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23.016 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Altersund Hinterlassenenversicherung (Anpassung der Renten an die Teuerung) vom 22. Februar 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Anpassung der Renten an die Teuerung).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. Februar 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-0603

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Übersicht Die vorgeschlagene Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) setzt die vom Parlament überwiesene Motion 22.3792 um. Sie ermöglicht, die AHV- und IV-Renten sowie die Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf bei den Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinter-lassenen- und Invalidenversicherung und bei den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose im Jahr 2023 an die Teuerung des Jahres 2022 gemäss dem Landesindex für Konsumentenpreise anzupassen.

Ausgangslage Gemäss Artikel 33ter AHVG passt der Bundesrat die ordentlichen Renten der AHV in der Regel alle zwei Jahre auf Beginn des Kalenderjahres der Lohn- und Preisentwicklung an, indem er auf Antrag der Eidgenössischen Kommission für die Alters, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung den Rentenindex neu festsetzt. Der Rentenindex ist das arithmetische Mittel des Lohnindexes und des Landesindexes der Konsumentenpreise, wobei die Entwicklung seit der letzten Rentenanpassung massgebend ist. Der Bundesrat passt die ordentlichen Renten früher an, wenn der Landesindex für Konsumentenpreise innerhalb eines Jahres um mehr als 4 Prozent angestiegen ist.

Zuletzt wurden die ordentlichen Renten per 1. Januar 2023 neu festgelegt. Am 12. Dezember 2022 überwies die Bundesversammlung die Motion 22.3792 der Mitte-Fraktion «Kaufkraft schützen! Sofortiger Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten», welche eine ausserordentliche Anpassung der ordentlichen AHV-Renten sowie der Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (EL) und der Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜL) verlangt, damit spätestens per 1. Januar 2023 die vollumfängliche Teuerung ausgeglichen wird. Der Bundesrat hat die Motion zur Ablehnung beantragt, weil dadurch der Reformbedarf der AHV um weitere gut 400 Millionen Franken erhöht wird, dies zur Finanzierung einer Vorlage, die aus seiner Sicht nicht notwendig und aus finanzpolitischer Sicht abzulehnen ist. Um die vom Parlament verlangte Anpassung der ordentlichen Renten, der EL und der ÜL nur an den Landesindex der Konsumentenpreise, ohne Berücksichtigung des Lohnindexes, vornehmen zu können und das Ziel zu erreichen, die Renten für das Jahr 2023 anzupassen, bedarf es einer dringlichen Gesetzesänderung.

Inhalt der Vorlage Der Gesetzesentwurf beinhaltet eine
bis Ende 2024 befristete Änderung des AHVG, welche eine einmalige Anpassung der Alters- und Hinterlassenenrenten festlegt.

Diese Anpassung gilt auch für die Renten der IV. Für diese ausserordentliche Erhöhung wird nur der Preisanstieg, nicht aber das Lohnwachstum berücksichtigt. So werden die Renten um die mit der ordentlichen Rentenanpassung per 1. Januar 2023 nicht ausgeglichene Teuerung 2022 erhöht. Da die Änderung nicht am 1. Januar 2023 in Kraft treten kann, werden die ausserordentlichen Renten-erhöhungen zu einem späteren Zeitpunkt ausbezahlt. Die bis zum Inkrafttreten der Änderung nicht gewährten Erhöhungen werden mittels einer entsprechend höheren Rentenanpassung kompensiert. Die Teuerung des Jahres 2022 beträgt gemäss den Messungen des Bundesamts für Statistik 2,8 Prozent. Die Differenz zur bereits vorgenommenen Rentenerhöhung 2 / 22

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per 1. Januar 2023 beträgt 0,3 Prozentpunkte. Für den Fall, dass die Änderung am 1.

Juli 2023 in Kraft tritt, soll die Minimalrente von 1225 auf 1232 Franken erhöht werden. Diese Erhöhung der Minimalrente von 7 Franken setzt sich aus der Teuerungsanpassung von fünf Franken und der Kompensation der Monate Januar bis Juni 2023 von zwei Franken zusammen (30 Franken auf 18 Monate verteilt). Die Maximalrente wird um 14 Franken von 2450 auf 2464 Franken erhöht. Diese vorübergehende Regelung soll bis zur nächsten ordentlichen Rentenanpassung gelten, welche voraussichtlich per 1. Januar 2025 vorgenommen wird. Die Erhöhung der Minimalrente um 7 Franken auf 1232 Franken wird also vom 1. Juli 2023 bis mindestens 31. Dezember 2024 gelten. Um den Anteil der gesetzlich stark gebundenen Ausgaben im Bundeshaushalt nicht weiter zu Lasten der schwächer gebundenen Aufgaben zu erhöhen, beteiligt sich der Bund nicht an der Finanzierung dieser ausserordentlichen Rentenanpassung. Die Prüfung der nächsten ordentlichen Rentenanpassung erfolgt gestützt auf dem voraussichtlichen Stand des Mischindex nach dem heute gesetzlich vorgegebenen Verfahren, wobei als Vergleichsgrösse, ob eine Erhöhung der Minimalrente nötig wird, die im Rahmen dieser Vorlage festgesetzte Minimalrente von 1232 Franken berücksichtigt wird. Weitere Leistungen der AHV und IV, welche direkt auf die Minimalrente in Artikel 34 AHVG verweisen, werden ebenfalls entsprechend angepasst.

Hingegen werden die Grenzbeträge in der beruflichen Vorsorge sowie die Beiträge von Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen an die AHV, IV und EO nicht verändert. Die Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf für die Berechnung der EL und der ÜL werden um denselben Prozentsatz erhöht wie die Renten. Die Anpassung dieser Beträge wird auf Verordnungsstufe vorgenommen.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Anpassung der Renten sowie der Ergänzungsleistungen und Überbrückungsleistungen an die Lohn- und Preisentwicklung

Gemäss Artikel 33ter des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 19461 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG) passt der Bundesrat die ordentlichen Altersund Hinterlassenenrenten in der Regel alle zwei Jahre auf Beginn des Kalenderjahres der Lohn- und Preisentwicklung an, indem er auf Antrag der eidgenössischen Kommission für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV-Kommission) den Rentenindex neu festsetzt (Abs. 1). Der Rentenindex berechnet sich aus dem Lohnindex und dem Landesindex der Konsumentenpreise (LIK), wobei die beiden Indexe je zur Hälfte gewichtet werden (Art. 33ter Abs. 2 AHVG). Massgebend ist jeweils die Entwicklung der Indexe seit der letzten Rentenanpassung, wobei auch Schätzfehler bei der Festlegung der letzten Anpassung korrigiert werden. Dies garantiert den Rentenbezügerinnen und -bezügern einen gewissen Schutz vor Teuerung, während sie gleichzeitig von der allgemeinen Lohnentwicklung der Erwerbstätigen profitieren können. Wenn der LIK innerhalb eines Jahres um mehr als 4 Prozent angestiegen ist, passt der Bundesrat die ordentlichen Renten bereits auf den nächsten 1. Januar an (Art. 33ter Abs. 4 AHVG i. V. m. Art. 51ter Abs. 1 Bst. a der Verordnung vom 31. Oktober 19472 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVV]).

Die Berechnungsregeln der AHV gelten auch für die Renten der Invalidenversicherung (IV).

Der Bundesrat entschied am 12. Oktober 2022, die Renten per 1. Januar 2023 anzupassen. Er stützte sich für die Berechnung des neuen Rentenindexes auf den Stand des LIK und des Nominallohnindexes des Jahres 2021 sowie auf Prognosen für die beiden Indexe für das Jahr 2022. Der Nominallohnindex sank 2021 um -0,2 Prozent, die durchschnittliche Jahresteuerung betrug 0,6 Prozent. 2022 wurde der Nominallohnindex 2022 auf 2 Prozent, die durchschnittliche Jahresteuerung 2022 auf 3 Prozent geschätzt. Die darauf gestützten Berechnungen ergaben eine Erhöhung der Minimalrente (Mindestbetrag der vollen AHV-Altersrente, Art. 34 AHVG) um 2,5 Prozent respektive 30 Franken auf 1225 Franken, die Maximalrente wurde entsprechend auf neu 2450 Franken festgelegt. Diese Werte gelten auch für die Renten der IV.

Bei der Neufestsetzung der Renten kann der Bundesrat die Höhe der anerkannten Ausgaben, der anrechenbaren Einnahmen und der Krankheits- und Behinderungs-kosten
für die Berechnung der Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (EL) in angemessener Weise anpassen (Art. 19 des Bundesgesetzes

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SR 831.10 SR 831.101

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vom 6. Oktober 20063 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen und Invalidenversicherung [ELG]). Seit 1990 werden die Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a ELG gleichzeitig und im selben Umfang an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst wie die Renten. Dieser Anpassungsmechanismus kommt auch bei den Überbrückungs-leistungen für ältere Arbeitslose (ÜL) zur Anwendung (Art. 12 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 20204 über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose [ÜLG]). Am 12. Oktober 2022 hat der Bundesrat beschlossen, diese Beträge per 1. Januar 2023 gleich wie die Renten um rund 2,5 Prozent zu erhöhen. Für alleinstehende Personen ergibt dies eine Erhöhung des jährlichen Betrags um 490 Franken auf neu 20 100 Franken. Gleichzeitig wurden bei den EL und den ÜL die Höchstbeträge für den zu berücksichtigenden Mietzins einer Wohnung sowie die Pauschale für Neben- und Heizkosten an die Teuerung angepasst und um 7,1 bzw. 21 Prozent erhöht.

1.1.2

Anstieg des Preisindexes im Jahr 2022

Der Bundesrat hat im Oktober 2022 gestützt auf die erwartete Lohn- und Preisentwicklung eine Rentenerhöhung um 2,5 Prozent beschlossen. Das Preisniveau ist aber 2022 um 2,8 Prozent gestiegen. Dies hat zur Folge, dass die Renten mit der ordentlichen Rentenanpassung per 1. Januar 2023 um 0,3 Prozentpunkte weniger stark gestiegen sind als die Teuerung 2022.

Dass das Lohnniveau weniger rasch ansteigt als das Preisniveau und die Anpassung gemäss Mischindex den Teuerungsanstieg deshalb nicht vollständig ausgleicht, dürfte eine Ausnahme bleiben. In den vergangenen Jahrzehnten lag die Wachstumsrate des Lohnindexes fast immer über derjenigen des Preisindexes. Dies hatte zur Folge, dass die Wachstumsrate des Mischindexes (definiert als arithmetisches Mittel der vom Bundesamt für Statistik veröffentlichten Lohn- und Preisindexe) jeweils über derjenigen des Preisindexes lag. Deshalb stiegen die Renten zwischen den Jahren 2000 und 2021 um 19 Prozent an, während die Teuerung in dieser Zeit lediglich 8 Prozent betrug. Die folgende Grafik illustriert die Entwicklung von Lohn-, Preis- und Mischindex.

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SR 831.30 SR 837.2

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Grafik 1: Lohnindex, Preisindex, Mischindex (1980­2040, 1980=100)

1.1.3

Motion 22.3792 der Mitte-Fraktion «Kaufkraft schützen! Sofortiger Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten»

Am 12. Dezember 2022 überwies die Bundesversammlung die Motion 22.3792 der Mitte-Fraktion «Kaufkraft schützen! Sofortiger Teuerungsausgleich bei den AHVRenten» an den Bundesrat.

Ziffer 1 der Motion Der Bundesrat wird mit Ziffer 1 der Motion beauftragt, eine ausserordentliche Anpassung der ordentlichen AHV-Renten (AHV-, IV-, EL-Renten und ÜL) vorzunehmen, damit spätestens per 1. Januar 2023 die vollumfängliche Teuerung ausgeglichen wird, wenn nötig mit einer dringlichen Gesetzesänderung.

Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 7. September 2022 ausgeführt hat, erachtet er eine ausserordentliche Rentenanpassung nicht als notwendig. Seit der im Herbst 2022 beschlossenen Rentenanpassung sind zudem die Eckwerte für die Lohnund Teuerungsentwicklung 2022 nochmals leicht nach unten korrigiert worden.

Gleichzeitig weist die AHV nach wie vor hohen Reformbedarf auf, um die nachhaltige Finanzierung ab 2030 sicherzustellen. Die Vorlage vergrössert diesen Reformbedarf um weitere gut 400 Millionen Franken und ist daher aus finanzpolitischer Sicht abzulehnen. Mit vorliegender Botschaft setzt der Bundesrat dennoch den Auftrag des Parlaments um. Vorliegend werden also die gesetzlichen Grundlagen unterbreitet, damit der Bundesrat den Rentenindex in Abweichung von Artikel 33ter Absatz 2 AHVG so festsetzen kann, dass die Teuerung des Jahres 2022 ganz ausgeglichen und die Renten gestützt auf diesen Rentenindex angepasst werden können. Dafür wird eine befristete

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Änderung des AHVG vorgelegt, die vom Parlament als dringlich erklärt werden sollte, damit sie so rasch als möglich umgesetzt werden kann.

Ziffer 2 der Motion Ziffer 2 der Motion beauftragt den Bundesrat zudem, dem Parlament bis Anfang 2023 ein Konzept vorzulegen, wie die ordentlichen Renten bei überdurchschnittlichen Teuerungsanstiegen (mehr als 2% Anstieg des LIK innerhalb eines Jahres) regelmässig angepasst werden können. Dieses Konzept soll nicht eine befristete, vorübergehende Änderung aufzeigen, sondern eine dauerhafte neue Regelung. Dies muss deshalb im ordentlichen statt im dringlichen Verfahren angegangen werden. Der Bundesrat wird das geforderte Konzept in der Botschaft zu einer späteren ordentlichen Reform des AHVG vorlegen und die Umsetzung im Gesamtkontext dieser Vorlage prüfen.

1.1.4

Weitere Motionen

Zwei weitere Motionen mit gleichlautendem respektive sehr ähnlichem Wortlaut wurden am 26. September 2022 vom Ständerat angenommen und sind zurzeit im Nationalrat hängig: Die Motion 22.3803 Bischof «Kaufkraft schützen! Sofortiger Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten» und die Motion 22.3799 Rechsteiner «Sofortiger Teuerungsausgleich bei den Renten».

1.2

Gewählte Lösung

Die Motion 22.3792 beauftragt den Bundesrat mit einer ausserordentlichen Rentenerhöhung per 1. Januar 2023. Die Umsetzung der Motion erfordert eine dringliche Änderung des AHVG. Die Verabschiedung dieser Gesetzesänderung durch das Parlament kann frühestens in der Frühlingssession 2023 erfolgen.

Die Vorarbeiten mit den AHV-Ausgleichskassen, EL- und ÜL-Stellen und der Zentralen Ausgleichsstelle haben ergeben, dass für eine ausserordentliche Anpassung der Renten, EL und ÜL eine Umsetzungsfrist von mindestens drei Monaten nach der Verabschiedung der gesetzlichen Bestimmungen notwendig ist. Eine detaillierte Planung für automatische Rentenanpassungen, die gründlich vorbereitet und getestet werden müssen, ist erforderlich. Weiter ist für die Rentenanpassung die Verabschiedung verschiedener Verordnungen notwendig, für die in der Regel etwa drei Monate eingeplant werden müssen. Unter Minimierung aller Fristen kann dieses Verfahren auf maximal zwei Monate verkürzt werden. Für den Fall, dass die Gesetzesänderungen in der Frühlingssession 2023 vom Parlament verabschiedet werden, können die Umsetzungsarbeiten daher frühestens per 1. Juli 2023 abgeschlossen werden. Aufgrund dieser Fristen können die Gesetzesänderungen nicht per 1. Januar 2023 in Kraft treten, wie dies von der Motion gefordert wird. Um den Auftrag der Motion dennoch zu erfüllen, ist eine ausserordentliche Anpassung der Renten ab Inkrafttreten der Gesetzesänderung vorgesehen.

Es wurde geprüft, ob die Renten sowie EL und ÜL rückwirkend auf den 1. Januar 2023 angepasst werden könnten. Die Prüfung hat ergeben, dass dies nur mit einer sehr 7 / 22

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grossen Verzögerung und einer unverhältnismässig hohen administrativen Belastung der AHV-Ausgleichskassen umsetzbar wäre, weshalb dem Anliegen der Motion eines raschen Teuerungsausgleichs nicht direkt nachgekommen werden kann. Die Renten werden daher nur prospektiv erhöht, jedoch unter Berücksichtigung der nicht gewährten Erhöhungen ab 1. Januar 2023. Sie werden also etwas stärker erhöht. Auf diese Weise kann das Anliegen der Motion indirekt doch erfüllt werden.

Jeden Monat werden rund drei Millionen AHV/IV-Renten ausbezahlt. Die Ausgleichskassen bearbeiten daneben jeden Monat mehrere zehntausend Mutationen. Solche Mutationen treten insbesondere wegen der Entstehung oder dem Erlöschen des Rentenanspruchs sowie aufgrund weiterer Ereignisse auf, die sich auf den Rentenanspruch oder auf die Höhe der Renten auswirken (Zivilstandsänderungen, Eintritt zweiter Versicherungsfall, Todesfall in der Familie, Verschlechterung oder Verbesserung des Gesundheitszustands, Widerruf des Aufschubs etc.). Zwischen Januar und Juli 2023 würden rund 35 000 Renten wegen dem Tod der berechtigten Person erlöschen.

Im Falle einer rückwirkenden Rentenerhöhung müsste der Differenzbetrag zur bereits ausbezahlten Rente den Erben der verstorbenen Person ausbezahlt werden. Die Ausgleichskassen verfügen aber nicht über die notwendigen Informationen, um die Erben der verstorbenen Person zu ermitteln, was zu einem sehr hohen Arbeitsaufwand führen würde, dies bei geringen Beträgen. Würde die Höhe der AHV-/IV-Renten rückwirkend auf den 1. Januar 2023 geändert, so müssten zudem rund 210 000 Renten nachträglich neu festgelegt werden, für die keine einfache, automatisierbare Neuberechnung möglich ist. Diese Renten müssen somit manuell neu berechnet werden.

Aufgrund dieser Umstände könnte eine rückwirkende Rentenerhöhung nur mit einer grossen zeitlichen Verzögerung umgesetzt werden und hätte eine Überlastung der Ausgleichskassen zur Folge, die infolge der Umsetzungs-arbeiten der Reform AHV 21 bereits stark belastet sind.

Da eine solche Regelung eine grosse Verzögerung bei der Ausrichtung des ausserordentlichen Teuerungsausgleichs und eine Überlastung der Durchführungs-organe der AHV verursachen würde, hat sich der Bundesrat gegen eine rückwirkende Anpassung entschieden. Vielmehr sollen die Renten ab Inkrafttreten der Änderung angepasst
werden, jedoch mit einer Kompensation für die Monate, während denen keine Erhöhung gewährt wurde. Damit kann das Ziel der Motion eines raschen, vollen Teuerungsausgleichs trotzdem erfüllt werden.

Die Rentenanpassung gilt für alle Leistungen, die auf die AHV-Rente verweisen. Die Beiträge an die AHV, IV und EO sowie die Eckwerte der 2. säule bleiben unverändert.

Der Rhythmus der ordentlichen Rentenanpassungen wird mit der ausserordentlichen Anpassung nicht geändert: Der Bundesrat prüft eine nächste ordentliche Rentenanpassung per 1. Januar 2025 unter Berücksichtigung des Mischindexes.

Die Befristung der Gesetzesänderung bis 31. Dezember 2024 stellt sicher, dass die Renten und die übrigen von der Anpassung betroffenen Sozialversicherungs-leistungen nicht nach wenigen Monaten wieder gesenkt werden müssen. Eine solche Senkung wäre für die betroffenen Leistungsbeziehenden nicht zumutbar und würde aufgrund der entsprechenden Anpassung von mehreren Millionen von Leistungen einen sehr hohen administrativen Aufwand für die AHV-Ausgleichskassen und EL-Stellen verursachen, wenige Monate nach der Erhöhung.

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1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20205 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20206 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Die Vorlage ist insbesondere auch nicht im Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan (IAFP) 2024­2026 enthalten.

Der Bundeshaushalt weist in den Jahren ab 2024 strukturelle Defizite in Milliardenhöhe auf. Um diese nicht mit zusätzlichen gebundenen Ausgaben zu vergrössern und damit den Kürzungsbedarf in den schwächer gebundenen Aufgabengebieten weiter zu erhöhen, soll sich der Bund nicht an den Kosten der ausserordentlichen Rentenanpassung beteiligen (s. nachfolgend Ziff. 4.1.1 und 5.1). Dies steht in Einklang zu der im Zusatzbericht des Bundesrats vom 19. Oktober 2022 zum Voranschlag 2023 mit IAFP 2024-2026 festgehaltenen Strategie zur Finanzplanbereinigung, wonach ausgabenseitige Vorhaben so auszugestalten sind, dass die strukturellen Defizite nicht weiter ansteigen.

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Vernehmlassungsverfahren

Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20057 (VIG) ist ein Verzicht auf eine Vernehmlassung möglich, wenn aus einem Vernehmlassungsverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bereits bekannt sind.

Im Rahmen der parlamentarischen Behandlung der Motion äusserten sich die politischen Parteien dazu und die Motion wurde von den Räten angenommen. Die Ausgleichskassen als Durchführungsstellen wurden in der Vorbereitung der Vorlage miteinbezogen. Zudem wurde mit der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren am 11. November 2022 über die Motion 22.3792 und deren Forderungen diskutiert. Somit sind die Positionen der interessierten Kreise bekannt. Für die Umsetzung der Ziele der Motion ist sodann notwendig, in der Frühlingssession 2023 die vorgeschlagene dringliche Gesetzesänderung zu verabschieden, was ein sehr rasches Handeln voraussetzt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

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Rechtsvergleich

Die Nachbarländer sehen für 2023 eine Rentenindexierung vor und richten sich dabei grundsätzlich nach den üblichen Regeln. In den meisten nahegelegenen Ländern erfolgt die Rentenindexierung unter Berücksichtigung der Entwicklung der Lebenshaltungskosten, womit die Inflation bereits abgedeckt ist. Das ist beispielsweise in 5 6 7

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Luxemburg, Belgien oder Italien der Fall. Deutschland hingegen berücksichtigt vor allem die Lohnentwicklung. Für 2023 ist in Deutschland keine Abweichung von der üblichen Methode vorgesehen, es wurden jedoch verschiedene Ad-hoc-Massnahmen ergriffen, um die Inflation auszugleichen. Österreich und Frankreich gehören zu den Ländern, die bei der Rentenindexierung ausserordentliche Massnahmen getroffen haben. So hat Frankreich im Rahmen der Sofortmassnahmen zum Schutz der Kaufkraft beschlossen, die Rentenindexierung vorzuziehen und die Altersrenten nicht erst per 1. Januar 2023, sondern bereits per 1. Juli 2022 rückwirkend um 4 Prozent zu erhöhen. Österreich ist ­ wie schon in den Vorjahren ­ von den üblichen Indexierungsregeln abgewichen, insbesondere um der aussergewöhnlichen Teuerung Rechnung zu tragen. Pensionierten, die in Österreich in bescheidenen Verhältnissen leben, wurde zudem eine steuerfreie Einmalzahlung gewährt. Anzumerken ist, dass die durchschnittliche Jahresteuerung 2022 in der Schweiz 2,8 Prozent betrug, während sie in der Eurozone deutlich höher lag.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Ausserordentliche Erhöhung der AHV- und IV Renten

Mit seinem Entscheid vom 12. Oktober 2022 hat der Bundesrat beschlossen, die Renten per 1. Januar 2023 der aktuellen Preis- und Lohnentwicklung anzupassen, wobei die Entwicklung seit der letzten Rentenanpassung massgebend war. Dem Entscheid wurden die für das Jahr 2021 gemessenen Werte des Nominallohnindex von -0,2 Prozent und der durchschnittlichen Jahresteuerung von 0,6 Prozent sowie die für das Jahr 2022 geschätzte mittlere Jahresteuerung von 3 Prozent und die jährliche nominelle Lohnerhöhung von 2 Prozent zu Grunde gelegt, was zu einem Mischindex von 2,5 Prozent führte. Die minimale AHV-/IV-Rente wurde per 1. Januar 2023 somit von 1195 auf 1225 Franken pro Monat, die Maximalrente von 2390 auf 2450 Franken angehoben. Die Teuerung des Jahres 2022 beträgt 2,8 Prozent (Stand 31.12.2022); ein vollständiger Ausgleich der Teuerung im Jahr 2022 hätte vor Rundung eine Minimalrente von 1229 Franken pro Monat ergeben. Mit der ordentlichen Rentenerhöhung per 1. Januar 2023 wird die aufgelaufene Teuerung also nicht voll ausgeglichen.

Die Motion fordert eine Anpassung der Renten an die vollumfängliche Teuerung. Unter Berücksichtigung der Teuerung von 2022 von 2,8 Prozent beträgt die Differenz zur bereits gewährten Rentenerhöhung per 1. Januar 2023 0,3 Prozent. Da eine rückwirkende Änderung der Renten nicht zielgerecht ist (vgl. Ziff. 1.2), werden sie per Inkrafttreten der Änderung an die volle Teuerung angepasst. Die ausgebliebene Erhöhung während des Zeitraums von Januar 2023 bis zum Inkrafttreten der Änderung wird bei der Berechnung des Erhöhungsbetrags berücksichtigt.

Für den Fall, dass die Änderung am 1. Juli 2023 in Kraft tritt (d.h. 3 Monate nach der Verabschiedung durch das Parlament) wird die minimale AHV-/IV-Rente von 1225 auf 1232 Franken pro Monat angehoben. Die Erhöhung der Minimalrente von 7 Franken setzt sich aus der Teuerungsanpassung des Jahres 2022 von fünf Franken und der 10 / 22

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Kompensation der Monate Januar bis Juni 2023 von zwei Franken zusammen. Die Maximalrente wird entsprechend um 14 Franken von 2450 auf 2464 Franken erhöht.

Während den 18 Monaten bis zur nächsten ordentlichen Rentenerhöhung werden die Renten damit zusätzlich um insgesamt 126 Franken (Minimalrente) bis 252 Franken (Maximalrente) erhöht. Zusammen mit der ordentlichen Rentenanpassung entspricht dies während 18 Monaten einer Rentenerhöhung von 666 Franken (Minimalrente) bis 1332 Franken (Maximalrente. Beziehen im Falle eines Ehepaares beide Eheleute eine Rente, so wird die Summe der Renten statt auf 3675 Franken auf 3696 Franken plafoniert.

Die Vorlage führt in den Jahren 2023 und 2024 zu einer Mehrbelastung der AHV von insgesamt 418 Millionen, wobei aufgrund des vorgesehenen Inkrafttretens per Mitte 2023 mit anschliessenden Zahlungen bis Ende 2024 rund zwei Drittel der zusätzlichen Rentenzahlungen im Jahr 2024 anfallen. Gestützt auf Artikel 103 AHVG beteiligt sich der Bund jährlich mit einem Beitrag in der Höhe von 20,2 Prozent bzw. gut 10 Milliarden Franken an den Ausgaben der AHV. Die ausserordentliche Rentenerhöhung würde gestützt auf diese Regelung zu einer Mehrbelastung von insgesamt 84 Millionen führen, wobei 56 Millionen im Jahr 2024 anfallen würden. In den Jahren ab 2024 drohen dem Bund hohe Defizite. Der Bundesrat hat am 15. Februar 2023 das Bereinigungskonzept für einen ausgeglichenen Voranschlag 2024 festgelegt. Um die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten zu können, sieht er unter anderem eine Sparvorgabe bei den schwach gebundenen Ausgaben von 2 Prozent vor. Würde der Bund die ausserordentliche Rentenanpassung zu gut einem Fünftel mitfinanzieren, müsste diese Sparvorgabe um weitere 56 Millionen bzw. ¼ Prozentpunkte erhöht werden. Dies würde zu einer zusätzlichen Verdrängung von schwächer gebundenen Ausgaben beispielsweise in den Bereichen Landwirtschaft, Bildung, Kultur und Naturschutz führen. Um dies zu verhindern, soll die einmalige und ausserordentliche Rentenanpassung nicht durch den Bund mitfinanziert werden. Damit wird auch einem mehrfach vom Parlament geäusserten Anliegen Rechnung getragen, wonach der Grad der Gebundenheit der Bundesausgaben nicht weiter erhöht bzw. mittelfristig gesenkt werden sollte.

Die ausserordentliche Rentenanpassung hat keine Auswirkungen auf den Rhythmus
der ordentlichen Rentenanpassungen. Der Bundesrat prüft also das nächste Mal, spätestens per 1. Januar 2025, ob die Renten an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst werden. Hierfür wendet er wieder den Mischindex nach dem ordentlichen Verfahren an. Dazu schätzt er den Stand des Mischindexes (Mittel zwischen Lohn- und Preisindex) im Jahr 2024. Sollte der berechnete Mischindex höher als der mit der ausserordentlichen Änderung festgesetzte Rentenindex ausfallen, setzt der Bundesrat den Rentenindex neu fest und passt die Renten entsprechend an. Sollte der berechnete Mischindex gleich oder tiefer ausfallen, erfolgt keine Anpassung.

4.1.2

Ergänzungsleistungen und Überbrückungsleistungen

Anpassung der Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf Bei der Neufestsetzung der Renten werden die Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf bei den EL und bei den ÜL jeweils im selben Ausmass erhöht wie die Renten 11 / 22

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(vgl. Ziff. 1.1.1). Dieser Mechanismus kommt auch im Rahmen der vorliegenden ausserordentlichen Rentenerhöhung zur Anwendung. Somit erfahren die Beträge auf das Inkrafttreten der Änderung dieselbe prozentuale Erhöhung wie die Renten. Die ausgebliebene Erhöhung während des Zeitraums von Januar 2023 bis zum Inkrafttreten der Änderung wird in den Folgemonaten durch entsprechend höhere Beträge kompensiert. Diese Anpassungen haben zur Folge, dass beim Inkrafttreten der ausserordentlichen Rentenanpassungen alle bereits laufenden EL-Fälle neu berechnet werden müssen.

Die Kompetenz für die Anpassung der Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf liegt beim Bundesrat (vgl. Ziff. 1.1.1). Die Erhöhung der Beträge wird deshalb auf Verordnungsstufe vorgenommen. Eine Anpassung des ELG oder des ÜLG ist nicht erforderlich.

Übrige Ausgaben Die übrigen Ansätze für die Ausgaben bleiben unverändert. Die Höchstbeträge für den Mietzins nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b ELG bzw. Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b ÜLG wurden nämlich per 1. Januar 2023 anhand des Landesindexes für Konsumentenpreise Rubrik «Wohnen und Energie» bereits vollumfänglich der Teuerung angepasst. Dasselbe gilt für die Nebenkostenpauschale für Personen in selbstbewohnten Liegenschaften nach Artikel 16a Absatz 3 der Verordnung vom 15. Januar 19718 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV) bzw. Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung vom 11. Juni 20219 über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLV) sowie für die Heizkostenpauschale nach Artikel 16b Absatz 2 ELV bzw. Artikel 12 ÜLV für Personen, die ihre Mietwohnungen selber beheizen und dem Vermieter keine Heizkosten bezahlen.

Die Durchschnittsprämien nach Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe d ELG bzw. Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe h ÜLG werden jährlich neu festgelegt. Sie basieren auf den Prämientarifen für die obligatorische Krankenpflegeversicherung, die das Bundesamt für Gesundheit nach Artikel 16 des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. September 201410 jeweils bis Ende September des Vorjahres für den jeweiligen Versicherer genehmigt hat. Eine ausserordentliche Anpassung der Beträge ist nicht erforderlich.

Einnahmen Für die EL-Berechnung wird auf die tatsächlichen Einnahmen abgestellt. Ab Inkrafttreten der Änderung wird in der EL-Berechnung
folglich auch die ausserordentlich erhöhte Rente der AHV oder IV berücksichtigt.

Bei den hypothetischen Erwerbseinkommen für teilinvalide und verwitwete Personen nach den Artikeln 14a und 14b ELV (sog. Mindesteinkommen) wird auf Pauschalbeträge zurückgegriffen. Diese entsprechen je nach Konstellation zwischen zwei Dritteln und dem Doppelten des Betrags für den allgemeinen Lebensbedarf von Allein-

8 9 10

SR 831.301 SR 837.21 SR 832.12

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stehenden. Im Rahmen der vorliegenden ausserordentlichen Rentenerhöhung erhöhen sich die Mindesteinkommen deshalb entsprechend.

Plafonierungsgrenze nach Artikel 9 Absatz 1bis ELG Gemäss Artikel 9 Absatz 1bis ELG haben ausländische Staatsangehörige, die gestützt auf ein Sozialversicherungsabkommen Anspruch auf ausserordentliche Renten der AHV oder IV hätten, bis zum Erreichen einer zehnjährigen Karenzfrist höchstens Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung in der Höhe des Mindestbetrages der entsprechenden ordentlichen Vollrente. Mit der ausserordentlichen Anpassung der Renten an die Teuerung wird sich auch diese Plafonierungsgrenze per Inkrafttreten der Änderung entsprechend erhöhen.

Finanzierung Für die ausserordentliche Anpassung der Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf wird die Aufteilung der Finanzierung zwischen Bund und Kantonen nicht geändert.

Es gilt Artikel 13 Absatz 1 ELG, wonach der Bund fünf Achtel und die Kantone drei Achtel der Kosten übernehmen.

4.1.3

Beiträge an die AHV, IV und EO

Gegenstand der Motion 22.3792 ist eine ausserordentliche Erhöhung der AHV- und IV-Renten. Eine Anpassung der Beiträge wird nicht verlangt. Eine Rentenerhöhung ist nicht zwingend mit einer Erhöhung der Beiträge verbunden. Wenn die ordentlichen Renten in Anwendung von Artikel 33ter AHVG angepasst werden, kann der Bundesrat gestützt auf Artikel 9bis AHVG die Grenzen der sinkenden Beitragsskala von Selbstständigerwerbenden sowie den Mindestbeitrag für Selbstständigerwerbende, Nichterwerbstätige und in der freiwilligen Versicherung anpassen. Eine gesetzliche Pflicht zu einer solchen Anpassung besteht aber nicht: Aus diesem Grund und weil die Motion nicht ausdrücklich verlangt, den Mindestbeitrag und die sinkende Beitragsskala für Selbstständigerwerbende anzupassen, wird auf eine solche Anpassung verzichtet. Im Rahmen der nächsten ordentlichen Rentenanpassung wird die Anpassung der Eckwerte im Beitragsbereich nachgeholt.

4.1.4

Berufliche Vorsorge

Bei den ordentlichen Rentenanpassungen nach Artikel 33ter AHVG werden in der Regel nicht nur die Renten der 1. Säule angepasst, sondern auch die Grenzbeträge der 2. Säule (Eintrittsschwelle, Koordinationsabzug, maximal versicherter Jahreslohn, minimaler und maximaler koordinierter Lohn). Dies ist allerdings nicht automatisch der Fall. Nach Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198211 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) kann der Bundesrat die in den Artikeln 2, 7, 8 und 46 erwähnten Grenzbeträge den Erhöhungen der einfachen mini11

SR 831.40

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malen Altersrente der AHV anpassen, was er in der Vergangenheit auch getan hat. Er ist aber nicht dazu verpflichtet.

Die Motion 22.3792 verlangt eine ausserordentliche Erhöhung der Renten (AHV-, IV-, EL-Renten, ÜL). Eine automatische Anpassung der mit den Renten der 1. Säule zusammenhängenden Grenzbeträge der 2. Säule wird nicht verlangt. Das wäre auch nicht sinnvoll. Würden die auf Jahresbasis konzipierten Grenzbeträge unterjährig per Anfang Jahr geändert, dann würde dies nämlich zu unverhältnismässigem Aufwand führen. So könnten Arbeitnehmende, die Löhne knapp über der Eintrittsschwelle in die obligatorische Vorsorge erzielen, in ungünstigen Fällen bei einer Erhöhung des Grenzwertes nachträglich wieder aus der Versicherung fallen. Vorsorgeeinrichtungen müssten auch bereits abgewickelte Leistungsfälle (z.B. Invalidenrenten) rückwirkend korrigieren. Weiter müssten Arbeitgeber in vielen Fällen rückwirkend höhere Beiträge bei den Arbeitnehmenden erheben und sie müssten Vorsorgeausweise korrigieren. Der Aufwand für diese Korrekturen wäre unverhältnismässig.

Da es keinen gesetzlichen Automatismus für die Anpassung der mit den Renten der 1. Säule zusammenhängenden Grenzbeträge der 2. Säule gibt, die Motion dies auch nicht verlangt und die Anpassung mit Rückwirkung auf Anfang Jahr mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden wäre, wird eine solche Anpassung nicht vorgenommen. Im Rahmen der nächsten ordentlichen Rentenanpassung nach Artikel 33ter Absatz 1 AHVG oder ­ im Falle einer zwischenzeitlichen Teuerung von über 4 Prozent ­ bei einer allfälligen Anpassung nach Artikel 33ter Absatz 4 AHVG sollen die Grenzbeträge der 2. Säule aber wieder der aktuellen Regelung entsprechend per Anfang Jahr angepasst werden.

4.1.5

Weitere Sozialversicherungen

Invalidenversicherung Nebst den Invalidenrenten werden auch gewisse andere Leistungen angepasst, deren Höhe sich explizit nach der Höhe der AHV-Altersrenten richtet. Bei einer Anpassung an die Teuerung folgen sie somit automatisch deren Entwicklung.

Der Stundenansatz und die maximale Nachtpauschale des Assistenzbeitrags hingegen sind nominal in Artikel 39f Absatz 1 bis 3 der Verordnung vom 17. Januar 196112 über die Invalidenversicherung (IVV) festgelegt und werden in sinngemässer Anwendung von Artikel 33ter AHVG an die Teuerung angepasst (Art. 39f Abs. 4 IVV). Bei einer ausserordentlichen Rentenanpassung müssten diese Beiträge daher ebenso angepasst werden wie bei einer ordentlichen Rentenanpassung.

Familienzulagen Das Mindesteinkommen, ab dem Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende Anspruch auf Familienzulagen haben, ist in Artikel 13 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 24. März 200613 über die Familienzulagen und Finanzhilfen an Familienorganisatio12 13

SR 831.201 SR 836.2

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nen (FamZG) festgelegt. Das Einkommen muss mindestens dem halben jährlichen Betrag der minimalen vollen Altersrente der AHV entsprechen. Die ausserordentliche Rentenanpassung zieht somit eine automatische Erhöhung dieses Mindesteinkommens nach sich.

Nichterwerbstätige haben nur dann Anspruch auf Familienzulagen, wenn ihr steuerbares Einkommen den anderthalbfachen Betrag einer maximalen vollen Altersrente der AHV nicht übersteigt (Art. 19 Abs. 2 FamZG). Die ausserordentliche Rentenanpassung wird somit eine Erhöhung dieses maximalen steuerbaren Einkommens zur Folge haben.

Unfallversicherung Richtet die AHV einen höheren Rentenbetrag aus, verringert sich die Höhe der Komplementärrente entsprechend um diesen Erhöhungsbetrag, da der Unfall-versicherer maximal die Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und der Rente der AHV in Form einer Komplementärrente gewährt (Art. 20 Abs. 2 Bundesgesetzes vom 20. März 198114 über die Unfallversicherung). Mit der ausserordentlichen Anpassung der AHV-/IV-Renten müssen daher die Unfallversicherer die Komplementärrenten der Unfallversicherung neu berechnen.

Im Falle einer unechten Komplementärrente ­ wo die Rente der ersten Säule und die Invalidenrente der Unfallversicherung nicht 90 Prozent erreichen und somit die Invalidenrente der Unfallversicherung nicht gekürzt werden müsste ­ würde die Gesamtleistung ansteigen, aber lediglich, weil die Rente der AHV durch die ausserordentliche Erhöhung höher ausfallen würde.

Militärversicherung In der Militärversicherung wird die auf unbestimmte Zeit zugesprochene Invalidenrente als Altersrente auf der Hälfte des Jahresverdienstes ausgerichtet, welcher der Rente zugrunde liegt, sobald die oder der invalide Versicherte das Rentenalter erreicht hat (Art. 47 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199215 über die Militärversicherung [MVG]). Gemäss Artikel 77 MVG werden die Altersrenten der Alters -und Hinterlassenenversicherung sowie der Militärversicherung beim Zusammentreffen kumuliert.

Es kann keine Überentschädigung eintreten, da die Altersrente der Militärversicherung lediglich der Hälfte der von ihr vorgängig zugesprochenen Invalidenrente entspricht (Art. 47 und 77 MVG). Eine ausser-ordentliche Erhöhung der Altersrenten der Alters -und Hinterlassenenversicherung hätte somit keine Auswirkungen auf die
Militärversicherung bei Personen im Rentenalter.

Anders gestaltet sich die Situation bei Personen, die eine auf unbestimmte Zeit zugesprochene Invalidenrente der Militärversicherung beziehen und das Rentenalter noch nicht erreicht haben. Betroffen sind die mit den Renten der Militärversicherung zusammenfallenden Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung, der Invalidenversicherung und der Unfallversicherung; die Renten der Witwe oder des Witwers und der Waisen werden zusammengerechnet (Art. 32 Abs. 1 Bst. a der Verordnung

14 15

SR 832.20 SR 833.1

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vom 10. November 199316 über die Militärversicherung [MVV). Richtet somit die Invalidenversicherung einer Person, die das Rentenalter noch nicht erreicht hat, eine höhere Invalidenrente aus, verringert sich die Invalidenrente der Militärversicherung entsprechend. Diese Renten müssen daher mit der ausserordentlichen Anpassung der AHV-/IV-Renten neu berechnet werden.

4.2

Umsetzung

4.2.1

Anpassung der Renten

Die ordentliche Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung ist in Artikel 33ter AHVG geregelt. Für die ausserordentliche Rentenanpassung wird dieser Artikel mit einer Delegationsnorm an den Bundesrat ergänzt, um die Renten ausserordentlich einmalig per Verordnung an die Teuerung anzupassen. Eine Konsultation der Kommission für die Alters-, Hinterlassenen- und Invaliden-versicherung ist aus zeitlichen Gründen für diese ausserordentliche Rentenanpassung nicht möglich. Die ausserordentliche Anpassung gilt bis zur nächsten ordentlichen Rentenanpassung. Zu diesem Zeitpunkt wird wieder das ordentliche Verfahren gemäss Mischindex angewendet (vgl. Ziff. 4.1.1). Da die Geltungsdauer der Gesetzesänderung befristet wird, ist eine weitere ausserordentliche Anpassung gestützt auf diese Delegationsnorm nicht möglich.

Bei der ausserordentlichen Anpassung der Renten stützt sich der Bundesrat auf die Teuerung des Jahres 2022 und setzt den Rentenindex gestützt darauf neu fest. Bei der Festsetzung des Rentenindexes berücksichtigt der Bundesrat die zwischen Januar 2023 und dem Inkrafttreten der Änderung nicht gewährte Erhöhung. Gemäss Bundesamt für Statistik beträgt die Teuerung des Jahres 2022 nach dem Landesindex für Konsumentenpreise 2,8 Prozent. Wie bei der ordentlichen Rentenanpassung wird die Höhe der Minimalrente auf 5 Franken auf- oder abgerundet. Die Anpassung an die aufgelaufene Teuerung ergibt eine Erhöhung der Minimalrente von 1225 auf 1229,10 Franken. Dieser Betrag wird auf 5 Franken aufgerundet, womit eine Minimalrente von 1230 Franken resultiert. Für den Fall, dass die Änderung per 1. Juli 2023 in Kraft tritt, umfasst die Teuerungsanpassung eine zusätzliche Erhöhung von zwei Franken (aufgerundet von Fr. 1,67), um die Monate Januar bis Juni 2023 zu berücksichtigen, für die keine Rentenerhöhung erfolgt. Insgesamt wird damit die Minimalrente auf 1232 Franken und die Maximalrente auf 2464 Franken erhöht.

4.2.2

Anpassungen bei den Ergänzungsleistungen und den Überbrückungsleistungen

Die Erhöhung der Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf für die Berechnung der EL und der ÜL wird auf Verordnungsebene vorgenommen (vgl. Ziff. 4.1.2). Eine Anpassung des ELG oder des ÜLG ist nicht erforderlich. Die Beträge bei den ÜL

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entsprechen den Beträgen der EL. Daher gelten die folgenden Ausführungen für die EL und die ÜL gleichermassen.

Die Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf werden im gleichen Prozentsatz angehoben wie die Renten. Wie bei der ordentlichen Rentenanpassung werden die Beträge jeweils auf 5 Franken gerundet. Der Betrag für Alleinstehende wird so gerundet, dass sich für Ehepaare (150 % des Betrags für Alleinstehende) ein Fünfer- bzw. Zehnerbetrag ergibt. Für Waisen und Kinder ab 11 Jahren wird der Betrag so gerundet, dass sich auch für das 3. und 4. Kind ( des Betrags für das 1. und 2. Kind [Art. 10 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3 ELG]) und für jedes weitere Kind ( des Betrags für das 1. und 2. Kind [Art. 10 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3 ELG]) ganze Frankenbeträge ergeben.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)

Art. 33ter Abs. 6 Mit dieser Bestimmung wird dem Bundesrat die Kompetenz übertragen, die Renten einmalig der Teuerung anzupassen. Wie bei der ordentlichen Rentenanpassung erfolgt auch diese ausserordentliche Anpassung auf Verordnungsstufe. Dabei stützt sich der Bundesrat auf die Teuerung des Jahres 2022 gemäss dem Landesindex der Konsumentenpreise. Zusätzlich zu dieser Erhöhung umfasst die Anpassung eine Kompensation für den Zeitraum von Januar bis zum Inkrafttreten der Änderung, während dem die Rente nicht angepasst wird.

Durch die ausserordentliche Anpassung wird der ordentliche Anpassungsrhythmus gemäss Artikel 33ter Absatz 1 AHVG nicht geändert. Die nächste ordentliche Anpassung erfolgt das nächste Mal per 1. Januar 2025, sofern der Mischindex eine Erhöhung zulässt.

Art. 102 Abs. 3 Diese Bestimmung regelt die Finanzierung der ausserordentlichen Erhöhung der AHV-Renten. Der Bund trägt während der Geltungsdauer dieser Bestimmung keine Kosten für die Rentenerhöhung in Form des Bundesanteils gemäss Artikel 33ter Absatz 6 AHVG. Die Finanzierung der Erhöhung erfolgt während dieser Zeit ausschliesslich durch die übrigen Einnahmequellen der AHV und der IV (Beiträge, MWST usw.). Mit der Ausserkraftsetzung dieser Bestimmung gilt wieder der Finanzierungsmechanismus gemäss Artikel 102 Absatz 1 AHVG ohne Einschränkungen.

Art. 103 Abs. 1quinquies Diese Bestimmung legt fest, dass die Kosten der Rentenerhöhung gemäss Artikel 33ter Absatz 6 AHVG während der Geltungsdauer des erwähnten Artikels für die Berechnung des Bundesbeitrags von den jährlichen Ausgaben der Versicherung abgezogen werden.

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Die Bestimmung regelt weiter die Festlegung der in Abzug zu bringenden Kosten.

Diese werden vom Bundesamt für Sozialversicherungen anhand einer Schätzung festgelegt. Hierzu berechnet das Bundesamt für Sozialversicherungen gestützt auf den für die Budgeteingabe massgebenden Finanzhaushalt im Juni 2022 bzw. Juni 2023 die Kostenfolgen der ausserordentlichen Rentenerhöhung per 2023 und 2024 für die AHV und für den Bund. In den Voranschlägen 2023 und 2024 werden keine Kosten für den Bund ausgewiesen, da sich der Bund nicht an den Kosten der Rentenerhöhung beteiligt, das heisst, der Bundesbeitrag per 2023 und 2024 wird in den Finanz-haushalten vom Juni 2022 und Juni 2023 ohne die ausserordentliche Rentenerhöhung per 2023 und 2024 gerechnet. Für die Staatsrechnung 2023 (bzw. 2024) werden die im Juni 2022 (bzw. Juni 2023) geschätzten Kostenfolgen der Rentenerhöhung beim Bundesbeitrag in Abzug gebracht.

Die Kosten der Rentenerhöhung Ende Jahr werden per Schätzung bestimmt. Es wird wie folgt vorgegangen: Nach Vorliegen der definitiven AHV-Abrechnung im April 2024 werden die Projektionen des Finanzhaushalts 2023 per 31.12.2023 inklusive der ausserordentlichen Rentenerhöhung per 1.Juli 2023 auf die tatsächlichen Ausgaben der AHV per 31. Dezember 2023 justiert und die so berechneten Kostenfolgen für den Bund korrigiert. Mit diesem korrigierten Wert wird in der Schlussabrechnung vom April 2024 der allenfalls nachzuzahlende oder zurückzuerstattende Bundesbeitrag bestimmt. Im Jahr 2025 wird das gleiche Vorgehen mit der Abrechnung 2024 wiederholt.

II Die Umsetzung der Ziffer 1 der Motion erfolgt durch eine dringliche Gesetzesänderung (Art. 165 Abs. 1 der Bundesverfassung [BV]17). Die Änderung wird bis zum 31. Dezember 2024 befristet.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf die Sozialversicherungen

Eine zusätzliche Erhöhung der AHV-Renten über die ordentliche Rentenanpassung hinaus hat für die AHV zusätzliche Kosten von 138 Millionen Franken im Jahr 2023 und von 280 Millionen Franken im Jahr 2024 zur Folge. Für die IV betragen die zusätzlichen Kosten 18 Millionen Franken für das Jahr 2023 und 36 Millionen Franken für das Jahr 2024. Auch die Anpassung der Ergänzungsleistungen zur AHV und zur IV führt zu Mehrausgaben, und zwar von 1,15 Millionen Franken im Jahr 2023 und von 2,3 Millionen Franken im Jahr 2024. Die Mehrausgaben für die ÜL dürften deutlich unter 1 Million Franken betragen.

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SR 101

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6.2

Auswirkungen auf den Bund

Für den Bund entstehen für die in der AHV anfallenden Mehrausgaben im Jahr 2023 und 2024 keine Kosten (Vgl. Ziffer 4.1.2). Die Anpassung der Ergänzungsleistungen zur AHV und zur IV hat für den Bund Mehrausgaben von 0,85 Millionen Franken im Jahr 2023 und von 1,7 Millionen Franken im Jahr 2024 zur Folge. Die Mehrausgaben für die ÜL dürften deutlich unter 1 Million Franken betragen. Personelle Auswirkungen sind nicht zu erwarten.

6.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Anpassung der Ergänzungsleistungen zur AHV und zur IV hat für die Kantone Mehrausgaben von 0,3 Millionen Franken im Jahr 2023 und von 0,6 Millionen Franken im Jahr 2024 zur Folge. Gleichzeitig dürften Entlastungen im Bereich der Sozialhilfe anfallen. Die Vorlage hat keine besonderen Auswirkungen auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.

6.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Anpassung der Renten an die volle Teuerung begünstigt die Bezügerinnen und Bezüger von AHV/IV-Renten, EL sowie ÜL. Sie werden in der Folge höhere Renten erhalten, wodurch sich die finanzielle Situation verbessert respektive der teuerungsbedingte Kaufkraftverlust abgemildert wird. Daher ist von einem geringfügig positiven Effekt auf die Volkswirtschaft auszugehen.

6.5

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Anpassung der Renten an die volle Teuerung begünstigt die Bezügerinnen und Bezüger von AHV-/IV-Renten, EL sowie ÜL. Sie werden in der Folge höhere Renten erhalten, wodurch sich die finanzielle Situation respektive die Kaufkraft der betroffenen Personen verbessern würde.

6.6

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Anpassung der Renten an die volle Teuerung hat keine Auswirkungen auf die Umwelt.

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6.7

Auswirkungen auf die Durchführungsstellen

Die ausserordentliche Erhöhung führt zu einem grossen Aufwand bei den Durchführungsstellen. Um die Erhöhung der Leistungen umzusetzen, müssen die Informatikprogramme angepasst werden, was zu einem höheren Bedarf an Ressourcen, vor allem bei der Zentralen Ausgleichsstelle, führt. Mit der ausserordentlichen Erhöhung müssen die Renten der AHV und IV, EL, ÜL sowie weitere Leistungen der Unfall- und Militärversicherung neu berechnet werden. Die Neuberechnung dieser Leistungen führt zu einem beträchtlichen Aufwand bei den Durchführungsstellen. Die dadurch entstehenden Umsetzungskosten können nicht beziffert werden.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 112 BV. Diese Bestimmung ermächtigt den Bund, Vorschriften über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung zu erlassen.

Artikel 165 BV ermächtigt das Parlament, Bundesgesetze, deren Inkrafttreten keinen Aufschub duldet, dringlich zu erklären.

Die Anwendung von Artikel 165 Absatz 1 BV setzt voraus, dass die Zielsetzung des Gesetzes ganz oder teilweise nicht oder nicht mehr erreicht wird, wenn die Unterstellung unter das fakultative Referendum das Inkrafttreten des Gesetzes verzögern würde.

Dies wäre hier der Fall, wenn das Referendum ergriffen würde: Die Leistungsbezügerinnen und -bezüger müssten den Ausgang der Volksabstimmung abwarten, um ­ bei einer Annahme ­ eine lediglich an den LIK angepasste Rente zu erhalten.

Mit Blick auf die Referendumsfristen und die Zeitspanne bis zur Abstimmung würde die Zielsetzung des Gesetzes frühestens Ende 2023 erreicht ­ sofern das Gesetz bereits in der Frühjahrsession verabschiedet würde. Die Dringlichkeitsklausel ist somit gerechtfertigt, damit das Gesetz seine Wirkung (unter Berücksichtigung der Umsetzungsvoraussetzungen) so schnell wie möglich entfalten kann, ohne den Ausgang eines möglichen Referendums abzuwarten.

Artikel 112 Absätze 3 und 4 BV sehen vor, dass die Versicherung durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber sowie Leistungen des Bundes finanziert wird, wobei die Leistungen des Bundes höchstens die Hälfte der Ausgaben betragen. Der vom Bund zu leistende Finanzierungsanteil wird in Artikel 103 AHVG festgelegt. Da der Bund in den Jahren 2023 und 2024 nicht auf jegliche finanzielle Beteiligung verzichtet, sondern diese auf die Finanzierung der Renten ohne ausserordentliche Erhöhung beschränkt (vgl. Ziffer 5.1), ist diese Regelung mit Artikel 112 Absatz 3 BV vereinbar.

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7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Für die Schweiz sind im vorliegenden Fall zum einen die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 196418 und zum anderen das Übereinkommen Nr. 128 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Juni 196719 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene bindend. Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit sieht vor, dass insbesondere die Altersrenten nach namhaften Änderungen in der allgemeinen Verdiensthöhe, die sich aus namhaften Änderungen in den Lebenshaltungskosten ergeben, überprüft werden (Art. 65 Abs. 10). Gemäss Übereinkommen Nr. 128 sind die Rentenbeträge nach erheblichen Änderungen in der allgemeinen Verdiensthöhe oder nach erheblichen Änderungen in den Lebenshaltungskosten zu überprüfen (Art. 29 Abs. 1). Eine ausserordentliche Rentenanpassung, um die aussergewöhnliche Inflation zu berücksichtigen, wäre somit im Sinne dieser für die Schweiz bindenden internationalen Abkommen.

Die Schweiz wendet aufgrund des Abkommens vom 21. Juni 199920 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) sowie des Übereinkommens vom 4. Januar 196021 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen) die Verordnung (EG) Nr. 883/200422 und die Verordnung (EG) Nr. 987/200923 an. Diese beiden Verordnungen bezwecken einzig die Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit und stützen sich auf die entsprechenden internationalen Koordinationsgrundsätze, insbesondere die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit den eigenen Staatsangehörigen, die Aufrechterhaltung der erworbenen Ansprüche und die Auszahlung von Leistungen im ganzen europäischen Raum.

Die Alters- und Invalidenrenten fallen in den sachlichen Geltungsbereich der erwähnten Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Die Schweiz kann jedoch die Rentenanpassung an die Preisentwicklung autonom festlegen. Die vorliegende Änderung ist insbesondere auch diskriminierungsfrei ausgestaltet. Die Vorlage ist daher auch mit dem FZA beziehungsweise dem revidierten EFTAÜbereinkommen vereinbar.

18 19 20 21 22

23

SR 0.831.104 SR 0.831.105 SR 0.142.112.681 SR 0.632.31 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der für die Schweiz gemäss Anhang II des Freizügigkeitsabkommens jeweils verbindlichen Fassung (eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1) sowie in der für die Schweiz gemäss Anlage 2 Anhang K des EFTA-Übereinkommens jeweils verbindlichen Fassung.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der für die Schweiz gemäss Anhang II des Freizügigkeitsabkommens jeweils verbindlichen Fassung (eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11) sowie in der für die Schweiz gemäss Anlage 2 Anhang K des EFTA-Übereinkommens jeweils verbindlichen Fassung.

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7.3

Erlassform

Für die Vorlage wird die Form des dringlichen Bundesgesetzes gewählt. Nach Artikel 165 Absatz 1 BV kann ein Bundesgesetz, dessen Inkrafttreten keinen Aufschub duldet, von der Mehrheit der Mitglieder jedes Rates dringlich erklärt und sofort in Kraft gesetzt werden. Es ist zu befristen. Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe a BV bedarf die Dringlicherklärung der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte. Die Motion 22.3792 fordert eine Anpassung der ordentlichen Renten per 1. Januar 2023, wenn nötig mit einer dringlichen Gesetzesänderung. Um dies möglichst rasch umzusetzen, muss die rechtliche Grundlage von den eidgenössischen Räten in der Frühlingssession 2023 behandelt werden. Deshalb ist die Anwendung des Sonderverfahrens unabdingbar und die befristete Änderung des AHVG muss als dringlich erklärt werden.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage erhält keine neuen Subventionsbestimmungen, die einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen oder neue wiederkehrenden Ausgaben von mehr als 2 Millionen für den Bund nach sich ziehen und deshalb der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV unterstellt werden müssten.

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