BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.026 Botschaft zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (Kurzarbeitsentschädigung für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner) vom 15. Februar 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2019

M 16.3884

Rasche Unterstützung für Lehrbetriebe mit Kurzarbeit (N 26.9.18, Bühler; S 17.6.19)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Februar 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-0528

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Übersicht Für die Umsetzung der Motion Bühler 16.3884 schlägt der Bundesrat eine Anpassung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) vor. Die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner sollen während des Bezugs von Kurzarbeitsentschädigung (KAE) weiterhin die Lernenden im Betrieb ausbilden können, wenn die Ausbildung der Lernenden nicht anderweitig sichergestellt werden kann.

Ausgangslage Die Motion des Alt-Nationalrats Manfred Bühler vom 30. September 2016 (16.3884 «Rasche Unterstützung für Lehrbetriebe mit Kurzarbeit») wurde im Juni 2019 vom Parlament angenommen. Diese beauftragt den Bundesrat, «den Kantonen auf Wunsch zu erlauben, zumindest als befristetes Pilotprojekt die Löhne der Lehrmeisterinnen und Lehrmeister zu bezahlen, die im Rahmen der Kurzarbeitsentschädigung erwerbstätig bleiben».

Inhalt der Vorlage Mit der vorliegenden Teilrevision des AVIG soll dem Anliegen des Motionärs Folge geleistet werden. Neu sollen Berufsbildnerinnen und Berufsbildner während denjenigen Stunden, in welchen sie einen anrechenbaren Arbeitsausfall erleiden, die Ausbildung und Betreuung der Lernenden im Betrieb fortsetzen dürfen. Dies nur, sofern die Ausbildung der Lernenden nicht anderweitig sichergestellt werden kann. Diese Anpassung soll sicherstellen, dass die Ausbildung der Lernenden nicht unterbrochen wird, wenn ihr Lehrbetrieb Kurzarbeit beansprucht.

Die Auswirkungen der Teilrevision sind sehr begrenzt. Das Instrument der KAE wird während eines normalen Konjunkturverlaufs nur punktuell von Unternehmen in Anspruch genommen, und die Zusatzstunden für die Ausbildung und Betreuung von Lernenden gemäss Berufsbildungsgesetz sollten nicht mehr als 1 Prozent der Kosten der KAE ausmachen.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Mit der Kurzarbeitsentschädigung (KAE) bietet die Arbeitslosenversicherung (ALV) den Arbeitgebern in konjunkturell schwierigen Zeiten eine Alternative zu Entlassungen. Die Bestimmungen zur KAE sind in den Artikeln 31 ff. des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 19821 (AVIG) geregelt. Der Bezug von KAE soll dazu beitragen, Arbeitsplätze bei einem vorübergehenden Beschäftigungsrückgang zu erhalten. Arbeitnehmende bleiben weiterhin angestellt, während der Arbeitgeber die Kosten der Personalfluktuation (Einarbeitungskosten, Verlust von betrieblichem Knowhow usw.) einspart und die Arbeitskräfte jederzeit auch kurzfristig wiedereinsetzen kann. Anspruch auf KAE haben Arbeitnehmende, deren normale Arbeitszeit aus wirtschaftlichen Gründen verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt wird.

Für Lehrbetriebe kann die Ausbildung von Lernenden in konjunkturell schwierigen Zeiten eine Herausforderung sein, insbesondere wenn die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner aufgrund von Kurzarbeit abwesend sind. Ein Lehrbetrieb kann für seine Berufsbildnerinnen und Berufsbildner nur dann KAE beziehen, wenn sie in ihrem normalen Aufgabenbereich von einer Arbeitszeitreduktion betroffen sind. Wenn sich also ein Lehrbetrieb gezwungen sieht, KAE für seine Berufsbildnerinnen und Berufsbildner zu beantragen, könnte die Ausbildung der Lernenden gefährdet sein, vor allem wenn deren Versetzung in einen anderen Betrieb nicht möglich ist.

Sowohl während der Finanzkrise 2009 als auch während der Krise der Frankenstärke im Jahr 2016 reagierte die ALV im Rahmen von arbeitsmarktlichen Massnahmen (AMM). Auf Wunsch einiger Kantone, allen voran Bern, entrichtete die ALV einen Teil der Löhne der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, damit diese auch während der Kurzarbeit die Ausbildung der Lernenden gewährleisten konnten.

Vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise hat der Bundesrat entschieden, die Löhne der Berufsbildnerinnen und Berufsbilder, die weiterhin Lernende ausbilden, zu übernehmen (vgl. Art. 17 Abs. 1 Bst. a des Covid-19-Gesetzes vom 25. September 20202 und Art. 8j der Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung vom 20. März 20203). Diese Regelung gilt bis Ende 2023.

Die Motion Bühler 16.3884 «Rasche Unterstützung für Lehrbetriebe mit Kurzarbeit», welche im Juni 2019 vom Parlament angenommen wurde, verlangt vom Bundesrat,
«den Kantonen auf Wunsch zu erlauben, zumindest als befristetes Pilotprojekt die Löhne der Lehrmeisterinnen und Lehrmeister zu bezahlen, die im Rahmen der Kurzarbeitsentschädigung erwerbstätig bleiben».

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SR 837.0 SR 818.102 SR 837.033

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1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Aufgrund der Erfahrungen mit der Regelung im Covid-19-Gesetz ist vorgesehen, die Motion Bühler 16.3884 umzusetzen, indem der Anspruch auf KAE für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner im Sinne von Artikel 45 des Berufsbildungsgesetzes vom 13. Dezember 20024 (BBG) direkt im AVIG verankert wird. Der neue Gesetzesartikel für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner wird nach dem Vorbild von Artikel 47 der Arbeitslosenversicherungsverordnung vom 31. August 19835 (AVIV), der für berufliche Weiterbildungen gilt, ausgestaltet. Während des Bezugs von KAE wird mit Bewilligung der kantonalen Behörde ermöglicht, diejenigen Stunden, in welchen die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner einen anrechenbaren Arbeitsausfall erleiden, die Ausbildung und Betreuung der Lernenden im Betrieb fortzusetzen, sofern die Ausbildung der Lernenden nicht anderweitig sichergestellt werden kann.

Die neue Regelung bietet eine für die ganze Schweiz einheitliche Lösung, sodass die Umsetzung der Motion Bühler 16.3884 und entsprechend der Anspruch auf KAE für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner einheitlich geregelt ist und sich nicht je nach Kanton unterscheidet. Der Motionär hatte hingegen angedeutet, dass diese Regelung nur in denjenigen Kantonen zur Anwendung kommen soll, die dies wünschen.

Eine Umsetzung der Motion mittels Pilotprojekte, um den Bedarf an dieser Lösung zu ermitteln, ist unnötig, da diese bereits über die KAE im Rahmen des Covid-19Gesetzes und der Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung eingesetzt worden ist.

Schliesslich wurde die Möglichkeit zur Umsetzung über die AMM verworfen. Eine solche würde der Forderung der Motion nach einer Lösung im Rahmen der KAE nicht vollständig entsprechen und innerhalb des Systems der AMM zu einem gewissen Widerspruch führen. Dies insbesondere, weil die im Fokus der Motion stehenden Lernenden weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht sind.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20206 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20207 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

Dennoch trägt die vorliegende Teilrevision direkt zum Ziel der Legislaturplanung im Bereich Bildung, Forschung und Innovation bei: «Die Schweiz bleibt führend in Bildung, Forschung und Innovation und nutzt die Chancen der Digitalisierung».

Die Berufsbildung ist ein wesentlicher Faktor für die Aufrechterhaltung der Schweizer Führungsrolle im Bildungsbereich. Die Berufsbildung muss sich laufend an die Anforderungen des Arbeitsmarktes anpassen können. Der Bund sorgt für Rahmen4 5 6 7

SR 412.10 SR 837.02 BBl 2020 1777 BBl 2020 8385

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bedingungen, um die Lehrbetriebe dabei zu unterstützen, zu diesem Legislaturziel beizutragen. Die AVIG-Teilrevision gewährleistet die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochstehenden Berufsbildung in den Lehrbetrieben.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der vorliegenden Teilrevision des AVIG kann die Motion Bühler 16.3884 «Rasche Unterstützung für Lehrbetriebe mit Kurzarbeit» abgeschrieben werden.

2

Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung zur Teilrevision fand vom 10. Juni 2022 bis zum 21. September 2022 statt. Insgesamt wurden 37 Rückmeldungen von Kantonen, politischen Parteien, Wirtschaftsverbänden und weiteren Organisationen eingereicht. Nachfolgend werden die eingegangenen Rückmeldungen und Anmerkungen zusammengefasst. Für detaillierte Ausführungen wird auf den Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens verwiesen.8

2.1

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Alle Teilnehmer, bis auf einen Kanton, befürworten die Revision. Die Mehrheit der Teilnehmer nimmt die Vorlage positiv auf und äussert keine Anpassungsvorschläge.

Im Folgenden werden die Rückmeldungen zu den einzelnen Themen kurz erläutert.

2.1.1

Voraussetzungen von Artikel 32 Absatz 6

Alle Teilnehmer, bis auf einen Kanton, befürworten, dass durch die Regelung Berufsbildnerinnen und Berufsbildner während der Stunden, die als anrechenbarer Arbeitsausfall gelten, die Ausbildung der Lernenden fortsetzen können.

Zehn Teilnehmer haben Anmerkungen und weisen auf offene Punkte hin bezüglich des Vollzugs und der Bewilligung durch die kantonale Amtsstelle. Davon weisen acht der Teilnehmer darauf hin, bei den Ausführungen zum Vollzug auf den Mehraufwand für die Behörden und Betriebe zu achten, und fordern eine schlanke Verwaltung. Generell wird der Mehraufwand von sieben Teilnehmern als begrenzt und in Anbetracht der positiven Aspekte der Reform als verhältnismässig eingeschätzt. Zwei der Teilnehmer schlagen vor, die Praxisbildnerinnen und Praxisbildner bei der neuen Regelung zu berücksichtigen.

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www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > WBF.

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2.1.2

Differenzzahlungen gemäss Artikel 37 Buchstabe d

Vier Teilnehmer begrüssen explizit die Pflicht des Arbeitgebers, für die entsprechenden Ausbildungsaufwände die Differenz zwischen der KAE und dem effektiven Lohn den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern zu vergüten. Ein Teilnehmer weist auf einen allfälligen Mehraufwand für die Unternehmen aufgrund der Differenzzahlungen hin.

2.1.3

Anpassungen in Artikel 60 Absatz 5

Zur Anpassung von Artikel 60 Absatz 5 erster Satz gab es von keinem der Teilnehmer Bemerkungen.

2.1.4

Inkrafttreten und Rückwirkung

Ein Kanton ist der Ansicht, dass die im Covid-19-Gesetz bestehende Regelung ohne Unterbruch weitergeführt werden muss. Ein weiterer Kanton spricht sich für eine Beschränkung der Rückwirkung auf drei Monate aus. Hingegen setzen sich vier Kantone dafür ein, die Regelung nicht rückwirkend in Kraft zu setzen, da sie den damit verbundenen Aufwand als sehr gross einschätzen.

2.1.5

Weitere Anträge

Drei Teilnehmer fordern eine gesetzliche Grundlage, um die Gesetzesrevision auf Berufsbildnerinnen und Berufsbildner mit massgeblichem Einfluss auf die Entscheidfindung des Betriebs und deren mitarbeitenden Ehepartnerinnen und -partner sowie mitarbeitende Personen in eingetragener Partnerschaft auszuweiten. Sie weisen darauf hin, dass in kleinen Betrieben oft Personen mit arbeitgeberähnlicher Stellung oder deren Ehegattinnen oder -gatten die Ausbildung der Lernenden übernehmen. Ihrer Ansicht nach muss die Ausbildung der Lernenden auch in kleinen Betrieben sichergestellt werden.

2.2

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Der Bundesrat hält an der in die Vernehmlassung geschickten Vorlage fest. Basierend auf den Rückmeldungen im Rahmen der Vernehmlassung hat der Bundesrat wenige Ausführungen angepasst respektive präzisiert. Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass sich die während der Covid-19-Pandemie eingeführte Regelung bewährt hat und eine unbefristete Lösung im AVIG befürwortet wird.

Die Anmerkungen und Unklarheiten bezüglich des Vollzugs werden bei der Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen (Verordnungs- und Weisungsebene) mög6 / 18

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lichst berücksichtigt. Es wird grosser Wert daraufgelegt, den Mehraufwand zu minimieren und einen klaren, einfachen und rechtmässigen Vollzug zu ermöglichen.

Der Einbezug der Praxisbildnerinnen und Praxisbildner wird gewährleistet. Die neue Regelung berücksichtigt Berufsbildnerinnen und Berufsbildner (inkl. Praxisbildnerinnen und Praxisbildner), welche die Anforderungen nach Artikel 45 BBG und nach Artikel 44 der Berufsbildungsverordnung vom 19. November 20039 (BBV) erfüllen.

Aufgrund der eingegangenen Rückmeldung ist die Nennung im Lehrvertrag, wie ursprünglich im erläuternden Bericht beschrieben, keine Voraussetzung mehr.

Aufgrund der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens würde die Referendumsfrist erst nach dem 1. Januar 2024 ablaufen. Sollte daher das geplante Inkrafttreten per 1. Januar 2024 nicht realisierbar sein, erlaubt eine rückwirkende Inkraftsetzung dem Bundesrat, das Gesetz dennoch auf diesen Zeitpunkt in Kraft zu setzen. Dem Bundesrat ist bewusst, dass eine rückwirkende Inkraftsetzung mit Schwierigkeiten verbunden ist. Daher wird die Gesetzesvorlage voraussichtlich über eine Periode von maximal drei Monaten rückwirkend in Kraft gesetzt. Die rückwirkende Inkraftsetzung ist dadurch zeitlich angemessen begrenzt.

Der Bundesrat hält auch in Bezug auf den Anpassungsvorschlag zur Ausweitung der Regelung auf Berufsbildnerinnen und Berufsbildner mit massgeblichem Einfluss auf die Entscheidfindung des Betriebs und deren mitarbeitenden Ehepartnerinnen und partner sowie mitarbeitende Personen in eingetragener Partnerschaft an der in die Vernehmlassung geschickten Vorlage fest. Das Ziel der Gesetzesrevision ist es, Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern zu ermöglichen, die Ausbildung ihrer Lernenden trotz Kurzarbeit fortzusetzen. Die KAE stellt daher keine Hürde für die Kontinuität der Ausbildung und Betreuung der Lernenden dar. Da Berufsbildnerinnen und Berufsbildner mit arbeitgeberähnlicher Stellung keinen Anspruch auf KAE haben, können sie auch ohne die Gesetzesrevision ihre Lernenden weiter betreuen und ausbilden. Eine Ausweitung des Anspruchs auf KAE auf Berufsbildnerinnen und Berufsbilder in arbeitgeberähnlicher Stellung würde dem Ziel der Kurzarbeit zuwiderlaufen und wäre mit erheblichen Missbrauchsrisiken verbunden. Das Ziel der KAE ist die Sicherung von Arbeitsplätzen und nicht die wirtschaftliche Unterstützung von Unternehmen. Somit sendet eine solche Ausweitung ein falsches Signal bezüglich des Instruments der KAE.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das Recht der Europäischen Union (EU) enthält keine materiellen Bestimmungen in Bezug auf die ALV. Vielmehr beschränkt es sich im Bereich der Sozialversicherungen darauf, die verschiedenen Systeme der Mitgliedstaaten zu koordinieren, die den materiellen Inhalt des Rechts festlegen. Der Begriff «Kurzarbeit», der in der

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SR 412.101

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Verordnung (EG) Nr. 883/200410 enthalten ist und vom Gerichtshof der Europäischen Union ausgelegt wird, entspricht zwar der schweizerischen Definition und ist durch eine vorübergehende Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses charakterisiert. Das EU-Recht enthält jedoch keine materiellen Vorschriften über die Entschädigung für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner beim Bezug von KAE, die der im vorliegenden Entwurf vorgesehenen Entschädigung entsprechen würden.

In den nationalen Rechtsordnungen aller Nachbarländer sowie in 14 weiteren Staaten der EU und der Europäischen Freihandelsassoziation bestehen ähnliche Instrumente wie die KAE. Insbesondere Deutschland, Österreich und Frankreich haben Modelle mit Instrumenten, die der KAE gemäss AVIG gleichen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind darüber hinaus die dualen Ausbildungsmodelle vergleichbar.

Anders als in der Schweiz haben Lernende in Frankreich und in Österreich grundsätzlich Anspruch auf Leistungen im Bereich der Kurzarbeit. In Deutschland ist die Möglichkeit des Bezugs von KAE für Lernende und Berufsbildende vorgesehen, jedoch mit einer restriktiven Auslegung. Der Ausbildungsbetrieb ist verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung von Lernenden weiter zu gewährleisten, zum Beispiel durch die Umstellung des Ausbildungsplans oder durch das Vorziehen anderer Lerninhalte, bevor Leistungen im Bereich der Kurzarbeit bezogen werden können.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind bestimmte Betriebe, darunter auch Lehrbetriebe, gezwungen, auf das Instrument der KAE zurückzugreifen. Die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, die für die Ausbildung von Lernenden zuständig sind und aus diesem Grund trotz fehlender Aufträge arbeiten, erleiden keinen effektiven Arbeitsausfall. Somit verlieren die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner ihren Anspruch auf KAE, da diese nur für effektiv ausgefallene Arbeitszeit ausgerichtet wird (Art. 31 Abs. 1 Bst. b AVIG). Dies kann zur Folge haben, dass der Arbeitgeber auf die Anwesenheit der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner im Betrieb verzichtet, um für sie weiterhin Kurzarbeit geltend zu machen.

Ziel der Motion ist es, die Qualität der Ausbildung der Lernenden durch die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner weiterhin sicherzustellen, auch wenn deren Lehrbetrieb Kurzarbeit in Anspruch nimmt. Im Gegensatz zur aktuellen Regelung für die Weiterbildung im Betrieb (Art. 47 AVIV) schlägt die Vorlage eine Umsetzung der Motion durch die Aufnahme einer Bestimmung ins AVIG vor, bei der es sich grundsätzlich um eine Ausnahme handelt, die am Grundgedanken der KAE rüttelt, nämlich der Entschädigung von Arbeitsausfällen. Mit der neuen Bestimmung in Artikel 32 Absatz 6 haben die für die Ausbildung von Lernenden zuständigen Berufsbildner10

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1.

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innen und Berufsbildner Anspruch auf KAE und dürfen gleichzeitig die Ausbildung der Lernenden im Betrieb fortsetzen. Obwohl die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner zur Betreuung der Lernenden weiterarbeiten, bleibt ihr Anspruch auf KAE für die entsprechenden Stunden bestehen. Diese Stunden werden somit nicht von ihrem anrechenbaren Arbeitsausfall abgezogen.

Es gilt darauf hinzuweisen, dass in der neuen Bestimmung sowie in der vorliegenden Botschaft von «Berufsbildnerin und Berufsbildner» und nicht von «Lehrmeisterin und Lehrmeister» gesprochen wird, da dieser Begriff auch im geltenden BBG verwendet wird. Die Platzierung des neuen Artikels in der Gesetzessystematik wurde bewusst gewählt, um zu betonen, dass es sich um eine Ausnahme im Zusammenhang mit dem anrechenbaren Arbeitsausfall handelt.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Änderung hat für den Bund keine direkten finanziellen oder aufgabenbezogenen Konsequenzen.

4.3

Umsetzungsfragen

Die neue Regelung wird von den kantonalen Behörden umgesetzt, die für die Erteilung der Bewilligungen zuständig sind, die es den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern erlauben, die Ausbildung von Lernenden fortzusetzen. Die kantonale Vollzugsstelle wird von der Ausgleichsstelle der ALV begleitet, unterstützt und evaluiert. Als Aufsichtsbehörde sorgt die vom Staatssekretariat für Wirtschaft geführte Ausgleichsstelle für eine einheitliche Rechtsanwendung, insbesondere durch den Erlass von Weisungen und Revisionen sowie mit Beschwerden und Stellungnahmen an das Bundesgericht.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 32 Abs. 6 Artikel 32 Absatz 6 legt die Voraussetzungen fest, wann Berufsbildnerinnen und Berufsbildner während dem Bezug von KAE die Ausbildung und Betreuung der Lernenden im Betrieb fortsetzen dürfen, ohne dass sich der anrechenbare Arbeitsausfall dadurch verringert.

Damit die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner während des Bezugs von KAE die Ausbildung der Lernenden weiterhin gewährleisten können, benötigt der Betrieb gemäss dem neuen Absatz eine Bewilligung der zuständigen kantonalen Amtsstelle. Dafür muss der Betrieb belegen, dass die Ausbildung der Lernenden aufgrund der Kurzarbeit gefährdet ist, dass die Anwesenheit der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner erforderlich ist, um die Betreuung und Ausbildung der Lernenden sicherzustellen, und dass keine andere Lösung möglich ist (Betreuung durch andere Mitarbeitende, Ver-

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setzung der Lernenden in eine andere Abteilung des Betriebs ohne Kurzarbeit, Anpassung der Arbeitszeiten usw.).

Die zuständigen Berufsbildnerinnen und Berufsbildner müssen während den Stunden, in denen sie einen anrechenbaren Arbeitsausfall erleiden und die Lernenden im Betrieb weiter ausbilden dürfen, alle üblichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von KAE erfüllen. Zum Beispiel haben Berufsbildnerinnen und Berufsbildner mit massgeblichem Einfluss auf die Entscheidfindung des Betriebs und die mitarbeitende Ehegattin oder der mitarbeitende Ehegatte der angestellten Person in arbeitgeberähnlicher Stellunggemäss Artikel 31 Absatz 3 AVIG keinen Anspruch auf KAE.

Als Berufsbildnerinnen und Berufsbildner in Lehrbetrieben gelten Personen gemäss Artikel 45 BBG sowie Artikel 44 BBV, welche für die praktische Ausbildung der Lernenden zuständig sind. Sie führen die Lernenden in den Betriebs-, Berufs- und Arbeitsalltag ein. Für die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner gelten qualifizierte fachliche sowie pädagogische und methodisch-didaktische Anforderungen.

Als Lernende gelten Personen, die das 15. Altersjahr vollendet haben, die obligatorische Schulzeit beendet haben oder aus dieser entlassen sind und einen Lehrvertrag nach den Bestimmungen von Artikel 14 BBG für einen Beruf unterzeichnet haben, der in einer Bildungsverordnung geregelt ist. Eine Unterschreitung des Mindestalters kann die für die Berufsbildung zuständige kantonale Behörde in bestimmten Fällen bewilligen.

Art. 37 Bst. d Berufsbildnerinnen und Berufsbildner sollen für diejenigen Stunden, welche für die Ausbildung der Lernenden aufgewendet werden und in denen sie somit ihre Arbeitsleistung weiterhin erbringen, den vertraglich vereinbarten Lohn erhalten. Da beim Bezug von KAE nur 80 Prozent des anrechenbaren Verdienstausfalls entschädigt werden, wird mit dieser Bestimmung festgelegt, dass die nicht entschädigte Differenz zwischen der KAE und dem vertraglich vereinbarten Lohn für diese von den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern zur Ausbildung der Lernenden aufgewendeten Stunden vom Arbeitgeber zu bezahlen sind.

Art. 60 Abs. 5 erster Satz Für das zitierte Gesetz muss die Abkürzung «BBG», die in Artikel 32 Absatz 6 eingeführt wird, verwendet werden. Zudem ist die Reihenfolge der beiden Elemente «auswählen» und «gestalten» im Vergleich
zum geltenden Recht von der Logik her umzudrehen und mit dem Wort «und» statt «beziehungsweise» zu verbinden. Damit entspricht die deutsche Version auch dem französischen und italienischen Gesetzestext.

Ziffer II ­ Inkrafttreten und Rückwirkung Bis am 31. Dezember 2023 können Unternehmen für Berufsbildnerinnen und Berufsbilder basierend auf der Covid-19-Gesetzgebung KAE abrechnen, wenn diese Lernende betreuen. Nach diesem Datum ist es den Betrieben nicht mehr möglich, gestützt auf die Regelung in der Covid-19-Gesetzgebung einen solchen Anspruch auf KAE zu 10 / 18

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begründen. Damit Unternehmen, die für ihre Berufsbildnerinnen und Berufsbildner auf der Grundlage der Covid-19-Gesetzgebung KAE beanspruchen, ohne Unterbruch einen neuen Anspruch auf KAE gemäss der vorgeschlagenen neuen Regelung geltend machen können, muss diese am 1. Januar 2024 in Kraft treten.

In Anbetracht der Dauer des Gesetzgebungsprozesses besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Referendumsfrist nach dem 1. Januar 2024 ablaufen wird. Ist ein Inkrafttreten per 1. Januar 2024 auch unter diesen Umständen erforderlich, so sieht das Gesetz die Möglichkeit eines rückwirkenden Inkrafttretens vor.

Rückwirkende Inkraftsetzungen sind äusserst restriktiv anzuwenden und müssen diverse Voraussetzungen erfüllen. Die Rückwirkung muss insbesondere durch relevante Gründe gerechtfertigt sein, darf nicht die Rechte Dritter oder wohlerworbene Rechte verletzen, darf nicht zu anstössigen Ungleichheiten führen und muss zeitlich angemessen begrenzt sein.

Im vorliegenden Fall dürfte die Rückwirkung vermutlich auf einen Zeitraum von maximal drei Monaten beschränkt sein und spätestens im Laufe des ersten Quartals 2024 beschlossen werden. Eine rückwirkende Inkraftsetzung über drei Monate hinaus würde zu erheblichen Schwierigkeiten, einer Rechtsunsicherheit seitens der Arbeitgeber ebenso wie der kantonalen Behörden sowie zu unverhältnismässigem Mehraufwand mit entsprechenden Kosten führen. Je nach umgesetztem Verfahren wären möglicherweise sowohl die Voranmeldungen als auch die Abrechnungen entsprechend anzupassen.

Wenn das rückwirkende Inkrafttreten dieses Gesetzes auf drei Monate beschränkt ist und dies spätestens während dem ersten Quartal 2024 beschlossen wird, bleibt die daraus resultierende Rückwirkung zeitlich klar begrenzt und führt nicht zu einem Mehraufwand oder zu Kosten, die in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.

Mit dieser Bestimmung, die zugunsten der Betroffenen rückwirkend in Kraft gesetzt wird, würden von Kurzarbeit betroffene Betriebe, die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner beschäftigen und Lernende ausbilden, finanziell bessergestellt als heute. Mit Ausnahme der getroffenen Massnahmen während der Covid-19-Krise konnten Unternehmen für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner bis anhin keine KAE beantragen, sofern diese die Lernenden weiterbetreuten. Alternativ wurde von den
Unternehmen teilweise auch auf die Anwesenheit der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner im Betrieb verzichtet, um für sie KAE geltend zu machen. Mit der neuen Regelung haben Betriebe, deren Berufsbildnerinnen und Berufsbildner Anspruch auf KAE haben, die Möglichkeit, die Weiterbetreuung von Lernenden zu gewährleisten, ohne dabei für diese Stunden auf KAE verzichten zu müssen. Zudem beeinträchtigt die vorliegende Rückwirkung keine Rechte Dritter und führt nicht zu stossenden Rechtsungleichheiten.

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Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Zusatzkosten für die ALV aufgrund der neuen Regelung werden auf maximal 1,4 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Dies entspricht höchstens 0,7 Prozent der jährlichen Ausgaben für die KAE, die sich von 2008 bis 2019 auf rund 200 Millionen Franken pro Jahr beliefen.

Es ist jedoch nicht möglich, genaue Zahlen über die zusätzlichen Kosten dieser neuen Regelung zu erhalten, da die Personen, die KAE beziehen, nicht bei der ALV registriert sind und nur die Daten der Unternehmen (und nicht der Arbeitnehmenden) in den Statistiken der ALV bezüglich KAE sichtbar sind. Darüber hinaus stehen für den Zeitraum während der Covid-19-Pandemie nur wenige Zahlen zur Verfügung, da ein summarisches Verfahren angewendet wurde. Daher ist eine Schätzung erforderlich.

(Diese beruht auf folgenden Daten und Hypothesen: fünf Betreuungsstunden pro Woche/260 Betreuungsstunden pro Jahr11; 189 000 duale Lehrverträge12; 1857 Arbeitsstunden pro Vollzeitstelle und Jahr13).

Die geschätzten maximalen Kosten basieren auf den Zahlen zur Inanspruchnahme von KAE vor der Covid-19-Pandemie. Es ist auch möglich, dass diese Regelung keine zusätzlichen Kosten verursacht, da es nur darum geht, Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern zu erlauben, weiterhin Lernende auszubilden, wenn sie (bereits) KAE beziehen. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass die neue Regelung dazu führt, dass mehr Unternehmen KAE in Anspruch nehmen.

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt Die ordentlichen Erträge des Ausgleichsfonds der ALV stammen zu rund 90 Prozent aus Beiträgen von Versicherten und Arbeitgebern und zu rund 10 Prozent aus Beteiligungen von Bund und Kantonen. Die Höhe dieser Beteiligungen leitet sich aus einem definierten Prozentsatz der beitragspflichtigen Lohnsumme ab und ist gesetzlich gebunden (Art. 90 Bst. b, 90a Abs. 1 und 92 Abs. 7bis AVIG). Da der Beitrag des Bundes an die ALV an die beitragspflichtige Lohnsumme gekoppelt und somit unabhängig von den Leistungen der ALV ist, hat die Vorlage keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund.

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Quelle: www.ehb.swiss > Forschung > Observatorium für die Berufsbildung > Themen und Trends > Lohnt sich die Lehrlingsausbildung für die Betriebe?

Quelle: Bundesamt für Statistik ­ Berufliche Grundbildung (inkl. Qualifikationsverfahren). Gesamtbestand der Lernenden nach Ausbildungsfeld, Lehrbetriebskanton, Ausbildungstyp, Ausbildungsform, Geschlecht und Jahr. www.pxweb.bfs.admin.ch (STAT-TAB ­ interaktive Tabellen).

Quelle: Bundesamt für Statistik ­ Arbeitsvolumenstatistik. Tatsächliche Jahresarbeitszeit und tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit nach Geschlecht, Nationalität, Beschäftigungsgrad, Wirtschaftsabschnitten, Wirtschaftssektoren, Erwerbsstatus und Grossregionen.

www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Kataloge und Datenbank.

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Finanzielle Auswirkungen auf den Ausgleichsfonds der ALV Die kantonalen Amtsstellen werden aus dem Ausgleichsfonds der ALV für den Vollzug ihrer Aufgaben gemäss AVIG und dem Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 198914 entschädigt (Art. 92 Abs. 7 AVIG). Den kantonalen Amtsstellen wird, in Abhängigkeit der kantonalen Quote und Zahl der Stellensuchenden, ein Kostendach (Plafond) für ihre anrechenbaren Vollkosten vorgegeben. Innerhalb dieses Plafonds werden den Kantonen die effektiv angefallenen Vollzugskosten entschädigt.

Die neue Regelung bereitet kaum zusätzlichen administrativen Aufwand bei den kantonalen Amtsstellen und den Arbeitslosenkassen, welche die Anmeldungen beziehungsweise Abrechnungen der KAE prüfen. Zudem fällt dieser Aufwand nur bei Betrieben an, die von dieser Ausnahme für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner Gebrauch machen. Die zusätzlichen Kosten dieser neuen Regelung sind deshalb vernachlässigbar. Allfällige Kosten werden den kantonalen Vollzugsorganen innerhalb des Plafonds vom Ausgleichsfonds der ALV rückerstattet.

6.1.2

Personelle Auswirkungen

Die vorliegende Gesetzesänderung hat keine personellen Auswirkungen auf den Bund oder auf die Ausgleichsstelle der ALV.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

6.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Entsprechend den Ausführungen unter Ziffer 6.1.1, betreffen die finanziellen Auswirkungen direkt den Ausgleichsfonds der ALV. Die vorliegende Gesetzesrevision hat somit keine direkten finanziellen Auswirkungen auf Kantone, Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen oder Berggebiete.

6.2.2

Personelle Auswirkungen

Die vorliegende Gesetzesänderung hat keine direkten personellen Auswirkungen.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Mit Ausnahme der Sonderregelung während der Covid-19-Krise können Unternehmen für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner zurzeit keine KAE beantragen, sofern diese die Lernenden weiterbetreuen. Alternativ wird von den Unternehmen teilweise 14

SR 823.11

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auch auf die Anwesenheit der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner im Betrieb verzichtet, um für sie KAE geltend zu machen.

Mit der neuen Regelung können Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, für die ein Anspruch auf KAE besteht, die Betreuung und Ausbildung der Lernenden weiterführen, ohne für diese Arbeitsstunden auf KAE verzichten zu müssen. Dies hat eine positive Auswirkung auf die Kontinuität und Qualität der beruflichen Grundbildung.

Gleichzeitig hat der Betrieb den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern für die Stunden, die für die Betreuung der Lernenden aufgewendet werden, den Lohn gemäss Arbeitsvertrag zu entrichten, wobei die ALV beim Bezug von KAE 80 Prozent des anrechenbaren Verdienstausfalls der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner an den Arbeitgeber ausbezahlt.

Die Aufgabenerfüllung der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner ist auch in Lehrbetrieben, die von Kurzarbeit betroffen sind, für die Erreichung der betrieblichen Bildungsziele zentral. Berufsbildnerinnen und Berufsbildner sind zuständig für die praktische Ausbildung der Lernenden im Lehrbetrieb. Sie führen die Lernenden in den Betriebs-, Berufs- und Arbeitsalltag ein, definieren Lernziele, begleiten, unterstützen und fördern die Lernenden in der praktischen Arbeit und beurteilen die Lernergebnisse. Kontinuität in der betrieblichen Ausbildung und regelmässiger Kontakt zur Berufsbildnerin oder zum Berufsbildner ist Voraussetzung für das Erreichen des Lehrabschlusses und damit für den nahtlosen Übertritt in den Arbeitsmarkt.

Eine lückenhafte Betreuung der Lernenden könnte zu fehlenden Kompetenzen im Beruf führen. Lehrabsolventinnen und Lehrabsolventen laufen damit Gefahr, nicht oder nur erschwert auf dem Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Auch drohen bei mangelnder Betreuung Lehrabbrüche und damit fehlende nachobligatorische Abschlüsse. Die neue Regelung kann diesen unerwünschten Folgen entgegenwirken und liefert zudem einen Beitrag zur Stärkung des Fachkräfteangebots in der Schweiz.

Schliesslich trägt auch die Sicherstellung der betrieblichen Bildung der Lernenden zur Erreichung der bildungspolitischen Ziele von Bund und Kantonen bei. Unter anderem sollen 95 Prozent der 25-Jährigen über einen Abschluss auf Sekundarstufe II verfügen.

Die Konsequenzen der gesetzlichen Anpassungen auf Konsumentinnen und Konsumenten, Steuerpflichtige, Eigentümerinnen und Eigentümer sowie verschiedene soziale Gruppen wurden geprüft. Es werden keine negativen Auswirkungen erwartet.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Gesundheit

Im nachobligatorischen Bereich können junge Erwachsene in der Schweiz zwischen einer weiterführenden Ausbildung im Rahmen der Berufsbildung oder einer allgemeinbildenden Schule wählen. Eine berufliche Grundbildung ist nicht nur Ausgangspunkt für die berufliche Entwicklung, sondern bildet letztlich auch die Grundlage zur Integration in die Gesellschaft und für die Teilnahme am lebenslangen Lernen. Individuen und Gesellschaft erwarten, dass berufliche Grundbildungen ordentlich abgeschlossen werden können. Aus bildungssystemischer Sicht stärkt die vorliegende 14 / 18

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Gesetzesänderung die Berufsbildung und trägt zu ihrer Akzeptanz und dem Vertrauen der Gesellschaft in diesen Bildungsweg bei.

Es werden keine negativen Auswirkungen auf den Gesundheitsbereich erwartet.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die gesetzlichen Anpassungen haben keine Auswirkungen auf die Umwelt.

6.6

Andere Auswirkungen

Es sind keine anderen Auswirkungen zu erwarten.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 114 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)15, die dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung im Bereich der ALV gibt. Bund und Kantone setzen sich dafür ein, dass jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung und Verwitwung gesichert ist (Art. 41 Abs. 2 BV).

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Das Übereinkommen Nr. 168 vom 21. Juni 198816 über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit, das von der Schweiz am 17. Oktober 1990 ratifiziert worden ist, hat keine Auswirkungen auf die vorliegende AVIG-Teilrevision.

Die vorliegende Gesetzesänderung ist auch mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar, die sich aus dem Abkommen vom 21. Juni 199917 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) sowie aus Anhang K des Übereinkommens vom 4. Januar 196018 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen) ergeben. Die Schweiz

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SR 101 SR 0.822.726.8 SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

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erlässt Bestimmungen, die den Koordinierungsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/200919 gleichwertig sind.

Dieses Recht zielt nicht darauf ab, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zu harmonisieren. Die Mitgliedstaaten können die konkrete Struktur, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit weitgehend frei bestimmen. Dabei müssen sie jedoch die Koordinierungsgrundsätze wie die Gleichbehandlung von eigenen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien und die Wahrung erworbener Rechte beachten.

7.3

Erlassform

Nach Artikel 164 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Ausgehend von den vorgesehenen Änderungen entspricht die gewählte Erlassform dem Verfassungsartikel.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen (die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach sich ziehen) geschaffen, noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen (mit Ausgaben über einem der Schwellenwerte) beschlossen. Sie unterliegt daher nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV).

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Bund und Kantone beteiligen sich mit ihren ordentlichen Beiträgen an die ALV zusammen ungefähr zur Hälfte an den Kosten für die öffentliche Arbeitsvermittlung und für AMM, wobei der Bundesbeitrag mit 0,159 Prozent der von der Beitragspflicht erfassten Lohnsumme rund dreimal so hoch ausfällt wie der Kantonsbeitrag (0,053°%). Die Erwerbsersatzleistungen wie KAE werden durch Lohnbeiträge finanziert. Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen bleibt mit dieser Gesetzesvorlage unverändert. Die Prinzipien der Subsidiarität und der fiskalischen Äquivalenz werden nicht tangiert.

19

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11.

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7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Diese Vorlage ist von der Subventionsgesetzgebung nicht betroffen.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage sieht keine neuen Rechtsetzungsdelegationen an den Bundesrat vor.

7.8

Datenschutz

Die Vorlage beinhaltet keine Anpassungen, die datenschutzrechtlichen Regelungen unterworfen sind.

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