insbesondere aufgrund der prekären Lage in der Nahrungsmittelversorgung.

Die meisten Organisationen und Gremien des UNO-Systems haben ihre Funktion im Rahmen des Ukraine-Kriegs mandatsgemäss und rasch wahrgenommen. Der UNOSicherheitsrat hat mit einem hohen Sitzungsrhythmus auf den Kriegsverlauf in der Ukraine reagiert, konnte jedoch wegen des russischen Vetos keine substanziellen Entscheide fällen. Eine generelle Blockierung des Sicherheitsrates war allerdings nicht festzustellen: Sitzungen fanden wie geplant statt und Beschlüsse (z. B. die Verlängerung von UNO-Friedensmissionen) wurden gefällt. Die Schweiz unterstützte auch die von Liechtenstein mit einer Gruppe von Mitgliedstaaten aus allen Regionalgruppen eingebrachte Veto-Initiative. Die im April angenommene Resolution schafft ein ständiges Mandat für die automatische Einberufung einer Debatte der UNO-Generalversammlung, wenn im Sicherheitsrat ein Veto eingelegt wird. Im Berichtsjahr wurde eine solche Debatte zweimal abgehalten. Zur Umsetzung des 2021 vom UNOGeneralsekretär vorgelegten Berichts «Unsere gemeinsame Agenda» begannen 2022 mehrere Prozesse, unter anderem für einen «Global Digital Compact» und eine Erklärung zu künftigen Generationen. Ausserdem fand im September in New York ein Gipfel zur Transformation der Bildung statt.

Neben der Wahl in den UNO-Sicherheitsrat (Ziff. 4.3) konnte die Schweiz weitere Wahlerfolge verzeichnen: Im Juni wurden zwei Schweizer Experten für eine zweite Amtszeit in ihren jeweiligen Funktionen bestätigt: Philip Jaffé im
UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes und Markus Schefer im UNO-Behindertenrechtsausschuss.

Im Oktober wurde die Schweiz für eine weitere Amtszeit in den Rat der ITU gewählt.

10.2

Internationales Genf und Gaststaat

Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die verschiedenen Institutionen des internationalen Genf seit Kriegsbeginn in Anspruch genommen. Auf die Verurteilung der Aggression in erster Linie durch westliche Delegationen folgten Vorschläge zur Suspendierung oder gar zum Ausschluss Russlands aus multilateralen Prozessen. Dennoch legten die internationalen Organisationen Flexibilität und Widerstandsfähigkeit an den Tag und konnten ihre Arbeit im Wesentlichen trotz der zunehmenden Polarisierung fortführen. Internationale Konferenzen im hybriden und virtuellen Format gewannen im Berichtsjahr weiter an Bedeutung. Die Schweiz setzte in diesem Zusammenhang ihre Bemühungen fort, die Bedürfnisse der internationalen Akteure zu identifizieren und Brücken zwischen den Partnern zu bauen. Die Bun43 / 102

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desversammlung hat im Juni der Änderung des Gaststaatgesetzes zugestimmt, um der besonderen Situation des IKRK im Bereich der beruflichen Vorsorge Rechnung zu tragen. Die Änderung trat per 1. November 2022 in Kraft. Ausserdem genehmigte die Bundesversammlung ein Darlehen an die Internationale Organisation für Migration (IOM) zur Finanzierung von Vorstudien im Hinblick auf den Abriss und Neubau des Sitzgebäudes der Organisation in Genf. Im Berichtjahr wurden zwei neue internationale Stellen mit Unterstützung der Schweiz in Genf angesiedelt: «Giga», eine gemeinsame Initiative der ITU und von UNICEF (Ziff. 7.1, 7.4), sowie das «United Nations University Centre for Policy Research». Im Mai eröffnete Samoa als 178. Staat eine ständige Mission in Genf. Zu den wichtigsten Ereignissen im Berichtsjahr gehörten die Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jubiläum des UNO-Beitritts der Schweiz mit der Einweihung des Modells des Genfers «Palais des Nations» bei Swissminiatur im September in Anwesenheit des Schweizer Bundespräsidenten und der Generaldirektorin des Büros der Vereinten Nationen in Genf (UNOG), Tatiana Valovaya, sowie das zweite Gipfeltreffen der Stiftung GESDA im Oktober (Ziff. 7.5). Des Weiteren war die Schweiz Gastgeberin mehrerer Treffen im Rahmen der UNO-Friedensprozesse für Libyen und Syrien (Ziff. 4.1, 9.3). Aufgrund der angespannten internationalen geopolitischen Lage ist die Durchführung einiger dieser Prozesse unsicherer geworden.

10.3

OSZE, Europarat

Die Tätigkeit der OSZE war im Berichtsjahr hauptsächlich durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine geprägt. Der Krieg hat die Arbeit der OSZE, insbesondere die Konsensfindung, stark eingeschränkt. Die Schweiz verurteilte in ihren Stellungnahmen regelmässig die militärische Aggression Russlands und forderte den russischen Truppenabzug sowie die Einhaltung des Völkerrechts, namentlich des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Aufgrund der fehlenden Zustimmung Russlands mussten alle OSZE-Missionen in der Ukraine geschlossen werden.

Die OSZE bleibt jedoch das einzige Forum, in dem ein Ost-West-Dialog möglich ist.

So veröffentlichte die OSZE zwei Expertenberichte zu schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in der Ukraine sowie einen Bericht zur Menschenrechtslage in Russland. Wichtige Konferenzen konnten dank der Arbeit des polnischen Vorsitzes durchgeführt und die Öffnung eines OSZE-Büros in der Ukraine mit extrabudgetären Mitteln sichergestellt werden. Die OSZE-Feldmissionen leisteten weiterhin einen wichtigen Beitrag zum Konfliktmanagement im Westbalkan, im Südkaukasus und in Zentralasien. Bei der Umsetzung des im Januar publizierten Schweizer Aktionsplans OSZE 2022­2025 musste der durch den Ukraine-Krieg veränderte Kontext berücksichtigt werden. Für die Schweiz spielt die OSZE weiterhin eine wichtige Rolle als Akteurin der regionalen Sicherheit und wertvolle Plattform für einen inklusiven Dialog.

Im Berichtsjahr war auch die Arbeit des Europarates von der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine geprägt. Am 16. März 2022 wurde die Russische Föderation aus der Organisation ausgeschlossen (Ziff. 3.1). Die politischen, rechtlichen und budgetären Folgen des Ausschlusses Russlands dominierten die Gespräche des Ministertreffens, welches im Mai unter italienischem Vorsitz stattfand. Die darauf44 / 102

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folgenden irischen und isländischen Präsidentschaften befassten sich mit der Zukunft des Europarates. Im November 2022 beschloss das Ministerkomitee, im Mai 2023 ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs abzuhalten, das vierte in der Geschichte der Organisation. In seiner Ansprache an die Parlamentarische Versammlung des Europarats im Oktober bekräftigte der Bundespräsident das Engagement der Schweiz für die der Organisation zugrundeliegenden Werte.

10.4

OECD, Bretton-Woods und Entwicklungsbanken

Das Ministertreffen der OECD widmete sich insbesondere der Nachhaltigkeit und den Herausforderungen für junge Menschen. Bei der Diskussion zu Handel und Nachhaltigkeit wies die Schweiz einmal mehr darauf hin, dass die Wirtschaft in Bezug auf die Erreichung der Klimaziele Teil der Lösung sein muss. Auch das Thema nachhaltiger Auslandinvestitionen unterstützt die Schweiz. Ebenfalls im Zeichen der Agenda 2030 stand der Dialog mit der AU sowie die Annahme der Beitrittsfahrpläne für Bulgarien, Brasilien, Kroatien, Peru und Rumänien.

Am 3. und 4. November 2022 trafen sich die OECD-Landwirtschaftsminister sowie wichtige Partner zum Thema Aufbau nachhaltiger Agrar- und Lebensmittelsysteme.

In ihrer Erklärung definierten die Minister wirtschaftspolitische Massnahmen, um Nahrungsmittelsicherheit, Ernährung und bäuerliche Existenzgrundlagen sowie Nachhaltigkeit langfristig zu gewährleisten. Diese Leitlinien decken sich mit denen, die der Bundesrat in seinem Bericht über die künftige Ausrichtung der Schweizer Agrarpolitik festgelegt hat.

Der Bundesrat hat beschlossen, die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Umsetzung der von der OECD und den G20-Staaten vereinbarten Mindeststeuer zu schaffen.

Basierend darauf kann eine temporäre Verordnung sicherstellen, dass die Mindeststeuer per 1. Januar 2024 in Kraft treten kann. Das Gesetz wird im Nachgang auf dem ordentlichen Weg erlassen. Die OECD will den Dialog über national eingeführte Massnahmen zur CO2-Emissionsreduktion (einschliesslich der CO2-Bepreisung) lancieren. Dazu wurden im Juni das «Inclusive Forum on Carbon Mitigation Approaches» gegründet, wobei über 110 weitere Staaten zum Beitritt eingeladen worden sind. Die Schweiz begrüsst diese Initiative.

Die Bretton-Woods-Institutionen und regionalen Entwicklungsbanken reagierten rasch auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Die Weltbankgruppe allein stellte für das Berichtsjahr Investitionen von bis zu 170 Milliarden US-Dollar in Aussicht.

Neben der Unterstützung für die Ukraine stehen die globale Ernährungskrise, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie, die Zunahme der Fragilität und Konflikte sowie die sich weiter zuspitzende Schuldenproblematik und der Klimawandel im Zentrum.

Die Schweiz setzt sich in den Entwicklungsbanken weiterhin für Ergebnisorientierung, wirksame
Partnerschaften, hohe Umwelt- und Sozialstandards sowie die Ausrichtung auf die Agenda 2030 ein. Im Juli feierte die Schweizer Stimmrechtsgruppe in den Bretton-Woods-Institutionen ihr dreissigjähriges Bestehen. Zudem übernahm die Schweiz 2022 den Vorsitz ihrer Stimmrechtsgruppe im Exekutivrat der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank.

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10.5

G20

Unter der indonesischen G20-Präsidentschaft nahm die Schweiz im Berichtsjahr wiederum am «Finance Track» sowie an Teilen des «Sherpa Tracks» in den Arbeitsgruppen Anti-Korruption, Gesundheit sowie Handel, Investitionen und Industrie teil. Im Zentrum des «Finance Track» standen die merklich erhöhten Inflationsraten, Lieferengpässe und Nahrungsmittelsicherheit. Zur Pandemiefinanzierung wurde ein neuer multilateraler Fonds geschaffen, der bei der Weltbank angesiedelt ist und zu dem auch die Schweiz beiträgt. Weiter diskutiert wurden internationale Steuerthemen, «Sustainable Finance», mit Schwerpunkten auf der Transitions- und Infrastrukturfinanzierung. Im «Sherpa Track» brachte sich die Schweiz in der Arbeitsgruppe Antikorruption in der Diskussion zur Rolle der Rechnungsprüferinnen und -prüfer sowie zu elektronischen Whistleblowing-Plattformen ein.

10.6

Völkerrecht

Der russische Angriff auf die Ukraine kann einerseits als Ausdruck der Erosion der völkerrechtlichen Ordnung gesehen werden. Andererseits zeigen die Verurteilung dieser schweren Verletzung des Gewaltverbots und die Sanktionsmassnahmen, dass derartige Völkerrechtsverletzungen nicht tatenlos hingenommen werden. Es ist deshalb auch ein vielfach artikuliertes Bekenntnis zur Durchsetzung völkerrechtlicher Grundregeln erkennbar.

Gemeinsam mit den zuständigen parlamentarischen Gremien wurden die Verfahren zur Mitwirkung der Bundesversammlung bei «Soft Law»-Instrumenten weiter geklärt. Die Schweiz hat im Berichtsjahr den Umgang mit «Soft Law» auch im Rahmen der UNO thematisiert. Zwei Delegationen des Europarates informierten sich im Mai in der Schweiz über die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten sowie der europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Bei den Treffen ging es um die Situation der Schweizer Bevölkerungsgruppen, die als nationale Minderheiten anerkannt sind, die Sprachpolitik sowie die Herausforderungen der mehrsprachigen Kantone. Nachdem die Bundesversammlung einstimmig die Ratifikation der Änderung des Statuts des ICC zum Aushungern von Zivilpersonen beschlossen hatte, übergab Bundespräsident Cassis im September der UNO die Ratifikationsurkunde. Die Schweiz entsandte drei zusätzliche Expertinnen an den ICC und verlängerte die Entsendung eines Finanzermittlers.

Die Schweiz koordinierte im Berichtsjahr die Ausarbeitung einer gemeinsamen Erklärung in der OEWG Cybersicherheit, in der die Anwendung des humanitären Völkerrechts auf Cyberoperationen in bewaffneten Konflikten bekräftigt wird. Sie rief die Staaten auf, entsprechende Diskussionen zu führen. In Bezug auf autonome Waffen präzisierte die Schweiz ihre Position, um bestimmte Entwicklungen zu verhindern und zu regulieren, die zu Verletzungen des humanitären Völkerrechts führen könnten.

Die Schweiz setzte sich bei Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung und Sanktionen für Ausnahmen ein, sodass humanitären Organisationen (u. a. IKRK, UNO) ihre Arbeit weiterhin gemäss humanitärem Völkerrecht leisten und die Zivilbevölkerung sowie «personnes hors combat» unterschiedslos unterstützen können. Sie beendete im 46 / 102

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September ihr Mandat als Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Strafjustiz und Rechtsstaatlichkeit des «Global Counterterrorism Forum» (GCTF), das sie seit 2017 innehatte. Ihr Einsatz für Empfehlungen bei Jugendstrafrecht, Beweiserhebung, administrativen Massnahmen sowie Strafverfolgung im Zusammenhang mit Terrorismus stiess auf Anerkennung.

Am 16. August 2022 unterzeichneten die Schweiz und Usbekistan ein Abkommen zur Rückerstattung von Vermögenswerten, die im Rahmen der Strafverfahren im Zusammenhang mit Gulnara Karimova eingezogen wurden (Ziff. 9.1).35 Die Vermögenswerte von rund 131 Millionen US-Dollar sollen über einen UNO-Treuhandfonds der usbekischen Bevölkerung zugutekommen.

11

Ressourcen

11.1

Aussennetz und Personal

Das Aussennetz ist ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Schweizer Interessen und der APS 20­23. In der Anfangsphase des Ukraine-Kriegs wurde die Botschaft in Kiew temporär geschlossen. Dabei stand die Unterstützung der Vertretung in den Bereichen Personal, Logistik, Finanzen und IT im Zentrum. Weiter hat die Schweiz im Berichtsjahr eine Vertretung gegenüber dem Heiligen Stuhl mit Sitz in Rom eröffnet (Ziff. 8.2). Die vorübergehende Schliessung der Vertretung in Kabul, die 2021 im Zuge der Machtübernahme der Taliban evakuiert worden war, blieb bestehen.

2022 wurde die Weiterentwicklung des Aussennetzes vorangetrieben. So konnten im Rahmen der Projekte «Rebalance» und «Fit for Purpose» sowie durch den anstehenden Schweizer Einsitz im UNO-Sicherheitsrat weitere Stellen von der Zentrale ins Aussennetz verlagert werden. Das 2020 lancierte Projekt «Rebalance» hatte zum Ziel, insbesondere Kleinstvertretungen, Vertretungen in fragilen Kontexten sowie die konsularischen Dienstleistungen zu stärken. Es wurde unterdessen erfolgreich abgeschlossen.

In Zusammenhang mit Covid-19 hatten alle Vertretungen die Möglichkeit, sich Booster-Impfungen liefern zu lassen. Von diesem Angebot machten über 30 Vertretungen Gebrauch. Schliesslich verabschiedete das EDA einen Aktionsplan zur betrieblichen Chancengleichheit. Er definiert Aktionsfelder, Ziele und Massnahmen bis 2028.

11.2

Krisenmanagement und Sicherheit

Mit der Zunahme von komplexen Krisen und sicherheitsrelevanten Ereignissen im Ausland stand das Sicherheits- und Krisenmanagement des EDA auch 2022 vor diversen Herausforderungen. So etwa in der Ukraine, in der Sahel-Region, in Haiti oder Sri Lanka. Das KMZ beriet und unterstützte das Aussennetz im Zusammenhang 35

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte: Schweiz und Usbekistan unterzeichnen Abkommen.

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mit politischen Unruhen, Kriegen, Naturkatastrophen, Terroranschlägen, Entführungen und koordinierte die EDA-interne und departementsübergreifende Zusammenarbeit. Besonders grosse Auswirkungen auf das Sicherheits- und Krisenmanagement hatte der Ukraine-Kriegs (Ziff. 3.4). Die durch das KMZ vorgegebenen Strukturen, Prozesse und Instrumente haben sich hierbei bewährt.

Nach der Covid-19-Krise nahm die Reisetätigkeit von Schweizerinnen und Schweizern wieder stark zu und damit auch die Inanspruchnahme des Dienstes EDAReisehinweise mit Informationen zur Sicherheitslage im Ausland. Im Berichtsjahr optimierte und professionalisierte das EDA sein Sicherheits- und Krisenmanagement weiter: Die Antizipations- und Lageverfolgungsinstrumente wurden gestärkt, die Operationsführung (z. B. in Bezug auf Evakuationen, temporäre Schliessungen von Vertretungen) verbessert und das Netz der Regionalen Sicherheitsberatenden im Ausland ausgebaut. Im Bereich der Digitalisierung konnte ausserdem die erste Phase der interaktiven und digitalen Plattform KMZdigital im gesamten Aussennetz eingeleitet werden. Diese soll ein vereinfachtes Sicherheitsmanagement für die Vertretungen sowie eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Zentrale und Aussennetz in der Krisenvorbereitung und -bewältigung ermöglichen.

11.3

Konsularische Dienstleistungen

Nebst der Betreuung von Schweiz Staatsangehörigen im Ausland stand im Berichtsjahr der Ukraine-Krieg im Fokus der konsularischen Dienstleistungen. Diese konnten für die betroffene Region jederzeit fristgerecht sichergestellt werden. Die zeitnahe, temporäre Verlagerung der konsularischen Zuständigkeit für die Ukraine an die Schweizer Vertretung in Bukarest sowie die Einführung von hybriden Arbeitsformen haben sich bewährt.

Der Visabereich war 2022 durch starke regionale Schwankungen und die Zunahme humanitärer Visagesuche gekennzeichnet. Dies hat die Auslandvertretungen sowie die externen Visadienstleister vor grosse Herausforderungen gestellt. So verzeichneten gewisse Standorte im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg trotz günstiger Pandemie-Entwicklung keine Normalisierung der Visanachfrage, während sich andere mit einem aussergewöhnlich starken Anstieg konfrontiert sahen. Sowohl die externen Dienstleistungserbringer wie auch die Visaabteilungen der Schweizer Auslandvertretungen haben in bestimmten Regionen nach wie vor mit Ressourcen-Engpässen zu kämpfen. Da auch viele Konsulate anderer Schengen-Staaten noch einen stark reduzierten Betrieb haben und sich dadurch der Druck auf die Visaabteilungen der Schweizer Konsulate zusätzlich erhöht (Visa-Shopping), konnten die gesetzlich vorgegebenen Wartezeiten für einen Termin an verschiedenen Orten bei gleichzeitiger Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Aufgabenerfüllung nicht immer eingehalten werden. Insbesondere akzentuierte sich dies bei Vertretungen wie Teheran, Islamabad und Istanbul, die zusätzlich eine grosse Anzahl humanitärer Visagesuche im Afghanistan-Kontext zu bewältigen hatten. Trotz eingeleiteter Massnahmen seitens des SEM und des EDA bleibt die Situation in diesem Bereich weiterhin schwierig.

Das EDA investierte im Berichtsjahr weiter in die Steigerung der Effizienz und Kundenfreundlichkeit bei den konsularischen Dienstleistungen. So wurde die App für die 48 / 102

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Auslandschweizergemeinschaft SwissInTouch lanciert, das Projekt «Aging Abroad» vertieft und der Online-Schalter als bürgernahes, modernes Instrument beworben.

Zudem wurde die Ausland-Schweizergemeinschaft auf die im Auslandschweizergesetz verankerte Eigenverantwortung sensibilisiert.

11.4

Verständnis der Aussenpolitik im Inland

Der Ukraine-Krieg hat im Berichtsjahr zu einem grossen Informationsbedürfnis in der Schweiz geführt und die Kommunikation des EDA stark geprägt. Neben den Entscheiden des Bundesrates standen insbesondere die «Ukraine Recovery Conference» und das Verhältnis von Sanktionen und Neutralität im Zentrum der Kommunikation (Kap. 3). Weitere Schwerpunkte waren die Aktivitäten des EDA-Vorstehers im Rahmen des Präsidialjahrs, die Kandidatur und Wahl der Schweiz in den UNOSicherheitsrat, die Beziehungen der Schweiz mit der EU und deren Mitgliedstaaten sowie die IZA. Bei der Kommunikation wurden jeweils verschiedene Kanäle genutzt, um die Informationen zielgruppengerecht zugänglich zu machen.

11.5

Landeskommunikation im Ausland

Mit der Landeskommunikation wird im Ausland die Wahrnehmung und das Verständnis für die Schweiz gefördert und eine wirkungsvolle Aussenpolitik unterstützt. 2022 waren die Analyse der Wahrnehmung der Schweiz und ihrer Neutralität im Kontext des Ukraine-Kriegs sowie die Erläuterung ihrer Haltung eine Kernaufgabe. Die Bilanz des Auftritts an der Expo Dubai, die von Oktober 2021 bis März 2022 dauerte, fiel positiv aus. Mit 1,7 Millionen Besucherinnen und Besuchern zählte der Schweizer Pavillon zu den erfolgreichsten und meistbesuchten der Ausstellung. Der Fokus lag auf Innovation und Nachhaltigkeit. Der Pavillon bot Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine Gelegenheit zur Beziehungspflege mit regionalen Partnern. Das «House of Switzerland» war 2022 erneut am «World Economic Forum» (WEF) in Davos präsent und bot der Schweiz als Gastgeberland eine Kommunikations- und Netzwerkplattform. Zudem zeigte sich die Schweiz im Frühjahr mit einem «Pop-up House of Switzerland» in der Designmetropole Mailand von ihrer innovativen und kreativen Seite. Mit den Schweizer Vertretungen wurden im Berichtjahr rund 180 Projekte durchgeführt, so etwa eine Wanderausstellung in Polen zu Schweizer Cleantech. Diese Projekte wurden oft zusammen mit Partnern aus Wirtschaft, Kultur und Politik organisiert. Zudem wurden 18 ausländische Delegationsreisen in die Schweiz zu Themen wie Digitalisierung, nachhaltige Produktion und Transport organisiert.

Wichtig blieben auch digitale Informationsplattformen, die etwa als Elemente der Kampagnen finance.swiss und swiss.tech zur Promotion des Schweizer Finanzplatzes sowie des Innovations- und Technologiestandorts Schweiz eingesetzt wurden.

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12

Bilanz und Ausblick

Die Welt wird weniger global, weniger westlich geprägt, weniger demokratisch. Sie wird fragmentierter und gefährlicher. Und sie ist volatil. Der Ausgang des UkraineKriegs ist nicht vorhersehbar, wird das Umfeld der Schweiz aber auf lange Zeit prägen. Auch die wirtschaftliche Verbundkrise bleibt eine Herausforderung. Weder die Sicherheit noch der Wohlstand Europas sind selbstverständlich. 2022 war die Aussenpolitik dementsprechend von Krisenbewältigung geprägt. Mit ihrer wiederholten Verurteilung der russischen Aggression und der Übernahme der EU-Sanktionen positionierte sich die Schweiz unmissverständlich auf der Seite des Völkerrechts. Mit der «Ukraine Recovery Conference» in Lugano setzte die Schweiz ein international gewürdigtes Zeichen der Solidarität. Mit dem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 hat der Bundesrat zudem Möglichkeiten für einen Ausbau der sicherheitspolitischen Kooperation mit der NATO und der EU dargelegt.

Der Fokus auf den Ukraine-Krieg und dessen Folgen erforderten Repriorisierungen und eine Verzichtsplanung. Dennoch kam die Umsetzung der APS 20­23 insgesamt gut voran. Nicht erreichen wird der Bundesrat sein Ziel, bis zum Ende dieser Legislatur über geregelte Beziehungen mit der EU zu verfügen. Insgesamt funktioniert das bestehende bilaterale Regelwerk zwar gut. Die Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs bleiben aber die vordringliche Aufgabe der Aussenpolitik.

2023 nimmt die Schweiz erstmals im UNO-Sicherheitsrat Einsitz. Sie verfügt damit über ein zusätzliches Instrument, um sich für eine regelbasierte internationale Ordnung und generell für ihre Interessen und Werte einzusetzen. Mit dieser anspruchsvollen Rolle unterstreicht die Schweiz ihren Willen, Mitverantwortung für Frieden und Sicherheit zu übernehmen und zu einem wirksamen Multilateralismus beizutragen. Der Bundesrat ist sich zugleich bewusst, dass das weltpolitische Umfeld profilierten Schweizer Beiträgen enge Grenzen setzen kann.

Weitere wichtige Themen sind die europäische Sicherheit, die Sicherung des Wohlstands und der Klimawandel. Der Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ­ ein Verfassungsauftrag ­ kommt im aktuellen Umfeld grosse Bedeutung zu. Zudem wird der Bundesrat die Haltung der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag (TPNW) überprüfen. Bezüglich Instrumentarium
will der Bundesrat, wie im Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht dargelegt, die Früherkennung und Antizipation stärken und diese Aufgabe im Verbund verschiedener Stellen noch umfassender und systematischer wahrnehmen.

In der Aussenpolitischen Strategie 2024-2027 wird der Bundesrat in der zweiten Jahreshälfte 2023 vertieft darlegen, was die laufenden Entwicklungen für die Schweiz bedeuten. Dabei wird er aussenpolitische Schwerpunkte für die kommende Legislatur festlegen. Der Anspruch muss eine Aussenpolitik sein, die fokussiert und kohärent ist, die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger ins Zentrum stellt und Schweizer Interessen in der sich abzeichnenden längeren Phase erhöhter Unsicherheit agil zu wahren vermag.

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Abkürzungsverzeichnis ACT-A

Access to Covid-19 Tools- Accelerator

APK

Aussenpolitische Kommissionen des Ständerates und des Nationalrates

APS 20­23

Aussenpolitische Strategie 2020­2023

APT

Vereinigung zur Verhütung von Folter (Association for the prevention of torture)

ASEAN

Vereinigung Südostasiatischer Nationen (Association of Southeast Asian Nations)

AU

Afrikanische Union

BFI

Bildung, Forschung und Innovation

BWÜ

Biologiewaffenübereinkommen

CBAM

CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism)

CDEP

Komitee für Digitale Wirtschaftspolitik der OECD (Committee on Digital Economy Policy)

CGIAR

Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung (Consultative Group on International Agricultural Research)

CND

United Nations Commission on Narcotic Drugs

Covid-19

Coronavirus-Krankheit 2019 (Coronavirus disease 2019)

DEZA

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit

EAD

Europäischer Auswärtiger Dienst

EASO

Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office)

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

EGNOS

European Geostationary Navigation Overlay Service

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EGNOS

European Geostationary Navigation Overlay Service

ERA

EU-Eisenbahnagentur (European Union Agency for Railways)

ERIC

European Research Infrastructure Consortium 51 / 102

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ETIAS

Europäisches Reiseinformations- und Genehmigungssystem (European Travel Information and Authorization System)

EU

Europäische Union

EUAA

Europäische Asylagentur (EU Agency for Asylum)

EUFOR

European Union Force

Euratom

Europäische Atomgemeinschaft

Eurodac

Zentrale Fingerabdruckdatenbank der EU in Asylangelegenheiten

Europol

Europäisches Polizeiamt

EUSPA

Agentur der EU für das Weltraumprogramm (EU Agency for the Space Programme)

FADO

False and Authentic Documents Online-System

FFS

UNO-Agenda «Frauen, Frieden und Sicherheit»

FIFA

Internationaler Verband des Association Football (Fédération Internationale de Football Association)

FHA

Freihandelsabkommen

Frontex

Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache

G7

Gruppe der Sieben (Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, UK, USA)

G20

Gruppe der 20 (USA, Japan, Deutschland, China, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien, Kanada, Brasilien, Russland, Indien, Südkorea, Australien, Mexiko, Türkei, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika, Argentinien, Europäische Union)

GCTF

Globales Forum zur Bekämpfung des Terrorismus (Global Counterterrorism Forum)

GDC

Global Digital Compact

GGA

Geschützte Geographische Angabe

GEF

Global Environment Facility

GESDA

Geneva Science and Diplomacy Anticipator

GSA

European Global Navigation Satellite Systems Agency

GUB

Geschützte Ursprungsbezeichnung

HDTI

Humanitarian Data and Trust Initiative

HLPF

Hochrangiges Politisches Forum für nachhaltige Entwicklung (High-level Political Forum on Sustainable Development)

IAEA

Internationale Atomenergie-Organisation

ICC

Internationaler Strafgerichtshof (International Criminal Court)

52 / 102

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IFAD

Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development)

IGF

UN Internet Governance Forum

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

IKUR

Interdepartementale Koordinationsgruppe Ukraine/Russland

InstA

Institutionelles Abkommen

IOM

Internationale Organisation für Migration

IPCC

Weltklimarat (International Panel on Climate Change)

IRENA

Internationale Agentur für erneuerbare Energien (International Renewable Energy Agency)

ISAC

Information Sharing and Analysis Center

IT

Informationstechnologie

ITER

International Thermonuclear Experimental Reactor

ITU

Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union)

IWF

Internationaler Währungsfonds

IZA

Internationale Zusammenarbeit

KFOR

Kosovo Force

KI

Künstliche Intelligenz

KMZ

Krisenmanagement-Zentrum des EDA

KSK

Kommando Spezialkräfte der Schweizer Armee

MTCR

Raketentechnologie-Kontrollregime (Missile Technology Control Regime)

LAK

Lateinamerika und Karibik

MENA

Mittlerer Osten und Nordafrika (Middle East and North Africa)

Mercosur

Gemeinsamer Markt Südamerikas (Mercado Común del Sur)

MoU

Offizielle Absichtserklärung (Memorandum of Understanding)

MRA

Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die gegenseitige Aberkennung von Konformitätsbewertungen

NATO

North Atlantic Treaty Organization

NCSC

Nationales Zentrum für Cybersicherheit (National Cyber Security Centre)

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NPT

Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Non Proliferation Treaty)

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten (Organisation of American States)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development)

OEWG

Open-Ended Working Group

OHCHR

UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte (Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights)

OIF

Internationale Organisation der Frankophonie (Organisation internationale de la Francophonie)

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

PRS

Präsenz Schweiz

SACU

Zollunion des Südlichen Afrika (Southern African Customs Union)

SAEI

Small Advanced Economies Initiative

SCHEVAL

Ratsarbeitsgruppe Schengen-Evaluation (Schengen Evaluation Working Party)

SDG

Sustainable Development Goal

SEM

Staatssekretariat für Migration

SIFEM

Swiss Investment Fund for Emerging Markets

SIFI

SDG Impact Finance Initiative

SIS

Schengener Informationssystem

SKAO

Square Kilometre Array Observatory

SKH

Schweizerisches Korps für Humanitäre Hilfe

SNE 2030

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030

TCFD

Task Force on Climate-Related Financial Disclosures

TPNW

Kernwaffenverbotsvertrag (Treaty on the prohibition of nuclear weapons)

TRIPSAbkommen

Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum der WTO

UK

Vereinigtes Königreich (United Kingdom)

UNAIDS

Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids

UNEA

Umweltversammlung der Vereinten Nationen (United Nations Environment Assembly)

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UNDP

Entwicklungsprogramm der UNO (United Nations Development Programme)

UNEP

UNO-Umweltprogramm (UN Environment Programme)

UNESCO

Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation)

UNICEF

UNO-Kinderhilfswerk (UN International Children's Emergency Fund)

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation)

UNOCHA

Amt der UNO für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs)

UNOG

UNO-Büro in Genf (United Nations Office at Geneva)

UNO-GV

UNO-Generalversammlung

UPR

Allgemeines Periodisches Überprüfungsverfahren (Universal Periodic Review)

URC2022

Ukraine Recovery Conference 2022, Lugano

USA

Vereinigte Staaten von Amerika (United States of America)

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

VIS

Europäisches Visa Informationssystem

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WEF

Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum)

WFP

Welternährungsprogramm (World Food Programme)

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organisation)

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Anhang 1

Bericht über die Menschenrechtsdiplomatie der Schweiz: Bilanz 2019­2022 1

Einleitung

Die Achtung der Menschenrechte, namentlich ihre grundlegende Orientierungsfunktion für jegliches staatliche Handeln, hat in der Schweiz eine lange Tradition. Die Menschenrechte stehen im Zentrum der Schweizer Innen- und Aussenpolitik und sind in der Bundesverfassung und in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen verankert.

Als Menschenrechte gelten diejenigen Rechte, die jedem Menschen aufgrund seines Menschseins, unabhängig von Hautfarbe und Staatsangehörigkeit, politischer oder religiöser Überzeugung, sozialer Stellung, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Alter zukommen. Sie dienen dem Schutz grundlegender Aspekte der Person und ihrer Würde. Die Menschenrechte sind eine zentrale Säule eines regelbasierten internationalen Systems, für das sich die Schweiz als weltweit vernetztes, aber unabhängiges Land einsetzt und von dem sie profitiert.

Dies ist der fünfte Bericht36 in Erfüllung des Postulats 00.3414 der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates (APK-N) vom 14. August 2000 «Regelmässige Berichterstattung über die Menschenrechtspolitik der Schweiz». Er bietet eine Übersicht der internationalen Trends (Ziff. 2), Grundlagen (Ziff. 3), Instrumente (Ziff. 4) und Schwerpunkte (Ziff. 5) der Schweizer Menschenrechtsdiplomatie sowie der Kohärenz (Ziff. 6) in deren Umsetzung. Es handelt sich nicht um einen umfassenden Bericht.

Anhand von ausgewählten Beispielen werden Schwerpunkte und Entwicklungen der Berichtsperiode 2019­2022 erläutert.37 Im Bericht wird ausserdem das Postulat 20.4334 der APK-N «Bericht über die Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsdialogs zwischen der Schweiz und China» beantwortet.

2

Internationale Trends und Herausforderungen

Vier sich zum Teil überlappende und gegenseitig verstärkende Entwicklungen haben die internationale Menschenrechtslage in der Berichtsperiode besonders geprägt: 1) Die Covid-19-Pandemie38, 2) die Verschärfung autoritärer Trends, welche die Grundlagen eines auf Rechtsstaatlichkeit basierenden multilateralen Systems zuneh36 37

38

Die letzten vier Berichte erschienen in BBl 2006 6071; BBl 2011 1013; BBl 2015 1215 und BBI 2019 1505.

Die menschenrechtspolitische Arbeit der DEZA, insbesondere der sogenannte «HumanRights-Based Approach», ist ein wichtiger Bestandteil der Umsetzung der Menschenrechtsdiplomatie des EDA. Die Arbeit der DEZA ist, wo relevant, im vorliegenden Bericht reflektiert, bildet jedoch keinen spezifischen Fokus desselben.

Es wurden grundlegendste Rechte, wie die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit, eingeschränkt. Einige Staaten nutzten diese Einschränkungen über den nach internationalem Recht zulässigen Rahmen hinaus, um eine stärkere Kontrolle über die Bevölkerung auszuüben. Die Krise führte auch zu zahlreichen Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, angefangen bei den Rechten auf Gesundheit und Bildung. Ausserdem wurde in vielen Ländern der Zugang zur Justiz eingeschränkt.

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mend gefährden, 3) die Ausbreitung digitaler Technologien, die neben zahlreichen Möglichkeiten auch eine Reihe von Risiken für den Schutz der Menschenrechte mit sich bringen, sowie 4) die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine.

In der Berichtsperiode wurden aber auch Fortschritte erzielt. Immer mehr Staaten schafften beispielsweise die Todesstrafe ab oder setzen ein Moratorium für deren Vollzug in Kraft. Die Anerkennung des Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt durch den UNO-Menschenrechtsrat im Oktober 2021 und die UNOGeneralversammlung im Juli 2022 ist ausserdem von Bedeutung. Ferner erhält die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus weltweit erhöhte Aufmerksamkeit.

Mit der Agenda 2030 bestehen globale Ziele für die nachhaltige Entwicklung, wobei deren Umsetzung hinter dem Zeitplan zurückliegt. Zudem ist das globale Interesse an den Menschenrechten, dem Schutz grundlegender Aspekte der Person und ihrer Würde, ungebrochen: In vielen Staaten der Welt, vor allem auch in autoritären, fordern mutige Menschen zum Teil unter erheblichen Gefahren ihre Rechte ein, wie die Demonstrationen in Belarus nach den Präsidentschaftswahlen 2020 zeigten.

3

Grundlagen der Schweizer Menschenrechtsdiplomatie

Die Bundesverfassung beauftragt den Bundesrat, «zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie beizutragen» (Art. 54 Abs. 2 BV39). Gemäss Artikel 2 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 200340 über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte soll der Bund «zur Stärkung der Menschenrechte beitragen, indem er die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Personen oder Personengruppen fördert». Konkretisiert werden die Menschenrechte auf verschiedenen Ebenen des Schweizer Rechts sowie in internationalen Verträgen, wie der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)41 oder den Menschenrechtsübereinkommen42 der UNO.

Auf politischer Ebene legt die Aussenpolitische Strategie 2020­202343 (APS 20­23) fest, wie sich die Schweiz für den Schutz der Menschenrechte einsetzt. Auch in Folgestrategien sind die Menschenrechte ein wichtiges Thema, zum Beispiel in der Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­202444, die auch Ziele und Instrumente zur Förderung der Menschenrechte definiert, oder in der Strategie Digitalaussenpolitik 2021­202445.

39 40 41 42 43 44

45

SR 101 SR 193.9 SR 0.101 SR 0.103.1 und SR 0.103.2 Aussenpolitische Strategie 2020­2023. Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > Aussenpolitik > Strategien und Grundlagen > Aussenpolitische Strategie.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024. Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > Aussenpolitik > Strategien und Grundlagen > Thematische Strategien.

Strategie Digitalaussenpolitik 2021­2024. Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > EDA > Publikationen.

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Die konkrete Umsetzung der Menschenrechtsdiplomatie erfolgte in der Berichtsperiode im Rahmen der ersten Menschenrechtsstrategie des EDA 2016­201946, der EDAStrategie zu Geschlechtergleichstellung und Frauenrechten47 sowie den EDALeitlinien Menschenrechte 2021­202448. Die Förderung der Menschenrechte ist auch integraler Bestandteil von Länderstrategien oder thematischen Aktionsplänen. Die DEZA-Richtlinien zu Menschenrechten in der Entwicklung und Zusammenarbeit tragen zur Operationalisierung der EDA-Leitlinien Menschenrechte 2021­2024 bei.

Die Menschenrechtsstrategie des EDA 2016­2019 basierte auf folgenden drei Zielen: 1. Universalität, Interdependenz und Unteilbarkeit der Menschenrechte fördern und wahren. 2. Einen kohärenten internationalen Bezugsrahmen gewährleisten und die Menschenrechtsinstitutionen und -mechanismen stärken. 3. Das Engagement der massgeblichen Menschenrechtsakteure stärken und sie besser einbinden.

Basierend auf der Kaskade der aussenpolitischen Grundlagendokumente lösten die Leitlinien Menschenrechte 2021­2024 die Menschenrechtsstrategie 2016­2019 des EDA ab. Durch klare Prinzipien und konkrete Aktionsfelder sollen die Wirksamkeit und die Kohärenz bei der Förderung der Menschenrechte gestärkt werden.

4

Instrumente

Die Schweiz spricht die Menschenrechte ­ getreu dem Universalitätsprinzip ­ grundsätzlich mit allen Staaten und auf jeder Ebene an. Um die beschränkten zur Verfügung stehenden Mittel möglichst wirksam einzusetzen, wird priorisiert, indem einzelnen Staaten oder thematischen Bereichen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dabei orientiert sich die Schweiz an den im Rahmen der Leitlinien, der APS 20­23 und der in der Strategie der internationalen Zusammenarbeit definierten Zielen und Schwerpunktländern, wobei sie flexibel auf neue Entwicklungen reagiert. Um Wirkung zu erzielen, steht der Schweiz ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung, das sie bilateral und multilateral einsetzen kann. Dazu gehören Aktivitäten der schweizerischen Vertretungen im Ausland, Menschenrechtsdialoge, Projekte oder multilaterale Initiativen.

4.1

Bilaterale Instrumente

Die politischen Konsultationen verankern die Schweizer Position und Grundsätze im bilateralen Kontakt mit anderen Staaten und schaffen Kohärenz zu multilateralen Aktivitäten sowie dem internationalen Rechtsrahmen. Ergänzend dazu führt die Schweiz mit ausgewählten Staaten einen strukturierten Austausch in Form von

46 47 48

Menschenrechtsstrategie des EDA 2016­2019. Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > EDA > Publikationen.

EDA-Strategie zu Geschlechtergleichstellung und Frauenrechten. Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > EDA > Publikationen.

EDA-Leitlinien Menschenrechte 2021­2024. Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > Aussenpolitik > Frieden und Menschenrechte > Menschenrechtsdiplomatie.

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spezifischen Menschenrechtsdialogen und -konsultationen. Aktuell sind dies folgende Länder: Brasilien, China, Iran, Indonesien, Mexiko, Nigeria, Russland und Südafrika.

Brasilien Der Menschenrechtsdialog mit Brasilien wurde 2018 auf der Grundlage eines «Memorandum of Understanding» (MoU) aufgenommen. Zwischen 2019 und 2022 fanden vier Gesprächsrunden statt. Auf multilateraler Ebene ermöglichten sie eine Annäherung in Bezug auf das Recht auf Privatsphäre, digitale Fragen und die Sicherheit von Medienschaffenden. Im Berichtszeitraum nahmen die Differenzen in Bezug auf die Rechte der Frauen und insbesondere die sexuellen und reproduktiven Rechte zu.

In jeder Dialogrunde wurden die nationalen Herausforderungen thematisiert, was der Schweiz unter anderem erlaubte, ihre Besorgnis über die Situation der indigenen Völker und die Abholzung des Regenwalds zum Ausdruck zu bringen.

China Dem Postulat 20.4334 der APK-N Bericht über die Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsdialogs Schweiz­China49 folgend geht dieses Unterkapitel auf den aktuellen Stand, Erfolge und Herausforderungen des Menschenrechtsdialogs zwischen der Schweiz und China ein. Dies ist eine Fortsetzung der Berichterstattung über den Menschenrechtsdialog zwischen der Schweiz und China, die bereits im Bericht über die Menschenrechtspolitik der Schweiz: Bilanz 2015­201850 und in der China-Strategie 2021­202451 vorgenommen wurde.

Der erste bilaterale Menschenrechtsdialog zwischen der Schweiz und China fand 1991 statt und wurde in den 1990er Jahren fünfmal abgehalten. Federführend auf chinesischer Seite war das Justizministerium. Nach mehrjährigem Unterbruch wurde der Menschenrechtsdialog 2002 weitergeführt, seitens China unter der Leitung des Aussenministeriums. Der letzte Menschenrechtsdialog fand im Juni 2018 statt, womit bisher insgesamt sechzehn Dialogrunden durchgeführt worden sind. China hat den Dialog daraufhin zweimal abgesagt: Im Juni 2019 begründete China die Absage damit, dass die Schweiz einen gemeinsamen Brief an den Präsidenten des UNO-Menschenrechtsrates zur Situation in Xinjiang mitunterzeichnet hatte, im Februar 2020 mit der Covid-19-Pandemie. Die Vorbereitungen für eine weitere Dialogrunde wurden im November 2021 wiederaufgenommen. Wenn China den Dialog an Forderungen zum Verhalten der Schweiz in multilateralen Foren knüpft,
welche inkohärent mit der Schweizer Menschenrechtsdiplomatie sind, dann kann der Dialog jedoch nicht erzwungen werden.

Die Schweiz wandte in der Berichtsperiode das gesamte ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium der Menschenrechtsdiplomatie gegenüber China an: Bilaterale Demarchen zu konkreten Einzelfällen und hochrangige Gespräche wurden durch die multilateralen Aktivitäten am UNO-Menschenrechtsrat und an der UNO-Generalversammlung ergänzt, wo sich die Schweiz regelmässig zur Menschenrechtssituation 49

50 51

Das Postulat vom 9. November 2020 hat folgenden Wortlaut: «Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament einen Bericht über die Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsdialogs Schweiz-China vorzulegen».

BBI 2019 1568 China-Strategie 2021­2024. Abrufbar unter: www.eda.admin.ch > EDA > Publikationen.

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in China äussert. Wie bereits in der China-Strategie 2021­2024 festgehalten ist, ergänzen sich die bilaterale und multilaterale Menschenrechtsdiplomatie.

Im Nachgang an das Tiananmen-Massaker vom 4. Juni 1989 bemühte sich China 1991 um die erste Runde des Menschenrechtsdialogs mit der Schweiz. Damals wurde der Schweiz ein exklusiver Zugang zu politischen Gefangenen tibetischer Ethnie in der Autonomen Region Tibets gewährt, welcher ­ vereinzelt ­ eine bessere Behandlung der Gefangenen zur Folge hatte. Die Bereitschaft Chinas, Menschenrechtsfragen zu diskutieren, nahm in den vergangenen Jahren mit Verweis auf die angebliche Einmischung in innere Angelegenheiten ab. Die Schweiz konnte sich in den offiziellen Dialogen zwar noch immer mit einer Vielzahl an chinesischen Ministerien über Menschenrechte austauschen, konkrete Resultate blieben jedoch meist aus. China zeigte sich beispielsweise zunehmend verschlossen, detailliert über Fälle von politischen Gefangenen zu sprechen. Zugleich hat sich die Situation in China in Bezug auf Meinungsäusserungsfreiheit, Schutz der Privatsphäre, Rechte von Minderheiten sowie Druckversuche gegenüber Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern deutlich verschlechtert.

Seit 2003 fand regelmässig ein Expertenaustausch im Bereich Strafjustizvollzug als Begleitprojekt des Menschenrechtsdialogs statt. Alternierend besuchten chinesische und schweizerische Delegationen Gefängnisse. Die Schweiz war bis anhin das einzige Land, welches Zugang zu Chinas Gefängnissen erhielt. Seit Juni 2019 hat kein Expertenaustausch mehr stattgefunden.

Trotz der Divergenzen und unbefriedigenden Ergebnisse bleibt der Menschenrechtsdialog ein wichtiges bilaterales Instrument. Kohärent zur China-Strategie 2021­2024 wird sich die Schweiz weiterhin für die Wiederaufnahme des bilateralen Menschenrechtsdialogs mit China einsetzen. Entscheidend dafür, ob der Einsatz für die Menschenrechte gegenüber China Wirkung hat, ist jedoch die konsequente Vertretung der Anliegen auf allen Stufen sowie in multilateralen Gremien.

Indonesien Die Schweiz führt seit 2005 regelmässige Menschenrechtskonsultationen mit dem indonesischen Ministerium für Recht und Menschenrechte durch. Die von der schweizerischen Botschaft in Jakarta geführten jährlichen Austausche haben in der Berichtsperiode viermal stattgefunden
und wurden durch eine konkrete Zusammenarbeit in der Folterprävention ergänzt.

Iran Die Schweiz führt seit 2003 einen hochrangigen Menschenrechtsdialog mit dem Iran.

Mit der Unterzeichnung einer Roadmap für die bilaterale Zusammenarbeit wurde entschieden, den Menschenrechtsdialog nach fünfjähriger Unterbrechung 2016 wieder aufzunehmen. Die letzte Runde fand im Juni 2019 in Bern statt. Nach der pandemiebedingten Unterbrechung ist die nächste Dialogrunde 2023 vorgesehen. Im Einklang mit ihrer politischen Arbeit unterstützte die Schweiz im Iran Projekte von UNICEF und des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte im Bereich des Jugendstrafrechts. Die Schweiz intervenierte zudem mehrmals bei den iranischen Behörden, um sich gegen die Anwendung der Todesstrafe und die Nichteinhaltung der völkerrechtlichen Mindestgarantien auszusprechen ­ insbesondere bei der Hinrichtung von 60 / 102

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Personen, die zum Zeitpunkt der Straftat noch minderjährig waren ­ sowie um andere Menschenrechtsfragen zu diskutieren.

Mexiko Auf Wunsch Mexikos wurde 2018 ein bilateraler Menschenrechtsdialog eingeleitet.

Zwischen 2019 und 2022 fanden vier Runden statt, zwei davon virtuell. Auf multilateraler Ebene haben diese Dialoge namentlich die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Todesstrafe gestärkt. So war dieses Thema Gegenstand einer Resolution, welche die Schweiz und Mexiko 2020 gemeinsam in der UNO-Generalversammlung einbrachten. Die Dialogrunden boten zudem Gelegenheit, die Situation in Mexiko offen anzusprechen, insbesondere die zahlreichen Morde an Medienschaffenden und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, die häusliche Gewalt sowie das Verschwindenlassen von Personen. Mit der «Ecole des sciences criminelles» der Universität Lausanne wurde in diesem Bereich eine gemeinsame Zusammenarbeit initiiert.

Nigeria Die Schweiz und Nigeria führen seit 2011 jährliche Menschenrechtskonsultationen durch. Aufgrund der Covid-19-Pandemie fanden 2020 und 2021 keine Dialogrunden statt. Die Herausforderungen im Bereich der Justiz und des Strafvollzugs stellen einen Schwerpunkt der Menschenrechtskonsultationen dar. Deshalb wurden zwei Projekte im Bereich der Polizei und der Gefängnisadministration unterstützt. In der Berichtsperiode konnten auch das Thema Wirtschaft und Menschenrechte vertieft und die Mitgliedschaft Nigerias bei den Freiwilligen Grundsätzen für Sicherheit und Menschenrechte (Voluntary Principles, VPs) aufgegleist werden. Anlässlich der letzten Konsultationsrunde vom 10. Juni 2022 in Bern wurde vereinbart, in Zukunft vermehrt im Bereich «Digital Compliance» sowie sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zusammenzuarbeiten.

Russland Von 2019 bis 2021 fanden jährlich bilaterale Menschenrechtskonsultationen zu multilateralen Menschenrechtsthemen im Rahmen der UNO, des Europarates sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) statt. Dabei konnten punktuell innerstaatliche Herausforderungen in Russland sowie internationale Fragen, wie beispielsweise die Situation in der Ukraine oder Belarus, diskutiert werden.

Die Konsultationen erlaubten es, die schweizerischen Positionen in diesen Bereichen detailliert darzulegen und dienten als Schirm für weitere Aktivitäten,
wie den Dialog der Schweizer Botschaft in Moskau zu Menschenrechtsfragen mit regionalen Akteuren, die Umsetzung von Projekten (z. B. Unterstützung der Menschenrechtsorganisation Memorial), die Zusammenarbeit mit den russischen Gefängnisbehörden zur Verbesserung der Haftbedingungen oder die Kontaktpflege mit Menschenrechtsorganisationen. Im Juni 2021 fand die 19. Dialogrunde statt. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist jedoch die Grundlage für einen zielführenden und wirkungsorientierten Austausch zu Menschenrechtsfragen vorerst nicht mehr gegeben. Mit dem Ausschluss der Russischen Föderation aus dem Europarat im März verbleiben primär die UNO sowie die OSZE als multilaterale Foren, wo die Menschenrechtlage in Russland thematisiert wird.

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Südafrika Die Schweiz und Südafrika führen seit 2015 im Rahmen der hochrangigen Konsultationen jährlich einen Menschenrechtsdialog durch. Die fünfte Runde fand im November 2021 im virtuellen Format statt, nachdem 2019 und 2020 die Konsultationen aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht abgehalten werden konnten. Neben den nationalen Entwicklungen und Prioritäten im Menschenrechtsbereich wurde über die Prioritäten und Positionen im multilateralen Rahmen diskutiert. Ein konkretes Resultat des Dialogs war ein Studienbesuch im Bereich der Folterprävention der südafrikanischen Menschenrechtskommission in der Schweiz, welcher am 7. Oktober 2022 stattfand.

4.2

Multilaterale Instrumente

UNO Die Schweiz setzt sich für einen starken internationalen Rechtsrahmen zum Schutz der Menschenrechte ein. Zu diesem Zweck ist sie in den relevanten UNO-Gremien für die Verwirklichung der Menschenrechte aktiv, insbesondere im UNO-Menschenrechtsrat, in der UNO-Generalversammlung sowie in Organen des Wirtschafts- und Sozialrates. Der Einbezug gesellschaftlicher Akteure, der Wissenschaft oder von Unternehmen ist zentral für einen wirksamen Multilateralismus. Entsprechend fördert die Schweiz die Zusammenarbeit zwischen multilateralen Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren. Dabei nutzt die Schweiz das Potenzial des internationalen Genf. Ferner arbeitet sie eng mit den UNO-Sonderberichterstatterinnen und Sonderberichterstattern sowie mit unabhängigen Expertinnen und Experten des UNO-Menschenrechtsrates zusammen.

Zwischen 2019 und 2022 nahm die Schweiz als Beobachterstaat (Nichtmitglied) aktiv an den Arbeiten des UNO-Menschenrechtsrates (MRR) teil. Sie gehört zudem mehreren Ländergruppen an, mit denen sie Resolutionen zu folgenden Themen eingebracht hat: Todesstrafe, friedliche Demonstrationen und das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt.52 Im Jahr 2022 trat die Schweiz der Ländergruppe bei, die für die Resolution zur Umsetzung der 2011 verabschiedeten UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zuständig ist.53 Im Dritten Ausschuss der UNO-Generalversammlung beteiligt sich die Schweiz ebenfalls an den Verhandlungen zu thematischen und länderspezifischen Resolutionen.54 Zudem engagiert sich die Schweiz für die Stärkung der Effizienz der Arbeitsmethoden, sowohl des UNOMenschenrechtsrates als auch der verschiedenen Vertragsorgane. Zu diesem Zweck

52 53 54

Die Schweiz hat sich für einen Resolutionsentwurf mit programmatischem Charakter eingesetzt, der das Recht auf saubere Umwelt als individuelles Menschenrecht anerkennt.

Die Resolution wird 2023 im UNO-Menschenrechtsrat verhandelt.

Im Rahmen der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe leitete die Schweiz gemeinsam mit Mexiko im Herbst 2020 die Verhandlungen einer Resolution, die ein Moratorium verlangt (siehe auch Ziff. 5.3). 2022 erreichte sie zudem gemeinsam mit Costa Rica, den Malediven, Marokko und Slowenien die universelle Anerkennung des Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt durch die UNO-Generalversammlung (siehe auch Ziff. 5.6).

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hat sie 2020 beispielsweise als Ko-Fazilitatorin zusammen mit Marokko den Überprüfungsprozess der Funktionsweise der Vertragsorgane unterstützt.

Die Einhaltung und Anwendung der von den Staaten ratifizierten Menschenrechtsübereinkommen wird auf UNO-Ebene durch die Vertragsorgane der jeweiligen Übereinkommen sichergestellt, welche den Staaten auf der Basis von Staatenberichten und Individualbeschwerden Empfehlungen abgeben. Pandemiebedingt kam es auch bei der Berichterstattung der Schweiz an die UNO-Vertragsorgane zu Verzögerungen.

Dennoch konnten im Berichtszeitraum sechs Staatenberichte55 präsentiert werden.

Die allgemeine regelmässige Überprüfung (UPR) im UNO-Menschenrechtsrat geht auf eine Initiative der Schweiz zurück. Die UPR wird unter Mitwirkung aller UNOMitgliedstaaten im «Peer-to-Peer Review»-Verfahren durchgeführt. Die Schweiz gibt bei rund zwei Dritteln aller überprüften Staaten Empfehlungen ab, verfolgt deren Umsetzung und leistet bei Bedarf Unterstützung. Die nächste UPR der Schweiz findet am 27. Januar 2023 statt. In Vorbereitung auf diese erarbeitete die Schweiz 2022 unter Einbezug aller involvierten Bundesämter, der Kantone sowie der Zivilgesellschaft den Staatenbericht, in welchem Bilanz über die Umsetzung der angenommenen Empfehlungen des letzten UPR-Zyklus gezogen wurde.

Das Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) ist die wichtigste Partnerorganisation der Schweiz im Bereich der Menschenrechte auf multilateraler Ebene. Die Schweiz arbeitet sowohl mit dem Büro in Genf wie auch in ausgewählten Länderkontexten56 eng mit dem OHCHR zusammen. Mit jährlich rund 8 Millionen USDollar gehörte sie in der Berichtsperiode zu den wichtigsten Beitragszahlerinnen. Die finanzielle Unterstützung dient auch der Standortattraktivität des internationalen Genf als Zentrum der Menschenrechte. Auch mit der Unterstützung der «Académie de droit international humanitaire et de droits humains» und der Organisation von Menschenrechtskonferenzen, wie dem «Glion Human Rights Dialogue», bietet die Schweiz den Mitgliedstaaten sowie wichtigen Expertinnen und Experten sowie Organisationen im Bereich der Menschenrechte Plattformen für offene und innovative Diskussionen.

Europarat Der Europarat ist zentral für den Menschenrechtsschutz in Europa, wobei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine besonders wichtige Rolle zukommt. Der EGMR ist für viele Menschen in Europa die einzige Möglichkeit, sich 55

56

6. Bericht der Schweiz über die Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Präsentation 21.10.2022); Initialbericht der Schweiz über die Umsetzung des Internationalen Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (14.­16.03.2022); 10.­12. Bericht der Schweiz über die Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (Präsentation 16.­17.12.2021); 5. und 6. Bericht der Schweiz zum UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Präsentation 20.09.2021); Bericht der Schweiz zur Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (Präsentation 13.­15.4.2021); 4. Staatenbericht der Schweiz über die Umsetzung des Übereinkommens zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten (UNO-Pakt I) (Präsentation 1.-2.10.2019).

In der Berichtsperiode unterstützte die Schweiz die Arbeit des OHCHR in Bolivien, Honduras, Kolumbien, Iran, Nicaragua, Sudan, Syrien, Ukraine und dem Besetzten palästinensischen Gebiet (OPT).

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gegen Menschenrechtsverletzungen zu wehren. Die Schweiz setzt sich im Europarat für die konsequente Umsetzung der Urteile des EGMR durch alle Mitgliedstaaten ein.

Im Berichtszeitraum befasste sich das Ministerkomitee unter anderem mit der Umsetzung der Urteile zugunsten von Osman Kavala und Selahattin Demirtas gegen die Türkei sowie von Alexei Nawalny gegen Russland. Im Februar 2022 löste es im Fall Kavala ein Vertragsverletzungsverfahren (das zweite in seiner Geschichte) gegen die Türkei aus, da der Beschwerdeführer trotz Urteil des EGMR weiterhin inhaftiert bleibt. Punktuell unterstützte die Schweiz den Europarat mit konkreten Projektbeiträgen, beispielsweise für den «Human Rights Trust Fund», sowie mit einem ausserordentlichen Beitrag für den EGMR, damit prioritäre Fälle rasch beurteilt werden können. Im März 2022 wurde Russland aufgrund seines Angriffs auf die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossen. Damit entfällt beispielsweise die Möglichkeit für russische Bürgerinnen und Bürger den EGMR anzurufen.

OSZE Die Teilnehmerstaaten der OSZE haben im Sinne des umfassenden Sicherheitsansatzes festgehalten, dass dauerhafte Sicherheit ohne die Achtung der Menschenrechte und ohne funktionierende demokratische Institutionen nicht erreicht werden kann. Die Schweiz setzte sich in der Berichtsperiode in der OSZE dafür ein, dass die Einhaltung der Menschenrechte wieder vermehrt als Instrument der Konfliktprävention verstanden wird. Sie unterstützte Projekte (Ziff. 5.1) und entsandte Expertinnen und Experten. Ausserdem engagierte sie sich für die Durchführung der jährlichen OSZEMenschenrechtskonferenz «Human Dimension Implementation Meeting» (HDIM).57 Mit dem OSZE-Aktionsplan 2022­2025 soll das Profil der Schweiz in der OSZE auch in Bezug auf die Menschenrechte geschärft werden. Im Frühjahr 2022 trug die Schweiz ausserdem erstmals die Aktivierung des Moskauer Mechanismus mit.58 Im Jahr 2022 wurde dieser Mechanismus drei Mal aktiviert, zwei Mal zu den menschenrechtlichen und humanitären Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Bevölkerung in der Ukraine sowie einmal zur Menschenrechtslage in Russland.

Weitere regionale Organisationen Im Rahmen der sektoriellen Dialogpartnerschaft zwischen der Schweiz und dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) wurden ebenfalls verschiedene Menschenrechtsprojekte
in den Bereichen Meinungsäusserungsfreiheit, Folterprävention sowie Wirtschaft und Menschenrechte durch Schweizer Expertise und Finanzierung unterstützt. In Bezug auf die Afrikanische Union (AU) hat die Schweiz von Mitte 2020 bis Mitte 2021 eine Menschenrechtsexpertin in die Abteilung Frieden und Sicherheit entsandt. Seit 2020 ist eine Expertin im Büro der UNO bei der AU tätig.

Ihre Arbeit trägt dazu bei, die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts im Rahmen der Friedensmissionen der AU zu stärken.

57

58

Das HDIM konnte im Jahr 2020 pandemiebedingt nicht stattfinden, seit 2021 scheitert die Durchführung der Konferenz an der wenig konstruktiven Haltung Russlands. 2022 entschied der Vorsitz deshalb auf eigene Kosten eine Konferenz durchzuführen, welche die Schweiz unterstützte.

Dies ist ein Instrument der 3. Dimension der OSZE zur Untersuchung von allfälligen Verletzungen des internationalen Rechts oder der Menschenrechte in einem spezifischen Teilnehmerstaat.

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5 5.1

Schwerpunkte Meinungsäusserungsfreiheit

Die Stärkung der Meinungsäusserungsfreiheit59 ist in der APS 20­23 als ein Schwerpunkt zur Förderung der Menschenrechte definiert. Auf multilateraler Ebene brachte sich die Schweiz in der Berichtsperiode aktiv in die Verhandlungen von Resolutionen und Beschlüssen zu Meinungsäusserungsfreiheit und Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten ein. Die Schweiz unterstützte das Mandat der UNO-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung sowie der OSZEMedienbeauftragten, die im November 2021 zu einem Arbeitsbesuch in die Schweiz reiste. Da Journalistinnen einem zunehmenden Risiko sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind, unterstützte die Schweiz zwei Phasen des OSZEProjekts «Safety of Female Journalist Online». Auch im Europarat war die Schweiz im Bereich der Meinungsäusserungsfreiheit aktiv. Mit einem Beitrag an die Plattform für den Schutz von Journalistinnen und Journalisten unterstützt sie die Bestrebungen des Europarates seit 2022 auch finanziell. Die Schweiz ist Mitglied mehrerer Koalitionen, wie der «Media Freedom Coalition» sowie der «Freedom Online Coalition», um die Stärkung der Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit weltweit ­ online und offline ­ zu fördern. 2019 ist sie ausserdem der Partnerschaft für Information und Demokratie beigetreten. Ebenfalls unterstützt sie den «Global Media Defense Fund» sowie den «International Fund for Public Interest Media».

5.2

Folter

Auf diplomatischer Ebene förderte die Schweiz die Ratifikation der Anti-Folter-Konvention der UNO (UNCAT) sowie deren Fakultativprotokoll (OPCAT). In der Berichtsperiode sind acht Staaten neu der Anti-Folter-Konvention sowie zwei Staaten neu dem Fakultativprotokoll beigetreten.60 Gemeinsam mit Partnerorganisationen unterstützte die Schweiz ausgewählte Staaten zudem bei der Umsetzung der entsprechenden Verpflichtungen, indem beispielsweise nationale Präventionsmechanismen zur Überwachung von Haftorten gestärkt wurden. Weiter setzte sich die Schweiz für lokale zivilgesellschaftliche Akteure ein, welche sich gegen Folter engagieren. Dies geschah unter anderem, indem ihnen ermöglicht wurde, sich im Rahmen von Länderüberprüfungen durch den UNO-Ausschuss gegen Folter (CAT) zielgerichtet mit eigenen Analysen zur Situation einzubringen. Weiter unterstützte das EDA internationale Institutionen, welche sich gegen Folter einsetzen, finanziell oder mit Expertise.

Bei der Stärkung des normativen Rahmens mittels Unterstützung der Schweiz konnten mit dem OSZE-Ministerratsbeschluss zur Folterbekämpfung im Jahr 202061 oder 59 60 61

Sie beinhaltet das Recht, sich eine eigene Meinung zu bilden und sie zu äussern, sowie Informationen und Ideen aller Art zu suchen, zu empfangen und weiterzugeben.

UNCAT: Samoa, Kiribati, Grenada, Angola, Oman, St. Kitts & Navis, Sudan und Suriname; OPCAT: Island und Lettland.

Decision No. 7/20 prevention and eradication of torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment. Abrufbar unter: www.osce.org > Home > Resources > Documents by the OSCE Decisionmaking bodies > 27th OSCE Ministerial Council, Tirana 2020.

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der Lancierung neuer Prinzipien für effiziente und menschenrechtskonforme Verhörmethoden62 im Jahr 2021 neue Akzente gesetzt werden. In Bezug auf die Menschenrechtskrise in Belarus nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im August 2020 unterstützte die Schweiz zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Dokumentation von Folterfällen.

5.3

Todesstrafe

Auf internationaler Ebene setzte die Schweiz ihre führende Rolle in der Bewegung für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe fort. Im Berichtszeitraum haben sechs neue Staaten (Äquatorialguinea, Kasachstan, Papua-Neuguinea, Sierra Leone, der Tschad und die Zentralafrikanische Republik) die Todesstrafe vollständig abgeschafft, so dass es nun insgesamt 112 Staaten sind. Im bilateralen Rahmen thematisierte die Schweiz regelmässig die Frage der Todesstrafe mit Ländern, die sie immer noch anwenden, und machte konkrete Vorschläge zur Einschränkung, Aussetzung oder Abschaffung derselben. Sie unternahm auch zahlreiche diplomatische Demarchen in Fällen, in denen durch die Vollstreckung der Todesstrafe völkerrechtliche Mindestgarantien verletzt wurden63 (z. B. im Iran und in Singapur). Auf multilateraler Ebene leitete die Schweiz 2020 zusammen mit Mexiko die Verhandlungen über eine Resolution, die von der UNO-Generalversammlung ein Moratorium für die Todesstrafe verlangte (vgl. Ziff. 4.1). 124 Mitgliedstaaten stimmten für die Resolution, die bisher grösste Unterstützung für diese Initiative. 2019 und 2021 brachte die Schweiz mit einer Gruppe von Partnerstaaten eine Resolution zum Schutz der Menschenrechte im Zusammenhang mit der Todesstrafe ein, die sich mit der Wiedereinführung der Todesstrafe (2019) und der Transparenz (2021) befasste. Die Schweiz unterstützte zudem globale Initiativen, darunter den Weltkongress gegen die Todesstrafe, der 2019 in Brüssel und 2022 in Berlin stattfand.

5.4

Minderheiten

Gemäss den EDA-Leitlinien Menschenrechte 2021­2024 ist der Schutz von Minderheiten auf internationaler und regionaler Ebene ein Schwerpunkt der Schweiz. Bilateral thematisierte die Schweiz während der Berichtsperiode regelmässig Minderheitenrechte in Menschenrechts- und politischen Dialogen. Sie förderte zudem den Einbezug und Schutz der Rechte von Minderheiten durch gezielte Projekte in ausgewählten Partnerländern im Rahmen der IZA (Bangladesch, Honduras, Kosovo und Nepal).

Mit der Unterstützung des Minderheitenprogramms des Hochkommissars für nationale Minderheiten (HCNM) der OSZE in Georgien legte die Schweiz einen Schwerpunkt auf die Stärkung der mehrsprachigen Bildung, die Förderung der Beteiligung nationaler Minderheiten am öffentlichen Leben, die Förderung des Zugangs zu Medien und Information sowie auf die politische Unterstützung der Arbeit des HCNM.

62 63

www.interviewingprinciples.com Dabei geht es zum Beispiel um die Hinrichtung von Personen, die zum Zeitpunkt der Straftat minderjährig waren, von schwangeren Frauen oder von Menschen mit Behinderungen.

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Im Rahmen ihrer Aktivitäten zum Schutz von nationalen Minderheiten legte die Schweiz am 1. Oktober 2021 ihren fünften Bericht zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vor. Er wurde mit dem periodischen Bericht über die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen kombiniert. Weiter setzte sich die Schweiz weltweit gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Genderidentität sowie gegen Antisemitismus und Holocaustleugnung ein.

5.5

Wirtschaft

Die Schweiz unterstützt die weltweite Anwendung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) und setzt diese mittels konkreter Massnahmen im Nationalen Aktionsplan (NAP) 2020­2023 um (Ziff. 6.2). Neben der Umsetzung der 35 im NAP festgelegten Massnahmen arbeitete der Bund an mehreren Aktivitäten zur Förderung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht. 2021 führte der Bund das erste «Swiss Forum on Business and Human Rights» durch. 2021 lancierte er zudem verschiedene Aktivitäten zur Sensibilisierung und Unterstützung des Privatsektors durch sektorspezifische Workshops. Es fanden rund 20 Veranstaltungen statt. In Zusammenarbeit mit den Kantonen und Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern hat der Bund über 2500 Exemplare des 2018 erarbeiteten Leitfadens zur Umsetzung der UNGP im Rohstoffhandelssektor64 verteilt. Etwa 200 Personen, die im Rohstoffhandel tätig sind, wurden seither zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung geschult. Zusätzlich wurde eine eigene Website65, welche die konkrete Anwendung des Leitfadens beschreibt, eingerichtet. 2019 präsidierte die Schweiz den Vorsitz der VP und lancierte zu deren Umsetzung Projekte in der Demokratischen Republik Kongo, Mosambik, Myanmar, Nigeria und Peru. Parallel dazu hatte sie den Vorsitz der «Association of the International Code of Conduct on Private Security Companies» inne. Ferner wurde das von der Schweiz 2018 mitgegründete Zentrum für Sport und Menschenrechte in Genf im Juli 2021 zu einem Verein nach Schweizer Recht.

Die Schweiz unterstützte auch die Ausarbeitung von Leitlinien durch das OHCHR zur Achtung der Menschenrechte im Bereich der neuen Technologien. Sie beruhen auf den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und sollen den Dialog zwischen Staaten, Privatsektor und Zivilgesellschaft fördern. Zu den Schwerpunkten im Bereich Menschenrechte und Digitalisierung gehören die Bekämpfung von Internetabschaltungen sowie die Unterstützung von Bestrebungen zur Verteidigung der freien Meinungsäusserung im Internet.

64

65

Leitfaden zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch den Rohstoffhandelssektor. Abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Publikationen > Aussenwirtschaft > CSR und Korruptionsbekämpfung.

www.commodity-trading.org

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5.6

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist einer der vier thematischen Schwerpunkte der APS 20­23. Ohne nachhaltige Entwicklung können viele Menschenrechte nicht gewährleistet werden, darunter wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Gleichzeitig können Massnahmen für eine nachhaltige Entwicklung (z. B. nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, wirksame Umsetzung des Pariser Klimaabkommens) Auswirkungen auf die Menschenrechte haben. Die Schweiz setzt sich deshalb nicht nur für die bürgerlichen und politischen, sondern auch für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ein. Dabei konzentrierte sie sich auf die Förderung einer menschenrechtskonformen Drogenpolitik und des Rechts auf Wasser: zwei Bereiche, in denen sie aufgrund ihrer nationalen Erfahrung über besondere Expertise verfügt.

Ausgehend vom Auftrag der Bundesverfassung zur Achtung der Menschenrechte und zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 54 BV) setzte sich die Schweiz in der UNO für eine kohärente Politik in Umwelt- und Menschenrechtsfragen ein und brachte zusammen mit Costa Rica, den Malediven, Marokko und Slowenien regelmässig Resolutionen ein, welche diese Wechselwirkung thematisierten. Auf Initiative dieser Staatengruppe haben der UNO-Menschenrechtsrat und die UNO-Generalversammlung 2021 beziehungsweise 2022 Resolutionen verabschiedet, die das Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt anerkennen. Diese Resolutionen des UNO-Menschenrechtsrates und der UNO-Generalversammlung sind grundsätzlich programmatisch ausgestaltet und schaffen keine völkerrechtlich verbindlichen oder einklagbaren Verpflichtungen.

5.7

Frieden und Sicherheit

Die Achtung der Menschenrechte ist ein zentrales Element der Konfliktprävention.

Sie stärkt demokratische Institutionen und politischen Pluralismus und damit die Legitimität und Rationalität in den Entscheidungsprozessen. Die Schweiz setzte sich mithilfe der gemeinsam mit Deutschland geleiteten «Human Rights and Conflict Prevention Caucus»-Gruppen von gleichgesinnten Staaten in der UNO in Genf und New York für die stärkere Verschränkung der UNO-Pfeiler Frieden/Sicherheit und Menschenrechte ein. Beispielsweise wurden im Namen dieser Gruppe im UNO-Sicherheitsrat mehrere gemeinsame Erklärungen mit einem Fokus auf die Wichtigkeit der Menschenrechte in der Konfliktprävention verlesen. Die Caucus-Gruppe unterstützte auch Briefings mit Menschenrechtsexpertinnen und -experten im UNO-Sicherheitsrat oder organisierte Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der beiden UNO-Pfeiler in New York und Genf. Zum selben Zweck organisierte die Schweiz, gemeinsam mit Finnland Anfang 2020 eine hochrangige Konferenz in Wilton Park66 zum Thema «Peace, Security and Human Rights» mit Vertreterinnen und Vertretern von Regierungen, UNO und Zivilgesellschaft. Im September 2020 verabschiedete der UNOMenschenrechtsrat eine von der Schweiz gemeinsam mit Norwegen, Sierra Leone und 66

Weitere Konferenzen fanden in der Berichtsperiode zu folgenden Themen statt: «Reenergizing the narrative: human rights in the digital age (2019) und Human Rights Narratives / Challenges» (2022).

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Uruguay präsentierte Resolution zur Stärkung der Rolle des UNO-Menschenrechtsrates bei der Prävention von Menschenrechtsverletzungen. Die vom Bundesrat am 25. Mai 2022 vorgelegten Prioritäten für den Einsitz im UNO-Sicherheitsrat 2023­2024 schliessen auch die Menschenrechte ein. Dies trifft insbesondere auf die Prioritäten zur Förderung eines nachhaltigen Friedens und zum Schutz der Zivilbevölkerung zu.

5.8

Rechte der Frauen

Die Schweiz setzt sich sowohl bilateral als auch multilateral gezielt für die wirtschaftliche Unabhängigkeit und effektive politische Teilhabe von Frauen ein. In der internationalen Zusammenarbeit fokussiert sie sich auf eine bessere Positionierung der Frauen im Arbeitsmarkt, beispielsweise mit gezielten Berufsbildungsangeboten, Zugang zu Produktionsmitteln oder Erwerb von Landrechten. Sie engagiert sich darüber hinaus für den Schutz und die Stärkung von Menschenrechtsverteidigerinnen und Journalistinnen und setzt sich für die Eliminierung jeglicher Formen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein.

Auf multilateraler Ebene nahm die Schweiz an der jährlichen Session der Kommission für die Rechtstellung der Frau (CSW) teil. Als Ko-Vorsitzende der Überprüfungskonferenz der Aktionsplattform im Jahr 2020 bekräftigte die Schweiz ihre internationalen Verpflichtungen und betonte vor der UNO-Generalversammlung die wachsenden Herausforderungen im Lichte der Covid-19-Pandemie. Im Juli 2021 nahm die Schweiz am «Generation Equality Forum» (GEF) in Paris teil, wo sie im Rahmen der «Action Coalition on Economic Justice and Rights» sowie des «Pakts zu Frauen, Frieden, Sicherheit und humanitären Massnahmen» nationale und internationale Verpflichtungen einging. 25 Jahre nach der Schweizer Ratifikation des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) lancierte die Schweiz 2022 ihre erneute Kandidatur für einen Einsitz im CEDAW-Ausschuss für die Jahre 2025­2028.

Im Rahmen des vierten NAP der Schweiz zur UNO-Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit (FFS) veröffentlichte das EDA einen Bericht über dessen Umsetzung für die Periode 2018­2019 und engagierte sich in einer Partnerschaft mit der Schweizer Zivilgesellschaft unter dem Titel «Der zivilgesellschaftliche Beitrag zur Umsetzung des Schweizer NAP 1325».67 Seit über zehn Jahren arbeitet die Schweiz zudem mit dem «Global Network of Women Peacebuilders» (GNWP) zwecks Förderung der FFS-Agenda und Stärkung der Synergien zwischen Genf und New York zusammen. Seit 2020 werden in der Projektzusammenarbeit mit GNWP die Chancen und Risiken der Digitalisierung für die FFS-Agenda auch unter dem Aspekt Cybersicherheit untersucht. Damit werden die zwei thematischen Schwerpunkte der APS 20­23 «Frieden und Sicherheit» und «Digitalisierung» verknüpft. 2022 hatte die Schweiz zudem gemeinsam mit Südafrika den Ko-Vorsitz des «Women, Peace 67

Bericht über die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zu Frauen, Frieden und Sicherheit (NAP 1325). Umsetzungsphase 2018­2019. Abrufbar unter: www.admin.ch > Aussenpolitik > Frieden und Menschenrechte > Friedenspolitik > Frauen, Frieden, Sicherheit.

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and Security Focal Points Network» inne und richtete im Mai 2022 das vierte «Capital-Level Meeting» des Netzwerks in Genf aus.

6

Kohärenz

Die Kohärenz ist ein Grundanliegen der APS 20­23 und der Menschenrechtsdiplomatie. Die Wirkung der schweizerischen Menschenrechtsdiplomatie erhöht sich, wenn Synergien zwischen menschenrechtlichen und anderen aussenpolitischen Aktivitäten optimal genutzt werden. Die kontinuierliche Abwägung zwischen der Förderung der Menschenrechte und anderen Interessen ist ein integraler Bestandteil der Aussenpolitik. Dabei stehen die Förderung der Menschenrechte und die Wahrung anderer aussenpolitischer Interessen in der Praxis selten in einem Spannungsverhältnis.

Die Frage ist nicht «entweder/oder», sondern «wie». Es geht darum, Lösungen zu finden und adäquate Instrumente einzusetzen, um die Zielsetzungen zu kombinieren.

6.1

Innen- und Aussenpolitik

Aufgrund des föderalen Systems verfolgt die Schweiz bei der Überwachung der Umsetzung ihrer völkerrechtlichen Menschenrechtsverpflichtungen einen sektoralen Ansatz. Gemäss dem Staatsverständnis der Schweiz sind in diesem Bereich die Zuständigkeiten zwischen dem Bund und den Kantonen aufgeteilt. Der Bund hat die Interdepartementale Koordinationsgruppe für internationale Menschenrechtspolitik (KIM) eingesetzt, in der unter der Leitung des EDA alle interessierten Departemente, Vertreterinnen und Vertreter der Konferenz der Kantonsregierungen sowie der ausserparlamentarischen Kommissionen zusammenkommen. Diese Gruppe koordiniert Fragen der Menschenrechtspolitik und stellt den Informationsfluss über die Prüfungen der Schweiz vor internationalen Menschenrechtsorganen sicher.

Der Bundesrat verabschiedete im Dezember 2019 die Vorlage zur Errichtung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) und verlängerte gleichzeitig das Mandat des Pilotprojekts Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte bis Ende 2022. Die Bundesversammlung stimmte der Vorlage im Herbst 2021 mit wenigen Anpassungen zu. Damit erhält die Schweiz 2023 eine ständige, unabhängige und rechtlich verankerte NMRI mit einem breiten Mandat zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte in der Schweiz. Hingegen wird die Institution keine Ombudsfunktion wahrnehmen und sich nicht mit Einzelfällen befassen. Die Bestimmungen der NMRI sind in das bestehende Bundesgesetz vom 19. Dezember 200368 über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte integriert.

68

SR 193.9

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6.2

Aussenwirtschaftspolitik

Der Bundesrat hat im Januar 2020 den revidierten NAP für die Umsetzung der UNOLeitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte69, der sich auf den Zeitraum 2020­ 2023 bezieht, verabschiedet. Der NAP wurde gestützt auf eine externe Studie («Gap Analysis»)70 vom EDA und vom Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung unter Einbezug von Wirtschaftsverbänden, der Zivilgesellschaft sowie der Wissenschaft überarbeitet. Der Bundesrat verpflichtet sich, die Einhaltung der Menschenrechte durch verschiedene im NAP enthaltene Massnahmen zu fördern.

Er erwartet von den Unternehmen, die in der Schweiz ansässig oder tätig sind, dass sie die Menschenrechte bei allen ihren Geschäftstätigkeiten einhalten, und unterstützt diese durch unterschiedliche Massnahmen. Dazu zählen namentlich die Durchführung von Sensibilisierungsveranstaltungen und die Erarbeitung von Instrumenten und Leitfäden zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung sowie die Zusammenarbeit mit Multi-Stakeholder-Initiativen. Zudem wurde eine spezifische Informationswebsite71 eingerichtet. Eine mehrparteiliche Begleitgruppe (Bundesverwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft) unterstützt die Umsetzung des NAP.

Damit trägt die Schweiz auch zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 und zur Förderung der verantwortungsvollen Unternehmensführung («Corporate Social Responsibility») bei.

6.3

Migrationspolitik

Menschenrechtsverletzungen sind eine der Hauptursachen für Vertreibungen. Hinzu kommt, dass die individuellen Rechte von Migrantinnen und Migranten sowie von Flüchtlingen oft gefährdet sind. Die Schweiz setzt sich im Rahmen ihrer Migrationsaussenpolitik für den Schutz der Menschenrechte von Vertriebenen in den Herkunftsregionen und auf den Migrationsrouten ein. Dazu gehört die Unterstützung von Partnerstaaten bei der Weiterentwicklung von deren Migrations- und Asylstrukturen sowie die Entsendung von «Immigration Liaison Officers» in prioritäre Länder. Ebenfalls entsendet sie seit 2021 zwei Expertinnen in das Büro für Grundrechte der Frontex. Die interdepartementale Struktur zur internationalen Migrationszusammenarbeit sorgt für eine kohärente Migrationsaussenpolitik der Schweiz, indem sich die Departemente regelmässig über die Prioritäten der Schweiz, die Interessenlage und die zu ergreifenden Massnahmen, auch im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte, austauschen. Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Auftrag des Parlaments, die internationale Zusammenarbeit und die Migrationspolitik strategisch zu verknüpfen.

69

70

71

Nationaler Aktionsplan für die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Abrufbar unter: www.nap-bhr.admin.ch > Der NAP > Nationaler Aktionsplan (NAP).

Bestandsaufnahme über die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch den Bund und durch Schweizer Unternehmen. Abrufbar unter: www.nap-bhr.admin.ch > Dokumentation > Dokumente und Studien.

www.nap-bhr.admin.ch

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7

Schlussfolgerung

Wie die Covid-19-Pandemie, die Zunahme des Autoritarismus, die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine, anhaltende Krisen und Konflikte in vielen Weltgegenden und weitere internationale Entwicklungen in der Berichtsperiode zeigten, sind Frieden, Wohlstand und eine nachhaltige Entwicklung eng mit der Verwirklichung der Menschenrechte verbunden. Menschenrechtsverletzungen oder das Fehlen der Garantie der Grundfreiheiten für alle sind ein Zeichen dafür, dass der Frieden und die Sicherheit bedroht sind. Der weltweite Einsatz für die Menschenrechte ist somit auch eine Investition in Frieden und Sicherheit. Die Kluft zwischen der Anerkennung der menschlichen Würde und der konkreten Verwirklichung der Menschenrechte, der Zugang zur Justiz und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Anerkennung einer gemeinsamen Verantwortung für die Menschenrechte stellen diesbezüglich zukunftsweisende Herausforderungen dar.

Dieser Bericht hat verdeutlicht, dass der Einsatz der Schweiz für die Menschenrechte auf der Grundlage des Verfassungs- und Gesetzesauftrages sowie im Einklang mit den Zielen der APS 20­23 weiter konsolidiert werden muss. Gerade in einer Zeit, in welcher der menschenrechtliche Acquis unter Druck ist oder sogar frontal attackiert wird, ist dieser Einsatz der Schweiz als unabhängige, prinzipienfeste und kohärente Akteurin im internationalen System für die Menschenrechte wichtig. Die Schweiz konnte in zahlreichen Bereichen bilateral und multilateral einen wichtigen Beitrag in der Menschenrechtsdiplomatie leisten und wird in der weltweiten Menschenrechtsarena als glaubwürdige Akteurin wahrgenommen. Der anspruchsvolle internationale Kontext erfordert innovative Ansätze mit anderen Staaten, internationalen Organisationen, Wirtschafts- und Wissenschaftsakteuren sowie Nichtregierungsorganisationen. Mit den EDA-Leitlinien Menschenrechte 2021­2024 hat die Schweiz ein strategisches Instrument zur Verfügung, um die Schweizer Menschenrechtsdiplomatie wirkungsvoll auszugestalten und einen konkreten Nutzen zu generieren.

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Anhang 2

Berichte des Bundesrates zu aussenpolitischen Aspekten Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2021 einschliesslich Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2021 01/2022 Der Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2021 gibt einen Überblick über die aussenwirtschaftspolitischen Entwicklungen der Schweiz während des Berichtsjahres. Er analysiert die wichtigsten Entwicklungen in der Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz, die Wirtschaftsbeziehungen mit der EU sowie verschiedene bilaterale Wirtschaftsabkommen. Des Weiteren beleuchtet er Themenkreise wie Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung, wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit sowie Exportkontrolle und Sanktionen. Zudem enthält er einen Ausblick auf das Jahr 2022.

https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2022/655/de/ pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2022-655-de-pdf-a.pdf, BBl 2022 655

Koordination des Abstimmungsverhaltens der Schweiz in den UNO-Organisationen, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 20.4145 Binder vom 24. September 2020 01/2022 In diesem Bericht prüft der Bundesrat mehrere Vorschläge für eine bessere Koordination der Schweizer Positionen in den politischen Hauptorganen der UNO. Er kommt zum Schluss, dass sich der bisherige Konsultationsprozess, bei dem alle betroffenen Bundesstellen einbezogen werden, bewährt hat und daher weiterhin angewendet werden sollte. Der Bundesrat wird sich bei der Frage, in welchen Fällen das Parlament einbezogen werden soll, weiterhin auf das geltende Recht und das Kriterium der «Wesentlichkeit» stützen. Um dem Bedürfnis nach mehr Transparenz und Information nachzukommen, wird das EDA zudem das Abstimmungsverhalten der Schweiz in der UNO auf seiner Website publizieren.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70007.pdf

Syrische Flüchtlinge. Verstärkte europäische Zusammenarbeit 01/2022 Der Bundesrat legte seinen aktualisierten Folgebericht «Syrische Flüchtlinge. Verstärkte europäische Zusammenarbeit» vor, den er in Erfüllung des Postulats 17.3004 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates verfasst hatte. Darin analysiert er die humanitäre Lage in Syrien und dessen Nachbarländern und gibt einen Überblick über die Migrations- und Flüchtlingssituation. Des Weiteren zeigt er die Massnahmen 73 / 102

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der Schweiz zur Unterstützung der leidtragenden Bevölkerung auf und erläutert insbesondere, wie die Schweiz ihre humanitäre Hilfe schrittweise ausgebaut hat. Zudem werden die wichtigsten Entwicklungen auf europäischer Ebene analysiert.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/69998.pdf

Amerikas-Strategie 2022­2025 01/2022 Dieser Bericht ist eine geografische Folgestrategie zur Aussenpolitischen Strategie 2020­2023 (APS 20­23). Die Strategie erlaubt es dem Bundesrat, das Profil seiner Politik gegenüber dem amerikanischen Kontinent zu schärfen. Er identifizierte fünf geografische Schwerpunkte, für welche die Schweiz Ziele und Massnahmen mit Zeithorizont 2025 definiert hat.

https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/das-eda/publikationen.html/content/ publikationen/de/eda/schweizer-aussenpolitik/Amerikas_Strategie_2022_2025

Aussenpolitischer Bericht 2021 02/2022 Der Bericht gibt einen Gesamtüberblick über die Aussenpolitik der Schweiz im Jahr 2021. Gestützt auf Artikel 148 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes legt der Bundesrat der Bundesversammlung einen Rechenschaftsbericht über die aussenpolitischen Aktivitäten der Schweiz vor. Dabei bezieht er sich insbesondere auf die Aussenpolitische Strategie 2020­2023 (APS 20­23), an deren Struktur sich dieser Bericht orientiert.

Basierend auf dem Bundesratsentscheid vom 11. Mai 2011 geht der Bericht jeweils auf ein Schwerpunktthema vertieft ein. 2021 ist es das institutionelle Abkommen Schweiz­EU.

https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2022/971/de/ pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2022-971-de-pdf-a-1.pdf, BBl 2022 971

Strategie Rüstungskontrolle und Abrüstung 2022-2025 02/2022 Dieses Dokument ist eine thematische Folgestrategie zur Aussenpolitischen Strategie 2020­2023 (APS 20­23). Er umfasst die Ziele und Massnahmen, die der Bundesrat in fünf Aktionsfeldern festgelegt hat. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Normen für autonome Waffen, dem Cyberraum und dem Weltraum.

Die Verabschiedung einer Rüstungskontroll- und Abrüstungsstrategie entspricht einer Massnahme des Bundesrates im Rahmen seiner Jahresziele 2021. Mit dem Bericht

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erfüllt der Bundesrat zudem das Postulat 21.3012 der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates.

https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/das-eda/publikationen.html/content/ publikationen/de/eda/schweizer-aussenpolitik/Strategie_Ruestungskontrolle_ Abruestung_2022-25

Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2021 04/2021 Die Schweizer Migrationsaussenpolitik im Jahr 2021 war wie schon im Vorjahr von der Covid-19-Pandemie geprägt. Die bilaterale Zusammenarbeit konnte trotz Einschränkungen der globalen Mobilität punktuell ausgebaut werden. So unterzeichneten die Schweiz und Gambia ein Abkommen zur verstärkten Migrationszusammenarbeit.

Im Vergleich zum Vorjahr fanden 2021 trotz anhaltender pandemiebedingter Einschränkungen rund 20 Prozent mehr Rückführungen von Personen aus dem Asyl- und Ausländerbereich statt. Das Schweizer Resettlement-Programm konnte nach den operationellen Schwierigkeiten im ersten Pandemiejahr durch innovative Ansätze beim Auswahlverfahren mittels Video-Interviews wieder zügiger umgesetzt werden. Resettlement-Missionen fanden im Libanon, in Ägypten und in der Türkei statt.

https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2022/971/de/ pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2022-971-de-pdf-a-1.pdf, BBl 2022 971

Bericht über die im Jahr 2021 abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge 05/2022 Nach Artikel 48a Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199772 erstattet der Bundesrat der Bundesversammlung jährlich Bericht über die von ihm, von den Departementen, den Gruppen oder den Bundesämtern abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge. Der vorliegende Bericht betrifft die im Laufe des Jahres 2021 abgeschlossenen Verträge.

https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2022/1535/de/ pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2022-1535-de-pdf-a.pdf, BBl 2022 1535

Länderbericht 2022 der Schweiz zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung 05/2022 Der zweite Bericht der Schweiz zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zeigt die Fortschritte der Schweiz bei der Zielerreichung auf nationaler und 72

SR 172.010

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internationaler Ebene auf. Ergänzt wird er durch einen statistischen Anhang. Dieser hat zum Ziel, die qualitative Analyse des Länderberichts quantitativ zu beleuchten.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/71403.pdf

Prioritäten der Schweiz an der 77. UNO-Generalversammlung: Bericht des Bundesrates zuhanden der Aussenpolitischen Kommissionen 05/2022 In diesem Bericht legt der Bundesrat vier Prioritäten der Schweiz für die 77. Tagung der UNO-Generalversammlung fest: Bewältigung der Folgen des bewaffneten Konflikts in der Ukraine, Förderung des Völkerrechts, Förderung einer wirksamen UNO und Förderung der nachhaltigen Entwicklung. Zusätzlich zu diesen vier Prioritäten wird die Schweiz weiterhin die ganze Bandbreite an Themen in der UNO verfolgen und sicherstellen, dass dort die Interessen der Schweiz gewahrt bleiben.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/72850.pdf

Bericht über die Umsetzung der Prioritäten der Schweiz für die 76. Tagung der UNO-Generalversammlung 05/2022 Dieser Bericht gibt einen Überblick über die Umsetzung der drei Prioritäten, die sich die Schweiz für die 76. Tagung der UNO-Generalversammlung gesetzt hatte. Dies waren erstens die Förderung der Sicherheitsratskandidatur der Schweiz und die Vorbereitung der Einsitznahme, zweitens die nachhaltige Entwicklung und die Bewältigung der Folgen von Covid-19 sowie drittens die Förderung eines freien, offenen und sicheren digitalen Raums.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/72846.pdf

Bericht zur Abschreibung der Motion Regazzi 16.3982 vom 13. Dezember 2016: Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer 05/2022 Mit diesem Bericht beantragt der Bundesrat, die Motion 16.3982 von Fabio Regazzi «Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht» gemäss Artikel 122 Absatz 3 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200273 abzuschreiben. Das Non-Refoulement-Prinzip will Menschenrechtsverletzungen dadurch verhindern, dass es jedem Staat verbietet, Personen in ihren Herkunftsstaat auszuweisen, abzuschieben und auszuliefern, wenn der Herkunftsstaat die fundamentalen Rechte dieser Personen missachtet. Der Bericht fokussiert neben der Analyse der rechtlichen, humanitären und 73

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politischen Aspekte des Non-Refoulement-Prinzips auch auf Sicherheitsaspekte für die Schweiz und ihre Bevölkerung.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/71328.pdf

Ex-ante-Beurteilung der Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die nachhaltige Entwicklung 05/2022 Am 18. September 2019 nahm der Nationalrat das Postulat 19.3011 «Erarbeitung einer Methodik zur Beurteilung der Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die nachhaltige Entwicklung» der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates an. In seiner revidierten Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik sieht der Bundesrat im Grundsatz bereits vor, im Vorfeld wichtiger Wirtschaftsabkommen gezielte wissenschaftliche Einschätzungen durchzuführen. In diesem Bericht zeigt der Bundesrat auf, wie er diese Massnahme in Erfüllung des Postulats im Zusammenhang mit den Freihandelsabkommen konkret umsetzen wird.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/71698.pdf

Bericht 2020­2021 des Bundesrates über die Teilnahme der Schweiz am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und an der Partnerschaft für den Frieden 06/2022 Dieser Bericht befasst sich mit der Teilnahme der Schweiz am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und an der Partnerschaft für den Frieden. Er enthält einen Überblick über die verschiedenen Konsultationen im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat (EAPC) und den flexiblen Formaten sowie über die Zusammenarbeit auf ziviler und militärischer Ebene im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden im Zeitraum 2020­ 2021. Zudem fasst er die relevanten Aktivitäten der Genfer Zentren zusammen.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/72079.pdf

Die Arbeiten des Bundes im Bereich der NS-Raubkunst im Zeitraum von 2017­2021 06/2022 Dieser Bericht fasst die Arbeiten des Bundes im Bereich der NS-Raubkunst während des Zeitraums 2017­2021 zusammen. Nach der Beschreibung der Ausgangslage zeigt er auf, wie der Bund die im letzten Bericht von 2016 geforderten Massnahmen umgesetzt hat.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/71947.pdf

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Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 über die Folgen des Krieges in der Ukraine: Bericht des Bundesrates 09/2022 Ausgehend vom Sicherheitspolitischen Bericht 2021 analysiert der Zusatzbericht den Krieg in der Ukraine und seine Folgen. Er befasst sich mit den sicherheitspolitischen Erkenntnissen aus dem Krieg und fokussiert insbesondere auf die neue Dynamik der sicherheits- und verteidigungspolitischen Kooperation in Europa. Der Bericht legt dar, warum die internationale Kooperation für die Schweiz mit dem Ukraine-Krieg noch dringlicher geworden ist und zeigt konkrete Möglichkeiten auf, wie die Kooperation intensiviert werden könnte.

https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2022/2357/de/ pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2022-2357-de-pdf-a.pdf

Vierter Bericht zur allgemeinen regelmässigen Überprüfung der Schweiz 09/2022 Der vierte Staatenbericht der Schweiz zur allgemeinen regelmässigen Überprüfung (UPR), der im Oktober 2022 dem UNO-Menschenrechtsrat vorgelegt wurde, befasst sich mit der Umsetzung der 160 Empfehlungen, welche die Schweiz nach der dritten Überprüfung 2017 angenommen hat. Neben den seither ergriffenen Massnahmen und Fortschritten beleuchtet der Bericht auch die Herausforderungen, die sich der Schweiz in gewissen Bereichen noch immer stellen.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/73253.pdf

Klarheit und Orientierung in der Neutralitätspolitik, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 22.3385 der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates vom 11. April 2022 09/2022 Der Neutralitätsbericht zeigt die Entwicklung der Neutralitätspraxis der letzten dreissig Jahre auf und geht auf die Entscheide des Bundesrates seit Beginn des UkraineKriegs ein. Die heutige Praxis erlaubt dem Bundesrat einen genügend grossen Handlungsspielraum, um im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Weltlage wirksame Entscheide mit Bezug zur Neutralität zu treffen. Der Bundesrat kommt daher zum Schluss, dass er an der 1993 letztmals festgehaltenen und seither weitergeführten Praxis der Neutralität festhalten will.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/73615.pdf

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Jährliche Beurteilung der Bedrohungslage, Bericht des Bundesrates an die eidgenössischen Räte und die Öffentlichkeit 09/2022 Gemäss Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe d des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 2015 (NDG) beurteilt der Bundesrat jährlich die Bedrohungslage der Schweiz und informiert die eidgenössischen Räte und die Öffentlichkeit. Die Beurteilung bezieht sich auf die im NDG genannten Bedrohungen sowie auf sicherheitspolitisch bedeutsame Vorgänge im Ausland.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/73755.pdf

Die Hisbollah und die Schweiz 11/2022 Der in Erfüllung der Postulate Binder-Keller (20.3650) und Pfister (20.3824) verfasste Bericht gibt einen Überblick über die Entstehung der Hisbollah im Libanon sowie über ihre Aktivitäten inner- und ausserhalb des Libanons inklusive der Schweiz. Neben den bestehenden internationalen Massnahmen und den präventiven und repressiven Instrumenten der Schweiz werden weitere nach Schweizer Recht mögliche Massnahmen zur Bekämpfung von unrechtmässigen Aktivitäten der Hisbollah aufgezeigt.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Hisbollah in der Schweiz kaum aktiv ist und dass die bestehenden Rechtsinstrumente ausreichen. Der Bundesrat hat daher nicht vor, zusätzliche Massnahmen gegen die Hisbollah als Organisation zu treffen.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/73677.pdf

Engagement der Schweiz gegenüber der Wirtschaftsblockade gegen Kuba 11/2022 In Beantwortung des Postulats 20.4332 der APK-N geht der Bericht detailliert auf die Politik der USA gegenüber Kuba und die extraterritorialen Auswirkungen der USSanktionen ein. Anschliessend wird die Rolle der Schweiz diskutiert und die diesbezüglichen Vorschläge der APK-N bewertet. Daraus geht hervor, dass die Schweiz die bestehenden Instrumente im Rahmen multilateraler Gremien gut nutzt und die Frage der extraterritorialen Auswirkungen ausländischer Sanktionen regelmässig mit den USA und gleichgesinnten Partnern wie der EU diskutiert.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/73856.pdf

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Das Engagement der Schweiz in den Steuerungsgremien der mulilateralen Entwicklungsbanken 11/2022 Der Bericht erläutert, wie die Schweiz ihre Schwerpunktthemen und Interessen in den Steuerungsgremien der multilateralen Entwicklungsbanken eingebracht hat. Im Berichtszeitraum hat die Schweiz Fortschritte in Bezug auf ihre multilateralen Prioritäten erzielt. Sie spielte eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen über Strategiepapiere und bei der Verabschiedung konkreter Projekte und Programme und trat in ihren verschiedenen Stimmrechtsgruppen oft als Vermittlerin auf.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/74076.pdf

Entwurf des Berichts «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz-EU 12/2022 Der Entwurf des Berichts des Bundesrats enthält eine Auslegeordnung der bestehenden bilateralen Beziehungen der Schweiz mit der Europäischen Union (EU) sowie eine Standortbestimmung der Sondierungsgespräche mit der EU. Der Bericht zieht eine Zwischenbilanz des bilateralen Wegs und evaluiert die gegenwärtigen europapolitischen Handlungsoptionen der Schweiz. Zur Diskussion stehen die Optionen Freihandelsbeziehung, Fortsetzung des bilateralen Wegs, EWR-Beitritt und EU-Beitritt.

Der Bundesrat kommt im Bericht zum Schluss, dass der bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die beste Lösung ist. Der Bericht wurde unter Vorbehalt der Ergebnisse der Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen der beiden Räte verabschiedet.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/74384.pdf

Bericht zur Beantwortung des Postulats Janiak (Nr. 18.3750) in Sachen verstärkte Regulierung der EU im Bereich der internationalen Rheinschifffahrt. Interessenwahrung der Schweiz 12/2022 Der Bericht befasst sich mit der Entwicklung des Rheinregimes, wie es von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) verwaltet wird, mehr als zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Berichts über die Schifffahrtspolitik der Schweiz im Vergleich zu den damaligen Zielen für die Rheinschifffahrt. Er hebt die Strategie hervor, die zur Wahrung der Interessen der Schweiz im Hinblick auf die institutionelle Zusammenarbeit mit der Europäischen Union gewählt wurde.

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/74384.pdf

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Anhang 3

Publikationen des EDA Die nachfolgend aufgeführten Publikationen sind alle auf der Website des EDA verfügbar.

www.eda.admin.ch/eda/de/home/das-eda/publikationen.html

Amerikas-Strategie 2022­2025 02/2022 Dieser Bericht, der vom Bundesrat am 16. Februar 2022 genehmigt wurde, ist eine geografische Folgestrategie zur Aussenpolitischen Strategie 2020­2023 (APS 20­23).

Die Verabschiedung der Amerikas Strategie 2022-2025 entspricht einer Massnahme des Bundesrates im Rahmen seiner Jahresziele 2021.

Strategie Rüstungskontrolle und Abrüstung 2022-2025 02/2022 Dieser Bericht, der vom Bundesrat am 2. Februar 2022 genehmigt wurde, ist eine geografische Folgestrategie zur Aussenpolitischen Strategie 2020­2023 (APS 20­23).

Die Verabschiedung einer Rüstungskontroll- und Abrüstungsstrategie entspricht einer Massnahme des Bundesrates im Rahmen seiner Jahresziele 2021. Mit dem Bericht erfüllt der Bundesrat zudem das Postulat 21.3012 der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates.

Aktionsplan OSZE 2022­2025 01/2022 Das EDA nimmt das 50-Jahr-Jubiläum der Schlussakte von Helsinki im Jahr 2025 zum Anlass, um Bilanz zu ziehen und sich für eine Stärkung der OSZE einzusetzen.

Mit ihrem Aktionsplan OSZE 2022­2025 will die Schweiz Massnahmen identifizieren, die zur Stärkung der OSZE als Dialogplattform im Bereich der europäischen Sicherheit beitragen. Der Aktionsplan erhebt nicht den Anspruch, die Politik der Schweiz im Rahmen der OSZE erschöpfend darzulegen. Vielmehr streicht er diejenigen Bereiche heraus, in denen die Schweiz bis 2025 einen Mehrwert bieten kann.

Leitlinien Wasser 2022-2025 03/2022 Die Leitlinien Wasser 2022­2025 konkretisieren die Vorgaben der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 und der IZA-Strategie 2021-2024 zum aussenpolitischen Themenfeld Wasser. In ihrer Struktur orientieren sie sich an den fünf Kernthemen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Menschen, Planet, Wohlstand, Frieden, 81 / 102

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Partnerschaften. Die Leitlinien sind auf der dritten Ebene der Kaskade der aussenpolitischen Grundlagendokumente angesiedelt. Sie richten sich in erster Linie an das EDA, können aber auch als Orientierungshilfe für andere Departemente und weitere Akteure dienen.

Betriebliche Chancengleichheit: EDA-Aktionsplan 2028 01/2022 Der EDA-Aktionsplan 2028 zur betrieblichen Chancengleichheit stützt sich auf die Erkenntnisse der Evaluation der Politik Chancengleichheit 2010-2020. Er umfasst vier Aktionsfelder mit messbaren Zielen und konkreten Massnahmen für den Zeitraum 2022-2028. Es wird ein gemeinsames Verständnis geschaffen, um Chancengleichheit, Diversität und Inklusion im EDA zu fördern.

Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich Asset Recovery: Erkunden von Möglichkeiten zur Einbindung des Privatsektors und der öffentlich-privaten Zusammenarbeit 01/2022 Diese Publikation berichtet über ein zweitägiges virtuelles Seminar, an dem sich internationale Expertinnen und Experten mit neuen Praktiken zur Stärkung des Informationsaustauschs zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor bei der Identifizierung, Sperrung und Einziehung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte befassten.

Die Neutralität der Schweiz 03/2022 In dieser gemeinsamen Broschüre legen das EDA und das VBS dar, was die Neutralität der Schweiz bedeutet und wie sie umgesetzt wird.

Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe der Schweiz: Statistiken 2020 05/2022 Die Statistiken über die öffentliche und private Hilfe der Schweiz an die Entwicklungsländer werden seit 1963 jährlich herausgegeben. Diese Broschüre enthält Tabellen mit den gesamten öffentlichen und privaten Hilfeleistungen der Schweiz aufgeschlüsselt nach Ländern und Organisationen.

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Eine Welt 1/2022 03/2022 Der Klimawandel droht die Fortschritte in der weltweiten Armutsbekämpfung zu verlangsamen oder gar zunichte zu machen. Die internationale Zusammenarbeit gibt Gegensteuer ­ gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung.

Eine Welt 2/2022 06/2022 Menschenwürdige Arbeit gilt als Schlüssel, um die Armut in der Welt zu reduzieren.

Doch die Herausforderungen sind zahlreich ­ nicht erst seit der Pandemie.

Eine Welt 3/2022 09/2022 Millionen Menschen in Zentralasien haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser: Eine Reportage aus Tadschikistan und Usbekistan.

Eine Welt 4/2022 11/2022 Ausgabe zum Thema Bildung in Krisensituationen. Hunderte Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen. Viele von ihnen leben in Ländern, die von langanhaltenden Krisensituationen betroffen sind.

Swiss Peace Supporter 1/2022 03/2022 Diese Ausgabe beleuchtet den Nutzen von Friedenssicherungseinsätzen, insbesondere auf persönlicher und institutioneller Ebene. Dank einer Mission bei der UNO in New York erhielt ein Kollege zum Beispiel neue Impulse für seine Arbeit in Sri Lanka.

Weitere Themen: der durch den Afrika-Cup in den Hintergrund gerückte Konflikt in Kamerun, eine Moskauer Ausstellung über den Gulag und ein Rückblick auf eine lange EDA-Karriere in der Friedensförderung.

Swiss Peace Supporter 2/2022 06/2022 Der Nahe Osten steht im Zentrum dieser Ausgabe, wo der erste Schweizer als Missionschef die UNO-Friedensmission UNTSO kommandiert. Zudem wird das Schweizer Engagement in Syrien und im Libanon thematisiert. Weitere Themen: Die Evakuation aus Kyiv und der CIVPOL-Einsatz in Mali. Ausserdem wird die Bedeutung von Justiz und Strafvollzug in der Friedensförderung thematisiert.

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Swiss Peace Supporter 3/2022 09/2022 In dieser Ausgabe teilen verschiedene Schweizer Expertinnen und Experten ihr Wissen über humanitäre Minenräumung. Ausserdem wird über die Arbeit der Kommission für das Recht auf Information in Sri Lanka berichtet und der Berater für menschliche Sicherheit für Kolumbien blickt auf seine Arbeit seit 2017 zurück.

Swiss Peace Supporter 4/2022 12/2022 Umweltrisiken beeinträchtigen zunehmend den Weltfrieden. Auf der Grundlage des SIPRI-Berichts «Environment of Peace» zeigt diese Ausgabe Handlungsmöglichkeiten auf und lässt zwei Expertinnen zur Rolle von Frauen in der Wasserdiplomatie in Zentralasien und zur Migration aufgrund des Klimawandels in Ostafrika zu Wort kommen.

Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für den Südkaukasus 01/2022 Das Programm beschreibt die Ziele, die die internationale Zusammenarbeit der Schweiz im Südkaukasus erreichen will. Das Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für den Südkaukasus konzentriert sich auf vier Schlüsselbereiche: 1) Förderung der Bürgerbeteiligung und der Zusammenarbeit in der Region, 2) Stärkung der Demokratie und der öffentlichen Institutionen, 3) Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze sowie 4) Verbesserung der Klimaresilienz und des nachhaltigen Ressourcenmanagements.

Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für Zentralasien 01/2022 Frieden, soziale Kohäsion und Prosperität in Zentralasien sind ein zentrales Ziel der Schweizer Aussenpolitik. Das Schweizer Engagement in der Region begann in den 1990er-Jahren, als vier zentralasiatische Staaten den von der Schweiz geführten Stimmrechtsgruppen bei der Weltbankgruppe, dem IWF und der EBRD beitraten, und wurde seither erweitert.

Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für die Mekong-Region 02/2022 Das Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für die Mekong-Region legt die Schwerpunkte und Ziele der Schweiz in der Region fest. Unter dem übergeordneten Ziel «Der Bevölkerung, insbesondere jungen Menschen, Frauen und benachteiligten Gruppen in Laos, Kambodscha und der Mekong-Region ermöglichen, wohlhabender und resilienter zu werden, und sie besser in die Entwicklungsprozesse einbinden» 84 / 102

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stellt das neue Kooperationsprogramm Fachwissen in drei Bereichen bereit: inklusive Wirtschaftsentwicklung, Klimawandel und Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen sowie gute Regierungsführung und Bürgerbeteiligung.

Kooperationsprogramm 2022­2024 für Zentralamerika 05/2022 Mit dem Kooperationsprogramm 2022­2024 für Zentralamerika beginnt eine neue Etappe in der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Die Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 sieht einen verantwortungsbewussten, schrittweisen Rückzug der bilateralen Zusammenarbeit aus Zentralamerika und der Karibik vor.

Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für Bangladesch 01/2022 Das Schweizer Kooperationsprogramm für Bangladesch 2022­2025 baut auf den Erfahrungen aus 50 Jahren Partnerschaft auf. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit wurde auf die Stärkung der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen und die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter gelegt. Die Schweiz wird Bangladesch auch in Zukunft dabei unterstützen, die Kategorie der am wenigsten entwickelten Länder zu überwinden und Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung zu machen, ohne jemanden zurückzulassen.

Schweizer Kooperationsprogramm 2021­2024 für Nordmazedonien 02/2022 Die Schweiz unterstützt die politische, soziale und wirtschaftliche Transition in Nordmazedonien seit 1992. Sie gehört heute zu den grössten bilateralen Kooperationspartnern Nordmazedoniens.

Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für Kosovo 03/2022 Die Zusammenarbeit mit Kosovo begann 1998 mit humanitärer Hilfe. Mit der Zeit verlagerte die Schweiz ihr Engagement auf die Unterstützung von Transitionsprozessen und die Förderung von europäischen Normen und Werten. Die Schweiz gehörte 2008 zu den ersten Ländern, die die Republik Kosovo anerkannten und diplomatische Beziehungen aufnahmen. Seither haben die beiden Länder eine vertrauensvolle Partnerschaft aufgebaut, die auf gegenseitigen Interessen beruht und in den bilateralen Kooperationsabkommen verankert ist.

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Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2024 für Bolivien 05/2022 Im Rahmen dieses Programms für den schrittweisen Rückzug aus Bolivien wird sich die DEZA weiterhin auf drei Themenbereiche konzentrieren, die für die nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen der ärmsten Bevölkerungsgruppen des Landes von zentraler Bedeutung sind: wirtschaftliche Entwicklung, Gouvernanz, Klimawandel und Umwelt.

Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für Albanien 06/2022 Die Schweiz unterstützt die politische, soziale und wirtschaftliche Transition Albaniens seit 1992. Im Jahr 1970 hatte sie diplomatische Beziehungen zu dem Land aufgenommen. Heute zählt die Schweiz zu den wichtigsten bilateralen Kooperationspartnern Albaniens.

Schweizer Kooperationsprogramm 2022­2025 für Mali 09/2022 Um Mali bei der Bewältigung seiner Herausforderungen bestmöglich zu unterstützen, kombiniert das EDA Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und die Instrumente der Abteilung Frieden und Menschenrechte im Rahmen des Schweizer Kooperationsprogramms. Die thematischen Hauptachsen der Kooperationsstrategie 2017­ 2021 (Gouvernanz und Frieden, ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit sowie Bildung) behalten ihre Relevanz und bilden die Grundlage für das Kooperationsprogramm 2022­2025, das dazu beiträgt, die im nationalen Entwicklungsplan Malis vorgegebenen Ziele zu erreichen.

Schweizer Kooperationsprogramm 2023­2026 für Nepal 11/2022 Das Schweizer Kooperationsprogramm in Nepal 2023­2026 konzentriert sich auf die Stärkung des Föderalismus, ein inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowie die Unterstützung von Migranten und ihren Familien. Die Programmaktivitäten befassen sich auch mit der Gleichstellung der Geschlechter und der sozialen Eingliederung sowie mit der Anpassung an den Klimawandel und der Abschwächung seiner Auswirkungen. Um diese Ziele zu erreichen und das nepalesische Regierungssystem zu stärken, kombiniert das Programm verschiedene Arten der Zusammenarbeit, darunter Mandate, Beiträge und Budgethilfe.

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Anhang 4

Stand Zielerreichung Aussenpolitische Strategie 2020-2023 APS-Ziel

Etappenziele 2022

Standortbestimmung

Ziele der APS 20-23 (teilweise verkürzt, Hervorhebung zur einfacheren Übersicht, vollständige Zielformulierungen siehe APS)

Inwiefern wurden Etappenziele Zwischenbilanz im erreicht?

Hinblick auf die Ziele der APS 20-23

1. Frieden und Sicherheit 1.1 Die Schweiz wird als nichtständiges Mitglied in den UNO-Sicherheitsrat gewählt und verfolgt in diesem ein glaubwürdiges Engagement (...).

Die Schweiz wurde am 9. Juni 2022 mit 187 Stimmen von der UNO-Generalversammlung in den Sicherheitsrat gewählt. Der Bundesrat hat nach Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen vier thematische Prioritäten für den Einsitz festgelegt: nachhaltigen Frieden fördern, Zivilbevölkerung schützen, Klimasicherheit angehen und Effizienz stärken.

Auf Kurs.

Die Arbeiten im Hinblick auf den Einsitz 2023/24 schritten planmässig voran. Im November wurde ein Testlauf durchgeführt, um die internen Koordinations- und Entscheidprozesse zu überprüfen.

1.2 Durch aktive Beiträge zur Förderung der Demokratie, Konfliktprävention, Mediation und Konfliktbeilegung und im Kampf gegen die Straflosigkeit gehört die Schweiz zu den weltweit führenden Ländern in der Friedensförderung. Über ihren für 2021 geplanten Vorsitz im Netzwerk «Frauen, Frieden, Sicherheit» stärkt sie die Rolle der Frauen in der Friedens- und Sicherheitspolitik.

Im Bereich Mediation und Dialogunterstützung hat die Schweiz im Berichtsjahr 20 Friedensprozesse begleitet und unterstützt.

Im Rahmen des im Jahr 2022 durchgeführten Vorsitzes des Netzwerks «Frauen, Frieden und Sicherheit» hat die Schweiz eine Konferenz in Genf und ein virtuelles hochrangiges Side Event bei der 77. UNO-GV ausgerichtet. In Genf wurde eine gemeinsame Erklärung verabschiedet.

Auf Kurs.

Die Nachfrage nach guten Diensten bleibt hoch. Bei der Umsetzung des Friedensabkommens in Kolumbien hat sich die Schweiz erfolgreich eingebracht.

Während des Vorsitzes im Netzwerk «Frauen, Frieden, Sicherheit» haben sich weitere Länder dem Netzwerk angeschlossen.

1.3 Die Universalität der Menschenrechte stärkt die Schweiz über einen internationalen Rechtsrahmen mit handlungsfähigen Institutionen, insbesondere dem UNOMenschenrechtsrat in Genf sowie den Menschenrechtsorganen des Europarates und der OSZE (...).

2022 fanden mit vier Staaten bilaterale Menschenrechtsdialoge statt. Die Schweiz nahm aktiv an den drei Sitzungen des UNO-Menschenrechtsrates und der dritten Kommission der UNO-GV teil. Sie stellte verschiedene Initiativen vor, insbesondere in den Bereichen Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt, friedliche Demonstrationen, Kinder-, Früh- und Zwangsheirat und Übergangsjustiz.

Teilweise auf Kurs.

Die Schweiz leistet im Rahmen ihrer Möglichkeiten, auf der Basis ihrer langjährigen Kontakte und ihrer grossen Glaubwürdigkeit wertvolle Beiträge, aber der Universalität der Menschenrechte wird international zu wenig Rechnung getragen.

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APS-Ziel

Etappenziele 2022

Standortbestimmung

2022 hat das EDA seinen Beitrag an das OHCHR erneut aufgestockt. Der Gesamtbeitrag für alle Projekte zusammen beläuft sich auf CHF 10 Millionen.

1.4 In humanitären Krisen stellt die Schweiz Nothilfe bereit.

Sie stärkt ihren Ruf als «Hub» für humanitäre Fragen, insbesondere über das internationale Genf, und entwickelt neue Lösungsansätze für humanitäre Herausforderungen. (...) In Erstaufnahmeregionen fördert sie den Schutz und die nachhaltige Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen und reduziert die Ursachen irregulärer Migration und Flucht.

Die Schweiz leistete humanitäre Nothilfe, z. B. in Haiti.

Die humanitäre Hilfe in der Ukraine und den angrenzenden Regionen wurde aufgestockt.

Anlässlich der hochrangigen Geberkonferenz im Jemen, die im März in Genf stattfand, kündigte die Schweiz die Fortführung der finanziellen Unterstützung in Höhe von CHF 14,5 Millionen für humanitäre Hilfsaktionen vor Ort an.

Auf Kurs.

Die Schweiz hat in mehreren bewaffneten Konflikten und Gewaltsituationen Nothilfe geleistet. Die Schweiz wird als Schlüsselakteurin des humanitären Engagements wahrgenommen, insbesondere dank des Fachwissens und der Unterstützung ihrer Partner im internationalen Genf.

1.5 Die Schweiz engagiert sich für den Erhalt von Rüstungskontroll- und Abrüstungsabkommen. Sie bekämpft organisierte sowie digitale Kriminalität und Terrorismus, verhindert dessen Export und Unterstützung und engagiert sich im Kampf gegen Menschenhandel und ­ schmuggel.

Die Schweiz brachte erfolgreich eigene Vorschläge zu den Überprüfungskonferenzen des NPT sowie des Chemiewaffenübereinkommens ein.

Die Schweiz übernahm den Vorsitz des MTCR für die Periode 2022/23 und organisierte dessen Plenarversammlung in Montreux.

Betreffend Terrorismusbekämpfung engagiert sich die Schweiz in verschiedenen Foren, u. a. in der UNO, mit besonderem Fokus auf die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts.

Teilweise auf Kurs.

Mit einer neuen Strategie Rüstungskontrolle und Abrüstung hat der Bundesrat ein politisches Zeichen gesetzt.

Die geopolitische Lage erschwert zugleich internationale Fortschritte.

Aus der 12. WTO-Ministerkonferenz in Genf resultierten wieder konkrete Ergebnisse in den Bereichen Fischereisubventionen, humanitäre Nahrungsmittellieferungen, Handel und Gesundheit sowie E-Commerce.

Der Bundesrat hat beschlossen, die verfassungsrechtliche Grundlage für die von der OECD und den G20-Staaten

Teilweise auf Kurs.

Die internationalen Handelsbeziehungen haben unter dem Ukraine-Krieg gelitten (Sanktionen, Lieferketten, Bildung von Handelsblöcken).

Die Unsicherheit betreffend Zugang zum EU-Binnenmarkt bleibt bestehen.

2. Wohlstand 2.1 Die Schweiz setzt sich für die Stärkung einer stabilen, regelbasierten und verlässlichen Handels-, Finanz- und Währungsarchitektur ein. Sie verbessert die Rahmenbedingungen für die Wirtschafts- und Finanzbeziehungen mit Partnern und sichert ihren Wirtschaftsakteuren einen hindernis- und diskriminierungsfreien Zugang zu ausländischen Märkten.

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Etappenziele 2022

Standortbestimmung

vereinbarte Mindeststeuer zu schaffen. Basierend darauf kann eine temporäre Verordnung sicherstellen, dass die Mindeststeuer auf den 1. Januar 2024 in Kraft treten kann.

Das Gesetz wird im Nachgang auf dem ordentlichen Weg erlassen.

Betreffend Umsetzung der Mindeststeuer ist die Schweiz auf Kurs.

2.2 Die Schweiz unterstützt einheimische Unternehmen bedürfnisorientiert und wirkungsvoll bei Auslandaktivitäten über die Instrumente der Handelsdiplomatie und der Exportförderung.

Schweizer Unternehmen wurden auch in der Post-Covid-19Phase und während des Ukraine-Kriegs durch die Exportförderinstrumente des Bundes und die Schweizer Auslandvertretungen wirksam unterstützt.

Der Zugang zu ausländischen Infrastrukturprojekten ist auf Kurs: Verschiedene ausländische Generalunternehmen haben sich in der Schweiz angesiedelt. Das EDA konnte mehrere Infrastrukturfachpersonen verpflichten.

Auf Kurs.

Die durch den UkraineKrieg fragilen globalen Wirtschaftsbeziehungen, die anhaltenden Lieferkettenprobleme sowie Energie-engpässe und Preissteigerungen stellen die Unternehmen vor grosse Herausforderungen.

Die bestehenden Exportförderinstrumente des Bundes haben sich bisher auch in der Krise als gut und effizient erwiesen.

2.3 Die Schweiz schafft optimale Rahmenbedingungen, um auch künftig in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation weltweit eine Spitzenposition zu belegen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation wurde gemäss den in der Botschaft für den Zeitraum 2021­ 2024 dargelegten Prioritäten umgesetzt. Der Ausbau der bilateralen Beziehungen ausserhalb der EU im BFI-Bereich wird fortgesetzt.

Teilweise auf Kurs.

Eine Assoziierung an «Horizon Europe» und Erasmus + bleibt weiterhin das erklärte Ziel des Bundesrates. Er hat entschieden, Mittel für zusätzliche Übergangsmassnahmen für das Jahr 2022 bereitzustellen.

2.4 Die Schweiz fördert den Marktzugang von Entwicklungsländern und schafft für sie neue wirtschaftliche Möglichkeiten. Sie unterstützt Initiativen des Privatsektors in den Bereichen Zugang zu Kapital, Integration in die Weltwirtschaft, Unternehmertum und Fachkompetenzen, um die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze zu erleichtern.

In Zusammenarbeit mit dem «Swiss Investment Fund for Emerging Markets» wurden mehrere Investitionen getätigt.

Die SIFI, welche spezifisch auf die Entwicklung und Skalierung von Produkten in Entwicklungsländern ausgerichtet ist, wurde neu geschaffen und eine Beteiligung entschieden.

Auf Kurs.

Die geplanten Aktivitäten zur Förderung und zur Zusammenarbeit mit dem Privatsektor gehen voran. Die internationalen Herausforderungen haben sich pandemiebedingt und infolge von Konflikten verschärft.

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Etappenziele 2022

Standortbestimmung

2.5 Die Schweiz engagiert sich für eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und leistet einen Beitrag zur Stärkung des gleichberechtigten Zugangs zu einer guten Grundversorgung.

Die Schweiz reagierte auf die aktuelle Ernährungskrise mit Nothilfemassnahmen und einer gezielten Unterstützung in den am stärksten betroffenen Ländern. Sie unterstützte weiterhin mittel- und langfristige Massnahmen, um die Nahrungsmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten. Die Schweiz hat die Verpflichtungen des UNOGipfels zu Ernährungssystemen im Jahr 2021 erfüllt, indem sie sich an verschiedenen Koalitionen beteiligte.

Teilweise auf Kurs Die Schweiz hat ihr Instrumentarium zielorientiert ausgerichtet und leistet wertvolle Beiträge, auch zur Umsetzung der Agenda 2030.

Die Anzahl hungernder Menschen sowie die Ernährungsunsicherheit ist 2022 jedoch wieder massiv angestiegen.

3.1 Die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Boden und Wald sowie der Schutz der Biodiversität sind für die Schweiz zentral. Sie trägt zur Ressourceneffizienz bei. Dabei werden hohe Standards in den Bereichen Chemikalien und Abfall, Rohstoffgewinnung und -handel sowie Infrastruktur angestrebt. Der Bund fördert eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und einen nachhaltigen Finanzsektor.

Im Februar beschloss die UNEA die Schaffung eines wissenschaftlichen Beirates für Chemikalien, Abfällen und Verschmutzung und die Aufnahme von Verhandlungen zu einem globalen Plastikabkommen. Zudem wurde ein globales Rahmenwerk zum Erhalt der Biodiversität angenommen.

Am 1. Januar 2022 traten gesetzliche Bestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für grosse Finanzinstitute in Kraft. Zudem erarbeitete der Bundesrat die Verordnung zur Umsetzung der Berichterstattung bezüglich Klimabelange gestützt auf die Empfehlungen der TCFD. Ausserdem wurde Ende 2022 die Strategie für einen nachhaltigen Schweizer Finanzplatz erarbeitet.

Auf Kurs.

Die Schweiz hat in den genannten Bereichen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zusammen mit gleichgesinnten Staaten Fortschritte erzielt. Sie schafft damit wichtige Rahmenbedingungen, um die Umsetzung der Agenda 2030 weiter voranzubringen.

3.2 Die Schweiz trägt zur wirksamen Umsetzung des Pariser Klimaübereinkommens sowie zur schrittweisen Erhöhung der nationalen Klimaziele bei, um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Entsprechend ihren Verpflichtungen unterstützt sie Entwicklungsländer bei der Umsetzung multilateraler Umweltabkommen (...). Sie unterstützt diese Länder auch in der Katastrophenvorsorge (...).

Die Schweiz hat sich an der UNO-Klimakonferenz u.a. für die Stärkung des multilateralen Klimaregimes und die nationalen Reduktionsziele eingesetzt.

Sie hat die Diskussionen über das Post-2025-Finanzierungsziel aktiv mitgestaltet. In der Entwicklungszusammenarbeit und der Katastrophenvorsorge wurden insbesondere die ärmsten Entwicklungsländer unterstützt.

Teilweise auf Kurs.

Die internationalen und nationalen Regulierungen und Massnahmen müssen noch verschärft werden, um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzen zu können.

3. Nachhaltigkeit

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Standortbestimmung

3.3 Über das internationale Engagement sollen der Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsrisiken erhöht, der Zugang zu sicheren und nachhaltig finanzierbaren Heilmitteln sichergestellt und nachhaltige nationale Gesundheitssysteme gefördert werden. Die Schweiz will die Gouvernanz in der globalen Gesundheitsordnung fördern und zur Weiterentwicklung der internationalen Suchtpolitik beitragen.

Im Rahmen ihrer Bemühungen zur Verbesserung des Zugangs zu und der gerechten Verteilung von therapeutischen Produkten (ACT-A) hat die Schweiz in operationellen Organen, wie dem Geberrat für diagnostische Komponenten, Einsitz genommen. Darüber hinaus wurde die Kandidatur der Schweiz für den Exekutivrat der WHO angenommen.

Die Schweiz wird Mitte 2023 Mitglied des WHO-Rates werden. Schliesslich konnte die Schweiz ihren Sitz in der Suchtstoffkommission (Januar 2022 bis Dezember 2025) verlängern.

Auf Kurs.

Die Schweiz hat zur Stärkung der WHO beigetragen, indem sie sich an den Arbeitsgruppen zur nachhaltigen Finanzierung und zu Gouvernanzreformen einbrachte. Si setzte sich für die Weiterentwicklung der internationalen Suchtpolitik ein und förderte ihre Vier-Säulen-Politik sowie die Komplementarität zwischen Wien (CND), Genf (UNOMenschenrechtsrat, WHO) und New York (UNO-GV).

3.4 Die Schweiz positioniert sich mit ihrer Strategie zum Schutz des gefährdeten Kulturerbes in einem internationalen Kontext der zunehmenden Gefährdung des Kulturerbes aufgrund von bewaffneten Konflikten oder Naturkatastrophen. Der Bund begleitet die verschiedenen Förderbereiche der Kulturpolitik im Ausland wie Filmförderung, Schweizerschulen und Kulturgütertransfer. Auf multilateraler Ebene strebt die Schweiz eine Beteiligung an Programmen der EU an, ist aktives Mitglied des UNESCO-Exekutivrates und konsolidiert den Platz der Kultur im Europarat.

Die Umsetzung der Strategie zum Schutz des gefährdeten Kulturerbes ist im Gange. Der Schweiz steht es unter bestimmten Bedingungen offen, als Drittstaat am Rahmenprogramm der EU zur Förderung der audiovisuellen und kulturellen Branche «Creative Europe 2021­2027» teilzunehmen. Der Bundesrat wird eine Teilnahme prüfen. Die Schweiz hat zudem Einsitz in verschiedene Komitees des Europarates. Sie setzt sich für den Erhalt des Stellenwerts von Kultur bei den Aktivitäten des Europarates ein, auch im Kontext der nach Russlands Ausschluss durchgeführten Reformen.

Auf Kurs.

Die Umsetzung der Strategie erfolgt nach Plan und hat sich im Kontext des UkraineKriegs bewährt. Die Schweiz setzt sich als aktives Mitglied des UNESCOExekutivrates für eine nachhaltige Umsetzung der normsetzenden Instrumente der Organisation ein.

3.5 Das Potenzial der Städte als aussenpolitische Akteure Akteurinnen nutzt die Schweiz über Partnerschaften im Inund Ausland. Sie verstärkt den Dialog, besonders im Nachhaltigkeitsbereich, mit relevanten Städte-netzwerken oder über UN-Habitat. Dabei bekämpft sie negative Umweltentwicklungen sowie die Folgen von Konflikten für die Städte.

Diverse hochrangige Treffen trugen dazu bei, die Städtediplomatie weiter zu stärken. Die Schweiz gehörte zu den grossen Geberstaaten von UNHabitat, dem Städteprogramm der UNO. Sie stärkte die Städtegouvernanz durch die Finanzierung von Entwicklungsprogrammen und die aktive Mitwirkung in den politischen Entscheidorganen der UNOOrganisation.

Auf Kurs.

Die Schweiz kann sowohl institutionell wie auch durch Projekte Akzente setzen.

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Standortbestimmung

4. Digitalisierung 4.1 Die Schweiz bringt Akteure aus allen Anspruchsgruppen zusammen, um die Verantwortlichkeiten im digitalen Raum zu klären und neue Gouvernanzmodelle zu entwickeln. Als Brückenbauerin spielt sie eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Empfehlungen des hochrangigen Panels des UNO-Generalsekretärs zur digitalen Kooperation.

Die Schweiz hat erste Kontakte mit dem im Juni 2022 ernannten «Tech Envoy» des UNO-Generalsekretärs und seinem Büro geknüpft. Sie unterstützte das Büro finanziell bei dessen Aktivitäten in Genf bei der Erarbeitung des «Global Digital Compact» (GDC). Darüber hinaus stellte sie sicher, dass der GDC die Grundlage für die Diskussionen im Rahmen des IGF 2022 in Addis Abeba bildetet. Die Schweiz unterstützte die Umsetzung der UNOLeitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch das Projekt B-Tech beim OHCHR.

Auf Kurs.

Genf hat sich als ein wichtiges Zentrum für UNO-Aktivitäten im Zusammenhang mit dem GDC erwiesen, insbesondere durch einen Multi-StakeholderAnsatz sowie durch Synergien mit dem IGF.

Durch verschiedene Projekte fördert die Schweiz den Dialog zwischen Technologieunternehmen und Regierungsstellen.

4.2 Die Schweiz setzt sich für geeignete Rahmenbedingungen einer globalen Digitalisierungs- und Datenpolitik ein, die Zugang zu und die Nutzung von Daten zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung fördern. (...) Die Schweiz schafft dazu ein internationales Netzwerk zur Förderung der digitalen Selbstbestimmung. Sie entwickelt die Zusammenarbeit mit der EU weiter und nutzt so die Chancen eines europäischen Datenraums und eines digitalen Binnenmarktes.

Der Bericht «Schaffung von vertrauenswürdigen Datenräumen basierend auf der digitalen Selbstbestimmung» klärt die Position der Schweiz in diesem Bereich. Die Schweiz prägte die internationale Gouvernanz von KI aktiv mit. Im April wurde ein Schweizer zum Vorsitzenden des Europaratskomitees (CAI) gewählt, welches das weltweit erste rechtlich verbindliche internationale Abkommen zu KI verhandeln soll.

Im CAI arbeiten nicht nur europäische, sondern auch Staaten aus Amerika und Asien mit. Im September hat der Bundesrat der Schweizer Delegation das Verhandlungsmandat erteilt.

Teilweise auf Kurs.

Die Arbeiten werden gemäss der Strategie Digitalaussenpolitik 2021-2024 vorangetrieben. Der Weg bis zu den angestrebten internationalen Rahmenbedingungen ist allerdings noch weit. Erschwerend kommt eine Blockbildung zwischen den USA, der EU und China hinzu.

4.3 Die Schweiz fördert die Rolle Genfs als Zentrum der globalen Digital- und Technologiepolitik. Sie stärkt existierende Foren wie die «Geneva Internet Plattform», die Stiftung GESDA oder den «Geneva Dialogue». Auch mit Forschungsinstituten anderer Kantone wird die Zusammenarbeit verstärkt.

Die Stiftung GESDA hat den zweiten «Geneva Science & Diplomacy Anticipation Summit» erfolgreich durchgeführt.

Das vom EDA und vom BAKOM hauptfinanzierte Projekt zur Stärkung der Kommunikations- und Fundraising-Kapazitäten der «Geneva Internet Platform» wird aktuell umgesetzt. Die Schweiz hat das Sekretariat der «Giga»-Initiative

Auf Kurs.

Das internationale Genf hat sich mit neuen Initiativen erfolgreich als globales Zentrum für Digitalisierung und neue Technologien positioniert. Der Standortwettbewerb ist aber weiterhin intensiv.

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Etappenziele 2022

Standortbestimmung

nach Genf geholt, eine der bedeutendsten «Connectivity»Initiativen, welche zum Ziel hat, bis 2030 alle Schulen weltweit mit dem Internet zu verbinden. Der «Geneva Dialogue on Responsible Behaviour in Cyberspace» wird fortgeführt.

4.4 Die Schweiz baut ihr Profil im Bereich der Digitalaussenpolitik aus. Sie unterstützt internationale Vertrauensbildung zur Minimierung der Risiken. Das Prinzip «Recht vor Macht» gilt auch virtuell, weshalb sie Initiativen zur Klärung der Anwendung des Völkerrechts im Cyberraum fördert.

Die Schweiz setzte sich für die Konkretisierung des Völkerrechts im Cyberraum ein, u. a.

in den Cyber-prozessen der UNO, durch ein gemeinsames Arbeitspapier Kanada-Schweiz mit konkreten Vorschlägen sowie die Schaffung einer Gruppe gleichgesinnter Staaten zum humanitären Völkerrecht im Cyberraum. In der OSZE konnte die Schweiz zusammen mit Deutschland erfolgreich die Arbeit zu Richtlinien für die Abhaltung von Konsultationen im Fall von Cybervorfällen abschliessen.

Auf Kurs.

Im Rahmen der UNO konnte die OEWG einen ersten Zwischenbericht als Roadmap für die kommenden Jahre verabschieden. Die Positionen der Schweiz werden in den bestehenden Foren auch durch eine enge Zusammenarbeit mit Partnern erfolgreich aufgegriffen.

4.5 Die Schweiz unterstützt Entwicklungsländer in der Anwendung neuer Technologien sowie im Umgang mit deren Risiken. (...) In Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnern wie dem IKRK erarbeitet sie Rahmenbedingungen für den Schutz von digitalen humanitären Daten.

Tech4Good-Massnahmen haben im Rahmen der Schweizer IZA weiter an Bedeutung gewonnen. Das EDA hat im Rahmen der HDTI die internationale Diskussion um den Schutz humanitärer Daten vorangebracht. Zudem hat sie Abklärungen zur Verbesserung des Schutzes von Daten internationaler Organisationen und des humanitären Sektors durchgeführt.

Auf Kurs.

Der Bundesrat hat die Stossrichtung für ein neues Verhandlungspaket mit der EU beschlossen und die Staatssekretärin des EDA beauftragt, mit der EU Sondierungen zu führen. Der Erhalt des Binnenmarktzugangs ist ebenso Teil dieses Pakets wie der Abschluss neuer Binnenmarktabkommen und Programmbeteiligungen. Teil der Massnahmen zum Erhalt des bilateralen Wegs ist auch die Freigabe des 2. Schweizer

Teilweise auf Kurs.

Es fanden mehrere Sondierungsrunden und technische Gespräche zwischen der Schweiz und der EU über den Paketansatz statt.

Zudem wurden die innenpolitischen Stakeholder in den Prozess einbezogen. Zur Abfederung negativer Konsequenzen wurden

Die Schweiz hat ein international anerkanntes Profil entwickelt und arbeitet aktiv an der Umsetzung sowie Konkretisierung weiterer möglicher Massnahmen zum Schutz von Daten.

5. Europa 5.1 Die Schweiz konsolidiert durch den Abschluss eines InstA den EU-Binnenmarktzugang sowie den bilateralen Weg insgesamt und ermöglicht dessen Weiterentwicklung durch den Abschluss neuer Marktzugangsabkommen. Für den Fall eines Ausbleibens einer Einigung über das InstA entwickelt die Schweiz zeitgerecht konkrete Massnahmen in den sektoriellen Bereichen der Zusammenarbeit mit der EU,

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Etappenziele 2022

Standortbestimmung

Beitrags. Im Juni 2022 wurde mit Blick auf dessen Umsetzung ein MoU mit der EU unterzeichnet.

Auffangmassnahmen geplant und umgesetzt.

5.2 Die Schweiz schliesst die laufenden Verhandlungen, insbesondere in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und öffentliche Gesundheit, mit der EU ab und sichert die Beteiligung an EUProgrammen, insbesondere in den Bereichen Forschung und Innovation.

Die neuen Binnenmarkt(Strom, Lebensmittelsicherheit) und Kooperationsabkommen (öffentliche Gesundheit) sowie die künftige Beteiligung an weiteren EU-Programmen (namentlich in den Bereichen Forschung, Bildung und Innovation) sind Teil des Paketansatzes.

Teilweise auf Kurs.

Als Teil des Paketansatzes werden diese Elemente im Rahmen der laufenden Sondierungen diskutiert. Aufgrund der inhaltlichen Verknüpfung mit den institutionellen Fragen durch die EU ist die Assoziierung der Schweiz am laufenden «Horizon Europe»-Programm blockiert.

5.3 Die Schweiz nutzt ihre Assoziierung an Schengen/Dublin, um ihre Interessen in der Bekämpfung von Kriminalität und irregulärer Migration sowie beim Grenzschutz auf europäischer Ebene einzubringen.

Sie stärkt die Sicherheit der Schweiz und Europas mit der Übernahme und Umsetzung von Schengen-Weiterentwicklungen.

Die Bundesversammlung genehmigte drei Schengen-Weiterentwicklungen (FADO, ETIAS c.a. und VIS) und eine Vernehmlassungen wurde eröffnet (SCHEVAL). Die Frontex-Weiterentwicklung wurde in einer Referendumsabstimmung deutlich angenommen. Auf der Basis ihrer Schengen-Mitwirkungsrechte hatte die Schweiz u. a. Zugang zu Covid- und Ukraine-Krisenformaten der EU. Darüber hinaus wurden das Prümer-Abkommen und das EurodacProtokoll ratifiziert, welche die Schengen/Dublin-Zusammenarbeit ergänzen.

Auf Kurs.

Die Schweiz hat Weiterentwicklungen übernommen und kann ihre Interessen zielführend einbringen. Die innere Sicherheit in der Schweiz und in Europa wurde dadurch gestärkt.

5.4 Zur Gewährleistung der Kohärenz ihrer Europapolitik prüft die Schweiz, wo sinnvoll, ihre Aussenpolitiken auf ihr Verhältnis zu den europapolitischen Kernzielen, schafft Koordinationsinstrumente und führt einen regelmässigen Dialog mit der EU (...).

Die intensive innenpolitische Koordination wurde fortgeführt. Aussenpolitisch unterstrich die Schweiz u.a. mit ihrer Reaktion auf den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine, dass sie eine verlässliche Partnerin ist. Dies unterstrichen auch die Konsultationen zur Aussen- und Sicherheitspolitik zwischen der Staatssekretärin des EDA und dem Generalsekretär des EAD.

Diese Konsultationen sollen künftig nach Möglichkeit zweimal pro Jahr stattfinden.

Auf Kurs.

Der Bundesrat stellt mit verschiedenen Massnahmen sicher, dass die europapolitische Kohärenz gewahrt bleibt.

um unerwünschte negative Folgen abzufedern.

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5.5 Bestehende gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen der Schweiz und dem UK sind im Rahmen der Umsetzung der «Mind-the-Gap»-Strategie soweit als möglich rechtlich zu sichern. Das bilaterale Verhältnis zwischen der Schweiz und dem UK wird vertieft und ausgebaut (Mind-the-Gap-Plus).

Nach Inkraftsetzung der neuen bilateralen Abkommen im Vorjahr wurden die bilateralen Beziehungen im Berichtsjahr weiter ausgebaut. Im Vordergrund stehen dabei die vier Kernbereiche: Handel, Finanzdienstleistungen, Forschung und Innovation sowie Mobilität.

Auf Kurs.

Die bilateralen Beziehungen entwickeln sich sehr positiv und im gegenseitigen Interesse.

Zudem konnten die Schweiz und das UK anlässlich des Besuchs des Bundespräsidenten im April 2022 eine gemeinsame Erklärung (Joint Statement) zur Weiterentwicklung ihrer bilateralen Partnerschaft unterzeichnen.

6. Weitere Regionen und globale Schwerpunktländer 6.1 Südosteuropa, Osteuropa und angrenzende Regionen: Die Schweiz pflegt eine kritischkonstruktive Dialogpolitik mit Russland und der Türkei. Sie verstärkt das Engagement in den Ländern Osteuropas mit dem Ziel, die Eigenständigkeit dieser Staaten zu stärken. Solange Russland und Georgien keine diplomatischen Beziehungen pflegen, steht die Schweiz bereit, die Kommunikation zwischen diesen Staaten über ein Schutzmachtmandat aufrechtzuerhalten.

Die Schweiz hat die Dialoge mit der Türkei fortgesetzt und intensiviert, auch aufgrund der Rolle des Landes im UkraineKrieg. Seit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 hat die Schweiz ihre Kontakte mit Russland reduziert. Ein Austausch auf hohem Niveau fand aber weiterhin statt. Die Schweiz hat sich für die Eigenständigkeit der Ukraine eingesetzt, indem sie unter anderem EU-Sanktionen übernommen hat und die Lugano-Konferenz auf den Wiederaufbau fokussierte und konkrete Ergebnisse erzielte (Abschlusserklärung und Lugano-Prinzipien). Sie vertritt weiterhin die Interessen Georgiens und Russlands.

Teilweise auf Kurs.

Die Dialogpolitik mit Russland konnte angesichts des massiven, andauernden Völkerrechtsbruchs nicht wie bisher fortgesetzt werden. Die erfolgreiche Neuausrichtung der Ukraine-Reformkonferenz auf den Wiederaufbau, die erzielten Ergebnisse sowie die Leistung humanitärer Hilfe für die Ukraine und Moldova unterstreichen den Einsatz der Schweiz für die Eigenständigkeit der Staaten in der Region.

6.2 Subsahara-Afrika: Die Schweiz formuliert eine Strategie für Afrika. Sie baut die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union aus und festigt damit ihre partnerschaftlichen Beziehungen mit den Ländern Afrikas ­ auch im Hinblick auf die Mitgliedschaft der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat.

In hochrangigen Kontakten konnten die Beziehungen der Schweiz mit afrikanischen Ländern gefestigt werden.

Dabei stechen der Präsidialbesuch Kenias, inkl. der Eröffnung der kenianischen Botschaft in Bern, sowie die Reise des Bundespräsidenten in den Niger heraus. Mit der Afrikanischen Union wurde der Dialog verstärkt. Die anstehende Mitgliedschaft der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat erhöht das Interesse an der Schweiz und wird von den afrikanischen

Auf Kurs.

Die Umsetzung der Subsahara-AfrikaStrategie 2021­2024 kommt voran und trägt zum gestärkten Profil der Schweizer Afrikapolitik bei.

Eine Mid-Term-Review der Strategie läuft.

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Standortbestimmung

Partnern grundsätzlich positiv gesehen.

6.3 MENA-Region: Die Schweiz erarbeitet eine Strategie für die Region und legt neben der Einhaltung von Völkerrecht und Menschenrechten einen verstärkten Akzent auf die wirtschaftliche Entwicklung und die beruflichen Perspektiven für junge Menschen. Sie fördert günstige Rahmenbedingungen für Schweizer Unternehmen. In der gesamten Region führt sie das Angebot der guten Dienste weiter, insbesondere bezüglich der Schutzmachtmandate für den und gegenüber dem Iran.

Prioritär waren in der MENARegion Wirtschaft- und Finanzen, Fragen der Energieversorgung sowie Nachhaltigkeit und Innovation. In Katar wurde eine Absichtserklärung über die Einrichtung eines Finanzund Wirtschaftsdialoges unterzeichnet, welcher am 5. September 2022 erstmals stattgefunden hat. Die Schweiz hat aber auch ihre Bemühungen für eine Lösung des Nahostkonflikts fortgesetzt. Das EDA unterstützte zudem den politischen Prozess der UNO zu Libyen und Syrien sowie zum Jemen.

Auf Kurs.

Die Umsetzung der Strategie verläuft planmässig. Im Berichtsjahr wurden die Prioritäten leicht verändert im Vergleich zum Vorjahr.

6.4 Asien: Die Schweiz erneuert ihre China-Strategie und schafft interdepartementale Koordinationsgremien, welche die Kohärenz stärken. Im Rahmen der «Belt and Road Initiative» (BRI) setzt sie sich für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Teilnahme von Schweizer Unternehmen an BRI-Projekten ein.

Gleichzeitig engagiert sie sich für eine Ausrichtung der BRI an den Werten und Zielen der etablierten multilateralen Organisationen und Institutionen.

Weiter baut die Schweiz ihre Zusammenarbeit mit der ASEAN punktuell weiter aus.

Die Umsetzung der ChinaStrategie ist im Gang und die neu geschaffene interdepartementale Arbeitsgruppe trifft sich regelmässig. Die Schweizer BRI-Projekte konnten aufgrund der Covid-19-Pandemiemassnahmen in China und der veränderten politischen Rahmenbedingungen nicht wie geplant weiterentwickelt werden.

Im Rahmen der sektoriellen Dialogpartnerschaft mit der ASEAN wurde der Aktionsplan für die zweite Phase der technischen Zusammenarbeit (2022­2026) verabschiedet.

Teilweise auf Kurs.

Die Kohärenz der Schweizer China-Politik konnte dank der vertieften Koordination zwischen den beteiligten Akteuren weiter gestärkt werden.

Die Intensivierung der Zusammenarbeit mit China bei der BRI setzt eine Verbesserung der Rahmenbedingungen voraus.

6.5 Amerikas: Die Schweiz setzt sich für eine Stärkung der rechtlichen Rahmenbedingungen (Handel, Investitionen, Steuern, Innovation) ein mit dem Ziel, die teils engen wirtschaftlichen Beziehungen weiter auszubauen. Mit vielen Staaten in der Region teilt sie eine multilaterale «LikeMindedness»; sie wird sich gemeinsam mit diesen für die eigenen multilateralen Prioritäten einsetzen.

Die Schweiz hat Abkommen zur Bekämpfung der Erderwärmung mit Uruguay und Dominica sowie eine Erklärung zur Zusammenarbeit in diesem Bereich mit Chile unterzeichnet.

Mit den USA verhandelt sie über Abkommen zur Besteuerung, zur gegenseitigen Anerkennung der Herstellungsverfahren in der Pharmaindustrie und zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Quantentechnologie. Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit dem

Auf Kurs.

Mit der Amerikas-Strategie hat der Bundesrat die Konturen seiner Politik gegenüber dieser Region geschärft. Die bilateralen rechtlichen Rahmenbedingungen wurden im Berichtsjahr weiter gestärkt. Das multilaterale Engagement der Schweiz profitiert von der anhaltenden Zusammenarbeit mit den amerikanischen

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Mercosur sowie die ModerniLändern, die wie gesierung der Abkommen mit plant fortgesetzt wird.

Mexiko, Chile und den zentralamerikanischen Staaten (Beitritt von Guatemala) wurden fortgesetzt. Im Hinblick auf den Einsitz im UNOSicherheitsrat hat die Schweiz mit mehreren Ländern des Kontinents gemeinsame Interessen und Ziele identifiziert.

7. Multilateralismus 7.1 Die Schweiz stärkt die Reformbemühungen der UNO. Sie arbeitet gezielt in Allianzen, die sich für den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten einsetzen und die mehr Rechenschaft und Transparenz in den Arbeitsmethoden des UNO-Sicherheitsrates einfordern.

Die Schweiz unterstützte die Umsetzung der Reformen aktiv. Sie trug dazu bei, dass die Arbeit des Sicherheitsrates, inkl. der Wahl des Generalsekretärs, transparenter wird, insbesondere gegenüber Nichtmitgliedern. Als Vorsitzende der Freundesgruppe zum Schutz der Zivilbevölkerung hat sie die dem Thema gewidmete virtuelle Woche koordiniert und dabei namentlich für den Schutz der Wasserinfrastrukturen plädiert.

Auf Kurs.

Die Schweiz hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten zusammen mit gleichgesinnten Staaten Fortschritte erzielen oder Erreichtes bewahren können. Viele der Verhandlungen im Rahmen des Plans «Unsere gemeinsame Agenda» laufen aber erst an.

7.2 Die Schweiz nutzt die strategische Partnerschaft mit dem IKRK, um dem humanitären Völkerrecht Geltung zu verschaffen, und setzt sich für einen leistungsfähigen Internationalen Strafgerichtshof (ICC) ein. Sie engagiert sich für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Weltbank und der UNO, um den Grundursachen von Fragilität und Gewalt entgegenzutreten.

Die Schweiz hat sich in Zusammenarbeit mit dem IKRK auf bilateraler und multilateraler Ebene für die Stärkung des humanitären Völkerrechts eingesetzt. Sie konnte sich im Überprüfungsprozess für einen leistungsstarken ICC einsetzen.

Über einen verstärkten Dialog und strategische Beiträge hat sie zudem die UNO und die Weltbank zu einer engeren Zusammenarbeit aufgefordert, um die tiefer liegenden Konfliktursachen besser verstehen und angehen zu können. Der Ko-Vorsitz der Schweiz in der Arbeitsgruppe Strafjustiz und Rechtsstaatlichkeit des GCTF von 2017 bis 2022 war erfolgreich und alle ihre Initiativen für Empfehlungen zur Terrorismusbekämpfung nach rechtsstaatlichen Standards wurden auf Ministerebene gutgeheissen.

Auf Kurs.

Die Schweiz engagierte sich für die Stärkung des humanitären Völkerrechts, vor allem im Hinblick auf ihre Mitgliedschaft im Sicherheitsrat. Im Kontext der russischen Aggression gegen die Ukraine setzte sich die Schweiz konsequent für den Respekt des humanitären Völkerrechts und die strafrechtliche Aufarbeitung schwerster Verbrechen ein. Generell stärkte sie den ICC, z.B. durch die Entsendung von Expertinnen und Experten.

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7.3 Die Schweiz nutzt die Gelegenheit, sich als Gastland in den Arbeiten der G20 einzubringen und die Beziehung zu diesem Forum zu stärken.

Die Schweiz nahm unter der indonesischen G20 Präsidentschaft zum achten Mal am «Finance Track» teil. Im «Sherpa Track» wirkte sie in den Arbeitsgruppen Korruptionsbekämpfung, Handel und Investitionen und Gesundheit mit.

Auf Kurs.

Die Mitwirkung der Schweiz hat sich weiter etabliert.

7.4 Die Schweiz stärkt ihre Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit als Gaststaat. Der Fokus liegt dabei auf der Universalisierung der diplomatischen Vertretungen, der Durchführung von internationalen Konferenzen und Friedensgesprächen sowie auf der Positionierung bei Zukunftsthemen.

In Bezug auf die Universalität eröffneten Samoa sowie Antigua und Barbuda eine ständige Vertretung. Die Schweiz war Gastgeberin für Friedensgespräche zu Libyen und Syrien.

Im Bereich der Zukunftsthemen unterstützte sie die Ansiedlung von zwei neuen internationalen Organisationen in Genf.

Auf Kurs.

Die Schweiz ist weiterhin attraktiv als Gaststaat für internationale Organisationen und Konferenzen und setzt die Massnahmen der Gaststaatbotschaft um.

Um die Schweiz weiter als Zentrum eines modernen Multilateralismus zu positionieren, braucht es weitere Investitionen in die Konferenzinfrastruktur, abgestimmt auf hybride Formate, sowie eine digitale Infrastruktur, welche eine sichere Verarbeitung von Daten gewährleistet.

7.5 Die Schweiz strebt vermehrt themen-, sach- und regionenbezogene diplomatische Initiativen mit gleichgesinnten Staaten und Staatengruppen an.

Die Schweiz hat mit gleichgesinnten Staaten verschiedene Initiativen lanciert, beispielsweise in der UNOGeneralversammlung, wo sie gemeinsam mit Costa Rica, Marokko, den Malediven und Slowenien eine Resolution zur Anerkennung eines eigenständigen Menschenrechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt einbrachte, die ohne Gegenstimme angenommen wurde. Zusammen mit dem Niger und dem «Global Community Engagement and Resilience Fund» (GCERF) hat sie eine Geberkonferenz für die Prävention von gewalttätigem Extremismus organisiert.

Auf Kurs.

Der Ansatz der Interessenwahrung durch vermehrte Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Staaten bewährt sich.

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8. Aussennetz und bürgernahe Dienstleistungen 8.1 Die Schweiz unterhält ein optimal aufgestelltes Aussennetz als Grundlage für ihre Aussenpolitik. Sie überprüft Standorte und Aufgaben der rund 170 Vertretungen regelmässig. Die Zusammenarbeit mit allen Akteurinnen und Akteuren, ob aus Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft oder anderen Bereichen, wird im Aussennetz systematisch im Sinne des «One Switzerland»-Ansatzes gefördert.

Im Rahmen des 2020 vom Vorsteher des EDA erteilten Mandats «Rebalance» hat das EDA weitere Vertretungen im Aussennetz verstärkt. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Kleinstvertretungen in Europa und die dazugehörigen bilateralen Beziehungen zu den EU-Ländern.

Auf Kurs.

Das Aussennetz wurde weiter verstärkt, der «One-Switzerland»-Ansatz ist bereits breit verankert.

8.2 Der Bund achtet beim Personal auf eine repräsentative Vertretung der Bevölkerung auf allen Hierarchiestufen. Flexible Arbeitsmodelle und die Vereinbarkeit von Beruf und anderen Lebensbereichen werden gefördert und das Personal regelmässig weitergebildet. Die Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Berufskarrieren wird erhöht.

Im vergangenen Jahr hat das EDA Massnahmen ergriffen, um eine noch bessere Repräsentativität nach Geschlecht, Alter und Sprachen zu gewährleisten, insbesondere auf Stufe Topkader. Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und anderen Lebensbereichen wurde der Leitfaden «Flexibles Arbeiten im EDA» publiziert. Im Jahr 2022 wurde das Ausbildungsangebot weiterentwickelt. Es enthält Grundsätze zur Durchlässigkeit und flexibilisiert die Berufslaufbahnen schrittweise.

Ein Wiedereinstieg ist möglich.

Auf Kurs.

Die Förderung der Diversität und einer personalgerechten Weiterbildung ist eine Priorität im EDA und wird weiterverfolgt. Ein neuer EDAAktionsplan «Betriebliche Chancengleichheit» weist den Weg bis 2028.

8.3 Die Schweiz fördert das Konzept «nachhaltiger Vertretungen». Der Bundesrat engagiert sich für eine Reduktion des CO2-Ausstosses durch die verstärkte Nutzung von Videokonferenzen, durch ein gut aufgestelltes Aussennetz sowie durch die Einsparung von Flügen. Er setzt sich auch in der Aussenpolitik für seine Umweltziele ein und achtet auf seine Umweltbilanz.

Das EDA setzt sich zum Ziel, den CO2-Fussabdruck seiner durch die Bundesreisezentrale gebuchten Flugreisen jährlich um 3 % zu reduzieren. 2022 wurde diese Reduktion problemlos erreicht.

Auf Kurs.

Das EDA setzt die neuen Dienstreiseregeln des Bundes konsequent um und baut Videokonferenz-Lösungen fortlaufend aus.

8.4 Das KrisenmanagementZentrum des EDA stärkt die Krisenmanagementkapazitäten und die Sicherheitskultur (...).

Die Sicherheit der Vertretungen wird regelmässig überprüft und durch neue Technologien unterstützt. In speziell

Die erste Phase von «KMZdigital» ist vollständig entwickelt. Ende 2022 wurde die erste Phase im gesamten Aussennetz eingeführt. Die drei neuen regionalen Sicherheitsberatenden wurden im Sommer 2022 eingesetzt. Damit sind

Auf Kurs.

Die Erste Phase des Projekts «KMZdigital» ist abgeschlossen und im Aussennetz zu 80 % umgesetzt. Es sind mehr regionale

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schwierigen Kontexten kom- weltweit insgesamt neun regio- Sicherheitsberatende als men Sicherheitsfachleute zum nale Sicherheitsberatenden un- im Vorjahr im Einsatz.

Einsatz.

ter der fachlichen Führung von KMZ im Einsatz.

8.5 Als wichtiger Wissenschaftsund Innovationsstandort unterhält die Schweiz alleine oder mit Partnern ein Angebot, das konsequent die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt. Das Online- und Mobile-Angebot im Bereich der Konsulardienstleistungen wird kontinuierlich ausgebaut. Zentrale Bedeutung kommt dabei einer sicheren, vertrauenswürdigen elektronischen Identifizierung der Kundinnen und Kunden zu (...).

Der Aktionsplan 2021­2022 zur digitalen Transformation im Dienstleistungsbereich liegt vor und zeigt die Ausbauetappen des Online- und MobileAngebots auf. Wichtige Projekte sind bereits abgeschlossen oder weit fortgeschritten.

Erfolgreich lanciert ist SwissInTouch, die neue App für die Auslandschweizergemeinschaft.

Auf Kurs.

Die bestehenden Identifikationslösungen funktionieren, eine breit etablierte elektronische Identifizierung dürfte die Benutzerfreundlichkeit konsularischer Dienstleistungen aber weiter erhöhen.

9.1 Der Bundesrat sorgt für eine transparente, zeitnahe, proaktive und qualitätsgesicherte Kommunikation über seine Aussenpolitik und achtet auf die Kohärenz der Kommunikation im In- und Ausland.

Die Zusammenarbeit zwischen dem EDA und der Bundeskanzlei bei der Koordination der Kommunikation hat sich insbesondere im Bereich der europapolitischen Themen intensiviert. Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesrates, zur Stärkung der politischen und inhaltlichen Steuerung der Sondierungsgespräche mit der EU eine Projektorganisation einzurichten. Diese umfasst auch eine strukturierte Zusammenarbeit bei der Kommunikation.

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Im Berichtsjahr stellten sich nicht zuletzt aufgrund der internationalen Lage zahlreiche anspruchsvolle kommunikative Aufgaben, auf die der Bund u.a. mit einer verstärkten Koordination zur Sicherstellung der Kohärenz reagierte.

9.2 Das kommunikative Potenzial der sozialen Medien wird sowohl an der Zentrale als auch im Aussennetz systematischer ausgeschöpft. Damit werden der Erklärungsbedarf in der Schweiz abgedeckt und die Kommunikationsbedürfnisse vor Ort sowie die Umsetzung der aussenpolitischen Strategie und der Strategie Landeskommunikation unterstützt.

Vor dem Hintergrund der Strategie soziale Medien des Bundesrates liefert das EDA der Bundeskanzlei Inhalte zu aussenpolitischen Themen. Die Verbreitung über die Konten der Bundeskanzlei ergänzt die Social-Media-Auftritte des Aussennetzes. Um hier die bestmögliche Kommunikation zu aussenpolitischen Themen sicherzustellen, wurden die Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Zentrale und Vertretungen weiter verstärkt.

Auf Kurs.

Mit der Zusammenarbeit mit der Bundeskanzlei auf der Grundlage der Strategie soziale Medien des Bundesrates kann das EDA ein zusätzliches Potenzial nutzen, um aussenpolitische Themen im In- und Ausland bekannt zu machen.

9. Kommunikation

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9.3 Das EDA pflegt den Austausch mit der Bevölkerung zur schweizerischen Aussenpolitik und Diplomatie. Hierzu führt es das Pilotprojekt «Meet the Ambassadors» aus dem Jahr 2019 weiter.

Das Programm des Bundespräsidenten umfasste eine Vielzahl von Anlässen, an denen auch die Bevölkerung teilnehmen konnte und an denen aussenpolitische Themen zur Sprache kamen. Aufgrund des Präsidialjahrs- stand das EDA ausserdem durch den Erhalt und die Beantwortung von Bürgerbriefen und -mails in Kontakt mit vielen Bürgerinnen und Bürgern, um aussenpolitische Themen zu erläutern.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine trug insgesamt zu einem erhöhten Interesse der Bevölkerung an aussenpolitischen Themen bei.

Auf Kurs.

Das Präsidialjahr schuf neue Möglichkeiten des Austauschs mit der Bevölkerung zu aussenpolitischen Themen. Aussenpolitik wurde zu einem festen Bestandteil der innenpolitischen Debatte.

9.4 Auftritte der Schweiz an internationalen Grossveranstaltungen werden unter Einbezug von Partnerinnen und Partnern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Tourismus, Sport, Kultur und Gesellschaft genutzt. Dazu gehören insbesondere der Auftritt des House of Switzerland an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio und 2022 in Peking sowie die Teilnahme an der Expo 2020 in Dubai. Das WEF wird nach dem erfolgreichen Projekt im Jahr 2019 verstärkt als Plattform für die Landeskommunikation genutzt.

Die Teilnahme an der Expo in Dubai wurde mit einer positiven Schlussbilanz abgeschlossen. Erneut war die Schweiz beim WEF in Davos mit einem House of Switzerland vertreten und realisierte zudem einen Auftritt mit einem Pop-up HoS House of Switzerland in Mailand. Wegen der Pandemie musste der Auftritt bei den Olympischen Spielen in Peking abgesagt werden, wobei die negativen Konsequenzen des Entscheids minimiert wurden.

Auf Kurs.

Mit Ausnahme des Auftritts in Peking zu Jahresbeginn konnten die für 2022 geplanten Auftritte realisiert werden.

9.5 In enger Zusammenarbeit mit den Partnerinnen und Partnern werden Landeskommunikationskampagnen zu Themen wie den Beziehungen Schweiz­EU, der Schweiz als bedeutendem «Hub» für Innovation, der Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat sowie zur Umsetzung der Agenda 2030 konzipiert. Diese Kampagnen ergänzen und verstärken die geltenden Strategien in den jeweiligen Themenbereichen.

Verschiedene Aktivitäten zu Kampagnenthemen wie etwa Innovation und Finanzplatz konnten im In- und Ausland erfolgreich durchgeführt werden, sei es im Rahmen von Grossveranstaltungen, Projekten des Aussennetzes, Delegationsreisen oder Medienarbeit. So konnten die Kernbotschaften an ausgewählte Zielgruppen vermittelt werden. Das Stakeholder-Feedback war positiv.

Auf Kurs.

Das Ziel wird erfüllt, soweit es die Entwicklungen in den jeweiligen Dossiers zulassen.

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