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zu 22.461 Parlamentarische Initiative Dringliches Gesetz zur Beschleunigung von fortgeschrittenen Windparkprojekten und von grossen Vorhaben der Speicherwasserkraft Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 23. Januar 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 3. März 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 23. Januar 20231 betreffend die parlamentarische Initiative 22.461 «Dringliches Gesetz zur Beschleunigung von fortgeschrittenen Windparkprojekten und von grossen Vorhaben der Speicherwasserkraft» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. März 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) beschloss am 22. September 2022, eine Änderung des Energiegesetzes vom 30. September 20162 (EnG) auszuarbeiten. Ziel war, das Verfahren für das Vorhaben Trift sowie für Windenergieanlagen von nationalem Interesse zu beschleunigen. Der eingereichte Text sah vor, dass der am 30. September 2022 in Kraft getretene Artikel 71b Absatz 1 EnG sinngemäss auch für das Vorhaben Trift gelten soll. Für die Windenergieanlagen von nationalem Interesse war vorgesehen, dass ­ bis zu einer zusätzlichen Gesamtproduktion von 1 TWh pro Jahr im Vergleich zum Jahr 2021 ­ rechtskräftige Nutzungspläne als Baubewilligungen gelten, wenn im Rahmen der Nutzungsplanung eine umfassende Interessenabwägung stattgefunden hat. Zudem sah der eingereichte Text vor, die Beschwerdemöglichkeit auszuschliessen.

Am 25. Oktober 2022 hat die UREK-S dieser Kommissionsinitiative einstimmig Folge gegeben, sodass die UREK-N an ihrer Sitzung vom 1. November 2022 die Grundzüge der Vorlage festlegen konnte. Sie ist dabei nicht unwesentlich vom ursprünglichen Initiativtext abgewichen. Zudem hat die Kommission entschieden, die Realisierung von Wasserkraftprojekten, namentlich das Vorhaben «Trift», nicht in die Gesetzesvorlage aufzunehmen. Die Kommission wird ihre Anliegen zu den Rahmenbedingungen für die Wasserkraft in das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (21.047) einfliessen lassen.

An der Sitzung der UREK-N vom 23. bis 25. Januar 2023 wurde die Vorlage verabschiedet.

Der dem Bundesrat am 23. Januar 2023 vorgelegte Entwurf sieht vor, dass für Windenergieanlagen von nationalem Interesse, die über eine rechtskräftige Nutzungsplanung verfügen, folgendes gilt: Bis in der Schweiz eine zusätzliche Gesamtproduktion von 1 TWh pro Jahr im Vergleich zum Jahr 2021 erreicht ist, ist für die Erteilung der Baubewilligung für diese Anlagen der Kanton zuständig, und gegen die Baubewilligung ist kantonsintern nur die Beschwerde an das obere kantonale Gericht zulässig.

Gegen dessen Entscheid steht die Beschwerde an das Bundesgericht nur offen, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Auf Vorhaben, die vor Erreichung des Ziels von 1 TWh öffentlich aufgelegt wurden, sollen diese Bestimmungen auch nach Erreichung des Ziels anwendbar bleiben.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der neue Erlassentwurf der UREK-N nimmt Teile des Konzepts aus der Änderung des EnG (sog. «Beschleunigungsvorlage»3) auf. Es ist unerlässlich und unbestritten, dass die Bewilligungsverfahren beschleunigt werden sollen. Mit dem Entwurf der UREK-N können die Verfahren der erwähnten Windenergieanlagen generell um bis zu drei Jahre beschleunigt werden. Nebst dieser angestrebten Beschleunigung begrüsst der Bundesrat den vorgelegten Entwurf auch deshalb, weil gegenüber der ursprünglichen Version die Baubewilligung nicht entfällt (Art. 71c Abs. 1).

Aus Sicht des Bundesrates sollte die Vorlage allerdings in folgenden Punkten präzisiert werden: ­

Im Baubewilligungsverfahren erteilte Bewilligungen

Spezialbewilligungen, deren Erteilung in der Kompetenz der Kantone liegt, müssen grundsätzlich koordiniert mit der Nutzungsplanung erteilt werden, um die umfassende Interessenabwägung sicherstellen zu können. Die entsprechende Nutzungsplanung erfolgt in der Regel projektbezogen. Nicht auszuschliessen ist jedoch, dass es in Einzelfällen möglich ist, dass Bewilligungen ­ beispielsweise eine gewässerschutzrechtliche Bewilligung­ erst im Rahmen des Baubewilligungsverfahren durch die Kantone erteilt werden. Um zu verhindern, dass unterschiedliche Rechtswege und parallele Verfahren entstehen, muss Artikel 71c E-EnG nicht nur für die Baubewilligungen, sondern auch für allfällige damit notwendigerweise zusammenhängende andere Bewilligungen gelten, soweit diese in die Zuständigkeit der Kantone fallen (vgl. Art. 25a des Raumplanungsgesetzes vom 22. Juni 19794). Dieselbe Anpassung ist auch in Artikel 83 Buchstabe z des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20055 vorzunehmen.

Die durch Bundesbehörden erteilten Bewilligungen (z. B. Plangenehmigungen durch das Eidgenössische Starkstrominspektorat, Bewilligung für ein Luftfahrthindernis durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt) werden weiterhin von diesen in den etablierten Prozessen und Verfahren erteilt.

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Bedeutung des Produktionsziels von 1 TWh

Artikel 71c Absatz 3 E-EnG besagt, dass dieser Artikel auf Gesuche, die vor Erreichung des Ziels nach Absatz 1 öffentlich aufgelegt werden, sowie auf allfällige Beschwerdeverfahren anwendbar bleibt. Dies bedeutet, dass die Bestimmung zum beschleunigten Verfahren übergangsrechtlich auch nach Erreichung des Produktionsziels von 1 TWh nach Absatz 1 anwendbar bleibt.

Aufgrund der Erläuterungen im letzten Abschnitt von Ziffer 3.1 des Berichts der UREK-N vom 23. Januar 2023 versteht der Bundesrat Artikel 71c Absatz 3 E-EnG wie folgt: Artikel 71c Absatz 1 E-EnG ist befristet, bis eine zusätzliche Produktion von 1 TWh an Elektrizität aus Windenergieanlagen pro Jahr im Vergleich zu 2021 ins Netz eingespeist wird. Diese Grenze kann während eines hängigen Verfahrens erreicht werden. Deshalb ist die Übergangsregelung nach Artikel 71c Absatz 3 not3

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Die Vernehmlassungsvorlage ist abrufbar unter www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > UVEK > Änderung des Energiegesetzes.

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wendig. Artikel 71c Absatz 1 ist auf alle Verfahren anwendbar, die zum Zeitpunkt, zu dem die zusätzliche Produktion von 1 TWh erreicht ist, bereits öffentlich aufgelegt worden sind oder vor dem kantonalen Verwaltungsgericht oder gegebenenfalls dem Bundesgericht hängig sind. Das Gleiche gilt selbstredend auch für die Vorhaben, die bewilligt wurden, bei denen aber die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist. Dies könnte dazu führen, dass die bewilligten Windenergieanlagen im Sinne des vorgeschlagenen Artikels 71c Absatz 1 E-EnG schliesslich mehr als 1 TWh Elektrizität pro Jahr produzieren. Der Bundesrat erachtet dies aus folgenden Gründen als unproblematisch: Artikel 71c Absatz 3 E-EnG sieht dies so vor, was auch im Bericht der UREK-N transparent dargestellt wird. Die konkrete Festlegung der Produktionskapazität liegt zudem im Ermessen des Gesetzgebers. Im Übrigen sieht Artikel 71c E-EnG keine Anpassung des materiellen Rechts vor.

Das EnG sieht ausser der vom Bundesrat beantragten Koordination von kantonalen Bewilligungen mit der Baubewilligung keine Koordination der verschiedenen notwendigen (Bundes-)Verfahren vor. Es gibt aber noch weitere Koordinationsfragen insbesondere im Zusammenhang mit dem bundesrechtlichen Plangenehmigungsverfahren bei den elektrischen Starkstromleitungen oder verschiedenen kantonalen Verfahren bei einem Projekt, welches die Gebiete mehrerer Kantone betrifft. Es wird an den zuständigen Behörden sein, sich bei der Behandlung dieser Verfahren so abzusprechen, dass dem gesetzgeberischen Willen Rechnung getragen wird.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Zustimmung zum Entwurf der UREK-N, mit folgenden Anpassungen: Energiegesetz vom 30. September 2016 Art. 71c Abs. 1 Bst. a und b Für Windenergieanlagen von nationalem Interesse, die über eine rechtskräftige Nutzungsplanung verfügen, gilt bis zu einer schweizweit zusätzlichen Produktion aus solchen Anlagen von 1 TWh pro Jahr im Vergleich zum Jahr 2021: 1

a.

die Baubewilligung und die damit notwendigerweise zusammenhängenden in der Kompetenz der Kantone liegenden Bewilligungen werden durch den Kanton erteilt;

b.

gegen die Baubewilligung und die anderen Bewilligungen nach Buchstabe a ist nur die Beschwerde an das obere kantonale Gericht nach Artikel 86 Absatz 2 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20056 zulässig:

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Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 Art. 83 Bst. z Die Beschwerde ist unzulässig gegen: z.

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Entscheide betreffend die in Artikel 71c Absatz 1 Buchstabe b des Energiegesetzes vom 30. September 20167 genannten Baubewilligungen und notwendigerweise damit zusammenhängenden in der Kompetenz der Kantone liegenden Bewilligungen für Windenergieanlagen von nationalem Interesse, wenn sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt;

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