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Handlungsgrundsätze der Gerichtskommission für die Vorbereitung der Wahlen vom 15. Februar 2023

Die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung, gestützt auf Artikel 40a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20021 (ParlG), beschliesst folgende Handlungsgrundsätze:

Art. 1

Geltungsbereich

Diese Handlungsgrundsätze gelten für die Vorbereitung der Wahl und der Wiederwahl der Personen gemäss Artikel 40a Absatz 1 ParlG sowie des Präsidenten oder der Präsidentin und des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin der eidgenössischen Gerichte.

Art. 2

Allgemeine Grundsätze

Die Kommission achtet auf Vertraulichkeit und Gleichbehandlung. Bei den Kandidatinnen und Kandidaten achtet sie insbesondere auf die fachliche und persönliche Qualifikation. Im Übrigen achtet sie auf die Sprachkenntnisse, die politische Repräsentativität sowie auf eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter.

1

Zur Vorauswahl der Bewerbungen setzt sie jeweils für die Dauer einer Legislaturperiode eine Subkommission ein, der pro Fraktion ein Mitglied angehört. Die Vorsitzdauer in der Subkommission beträgt zwei Jahre. Die Präsidentin oder der Präsident der Kommission nimmt mit beratender Stimme an den Sitzungen der Subkommission teil.

2

Art. 3

Ausschreibung

Die Kommission schreibt die in Artikel 40a Absatz 2 ParlG aufgeführten Stellen aus. Sie kann auch die in Artikel 23 Absatz 2 Buchstaben b und c des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 20102 genannten Anwaltsstellen und Stellen für Fachpersonen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) ausschreiben.

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Die Präsidentin oder der Präsident der Subkommission verabschiedet die Ausschreibung, in der folgende Punkte anzugeben sind: 2

a.

die Hauptarbeitssprache;

b.

der Beschäftigungsgrad;

c.

das gesuchte Profil;

d.

die untervertretenen Parteien;

e.

die einzureichenden Unterlagen: Lebenslauf, Kopien von Diplomen und Arbeitszeugnissen, Kontaktdaten von mindestens zwei Referenzpersonen, Betreibungs- und Strafregisterauszug sowie Liste von Publikationen, sofern vorhanden.

Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen in eidgenössischen Angelegenheiten stimmberechtigt sein; Dies gilt nicht für die Anwaltsstellen und Stellen für Fachpersonen in der AB-BA.

3

Die Ausschreibungen werden auf Deutsch, Französisch und Italienisch in den nationalen Printmedien veröffentlicht. Sie werden auch auf der Webseite der Kommission und im elektronischen Stellenanzeiger des Bundes aufgeschaltet. Die Fraktionen werden über die Ausschreibung informiert.

4

Das Kommissionssekretariat bestätigt den Eingang der Bewerbungen und sortiert die Bewerbungen aus, welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Es übermittelt dem Fraktionssekretariat die Bewerbungen von Personen, die angegeben haben, Mitglied der entsprechenden Partei zu sein oder dieser nahezustehen.

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Art. 4

Vorauswahl durch die Subkommission

Die Subkommission tagt in der Regel einmal pro Quartal. Sie nimmt Kenntnis von den eingegangenen Bewerbungen. Für die Bewerbungen um Richterstellen am Bundespatentgericht können das Institut für Geistiges Eigentum sowie die im Patentwesen tätigen Fachorganisationen und interessierten Kreise angehört werden (Art. 9 Abs. 4 des Patentgerichtsgesetzes vom 20. März 20093).

1

Die Subkommission bezeichnet die Personen, die zu einer Anhörung vor der Kommission eingeladen werden.

2

Ein Mitglied der Subkommission, das nicht derselben Partei angehört wie die Kandidatin oder der Kandidat, wird beauftragt, Auskünfte bei den in der Bewerbung angegebenen Referenzpersonen einzuholen.

3

Die Personen, die von der Subkommission nicht für eine Anhörung vorgeschlagen werden, können ihre Bewerbung zurückziehen; ihr Name erscheint nicht auf der Liste, die an die Kommission gesendet wird.

4

Den Mitgliedern der Kommission wird Einsicht in alle nicht zurückgezogenen Bewerbungsdossiers beim Kommissionssekretariat gewährt.

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Art. 5

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Anhörung vor der Kommission

Die Kommission erhält die Bewerbungen der von der Subkommission für eine Anhörung vorgeschlagenen Personen. Sie erhält auch die Liste der Personen, die ihre Bewerbung nicht zurückgezogen haben; Sie kann verlangen, dass einige dieser Personen angehört werden.

1

2

Die Anhörung findet vor Ort statt.

Die Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich zu Beginn der Anhörung in der Amtssprache ihrer Wahl vor. Jedes Kommissionsmitglied kann anschliessend Fragen in der Amtssprache seiner Wahl stellen. Nachdem die angehörte Person den Raum verlassen hat, erstattet das zuständige Mitglied der Subkommission Bericht über die Auskünfte der Referenzpersonen.

3

Die Kommission hört die Kandidatinnen und Kandidaten an, um ihre Fach-, Selbst-, Sozial- und Führungskompetenzen zu beurteilen.

4

Art. 6

Beratung und Beschlussfassung

Die Beratung der Kommission erfolgt nach Abschluss aller Anhörungen. Die Kommission entscheidet wenn möglich im Konsensverfahren, sonst per Abstimmung, welche Kandidatinnen und Kandidaten geeignet sind.

1

Gibt es mehr geeignete Kandidatinnen und Kandidaten als zu besetzende Stellen und einigt sich die Kommission nicht im Konsens, wird abgestimmt. Abstimmungen erfolgen per Handerheben oder auf Antrag mindestens eines Kommissionsmitglieds geheim.

2

Sind mehr als zwei Personen pro zu besetzender Stelle im Rennen, gelten folgende Regeln: 3

a.

Im ersten Wahlgang gibt jedes Kommissionsmitglied einer Kandidatin oder einem Kandidaten seine Stimme. Erreicht keine Kandidatin oder Kandidat das absolute Mehr, findet ein zweiter Wahlgang statt. Die Kandidatin oder der Kandidat mit den wenigsten Stimmen scheidet aus.

b.

Es finden so lange Wahlgänge statt, bis eine Kandidatin oder ein Kandidat das absolute Mehr erreicht.

c.

Enthaltungen werden bei der Berechnung des absoluten Mehrs nicht mitgezählt.

Art. 7

Konsultation der Fraktionen

Die Kommission konsultiert die Fraktionen, bevor sie ihren endgültigen Entscheid fällt. Sie unterbreitet ihnen eine Wahlempfehlung, zu der diese in der ersten Sessionswoche Stellung nehmen können. Das Sekretariat informiert die empfohlenen Personen über das Vorgehen.

1

Nach Kenntnisnahme der Stellungnahmen der Fraktionen formuliert die Kommission ihren endgültigen Wahlvorschlag auf dem Korrespondenzweg oder, bei abwei2

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chenden Anträgen der Fraktionen, in einer zusätzlichen Sitzung. Es kann ein Minderheitsantrag an die Vereinigte Bundesversammlung eingereicht werden.

Art. 8

Vorbereitung der Wiederwahl

Spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt der Gesamterneuerung bittet die Kommission das betreffende Gericht oder Organ, ihr die Liste der Mitglieder zukommen zu lassen, die sich zur Wiederwahl stellen.

1

Die Kommission ersucht die Geschäftsprüfungskommissionen und die Finanzdelegation, ihr allfällige Feststellungen zur Kenntnis zu bringen, welche die fachliche oder persönliche Eignung der Personen, die sich zur Wiederwahl stellen, ernsthaft infrage stellen.

2

Reicht eines ihrer Mitglieder einen Antrag auf Nichtwiederwahl ein, so hört die Kommission die betreffende Person an und wendet die Handlungsgrundsätze der Gerichtskommission vom 3. März 20114 zum Verfahren der Kommission im Hinblick auf eine Amtsenthebung oder eine Nichtwiederwahl an.

3

Gemäss Artikel 15 der erwähnten Handlungsgrundsätze muss jeder Antrag auf Nichtwiederwahl spätestens an der Sitzung eingereicht werden, die jener Sitzung vorausgeht, an der die Kommission die endgültige Liste der Kandidierenden verabschiedet, die sie zur Wiederwahl vorschlägt.

4

Art. 9

Vorbereitung der Wahl der Gerichtspräsidien

Beim Bundesgericht (Art. 15 Abs. 1 Bst. e des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20055), beim Bundesstrafgericht (Art. 53 Abs. 2 Bst. b Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 20106) und beim Bundesverwaltungsgericht (Art. 16 Abs. 1 Bst. f des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20057) unterbreitet das jeweilige Gesamtgericht der Bundesversammlung einen Vorschlag für die Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin und des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin.

1

Die Kommission nimmt Kenntnis vom Vorschlag des jeweiligen Gesamtgerichts und hört die vorgeschlagenen Personen an. Sie kann eine Überprüfung des Vorschlags oder einen neuen Vorschlag vom Gericht verlangen.

2

Die Kommission unterbreitet der Vereinigten Bundesversammlung ihren Wahlvorschlag, welcher sich von demjenigen des jeweiligen Gesamtgerichts unterscheiden kann. In diesem Fall hört sie mindestens die neu vorgeschlagenen Personen und das Gerichtspräsidium an.

3

Art. 10

Mitteilung der Wahlvorschläge

Die Kommission richtet ihre Wahl- und Wiederwahlvorschläge spätestens in der zweiten Sessionswoche in einem Bericht an die Vereinigte Bundesversammlung. Sie 4 5 6 7

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informiert die Öffentlichkeit mit einer Medienmitteilung über ihre Vorschläge, nachdem die betroffenen Personen in Kenntnis gesetzt worden sind.

Art. 11

Inkrafttreten

Diese Handlungsgrundsätze treten am 15. Februar 2023 in Kraft.

15. Februar 2023

Für die Gerichtskommission der Bundesversammlung Der Präsident: Matthias Aebischer

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