BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.022 Botschaft zum Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz vom 15. Februar 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2013

M 12.4139

Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (S 14.03.2013, Bischof; N 23.09.2013; S 02.12.2013)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Februar 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-0518

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Übersicht Mit dem Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) werden die Grundlagen geschaffen für durchgängig digitale, medienbruchfreie Justizverfahren. Die Aktenführung erfolgt elektronisch. Für professionelle Rechtsanwenderinnen und -anwender, insbesondere Gerichte, Behörden und Anwaltschaft, wird die Kommunikation auf diesem Weg zur Pflicht.

Ausgangslage Die eidgenössischen Prozessgesetze (Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren) sehen seit 2011 vor, dass die Übermittlung von Eingaben und Verfügungen auf elektronischem Weg erfolgen kann. Trotzdem wird die Kommunikation zwischen Gerichten und den Verfahrensbeteiligten zurzeit nur in wenigen Fällen elektronisch abgewickelt.

Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat an ihrer Herbstversammlung vom 17./18. November 2016 beschlossen, dass rechtliche Grundlagen für die obligatorische Einführung von E-Justice im Bereich der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte sowie der Strafverfolgungsbehörden geschaffen werden sollen. Zeitgleich hat auch das Bundesgericht mit dem Projekt eDossier eine Initiative für die Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren gestartet.

Die KKJPD ist mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 an Bundesrätin Simonetta Sommaruga gelangt und hat darum ersucht, die gesetzlichen Grundlagen für ein E-Justice-Obligatorium und eine von den Kantonen betriebene Austauschplattform zu schaffen.

Inhalt der Vorlage Das BEKJ sieht die Schaffung einer Körperschaft vor, an welcher sich Bund und Kantone beteiligen. Die Hauptaufgabe der Körperschaft ist der Aufbau, der Betrieb und die Weiterentwicklung einer zentralen Plattform für den elektronischen Rechtsverkehr.

Kantone, die der Körperschaft nicht beitreten, können entweder eine eigene Plattform entwickeln oder sich einer bestehenden Plattform anschliessen. Nebst der Hauptaufgabe kann die Körperschaft weitere Dienstleistungen mit einem engen Bezug zum elektronischen Rechtsverkehr und der Abwicklung von digital geführten Verfahren anbieten.

Der Entwurf regelt ebenfalls den minimalen Funktionsumfang der zentralen Plattform. Für die Nutzung reicht es aus, sich mit einem anerkannten elektronischen Identitätsnachweis zu authentifizieren. Damit können berechtigte Verfahrensbeteiligte Dokumente an die
Plattform übermitteln und dort abrufen.

Die Kosten für den Aufbau der zentralen Plattform betragen 28 Millionen Franken.

Der Bund beteiligt sich mit 25 Prozent daran. Dies geht auf eine Vereinbarung des Bundesgerichts und 17 anderen oberen kantonalen Gerichten mit der KKJPD zurück.

Für den Betrieb und die Weiterentwicklung fallen jährlich Kosten im Umfang von 7,4 Millionen Franken an. Diese Kosten werden mit Gebühren finanziert.

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Die Pflicht zur Benutzung der Plattform wird in den Prozessgesetzen separat verankert. Darüber hinaus werden weitere Bestimmungen in den Prozessgesetzen geändert, um eine medienbruchfreie, digitale Verfahrensführung zu ermöglichen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

9 10

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

10

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

11

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Konzept des Gesetzes 4.1.2 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.2.1 Neue Aufgaben 4.2.2 Finanzierung 4.2.2.1 Gesamtkosten der zentralen Plattform 4.2.2.2 Kostenverteilung Aufbau der Plattform 4.2.2.3 Kostenverteilung Betrieb und Weiterentwicklung der Plattform 4.2.2.4 Gebührenfinanzierung der zentralen Plattform 4.3 Umsetzungsfragen

13 13 13 14 15 15 16 16 17

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz 5.2 Änderung anderer Bundesgesetze 5.2.1 Ausländer- und Integrationsgesetz vom 16. Dezember 2005 5.2.2 Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 5.2.3 Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 5.2.4 Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 5.2.5 Zivilgesetzbuch 5.2.6 Zivilprozessordnung 5.2.7 Markenschutzgesetz vom 28. August 1992 5.2.8 Designgesetz vom 5. Oktober 2001 5.2.9 Patentgesetz vom 25. Juni 1954 5.2.10 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess 5.2.11 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs

19

5

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17 18 18

19 39 40 42 47 48 49 50 53 53 53 53 54

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5.3 5.4 5.5 6

7

5.2.12 Strafprozessordnung 5.2.13 Bundesgesetz vom 23. Dezember 2011 über den ausserprozessualen Zeugenschutz 5.2.14 Opferhilfegesetz vom 23. März 2007 5.2.15 Bundesgesetz vom 22. März 1972 über das Verwaltungsstrafrecht 5.2.16 Militärstrafprozess vom 23. März 1979 5.2.17 Rechtshilfegesetz vom 20. März 1981 5.2.18 Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 5.2.19 Bundesgesetz vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur 5.2.20 Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997 Koordination mit dem Ausländer- und Integrationsgesetz Koordination mit dem Patentgesetz Koordination mit dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs

55 58 59 60 62 63 64 65 66 68 68 69

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 6.5 Auswirkungen auf die Umwelt 6.6 Andere Auswirkungen

69 69

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.7.1 Zuständigkeit zum Erlass des Verordnungsrechts 7.7.2 Stellungnahme Bundesgericht 7.7.3 Delegation an den Bundesrat 7.7.4 Delegationsinhalte 7.7.5 Verordnungs- und Regelungskompetenzen in den Prozessgesetzen (Änderung anderer Erlasse) 7.8 Datenschutz

73 73 74 74 75

70 71 72 73 73

75 76 76 76 76 77 78 80 80

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Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Die eidgenössischen Prozessgesetze (Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren) sehen bereits seit 2011 vor, dass die Übermittlung von Eingaben und Verfügungen auf elektronischem Weg erfolgen kann. Trotzdem wird der Verkehr zwischen Gerichten und den Verfahrensbeteiligten bisher nur in wenigen Fällen elektronisch abgewickelt.

Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat an ihrer Herbstversammlung vom 17./18. November 2016 einstimmig beschlossen, dass rechtliche Grundlagen für die obligatorische Einführung von E-Justice im Bereich der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte sowie der Strafverfolgungsbehörden geschaffen werden sollten. Unter dem Begriff E-Justice werden die Teilbereiche elektronischer Rechtsverkehr, elektronische Aktenführung, elektronische Akteneinsicht und elektronische Archivierung verstanden. Zeitgleich hat auch das Bundesgericht (BGer) mit dem Projekt eDossier1 eine Initiative für die Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren gestartet. Zahlreiche kantonale Obergerichte und Justizleitungen haben sich mit dem Bundesgericht zusammengeschlossen, um die Digitalisierung der Justiz voranzutreiben.2 Im Dezember 2016 wurde das Bundesamt für Justiz beauftragt, ein Normkonzept zu erarbeiten. Für die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die Einführung eines Obligatoriums zur Nutzung von E-Justice im Bereich der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte sowie der Strafverfolgungsbehörden wurde anschliessend der vorliegende Entwurf erarbeitet.

Bei den bisherigen elektronischen Zustellplattformen hat sich gezeigt, dass die Abwicklung über ein E-Mail-basiertes System verschiedene Probleme aufwirft, insbesondere wegen des Volumens der Nachrichten. Die KKJPD hat deshalb an ihrer Herbstversammlung vom 15./16. November 2018 einstimmig beschlossen, dass es zukünftig nur eine Plattform zur Übermittlung geben soll, die von den Kantonen gemeinsam betrieben wird. Nebst der KKJPD hat sich auch die Konferenz des Bundesgerichts mit den kantonalen Obergerichten (Justizkonferenz) für den Betrieb einer einzigen Plattform ausgesprochen. Eine solche hat den Vorteil, dass es keine Interoperabilitätsprobleme gibt und die Nutzerinnen und Nutzer die Kommunikation über eine einzige Anwendung abwickeln können. Die vorgesehene Ausgestaltung als Up- und Download-Plattform,
im Gegensatz zu einem E-Mail-basierten System, ist an keine Volumenbeschränkungen gebunden, die es heute bei den anerkannten Zustellplattformen gibt.

Mit der Schaffung einer Plattform, der Einführung des Obligatoriums für den elektronischen Rechtsverkehr für Gerichte, Behörden, professionelle Benutzerinnen und 1 2

Vgl. www.bger.ch > Bundesgericht > eDossier Gerichte / Justitia 4.0.

Abrufbar unter www.bger.ch > Bundesgericht > eDossier Gerichte / Justitia 4.0 > Am Gesamtprojekt eDossier beteiligte Kantone.

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Benutzer (kantonal eingetragene Anwältinnen und Anwälte sowie weitere Personen, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen berufsmässig als Parteivertretung vor Gericht auftreten3) sowie der Einführung der elektronischen Akte bei Gerichten und Behörden sollen folgende Ziele erreicht werden: ­

Effizienzsteigerung der Geschäftsprozesse resp. Verfahren durch Vereinheitlichung und Steigerung der Zusammenarbeitsfähigkeit zwischen Gerichten, Behörden sowie professionellen Benutzerinnen und Benutzern;

­

erleichterter Zugriff auf Verfahrensakten für alle Verfahrensbeteiligten;

­

erleichtertes Durchsuchen der Akten und Wiederauffinden von bestimmten Aktenstellen und Anmerkungen, besonders bei umfangreichen Akten;

­

Beschleunigung der Verfahren, da Verfahrensstillstände mangels Verfügbarkeit der Akten soweit wie möglich eliminiert werden;

­

Vereinfachung der Akteneinsicht für die Parteien;

­

Reduktion von Versand- und Zustellzeiten sowie Portokosten, da Verfügungen, Entscheide, Urteile und weitere Mitteilungen nicht mehr postalisch zugestellt werden müssen;

­

Büro- bzw. Archivraumeinsparung durch Verzicht auf Papierablagen.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Der bisherige elektronische Rechtsverkehr in der Justiz läuft über Vermittlungsplattformen, die E-Mail-basiert sind. Nach dem Willen der KKJPD und der Justizkonferenz sollte es ursprünglich nur eine Plattform geben, die gemeinsam von den Kantonen betrieben wird. Dafür braucht es, nebst den gesetzlichen Grundlagen, einen Vertrag zwischen den Kantonen nach Artikel 48 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)4. Der Bund kann sich an diesem Vertrag aufgrund von Artikel 48 Absatz 2 BV beteiligen. Der Entwurf sieht vor, dass als Trägerschaft der Plattform eine öffentlichrechtliche Körperschaft durch Bund und Kantone gegründet wird.

Der Entwurf sieht eine Abkehr von den bisherigen E-Mail-basierten Systemen zu einer Up- und Download-Plattform vor. Eine einzige Plattform, die von Bund und Kantonen gemeinsam betrieben wird, müsste bei einem nicht vollständigen Beitritt aller Kantone vom Bund allein betrieben werden. Dies entspricht aber nicht dem Wunsch der Kantone. An der Ein-Plattform-Strategie, wie sie ursprünglich von der KKJPD und der Justizkonferenz gewünscht wurde, wird deshalb nicht festgehalten. Kantone, die der Körperschaft nicht beitreten wollen, können eine eigene interoperable Plattform aufbauen. Alternativ können Kantone mit der Körperschaft auch eine Dienstleistungsvereinbarung zur Benutzung der Plattform abschliessen, ohne selbst Mitglied der Körperschaft zu sein.

3 4

Vgl. auch Art. 68 Abs. 2 Bst. d der Zivilprozessordnung (SR 272).

SR 101

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1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20205 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 angekündigt.

Die Vorlage entspricht insbesondere der vom Bundesrat am 20. April 20166 verabschiedeten «Strategie Digitale Schweiz». Namentlich entspricht das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) dem Ziel: «Bevölkerung und Wirtschaft können ihre Behördengeschäfte schweizweit digital abwickeln.» Diese Strategie gibt nicht nur die Leitlinien für das Handeln der Bundesverwaltung vor, sondern soll auf der Grundlage einer vernetzten Zusammenarbeit von Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Zivilgesellschaft umgesetzt werden. Das BEKJ stellt eine wichtige Voraussetzung für effizientere Prozesse innerhalb der Justiz dar. Indem die Prozesse digitalisiert werden und Medienbrüche abgebaut werden, wird auch die Zusammenarbeit in der Justiz zwischen Gerichten, (Strafverfolgungs-)Behörden, professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern sowie weiteren Personen auf eine neue Grundlage gestellt.

Der Entwurf dient der Zielerreichung bei verschiedenen bundesrätlichen Strategien.

Der Bundesrat hat am 5. September 20187 die «Strategie Digitale Schweiz» aktualisiert und dadurch die Handlungsfelder definiert, in denen das Innovationspotenzial von Informations- und Kommunikationstechnologien besonders grosse Wirkung erzielen kann. Dabei sollen unter anderem elektronische Behördenleistungen so bereitgestellt werden, dass sie ohne besondere Kenntnisse von behördlichen Zuständigkeiten zentral und ohne technisches Spezialwissen nutzbar sind.

Am 20. November 20198 hat der Bundesrat die E-Government-Strategie Schweiz 2020­2023 verabschiedet. Als Leitbild wird darin digital first festgehalten. Demnach priorisieren Bund, Kantone und Gemeinden die digitale Interaktion gegenüber analogen Angeboten für die Bevölkerung und Wirtschaft. Zudem setzen sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf durchgängig digitalisierte Behördenleistungen.

Mit dem vorliegenden Entwurf werden diese Ziele erreicht. Der Entwurf sowie die dazugehörigen Änderungen an den Prozessgesetzen führen zu einer erheblichen Vereinfachung des elektronischen Rechtsverkehrs: Es wird neue Plattformen geben, gegenüber denen sich die Benutzerinnen und Benutzer mit einem anerkannten elektronischen Identitätsnachweis
authentifizieren müssen. Ist die Authentifizierung erfolgt, können die Benutzerinnen und Benutzer Eingaben an Gerichte und Behörden tätigen, ohne die Dokumente zuvor mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss dem Bundesgesetz vom 18. März 20169 über die elektronische Signatur (ZertES) versehen zu müssen oder die entsprechende Adresse des Gerichts oder der Behörde ausfindig zu machen. Die Eingaben können jederzeit vorgenommen werden. Vorausgesetzt wird lediglich ein Gerät mit Internetzugang und ein vom Bundesrat anerkannter elektronischer Identitätsnachweis. Ebenfalls können auch die Gerichte und Behörden 5 6 7 8 9

BBl 2020 1777 S. 1883 und 1889 BBl 2016 3985 BBl 2018 5961 BBl 2019 8739 SR 943.03

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elektronische Zustellungen an die Benutzerinnen und Benutzer über die Plattform vornehmen. Durch die Verpflichtung zur elektronischen Aktenführung sowie zur Beseitigung von Medienbrüchen in den Prozessordnungen können die Justizverfahren so durchgängig digitalisiert geführt werden.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der beantragten Neuregelung werden die Aufträge des eingangs zur Abschreibung beantragten parlamentarischen Vorstosses erfüllt: 2013

2

M 12.4139

Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (S 14.03.2013, Bischof; N 23.09.2013; S 02.12.2013)

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) dauerte vom 11. November 2020 bis zum 26. Februar 2021.10 Zur Teilnahme eingeladen wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete und der Wirtschaft sowie weitere interessierte Organisationen.

Von den 78 zur Stellungnahme eingeladenen Adressatinnen und Adressaten haben 44 geantwortet. Stellung genommen haben 26 Kantone, 7 politische Parteien und 75 Organisationen und weitere Teilnehmende (Gerichte und Justizverwaltungen, Anwaltsverbände, Wirtschaftsverbände, Verbände der Informations- und Kommunikationstechnologie-, der Finanzdienstleistungs- und der Versicherungsbranche). Unter den insgesamt 108 Stellungnahmen finden sich auch 14 von Anwaltskanzleien und Privatpersonen.

Die Vorlage wird von 25 Kantonen, vier politischen Parteien (Mitte, FDP, GLP und SP) sowie 49 weiteren Vernehmlassungsteilnehmenden grundsätzlich begrüsst. Der Kanton Schwyz, drei politische Parteien (AL BE, Piraten und SVP), ein Gericht (KGer Schwyz) und drei Organisationen lehnen die Vorlage grundsätzlich ab. Vier Gerichte und Justizverwaltungen sowie 15 weitere Teilnehmende sprechen sich nicht explizit für oder gegen die Vorlage als Gesamtes aus.

Aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung wurde von der strikten EinPlattform-Strategie abgerückt. Nebst der von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft betriebenen Plattform können die Gemeinwesen (Bund und Kantone) weitere Plattformen aufbauen, die allerdings interoperabel sein müssen.

Weiter wurde die Zahl der kantonalen Vertreterinnen und Vertreter in der Versammlung auf zwei pro Mitgliedskanton erhöht, da von Seiten der Gerichte und Justizver10

Vgl. www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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waltungen eine angemessene Vertretung gefordert wurde. Trotz Erhöhung ist es weiterhin an den Kantonen, zu bestimmen, aus welchen Bereichen (Verwaltung, Justiz, sonstige) die Vertreterinnen und Vertreter stammen.

Vor allem von Seiten der Anwaltschaft wurde bemängelt, dass der Vorentwurf keine Übergangsfristen vorsah. Neu sieht der Entwurf eine zweijährige Übergangsfrist zwischen Inkrafttreten des BEKJ und dem Inkrafttreten des Obligatoriums vor.

Auf Anregung in der Vernehmlassung wurde das Schlichtungsverfahren vom Obligatorium ausgenommen. Die Parten im Schlichtungsverfahren sind zumeist nicht durch Anwältinnen oder Anwälte vertreten. Ebenso werden die Akten auch nicht von der Schlichtungsbehörde an das Gericht weitergegeben.

Die Gerichte fällen oft Entscheide, die direkte Auswirkungen auf Betreibungs- und Konkursverfahren haben. Die Betreibungs- und Konkursämter werden verpflichtet, mit Gerichten elektronisch zu kommunizieren, ohne das bisherige eSchKG-System11 zu tangieren.

Ebenfalls werden die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden explizit dem BEKJ unterstellt. Im Vorentwurf hing es davon ab, wie die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden in den Kantonen jeweils ausgestaltet sind. Teilweise sind es Behörden, die nach kantonalem Verfahrensrecht handeln. Teilweise sind es gerichtliche Behörden, die die Zivilprozessordnung12 anwenden.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Diverse, aber nicht alle europäischen Ländern kennen bereits Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr. Anhand der folgenden Beispiele wird aufgezeigt, wie Nachbarstaaten und weitere europäische Staaten bei der Regelung des elektronischen Rechtsverkehrs vorgegangen sind.

Deutschland Die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung13 (ERVV) ist eine Rechtsverordnung der deutschen Bundesregierung, welche die Übermittlung elektronischer Dokumente an die Gerichte der Länder und des Bundes sowie die Bearbeitung elektronischer Dokumente durch diese Gerichte regelt (§ 1 Abs. 1 ERVV). Sie wurde am 24. November 2017 erlassen und ist am 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Sie legt unter anderem fest, dass nur PDF- und TIFF-Dateien im elektronischen Rechtsverkehr mit deutschen Gerichten zulässig sind. Seit dem 1. Januar 2022 sehen die Verfahrensgesetze (mit Ausnahme für Verfahren vor Bundesverfassungsgericht) ein Obligatorium für Anwältinnen und Anwälte sowie Behörden vor.

Es müssen nicht nur die Rechtsschriften auf elektronischem Weg eingereicht werden, sondern auch die dazugehörigen Beilagen. Aufgrund der Revision der ERVV wurde 11 12 13

Vgl. www.eschkg.ch.

SR 272 Abrufbar unter www.gesetze-im-internet.de > Gesetze / Verordnungen.

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die Übertragungslimite per 1. April 2022 erhöht. Seit diesem Zeitpunkt können in einer Nachricht bis zu 200 Anhänge mit insgesamt 100 MB versendet werden. Der Versand ist dabei immer noch E-Mail-basierend.

Österreich Der elektronische Rechtsverkehr hat in Österreich eine lange Tradition. So konnte schon ab 1. Januar 1990 elektronisch mit Bezirksgerichten kommuniziert werden.

Heutzutage kann mit Gerichten und Staatsanwaltschaften über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV), also über das Internet kommuniziert werden. Man muss dafür bei einer von mehreren möglichen Übermittlungsstellen (clearing houses) registriert sein, über die die Eingabe an die Justizbehörde weitergeleitet wird.14 Diese Registrierung ist kostenpflichtig. Es fällt eine Grundgebühr von rund zwanzig Euro monatlich sowie eine Gebühr von etwa 30 Cent pro Übermittlung an. Die Kosten für einen eingeschriebenen Brief betragen in Österreich rund drei Euro.

Zudem steht für die elektronische Übermittlung ein kostenloser Upload-Service unter Verwendung der österreichischen Bürgerkarte zur Verfügung. Mit diesem UploadService können aber keine gerichtlichen Dokumente empfangen werden.15 Der Transport der Daten über den elektronischen Rechtsverkehr ist durch das HTTPSProtokoll gesichert. Die Authentifizierung aller Beteiligten erfolgt durch Zertifikate.

Die Kommunikation zwischen den Servern erfolgt ebenfalls zertifikatsbasiert.

In Österreich sind zur Benutzung des ERV verpflichtet: die Anwaltschaft, die Notarenschaft, Kredit- und Finanzinstitute, österreichische Versicherungsunternehmen, Sozialversicherungen und weitere.

Italien In Italien können Rechtsschriften und Beilagen in Zivilverfahren durch die Anwaltschaft nur elektronisch eingereicht werden. Dasselbe gilt für die Einreichung von Schriftstücken und Unterlagen durch Personen, die von den Justizbehörden bestellt oder beauftragt wurden.

Die Rechtsschriften müssen mit einer elektronischen Signatur versehen und zusammen mit allfälligen Beilagen in einen «elektronische Briefumschlag» (busta telematica) gepackt werden. Dieser wird verschlüsselt. Somit ist gewährleistet, dass der Inhalt nur dem Gericht zugänglich ist, das als Empfänger vorgesehen ist. Die Grössenbeschränkung liegt bei 30 Megabyte.16 Die Mitteilungen an die Anwaltschaft werden ausschliesslich elektronisch übermittelt.
Estland In Estland erfolgt der elektronische Rechtsverkehr über das elektronische Fallbearbeitungssystem (e-File-System). Es kann in Zivil-, Verwaltungs- und Strafverfahren 14 15 16

Vgl. www.oesterreich.gv.at > Themen > Dokumente und Recht > Elektronischer Rechtsverkehr (ERV).

Vgl. www.oesterreich.gv.at > Themen > Dokumente und Recht > Elektronischer Rechtsverkehr (ERV) > ERV im Wege des Upolad-Services («ERV für alle»).

Vgl. Artikel 14 Ziff. 3 der technischen Spezifikationen, abrufbar unter https://pst.giustizia.it/PST/resources/cms/documents/SpecificheTecnicheTestoCoordinatoArticolato.pdf.

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sowie bei Ordnungswidrigkeiten verwendet werden. Im Fall eines zivil- oder verwaltungsrechtlichen Gerichtsverfahrens kann das Verfahren über das System eingeleitet werden. Ferner können Dokumente eingereicht und Rechtsmittel eingelegt werden.

Um das elektronische Fallbearbeitungssystem verwenden zu können, müssen die Benutzerinnen und Benutzer sich unter Verwendung ihres Personalausweises oder einer Authentisierungsanwendung ihres Mobiltelefons (Mobile ID) einloggen. Danach erhalten sie nur Zugang zu Verfahren und Daten, die einen Bezug zu ihnen aufweisen.

Das Justizministerium hat auf YouTube eine Anleitung für die Benutzung des elektronischen Fallbearbeitungssystems veröffentlicht.17 Zur Übermittlung von Daten wird X-Road18 verwendet, die elektronische Informationsaustauschebene des staatlichen Informationssystems. Das ist eine technische und organisatorische Umgebung, die einen sicheren internetbasierten Datenaustausch unter den staatlichen Informationssystemen ermöglicht.

Ist die Unterzeichnung bestimmter Schriftstücke gesetzlich vorgeschrieben, geschieht dies elektronisch mithilfe des Personalausweises. Verfahrensunterlagen können über das elektronische Fallbearbeitungssystem unter Verwendung einer elektronischen Signatur eingereicht werden. Wird die Sache an das Gericht überwiesen, speichert das elektronische Fallbearbeitungssystem automatisch das Datum, an dem das Verfahren eingeleitet wurde. Eine Person, die ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder andere Verfahrensunterlagen über das elektronische Fallbearbeitungssystem bei Gericht einreicht, erhält per E-Mail eine automatische Bestätigung des Eingangs, in der das Datum und die Uhrzeit des Eingangs bei Gericht angegeben sind.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Konzept des Gesetzes

Mit dem BEKJ werden die rechtlichen Voraussetzungen für Up- und Download-Plattformen geschaffen, über welche Behörden, Gerichte, Anwaltschaft, Verfahrensparteien sowie weitere Verfahrensbeteiligte Dokumente zustellen und empfangen können. Die im BEKJ geregelte zentrale Plattform wird von Bund und Kantonen gemeinsam betrieben. Für den Betrieb wird eine Körperschaft gegründet, an welcher Bund und Kantone beteiligt sind. Diese Körperschaft wird für den eigentlichen Aufbau, den Betrieb, die Weiterentwicklung und die Sicherheit der Plattform zuständig sein.

Wollen sich Kantone nicht an dieser Körperschaft beteiligen, können sie alternative Plattformen aufbauen, welche dieselben Anforderungen und Funktionalitäten wie die zentrale Plattform erfüllen müssen. Dabei muss die Interoperabilität gewährleistet sein.

17 18

Vgl. www.youtube.com/watch?v=Qu9azQs_Ctc.

Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/X-Road.

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Das BEKJ regelt die grundlegende Organisation der Körperschaft und die notwendigen Funktionalitäten der Plattform, um den Austausch von Dokumenten und die elektronische Akteneinsicht zu ermöglichen. Dies betrifft insbesondere die Anforderungen an die Authentifizierung der Benutzerinnen und Benutzer, die Art und Weise der Nutzung der Plattform durch die Benutzerinnen und Benutzer, die Zustellung und den Empfang von Dokumenten und die Frage, welche Quittungen dabei erstellt werden.

Die Pflicht zur Benutzung der Plattform wird in den jeweiligen Prozessgesetzen geregelt. Dafür werden Bestimmungen eingefügt, die das BEKJ für anwendbar erklären und die die Gerichte, Behörden und die professionellen Benutzerinnen und Benutzer verpflichten, nur noch elektronisch miteinander zu kommunizieren. Zudem wird den Gerichten und Behörden eine Pflicht zur elektronischen Aktenführung auferlegt.

Heute bestehende Unterschriftserfordernisse werden bei der Nutzung der elektronischen Kommunikation aufgehoben. An Stelle der Unterschriften tritt die Authentifizierung gegenüber der Plattform sowie das automatisierte Anbringen von geregelten elektronischen Siegeln.

4.1.2

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Von Seiten der Kantone wurde ursprünglich der Wunsch geäussert, dass es zukünftig nur eine einzige Plattform geben soll und diese von den Kantonen betrieben wird.

Gleichermassen hatte sich auch die Justizkonferenz für eine einzige Plattform ausgesprochen. Der alleinige Betrieb dieser Plattform durch die Kantone wäre aufgrund von Artikel 122 Absatz 2 und 123 Absatz 2 BV durchaus möglich. Da jedoch nicht nur Gerichte und Behörden der Kantone die Plattform zukünftig nutzen werden, sondern auch die Gerichte des Bundes sowie andere Bundesbehörden, muss auch der Bund an der Plattform beteiligt sein. Daher soll eine Körperschaft gegründet werden, an der sich sowohl der Bund als auch die Kantone beteiligen. Die Körperschaft wird über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen; sie wird Trägerin von Rechten und Adressatin von Pflichten sein.

Aufgrund der Kritik bezüglich der subsidiären Zuständigkeit des Bundes für den Fall, dass nicht alle Kantone der Körperschaft beitreten, wurden Gespräche mit der KKJPD und dem Bundesgericht geführt und es wurde die Abkehr von der strikten Ein-Plattform-Strategie beschlossen. Davon ausgehend, dass sich die meisten Kantone der Körperschaft und der sich durch das Projekt Justitia 4.0 im Aufbau befindlichen Plattform (zentrale Plattform) anschliessen werden, wurde im vorliegenden Entwurf die Grundlage gelegt, mehrere Plattformen gründen und nutzen zu können. Kantone, die der Körperschaft nicht beitreten, haben so die Möglichkeit, eine eigene Plattform aufzubauen. Alternativ können sie auch bei der zentralen Plattform oder einer anderen anerkannten Plattform als Dienstleistungsbezüger auftreten.

Aufgrund des raschen technischen Wandels und da die Plattform zukünftig gemeinsam von Bund und Kantonen betrieben wird, enthält das BEKJ nur die notwendigsten Regelungen. Darunter fallen insbesondere die notwendigen Funktionalitäten, die Finanzierung und die Gebührenerhebung, Haftungsfragen, Datenschutz und Daten-

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sicherheit. Mit dieser Minimalregelung wird sichergestellt, dass die Körperschaft die Plattform dem technischen Wandel anpassen kann.

Der Entwurf sieht zudem diverse Änderungen an zahlreichen Verfahrensgesetzen vor.

Im Rahmen der Ausarbeitung des Vorentwurfs wurde geprüft, ob Verfahrensvorschriften bezüglich der Benutzung der Plattform nicht gebündelt an einem Ort zusammengefasst werden sollen, statt diese in den jeweiligen Verfahrensgesetzen (nahezu identisch) einzufügen resp. anzupassen. Dieser Gedanke wurde aber wieder verworfen, weil die primären Verfahrensgesetze dem Grundsatz einer Gesamtkodifikation folgen und alle für das Verfahren relevanten Bestimmungen in einem Erlass zu finden sein sollen.

Mit dem vorliegenden Entwurf wird dem ursprünglichen Wunsch der KKJPD und der Justizkonferenz ­ gemeinsamer Betrieb einer einzigen Plattform durch Bund und Kantone ­ nicht ganz entsprochen. Die vorgeschlagene Lösung der zentralen Plattform und die Möglichkeit der Kantone, eine eigene Plattform zu betreiben oder sich als Dienstleistungsnehmer an der zentralen Plattform anzuschliessen, wird sowohl von der KKJPD wie auch dem Bundesgericht begrüsst. Das Obligatorium für die professionellen Benutzerinnen und Benutzer sowie Behörden sowie die weiteren Änderungen an den Prozessgesetzen führen dazu, dass zukünftig Verfahren durchgängig elektronisch geführt werden können.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

4.2.1

Neue Aufgaben

Das BEKJ bringt neue Aufgaben für den Bund. Zum einen wird der Bund zusammen mit den Kantonen eine neue Körperschaft gründen. Der Bund wird dort auf der höchsten Verwaltungsebene Einsitz nehmen. Zum anderen wird die elektronische Akte im Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196819 (VwVG) als massgeblich vorgeschrieben. Papierdokumente müssen inskünftig in elektronische Dokumente umgewandelt und abgelegt werden.

Mit der Vorlage wird einerseits die Pflicht zur elektronischen Aktenführung in Gerichtsverfahren im Gesetz verankert; andererseits wird ein Obligatorium zur Benutzung der Plattform eingeführt. Zudem wird der Bundesrat eine Verwaltungseinheit der zentralen Bundesverwaltung mit dem Betrieb einer eigenen Plattform beauftragen müssen, da die zentrale Plattform nur für Justizverfahren geplant ist, nicht jedoch für das interne Verwaltungsverfahren vor Bundesbehörden. Dabei wird zu prüfen sein, ob die bisherigen Systeme (Geschäftsverwaltungssystem Acta Nova, Plattform EasyGov etc.) oder die neue Plattform gemäss dem Entwurf des Unternehmensentlastungsgesetzes20 geeignet sind, diese zusätzliche Aufgabe wahrzunehmen. In Bezug auf die Plattformen hat die Vorlage keine Auswirkungen auf den Personalbedarf des Bundes.

19 20

SR 172.021 Vgl. www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > WBF.

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Zur Überprüfung, ob die elektronischen Signaturen und Zeitstempel gültig sind, muss der Öffentlichkeit ein sogenannter Validator zur Verfügung gestellt werden. Dies führt für den Bund zu einem erhöhten Mittelbedarf.

4.2.2

Finanzierung

4.2.2.1

Gesamtkosten der zentralen Plattform

Das Projekt Justitia 4.021 beziffert die Kosten für den Aufbau, den Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattform während der Projektdauer (2019­2027) auf 50,2 Millionen Franken. Als Grundlage dienen die am 8. Juli 2022 erteilten Ausschreibungszuschläge.22 Von diesen Gesamtkosten entfallen 28 Millionen Franken auf den Aufbau (2019­2024) der Plattform. Ab 2025 fallen jährlich rund 6,67 Millionen Franken an Betriebskosten an. Diese umfassen die Einführung, den Betrieb, den Unterhalt und den Support. Die Höhe der Betriebskosten wird insbesondere durch Support-Leistung (ausgehend von 30 000 Benutzerinnen und Benutzern im Endausbau), die Pflege der Schnittstellen zu den Justizbehörden und die hohen Verfügbarkeits- und Sicherheitsanforderungen beeinflusst. Nebst den Betriebskosten fallen jährlich zusätzlich 0,73 Millionen Franken für die Weiterentwicklung der Plattform an.

Zu den Aufbaukosten gehören: ­

die Entwicklung der Funktionalitäten der Plattform;

­

der Aufbau der IT-Struktur und der technischen und organisatorischen Sicherheitsmassnahmen für den Pilot- und Produktivbetrieb der sicheren Plattform Justitia.Swiss, inklusive Anbindung eines Validators, eines Siegelservices und der notwendigen Authentisierungslösungen;

­

ordentliche Kosten der Projektarbeiten (Provider-Management, Transformation, Kommunikation, Personal- und Infrastrukturkosten, Aufwände für den Aufbau der Geschäftsorganisation der öffentlich-rechtlichen Körperschaft).

Zu den Betriebskosten gehören: ­

Betrieb der Plattform, inklusive der notwendigen Anpassungen;

­

Wartungsarbeiten;

­

Betrieb der Supportorganisation (first level, viersprachig);

­

ordentliche Kosten der öffentlich-rechtlichen Körperschaft (inkl. Transformation, Kommunikation sowie Personal- und Infrastrukturkosten).

Eine Aufteilung der Kosten über die Jahre kann zum heutigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Sie ist von der detaillierten Projektplanung abhängig, die gegenwärtig zwischen dem Projekt Justitia 4.0 und den beiden Firmen, die den Zuschlag erhalten haben, erarbeitet wird.

21 22

Vgl. www.justitia40.ch.

Vgl. www.justitia40.ch >Aktuelles > News > Zühlke und ELCA erhalten Zuschlag

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4.2.2.2

Kostenverteilung Aufbau der Plattform

Die Arbeiten zum Aufbau der Plattform wurden bereits vom Projekt Justitia 4.0 aufgenommen. Für die Projektfinanzierung haben sich die KKJPD und die Gerichte (Bundesgericht sowie 17 kantonale Obergerichte und Justizleitungen23) darauf geeinigt, dass die KKJPD 50 Prozent der Projektkosten und die Gerichte die anderen 50 Prozent tragen. Innerhalb der Gerichte hat sich das Bundesgericht mit einem öffentlich-rechtlichen Zusammenarbeitsvertrag mit den obersten Gerichten der Kantone verpflichtet, die Hälfte der Aufbaukosten zu übernehmen. Der Anteil des Bundesgerichts an den Gesamtkosten des Projekts beträgt damit 25 Prozent. Diese Beiträge sind im Budget 2023 sowie in der Finanzplanung für die Folgejahre des Bundesgerichts bereits enthalten. Die Vorlage übernimmt diese vereinbarten 25 Prozent weiterhin als Anteil des Bundes für den Aufbau der Plattform.

Zudem wird der Validator, der von der Bundeskanzlei zur Verfügung gestellt werden soll, aufgrund des durch die Plattform hinzukommenden Prüfvolumens ausgebaut werden müssen.

4.2.2.3

Kostenverteilung Betrieb und Weiterentwicklung der Plattform

Gemäss der Projektorganisation Justitia 4.0 fallen 7,4 Millionen Franken pro Jahr für die Betriebskosten (6,67 Mio.) und Weiterentwicklung (0,73 Mio.) der Plattform an.

Die Vorlage sieht vor, dass diese Kosten durch Gebühren gedeckt werden.

Mit der Plattform ergeben sich folgende Einsparungspotenziale:

23 24

­

Die Kosten für die Zustellung von Gerichtsurkunden, Prozesseingaben und Akten an Anwältinnen und Anwälte können gesenkt werden. In Österreich wurden für das Jahr 2016 dank des elektronischen Rechtsverkehrs Portokosten-Einsparungen von 12 Millionen Euro errechnet.24

­

Daten müssen nicht mehr manuell mehrfach erfasst werden. Dies führt zu Effizienzsteigerungen und verringert auch allfällige Falscherfassungen und aufwendige Korrekturen.

­

Die Pflicht zur elektronischen Aktenführung bewirkt, dass weniger Papierdokumente archiviert werden müssen. Die elektronischen Akten lassen sich platzsparend archivieren. Der Platzbedarf für das Archiv wird dadurch geringer.

­

Es werden keine physischen Kopien von bestimmten Aktenstellen zur Weiterverwendung in anderen Dokumenten mehr notwendig sein.

­

Den nebenamtlichen Richterinnen und Richtern müssen die Dossiers nicht mehr nach Hause zugestellt werden bzw. sie müssen sich dazu nicht ans Abrufbar unter www.bger.ch > Bundesgericht > eDossier Gerichte / Justitia 4.0 > Am Gesamtprojekt eDossier beteiligte Kantone.

Klaus Schurig, Richter am Landesgericht Feldkirch, Präsentation anlässlich der Kick-Off Veranstaltung von Justitia 4.0 vom 14.02.2019, Luzern.

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Gericht bemühen. Ähnliches gilt auch für die Richterinnen und Richter. Diese können, soweit zulässig, von aussen Zugriff auf alle Akten erhalten.

4.2.2.4

Gebührenfinanzierung der zentralen Plattform

Der Entwurf sieht Gebühren für die Benutzung der Plattform vor. Dabei kommen grundsätzlich zwei unterschiedliche Modelle in Frage.

Beim Pay-per-use-Modell werden Gebühren direkt von den Benutzerinnen und Benutzern der Plattform erhoben. Diese können einerseits eine einheitliche Gebühr pro Übermittlung darstellen oder andererseits abhängig vom Datenvolumen oder von der Anzahl Dokumente erhoben werden. Dieses Modell hat den Nachteil, dass für die Benutzung der Plattform eine Bezahlschranke errichtet wird. Eine Bezahlschranke hat den Effekt, dass viele Personen die Plattform nicht nutzen werden, wenn sie eine andere Möglichkeit haben. Mit der Vorlage soll jedoch die elektronische Kommunikation in der Justiz gefördert werden, dies gilt namentlich für Personen, die dem Obligatorium nicht unterstehen. Das Pay-per-use-Modell würde dieser Zielsetzung entgegenstehen.

Das andere Modell sieht die Erhebung der Gebühren bei den Behörden vor. Damit fällt die Bezahlschranke weg und somit auch ein Hindernis, das Personen davon abhält, elektronisch mit den Gerichten und Behörden zu kommunizieren. Der Bundesrat hat sich für die Erhebung von Gebühren bei den Behörden entschieden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Gebühren zu erheben. Dies könnte einerseits durch die Anzahl der übermittelten Dokumente oder durch das Datenvolumen erfolgen, oder es könnte eine Pauschalgebühr pro abgeschlossenes oder eröffnetes Verfahren erhoben werden. Dass die Gebühr bei den Behörden erhoben wird, dient einerseits dazu, Benutzerinnen und Benutzer nicht von der elektronischen Kommunikation abzuhalten. Andererseits dient es auch der Vereinfachung der Abrechnung, denn die Vorlage sieht vor, dass der Bundesrat Pauschalen für Gemeinwesen vorsehen kann. Die (gebührenpflichtigen) Behörden selbst können die Gebühren wiederum mittels den jeweiligen Verfahrensgebühren im Rahmen der ordentlichen Gebührentarife der Verfahren auf die Parteien überwälzen.

Gemäss Statistiken des Bundesgerichts wurden im Jahr 2020 schweizweit 304 744 Fälle vor Gericht erledigt.25 Hinzu kommt die Zahl der abgeschlossenen Verfahren vor Bundesanwaltschaft und kantonalen Staatsanwaltschaften (2020: 457 480). Mit einem Betrag unter 10 Franken pro Verfahren, der zusätzlich zu den bisherigen Verfahrensgebühren erhoben wird, können die jährlichen Betriebs- und Weiterentwicklungskosten gedeckt werden.

4.3

Umsetzungsfragen

Der Bundesrat wird eine Verordnung erlassen, um die erforderliche Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen vorzunehmen. Diese umfassen insbesondere die 25

Vgl. Tabelle in Ziff. 5.1, Erläuterungen zu Art. 32 BEKJ.

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elektronischen Identitätsnachweise, die Bewilligung der Authentifizierung durch ein Behördensystem, die Quittungen, den Validator, die Informations- und Datensicherheit, die Digitalisierung von physischen Dokumenten, den Erlass einer Gebührenregelung sowie das Format von Eingaben und Beilagen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird mittels Erlass einer Departementsverordnung die Anforderungen an die Schnittstellen konkretisieren.

Die vorgeschlagenen Anpassungen der Prozessgesetze werden zu Anpassungen im kantonalen Recht führen, namentlich in den kantonalen Gerichtsverfahrens- und -organisationsgesetzen (vgl. Ziff. 6.2). Den Kantonen kommt somit neben den vollziehenden Behörden und Gerichten aller Stufen beim Vollzug des neuen Rechts eine zentrale Rolle zu.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz

Ingress Die Kompetenz zur Regelung eines Obligatoriums für die elektronische Aktenführung und den elektronischen Rechtsverkehr ergibt sich direkt aus der BV. Basis sind insbesondere die Artikel 122 Absatz 1 und 123 Absatz 1 BV. Diese Verfassungsbestimmungen regeln das Zivil- und Strafprozessrecht.

Gemäss Artikel 92 BV ist das Post- und Fernmeldewesen Sache des Bundes; er hat für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung mit Post- und Fernmeldediensten in allen Landesgegenden zu sorgen. Indem der Bund zusammen mit den Kantonen eine Körperschaft gründet, deren Aufgabe es ist, eine Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz aufzubauen und zu betreiben und gleichzeitig die Möglichkeit zur Schaffung weiterer interoperabler Plattformen einräumt, kommt er seiner Aufgabe gemäss Artikel 92 BV nach.

Art. 1

Zweck und Gegenstand

Das Gesetz bezweckt die sichere und einfache elektronische Kommunikation mit den Justizbehörden. Im Gesetzestext wird deutlich hervorgehoben, dass die Kommunikation zwischen Privaten und Behörden einerseits sowie Behörden untereinander andererseits ermöglicht wird. Damit wird ausgeschlossen, dass die Plattformen für die Kommunikation unter Privaten verwendet werden können. Die Verfahrensparteien, deren Rechtsvertretung sowie Dritte (beispielsweise Gutachter/innen) können über die Plattformen nur mit Behörden, Behörden hingegen können mit Privaten sowie anderen Behörden über die Plattformen kommunizieren. Damit können die Behörden auch die Verfahrensakten weitergeben, wenn ein Rechtsmittel eingereicht wird oder wenn eine Eingabe an eine nicht zuständige Behörde erfolgt ist.

Das Gesetz sieht die Errichtung einer oder mehrerer Plattformen vor, über die Schriftsätze, Beilagen, Verfügungen und mehr übermittelt werden, sowie Akteneinsicht gewährt wird. Im Besonderen wird die zentrale Plattform (Abs. 2 Bst. b) 19 / 82

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erwähnt, welche durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bestehend aus Bund und interessierten Kantonen errichtet wird (vgl. Art. 3 BEKJ).

Die heutigen Prozessgesetze sind grundsätzlich als Gesamtkodifikationen ausgestaltet. Das heisst, die massgeblichen Verfahrensvorschriften gehen aus den Prozessgesetzen selbst hervor. Deswegen wird mit dem BEKJ in den Prozessgesetzen ein «zentraler Block» von Regelungen betreffend den elektronischen Rechtsverkehr eingefügt.

Dieser regelt die Anwendbarkeit des BEKJ im jeweiligen Prozessgesetz, die Pflicht zur elektronischen Aktenführung und das Obligatorium für die professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender. Da das BEKJ in einer Vielzahl von unterschiedlichen Verfahren zur Anwendung gelangt, wird der vorgenannte Grundsatz der Gesamtkodifikation in einigen Punkten durchbrochen. Dies betrifft insbesondere die Fristwahrung, wenn die zu verwendende Plattform bei Ablauf der Frist nicht erreichbar sein sollte (vgl. Art. 26 BEKJ), sowie die Digitalisierung von physisch eingereichten Rechtsschriften und Dokumenten (vgl. Art. 29 und 30 BEKJ).

Im BEKJ wird der Begriff «Dokument» verwendet. Darunter ist jede Information zu verstehen, die auf einem beliebigen Informationsträger aufgezeichnet ist. In der Vernehmlassung wurde vorgeschlagen, den Begriff «Datei» zu verwenden. Der Begriff «Datei» bezeichnet in technischer Hinsicht eine bestimmte Art, digitale Daten zu einer Gesamtheit zu verbinden. Es ist aber nicht die einzige denkbare Art Informationen digital zu speichern. So wird die Musik bei Audio-CDs zwar oft in einzelne Musikstücke gegliedert, aber diese Musikstücke sind keine «Dateien». Zudem kann eine «Datei» auch mehrere Dokumente enthalten, z. B. Objekte in Word-Dokumenten, ZIP-Archiven. Der Begriff «Datei» ist für das Gesetz zu technisch.

Art. 2

Geltungsbereich

Das Gesetz findet nur dort Anwendung, wo es in den Verfahrensgesetzen des Bundes für anwendbar erklärt wird. Dabei können Einschränkungen auf bestimmte Verfahren gemacht werden oder Teile des Gesetzes als nicht anwendbar erklärt werden. Ebenfalls kommt dieses Gesetz zur Anwendung, wenn in einem Verfahrensgesetz auf ein anderes Verfahrensgesetz verwiesen wird, das seinerseits das BEKJ für anwendbar erklärt. Beispielsweise verweist das Bundesgesetz vom 19. März 200426 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte (TEVG) in Artikel 6 Absatz 7 auf das VwVG.

Soweit das VwVG das BEKJ für anwendbar erklärt, gelten diese Bestimmungen auch für Verfahren nach dem TEVG.

Art. 3

Zentrale Plattform

Das Gesetz sieht eine zentrale Plattform vor, die vom Bund und von den interessierten Kantonen betrieben wird. Um diese aufzubauen und zu betreiben, schliessen der Bund und die Kantone eine Vereinbarung. Verfassungsrechtlich gesehen handelt es sich bei diesem Vorgehen um einen Vertrag zwischen den Kantonen, an welchem sich der Bund im Sinne von Artikel 48 Absatz 2 BV beteiligt.

26

SR 312.4

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Nach Rücksprache mit der KKJPD und dem Bundesgericht wurde von einer ursprünglich strikten Ein-Plattform-Strategie aus verfassungsrechtlichen Gründen abgewichen und die Möglichkeit mehrerer Plattformen, die interoperabel sein müssen, eingeführt.

Dies hat zur Folge, dass die Benutzung einer anerkannten Plattform für obligatorisch erklärt werden kann, die Kantone aber nicht notwendigerweise der Körperschaft beitreten müssen.

Der Entwurf unterscheidet zudem zwischen dem obligatorischen Bereich sowie einem nicht obligatorischen Bereich. Die zu gründende Körperschaft hat die zentrale Plattform zu errichten, zu betreiben und weiterzuentwickeln (obligatorischer Teil). Darüber hinaus kann sie noch weitere Dienstleistungen für die Justiz anbieten (nicht obligatorischer Bereich, vgl. Art. 5 BEKJ).

Der Entwurf sieht vor, dass die Vereinbarung erst in Kraft treten kann, wenn der Bund und mindestens 18 Kantone sie genehmigt haben. Der Gründungszeitpunkt wird in der Vereinbarung festgehalten oder es kann auch in der Vereinbarung vorgesehen werden, dass eine Gründungsversammlung den Zeitpunkt festlegt. Spätestens aber mit der Eintragung im Handelsregister ist die Gründung erfolgt.

Art. 4

Weitere Plattformen

Abs. 1 und 3 Tritt ein Kanton der Körperschaft nicht bei oder kommt die Vereinbarung nicht zustande, so muss er dennoch eine Plattform für die Durchführung seiner Verfahren zur Verfügung stellen. Allerdings sieht Absatz 3 eine Ausnahme für die Kantone vor, der ihnen einen gewissen Spielraum einräumt. Statt sich der Körperschaft anzuschliessen oder eine eigene Plattform zu entwickeln, erlaubt es Absatz 3 den Kantonen, ihren Verpflichtungen aus dem Gesetz in anderer Weise nachzukommen. So können sie sich als reine Dienstleistungsbezüger an eine existierende Plattform anschliessen.

Abs. 2 Kommt die Vereinbarung nicht zustande, muss der Bund eine eigene Plattform betreiben. Ein Anschluss an eine andere Plattform oder der Betrieb einer Plattform mit weniger als 18 Kantonen ist nicht möglich.

Art. 5

Zusätzliche Dienstleistungen

Die Hauptaufgabe der Körperschaft ist der Betrieb der zentralen Plattform. Hingegen hat sich gezeigt, dass es noch weitere Themenbereiche gibt, die eng damit zusammenhängen. Damit die Körperschaft nicht beliebige weitere Dienstleistungen und technische Mittel anbieten und so die Privatwirtschaft konkurrieren kann, müssen diese in Zusammenhang mit der Abwicklung der elektronischen Kommunikation stehen.

Um das zu verdeutlichen, enthält der Artikel eine nicht abschliessende, beispielhafte Aufzählung: ­

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass ein Bedürfnis besteht, Zugang zu weiteren sicheren elektronischen Dienstleistungen zu haben, insbesondere zur Durchführung von Telefon- und Videokonferenzen in Justizverfahren.

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­

In der Vernehmlassung wurde mehrfach der Wunsch geäussert, dass die Körperschaft einen Dienst zur Veröffentlichung von Entscheiden anbieten kann.

­

Der einfache und effiziente Umgang mit den elektronischen Akten ist von hoher Bedeutung für die Akzeptanz. Das Projekt Justitia 4.0 hat in diesem Bereich bereits ein grosses Knowhow erarbeitet, das dann in die Körperschaft überführt wird. Das Gemeinwesen und auch weitere an der elektronischen Kommunikation interessierte Personen sollen von diesem Knowhow profitieren können.

­

Der Ausgestaltung des zukünftigen Arbeitsplatzes kommt ebenfalls grosse Bedeutung zu. Denn dieser ermöglicht es, mit den elektronischen Akten einfach und effizient zu arbeiten. Das Projekt Justitia 4.0 hat hierfür bereits ein grosses Knowhow aufgebaut.

Art. 6

Leistungsbezug durch Nichtmitglieder

Mit dieser Bestimmung kann die Körperschaft ihre Leistungen auch Kantonen zur Verfügung stellen, die nicht Partei der Vereinbarung sind. Das umfasst sowohl die zentrale Plattform wie auch die zusätzlichen Dienstleistungen. Kantone, die nicht Partei der Vereinbarung sind, können bezogen auf diese Bestimmung reine Dienstleistungsbezüger werden, ohne selbst eine Plattform zur Verfügung stellen zu müssen.

Dafür ist von diesen Kantonen ein kostendeckendes Entgelt geschuldet (inkl. Investitionskosten).

Art. 7

Inhalt der Vereinbarung

Dieser Artikel regelt den Inhalt der Vereinbarung nach Artikel 3 Absatz 2 BEKJ. Zum notwendigen Inhalt gehören der Name, der Sitz der Körperschaft sowie die weiteren inhaltlichen Vorgaben nach diesem Gesetz.

Das BEKJ regelt nicht, welches Recht auf die Beziehungen innerhalb der Körperschaft anwendbar ist, beispielsweise die Regeln über die Einberufung und Durchführung der Versammlung, oder welches Gericht anzurufen und welches Verfahrensrecht bei der Anfechtung der Gültigkeit eines Beschlusses anzuwenden ist. Deswegen enthält dieser Artikel eine beispielhafte Aufzählung weiterer wichtiger Bereiche, die ebenfalls in der Vereinbarung geregelt werden können. Dies sind die Modalitäten für die Einberufung der Versammlung, das Stimmrecht und die Art und Weise der Beschlussfassung, die Streitbeilegung, die Kostenverteilung unter den Kantonen sowie die zusätzlich zur Plattform angebotenen Dienstleistungen. Weiter kann die Vereinbarung Bestimmungen darüber erhalten, wann sie in Kraft tritt und damit auch wann die Körperschaft die Rechtspersönlichkeit erlangt (vgl. Art. 3 Abs. 4 BEKJ).

Artikel 5 BEKJ bestimmt nur, welche weiteren Dienstleistungen die Körperschaft neben der Plattform anbieten darf. Hingegen wird dort nicht vorgeschrieben, dass die Körperschaft diese auch anbieten muss. Die weiteren Dienstleistungen oder ein Teil davon können in die Vereinbarung aufgenommen werden. Je nach Ausgestaltung der Vereinbarung kann dies aber zu einer Verpflichtung für die Körperschaft führen, bestimmte weitere Dienstleistungen anbieten zu müssen.

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Art. 8

Organe

Das Gesetz sieht vier Organe der Körperschaft vor. Als oberstes Organ ist die Versammlung vorgesehen. Diese besteht aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes und der Kantone (vgl. Art. 9 BEKJ). Der Vorstand ist das Führungsorgan (Art. 10 BEKJ). Die Geschäftsleitung vollzieht die Beschlüsse der übergeordneten Organe und erledigt das Tagesgeschäft (vgl. Art. 11 BEKJ). Ebenfalls benötigt die Körperschaft eine Revisionsstelle (vgl. Art. 12 BEKJ).

Art. 9

Versammlung

Die Versammlung ist das oberste Organ der Körperschaft. Sie besteht aus der Vorsteherin oder dem Vorsteher des EJPD, je zwei Vertreterinnen oder Vertretern jedes Mitgliedkantons sowie der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundesgerichts.

Der Entwurf enthält keine näheren Bestimmungen, aus welchem Bereich die Vertreterinnen und Vertreter der Kantone stammen müssen. Es obliegt den Kantonen zu bestimmen, wen sie an die Versammlung entsenden.

Nebst der Wahl ihrer Präsidentin oder ihres Präsidenten sowie der Stellvertretung, kommen der Versammlung noch weitere unübertragbare Befugnisse zu (vgl. Abs. 3).

Im Besonderen ist dabei die Änderung der Vereinbarung zu erwähnen. Dazu zählt auch der Beschluss über die Auflösung der Vereinbarung (vgl. Abs. 5).

Gemäss Absatz 6 wird die Zustimmung aller an der Vereinbarung beteiligten Parteien benötigt, damit die Vereinbarung geändert werden kann. Dieses Einstimmigkeitserfordernis gilt nur für Teile der Vereinbarung, die nicht ausschliesslich die zusätzlich angebotenen Dienstleistungen der Körperschaft betreffen.

Art. 10

Vorstand

Abs. 1 und 2 Der Vorstand ist das Führungsorgan und besteht aus mindestens fünf Personen, die nicht Mitglieder der Versammlung sein müssen. Auf Seiten des Bundes sind eine Vertreterin oder ein Vertreter des EJPD sowie des Bundesgerichts vorgesehen. Die Kantone sind mit mindestens drei Vertreterinnen oder Vertretern im Vorstand vertreten.

Eine Begrenzung der Anzahl der Mitglieder des Vorstands ist nicht vorgesehen.

Abs. 3 und 4 In Übereinstimmung mit Artikel 8j der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 199827 ist der Bundesrat für die Wahl der Bundesvertretung zuständig. Auch das Bundesgericht bestimmt seine Vertreterin oder seinen Vertreter selbst.

Da die Vertreterinnen oder Vertreter des EJPD und des Bundesgerichts nicht von der Versammlung gewählt werden, erhalten die Vorsteherin oder der Vorsteher des EJPD wie auch die Präsidentin oder der Präsident des Bundesgerichts bei der Wahl der kantonalen Mitglieder kein Stimmrecht (vgl. Art. 9 Abs. 4 BEKJ).

27

SR 172.010.1

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Abs. 5 Die Bundesverfassung misst den Landesgegenden und Sprachregionen grosses Gewicht bei. Dies soll auch bei der Wahl des Vorstands entsprechend berücksichtigt werden, da die Körperschaft mit der zentralen Plattform eine wichtige Funktion in der Justiz einnehmen wird.

Abs. 6 Dem Vorstand kommt die strategische Leitung der Körperschaft zu. Er kann in allen Angelegenheiten Beschluss fassen, die ihm nach Gesetz zugeteilt sind. Zu seinen Aufgaben gehören nebst der strategischen Leitung insbesondere die Festlegung der Organisation, die Ausgestaltung des Rechnungswesens sowie die Ernennung und die Abberufung der Geschäftsleitung.

Art. 11

Geschäftsleitung

Die Geschäftsleitung erledigt das Tagesgeschäft der Körperschaft. Insbesondere vollzieht sie die Beschlüsse der übergeordneten Organe und sie vertritt die Körperschaft nach aussen. Sie erledigt die Geschäfte, die keinem anderen Organ zugeordnet sind.

Art. 12

Revisionsstelle

Abs. 1 Der Umfang der Körperschaft und die damit verbundenen Tätigkeiten werden ein Ausmass annehmen, das zwingend Experten-Knowhow für die Revision erfordert.

Zur Frage, ob eine eingeschränkte oder eine ordentliche Revision vorgesehen werden soll, sollte bei der Wahl des Rechnungslegungsstandards und der Revisionsform der Aspekt der Verwaltungsökonomie nicht ausser Acht gelassen werden.

Bei einer eingeschränkten Revision werden insbesondere keine Prüfung des internen Kontrollsystems und keine Prüfungen zur Aufdeckung von deliktischen Handlungen und weiteren Gesetzesverstössen (mit Ausnahme der Bestimmungen zur Rechnungslegung) durchgeführt. Im Hinblick auf die Bedeutung der Körperschaft und deren Tätigkeit im Schnittstellenbereich zwischen Bund und Kantonen ist eine eingeschränkte Revision zu wenig aussagekräftig. Die dadurch entstehende Informationslücke kann auch nicht durch eine situativ eingesetzte Prüferin oder einen situativ eingesetzten Prüfer aufgeholt werden. Deswegen sieht der Entwurf die ordentliche Revision vor.

Abs. 3 Der Entwurf drückt eine Präferenz für eine Finanzkontrolle eines beteiligten Gemeinwesens als Revisionsstelle aus. Ein denkbarer Modus ist, dass sich die Finanzkontrollen der grösseren Kantone und des Bundes die Aufgabe im Turnus aufteilen. Sinnvoll wäre wohl eine Übernahme der Funktion für jeweils vier Jahre. Für den Fall, dass sich die Funktion so nicht besetzen lässt, ist auch die Wahl einer privaten Revisionsstelle möglich. Zuständig für die Abberufung der Revisionsstelle ist die Versammlung (vgl.

Art. 9 Abs. 3 Bst. a Ziff. 4 BEKJ).

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Art. 13

Beschlussfassung in der Versammlung und dem Vorstand

Abs. 1 Dieser Artikel regelt die Beschlussfassung in der Versammlung und dem Vorstand.

Insbesondere wird festgehalten, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend sein müssen, ansonsten kein Beschluss gefällt werden kann.

Abs. 2 Dem Grundsatz nach reicht für die Beschlussfassung das einfache Mehr. Die Vereinbarung kann aber davon abweichen (vgl. Art. 7 Abs. 2 Bst. c BEKJ).

Abs. 3 Für die Wahlen wird jeder Sitz einzeln besetzt. Eine Wahl in globo ist nicht möglich.

Ebenfalls gilt für die Wahl das einfache Mehr. Bei Stimmengleichheit wird eine Stichwahl durchgeführt.

Abs. 4 Das Gesetz sieht für die Beschlussfassung der Versammlung und des Vorstands keine persönliche Anwesenheit vor. Damit soll den Mitgliedern eine grössere Flexibilität ermöglicht werden. Die Versammlung und die Vorstandssitzungen können mittels Telefon- oder Videokonferenz oder schriftlich durchgeführt werden. Das schriftliche Verfahren ist nicht möglich, wenn ein Mitglied eine Beratung verlangt. Die Durchführung einer Telefon- oder Videokonferenz ist auch bei einer Beratung möglich. Gerade die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass sich solche Alternativen gegenüber einer Versammlung vor Ort durchaus bewähren.

Art. 14

Handelsregistereintrag

Dieser Artikel stellt klar, dass die Organisation im Handelsregister an ihrem Sitz einzutragen ist. Die Eintragung ist nur deklarativ und nicht konstitutiv (vgl. Art. 3 Abs. 4 BEKJ). Zudem muss das Handelsregister im Besitz einer aktuellen und vollständigen Version der Vereinbarung sein. Das heisst, dass bei der Anmeldung nach der Gründung die Vereinbarung beizulegen ist. Bei jeder Änderung der Vereinbarung ist eine neue, vollständige Fassung einzureichen. Im Übrigen richten sich die einzutragenden Information nach Artikel 107 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 200728.

Art. 15

Anwendbares Recht

Die vorliegenden Bestimmungen legen fest, welches Recht auf verschiedene Nebenfragen anwendbar ist, die der Betrieb einer gemeinsamen Organisation von Gemeinwesen mit sich bringt, namentlich betreffend:

28

a.

die Öffentlichkeit der Verwaltung, Datenschutz und Datensicherheit;

b.

öffentliche Beschaffungen;

SR 221.411

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c.

die Archivierung;

d.

den Rechtsweg.

Auf solche Rechtsfragen soll im Grundsatz integral Bundesrecht anwendbar sein. Damit wird, unabhängig vom jeweiligen Sitz der Körperschaft, immer dasselbe Recht angewendet. Welche Rechtsfragen als mit dem Betrieb der Körperschaft verbunden zu gelten haben und somit dem Bundesrecht unterstellt werden, lässt sich abstrakt nicht mit letzter Schärfe umschreiben. Als Rechtsfragen, die mit dem Betrieb der Körperschaft verbunden sind, gelten solche, die sich bei der alltäglichen Arbeit der öffentlich-rechtlichen Organisation stellen können, ohne dass sie den Kern der Kooperation zwischen Gemeinwesen oder die Abwicklung der Justizverfahren betreffen. Für Kooperationsfragen soll die Vereinbarung, die sich im Rahmen des vorliegenden Gesetzes bewegen muss, primär aus sich selbst ausgelegt werden. Für die Abwicklung der Justizverfahren gilt das anwendbare Verfahrensrecht.

Abs. 1 Bst. a Die Öffentlichkeit der Verwaltung, ein hoher Standard für den Datenschutz und die Gewährleistung der Datensicherheit sind essenzielle Bereiche, um Vertrauen in die Körperschaft und die Plattform zu bilden. Deswegen soll für diese Bereiche Bundesrecht anwendbar sein. Dabei ist zu beachten, dass bei den einzelnen übermittelten Dokumenten unterschiedliche datenschutzrechtliche Bestimmungen zur Anwendung gelangen können (vgl. nachfolgend die Ausführungen zu Art. 27 Abs. 3­5 BEKJ).

Abs. 1 Bst. b Die Körperschaft verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit und kann in eigenem Namen öffentliche Aufträge vergeben und Beschaffungen durchführen. Sie wendet dabei Bundesrecht an. Die dazu notwendigen Verfügungen werden von der Geschäftsführung erlassen (vgl. Abs. 4).

Abs. 1 Bst. c Da es sich bei der Körperschaft um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, die mit einer Verwaltungsaufgabe betraut wird, ist entsprechend das Archivierungsgesetz vom 26. Juni 199829 anwendbar (Art. 1 Abs. 1 Bst. h). Mit der expliziten Nennung der Archivierung wird gleichzeitig auch eine Kongruenz zur E-Government Strategie Schweiz 2020­2023 erreicht: Im Zusammenhang mit Digitalisierungsvorhaben wird nicht nur auf den Informations- und Datenschutz als rechtlichen Rahmen, sondern eben auch auf die entsprechende Archivierungsgesetzgebung verwiesen.30 Abs. 1 Bst. d und Abs. 4 Über Rechtsstreitigkeiten in den von diesem Artikel erfassten Bereichen
ist auf dem durch das Bundesrecht vorgezeichneten Weg zu entscheiden. Erstinstanzliche Verfügungen werden aber nicht von den nach Bundesrecht zuständigen Behörden, sondern von der Geschäftsleitung erlassen.

29 30

SR 152.1 Vgl. www.digitale-verwaltung-schweiz.ch > Publikationen > Alle Publikationen > 07/2020 E-Government-Strategie Schweiz 2020­2023, Kap. 1.6 und 3.5.

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Abs. 2 und 3 Die Anwendbarkeit des Obligationenrechts31 (mit Annexfragen wie berufliche Vorsorge) gilt nur so weit, wie die Körperschaft direkt Personal anstellt. Stellt hingegen ein Gemeinwesen Personal zur Verfügung, so findet Absatz 2 diesbezüglich keine Anwendung, weil diesfalls kein Personalverhältnis zwischen diesen Personen und der öffentlich-rechtlichen Körperschaft besteht. Vielmehr bleiben diese Personen bei ihrer Tätigkeit für die Körperschaft in ihren bestehenden personalrechtlichen Rechten und Pflichten gegenüber dem betreffenden Gemeinwesen.

Art. 16

Gewinn, Vermögen und Steuerbefreiung

Gemäss Artikel 62d des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199732 (RVOG) sind die Eidgenossenschaft sowie ihre Anstalten, Betriebe und unselbstständigen Stiftungen von jeder Besteuerung durch die Kantone und Gemeinden befreit. Für die Besteuerung durch den Bund gilt Folgendes: Sofern die Körperschaft eine Dienstleistungstätigkeit auf privatrechtlicher Basis und im Wettbewerb mit privaten Anbieterinnen und Anbietern erbringt, unterliegt sie der Mehrwertsteuerpflicht gemäss dem Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 200933. Der Gesetzgeber hat überdies darauf verzichtet, den Bund und seine Anstalten von der subjektiven Steuerpflicht der Verrechnungssteuer sowie den Stempelabgaben zu befreien, weshalb auch das Verrechnungssteuergesetz vom 13. Oktober 196534 sowie das Bundesgesetz vom 27. Juni 197335 über die Stempelabgaben vorbehalten bleiben. Die Körperschaft darf jedoch keinen Gewinn anstreben und Vermögen nur so weit aufbauen, wie es für die Finanzierung der Plattform und die Sicherstellung der Liquidität notwendig ist.

Art. 17

Austritt

Der Bund und die beigetretenen Kantone können aus der Vereinbarung auch austreten. Sie haben dabei eine Frist von 3 Jahren auf Ende eines Kalenderjahrs zu beachten.

Das Austreten bewirkt nicht die Auflösung der Körperschaft. Dies gilt auch, wenn der Bund austritt oder weniger als 18 Kantone verbleiben.

Art. 18

Adressverzeichnis

Abs. 1 Damit den auf der Plattform registrierten Gerichten, Behörden sowie weiteren Benutzerinnen und Benutzern Dokumente zugestellt oder Akteneinsicht gewährt werden kann, braucht es ein Adressverzeichnis. Das Adressverzeichnis ist auf jeder Plattform vorhanden und kann abgefragt werden.

31 32 33 34 35

SR 220 SR 172.010 SR 641.20 SR 642.21 SR 641.10

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Abs. 3 und 4 Die verfahrensleitenden Behörden, d. h. die Behörden und Gerichte, bei denen ein Verfahren anhängig ist, erhalten Einblick in das vollständige Adressverzeichnis. Sie müssen einerseits die korrekten Adressen von Benutzerinnen und Benutzern abrufen können, die dem Obligatorium unterstellt sind. Andererseits müssen die verfahrensleitenden Behörden auch prüfen können, ob Benutzerinnen und Benutzer, die nicht dem Obligatorium unterstellt sind, freiwillig mit diesen Behörden elektronisch kommunizieren wollen. Dies ist nur möglich, wenn die verfahrensleitenden Behörden Zugriff auf sämtliche Einträge im Verzeichnis haben. Die übrigen Benutzerinnen und Benutzer erhalten nur Einblick auf Einträge der Behörden.

Art. 19

Benutzeroberfläche und Schnittstellen

Abs. 1 Mit dieser Bestimmung wird gewährleistet, dass jede Plattform über gängige Technologien benutzbar ist. Teure bzw. kostenpflichtige Anwendungssoftware wird nicht vorausgesetzt. Es wurde hier eine technologieneutrale Formulierung gewählt, um mit künftigen Entwicklungen Schritt zu halten. Aktuell bedeutet dies, dass die Plattform über einen Webservice mittels eines Browsers erreichbar und benutzbar sein wird.

Abs. 2 Die zentrale Plattform stellt Schnittstellen zur Verfügung, damit Anwendungen direkt mit ihr kommunizieren können. Durch die Schnittstellen können die Anwendungen Dokumente automatisiert an die zentrale Plattform übermitteln und abrufen. Vor allem grössere Organisationen (z. B. Gerichte, Behörden, Anwaltskanzleien), welche täglich eine Vielzahl von Dokumenten übermitteln und abrufen, können von dieser Automatisierung profitieren. Bewusst wird im Entwurf von Schnittstellen im Plural gesprochen, wobei es allerdings auch nur eine einzige Schnittstelle geben kann. Mit der Verwendung des Plurals wird sichergestellt, dass die Körperschaft die Schnittstelle oder Schnittstellen so gestalten kann, wie es erforderlich ist.

Abs. 3 Das EJPD wird beauftragt, die Schnittstellen gemäss den Absätzen 1 und 2 zu regeln.

Dabei wird das EJPD die Anforderungen in enger Zusammenarbeit mit der Körperschaft ausarbeiten müssen.

Art. 20

Authentifizierung der Benutzerinnen und Benutzer

Abs. 1 Um eine der Plattformen benutzen zu können, müssen sich die Benutzerinnen und Benutzer gegenüber der Plattform authentifizieren. Dies geschieht mit einem elektronischen Identitätsnachweis. Ohne Authentifizierung können Dokumente weder abgerufen noch übermittelt werden.

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Abs. 2 Der Bundesrat bestimmt, welche elektronischen Identitätsnachweise für die Authentifizierung eingesetzt werden können. Als elektronischer Identitätsnachweis kommt einerseits das neue E-ID-Gesetz36 mit dem «Self Sovereign Identity»-Ansatz in Frage.

Andererseits kann der Bundesrat auch noch weitere elektronische Identitätsnachweise für die Authentifizierung anerkennen. Dadurch wird sichergestellt, dass auch Personen im Ausland die Möglichkeit haben, mit den Schweizerischen Gerichten elektronisch in Kontakt zu treten.

Dies ist insbesondere bedeutsam für EU/EFTA-Anwältinnen und -Anwälte. Aufgrund des Freizügigkeitsabkommen mit der EU37 und der EFTA-Konvention38 dürfen auch EU/EFTA-Anwältinnen und -Anwälte vor Schweizer Gerichten auftreten, wobei die beruflichen Qualifikationen anerkannt werden müssen, da es sich bei Anwältinnen und Anwälten um einen reglementierten Beruf handelt. Diese Anwältinnen und Anwälte unterstehen ebenfalls dem Obligatorium und dürfen zukünftig nur noch elektronisch mit Schweizer Gerichten und Behörden kommunizieren. Mit einer Anerkennung von elektronischen Identitätsnachweisen nach der eIDAS-Verordnung39 durch den Bundesrat können diese Anwältinnen und Anwälte mit den ihnen ausgestellten E-IDs die Plattformen nach dem BEKJ benutzen.

Art. 21

Ausnahmen zur Authentifizierung gegenüber der Plattform

Ausnahmsweise kann auf eine direkte Authentifizierung gegenüber einer Plattform verzichtet werden. Dies ist eine Erleichterung für Gerichte und Behörden und setzt eine Bewilligung der Trägerschaft der Plattform voraus; bei der zentralen Plattform ist dies die Körperschaft.

Als Voraussetzung muss die vom Gericht oder von der Behörde verwendete Anwendung über eine sichere Authentifizierung verfügen. Ebenfalls darf der Zugriff dann nur über die bewilligte Anwendung erfolgen. Mit dieser Voraussetzung wird sichergestellt, dass immer eine Authentifizierung der Benutzerin oder des Benutzers erfolgt und dass auch auf Seiten des Gerichts oder der Behörde nachvollzogen werden kann, wer wann was gemacht hat.

Die aktuellen Instrumente der Bundesverwaltung (IAM, eIAM, PAMS) können als mögliche Ausnahmen im Sinne dieses Artikels fungieren.

36 37 38 39

Vgl. www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EJPD.

SR 0.142.112.681 SR 0.632.31 Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73, in der aktuellen Fassung. Die Verordnung wurde in das EWRAbkommen aufgenommen durch den Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 22/2018 vom 9. Februar 2018 zur Änderung von Anhang XI (Elektronische Kommunikation, audiovisuelle Dienste und Informationsgesellschaft) des EWR-Abkommens, ABl. L 323 vom 12.12.2019, S. 45.

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Art. 22

Entgegennahme und Abruf von Dokumenten

Vorbemerkungen Die geltenden Prozessgesetze erfordern eine Unterschrift auf Verfügungen, Entscheiden, Urteilen und weiteren Mitteilungen der Gerichte und Behörden. Die Unterschrift bzw. die qualifizierte elektronische Signatur ist personenbezogen und kann nicht delegiert werden. Das Unterschriftserfordernis stellt bei der Digitalisierung oft ein Hindernis dar. Anstelle der Unterschrift sieht das Gesetz die Authentifizierung mit Hilfe eines anerkannten elektronischen Identitätsnachweises sowie dem Anbringen eines geregelten elektronischen Siegels vor.

Die Authentifizierung mit Hilfe eines anerkannten elektronischen Identitätsnachweises ist personenbezogen. Es kann nachvollzogen werden, welche Person eine Aktion auf der Plattform vorgenommen hat, also wer das Urteil oder die Verfügung an die Plattform zur Zustellung übermittelt hat.

Das geregelte elektronische Siegel ist organisationsbezogen. Somit können alle Personen einer Organisation das Siegel anbringen, wenn sie über die erforderlichen Rechte verfügen. Auch kann das Siegel in einem automatisierten Prozess angefügt werden, ohne dass die bearbeitenden Personen noch besondere Vorkehrungen treffen müssen. Auch erlaubt das Siegel zu überprüfen, ob das in Frage stehende Dokument tatsächlich von der angegebenen Absenderin stammt und ob es unverändert ist.

Das Zusammenspiel von Authentifikation mit Hilfe eines anerkannten elektronischen Identitätsnachweises und dem automatisierten Anbringen eines geregelten elektronischen Siegels bewirkt ein gleich hohes Schutzniveau wie das Anbringen einer qualifizierten elektronischen Signatur. Zudem bietet es ein höheres Schutzniveau als die eigenhändige Unterschrift. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift oder der qualifizierten elektronischen Signatur wird für die elektronische Kommunikation fallengelassen.

Abs. 1 Die primäre Aufgabe der Plattformen ist es, Dokumente von den Benutzerinnen und Benutzern entgegenzunehmen und diese den Adressatinnen und Adressaten zum Abruf zur Verfügung zu stellen. Ist eine Adressatin oder ein Adressat auf einer anderen Plattform registriert, übermittelt die von der Benutzerin oder dem Benutzer verwendete Plattform die Dokumente an die von der jeweiligen Adressatin oder vom jeweiligen Adressaten verwendeten Plattform.

Auch wenn es im Gesetzestext nicht spezifisch erwähnt
wird, muss aus datenschutzrechtlichen Gründen die sichere Zustellung der zu übermittelnden Dokumente gewährleistet sein. Dies kann beispielsweise bei der Übermittlung von einer Benutzerin oder einem Benutzer an die Plattform (und umgekehrt) sowie zwischen den Plattformen mittels eines verschlüsselten Kanals (End-to-End) erfolgen.

Abs. 2 und 3 Die übermittelten Dokumente werden mit einem geregelten elektronischen Siegel und einem qualifizierten Zeitstempel versehen. Damit wird gewährleistet, dass überprüft werden kann, ob ein übermitteltes Dokument unverändert ist, und dass ersichtlich wird, wann die Übermittlung an die Plattform erfolgte.

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Bei dem anzubringenden elektronischen Siegel wird unterschieden, ob die Dokumente von einer Behörde (Absatz 2) übermittelt werden oder von anderen Benutzerinnen oder Benutzern (Absatz 3).

Im ersten Fall bringt die Behörde selbst ein geregeltes elektronisches Siegel und einen qualifizierten Zeitstempel gemäss dem ZertES an. Dadurch ist es für die am Verfahren beteiligten Personen sowie Dritte möglich, zu prüfen, ob ein Urteil oder eine Verfügung tatsächlich von der angegebenen Behörde stammt.

Werden Dokumente von anderen Benutzerinnen und Benutzern an eine Plattform übermittelt, so bringt diese Plattform ein geregeltes elektronisches Siegel und einen qualifizierten Zeitstempel an. Dadurch können die Behörden darauf vertrauen, dass die Benutzerin oder der Benutzer ihre oder seine Identität gegenüber der Plattform nachgewiesen hat, und sie können überprüfen, ob das Dokument seit dem Hochladen unverändert geblieben ist.

Abs. 4 Damit der Nachweis erbracht werden kann, wann Dokumente übermittelt und wann sie abgerufen worden sind, stellt die Plattform Quittungen aus. Dies gilt bei der Übermittlung an eine Plattform, beim erstmaligen Abruf durch eine Adressatin oder einen Adressaten sowie wenn die Dokumente nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist nicht abgerufen worden sind. Die Quittungen werden jeweils der absendenden Person wie auch der Adressatin und dem Adressaten zugestellt.

Werden Dokumente an mehrere Adressatinnen oder Adressaten adressiert, so wird für jede einzelne Adressatin und jeden einzelnen Adressaten eine eigene erstmalige Abrufquittung oder Nichtabholquittung erstellt. Diese wird nur der absendenden Person sowie der betroffenen Adressatin oder dem betroffenen Adressaten in das Postfach auf der Plattform zugestellt bzw. auf der Plattform zum Herunterladen bereitgehalten.

Die Siebentagefrist beginnt an dem Tag zu laufen, der dem Tag der erfolgreichen Übermittlung an die Plattform folgt. Der Tag der erfolgreichen Übermittlung ist in der Eingangsquittung festgehalten. Die Frist endet um 24 Uhr am letzten Tag der Siebentagefrist.

Abs. 5 Die zuzustellenden Dokumente und Quittungen werden während mindestens 90 Tagen auf der Plattform zum Abruf bereitgestellt. Die Frist startet mit der Übermittlung an die Plattform. Ruft eine Adressatin oder ein Adressat die zur Zustellung übergebenen
Dokumente nicht innert der siebentägigen Abholfrist ab, kann sie oder er trotzdem weiterhin vom Inhalt Kenntnis nehmen. Die Bereitstellungsfrist soll nicht zu kurz sein. Eine Bereitstellungsfrist von mindestens 90 Tagen erscheint als Minimalfrist angemessen. Die Plattform kann die Dokumente auch für eine längere Zeit bereitstellen.

Abs. 6 Der Bundesrat regelt Form, Zustellung und Inhalt der Quittungen. Dabei wird unter anderem zu beachten sein, dass die Quittungen auch maschinenlesbar sind. Ruft eine Fachapplikation über die Schnittstelle die Quittungen ab, so kann die Fachapplikation im eigenen System vermerken, wann was zugestellt worden ist und wann allfällige Fristen beginnen bzw. enden. Dies führt zu einer Effizienzsteigerung und zudem kön31 / 82

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nen Fehler bei der manuellen Übertragung oder Verarbeitung dieser Daten vermieden werden. Zusätzlich regelt der Bundesrat die maximale Aufbewahrungsfrist der Dokumente und Quittungen.

Art. 23

Zusätzliche Benachrichtigung

Die Plattformen werden Möglichkeiten anbieten, dass Benutzerinnen und Benutzer über das Vorhandensein neuer Dokumente und Quittungen informiert werden. Dazu werden die Benutzerinnen und Benutzer weitere Adressierungselemente mitteilen müssen (z. B. E-Mail-Adresse, Mobiltelefonnummer für SMS oder Kontoangaben für Instant Messenger wie Threema, WhatsApp, Facebook Messenger etc.).

Da bei Mitteilungen über diese Kanäle nicht sichergestellt werden kann, ob die Mitteilungen bei den Benutzerinnen und Benutzern tatsächlich ankommen, erfolgen diese Mitteilungen ohne Gewähr. Die Benutzerinnen und Benutzer haben die Obliegenheit, regelmässig zu prüfen, ob neue Dokumente vorhanden sind, wie dies auch beim herkömmlichen Briefkasten der Fall ist. Tun sie dies nicht, riskieren sie, dass Dokumente als rechtsgültig zugestellt gelten, von denen sie noch keine faktische Kenntnis haben.

Art. 24

Berechtigungsdelegation und Gruppenverwaltung

Abs. 1 und 2 Wie bereits vorstehend zu Artikel 22 BEKJ ausgeführt, fällt das Unterschriftserfordernis bei der elektronischen Kommunikation weg. An die Stelle der Unterschrift tritt die Authentifizierung gegenüber einer Plattform sowie ein automatisiert an den Dokumenten angebrachtes, geregeltes elektronisches Siegel.

Mit dem Wegfallen des Unterschriftserfordernisses bei der elektronischen Kommunikation können auch andere Personen die jeweiligen Handlungen rechtsgültig vornehmen. Dies erlaubt eine Flexibilisierung in den Organisationen, da sie selbst festlegen können, wer berechtigt ist, Dokumente an die Plattform zu übermitteln und von dieser zu empfangen.

Diese organisatorische Freiheit soll auch auf der technischen Ebene abgebildet werden können. Die zentrale Plattform stellt eine Verwaltung von Berechtigungsdelegationen und die Bildung von Benutzergruppen zur Verfügung. Damit können anderen Benutzerinnen und Benutzer Berechtigungen für die Übermittlung oder den Abruf von Dokumenten eingeräumt werden. Durch die Bildung einer Benutzergruppe können diese Berechtigungen für alle Mitglieder der Benutzergruppe erteilt werden. Diese Funktionalität steht nicht nur Gerichten und Behörden, sondern auch Anwaltskanzleien, Treuhandbüros, Versicherungen wie auch einzelnen Personen zur Verfügung.

Für einzelne Benutzerinnen und Benutzer ist die Erteilung solcher Berechtigungen beispielsweise bei längerfristiger Abwesenheit interessant. Einzelne Benutzerinnen und Benutzer können auch mehreren Gruppen angehören.

Bei der Bildung von Gruppen und Erteilung von gruppenweiten Berechtigungen ist darauf zu achten, dass das «Need-to-know»-Prinzip umgesetzt wird. Einzelne Benutzerinnen und Benutzer sollten nur jene Gruppenberechtigungen erhalten, die sie für ihre Tätigkeiten effektiv benötigen.

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Abs. 3 Vor allem in grösseren Organisationen kann es nicht immer erwünscht sein, dass eine Delegation für alle Gruppenmitglieder gilt. Deswegen haben die einzelnen Benutzerinnen und Benutzer die Möglichkeit, eine Gruppenberechtigung abzulehnen, sei es, dass ihnen die Berechtigung erteilt wird, sei es, dass durch die Gruppenberechtigung anderen Benutzerinnen und Benutzer Abruf- oder Übermittlungsrechte eingeräumt werden.

Abs. 4 Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass die internen Abläufe von Gerichten, Behörden und Anwaltskanzleien den anderen Verfahrensbeteiligten nicht zur Kenntnis gebracht werden. Auf den übermittelten Dokumenten und Siegeln ist nicht die Person ersichtlich, die aufgrund einer Delegationsberechtigung die Übermittlung getätigt oder Dokumente erstmalig abgerufen hat, sondern es ist die Person ersichtlich, in deren Namen diese Handlungen vorgenommen werden.

Art. 25

Betriebsbewilligung

Da das BEKJ die Möglichkeit mehrerer Plattformen vorsieht, muss sichergestellt werden, dass die einzelnen Plattformen interoperabel sind und den gleichen Funktionsumfang aufweisen. Aus diesem Grund ist für den Betrieb einer Plattform eine Bewilligung notwendig. Diese wird erteilt, wenn eine Plattform die Funktionen nach den Artikeln 18­24 BEKJ aufweist und interoperabel mit den anderen Plattformen ist. Die Trägerschaft einer Plattform kommt für die mit dem Bewilligungsverfahren in Zusammenhang stehenden Kosten auf.

Art. 26

Nichterreichbarkeit einer Plattform

Abs. 1 und 2 Ist die von einer Benutzerin oder einem Benutzer verwendete Plattform am Tag des Fristablaufs nicht erreichbar, werden laufende Fristen, gesetzliche wie von einer Behörde festgelegte, verlängert und zwar bis zu dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Plattform wieder erreichbar ist. Fällt dieser auf ein Wochenende oder einen anerkannten Feiertag, dann verlängert sich die Frist bis zum nächsten Werktag.

Abs. 3 Die Nichterreichbarkeit muss nicht unbedingt mit einer Störung an der betroffenen Plattform selbst zusammenhängen. Da es sich beim Internet um ein Netzwerk handelt, kann eine Störung an einem beliebigen Punkt im Netzwerk auftreten. In diesem Fall können einzelne Benutzerinnen und Benutzer nicht mehr auf ihre Plattform zugreifen, für andere Benutzerinnen und Benutzer bleibt diese Plattform weiterhin erreichbar.

Aus Sicht der betroffenen Plattform wird in diesem Fall jedoch keine Störung verzeichnet.

Für den Fall, dass eine Plattform bei Fristablauf nicht erreichbar ist, wird kein strikter Beweis verlangt, sondern lediglich ein Glaubhaftmachen. Dies erfolgt in Anlehnung an die Regelungen in den bisherigen Prozessgesetzen, welche bei unverschuldetem 33 / 82

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Versäumnis ebenfalls nur ein Glaubhaftmachen vorsehen, um die Frist wiederherzustellen.

Abs. 4 Die Absätze 1 und 2 räumen bei Nichterreichbarkeit der Plattform eine Fristverlängerung ein. Allerdings kann es vorkommen, dass aufgrund von terminlichen Konflikten auch diese Frist zur elektronischen Einreichung nicht eingehalten werden könnte.

Deswegen wird zusätzlich zu der in den Absätzen 1 und 2 gewährten Fristverlängerung auch das Obligatorium für die betroffenen Benutzerinnen und Benutzer während der Nichterreichbarkeit aufgehoben. Eingaben können während dieser Zeit auf andere Weise getätigt werden, die im Rahmen des jeweils anwendbaren Verfahrensgesetzes vorgesehen sind.

Art. 27

Datenschutz

Abs. 1 Da die Plattformen in einem sehr sensitiven Bereich eingesetzt werden, muss dafür gesorgt sein, dass der Datenschutz angemessen gewährleistet wird. Deswegen wird für den Betrieb der Plattformen vorgeschrieben, dass die jeweiligen Server physisch in der Schweiz sind und dass nur Schweizer Recht auf diese Plattformen anwendbar ist. Drittpersonen, die beigezogen werden und Zugang zu den Daten erhalten, müssen ebenfalls Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz haben und dem schweizerischen Recht unterstehen.

Abs. 2 Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a BEKJ sieht vor, dass bezüglich Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit bei der Körperschaft Bundesrecht anwendbar ist, mithin das Datenschutzgesetz vom 25. September 202040 (nDSG). Gemäss Artikel 2 Absatz 4 RVOG können Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht zur Bundesverwaltung gehören, mit Verwaltungsaufgaben betraut werden. Als Bundesorgane gelten gemäss der Legaldefinition von Artikel 5 Buchstabe i nDSG Behörden oder Dienststellen des Bundes oder Personen, die mit öffentlichen Aufgaben des Bundes betraut sind. Die Körperschaft ist mit einer Verwaltungsaufgabe betraut; sie muss für die Durchführung des elektronischen Rechtsverkehrs eine Plattform schaffen. Die Körperschaft gilt somit als Organ des Bundes im Hinblick auf den Datenschutz.

Soweit die Körperschaft Personendaten bearbeitet, muss eine gesetzliche Grundlage bestehen (Art. 34 Abs. 1 nDSG). Der Begriff des Bearbeitens ist im DSG weit gefasst.

Das Entgegennehmen und Weiterleiten von Dokumenten stellt bereits eine Bearbeitung im Sinne des DSG dar. Dabei wird die Plattform regelmässig besonders schützenswerte Personendaten und Persönlichkeitsprofile bearbeiten. Aufgrund der Vielfältigkeit der verschiedenen Verfahren, die dem Dokumentenaustausch über die Plattform zugrunde liegen, wird auf eine Aufzählung der Kategorien der bearbeiteten

40

SR 235.1; AS 2022 491

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Personendaten verzichtet. Die Plattform wird sämtliche Kategorien von Personendaten bearbeiten.

Mit diesem Absatz wird die gesetzliche Grundlage für die Datenbearbeitung durch die Körperschaft geschaffen. Gleichzeitig wird der Grundsatz der Datensparsamkeit statuiert, indem die Körperschaft die Personendaten nur so weit bearbeiten darf, wie es für die Funktionen der Plattform notwendig ist. Aufgrund des Legalitätsprinzips darf sie die Daten nicht zu anderen Zwecken bearbeiten.

Die Körperschaft wird personenbezogene Daten bearbeiten müssen, die in Zusammenhang mit der Datensicherheit stehen, wie beispielsweise Login-Daten, IPAdressen, Berechtigungen. Zu den notwendigen Aufgaben der Plattform gehört auch, dass Dokumente auf Schadsoftware geprüft werden müssen, zum Schutz der Plattform wie auch zum Schutz der Adressatinnen und Adressaten. Weitergehende Analysen der übermittelten Dokumente (Auswertung von Dateinamen, Metadaten und Dateiinhalten) fallen nicht mehr in den erforderlichen Aufgabenbereich und dürfen nicht erfolgen.

Wird hingegen eine Plattform von einem Kanton betrieben, so muss dieser selbst Regelungen bezüglich der Bearbeitung von Personendaten im kantonalen Recht vorsehen.

Abs. 3 Das Datenschutzgesetz ist auf hängige Verfahren, mit Ausnahme der erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren, nicht anwendbar (Art. 2 Abs. 3 nDSG), weswegen die Verfahrensgesetze bereits Regelungen in Bezug auf den Datenschutz enthalten. Der Entwurf ändert daran nichts. Darum bleiben die Bestimmungen des anwendbaren Verfahrensrechts zum Datenschutz vorbehalten. Die Regelungen zum Datenschutz im Entwurf beziehen sich deshalb nur auf die Plattform selbst, nicht jedoch auf den Inhalt der Dokumente in den Verfahren.

Abs. 4 und 5 Bei abgeschlossenen Verfahren richtet sich der Datenschutz nach dem Recht der Behörde, die zuletzt mit dem Verfahren betraut war (Abs. 4). In den übrigen Fällen ist die Datenschutzgesetzgebung derjenigen Behörde massgebend, die damit befasst ist (Abs. 5).

Abs. 6 Es gibt verschiedenste Bereiche, in welchen die Kantone Aufsichtstätigkeiten ausüben, in welchen das Datenschutzgesetz des Bundes anwendbar ist. Dies führt zu Unklarheiten an verschiedenen Stellen in Bezug auf die Kompetenzaufteilung. Da es nebst der zentralen Plattform auch eigene Plattformen der Kantone geben kann, ist es sinnvoll,
solche Unklarheiten von Anfang an zu beseitigen. Der Entwurf siedelt deswegen die datenschutzrechtliche Aufsicht über alle Plattformen beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten an. Dies liegt auch im Interesse der Benutzerinnen und Benutzer, da dadurch auf allen Plattformen das gleich hohe Datensicherheitsniveau gewährleistet ist.

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Art. 28

Datensicherheit

Abs. 1 und 2 Auf den Plattformen werden sehr sensible Daten zwischen Gerichten, Behörden und anderen Personen ausgetauscht. Dies erfordert ein hohes Mass an Sicherheit. Dafür erstellen die Körperschaft und die Kantone, die eine eigene Plattform betreiben, ein Bearbeitungsreglement, das darlegt, welche organisatorischen und technischen Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten der Daten getroffen werden. Sie müssen zudem eine Aufsicht bezeichnen, deren Aufgabe es ist, die Datensicherheit der Plattform regelmässig zu prüfen.

Abs. 3 Der Bundesrat regelt für alle Plattformen nach dem BEKJ die Anforderungen an die Datensicherheit. Dabei wird er sicherstellen müssen, dass auf den Plattformen der Körperschaft und der Kantone ein hohes Datensicherheitsniveau und die allgemeinen Schutzziele (Vertraulichkeit, Integrität, Authentizität und Nachvollziehbarkeit) jederzeit gewährleistet sind. Als Grundlage können beispielsweise die Sicherheitsvorgaben des Informationssicherheits- und Datenschutzkonzepts (ISDS-Konzept) des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit dienen.

Art. 29

Digitalisierung von physischen Dokumenten

Dem Grundsatz nach sind alle physisch eingereichten Dokumente zu digitalisieren und mit einem qualifizierten Zeitstempel zu versehen. Ausnahmen bestehen nur, wenn sich die physisch eingereichten Dokumente aus technischen Gründen nicht dafür eignen.

Die Digitalisierung der physischen Dokumente ist in diesem Gesetz an sich ein Fremdkörper, weil das Gesetz die Plattform, deren Trägerschaft sowie die Zustellung und den Empfang zum Inhalt hat. Jedoch kommt der Digitalisierung der weiterhin auf Papier eingehenden Dokumente eine hohe Bedeutung zu, da die Akten nur noch elektronisch geführt werden. Ein einheitlich geregeltes Digitalisierungsverfahren dient der Rechtssicherheit über mehrere (gerichtliche) Instanzen hinweg. Bezogen auf die Digitalisierung der physischen Dokumente wird der Bundesrat insbesondere die Anforderungen an die Qualitätssicherung des Digitalisierungsverfahrens (fehlende Seiten, mangelnde Lesbarkeit) zu regeln haben.

Art. 30

Rücksendung von physischen Dokumenten

Dieser Artikel regelt, wie mit den physisch eingereichten Dokumenten zu verfahren ist. Grundsätzlich werden sie nach der Digitalisierung (vgl. Art. 29 BEKJ) zurückgesendet. Eine Ausnahme bildet jedoch Absatz 2. Sollten die Dokumente im Verfahren weiterhin benötigt werden, wird die Rücksendung aufgeschoben. Dies ist dann der Fall, wenn es auf die Beschaffenheit des physischen Dokuments ankommt, z. B. bei der Prüfung der Echtheit einer Unterschrift oder eine Urkunde. Diese Dokumente können zwar digitalisiert werden, aber für die Überprüfung der Echtheit der Urkunde oder Unterschrift gehen Informationen verloren (z. B. Beschaffenheit des Papiers, Drucktiefe der Unterschrift). In diesen Fällen erfolgt keine sofortige Rücksendung.

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Art. 31

Haftung

Das Gesetz sieht vor, dass das Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 195841 (VG) zur Anwendung kommt, wenn einer Person durch den Betrieb der zentralen Plattform widerrechtlich ein Schaden entsteht.

Da sowohl der Bund wie auch die Kantone an der Körperschaft beteiligt sind, muss klar geregelt werden, welche Haftungsnormen für die Körperschaft anwendbar sind.

Das VG hat gegenüber den kantonalen Verantwortlichkeitsgesetzen den Vorteil, dass keinem Kanton eine Sonderstellung zukommt und die Haftungsregeln, unabhängig vom Sitz der Körperschaft, stets gleich sind. Allerdings kommt die Ausfallhaftung des Bundes nicht zum Tragen, sondern es wird auf die Kostenverteilung gemäss Artikel 33 BEKJ verwiesen.

Art. 32

Gebühren

Ziel des BEKJ ist es, die elektronische Kommunikation in der Justiz zu fördern. Je mehr Verfahrensbeteiligte die Plattform nutzen, um so grösser wird der Nutzen für alle Beteiligten (Netzwerkeffekt). Gerichte, Behörden und professionelle Benutzerinnen und Benutzer werden dem Obligatorium unterstellt und sind zur Benutzung der Plattform verpflichtet. Den nicht-professionellen Benutzerinnen und Benutzern steht es frei, ob sie elektronisch mit den Gerichten und Behörden kommunizieren wollen.

Die Erhebung von direkten einzelfallbezogenen Gebühren für die Benutzung der Plattform führt dazu, dass weniger Benutzerinnen und Benutzer die Plattform freiwillig nutzen werden. Deswegen sieht das Gesetz vor, dass die Körperschaft die Gebühren für die Benutzung der Plattform von den Behörden erhebt. Die Gerichte und Behörden ihrerseits können die Gebühren für die Plattform im Rahmen ihrer eigenen Gebührenverordnung für Verfahren wiederum den Parteien auferlegen.

Bei der Festlegung der Gebühr wird der Bundesrat darauf zu achten haben, dass diese ausreichend hoch sind, um Kosten von Betrieb und Weiterentwicklung zu finanzieren.

Gestützt auf Artikel 46a RVOG beachtet er zudem sowohl das Kostendeckungs- als auch das Äquivalenzprinzip. Ebenfalls wird dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben, Pauschalen vorzusehen. Als Bemessungsgrundlage kann die Zusammenstellung der Anzahl der abgeschlossenen Verfahren dienen, zumal das Bundesgericht diese für die Commission européenne pour l'efficacité de la justice des Europarats erstellt. Damit wird die Nutzung der Plattform durch das jeweilige Gemeinwesen aufgezeigt. Die Pauschalen könnten nicht von jeder Behörde einzeln, sondern zusammengefasst jeweils von den Kantonen oder Gerichtsorganisationen erhoben werden.

Die Zahl der erledigten Verfahren hat das Bundesgericht für das Jahr 2020 wie folgt ermittelt: Anzahl erledigte Verfahren

Kantone

Bund

Total

1. Instanz: Zivilverfahren

201 732

17

201 749

1. Instanz: Strafverfahren

38 772

939

39 711

1. Instanz: Verwaltungsgerichtsverfahren 41

8 089

8 089

SR 170.32

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Anzahl erledigte Verfahren

2. Instanz: Zivilverfahren 2. Instanz: Strafverfahren

Kantone

Bund

Total

14 818

14 818

9 604

54

9 658

16 939

6 499

23 438

3. Instanz (BGer): Zivilverfahren

1 805

1 805

3. Instanz (BGer): Strafverfahren

2 044

2 044

3. Instanz (BGer): Verwaltungsgerichtsverfahren

4 008

4 008

289 408 15 366

304 744

2. Instanz: Verwaltungsgerichtsverfahren

Total Anteil

95 %

5%

100 %

Die Kosten für den laufenden Betrieb und die Weiterentwicklung wird von der Projektorganisation Justitia 4.0 mit 7,4 Millionen Franken pro Jahr angegeben. Zählt man zu diesen abgeschlossenen Fällen noch die Zahl der abgeschlossenen Strafverfahren vor der Bundesanwaltschaft und kantonalen Staatsanwaltschaften hinzu (2020: 457 480), entspricht dies mehr als 762 000 Fällen. Wird pro abgeschlossenem Verfahren eine Pauschalgebühr von ca. 10 Franken erhoben, ist dadurch der Betrieb (6,67 Mio.) und die Weiterentwicklung (0,73 Mio.) bereits finanziert. Anzumerken ist, dass in einem Verfahren typischerweise mehrfach eingeschriebene Postsendungen versendet werden. In Zivil- und Verwaltungsgerichtsverfahren sind zumeist zwei oder mehr Parteien am Verfahren beteiligt. Können durch die Übermittlung via Plattform bereits zwei eingeschriebene Postsendungen vermieden werden, fällt die Pauschalgebühr günstiger aus als die Portokosten.

Art. 33

Aufteilung Kosten zwischen Bund und Kantonen

Die Arbeiten zum Aufbau der Plattform wurden bereits vom Projekt Justitia 4.0 aufgenommen. Für die Projektfinanzierung haben sich die KKJPD und die Gerichte (Bundesgericht sowie 17 kantonale Obergerichte und Justizleitungen42) geeinigt, dass die KKJPD 50 Prozent der Projektkosten und die Gerichte die anderen 50 Prozent tragen. Innerhalb der Gerichte hat sich das Bundesgericht verpflichtet die Hälfte zu übernehmen. Der Anteil des Bundesgerichts und somit des Bundes an den Gesamtkosten des Projekts beträgt damit 25 Prozent. Die restlichen 75 Prozent müssen die Kantone unter sich aufteilen.

Art. 34

Übertragung der Plattform an die Körperschaft

Die im Projekt Justitia 4.0 von den Kantonen und Gerichten aufgebaute zentrale Plattform muss mit allen Rechten vollständig ins Eigentum der Körperschaft übertragen

42

Vgl. www.bger.ch/files/live/sites/bger/files/pdf/Justitia_4.0/Zusammenarbeitsvertrag_Uebersicht_2019_Juni_d.pdf; aktualisierte Zahlen vom Projekt Justitia 4.0 vom 24.02.2020.

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werden können. Damit Bund und Kantone dies unentgeltlich tun können, benötigen sie eine Subventionsgrundlage.

Art. 35

Vollzug

Neben Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsebene wird die Regelung von organisatorischen und technischen Details nötig sein.

Art. 36

Änderung anderer Erlasse

Im Anhang zum BEKJ wird die Änderung anderer Erlasse vorgeschlagen, um das eigentliche Obligatorium sowie weitere Verfahrensanpassungen betreffend die elektronische Kommunikation in den jeweiligen Prozessgesetzen zu verankern.

Art. 37

Referendum und Inkrafttreten

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. Der Bundesrat wird das Datum des Inkrafttretens bestimmen. Dabei wird er zu beachten haben, dass zuerst dieses Gesetz in Kraft gesetzt werden muss, damit der Bund und die Kantone die Vereinbarung abschliessen können. Ebenfalls muss auch die Plattform einsatzbereit sein, bevor der Bundesrat die Änderungen der jeweiligen Prozessgesetze in Kraft setzt. Darüber hinaus hat der Bundesrat die Möglichkeit, die einzelnen Prozessgesetze auch gestaffelt in Kraft zu setzen.

Davon abgesehen ist eine zweijährige Übergangsfrist zwischen Inkrafttreten des BEKJ und dem Obligatorium für die elektronische Kommunikation zwischen den professionellen Verfahrensbeteiligten vorgesehen. Die freiwillige elektronische Kommunikation kann bereits vor Inkraftsetzung des Obligatoriums erfolgen.

5.2

Änderung anderer Bundesgesetze

Das BEKJ enthält praktisch nur Regelungen in Bezug auf Organisation und Funktionalität der Plattform für die elektronische Kommunikation mit Gerichten und Behörden. Das eigentliche Obligatorium wie auch die elektronische Aktenführung werden durch die Änderungen der jeweiligen Prozessgesetze umgesetzt. Bei den vorgeschlagenen Anpassungen der Prozessgesetze wurde darauf geachtet, dass die Änderungen möglichst einheitlich erfolgen. Gleichzeitig werden die jeweiligen Eigenheiten der Verfahrensgesetze berücksichtigt.

Daher wird in den meisten der nachfolgenden Verfahrensgesetze ein fast identischer Block mit den Kernvorschriften für den elektronischen Rechtsverkehr eingefügt. Weitere Anpassungen in den Prozessgesetzen betreffen insbesondere die Unterschriftserfordernisse sowie das medienbruchfreie Arbeiten.

Die grosse Ausnahme betrifft das VwVG. Einerseits enthält das VwVG Vorschriften betreffend Verfahren in Verwaltungssachen, die durch Verfügungen von Bundesverwaltungsbehörden in erster Instanz erledigt werden. Andererseits enthält es Verfahrensvorschriften zum Beschwerdeverfahren (Dritter Abschnitt: Das Beschwerdeverfahren im Allgemeinen). Das BEKJ hat Justizverfahren zum Gegenstand: im Bereich 39 / 82

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des VwVG demnach die Beschwerdeverfahren nach dem dritten Abschnitt. Dennoch werden bereits die Weichen gestellt, um Anforderungen an eine eigene elektronische Plattform im erstinstanzlichen Verfahren festzulegen. Der zentrale Block, der in den übrigen Prozessgesetzen vorhanden ist, muss deswegen im VwVG auseinandergenommen werden.

Damit die Verweise auf die vorgeschlagenen Änderungen anderer Bundesgesetze besser unterschieden werden können, werden diese in der Folge als «E-Gesetz», z. B.

«E-VwVG», «E-ZPO» oder «E-StPO», bezeichnet.

5.2.1

Ausländer- und Integrationsgesetz vom 16. Dezember 200543

Im Rahmen der Übernahme von zwei EU-Verordnungen, die die Verordnung (EU) 2018/214044 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungsverfahrens (ETIAS; nachfolgend: ETIAS-V) ändert, hat der Bundesrat dem Parlament am 18. Mai 202245 eine Botschaft übergeben. Dabei werden verschiedene Verfahrensbestimmungen zur Erteilung, Verweigerung, Annullierung und zum Widerruf der ETIAS-Reisegenehmigung sowie für das ETIAS-Beschwerdeverfahren geschaffen. Ferner hat der Bundesrat die Möglichkeit, vom VwVG abweichende Ausführungsbestimmungen zur Umsetzung der ETIAS-Verordnung sowie der Durchführungsrechtsakte und delegierten Rechtsakte der Europäischen Kommission zu erlassen. Für das ETIAS-Beschwerdeverfahren sollen zudem vom Bundesverwaltungsgericht eine Übermittlungsplattform (BVGer) zur Verfügung gestellt werden und im Ausländer- und Integrationsgesetz vom 16. Dezember 2005 (AIG) sollen Bestimmungen eingeführt werden, die in spezifischen Punkten vom VwVG und vom Verwaltungsgerichtsgesetz abweichen (Art. 108dbis­108dquinquies E-AIG).

Mit der vorliegenden Änderung des AIG werden diese Bestimmungen erneut angepasst. Die Anforderungen zur Personenidentifikation im BEKJ an die Übermittlungsplattformen sind höher als bei der ETIAS-Übermittlungsplattform, da die Ausgangslage eine andere ist. Die betroffenen Personen befinden sich in der Regel während des Verfahrens im Ausland. Zudem ist das ETIAS-Verfahren selbst in der ETIAS-V geregelt. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass die ETIAS-Übermittlungsplattform parallel zu den anderen Plattformen nach dem BEKJ weiterbestehen kann.

43 44

45

SR 142.20; BBl 2020 7911 und BBl 2022 1450 Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. September 2018 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1077/2011, (EU) Nr. 515/2014, (EU) 2016/399, (EU) 2016/1624 und (EU) 2017/2226, ABI. L 236 vom 19.9.2018, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2021/1152, ABl. L 249 vom 14.7.2021, S. 1.

Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1150 und (EU)2021/1152 zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für die Zwecke des Europäischen Reiseinformations- und -Genehmigungssystems (ETIAS) (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes; BBl 2022 1449.

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Daher ist festzuhalten, dass das BEKJ und die sich daraus ergebenden neuen Vorgaben des VwVG auf die im AIG speziell vorgesehenen Bestimmungen zum ETIASVerfahren keine Anwendung finden.

Art. 108d Abs. 5­746 Artikel 108d AIG legt das Verfahren für den Erlass von Verfügungen und für Beschwerden im Gesetz fest, wenn die Gesuche um eine Reisegenehmigung durch die nationale ETIAS-Stelle manuell geprüft werden. Das VwVG findet Anwendung auf das Verfahren in Verwaltungsangelegenheiten, die durch Verfügungen von Bundesverwaltungsbehörden in erster Instanz oder auf Beschwerde zu erledigen sind (Art. 1 VwVG). Dieser Grundsatz wird in Absatz 5 wiederholt.

Der neue Absatz 6 sieht vor, dass das BEKJ sowie die Artikel 6a, 6b, 11b Absatz 1, 20 Absatz 2ter, 22a, 24 und 26 Absatz 1bis VwVG nicht auf die Verfahren nach Absatz 5 anwendbar sind, da die Bearbeitung der ETIAS-Reisegenehmigung und die damit verbundene Übermittlung von Verfahrensdokumenten zentral über das ETIAS und nicht über eine nationale Plattform erfolgt und die entsprechenden Rechtsgrundlagen durch die ETIAS-V bereits vorgegeben sind.

Absatz 7 entspricht inhaltlich dem heutigen Absatz 5, der festhält, dass der Bundesrat abweichende und ergänzende Bestimmungen erlassen kann über die elektronischen Eingaben und die Zustellung (Bst. a), die Anhörung (Bst. b) sowie die Zulässigkeit von Eingaben auf Englisch (Bst. c).

Art. 108dquater 47 Das BVGer stellt für das elektronische ETIAS-Beschwerdeverfahren eine elektronische Übermittlungsplattform zur Verfügung. Sie soll eine sichere elektronische Kommunikation und Zustellung von Beschwerden, weiteren Eingaben und Unterlagen, standardisierten Mitteilungen sowie Akten, verfahrensleitenden Anordnungen und Urteilen zwischen dem Gericht, der beschwerdeführenden Partei und der Vorinstanz ermöglichen. Dieser Absatz entspricht dem geltenden Artikel 108dquater.

Neu wird ein Absatz 2 eingefügt, der festhält, dass für die Nutzung der ETIAS-Übermittlungsplattform bei der Übermittlung von Eingaben das BEKJ sowie die Artikel 6a und 47a VwVG nicht anwendbar sind, da die ETIAS-Übermittlungsplattform den Vorgaben des BEKJ und den neuen Vorgaben des VwVG nicht entspricht. Beide Plattformarten sollen parallel bestehen können.

Art. 108dquinquies Abs. 748 Der neue Absatz 7 sieht vor, dass der Bundesrat abweichende Bestimmungen
über die elektronischen Eingaben und die Zustellung (Bst. a) sowie die Akteneinsicht über eine Plattform für die elektronische Übermittlung von Dokumenten (Bst. b) erlassen kann.

46 47 48

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5.2.2

Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196849

Art. 6a Abs. 1­3 Das Projekt Justitia 4.0 ist ein Projekt der Straf- und Justizbehörden (insbesondere KKJPD, Bundesgericht und kantonale Obergerichte). Das BEKJ soll die rechtlichen Grundlagen für dieses Projekt schaffen. Gleichzeitig soll auch die digitale Transformation in der Bundesverwaltung und in den Verwaltungsverfahren weiter vorangetrieben werden. Bei den Verwaltungsverfahren muss unterschieden werden, ob es sich um ein Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht (Art. 47 Abs. 1 Bst. b VwVG) oder um ein anderes Verfahren nach dem VwVG handelt.

Ein Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht stellt ein Justizverfahren dar, für welches die zentrale Plattform vorgesehen ist. In den übrigen Fällen soll nicht die zentrale Plattform für die elektronische Abwicklung benutzt werden, sondern eine bundeseigene Plattform.

Deswegen sieht der neue Artikel 6a vor, dass die Bestimmungen des BEKJ für Verfahren nach dem VwVG nur teilweise für anwendbar erklärt werden. In Bezug auf die Trägerschaft der Plattformen wird eine Einschränkung gemacht. So wird nicht die Körperschaft, sondern eine vom Bundesrat zu bestimmende Verwaltungseinheit der zentralen Bundesverwaltung eine Plattform für die Verwaltungsverfahren nach dem VwVG zur Verfügung stellen müssen. Dabei ist auch der Weiterbetrieb von bestehenden anderen Systemen denkbar, soweit diese die Anforderungen von Absatz 4 erfüllen. Vorbehalten bleiben spezialgesetzliche Bestimmungen anderer Bundesgesetze (bspw. elektronische Verfahren gemäss Art. 75 ff. E-BAZG-Vollzugsaufgabengesetz50).

Mit diesem Vorgehen werden die plattformunabhängigen Bestimmungen in Bezug auf Zustellung, Empfang, Quittungen, Unterschriften, Authentifizierung etc. auch für das Verwaltungsverfahren übernommen. So können in Zukunft sämtliche Verwaltungsverfahren elektronisch abgewickelt werden.

Ebenfalls sind die nach dem VwVG geführten Verfahren von den Bestimmungen über die Digitalisierung und Rücksendung von physischen Dokumenten ausgenommen, da die GEVER-Verordnung vom 3. April 201951 in Artikel 5 bereits die Digitalisierung von physischen Dokumenten vorsieht. Dieser Bestimmung ist zudem zu eigen, dass die digitalisierten physischen Dokumente drei Monate nach dem Einlesen vernichtet werden (mit Ausnahmen). Diese Regelung hat sich in der Bundesverwaltung bewährt, weswegen sie weiterhin
beibehalten wird.

Abs. 4 Gemäss Absatz 3 wird das elektronische Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht über die BEKJ-Plattform geführt (Bst. a) und sonst über die neue bundeseigene 49 50 51

SR 172.021 BBl 2022 2725 SR 172.010.441

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Plattform (Bst. b). Bestehen jedoch spezialgesetzliche Bestimmungen, die beispielsweise einen Direktzugriff auf Fachanwendungen ermöglichen, dann gehen diese Absatz 3 vor (genereller Vorrang gemäss Art. 4 VwVG). Solche Spezialbestimmungen sind etwa denkbar im Massengeschäft der Bereiche Zoll und Steuern.

Daneben bietet Absatz 4 den Behörden zusätzlich die Möglichkeit, in ihrem Zuständigkeitsbereich andere Übermittlungsarten vorzusehen. Dabei sind aber drei Voraussetzungen zu beachten. Die Identifizierung der Partei oder von deren Vertreterin oder Vertreter ist notwendig, sodass sichergestellt wird, ob Eingaben tatsächlich von der Partei erfolgen. Zudem müssen die Zeitpunkte der Übermittlung und der Zustellung festgestellt werden können. Diese Zeitpunkte sind wichtig, da sie fristauslösende wie auch fristwahrende Funktionen haben. Zuletzt muss auch die Integrität der übermittelten Dokumente sichergestellt werden und unberechtigte Personen dürfen keine Kenntnis davon erhalten können.

Art. 6b Diese Bestimmung statuiert die Pflicht zur elektronischen Aktenführung. Dies hat zur Folge, dass physisch eingereichte Dokumente zu digitalisieren sind und die elektronische Akte als massgeblich gilt. Die Pflicht zur Digitalisierung der Dokumente gilt nur für Behörden, nicht aber für Private.

Je nach Verfahrensart kann es vorkommen, dass nicht von sämtlichen Beweismitteln adäquate elektronische Kopien angefertigt werden können. Dies kann beispielsweise für die Tatwaffe in einem Strafverfahren gelten. Ebenfalls kann es vorkommen, dass das digitalisierte Dokument nicht mehr über dieselbe Aussagekraft verfügt, wie das papierene Dokument, zum Beispiel, wenn es um eine Unterschriftenfälschung geht.

Das in Frage stehende Dokument kann zwar digitalisiert werden, aber Anhaltspunkte wie Druckstärke, Linienführung, Alter des Papiers oder der Tinte gehen dabei verloren. Für solche Fälle gilt eine Ausnahmeregelung.

Die Aktenweitergabe erfolgt ebenfalls elektronisch über die Plattform. Dies ist der Fall beim Instanzenwechsel (von einer Instanz an die nächsthöhere Instanz oder umgekehrt bei einem Rückweisungsentscheid), bei der Weiterleitung von einer unzuständigen an eine zuständige Behörde und auch bei der Amtshilfe. Bei der Amtshilfe innerhalb der Schweiz dürfte dies keine besonderen Probleme aufwerfen. Hingegen könnten
im internationalen Kontext zwingende Gründe gegen den Austausch über die Plattform sprechen. In dem Fall sind die Akten trotzdem elektronisch weiterzugeben; die Weitergabe kann jedoch über ein anderes Medium erfolgen (z. B. Versand einer CD/DVD oder eines USB-Sticks).

Art. 11b Abs. 1 Parteien im Ausland mussten bis anhin ein Zustelldomizil in der Schweiz bezeichnen.

Neu haben sie die Wahl, ob sie eine Adresse auf der jeweiligen schweizerischen Plattform angeben oder ein Zustelldomizil in der Schweiz bezeichnen wollen. Dabei muss es sich nicht um die eigene Adresse der Parteien handeln, sondern es kann auch die Adresse einer Drittperson sein.

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Abs. 2 Bereits heute können Parteien eine Adresse angeben und ihr Einverständnis für die elektronische Zustellung erklären. Die neue Formulierung passt die bestehende Regelung an und führt auch gleichzeitig den Anspruch auf elektronische Zustellung ein.

Art. 20 Absatz 2ter Mit diesem Artikel werden die postalischen Zustellungsmodalitäten ebenfalls für die elektronische Zustellung übernommen. Die Zustellung gilt beim erstmaligen Abruf auf einer Plattform als erfolgt. Wird die Mitteilung nicht abgeholt, so gilt sie am siebten Tag nach der Übermittlung an eine Plattform als zugestellt. Da Dokumente jederzeit übermittelt oder auch zur Zustellung abgerufen werden können, kann die siebentägige Abholfrist auch an einem Samstag, Sonntag oder öffentlichen Feiertag zu laufen beginnen. Anders als bei postalischen Einschreibesendungen können die zur Zustellung übermittelten Dokumente auch nach Ablauf der siebentätigen Frist abgerufen werden (vgl. Art. 22 Abs. 5 BEKJ).

Art. 21a Abs. 1 Der Wortlaut des bisherigen Artikels wird an die neuen Bestimmungen angepasst. Die Eingabefrist gilt als gewahrt, wenn die Plattform den Eingabezeitpunkt in der automatisch ausgestellten Eingangsquittung vor Fristende festhält.

Abs. 2 Bereits im bestehenden Recht legt der Bundesrat das Format der Dokumente fest. Dies wird weiterhin beibehalten.

Abs. 3 Bis anhin konnte eine Nachreichung von Dokumenten auf Papier nur verlangt werden, wenn es technische Probleme gab. Neu wird dies noch weiter eingeschränkt. Die Nachreichung von Dokumenten auf Papier soll nur zulässig sein, wenn es technische Probleme gibt und eine Bearbeitung innert nützlicher Frist nicht möglich ist (Bst. a).

Neu wird explizit geregelt, dass auch die Nachreichung auf Papier verlangt werden kann, wenn dies zur Überprüfung der Echtheit oder zur weiteren Verwendung nötig ist (Bst. b). Diese Regelung darf aber nicht dazu führen, dass die Behörden standardmässig die Nachreichung auf Papier verlangen.

Art. 26 Abs. 1 Einleitungssatz und 1bis Abs. 1 Einleitungssatz Die Akten im Verwaltungsverfahren werden elektronisch geführt und weitergegeben (vgl. Art. 6b E-VwVG). Deshalb erfolgt hier eine redaktionelle Änderung, die hervorhebt, dass die Akteneinsicht am Sitz einer Behörde weiterhin möglich ist. Die Einsicht erfolgt jedoch in der Art und Weise, wie die Verfahrensakten vorliegen. Soweit diese nur in elektronischer Form vorliegen, kann die Akteneinsicht bei der Behörde mittels 44 / 82

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eines Computers, einem Notebook, einem Tabletcomputer oder anderen Geräten erfolgen.

Abs. 1bis Der Anwaltschaft werden die Papierakten auf Verlangen üblicherweise zugesendet, während dies bei anderen Verfahrensparteien nicht der Fall ist. Da die Akten zukünftig elektronisch geführt werden, können sie auch den übrigen Verfahrensparteien elektronisch über die Plattform zur Verfügung gestellt werden. Im Unterschied zur Papierakte lassen sich elektronische Akten beliebig vervielfältigen, ohne dass dies zu einem Zeit- oder Qualitätsverlust führt. Die Gewährung der Akteneinsicht über die Plattform bedeutet einen kleineren Aufwand, als dies heute bei Akteneinsicht vor Ort der Fall ist. Zudem hat die elektronische Akteneinsicht den Vorteil, dass die Behörde weiterhin mit der Akte arbeiten kann, auch wenn Verfahrensparteien Akteneinsicht nehmen.

Art. 34 Absatz 1bis Abs. 1bis Der bisherige Artikel 34 Absatz 1bis VwVG ist eine Kann-Bestimmung. Die Behörde kann eine Verfügung elektronisch eröffnen, sie muss es jedoch nicht. Aufgrund der Änderung von Artikel 11b Absatz 2 E-VwVG wird neu ein Anspruch auf elektronische Zustellung eingeführt. Es liegt somit nicht mehr im Ermessen der Behörden, ob sie elektronisch eröffnen wollen. Deswegen reicht es in der Neuformulierung, dass der Bundesrat nur noch das Format der Dokumente regelt.

Art. 47a Abs. 1 und 2 Mit dieser Bestimmung wird das Obligatorium im Beschwerdeverfahren eingeführt (Abs. 1).

Das VwVG enthält, im Gegensatz zum Zivil- und Strafprozess, kein Anwaltsmonopol und auch keine Bestimmungen, wer als berufsmässige Vertreterin oder berufsmässiger Vertreter gilt. Nebst den eingetragenen Anwältinnen und Anwälten gemäss dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200052 können auch weitere Personen berufsmässig vor Verwaltungsbehörden auftreten. Artikel 102 des Asylgesetzes vom 26. Juni 199853 (AsylG) sieht beispielsweise vor, dass jeder asylsuchenden Person ab Beginn der Vorbereitungsphase eine Rechtsvertretung zugeteilt wird. Nach Artikel 102i Absatz 4 AsylG sind nebst Anwältinnen und Anwälten auch Personen mit einem universitären juristischen Hochschulabschluss zugelassen, die sich beruflich mit der Beratung und Vertretung von Asylsuchenden befassen. Diese Personen sollen ebenfalls unter das entsprechende Obligatorium fallen. Absatz 2 definiert eine Person als berufsmässig handelnd, wenn diese bereit ist, in einer unbestimmten Zahl von Fällen die Vertretung

52 53

SR 935.61 SR 142.31

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zu übernehmen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Übernahme der Vertretung gegen Entgelt erfolgt oder nicht.

Die in den kantonalen Anwaltsregistern eingetragenen Anwältinnen und Anwälte gelten stets als berufsmässig handelnd, wenn sie die Vertretung übernehmen.

Abs. 3 und 4 In analoger Weise zur fehlenden Unterschrift (vgl. Art. 52 Abs. 2 VwVG) sieht das Gesetz vor, dass bei einer Eingabe von physischen Dokumenten von einer dem Obligatorium unterstehenden Person eine Frist für die elektronische Einreichung angesetzt wird mit der Androhung, dass die Eingabe andernfalls als nicht erfolgt gilt. Dies gilt nur, soweit sich Dokumente aus technischen Gründen dafür eignen, auch elektronisch übermittelt zu werden.

Art. 52 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Bis anhin sieht das VwVG vor, dass Beschwerdeschriften unterzeichnet werden müssen. Bei elektronischen Eingaben über die Plattform fällt das Unterschriftserfordernis weg (vgl. Art. 22 BEKJ). Für eine elektronische Beschwerdeschrift ist es ausreichend, wenn sich die Partei oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter gegenüber der Plattform authentifiziert und der Behörde die Beschwerdeschrift elektronisch übermittelt. Papierene Beschwerdeschriften müssen weiterhin unterzeichnet werden.

Abs. 3 Da elektronische Beschwerdeschriften nicht mehr unterzeichnet werden müssen, ist auch Absatz 3 entsprechend anzupassen und die fehlende Unterschrift auf papierene Eingaben zu beschränken.

Schlussbestimmungen zur Änderung vom ...

Abs. 1 Dieser Absatz enthält die übergangsrechtlichen Bestimmungen für hängige Verwaltungsverfahren. Der Zeitpunkt der Eröffnung des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens ist oftmals schwierig zu bestimmen, weswegen die Bestimmung deutlich macht, dass es sich bei den betroffenen Verfahren um Verfahren der Verwaltungsrechtspflege, Beschwerdeverfahren sowie Einspracheverfahren gegen vor dem Inkrafttreten des E-VwVG eröffnete Verfügungen handelt.

Abs. 2 Wenn Behörden bereits ein sicheres System zum elektronischen Austausch untereinander haben, kann dieses System während fünf Jahren nach Inkrafttreten des E-VwVG weiter benutzt werden. Zum einen wird damit der Investitionsschutz gewährleistet, denn die Anschaffung neuer IT-Systeme braucht mitunter viele Jahre zwischen Beschluss zur Beschaffung, Ausschreibung und Inbetriebnahme. Es wäre den
Steuerzahlenden nur schwer vermittelbar, wenn ein soeben neu beschafftes und in Betrieb genommenes System gleich wieder obsolet würde, weil nach Inkrafttreten des E-VwVG der elektronische Austausch nur noch über die Plattform erfolgen darf. Zum 46 / 82

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anderen ermöglicht ein solch bestehendes System unter Umständen auch die Übermittlung von Metadaten und die Beibehaltung der Aktenstruktur, wenn beide beteiligten Behörden dasselbe System benutzen. Mit der Befristung auf fünf Jahre nach Inkrafttreten der Vorlage wird sichergestellt, dass der Investitionsschutz gewahrt wird und solche Systeme bis zum End-of-Life weiterbetrieben werden können.

5.2.3

Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200554

Art. 38a Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG. Vorliegend sind keine Ausnahmen vorgesehen. D. h. für alle Verfahren nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG) kommen die Bestimmungen im BEKJ ebenfalls zur Anwendung.

Art. 38b Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6b E-VwVG.

Art. 38c Grundsätzlich kann auf die Ausführungen zu Artikel 47a E-VwVG verwiesen werden.

Abweichend zu Artikel 47a E-VwVG werden im E-BGG keine Ausnahmen bei bestimmten Verfahren vorgesehen. Das heisst, das BEKJ ist für sämtliche Verfahren vor dem Bundesgericht anwendbar.

Darüber hinaus bestimmt Absatz 3, dass beim Instanzenwechsel zum Bundesgericht nicht mehr vom elektronischen Rechtsverkehr Abstand genommen werden kann, wenn mit der Vorinstanz obligatorisch elektronisch kommuniziert wurde. Artikel 40 Absatz 1 BGG sieht für Parteivertreterinnen und -vertreter im Verfahren vor Bundesgericht ein Anwaltsmonopol vor. Im Umkehrschluss ist daraus zu folgern, dass die Parteien in jenen Verfahren vor Bundesgericht, die weder Zivil- noch Strafsachen sind, mangels Anwaltsmonopol bei der Wahl einer allfälligen Parteivertretung frei sind. Dies könnte nun dazu führen, dass die Parteivertretung vor der Vorinstanz dem Obligatorium unterstand, beim Weiterzug an das Bundesgericht jedoch nicht mehr.

Diese Lücke wird mit Absatz 3 gedeckt.

Art. 38d Personen, die nicht dem Obligatorium unterstehen, können weiterhin in Papierform mit dem Bundesgericht kommunizieren. Zur Förderung der elektronischen Kommunikation wird auch diesen Personen das Recht eingeräumt, elektronisch mit dem Bundesgericht zu kommunizieren. Damit das Bundesgericht diesen Personen elektronisch zustellen darf, braucht es die Einwilligung der betroffenen Personen und es muss eine Adresse auf einer Plattform nach dem BEKJ bekannt sein.

54

SR 173.110

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Art. 38e Gemäss aktuellem Recht regelt das Bundesgericht das Format der Eingaben (Art. 42 Abs. 4 BGG). Dies wird beibehalten.

Art. 38f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a E-VwVG.

Art. 38g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 26 Absatz 1bis E-VwVG.

Art. 39 Abs. 3 Bereits heute können die Parteien eine elektronische Adresse angeben und ihr Einverständnis für die elektronische Zustellung erklären (Abs. 2). Hingegen haben Parteien im Ausland heute zusätzlich die Pflicht, ein Zustellungsdomizil in der Schweiz zu bezeichnen. Mit der neuen Formulierung steht es den Parteien im Ausland frei, ob sie eine Adresse auf einer Plattform nach dem BEKJ oder ein physisches Domizil in der Schweiz bezeichnen wollen.

Art. 42 Abs. 1, 4 und 5 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 52 Absatz 1 und 3 E-VwVG.

Art. 44 Abs. 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 20 Absatz 2ter E-VwVG.

Art. 60 Abs. 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 34 Absatz 1bis E-VwVG.

Art. 132b Vgl. die Ausführungen zu den Schlussbestimmungen zur Änderung des VwVG. Da das Bundesgericht nicht über ein System in Sinne von Absatz 2 der Schlussbestimmungen des E-VwVG verfügt, wird Absatz 2 nicht übernommen.

5.2.4

Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200555

Art. 37a Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Plattform nach dem BEKJ zur Anwendung gelangt. Ergänzend ist auf die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG hinzuweisen.

55

SR 173.32

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5.2.5

Zivilgesetzbuch56

Art. 450f Für Zivilverfahren ergibt sich das eigentliche Obligatorium sowie die Ausgestaltung der elektronischen Kommunikation aus der Zivilprozessordnung57 (ZPO, vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 128c ff. E-ZPO unter Ziff. 5.2.6); das Obligatorium umfasst die (Zivil-)Gerichte, Amtsstellen und weiteren Behörden sowie berufsmässig handelnde Vertreterinnen und Vertreter (vgl. Art. 128c Abs. 1 E-ZPO).

Für Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) würde dies bedeuten, dass diese Regelungen und insb. das Obligatorium nicht schweizweit einheitlich, sondern nur für diejenigen KESB bzw. in jenen Kantonen gelten würde, in welchen die ZPO das für die KESB massgebende Verfahrensrecht ist. Das geltende Zivilgesetzbuch (ZGB) enthält lediglich bestimmte Verfahrensgrundsätze für den Kindes- und Erwachsenenschutz in Bereichen, in denen die Verwirklichung des materiellen Rechts dringend eine einheitliche bundesrechtliche Regelung erfordert (vgl.

Art. 443­450e ZGB).58 Im Übrigen kommen die Bestimmungen der ZPO im Sinne einer Kaskadenordnung zur Anwendung, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen (vgl. Art. 450f ZGB), das heisst, kein eigenes (umfassendes oder punktuelles) Verfahrensrecht erlassen oder für anwendbar erklärt haben.59 Zusammen mit der bundesrechtlich vereinheitlichten Regelung der elektronischen Kommunikation in Bundeszivilverfahren ist daher im Interesse der Verwirklichung des materiellen Rechts gleichzeitig auch für die im ZGB besonders geregelten Verfahren des Kindes- und Erwachsenenschutzes eine ausdrückliche Verfahrensregelung zu erlassen: Nur so ist in diesen Verfahren in Zukunft eine effiziente Zusammenarbeit zwischen KESB und Gerichtsbehörden (z. B. mit dem Eheschutz- oder Scheidungsrichter, wenn eine Kindesschutzmassnahme im Rahmen eines familienrechtliches Verfahrens anzuordnen ist) oder zwischen KESB und gerichtlicher Beschwerdeinstanz und damit auch der effiziente Schutz der minder- oder volljährigen hilfsbedürftigen Personen gewährleistet. Das entspricht auch einem Anliegen aus der Vernehmlassung60 sowie der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz.

In Verfahren des Erwachsenenschutzes sind daher sowohl vor der KESB als auch der gerichtlichen Beschwerdeinstanz von Bundesrechts wegen die Bestimmungen der ZPO über die Nutzung der zentralen Plattform und die
elektronische Aktenführung anwendbar. Gemeint sind die Regelungen der Artikel 128a­128g E-ZPO und insbesondere die Regelungen zum Obligatorium. Die Regelungen verweisen wiederum teilweise auf das BEKJ (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 128c ff. E-ZPO unter Ziff. 5.2.6). Gemäss Artikel 314 Absatz 1 ZGB gilt dies nicht nur bei Verfahren des Erwachsenenschutzes, sondern auch beim Kindesschutz.

56 57 58 59 60

SR 210 SR 272 Vgl. Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001 S. 7088.

Vgl. dazu Fassbind, in: OFK ZGB 2021, Art. 450f N 1 m. w. H.

Vgl. www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD, S. 11, 19 und 44.

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5.2.6

Zivilprozessordnung

Art. 128a Abs. 1 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG.

Abs. 2 Nebst den staatlichen Verfahren sieht die ZPO auch die Möglichkeit von Schiedsverfahren ­ d. h. privater Gerichtsbarkeit ­ vor. Dazu müssen die Streitparteien explizit eine Schiedsvereinbarung vereinbaren und ein Schiedsgericht bestellen. Dabei lässt die ZPO den Parteien einen grossen Ermessensspielraum. Solange ein Schiedsgericht die Verfahrensführung hat, gelten die Bestimmungen des BEKJ nicht. Wird aber im Rahmen eines Schiedsverfahrens ein staatliches Gericht angerufen (z. B. nach Art. 356 ZPO), ist dies kein Verfahren vor einem Schiedsgericht mehr, da die Verfahrensführung nicht mehr dem Schiedsgericht obliegt und die Bestimmungen des BEKJ wieder anwendbar sind.

Art. 128b In Ergänzung zu den Ausführungen zu Artikel 6b E-VwVG: Im Schlichtungsverfahren sind die Parteien nur selten durch Anwältinnen oder Anwälte vertreten. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien ihre Gesuche und Unterlagen weiterhin eher auf Papier einreichen. Hinzu kommt, dass Schlichtungsverfahren mit Gesuchsrückzug, Einigung oder Klagebewilligung enden. Wird eine Klagebewilligung ausgestellt, muss die klagende Partei Klageschrift, Beilagen und Klagebewilligung beim erstinstanzlichen Gericht einreichen. Die ZPO sieht nicht vor, dass Unterlagen aus dem Schlichtungsverfahren im Falle der Klageeinreichung automatisch an das Gericht übermittelt werden.

In Anbetracht dieser Umstände ist zu bezweifeln, dass die Verfahrensbeteiligten im Schlichtungsverfahren von der elektronischen Kommunikation profitieren können, weswegen der Entwurf hier eine Ausnahme vom Obligatorium vorsieht. Weiterhin soll aber die Möglichkeit bestehen bleiben, elektronische Eingaben auch im Schlichtungsverfahren tätigen zu können. Die Schlichtungsstellen müssen also Eingaben elektronisch entgegennehmen. Sie können den Parteien Dokumente elektronisch zustellen, müssen aber nicht.

Art. 128c Grundsätzlich kann auf die Ausführungen von Artikel 47a E-VwVG verwiesen werden. Abweichend davon fällt die Definition weg, wer als berufsmässige Vertreterin oder berufsmässiger Vertreter zu gelten hat, da die ZPO die berufsmässige Vertretung selbst in Artikel 68 Absatz 2 definiert.

Art. 128d Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 2 E-VwVG.

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Art. 128e Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 2 E-VwVG.

Art. 128f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 3 E-VwVG.

Art. 128g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 26 Absatz 1bis E-VwVG.

Art. 130 Die bisherige Bestimmung wird dahingehend präzisiert, dass nur noch Eingaben in Papierform zu unterzeichnen sind. Elektronische Eingaben müssen nicht unterzeichnet werden, da die Authentifizierung gegenüber der Plattform an die Stelle der Unterzeichnung tritt (vgl. Art. 52 Abs. 1 und 3 E-VwVG).

Art. 133 Bst. g und h Die bisherige Bestimmung wird dahingehend präzisiert, dass nur noch Vorladungen in Papierform zu unterzeichnen sind. Elektronische Vorladungen müssen nicht unterzeichnet werden, da die Authentifizierung gegenüber der Plattform oder dem Behördensystem an die Stelle der Unterzeichnung tritt.

Art. 138 Abs. 1 Der bisherige Artikel 138 Absatz 1 ZPO enthält eine nicht abschliessende Aufzählung von Zustellungsmöglichkeiten. Zwar kann die elektronische Zustellung auch unter der nicht abschliessenden Aufzählung auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung subsumiert werden, da Artikel 21 Absätze 4 und 6 BEKJ vorsieht, dass sowohl bei der Übermittlung an die Plattform wie auch beim erstmaligen Abruf durch eine Adressatin oder einen Adressaten jeweils eine Quittung ausgestellt wird. Mit der Vorlage soll der elektronische Rechtsverkehr gefördert werden, weswegen zur bisherigen Aufzählung auch noch die elektronische Zustellung explizit angeführt wird.

Art. 139 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 20 Absatz 2ter E-VwVG.

Art. 143 Abs. 2 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 1.

Art. 208 Abs. 1bis Wird die Zustimmung zur Einigung, die Klageanerkennung oder der vorbehaltlose Rückzug mit technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet, kann auf die Unterschrift verzichtet werden. Es werden bewusst keine spezifischen Anforderungen an die tech51 / 82

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nischen Hilfsmittel gestellt, um den Gestaltungsraum nicht übermässig einzuschränken. Dies können einfache Diktiergeräte sein, welche die Aufzeichnungen elektronisch ablegen und über eine Verbindung in die elektronische Akte übertragen. Es können aber auch hochintegrierte System sein, die direkt mit der jeweiligen Akte verknüpft sind und die entsprechenden Aufzeichnungen in der elektronischen Akte ablegen. Diese Aufzeichnungen sind zu den Akten zu nehmen.

Wichtig bei der Aufzeichnung ist, dass der Kerngehalt der Aufzeichnung und der Kontext korrekt wiedergegeben werden. Im Normalfall wird eine Tonaufzeichnung der Frage nach der Zustimmung sowie der Zustimmung selbst ausreichend sein. Ist eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher anwesend, so sind auch deren Übersetzungen mitaufzuzeichnen. Kann sich eine Partei zum Beispiel nur mittels Gebärdensprache ausdrücken, so ist eine Tonaufzeichnung allein nicht ausreichend; es müssen auch Videoaufnahmen gemacht werden.

Art. 221 Abs. 1 Bst. f und g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 133 Buchstabe g E-ZPO.

Art. 235 Abs. 1 Bst. f und Abs. 2bis Abs. 1 Bst. f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 133 Buchstabe g E-ZPO.

Abs. 2bis Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 238 Bst. h Vgl. die Ausführungen zu Artikel 133 Buchstabe g E-ZPO.

Art. 241 Abs. 1bis Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 244 Abs. 1 Bst. e und f Wird die Klage über eine Plattform nach dem BEKJ eingereicht oder wird sie mündlich zu Protokoll gegeben und mit technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet, braucht es keine Unterschrift. In beiden Fällen ist bekannt, wer die Klage eingereicht hat.

Art. 285 Bst. f und g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 130 E-ZPO.

Art. 290 Bst. f und g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 130 E-ZPO.

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Art. 407e Vgl. die Ausführungen zu den Schlussbestimmungen zur Änderung des VwVG.

5.2.7

Markenschutzgesetz vom 28. August 199261

Art. 42 Abs. 1 Mit dieser Bestimmung wird die Regelung zum Zustellungsdomizil in Verfahren nach dem Markenschutzgesetz mit denjenigen des VwVG in Übereinstimmung gebracht.

Zukünftig reicht es für Personen im Ausland aus, eine Adresse auf einer nach dem BEKJ anerkannten Plattform zu bezeichnen. Diese dient dann als Zustelldomizil.

5.2.8

Designgesetz vom 5. Oktober 200162

Art. 18 Abs. 1 Vgl. die Ausführung zu Artikel 42 Absatz 1 des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 (MSchG).

5.2.9

Patentgesetz vom 25. Juni 195463

Art. 13 Abs. 1 erster und zweiter Satz Vgl. die Ausführung zu Artikel 42 Absatz 1 MSchG.

5.2.10

Bundesgesetz vom 4. Dezember 194764 über den Bundeszivilprozess

Art. 7 Absatz 1bis und 2bis Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 23 Bst. g und h Vgl. die Ausführungen zu Artikel 130 E-ZPO.

61 62 63 64

SR 232.11 SR 232.12 SR 232.14 SR 273

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5.2.11

Bundesgesetz vom 11. April 188965 über Schuldbetreibung und Konkurs

Art. 33a Abs. 2, 33b und 33c Mit eSchKG ist seit 2006 ein Standard für den Austausch von elektronischen Betreibungsdaten zwischen natürlichen Personen, juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts sowie Betreibungsämtern vorhanden. Im Jahr 2021 wurden elektronisch 1 860 659 Betreibungsbegehren gestellt und 642 810 Registerauszüge angefordert.66 Allerdings fällen Gerichte sehr viele Entscheide, welche direkte Auswirkungen auf hängige Betreibungs- und Konkursverfahren haben. Auch müssen Betreibungsämter teilweise von Amtes wegen Verfahren direkt den zuständigen Gerichten vorlegen (vgl. Artikel 265a des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG]). Da das BEKJ unter anderem medienbruchfreie Justizverfahren zum Ziel hat, sollen auch die Betreibungs- und Konkursämter und Gerichte elektronisch miteinander kommunizieren. Dabei soll allerdings nicht in das gut funktionierende System des eSchKG-Verbundes eingegriffen werden.

Der Entwurf sieht vor, dass nebst den elektronischen Eingaben mit einer qualifizierten elektronischen Signatur auch Eingaben über eine Plattform nach BEKJ gemacht werden können (Art. 33a Abs. 2 E-SchKG), die aber nicht mehr elektronisch signiert werden müssen.

Aufgrund der grossen Bedeutung des eSchKG-Verbundes soll der Bundesrat in Zukunft nicht mehr nur ermächtigt sein, Ausnahmen für das Massenverfahren vorzusehen. Vielmehr soll er verpflichtet werden, dieses zu regeln. Dabei werden die aktuellen Bestimmungen aus der Verordnung vom 18. Juni 201067 über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie von Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren (VeÜ-ZSSV) in das Gesetz übernommen.

Die Kommunikation zwischen Betreibungs- und Konkursämtern sowie zwischen Aufsichtsbehörden und Gerichten wird nur über eine Plattform nach dem BEKJ erfolgen. Diese Verpflichtung besteht nicht für die Kommunikation unter den Betreibungsund Konkursämtern, sondern auch unter den Aufsichtsbehörden selbst (Art. 33c E-SchKG).

Art. 34 Abs. 2 zweiter Satz und 3 Die Bestimmung regelt die Zustellung im Betreibungs- und Konkurswesen. Stellen die Betreibungs- und Konkursämter sowie Aufsichtsbehörden Mitteilungen, Verfügungen und Entscheide elektronisch zu, müssen diese mit einer elektronischen Signatur versehen werden. Erfolgt die Zustellung jedoch in Zukunft über eine Plattform nach dem BEKJ, kann darauf verzichtet werden (Abs. 2 zweiter Satz).

65 66 67

SR 281.1 Vgl. www.eschkg.ch > Aktuell > eSchKG in Zahlen.

SR 272.1

54 / 82

BBl 2023 679

Die Delegation an den Bundesrat ist im geltenden Recht in Absatz 2 enthalten. Aufgrund der mit dieser Vorlage notwendigen Erweiterung wird die Delegationsnorm neu in einen eigenen Absatz überführt (Abs. 3).

Da dies die einzigen Änderungen sind, erscheinen Übergangsfristen nicht als notwendig. Jedoch ist für die Inkraftsetzung eine angemessene Zeit vorzusehen.

5.2.12

Strafprozessordnung68

Art. 76a Im Rahmen der Vernehmlassung zur Revision der Strafprozessordnung (StPO) wurde eine rechtliche Grundlage gefordert, damit insbesondere bei Einvernahmeprotokollen eine auf einem Tabletcomputer mit Hilfe eines speziellen Schreibgeräts eingegebene Unterschrift die handschriftliche Unterzeichnung des Protokolls auf Papier ersetzen kann.

Wenn Protokolle mit einem elektronischen Nachweis auf einem Tabletcomputer verbindlich bestätigt werden können, setzt dies somit voraus, dass ein solcherart elektronisch gespeichertes Protokoll und nicht ein Ausdruck davon Teil der Verfahrensakten bildet. Deshalb liess sich dem Anliegen nicht bereits im Rahmen der Revision der StPO Rechnung tragen, sondern erst im Rahmen des nunmehr vorgelegten Entwurfs, der den Ersatz der herkömmlichen Papierakten durch elektronische Akten vorsieht (vgl. Art. 100 Abs. 3 E-StPO).

Der neue Artikel 76a E-StPO kommt dem in der Vernehmlassung zur Revision der Strafprozessordnung geäusserten Anliegen nach. Er lässt aber mit Blick auf mögliche technologische Entwicklungen nicht bloss zu, dass Einvernahmeprotokolle durch eine mit Hilfe eines speziellen Schreibgeräts eingegebene Unterschrift bestätigt werden, sondern ermöglicht auch weitere Formen der elektronischen Bestätigung. Allerdings muss bei jeder Art von elektronischer Bestätigung sichergestellt sein, dass sie jener Person zweifelsfrei zugeordnet werden kann («persönlich»), welche die Bestätigung vorzunehmen hat. So sollen gemäss Absatz 1 alle Protokolle, worunter schriftlich festgehaltene Verfahrenshandlungen zu verstehen sind, auch digital bestätigt werden können (z. B. auf einem Tablet). Der Normtext verwendet allerdings nicht den Begriff «digitale Unterschrift» oder «elektronische Unterschrift», um klarzustellen, dass es sich bei dieser Art der Unterzeichnung nicht um die mit einem qualifizierten Zeitstempel verbundene qualifizierte elektronische Signatur gemäss dem ZertES handelt, welche gemäss Artikel 14 Absatz 2bis des Obligationenrechts69 der handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt ist.

Das herkömmliche Protokoll auf Papier, das mit eigenhändiger Unterschrift versehen wird, weist zwei besondere Charakteristika auf: Zum einen lässt sich die Echtheit der Unterschrift durch Schriftenvergleich überprüfen; zum anderen lässt sich auch feststellen, ob das unterzeichnete Dokument nachträglich Veränderungen erfahren hat.

68 69

SR 312.0; BBl 2022 1560 SR 220

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Mit Blick auf das Urkundenstrafrecht (Art. 251 ff. des Strafgesetzbuchs70 [StGB]) muss auch ein Protokoll, das elektronisch aufgezeichnet und bestätigt wird, diesen Anforderungen genügen. So ist sicherzustellen, dass ein System zum Einsatz kommt, mit dem die Echtheit der elektronischen Bestätigung nachträglich überprüft werden kann. Diese Bestätigung muss also einen vergleichbaren Informationsgehalt aufweisen wie eine analoge Unterschrift auf Papier. In technischer Hinsicht ist das durchaus möglich. So lassen sich etwa aus einer auf einem Tabletcomputer applizierten Unterschrift je nach der verwendeten Software sogar mehr Informationen gewinnen als aus einer herkömmlichen Unterschrift auf Papier (z. B. die Dauer, die für das Anbringen der Unterschrift auf dem Bildschirm gebraucht wurde).

Zudem muss sichergestellt werden, dass das elektronische Dokument vor nachträglicher Veränderung geschützt ist, sodass beispielsweise die bestehende digitale Bestätigung nicht nachträglich aus dem Dokument herausgelöst und in einem anderen Dokument eingefügt werden kann. Gemäss Absatz 2 regelt der Bundesrat die Anforderungen an die Hard- und Software auf Verordnungsstufe. Eine Delegation ist angesichts der Technizität der zu regelnden Punkte und des raschen technischen Wandels auf dem Gebiet geboten.

Art. 78 Abs. 5, 6 erster Satz und 6bis Abs. 5 und 6 Die Absätze 5 und 6 werden redaktionell geändert, um der in Artikel 76a E-StPO vorgesehenen elektronischen Bescheinigung Rechnung zu tragen.

Die Anpassung von Absatz 5 erfolgt aufgrund des neuen Artikels 76a E-StPO. Das geltende Recht sieht vor, dass die einvernommene Person jede einzelne Seite des Einvernahmeprotokolls visieren muss. Damit soll verhindert werden, dass nachträglich Seiten des Protokolls ausgetauscht werden. Wird das Einvernahmeprotokoll hingegen elektronisch bestätigt, so wird die Visierung jeder einzelnen Seite obsolet, weil das elektronische Dokument als Ganzes vor nachträglicher Veränderung geschützt ist.

Abs. 6bis Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 80 Abs. 2 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 133 Buchstabe g E-ZPO.

Art. 85 Abs. 2 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 138 Absatz 1 E-ZPO.

Art. 86 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 20 Absatz 2ter E-VwVG.

70

SR 311.0

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Art. 87 Abs. 1 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 1 E-VwVG.

Art. 100 Abs. 3 Hier wird der Grundsatz der elektronischen Aktenführung festgelegt (vgl. zusätzlich die Ausführungen zu Art. 6b E-VwVG).

Art. 102 Abs. 2 und 3 Abs. 2 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 26 Absatz 1 Einleitungssatz und Absatz 1bis E-VwVG.

Abs. 3 Hier wird eine redaktionelle Änderung vorgenommen, die deutlich macht, dass es um die Anfertigung von Papierkopien geht.

Art. 103a Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG.

Art. 103b Grundsätzlich kann auf die Ausführungen zu Artikel 6b E-VwVG verwiesen werden.

In Bezug auf die Aktenführung enthält die StPO eine Spezialbestimmung in Artikel 100, weswegen die elektronische Aktenführung dort statuiert wird.

Art. 103c Vgl. die Ausführungen zu Artikel 47a E-VwVG.

Art. 103d Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 2 E-VwVG.

Art. 103e Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 2 E-VwVG.

Art. 103f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 3 E-VwVG.

Art. 110 Absatz 1 und 2 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 52 Absatz 1 E-VwVG.

57 / 82

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Art. 199 Mit dieser Änderung wird die Möglichkeit des medienbruchfreien Verfahrens eingeführt. Der Strafbefehl muss nicht mehr zwingend gegen Empfangsbestätigung übergeben werden, sondern kann auch elektronisch zugestellt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die von der Zwangsmassnahme betroffene Person auch die Möglichkeit haben muss, den elektronisch übermittelten Befehl tatsächlich zu empfangen.

Dies ist beispielsweise in Fällen von Anordnung von Untersuchungshaft nicht möglich, da den betroffenen Personen die Möglichkeit während der Untersuchungshaft fehlt, auf der Plattform Dokumente abzurufen. Zudem muss die Person, sofern sie nicht dem Obligatorium untersteht, auch die Einwilligung für den elektronischen Empfang gegeben haben.

Art. 201 Abs. 2 Bst. h Vgl. die Ausführungen zu Artikel 138 Absatz 1 E-ZPO.

Art. 316 Abs. 3bis Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 353 Abs. 1 Bst. k Vgl. die Ausführungen zu Artikel 138 Absatz 1 E-ZPO.

Art. 456b Vgl. die Ausführungen zu den Schlussbestimmungen zur Änderung des VwVG.

5.2.13

Bundesgesetz vom 23. Dezember 201171 über den ausserprozessualen Zeugenschutz

Art. 2a Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG.

Art. 2b Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6b E-VwVG.

Art. 2c Vgl. die Ausführungen von Artikel 47a E-VwVG.

Art. 2d Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 2 E-VwVG.

71

SR 312.2

58 / 82

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Art. 2e Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 2 E-VwVG.

Art. 2f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 3 E-VwVG.

Art. 2g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 26 Absatz 1bis E-VwVG.

Art. 37 Vgl. die Ausführungen zu den Schlussbestimmungen zur Änderung des VwVG.

5.2.14

Opferhilfegesetz vom 23. März 200772

Art. 8a Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG.

Art. 8b Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6b E-VwVG.

Art. 8c Vgl. die Ausführungen zu Artikel 47a E-VwVG.

Art. 8d Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 2 E-VwVG.

Art. 8e Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 2 E-VwVG.

Art. 8f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 3 E-VwVG.

Art. 8g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 26 Absatz 1bis E-VwVG.

72

SR 312.5

59 / 82

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Art. 10 Absatz 1bis Gemäss Artikel 10 Absatz 1 des Opferhilfegesetzes vom 23. März 2007 können die Beratungsstellen mit Einwilligung des Opfers oder seiner Angehörigen Einsicht in die Akten nehmen. Neu sind sie verpflichtet, dieses Einsichtsrecht bei den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten auf elektronischem Weg auszuüben.

Art. 48a Vgl. die Ausführungen zu den Schlussbestimmungen zur Änderung des VwVG.

5.2.15

Bundesgesetz vom 22. März 197273 über das Verwaltungsstrafrecht

Art. 31b Beim Verwaltungsstrafverfahren stellt sich die Frage, ob im erstinstanzlichen Verfahren, eine Plattform nach dem BEKJ oder die Plattform der Bundesverwaltung nach Artikel 6a Absatz 2 E-VwVG verwendet werden soll, da das erstinstanzliche Verfahren vor Verwaltungsbehörden geführt wird. Auch wenn diese Verfahren von Verwaltungsbehörden geführt werden, handelt es sich dennoch um Strafverfahren. Die übrigen Strafverfahren werden allesamt über Plattformen nach dem BEKJ geführt. Ein Grund, beim Verwaltungsstrafverfahren davon abzuweichen, ist nicht ersichtlich. Somit ist auch beim Verwaltungsstrafverfahren grundsätzlich eine Plattform nach dem BEKJ zu verwenden. Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG.

Art. 31c Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6b E-VwVG.

Art. 31d Vgl. die Ausführungen zu Artikel 47a E-VwVG.

Art. 31e Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 2 E-VwVG.

Art. 31f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 2 E-VwVG.

Art. 31g Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 3 E-VwVG.

73

SR 313.0

60 / 82

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Art. 31h Vgl. die Ausführungen zu Artikel 26 Absatz 1bis E-VwVG.

Art. 34 Abs. 1bis Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 1 E-VwVG.

Art. 38 Abs. 5 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 47 Abs. 1 Der bisherige Artikel 47 Absatz 1 VStR benutzt den Ausdruck «Empfangsbescheinigung». Dieser Ausdruck wird sonst nirgends verwendet. Die übrigen Verfahrensgesetze benutzen den Ausdruck «Empfangsbestätigung». Deswegen erfolgt hier eine redaktionelle Anpassung.

Art. 54 Abs. 1 und 2 Abs. 1 Der oder dem Beschuldigten wird hier das Recht eingeräumt, den Haftbefehl zusätzlich zur Aushändigung bei der Verhaftung auch auf ihrer oder seiner elektronischen Adresse auf der Plattform zu erhalten.

Abs. 2 Nach Artikel 31d Absatz 1 E-VStR sind Behörden verpflichtet, elektronisch miteinander zu kommunizieren. Somit ist auch der Haftbefehl elektronisch an die zuständige kantonale Behörde zu übermitteln. Da die elektronischen Dokumente vervielfältigt werden können, kann der Haftbefehl bereits im Voraus an die kantonale Behörde übermittelt werden und nicht erst Zug um Zug bei der Übergabe.

Art. 64 Abs. 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 138 Absatz 1 E-ZPO.

Art. 65 Abs. 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 68 Abs. 4 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 52 Absatz 3 E-VwVG.

61 / 82

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Art. 88 Abs. 3 Das Revisionsverfahren sieht bis anhin die Eröffnung des Entscheids nur durch eingeschriebenen Brief vor. Dies wird durch die elektronische Übermittlung an die Plattform ergänzt.

Art. 106a Vgl. die Ausführungen zu den Schlussbestimmungen zur Änderung des VwVG.

5.2.16

Militärstrafprozess vom 23. März 197974

Art. 37a Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6a E-VwVG.

Art. 37b Vgl. die Ausführungen von Artikel 47a E-VwVG.

Art. 37c Vgl. die Ausführungen zu Artikel 11b Absatz 2 E-VwVG.

Art. 37d Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 2 E-VwVG.

Art. 37e Vgl. die Ausführungen zu Artikel 21a Absatz 3 E-VwVG.

Art. 37f Vgl. die Ausführungen zu Artikel 26 Absatz 1bis E-VwVG.

Art. 38 Abs. 1bis und 2bis Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 38a Vgl. die Ausführungen zu Artikel 76a E-StPO.

Art. 39 Abs. 1bis und 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

74

SR 322.1

62 / 82

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Art. 40 Abs. 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 41 Abs. 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 208 Absatz 1bis E-ZPO.

Art. 43 Abs. 4 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 6b E-VwVG.

Art. 46 Abs. 2 Die bisherigen Möglichkeiten für schriftliche Eingaben werden um die elektronische Übermittlung an die Plattform ergänzt.

Art. 51 Abs. 2 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 138 Absatz 1 E-ZPO.

Art. 78 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 138 Absatz 1 E-ZPO.

Art. 153 Abs. 3 Vgl. die Ausführungen zu Artikel 133 Buchstabe g E-ZPO.

Art. 220b Vgl. die Ausführungen zu den Schlussbestimmungen zur Änderung des VwVG.

5.2.17

Rechtshilfegesetz vom 20. März 198175

Eine Modernisierung des Verfahrens im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen (Verwaltungsverfahren) wird in den nächsten Jahren geprüft. In diesem Zusammenhang soll auch evaluiert werden, ob und wie weit das Rechtshilfeverfahren digitalisiert werden könnte und wie der rechtliche Rahmen für diese Digitalisierung ausgestaltet werden müsste. Wegen der besonderen Bedürfnisse des Rechtshilfeverfahrens, die sich insbesondere aus dem internationalen Kontext dieser Verfahren ergeben, soll dies nicht im Rahmen des BEKJ, sondern separat geregelt werden. Daher sind die Bestimmungen des VwVG und der StPO, welche die Behörden dazu verpflichten, Verfahrensdokumente elektronisch zu übermitteln und Akten elektronisch zu führen oder weiterzugeben, im Rechtshilfeverfahren nicht anwendbar. Dies schliesst nicht aus, dass Eingaben von der Partei oder ihrer Vertreterin oder ihrem Vertreter elektronisch 75

SR 351.1

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eingereicht werden können. Ebenfalls nicht anwendbar im Rechtshilfeverfahren sind die Bestimmungen des VwVG und der StPO, welche die Verfahrensbeteiligten zur elektronischen Übermittlung oder Entgegennahme von Verfahrensdokumenten verpflichten. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass die elektronische Beweisführung im Widerspruch zu den Formvorschriften des ausländischen Verfahrens steht (vgl. Art. 65 des Rechtshilfegesetzes).

5.2.18

Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200076

Art. 8 Abs. 1 Bst. e und Abs. 2 Die in den kantonalen Anwaltsregistern eingetragenen Anwältinnen und Anwälte müssen für die Eintragung verschiedene persönliche Voraussetzungen erfüllen. Neu kommt hinzu, dass sie für die Eintragung im kantonalen Anwaltsregister auch eine elektronische Adresse auf der Plattform benötigen. Dies drängt sich auf, da die Anwältinnen und Anwälte in den verschiedenen Verfahrensgesetzen in aller Regel dem Obligatorium unterstehen. Die Gerichte und Behörden müssen mit diesen Anwältinnen und Anwälten elektronisch kommunizieren können, weswegen eine elektronische Adresse auf der Plattform notwendig ist.

Dass alle eingetragenen Anwältinnen und Anwälte verpflichtet werden, eine elektronische Adresse auf der Plattform für die Eintragung ins kantonale Anwaltsregister zu bezeichnen, ergibt sich auch aus den geltenden Berufsregeln gemäss Artikel 12 Buchstabe g des Anwaltsgesetzes vom 23. Juni 2000 (BGFA). Demnach sind die eingetragenen Anwältinnen und Anwälte verpflichtet, amtliche Pflichtverteidigungen und, im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege, Rechtsvertretungen zu übernehmen. Das gilt für alle eingetragenen Anwältinnen und Anwälte, auch wenn sie nicht forensisch tätig sind. Nach Artikel 12 Buchstabe g BGFA können nämlich auch diese verpflichtet werden, solche Mandate zu übernehmen.

Darüber hinaus können sich Anwältinnen und Anwälte, die bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen angestellt sind, ebenfalls in das kantonale Anwaltsregister eintragen lassen. Diese werden ebenfalls verpflichtet, eine elektronische Adresse auf der Plattform zu bezeichnen.

Art. 36a Den bereits in den Registern eingetragenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten wird eine sechsmonatige Übergangsfrist nach Inkrafttreten des E-BGFA gewährt, um sich eine elektronische Adresse auf der Plattform zu besorgen.

76

SR 935.61

64 / 82

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5.2.19 Art. 16a

Bundesgesetz vom 18. März 201677 über die elektronische Signatur Validator

Abs. 1 Für die Benutzerinnen und Benutzer der Plattformen muss es eine einfache Möglichkeit geben, die Signaturen der über eine Plattform übertragenen Dokumente und Quittungen zu prüfen. Darüber hinaus gibt es noch ein weiteres Bedürfnis, Dokumente zu prüfen, an denen eine geregelte Signatur nach dem ZertES angebracht ist, z. B. Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, wie elektronische öffentliche Urkunden gemäss der Verordnung vom 8. Dezember 201778 über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischen Beglaubigungen.

Der Bund bietet bereits heute einen Validator-Service79 an. Dieser kann verschiedene elektronische Dokumente auf ihre Gültigkeit prüfen, nicht jedoch die von den bisherigen anerkannten Zustellplattformen erstellten Quittungen. Zudem gibt es auch keine explizite Rechtsgrundlage für den Validator-Service, sondern sie ergibt sich aus der Auslegung des bisherigen Gesetzes.

Mit der vorliegenden Bestimmung wird eine explizite Rechtsgrundlage geschaffen.

Zudem muss der Validator aufgrund des Wortlauts der Bestimmung in der Lage sein, sämtliche geregelten Signaturen und Zertifikate gemäss dem ZertES zu prüfen.

Da der Validator der Öffentlichkeit und den Behörden zur Verfügung steht, wird keine Authentifizierung notwendig sein. Damit kann jede beliebige Person die Gültigkeit der Dokumente überprüfen. Zudem wird es auch einfach möglich sein, die Gültigkeit oder Unverändertheit von Dokumenten in einem nachgelagerten Prozess zu überprüfen, beispielsweise ein Gerichtsurteil in einem Betreibungsverfahren.

Abs. 2 Die zu prüfenden Dokumente und Quittung enthalten möglicherweise sensitive Informationen, die unter ein Berufs- oder Amtsgeheimnis fallen oder besondere Datenschutzrisiken mit sich bringen. Deswegen sieht der Entwurf vor, dass der Validator eine «diskrete» Validierung mindestens als Option anbieten muss. Dies bedeutet, dass das zu prüfende Dokument nicht in einer Form an den Validator übermittelt werden muss, die eine Kenntnisnahme vom Inhalt des Dokuments ermöglichen könnte. Dies kann dadurch erreicht werden, dass nur der Hashwert des Dokuments und die Zertifikationsinformationen übertragen werden. Dadurch lässt sich das Dokument auf Unversehrtheit prüfen, ohne die Vertraulichkeit des Inhalts des Dokuments durch dessen
Übertragung an den Validator unnötigen Risiken auszusetzen. Ebenfalls vorstellbar ist, dass der Dokumenteninhalt ­ mit Ausnahme der Zertifikatsinformationen ­ verschlüsselt ist. Dieses verschlüsselte Dokument kann dem Validator zur Prüfung unterbreitet werden. Da der Inhalt des Dokuments verschlüsselt ist, kann der Validator keine Kenntnis vom eigentlichen Inhalt nehmen.

77 78 79

SR 943.03 SR 211.435.1 Vgl. www.validator.ch.

65 / 82

BBl 2023 679

Abs. 3 Mit diesem Absatz wird sichergestellt, dass Dokumente, die dem Validator zur Prüfung gegeben werden, nur für die Dauer der Prüfung und nur bis zur Erstellung des Prüfberichts, aber nicht länger gespeichert werden und dass keine Inhalte oder Metadaten in Systemprotokolle aufgenommen werden.

Abs. 5 Weder das ZertES noch die dazugehörige Verordnung vom 23. November 201680 über die elektronische Signatur enthalten Normen, wie elektronische Signaturen genau zu strukturieren und einzufügen sind. Solche Normen sind notwendig, da Signaturanwendungen die Signaturen unterschiedlich implementieren können und es bei der Prüfung zu Fehlermeldungen kommen kann. Zwar enthielt das ZertES bis zur Totalrevision vom 18. März 2016 einen Signaturprüfungsvorgang. Dieser wurde beinahe eins zu eins aus dem Anhang IV der EU-Richtlinie81 übernommen und umfasste lediglich eine Empfehlung sowie separate, kaum greifbare Normadressaten, weswegen der Signaturprüfungsvorgang aus dem ZertES entfernt wurde.82 Mittlerweile legt die Europäische Kommission, aufgrund des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/150683 der Kommission vom 8. September 2015, die technischen Spezifikationen für die Anbringung wie auch Validierung von elektronischen Signaturen fest.84 Beim ZertES wurde stets auf eine eIDAS-Kompatibilität geachtet, weswegen der Bundesrat, gleich wie die Europäische Kommission, die technischen Normen festlegen kann. Dadurch wird erreicht, dass bei der Prüfung eines Dokuments nicht nur die elektronische Signatur selbst geprüft wird, sondern auch, ob die Signatur gemäss den technischen Spezifikationen im Dokument angebracht ist.

5.2.20

Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 199785

Art. 23 Abs. 7 Der Begriff «Informationssystem» hat in der Bundesverwaltung den veralteten Begriff «Datenbearbeitungssystem» abgelöst. Der vorgeschlagene Artikel 23 Absatz 7 E-GwG knüpft an diese neue Begrifflichkeit an, die auch in der Botschaft zur

80 81

82 83

84 85

SR 943.032 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen; ABl. L 013 vom 19.01.2000, S. 12.

Vgl. BBl 2014 1001, S. 1025.

Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1506 der Kommission vom 8. September 2015 zur Festlegung von Spezifikationen für Formate fortgeschrittener elektronischer Signaturen und fortgeschrittener Siegel, die von öffentlichen Stellen gemäß Artikel 27 Absatz 5 und Artikel 37 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt anerkannt werden, ABl. L 235 vom 9.9.2015, S. 37.

Vgl. https://ec.europa.eu/digital-building-blocks/wikis/display/DIGITAL/Standards+and+ specifications SR 955.0

66 / 82

BBl 2023 679

Änderung des Geldwäschereigesetzes vom 26. Juni 201986 verwendet wird (Art. 23 Abs. 3 des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 1997 [GwG]).

Gemäss Artikel 23 Absatz 3 GwG unterhält die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) ein eigenes Informationssystem zur Bekämpfung der Geldwäscherei, von deren Vortaten, der organisierten Kriminalität und der Terrorismusfinanzierung.

MROS hat am 1. Januar 2020 das neue Informationssystem «goAML» eingeführt.

Dieses wird den meldenden Instituten zur Verfügung gestellt.

Das «goAML» ermöglicht eine sichere und effiziente Informationsübermittlung zwischen den Finanzintermediären, Händlerinnen und Händlern, Behörden, Organisationen und der MROS einerseits und zwischen der MROS und den Strafverfolgungsbehörden andererseits.

Nach dem geltenden Recht ist die Nutzung von «goAML» durch die meldenden Institute nicht obligatorisch. Ist eine Meldepflichtige oder ein Meldepflichtiger nicht in der Lage, der MROS Verdachtsmeldungen und Informationen in elektronischer Form mittels «goAML» zu übermitteln, so ist ausnahmsweise eine andere sichere Art der Übermittlung von Verdachtsmeldungen und Informationen möglich (Art. 3a Abs. 3 der Verordnung vom 25. August 200487 über die Meldestelle für Geldwäscherei [MGwV]). Diese Möglichkeit war allerdings als Übergangslösung gedacht.

Der Verkehr mit der MROS über das System «goAML» soll gestärkt werden, indem mit dieser Vorlage eine Pflicht zur elektronischen Meldung und zum elektronischen Verkehr auf diesem Kanal eingeführt wird. Durch den Verkehr mit der MROS über das «goAML» können Meldungen viel effizienter bearbeitet werden, was zu einer Stärkung des ganzen schweizerischen Dispositivs der Geldwäschereibekämpfung führt.

Vom Verkehr gemäss Artikel 23 Absatz 7 erfasst werden insbesondere Meldungen von Finanzintermediären sowie Händlerinnen und Händlern nach Artikel 9 GwG bzw.

Meldungen von Finanzintermediären nach Artikel 305ter Absatz 2 StGB, aber auch Meldungen der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, der Eidgenössische Spielbankenkommission, der interkantonalen Aufsichts- und Vollzugsbehörden sowie der Aufsichtsorganisationen gemäss Artikel 16 GwG oder von Selbstregulierungsorganisationen nach Artikel 27 GwG.

Aus Effizienz- und Sicherheitsgründen werden auch Anfragen der Meldestelle an die Finanzintermediäre nach Artikel 11a
GwG via «goAML» durchgeführt. Die Antworten werden ebenso durch das Informationssystem «goAML» übermittelt. Das neue Informationssystem ermöglicht nebst einer sicheren Übermittlung von Informationen die effiziente Bearbeitung respektive Auswertung sämtlicher Informationen und Datensätze zur Bekämpfung der Geldwäscherei und von deren Vortaten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es unentbehrlich, dass nicht nur der Verkehr zwischen den meldenden Instituten und MROS, sondern auch derjenige zwischen Strafverfolgungs- respektive Strafbehörden sowie weiteren Behörden im Sinne von Artikel 29a GwG sowie der Informationsaustausch unter inländischen Behörden laut Artikel 29 GwG über «goAML» läuft.

86 87

BBl 2019 5451 SR 955.23

67 / 82

BBl 2023 679

Die MROS arbeitet eng mit den Strafverfolgungsbehörden und teilweise mit Strafbehörden im Sinne von Artikel 29a GwG zusammen, welchen sie ihre Analyseberichte übermittelt. Um gemeldete Informationen von der MROS übermittelt erhalten zu können (vgl. Art. 23 Abs. 5 GwG sowie Art. 8 MGwV), sind ab dem 1. Januar 2020 auch die Staatsanwaltschaften in «goAML» registriert.

Auf den telefonischen Verkehr mit der MROS wird die Änderung von Artikel 23 Absatz 7 GwG keine Auswirkungen haben. Die Meldestelle wird weiterhin telefonisch verfügbar sein. Die Faxverbindung wurde mit der Einführung von «goAML» hingegen aufgehoben, damit der schriftliche Verkehr möglichst über einen einzigen Kanal (das Informationssystem) erfolgen kann.

5.3

Koordination mit dem Ausländerund Integrationsgesetz

Der Bundesrat hat am 18. Mai 2022 eine Botschaft dem Parlament (22.019) übergeben88 betreffend Anpassung des AIG bezüglich Erteilung, Verweigerung, Annullierung oder Widerruf der ETIAS-Reisegenehmigung und das ETIAS-Beschwerdeverfahren. Die Anforderungen zur Personenidentifikation im BEKJ an die Übermittlungsplattformen sind höher als bei der ETIAS-Übermittlungsplattform, da die Ausgangslage eine andere ist. Es besteht deshalb Koordinationsbedarf, damit das ETIASBeschwerdeverfahren nicht vom BEKJ umfasst wird.

5.4

Koordination mit dem Patentgesetz

In Verfahren nach dem Patentgesetz wird das Verwaltungsverfahrensgesetz angewendet und bei Beschwerden nach Artikel 59c Absatz 3 ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig. Der Bundesrat hat mit der Botschaft vom 16. November 202289 dem Parlament eine Revision des Patentgesetzes unterbreitet, in welcher die Beschwerde neu an das Bundespatentgericht erfolgt.

Damit die Beschwerde an das Bundespatentgericht vom Obligatorium erfasst wird, ist Artikel 6a Absatz 3 Buchstabe a VwVG anzupassen, sodass nebst dem Bundesverwaltungsgericht auch das Bundespatentgericht erfasst ist. Diese Anpassung wird erst notwendig mit dem Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes (BEKJ oder PatG) sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten.

88

89

Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1150 und (EU) 2021/1152 zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für die Zwecke des Europäischen Reiseinformations- und -Genehmigungssystems (ETIAS) (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes; BBl 2022 1449.

BBl 2023 7

68 / 82

BBl 2023 679

5.5

Koordination mit dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs

Mit dem Vorentwurf für eine Änderung des SchKG vom 22. Juni 2022 soll die elektronische Zustellung teilweise neu geregelt werden. So sollen betroffene Personen zukünftig eine elektronische Zustellung verlangen können. Zudem soll eine elektronische Zustellung durch das Amt immer dann erfolgen, wenn die betroffene Person ihre Eingaben elektronisch eingereicht hat und nicht ausdrücklich die Zustellung von Papierurkunden verlangt (Art. 34 Abs. 2 erster Satz E-SchKG). Damit soll die elektronische Kommunikation auch ausserhalb des BEKJ weiter gefördert werden.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat insbesondere organisatorische, personelle und finanzielle Auswirkungen auf den Bund. Mit der Vorlage wird die Pflicht zur elektronischen Aktenführung in Gerichtsverfahren im Gesetz verankert und es wird ein Obligatorium zur Benutzung der Plattform eingeführt: ­

Aufgrund der Pflicht zur elektronischen Aktenführung werden in Papierform eingereichte Dokumente in elektronische Akten umgewandelt werden müssen.

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Um effizient rein elektronisch arbeiten zu können, müssen die Arbeitsplätze entsprechend ausgestattet werden (Leistungsfähigkeit der Computer, Grösse der Bildschirme etc.).

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Die bestehenden Systeme müssen an die Plattformen angebunden werden können und der Unterhalt bei Aktualisierungen von Plattformen und Systemen sichergestellt werden.

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen auf die neuen Prozesse geschult werden.

­

Durch die Gründung der Körperschaft sowie die Beteiligung an den Kosten für den Aufbau, den Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattform entsteht ein finanzieller Aufwand, der vom Bundesgericht getragen wird. Dies wurde bereits vorangehend in Ziffer 4.2.2.2 erläutert.

­

Der Bund resp. die einzelnen Verwaltungseinheiten werden ihre Organisationsreglemente anpassen müssen, da das Unterschriftserfordernis bei der elektronischen Übermittlung wegfällt und die Übermittlungen durch beliebige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den jeweiligen Organisationen vorgenommen werden können. Die Vorlage selber enthält keine Vorschriften, wer zukünftig Verfügungen, Entscheide, Urteile und andere Mitteilungen an die Zustellplattform übermitteln oder dort abrufen darf.

Aufbau, Betrieb und Weiterentwicklung der Plattform haben keine personellen Auswirkungen auf den Bund, da diese Aufgaben durch die Körperschaft erledigt werden.

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In finanzieller Hinsicht ist die Kostenbeteiligung des Bundes am Aufbau der Plattform bereits im Budget 2023 sowie in der Finanzplanung (für die Folgejahre) des Bundesgerichts enthalten. Der Betrieb und die Weiterentwicklung werden über Gebühren finanziert. Mittel- bis langfristig werden diese Kosten (Gebühren) durch Einsparungen (insbesondere beim Porto; vgl. Einsparpotenzial in Ziff. 4.2.2.3) im Minimum kompensiert.

Die Änderungen im VwVG sehen vor, dass der Bund für Verwaltungsverfahren, die nicht vor Bundesverwaltungsgericht geführt werden, eine Plattform zur Verfügung stellen muss. Hier kann auf bisherige Systeme, insbesondere das Geschäftsverwaltungssystem Acta Nova, die Plattform EasyGov bzw. auf die neue vom Staatssekretariat für Wirtschaft betriebene Plattform im Rahmen des Entwurfs zum Unternehmensentlastungsgesetz abgestellt werden. Dem Bund entstehen dadurch keine Mehrkosten, mit Ausnahme eventuell notwendiger Anpassungen bei komplexen Fachapplikationen.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat in verschiedener Hinsicht Auswirkungen auf die Kantone. Mit der Vorlage wird die Pflicht zur elektronischen Aktenführung im Gesetz verankert und es wird ein Obligatorium zur Benutzung der Plattform eingeführt: ­

Nach geltendem Recht ist die Organisation der Gerichte, Schlichtungsbehörden und Staatsanwaltschaften Sache der Kantone, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Mit dem BEKJ sowie den Anpassungen in den Verfahrensgesetzen wird direkt in die kantonale Organisation eingegriffen. So müssen die Akten zukünftig elektronisch geführt werden und es besteht ein Obligatorium zur Benutzung der Plattform. Aufgrund der Pflicht zur elektronischen Aktenführung müssen in Papierform eingereichte Dokumente digitalisiert werden. Dies führt zu Anpassungen im kantonalen Recht, namentlich in den kantonalen Gerichtsverfahrens- und -organisationsgesetzen.

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Um effizient rein elektronisch arbeiten zu können, müssen die Arbeitsplätze entsprechend ausgestattet werden (Leistungsfähigkeit der Computer, Grösse der Bildschirme etc.).

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen auf die neuen Prozesse geschult werden.

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Durch die Gründung der Körperschaft sowie die Beteiligung an den Kosten für den Aufbau, den Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattform entsteht auch ein finanzieller Aufwand für die Kantone. Dies wurde bereits vorangehend in Ziffer 4.2.2.2 erläutert.

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Die Kantone werden ihre Gerichtsverfassungs- oder -organisationsgesetze anpassen müssen, da das Unterschriftserfordernis bei der elektronischen Übermittlung wegfällt und die Übermittlungen durch beliebige Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in den jeweiligen Organisationen vorgenommen werden kön-

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nen. Die Vorlage selber enthält keine Vorschriften, wer zukünftig Verfügungen, Entscheide, Urteile und andere Mitteilungen an die Plattform für die Zustellung übermitteln oder abrufen darf.

­

Im Rahmen der KKJPD haben die Kantone angekündigt, dass sie das Obligatorium insbesondere auch auf die kantonalrechtlichen Verwaltungsverfahren ausweiten werden. Dazu werden die Kantone ihre Verfahrensgesetze anpassen müssen.

In finanzieller Hinsicht werden die Kantone ihren Anteil an den Aufbaukosten frühzeitig budgetieren müssen. Die Kosten für den Betrieb und die Weiterentwicklung werden über Gebühren finanziert und mittel- bis langfristig durch Kosteneinsparungen (vgl. Einsparpotenzial in Ziff. 4.2.2.3) im Minimum kompensiert werden können.

Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen durch die Einführung des Obligatoriums für die elektronische Kommunikation in der Justiz lassen sich naturgemäss, wenn überhaupt, nur schwer erfassen. Wie der Bundesrat bereits bei der Schaffung der ZPO ausgeführt hat, trägt eine effiziente Rechtspflege zur wirtschaftlichen Prosperität und damit letztlich auch zur Lebensqualität bei.

Sichere und geregelte Verhältnisse auch im Cyberraum tragen wesentlich zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz und zu seiner Wettbewerbsfähigkeit bei. Der Bundesrat verfolgt das Ziel, auf Seiten des Staates die Beiträge zu leisten, die es für einen erfolgreichen Übergang der Schweiz in die Informationsgesellschaft braucht. Er hat dazu zahlreiche Massnahmen beschlossen, die meist entweder die Anpassung des gesetzlichen Rahmens oder die Bereitstellung von Infrastruktur-Elementen betrafen.

Dazu gehören beispielsweise das ZertES oder die Schaffung von einheitlichen Personen- und Unternehmens-Identifikationsnummern und der entsprechenden Register.

Mit dem BEKJ geht der Bundesrat nun noch einen Schritt weiter, indem zukünftig die Gerichte, Behörden sowie professionelle Rechtsanwenderinnen und -anwender einem Obligatorium für den elektronischen Rechtsverkehr unterworfen werden. Dazu wird eine sichere und einfach zu benutzende Plattform geschafften, deren Benutzung auch attraktiv sein wird für Personen und Unternehmen, die dem Obligatorium nicht unterstehen. Mit dieser Plattform können Verfahren vollständig elektronisch und damit effizienter abgewickelt werden, was eine effiziente Rechtspflege begünstigt.

Vom Obligatorium ist die Anwaltschaft besonders stark betroffen. Ihr wird es zukünftig nicht mehr möglich sein, Rechtsschriften und Beilagen den Gerichten und (Strafverfolgungs-) Behörden in Papierform einzureichen, sondern nur noch elektronisch.

Dies führt zu einer Änderung der Arbeitsweise, aber nicht zu Mehrkosten. Mehrkosten können durch notwendige Anpassungen der Infrastruktur, erhöhten Personalbedarf oder erhöhten Zeitaufwand entstehen.

Infrastruktur: Um Rechtsschriften und Beilagen an ein Gericht oder eine Behörde zu übermitteln, wird ein Computer zum Erstellen der Rechtsschriften benötigt. Von der 71 / 82

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Mandantschaft übergebene Unterlagen müssen digitalisiert werden. Zudem muss ein Internetanschluss vorhanden sein. Allenfalls bietet die Anwaltssoftware eine Schnittstelle zur Plattform an, ansonsten muss ein Browser benutzt werden. All diese Voraussetzungen sind bereits heute bei der Anwaltschaft gegeben.

Personalbedarf: Beim Einsatz dieser Infrastruktur ist kein erhöhter Personalbedarf ersichtlich. Das Speichern der eingescannten Dokumente kann direkt über ein an das Multifunktionsgerät angeschlossenes Speichermedium (USB-Stick) erfolgen, mittels mitgelieferter Software auf einen angeschlossenen Computer oder auf einem Netzwerkspeicher.

Zeitaufwand: Bei den übergebenen Unterlagen macht es keinen zeitlichen Unterschied, ob diese einmalig kopiert oder eingescannt werden. Hingegen fällt der Mehraufwand weg für das Kopieren/Ausdrucken mehrerer Exemplare. Auch gibt es eine zeitliche Entlastung, wenn Akten von einer Behörde elektronisch zugesendet und direkt weiterbearbeitet werden können. Insgesamt ist kein zeitlicher Mehraufwand ersichtlich. Im Gegenteil, der Zeitbedarf wird eher reduziert werden.

Zusätzlich ergeben sich auch Einsparungen bei den Übermittlungskosten (Wegfall der Portokosten). Auch wenn die Anwaltschaft als Branche besonders stark betroffen ist und die Arbeitsweise geändert werden muss (statt kopieren einscannen, statt der Post übergeben die Plattform benutzen etc.), entstehen der Anwaltschaft keine Mehrkosten.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Das BEKJ hat wenig unmittelbare Auswirkung auf die Gesellschaft.

Für Personen, die dem Obligatorium nicht unterstehen, ändert sich am bisherigen Ablauf in der Justiz nichts. Diese Personen können weiterhin mit Gerichten und Behörden auf dem postalischen Weg kommunizieren. Neu ist allerdings, dass ihnen ebenfalls die Möglichkeit gegeben wird, auf einfache und sichere Weise mit Gerichten und Behörden elektronisch zu kommunizieren und so auch von den Vorteilen des elektronischen Rechtsverkehrs zu profitieren. Der diesbezügliche Entscheid liegt bei den jeweiligen Personen selbst.

Für die professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender führt das Obligatorium dazu, dass sie zukünftig nur noch elektronisch mit Gerichten und Behörden kommunizieren dürfen. Ebenfalls müssen diese Personen die Rechtsschriften und Beilagen in digitaler Form einreichen. Ein Mehraufwand für die professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender ist durch die Einreichung in digitaler Form nicht ersichtlich: ­

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Situation heute: Die professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender verfassen ihre Rechtsschriften elektronisch am Computer. Danach werden sie ausgedruckt und unterzeichnet. Je nach Verfahren muss ein Exemplar für das Gericht und noch ein Exemplar für jede andere am Verfahren beteiligte Person eingereicht werden. Ebenfalls erhalten die professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender von ihren Kundinnen und Kunden Dokumente, die als Beweismittel eingereicht werden. Diese Dokumente werden

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(mehrfach) kopiert oder eingescannt und danach (mehrfach) wieder ausgedruckt. Zuletzt werden Rechtsschriften und Beilagen in einen Umschlag verpackt, frankiert und der Post übergeben.

­

Situation zukünftig: Die professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender verfassen ihre Rechtsschriften weiterhin elektronisch am Computer.

Statt die Rechtsschriften (mehrfach) auszudrucken, reicht die Umwandlung in ein von der Plattform akzeptiertes Format. Gängige Textverarbeitungsprogramme können direkt auf Knopfdruck eine solche Umwandlung vornehmen, z. B. in ein PDF-Dokument. Von den Kundinnen und Kunden übergebene Dokumente werden nicht mehr (mehrfach) kopiert, sondern ein einziges Mal eingescannt, sofern die Unterlagen nicht schon in elektronischer Form vorliegen.

Die Zusammenstellung der Rechtsschrift und der Beilagen erfolgt ebenfalls elektronisch am Computer. Ist alles zusammengestellt, dann authentifizieren sie sich an der Plattform und übermitteln die Dokumente an die Plattform für die Zustellung. Aufgrund der bereitgestellten Schnittstelle können die professionellen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender dies allenfalls auch direkt aus ihrer Fachapplikation erledigen. Für die Benutzung der Plattform über die Benutzeroberfläche sind jedoch keine speziellen Programme erforderlich.

Mit der Schaffung der Plattform präsentiert sich die Schweizer Justiz modern. Durch die elektronische Akte wird die Zusammenarbeitsfähigkeit gesteigert und werden Verfahren beschleunigt. Dies fördert das Vertrauen in die Schweizer Justiz.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt. Grundsätzlich sollte ein vermehrter Wechsel von physischer zu elektronischer Abwicklung von Geschäften per Saldo Ressourcen einsparen und sich entsprechend vorteilhaft für die Umwelt auswirken.

6.6

Andere Auswirkungen

Da keine negativen oder lediglich vernachlässigbaren Auswirkungen auf die Volkswirtschaft oder auf Unternehmen zu erwarten sind, wird auf eine weitergehende formelle Regulierungsfolgeabschätzung verzichtet.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage sieht die Schaffung eines neuen Bundesgesetzes über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz sowie Anpassungen diverser Verfahrensgesetze vor.

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Nach Artikel 92 der BV ist das Post- und Fernmeldewesen Sache des Bundes (Abs. 1) und er hat für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung zu sorgen (Abs. 2).

Indem der Bund zusammen mit den Kantonen eine Körperschaft gründet, deren Aufgabe es ist, eine Plattform aufzubauen und zu betreiben für die elektronische Übermittlung von Verfahrensdokumenten in der Justiz, kommt er seiner Aufgabe gemäss Artikel 92 BV nach.

Die Kompetenz zur Regelung eines Obligatoriums für den elektronischen Rechtsverkehr und von Leistungen der Plattform bzw. der Körperschaft, die nicht direkt die elektronische Kommunikation betreffen, ergibt sich aus den Zuständigkeiten des Bundes im Bereich des Verfahrensrechts. Dies sind die Artikel 122 Absatz 1 und 123 Absatz 1 BV für das Zivil-, Straf- und Militärstrafprozessrecht und für das Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahrensrecht des Bundes die inhärente Kompetenz des Bundes, das Verfahrensrecht für seine Organe zu erlassen. Entsprechend wird das kantonale Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren vom Obligatorium gemäss den vorgesehenen Änderungen der Verfahrensgesetze des Bundes nicht erfasst.

Es ist den Kantonen überlassen, ob sie das Obligatorium in ihrer eigenen Gesetzgebung auf die kantonalrechtlichen Verfahren ausweiten.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den bestehenden internationalen Verpflichtungen vereinbar, insbesondere mit den Verpflichtungen aus dem Abkommen vom 21. Juni 199990 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) und dem Übereinkommen vom 4. Januar 196091 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Konvention). Bei der Erarbeitung der Vorlage wurde darauf geachtet, dass auch andere staatlich anerkannte elektronische Identitätsnachweise für die Benutzung der Plattform anerkannt werden können.

Dies betrifft insbesondere die elektronischen Identitätsnachweise gemäss eIDAS-Verordnung, da EU/EFTA-Anwältinnen und -Anwälte auch in der Schweiz berufsmässig auftreten können. Über die entsprechende Anerkennung ausländischer staatlicher elektronischer Identifikationsnachweise entscheidet der Bundesrat unter Berücksichtigung der bestehenden internationalen Verpflichtungen, insbesondere betreffend diejenigen, die sich aus dem Freizügigkeitsabkommen und der EFTA-Konvention ergeben.

7.3

Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen sind. Der Erlass untersteht dem fakultativen Referendum.

90 91

SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

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7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit Artikel 34 des BEKJ wird eine Subventionsbestimmung geschaffen, die nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte bedürfte, wenn sie einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken nach sich ziehen würde. Die einmaligen Kosten für den Bund liegen aber unter diesem Schwellenwert. Daher ist die Bestimmung nicht der Ausgabenbremse zu unterstellen.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Subsidiaritätsprinzip Bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten (Art. 5a BV). Gemäss Artikel 43a Absatz 1 BV übernimmt der Bund nur die Aufgaben, welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen.

Gleichzeitig hat der Bund den Kantonen ausreichend Raum für die Aufgabenerfüllung zu überlassen. Indem der Bund mit den Kantonen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft für den Betrieb der zentralen Plattform gründet sowie Raum offenlässt für weitere Plattformen, trägt er dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung.

Prinzip der fiskalischen Äquivalenz Nach dem in Artikel 43a Absätze 2 und 3 BV statuierten Prinzip der fiskalischen Äquivalenz trägt das Gemeinwesen, in dem der Nutzen einer staatlichen Leistung anfällt, deren Kosten; das Gemeinwesen, das die Kosten einer staatlichen Leistung trägt, kann über die Leistungen bestimmen.

Mit der vorgesehenen Gebührenregelung in Artikel 32 BEKJ erhebt die Körperschaft von den Behörden Gebühren für die Benutzung der zentralen Plattform zur Deckung der Kosten von Betrieb und Weiterentwicklung. Der Bundesrat legt die Gebühren fest und kann Pauschalen vorsehen. Bei der Festlegung der Gebührenhöhe orientiert er sich am Nutzen der verschiedenen Gemeinwesen an der zentralen Plattform. Dieser wird an der Anzahl Verfahren pro Gemeinwesen gemessen.

Damit wird einerseits der fiskalischen Äquivalenz Rechnung getragen, weil die Gebühren bei dem Gemeinwesen erhoben werden, das den Nutzen daraus zieht. Zudem kann die Erhebung von Pauschalen dafür sorgen, dass kein übermässiger Aufwand bei den einzelnen Gemeinwesen für die Erhebung der Gebühren entsteht (vgl.

Art. 32 BEKJ).

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7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199092

Bei der unentgeltlichen Übertragung der von Bund und Kantonen aufgebauten zentralen Plattform an die öffentlich-rechtliche Körperschaft handelt es sich um einen einmaligen Vorgang. Danach werden der Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattform durch die Körperschaft sichergestellt (Erhebung von Gebühren). Somit entsteht keine dauerhafte Subvention, die laufend gesteuert und überprüft werden müsste. Die Übertragung der Plattform an die Körperschaft trägt zur kostengünstigen Erreichung der in Ziffer 1.1 genannten Ziele bei.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

7.7.1

Zuständigkeit zum Erlass des Verordnungsrechts

Der Entwurf enthält mehrere Delegationen von Rechtssetzungsbefugnissen an den Bundesrat. Das Bundesgericht vertritt die Meinung, dass es sachgerecht sei, die Rechtssetzungsbefugnisse dem Bundesgericht zu übertragen.

Gemäss dem Verfahrensprotokoll zwischen dem Bundesrat und dem Bundesgericht bei Vernehmlassungen zu Gesetzen im Allgemeinen und betreffend die Stellung des Bundesgerichts im Besonderen vom 1. Mai 199893 ist das Bundesgericht in sämtliche Stadien der Erarbeitung der Vorlage miteinzubeziehen, wenn eine Vorlage die Stellung des Bundesgerichts, seine Zuständigkeiten, seine Autonomie, Organisation, Verwaltung, sein Personal oder Budget betrifft (Ziff. 4 des Protokolls). Bei der Erarbeitung der Vorlage war das Bundesgericht in sämtlichen Stadien gemäss dem Verfahrensprotokoll einbezogen.

7.7.2

Stellungnahme Bundesgericht

Das Bundesgericht sowie zahlreiche kantonale Obergerichte sind der Ansicht, dass die Kompetenz zum Erlass von Verordnungen der zukünftigen Justizplattformen nach dem BEKJ aus Gründen der Gewaltenteilung und der Verwaltungsautonomie der Justiz nicht bei der Exekutive, sondern bei der Judikative liegen sollte (vgl. Art. 188 Abs. 3 BV).

Das Bundesgericht besitzt alle erforderlichen Kompetenzen, um Ausführungsverordnungen zu erlassen und bei den betroffenen Behörden und Organisationen eine Vernehmlassung durchzuführen. Es stellt sich zur Verfügung, dies im Zusammenhang mit der elektronischen Kommunikation im Justizbereich vorzunehmen. In der Vergangenheit hat es dies zur Zufriedenheit aller Beteiligten im Bereich der Schuldbetreibung und des Konkurses getan.

92 93

SR 616.1 Vgl. BBl 2004 1549

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Das Bundesgericht kennt aufgrund seiner Beteiligung am Projekt Justitia 4.0 die Herausforderungen der elektronischen Kommunikation besser als der Bundesrat und das EJPD. Deswegen ist es besonders dazu geeignet, dafür zu sorgen, dass die Ausführungsverordnungen zum BEKJ dem tatsächlichen Betrieb der zukünftigen Justizplattformen nach dem BEKJ entsprechen und den tatsächlichen Bedürfnissen der kantonalen und eidgenössischen Justizbehörden (Gerichte und Staatsanwaltschaften) gerecht werden. Dies gilt umso mehr, als das Bundesgericht bereits heute (vgl. Art. 42 Abs. 4 BGG) und auch in Zukunft für seine Verfahren (vgl. Art. 38a E-BGG) befugt ist, selbst ein Reglement über die elektronische Übermittlung von Rechtsschriften zu erlassen.

In einigen Bereichen vertritt das Bundesgericht die Ansicht, dass die Verordnungskompetenz nicht dem Bundesrat, dem Bundesgericht oder dem EJPD übertragen werden sollte, sondern der durch das BEKJ geschaffenen öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Es handelt sich dabei um rein technische Bereiche, die in keiner Weise die Rechte der Rechtssuchenden einschränkten. Darüber hinaus ist die Legitimität solcher Ausführungsbestimmungen wesentlich höher, wenn sie von einer Versammlung verabschiedet werden, in der die Kantone und der Bund vertreten sind. Es handelt sich um folgende Bereiche: ­

Artikel 19 Absatz 3 BEKJ: Technische Anforderungen an die Schnittstellen zu den Anwendungen.

­

Artikel 20 Absatz 2 BEKJ: Regelung der auf den Plattformen verwendbaren elektronischen Identitätsnachweisen.

­

Artikel 22 Absatz 6 BEKJ: Form und Inhalt der Quittungen sowie die maximale Aufbewahrungsfrist der Dokumente und Quittungen.

­

Artikel 25 Absatz 3 BEKJ: Technische Anforderungen an die Interoperabilität mit der Plattform.

­

Artikel 29 Absatz 4 BEKJ: Digitalisierungsverfahren innerhalb der Justizbehörden.

­

Artikel 32 Absatz 2 BEKJ: Gebührentarif für die Nutzung der Plattform.

­

Artikel 21a und Artikel 34 Absatz 1bis E-VwVG (sowie auch die ähnlich lautenden Bestimmungen in den anderen Prozessgesetzen): Festlegung des Formats der Dokumente, die von der Plattform zur Übermittlung an die Justizbehörden zugelassen werden. In diesem Zusammenhang sollte jedoch die Zuständigkeit für das SchKG in Bezug auf die aussergerichtlichen Verfahrensschritte beim Bundesrat belassen werden (Art. 33b Abs. 1 E-SchKG).

7.7.3

Delegation an den Bundesrat

Es wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig, dem Bundesgericht die entsprechenden Kompetenzen einzuräumen. Jedoch ist eine Regelungskompetenz des Bundesrats aufgrund nachfolgender Überlegungen passender: ­

Es wäre im Sinn der Gewaltenteilung problematisch, wenn dieselbe Instanz die Detail-Regelungen erliesse, die als Kooperationspartner in eigenen Inte77 / 82

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ressen betroffen wäre und letztinstanzlich sowohl über ihre Gesetzeskonformität als auch über ihre richtige Anwendung entschiede. Dies brächte das Risiko von Interessenkonflikten und einen Anschein der Befangenheit mit sich.

­

Das Vernehmlassungsrecht erfasst die Verordnungen des Bundesrats, nicht aber diejenigen des Bundesgerichts. Dies hat der Gesetzgeber unter anderem darum so vorgesehen, weil die Vernehmlassung eng in die politischen Prozesse eingebunden ist, von denen die Gerichte gerade unabhängig zu sein haben. Dass aber eine Vernehmlassung zum Verordnungsrecht durchgeführt wird, ist insbesondere für die Kantone ein wichtiges Mittel, um ihre Interessen zu wahren, denn die Hauptlast der gerichtlichen Verfahren liegt bei den Kantonen.

­

Im Rahmen der Totalrevision der Bundesrechtspflege wurden die Rechtssetzungsbefugnisse des Bundesgerichts auf Erlasse ohne erhebliche Tragweite beschränkt. Es wurde dabei von sachfremden Aufsichts- und Rechtssetzungsaufgaben entlastet, bei denen es keine zwingenden Gründe für die Durchbrechung des funktionellen Gewaltenteilungsprinzips gibt.94 Auch bei dieser Vorlage gibt es keine zwingenden Gründe für eine solche Durchbrechung.

Anlässlich einer Aussprache zwischen dem Bundeskanzler, dem Direktor des Bundesamts für Justiz und dem Generalsekretär des Bundesgerichts konnte bezüglich der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen keine Einigkeit erreicht werden. Die Frage bezüglich der Delegation der Rechtsetzungsbefugnisse wurde alsdann den Vernehmlassungsadressatinnen und -adressaten unterbreitet.

17 Kantone, die SP sowie sechs weitere Organisationen (unter anderem die KKJPD) befürworten die grundsätzliche Delegation an den Bundesrat. Drei Kantone, 13 Gerichte und Justizverwaltungen (unter anderem die Gerichte der schweizerischen Eidgenossenschaft) und die Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter unterstützen die grundsätzliche Delegation an das Bundesgericht. Aufgrund des klaren Vernehmlassungsergebnisses wird an der grundsätzlichen Delegation der Verordnungskompetenz an den Bundesrat festgehalten.

7.7.4

Delegationsinhalte

Schnittstellen Artikel 19 Absatz 2 sieht Schnittstellen vor für die Anbindung von Anwendungen an die zentrale Plattform. Der Bundesrat soll diese Schnittstellen regeln können. Damit wird sichergestellt, dass einzelne Anwendungsherstellerinnen weder bevorzugt noch benachteiligt werden.

Elektronische Identitätsnachweise und Mittel zur Authentifizierung Für die Benutzung der Plattform sieht der Entwurf eine Authentifizierung mittels eines elektronischen Identitätsnachweises vor. Primär liegt der Fokus auf dem neu-

94

Vgl. BBl 1997 489 f., BBl 2001 4357 und 4443 f., BBl 2004 559 f.

78 / 82

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en E-ID-Gesetz95. Aufgrund des Freizügigkeitsabkommen mit der EU können EU-Anwältinnen und -Anwälte auch vor schweizerischen Gerichten auftreten; diese Anwältinnen und Anwälte sollen ebenfalls dem Obligatorium unterstellt werden.

Ohne die schweizerische Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in der Schweiz zu haben, können diese Personen keine elektronischen Identitätsnachweise gemäss dem neuen E-ID-Gesetz erhalten. Artikel 20 Absatz 2 BEKJ sieht deswegen vor, dass der Bundesrat weitere Mittel zur Authentifizierung zulassen kann für Personen, denen kein elektronischer Identitätsnachweis ausgestellt werden kann.

Quittungen Der Entwurf sieht weiter vor, dass bei sämtlichen Eingaben und erstmaligen Zustellungen Quittungen ausgestellt werden. Die Bestimmung des Inhalts dieser Quittungen wird gemäss Artikel 22 Absatz 6 BEKJ an den Bundesrat delegiert. Dies entspricht auch dem heutigen Recht: Artikel 2 Buchstabe b VeÜ-ZSSV regelt die Anforderungen an die Quittungen der heutigen anerkannten Zustellplattformen.

Interoperabilität und Bewilligungsverfahren Aufgrund der Abweichung von der Ein-Plattform-Strategie kann es zukünftig mehr als eine Plattform geben. Es muss sichergestellt werden, dass die verschiedenen Plattformen interoperabel sind. Deswegen sieht der Entwurf in Artikel 25 vor, dass die Plattformen eine Bewilligung benötigen und der Bundesrat das Bewilligungsverfahren und die Anforderungen an die Interoperabilität regelt.

Datensicherheit Die Plattform wird zukünftig ein zentrales Element der Schweizer Justiz darstellen.

Die zentrale Aufgabe ist es, Dokumente (Eingaben, Verfügungen, Entscheide etc.) zu versenden, zu empfangen sowie Akteneinsicht und Aktenweitergabe zu gewähren.

Hierbei handelt es sich teilweise um höchst sensible Daten und dementsprechend muss eine hohe Datensicherheit gewährleistet sein. Artikel 28 Absatz 3 BEKJ sieht vor, dass der Bundesrat die Anforderungen an die Datensicherheit regelt und dass dabei die allgemeinen Standards zu beachten sind.

Digitalisierung von physischen Dokumenten Obwohl das BEKJ eigentlich nur die Plattform sowie den elektronischen Austausch von Dokumenten regelt, macht es durchaus Sinn, auch die Digitalisierung ­ also das Scannen (digitale Einlesen) von papierenen Eingaben und Dokumenten und die Speicherung des eingelesenen Inhalts in elektronischen
Dokumenten ­ an einem Ort zusammenzufassen. Somit wird gewährleistet, dass das Digitalisierungsverfahren in allen Prozessgesetzen gleich ist. Dem Bundesrat kommt nach Artikel 29 Absatz 4 BEKJ die Regelungskompetenz zu, zu bestimmen, wie papierne Eingaben und Dokumente durch die Gerichte und Behörden digitalisiert werden müssen.

95

Vgl. www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EJPD.

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Gebühren Für die Benutzung der Plattform sieht Artikel 32 Absatz 2 BEKJ Gebühren vor, welche vom Bundesrat festgelegt werden.

7.7.5

Verordnungs- und Regelungskompetenzen in den Prozessgesetzen (Änderung anderer Erlasse)

Nach geltendem Recht bestimmt der Bundesrat das Format der Eingabe und ihrer Beilagen (z. B. Art. 21a Abs. 4 Bst. a VwVG, Art. 130 Abs. 2 Bst. a ZPO, Art. 110 Abs. 2 Bst. a StPO). Eine Ausnahme hierzu findet sich bei Verfahren vor Bundesgericht nach dem BGG. Gemäss Artikel 42 Absatz 4 Buchstabe a BGG bestimmt das Bundesgericht in einem Reglement das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen. Dies wird im Entwurf weiterhin so beibehalten. Dem Bundesrat wird weiterhin die Verordnungskompetenz bezüglich Format der Dokumente zugeteilt, ausser bei Verfahren nach dem BGG. Nach Artikel 16a ZertES kann der Bundesrat die technischen Normen zur Validierung von Signaturen und Quittungen festlegen.

7.8

Datenschutz

Die Regeln des Datenschutzrechts sind ausreichend, um den Datenschutz im Bereich des BEKJ sicherzustellen.

Die öffentliche-rechtliche Körperschaft betreibt die zukünftige zentrale Plattform.

Auf diese ist Bundesrecht anwendbar, also auch die Bestimmungen über den Datenschutz. Die Kantone können eigene Plattformen betreiben. Diese unterstehen jedoch dem kantonalen Recht und somit auch dem kantonalen Datenschutzrecht. Über diese Plattformen können Gerichte, Behörden und weitere Personen miteinander in Justizverfahren kommunizieren. Um die Plattform benutzen zu können, müssen sich die Personen gegenüber der Plattform authentifizieren, danach können sie Dokumente empfangen und an die Plattform übermitteln.

Da es sich dabei teilweise um sehr sensible Daten handelt, werden strikte Vorgaben in Bezug auf die Datensicherheit gemacht. Zum einen muss die Plattform die Datenbearbeitung und -einsicht automatisch protokollieren. Zum anderen muss sie eine Aufsicht bezeichnen, die regelmässig die Datensicherheit der Plattform prüft.

Der Bundesrat regelt Anforderungen an die Datensicherheit, wobei er allgemein anerkannte Standards, die Bestimmungen der Datenschutzverordnung vom 31. August 202296 sowie der Cyberrisikenverordnung vom 27. Mai 202097 berücksichtigen wird.

Gegenüber den bisherigen, auf Papier durchgeführten Verfahren wird die Plattform sehr viel mehr Randdaten erheben, unter anderem Daten darüber, wer sich mit welchem elektronischen Identitätsnachweis wann an der Plattform authentifiziert und welche Dokumente versendet und empfangen werden.

96 97

AS 2022 568 SR 120.73

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Die Körperschaft, welche die zentrale Plattform betreibt, sowie die Kantone, welche eigene Plattformen betreiben, hat keine Absicht, Gewinn zu erzielen. Die Erhebung dieser Randdaten und die automatische Protokollierung sind wichtige Daten, um die Sicherheit der Plattformen gewährleisten und verbessern zu können. Die Erhebung der Personendaten durch automatisierte Protokollierung, Audit-Trails und andere Werkzeuge dient letztlich dazu, die Datensicherheit auf den Plattformen zu stärken.

Zudem wird der EDÖB als datenschutzrechtliche Aufsicht über alle Plattformen eingesetzt; auch über jene, die von den Kantonen betrieben werden. Damit wird sichergestellt, dass der Datenschutz und die Datensicherheit auf jeder Plattform auf gleich hohem Niveau liegen.

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