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23.030 Botschaft zum Bundesgesetz über den Wasserbau vom 10. März 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Wasserbaugesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. März 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-0777

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Übersicht Die Hochwasserrisiken sind bereits heute erheblich und werden aufgrund der fortschreitenden Siedlungsentwicklung und des Klimawandels weiter stark ansteigen.

Um sie zu begrenzen, soll künftig die Risikosituation umfassend beurteilt und neben dem Errichten von Schutzbauten sollen auch weitere Massnahmen ergriffen werden. Damit der Hochwasserschutz optimal gewährleistet werden kann, ist das fast 30-jährige Bundesgesetz über den Wasserbau punktuell an die Entwicklungen anzupassen.

Ausgangslage Das Bundesgesetz über den Wasserbau vom 21. Juni 1991 (im Folgenden Wasserbaugesetz genannt) legte die Grundlage für einen damals modernen Hochwasserschutz in der Schweiz und gab insbesondere den ökologischen Aspekten des Wasserbaus sowie raumplanerischen Massnahmen mehr Gewicht. Seither hat sich jedoch die Praxis im Umgang mit Naturgefahren in Richtung eines integralen Risikomanagements weiterentwickelt. Darunter ist ein systematisches Vorgehen zu verstehen, bei dem Gefahren und Risiken analysiert und bewertet werden; darauf basierend sollen optimale Kombinationen von Massnahmen umgesetzt werden. Der Bericht «Umgang mit Naturgefahren in der Schweiz» in Erfüllung des Postulats Darbellay vom 14. Dezember 2012 (12.4271 «Besserer Infrastrukturschutz vor Steinschlägen, Erdrutschen, Fels- und Bergstürzen») hat Lücken in den rechtlichen Grundlagen für die Umsetzung des integralen Risikomanagements identifiziert. Zudem wird immer deutlicher, dass die Hochwasserrisiken ­ also die Überlagerung von Gefahr und Nutzung ­ durch die Siedlungsentwicklung, den Ausbau der Infrastrukturen sowie den Klimawandel stark zunehmen werden.

Inhalt der Vorlage Im Rahmen der Änderung des Wasserbaugesetzes wird das in der Praxis weitgehend etablierte integrale Risikomanagement ins Gesetz aufgenommen. Dazu werden u. a.

der Begriff «Risiko» sowie die integrale und risikobasierte Planung eingeführt. Die Betrachtung des Risikos erlaubt es, das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Massnahmen zu beurteilen und die vorhandenen Ressourcen effizient einzusetzen. Zudem tragen risikobasierte Massnahmen dazu bei, die erreichte Sicherheit auch langfristig zu gewährleisten, denn sie verhindern, dass das Schadenpotenzial unter dem Eindruck einer scheinbar gebannten Gefahr unkontrolliert zunimmt. Weiter sollen künftig alle Arten von Massnahmen
berücksichtigt werden, die das Risiko reduzieren, zumal deren Wirkung vielfältig ist: Während Schutzbauten die Gefahr vermindern, begrenzen raumplanerische Massnahmen und der Unterhalt das Schadenpotenzial. Organisatorische Massnahmen vor und während eines Ereignisses dämmen dessen Ausmass ein.

Zudem sollen die bereits bestehenden Gefahrengrundlagen um Risikoübersichten und Gesamtplanungen für den Schutz vor Naturgefahren ergänzt werden.

Um der erwarteten Risikoentwicklung mit einer optimalen Massnahmenkombination zu begegnen, sollen Fehlanreize beseitigt werden. Bestehende Lücken sollen geschlossen und alle Massnahmen gleich abgegolten werden. So sollen auch Massnahmen wie 2 / 36

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Abklärungen zur Berücksichtigung der Risiken in der Raumplanung oder die Mitnutzung von Speicherseen gefördert werden. Ebenso soll nicht nur der periodische, sondern auch der regelmässige Gewässerunterhalt als Beitrag zum Hochwasserschutz finanziell unterstützt werden. Damit sind kleinere, regelmässige Eingriffe gemeint, welche die Lebensdauer der Schutzbauten verlängern. In der nationalen Zusammenarbeit mit anderen verantwortlichen Akteuren im Naturgefahrenbereich soll sich der Bund gemäss seinen Interessen anteilsmässig beteiligen und die Massnahmen mitgestalten können. Dafür wird nun auch im Wasserbaugesetz die Möglichkeit eingeführt, die Weiterbildung von Fachleuten, Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie Informationsvorhaben mit Finanzhilfen zu unterstützen.

An der bestehenden, bewährten Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen wird festgehalten.

Schliesslich werden in einzelnen Bereichen, in denen eine Harmonisierung mit dem Wasserbaugesetz angezeigt ist, auch das Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991 und das Waldgesetz vom 4. Oktober 1991 angepasst. Das Gewässerschutzgesetz wird um eine Definition des Gewässerunterhaltes ergänzt. Zudem werden die an den Unterhalt gestellten ökologischen Anforderungen explizit festgehalten. Die gravitativen Naturgefahren (Hochwasser, Rutschungen, Sturzprozesse und Lawinen) sind im Wasserbaugesetz und im Waldgesetz seit Jahren weitgehend harmonisiert und werden in der Praxis gleich umgesetzt. Die Änderungen im Wasserbaugesetz werden deshalb entsprechend ins Waldgesetz übernommen. Des Weiteren zieht die Revision des Wasserbaugesetzes einige wenige Anpassungen in den folgenden Gesetzen nach sich: im Bundesgesetz vom 22. März 1985 über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer und weiterer für den Strassen- und Luftverkehr zweckgebundener Mittel, im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 und im Wasserrechtsgesetz vom 22. Dezember 1916.

Die vorliegende Teilrevision zielt darauf ab, das knapp 30-jährige Wasserbaugesetz den aktuellen Entwicklungen anzupassen und den risikobasierten Ansatz im Umgang mit Naturgefahren darin zu verankern. Damit soll erreicht werden, dass die Sicherheit, die eine wichtige Voraussetzung für den volkswirtschaftlichen Erfolg der Schweiz ist, trotz der sich verschärfenden sozioökonomischen und
klimabedingten Rahmenbedingungen langfristig gewährleistet und finanziert werden kann.

Die vorgeschlagenen Änderungen ermöglichen es, im Naturgefahrenbereich mit geeigneten Massnahmen den Risikoanstieg zu begrenzen und den erforderlichen Schutz vor Hochwasser, Rutschungen, Steinschlag und Lawinen zu gewährleisten.

Durch die optimale Kombination von Massnahmen und den vermehrten Einsatz von kostengünstigen raumplanerischen und organisatorischen Massnahmen ist es möglich, die hohen Investitionen in ergänzende Schutzbauten teilweise zu reduzieren. Somit kann durch die Gesetzesanpassung mittelfristig mit den vorhandenen Bundesmitteln ein hinreichender Schutz sichergestellt werden. Sollte sich in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts das Emissionsszenario ohne Klimaschutzmassnahmen (RCP8.5) manifestieren, muss mit noch extremeren Wettereignissen gerechnet werden. In diesem Falle werden langfristig zusätzliche Mittel für den Schutz vor Naturgefahren erforderlich sein.

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Die Gesetzesanpassungen führen im Naturgefahrenbereich zu einem leicht erhöhten Vollzugsaufwand bei Bund und Kantonen, zu einer geringen Verschiebung bei der Finanzierung von den Kantonen zum Bund sowie zu kostengünstigeren Massnahmen.

Die anfänglichen Mehrkosten können im Bundeshaushalt durch eine vorübergehende Priorisierung aufgefangen werden. Insgesamt ist die Vorlage für den Bund kostenneutral und ermöglicht es gar, den mittelfristigen Risikoanstieg mit den vorhandenen Mitteln aufzufangen.

Die Kantone haben mit geringen finanziellen und personellen Mehrkosten im Vollzug zu rechnen, die der Bund teilweise durch Subventionen mitträgt. Bei den Schutzmassnahmen beteiligt sich der Bund u. a. neben den periodischen Instandstellungen neu auch an regelmässigen Unterhaltsarbeiten. Die Verbundaufgabe wird damit vervollständigt. Die Vorlage bringt für die Kantone insgesamt eine leichte finanzielle Entlastung. Zudem profitieren auch sie von den kostengünstigeren Massnahmen, welche die Aufwendungen für kostenintensive Schutzbauten reduzieren. Diese Einsparungen werden jedoch nicht von Dauer sein, da das Risiko insbesondere aufgrund des Klimawandels stetig zunimmt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

7 7 9

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

10

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Vernehmlassungsvorlage 2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse der Vernehmlassung 2.3 Würdigung der Ergebnisse der Vernehmlassung

11 11 12 13

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

14

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen

15 15 16 16

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Gewässerschutz 5.2 Waldgesetz vom 4. Oktober 1991 5.3 Bundesgesetz über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer und weiterer für den Strassen- und Luftverkehr zweckgebundener Mittel vom 22. März 1985 5.4 Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz 5.5 Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916

17 24 25

Auswirkungen 6.1 Finanzielle Auswirkungen 6.2 Auswirkungen auf den Bund 6.3 Auswirkungen auf Kantone, Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.3.1 Finanzielle Auswirkungen 6.3.2 Auswirkungen auf die kantonalen Gesetzgebungen 6.3.3 Weitere Auswirkungen auf Gemeinde, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.4 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.5 Auswirkungen auf die Gesellschaft 6.6 Auswirkungen auf die Umwelt 6.7 Andere Auswirkungen

27 27 28

6

26 26 26

30 30 31 31 31 32 33 33

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Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.8 Datenschutz

Abkürzungsverzeichnis Bundesgesetz über den Wasserbau (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Das Hochwasser von 1987 mit acht Todesopfern und sehr hohen Sachschäden war Anlass, die Schutzstrategie zu überprüfen und anzupassen. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass es keine absolute Sicherheit vor Naturgefahren gibt und dass sich der Fokus deshalb nicht nur auf die reine Gefahrenabwehr, sondern vermehrt auf den Umgang mit den Risiken durch Naturgefahren richten muss. Das heisst, dass nicht nur die Gefahr ­z. B. das Hochwasser ­ betrachtet werden muss, sondern auch die möglichen Auswirkungen auf den Menschen und seine Nutzungen. Das Bundesgesetz vom 21. Juni 19911 über den Wasserbau (im Folgenden Wasserbaugesetz genannt) schaffte die Grundlage für einen damals modernen Hochwasserschutz in der Schweiz und gab insbesondere den ökologischen Aspekten des Wasserbaus sowie raumplanerischen Massnahmen mehr Gewicht.

Unter dem Eindruck von weiteren Schadensereignissen wurde das Konzept des integralen Risikomanagements (IRM) für den Umgang mit Naturgefahren entwickelt. Ein Risikomanagement umfasst die laufende systematische Erfassung und Bewertung von Risiken sowie die Planung und Umsetzung von Massnahmen zur Reaktion auf festgestellte Risiken. Integral ist das Risikomanagement, wenn alle Naturgefahren und alle Arten von Massnahmen betrachtet werden, wenn sich alle Verantwortlichen (Behörden, Versicherungen und Betroffene) an der Planung und Umsetzung beteiligen und wenn ökologische, wirtschaftliche sowie soziale Nachhaltigkeit angestrebt wird.

Das Konzept des IRM findet breite Anwendung, beispielsweise auch bei technischen Risiken wie der Störfallvorsorge. 2007 wurde das IRM in die Richtlinie 2007/60/EG2 der EU integriert.

Der Bericht «Umgang mit Naturgefahren in der Schweiz»3 in Erfüllung des Postulats Darbellay vom 14. Dezember 2012 (12.4271 «Besserer Infrastrukturschutz vor Steinschlägen, Erdrutschen, Fels- und Bergstürzen») hat den aktuellen Stand der Umsetzung des IRM bei Naturgefahren eingehend überprüft und identifizierte aktuelle und zukünftige Handlungsfelder. Er weist u. a. auf die unvollständigen rechtlichen Grundlagen für die Umsetzung des IRM in der Schweiz hin.

Die Lücken in der geltenden Wasserbaugesetzgebung lassen sich wie folgt zusammenfassen: ­

1 2

3

Beschränkung auf die Gefahr: Unter dem Eindruck der scheinbar gebannten Gefahr können neue Gebäude und Infrastrukturen entstehen oder die bestehende Nutzung wird intensiviert. Dadurch nimmt das Risiko weiter zu ­ d. h.

SR 721.100 Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, Fassung gemäss Abl. L 288 vom 6. November 2007, S. 27.

Abrufbar unter: www.parlament.ch > 12.4271> Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

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die Möglichkeit, dass durch Ereignisse Schäden auftreten­, was teure Folgemassnahmen nach sich zieht. Der Anreiz, die Risiken zu berücksichtigen und zu begrenzen, fehlt.

­

Die Anforderung, Massnahmen integral zu planen und optimal aufeinander abzustimmen, ist nicht vorhanden.

­

Der finanzielle Anreiz, im Vergleich zu Schutzbauten kostengünstige Massnahmen zu wählen, fehlt teilweise. Zudem besteht ein finanzieller Fehlanreiz, die Schutzbauten regelmässig zu unterhalten und so deren Lebensdauer zu verlängern.

­

Der Bund ist in nationalen Zusammenarbeitsprojekten teilweise eingeschränkt, denn er kann sich im Bereich Hochwasserschutz nicht anteilsmässig finanziell beteiligen.

­

Der Hochwasserschutz ist nicht hinreichend abgegrenzt, was in der Vergangenheit den Vollzug erschwerte.

Ein Blick auf die heutige Risikolandschaft und die möglichen weiteren Entwicklungen zeigt, dass der Handlungsbedarf gross ist: Heute leben rund 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung in Gebieten, die aufgrund ihrer Nähe zu Flüssen und Seen überschwemmungsgefährdet sind. In diesen Gebieten befinden sich auch rund 30 Prozent der Arbeitsplätze und ein Viertel der Sachwerte (840 Milliarden Franken) der Schweiz. Durch Oberflächenabfluss sind sogar rund zwei Drittel aller Gebäude potenziell betroffen. Es wird geschätzt, dass das Hochwasserrisiko ­ also die Überlagerung von Gefahren und Nutzungen ­ erheblich ansteigen wird:4 Die Szenarien einer nachhaltigen Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung gehen von einer zunehmenden Wertekonzentration in einigen Alpentälern, im städtischen Umfeld und in den grossen Flusstälern aus.5 Dadurch kann sich die Exposition gegenüber Hochwasser erhöhen; die immer intensivere wirtschaftliche und technische Vernetzung macht die Gesellschaft ebenfalls verwundbarer. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass das Gefahrenpotenzial durch den Klimawandel ansteigt. Gemäss einem Bericht des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) wird es eine Zunahme der Wetterextreme und der damit verbundenen Schadensereignisse erwartet: Starkniederschläge werden häufiger und intensiver. Heftigere Niederschläge lösen mehr Überschwemmungen und Rutschungen aus.6 Ziel ist es, im Umgang mit Risiken durch Hochwasser und weitere gravitative Naturgefahren die Grundsätze des IRM anzuwenden. Dazu werden die entsprechenden rechtlichen Grundlagen soweit angepasst, dass die Voraussetzungen für ein risikobasiertes Handeln vorhanden sind. Das bedeutet, dass in der Gesetzgebung verankert 4 5

6

Ecoplan (2019): Volkswirtschaftliche Beurteilung (VOBU). Rechtsanpassung im Bereich Naturgefahren. Wirkungsanalyse, Bern.

Perlik, Manfred / Wissen, Ulrike / Schuler, Martin / Hofschreuder, Jolanda / Jarne, Alain / Keiner, Marco / Cavens, Duncan / Schmid Willy A. (2008): Szenarien für die nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung in der Schweiz (2005­2030). Nationales Forschungsprogramm NFP 54 «Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung», Zürich.

BAFU (Hrsg.) 2021: Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweizer Gewässer.

Hydrologie, Gewässerökologie und Wasserwirtschaft. Bern; abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Wasser > Publikation und Studien > Suchfenster: Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweizer Gewässer.

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wird, dass Risiken (statt nur Gefahren) zu betrachten und verschiedene Arten von Massnahmen zu berücksichtigen sind.

Die bewährte Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen wird dabei beibehalten.

Die angepassten Rechtsgrundlagen tragen dazu bei, dass der Schutz vor Naturgefahren ­ auf dem der volkswirtschaftliche Erfolg der Schweiz basiert ­ trotz der sich verschärfenden klimabedingten und sozioökonomischen Rahmenbedingungen auch langfristig gewährleistet und finanziert werden kann.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Im Rahmen einer volkswirtschaftlichen Beurteilung7 wurden verschiedene Optionen geprüft, um dem Handlungsbedarf zu begegnen, der sich aus dem starken Risikoanstieg ergibt.

­

Option «Weiter wie bisher» Das bestehende Budget des Bundes und der Kantone für Investitionen in Hochwasserschutzbauten (rund 380 Millionen Franken pro Jahr) wird nicht erhöht und es werden keine ergänzenden Massnahmen gefördert. Das Risiko und damit die Möglichkeit, dass es zu Hochwasserschäden kommt, nimmt stark zu. Als Folge der zunehmenden Schäden durch Hochwasser-ereignisse werden die Versicherungsleistungen und letztlich auch die Prämien ansteigen.

Damit steigen die Kosten der privaten Haushalte trotz gleichbleibender Investitionen der öffentlichen Hand.

­

Option «Verstärkte Investition in Schutzbauten» Dem Risikoanstieg wird mit einer Erhöhung der Investitionen der öffentlichen Hand um rund 60 Millionen Franken pro Jahr begegnet, insbesondere für den Neu- und den Ausbau von Schutzbauten. Allerdings bieten Schutzbauten in der Regel nur einen begrenzten Schutz vor sehr seltenen, aber umso schadenintensiveren Hochwasserereignissen. Es wird angenommen, dass gerade solche seltenen Ereignisse aufgrund der Siedlungsentwicklung und des Klimawandels häufiger werden.

­

Option «Förderung des integralen Risikomanagements mit optimaler Massnahmenkombination» Neben Schutzbauten sollen weitere Massnahmen zur Risikobegrenzung gleichwertig abgegolten werden, um Fehlanreize zu vermeiden. Insbesondere sollen durch die öffentliche Hand Massnahmen gefördert werden, die den Anstieg des Schadenpotenzials in Gefahrengebieten begrenzen und die Schadensempfindlichkeit senken. Die Investitionen bleiben gleich hoch und es kann ein gleichbleibender Schutz vor Hochwasser gewährleistet werden.

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Ecoplan (2019): Volkswirtschaftliche Beurteilung (VOBU). Rechtsanpassung im Bereich Naturgefahren. Wirkungsanalyse, Bern.

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Mit der vorliegenden Teilrevision des Wasserbaugesetzes wird die Option «Förderung des integralen Risikomanagements mit optimaler Massnahmenkombination» weiterverfolgt.

Im Zusammenhang mit der Anpassung des Rechts für die gravitativen Naturgefahren wäre es eine Option, auch den Erdbebenschutz in eine einheitliche Bundesgesetzgebung über den Schutz vor Naturgefahren einzubeziehen. Dies würde jedoch einen Verfassungsauftrag erfordern, da der Bund heute keine Zuständigkeiten im Bereich des Erdbebenschutzes hat. 2003 lehnte die behandelnde Kommission den Vorentwurf zur parlamentarischen Initiative der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats vom 13.November 2001 (02.401 «Verfassungsartikel über den Schutz vor Naturgefahren») ab. Damit signalisierte sie, dass es dem Bund im Erdbebenschutz keine Kompetenzen geben will. Beim Schutz vor Naturgefahren soll an der bestehenden Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen festgehalten werden.

Was gravitative Naturgefahren wie Hochwasser, Rutschungen oder Lawinen angeht, ist die Zusammenfassung der bestehenden Bundesgesetze zu einem einheitlichen Naturgefahrengesetz für die Zielerreichung nicht notwendig. Deshalb werden die Anpassungen in einer Teilrevision des Wasserbaugesetzes und in der Wasserbauverordnung vom 2. November 19948 (WBV) vorgenommen. Das Waldgesetz vom 4. Oktober 19919 (WaG) und das Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 199110 (GSchG) werden in Anlehnung daran punktuell angepasst.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage wurde in der Botschaft vom 29. Januar 202011 zur Legislaturplanung 2019­2023 und im Entwurf des Bundesbeschlusses vom 29. Januar 202012 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

Sie stützt sich auf die Strategie «Sicherheit vor Naturgefahren» der Nationalen Plattform Naturgefahren (PLANAT)13, die der Bundesrat am 20. August 2004 und in einer aktualisierten Version am 4. Juli 201814 zur Kenntnis genommen hat. Die Ziele, Akteure und Aufgaben des IRM sind hier formuliert. Die Strategie des Bundesrates «Anpassung an den Klimawandel»15 zielt auf eine Minimierung der Risiken des Klimawandels ab und bezieht sich im Teilsektor «Umgang mit Naturgefahren» auf die Naturgefahren-Strategie.

8 9 10 11 12 13 14 15

SR 721.100.1 SR 921.0 SR 814.20 BBl 2020 1777 BBl 2020 1907 PLANAT (2004): Sicherheit vor Naturgefahren. Vision und Strategie, Biel.

PLANAT (2018): Umgang mit Risiken aus Naturgefahren. Strategie 2018, Bern.

BAFU (Hrsg.) (2012): Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz. Ziele, Herausforderungen und Handlungsfelder. Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012, Bern; abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Klima > Fachinformationen > Anpassung an den Klimawandel.

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Ausserdem steht die Vorlage im Einklang mit der «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030»16, insbesondere mit deren Schwerpunktthemen Klima, Energie und Biodiversität. Zu den Zielen der «Strategie Biodiversität Schweiz»17 trägt die Vorlage insofern bei, als dass sie fordert, dass die ökologischen Funktionen bei Eingriffen in Oberflächengewässer wiederherzustellen bzw. zu erhalten sind. Ein ökologischer Gewässerunterhalt trägt zudem dazu bei, die Gewässer an den Klimawandel anzupassen, indem beispielsweise die Bestockung entlang der Gewässer gefördert und so die Beschattung erhöht wird. Der ökologische Unterhalt wertet die Gewässer auch ausserhalb der revitalisierten Abschnitte als Teil der ökologischen Infrastruktur auf. So werden die revitalisierten Abschnitte und damit die wertvollen Biodiversitätsgebiete besser vernetzt und zusätzlich in Wert gesetzt.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Vernehmlassungsvorlage

Die Ausarbeitung der Vernehmlassungsvorlage geht auf den Bericht «Umgang mit Naturgefahren in der Schweiz» in Erfüllung des Postulats Darbellay vom 14. Dezember 2012 (12.4271 «Besserer Infrastrukturschutz vor Steinschlägen, Erdrutschen, Fels- und Bergstürzen») zurück. Der Bundesrat nahm am 16. Juni 2017 ein Aussprachepapier zur Gesetzesanpassung im Naturgefahrenbereich zustimmend zur Kenntnis und beauftragte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr Energie und Kommunikation (UVEK), eine Vernehmlassungsvorlage zu erarbeiten.

Kernpunkte der Vernehmlassungsvorlage waren:

16

17

­

Änderung des Titels in «Hochwasserschutzgesetz».

­

Verankerung des risikobasierten Umgangs mit der ausdrücklichen Nennung des Begriffes «Risiko» und der Aufforderung, die Risiken zu begrenzen.

­

Einführung der risikobasierten und integralen Massnahmenplanung.

­

Ausweitung der Abgeltungstatbestände: Damit schafft der Bund einen Anreiz, dass Massnahmen optimal aufeinander abgestimmt und die geeignetsten Massnahmen realisiert werden.

­

Erweiterung der Finanzhilfe und deren Verankerung auf Gesetzesstufe: Der Bund kann sich damit bei der nationalen Zusammenarbeit verschiedener verantwortlicher Akteure auch im Hochwasserschutz bei der Weiterbildung und bei Forschungsprojekten gemäss seinen Interessen anteilsmässig beteiligen.

­

Präzisierung des Zweckartikels des Wasserbaugesetzes: Das Recht stellt die Hochwassergefahren klarer dar.

Schweizerischer Bundesrat (2021): Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030, Bern; abrufbar unter: www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Strategie und Berichterstattung > Strategie nachhaltige Entwicklung.

BAFU (Hrsg.) (2012): Strategie Biodiversität Schweiz, Bern; abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Biodiversität > Publikation und Studien > Suchfenster: Strategie Biodiversität Schweiz.

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­

Harmonisierung der Regelung auf Gesetzesstufe zum Einbezug von Dritten (Nutzniesser und Schadenverursacher).

­

Im GSchG wird eine Definition des «Gewässerunterhaltes» aufgenommen.

Am 14. April 2021 nahm der Bundesrat vom Vorentwurf und vom erläuternden Bericht Kenntnis und eröffnete die Vernehmlassung dazu.18 Diese dauerte bis am 14. Juli 2021.

2.2

Zusammenfassung der Ergebnisse der Vernehmlassung

Alle Kantone mit Ausnahme des Kantons Appenzell Ausserhoden, die Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (zusammen mit weiteren kantonalen Konferenzen), vier politische Parteien, vier Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete sowie Berufsverbände und weitere Organisationen reichten insgesamt 70 Stellungnahmen ein.

Die Vorlage stösst auf breite Zustimmung. Insbesondere die gesetzliche Verankerung des risikobasierten Ansatzes wird in allen Stellungnahmen unterstützt. Der Kanton Jura lehnt die Vorlage ab, weil er erhebliche finanzielle Auswirkungen für den Kanton befürchtet. Der Hauseigentümerverband Schweiz stimmt der Vorlage nur mit Vorbehalt zu.

In vielen Stellungnahmen werden zu den einzelnen Bestimmungen Ergänzungen, Präzisierungen oder Änderungen vorgeschlagen. Zu einzelnen Bestimmungen erfolgten kritische bis ablehnende Bemerkungen oder Anträge. So wird die Änderung des Titels in «Bundesgesetz über den Hochwasserschutz (Hochwasserschutzgesetz, HWSG)» von der Hälfte der Kantone, den Gebäudeversicherungen und weiteren Kreisen, die Stellung nahmen, abgelehnt. Sie finden, dass damit nur noch Hochwasserschutz im Zentrum stehe und nicht mehr der ganzheitliche Wasserbau. Zahlreiche kritische Stimmen gibt es zur Bestimmung, Nutzniesser an den Kosten zu beteiligen; entsprechend wird gefordert, diese Bestimmung zu streichen oder enger zu fassen. Dass der Bund neu regelmässige Unterhaltsmassnahmen subventionieren kann, wird begrüsst.

Allerdings wird in vielen Stellungnahmen kritisiert ­ darunter auch von neun Kantonen ­, dass sich die Abgeltungen nur auf den Unterhalt für den Hochwasserschutz beschränkten. In den entsprechenden Stellungnahmen wird gefordert, dass auch der ökologische Unterhalt subventioniert werden soll. Es wird dabei unter anderem auch argumentiert, dass in der Praxis der Unterhalt für die beiden Funktionen gemeinsam erfolge und eine Aufteilung der Abrechnungen mit grossem administrativem Aufwand verbunden wäre. Aus Sicht der beteiligten Umweltverbände und der SP sollte der Schwerpunkt nicht zu stark auf den risikobasierten Ansatz gelegt werden. Sie vermissen weitergehende ökologische Bestimmungen. Daher verlangen sie, dass ökologische Defizite, die aufgrund früherer Hochwasserschutzbauten entstanden seien, nun vollumfänglich beseitigt würden. Weiter fordern sie einen konsequenteren Vollzug 18

Die Vernehmlassungsunterlagen und der Ergebnisbericht sind abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > UVEK.

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der bestehenden ökologischen Anforderungen an Wasserbauprojekte und eine Förderung des Landerwerbes für den Wasserbau.

2.3

Würdigung der Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Hautpanliegen aus der Vernehmlassung werden im Gesetz wie folgt berücksichtigt: Titel des Gesetzes: Der Name «Bundesgesetz über den Wasserbau» wird beibehalten.

Damit bleibt er mit dem Verfassungsauftrag für den Wasserbau konsistent. Mit der Beibehaltung des Namens unterstreicht der Bund, dass er weiterhin einen gesamtheitlichen Wasserbau fördert. Neu erhält das Gesetz den Kurztitel «Wasserbaugesetz» und die die Abkürzung «WBG».

Umfang der subventionsberechtigten Unterhaltsmassnahmen: In den Stellungnahmen wurde das Anliegen vorgebracht, dass sich der Bund neu an der Finanzierung von Unterhaltsmassnahmen zum Erhalt und der Wiederherstellung der ökologischen Funktionen der Gewässer beteiligt. Darauf wird aus finanzpolitischen Überlegungen verzichtet.

Ökologische Anliegen: Bezüglich der weiteren Förderung ökologischer Anliegen verweist der Bundesrat darauf, dass die ökologische Förderung der Gewässer bereits im Jahr 2011 mit den Renaturierungsbestimmungen im GSchG in einer politisch ausgewogenen Form aufgenommen wurde. Die Umsetzung der Revitalisierungen betrifft den Vollzug des GSchG und nicht die rechtlichen Grundlagen des Wasserbaugesetzes.

Der Vollzug der bestehenden Anforderungen gemäss Artikel 37 GSchG und Artikel 4 des Wasserbaugesetzes werden mit einer in Erarbeitung befindlichen Vollzugshilfe gestärkt. Es wird zudem geprüft, ob weitere Präzisierungen in der Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 199819 (GSchV) notwendig sind.

Kostenbeteiligung von Nutzniessern und Schadenverursachern: In der Vernehmlassungsvorlage wurde eine Harmonisierung auf Gesetzesstufe angestrebt. Dazu sollte Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe d WaG im Wasserbaugesetz und im GSchG übernommen werden. Aufgrund der kontroversen und mehrheitlich ablehnenden Stellungnahmen wird darauf verzichtet. Jedoch soll die Regelung der anrechenbaren Kosten auf Stufe Verordnung harmonisiert und präzisiert werden. Dabei soll das in der Praxis bewährte Kostenteilermodell Bund in der WBV, in der Waldverordnung vom 30. November 199220 (WaV) und darauf abgestimmt in der GSchV aufgenommen werden.

Zusammenarbeitsprojekte in den Bereichen Weiterbildung, Forschung sowie Information der Bevölkerung: In der Vernehmlassungsvorlage wurde die Finanzhilfe für Forschung und Entwicklung ergänzt sowie für die Weiterbildung von Fachleuten neben
der Verordnung auch im Gesetz verankert. In verschiedenen Stellungnahmen wurde gefordert, dass auch im Bereich der Ausbildung und Information der Bevölkerung die finanzielle Beteiligung über die Finanzhilfe geregelt werden solle. Die Finanzhilfe wird dahingehend ergänzt, dass die Information der Öffentlichkeit in die 19 20

SR 814.201 SR 921.01

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Finanzhilfe eingeschlossen wird. Die Ausbildung der Fachleute wird hingegen nicht Bestandteil der Finanzhilfe sein. Der Kreis der Beitragsberechtigten wird nur um öffentlich-rechtliche Körperschaften erweitert.

Damit der Bund explizit eigene Aktivitäten in den Bereichen Weiterbildung sowie Information und Beratung der Behörden und der Öffentlichkeit entwickeln kann, werden diese Aufgaben neu in die Vorlage aufgenommen. Sie werden nur im Wasserbaugesetz ergänzt, da die gesetzlichen Bestimmungen im Wald- und im GSchG keine entsprechenden Lücken aufweisen.

Schutz des Kulturlandes: Der Schweizer Bauernverband, die SVP, Die Mitte, der Kanton Freiburg und die Dachorganisation der KMU setzen sich in unterschiedlicher Form für den Kulturlandschutz, für die landwirtschaftliche Nutzung und für Entschädigungen ein. Unter anderem wird verlangt, dass das Kulturland auch vor Hochwassern geschützt werden solle, dass es als Risiko mit einem Schadenpotential im Integralen Risikomanagement zu berücksichtigen sei und dass das Land, wenn Kulturland für Hochwasserschutzmassnahmen genutzt werde, zu entschädigen sei. Es wird weiter beantragt, dass die Verlegung von landwirtschaftlichen Bauten wie Schutzbauten angesehen und dass bei Überschwemmungen die Verluste entschädigt werden sollen.

Viele der gestellten Forderungen sind bereits heute erfüllt. So werden das Kulturland und dessen Risiko bei Überschwemmungen bereits heute im Hochwasserschutz berücksichtigt. Für den Hochwasserschutz benötigtes Landwirtschaftsland wird bisher nach dem Verkehrswert entschädigt und allfällige Umsiedlungen im Landwirtschaftsgebiet werden nach den gleichen Grundsätzen entschädigt wie im Siedlungsgebiet.

Gewisse Anträge können nicht berücksichtigt werden, weil diese die Hoheit der Kantone tangieren, wie die Forderung, dass das eidgenössische Enteignungsgesetz von den Kantonen als anwendbar erklärt wird. Weitere Forderungen betreffen nicht das Wasserbaugesetz, wie die allgemeine Entschädigung nach Ereignissen, welche über Versicherungen und insbesondere den Hilfsfond geregelt sind. Abschliessend ist zu beachten, dass bei Wasserbauprojekten neben dem Kulturlandschutz weitere Anforderungen aus verschiedenen Spezialgesetzgebungen bestehen. Alle werden in der Interessensabwägung angemessen berücksichtigt. Auf eine explizite Erwähnung des
Kulturlandschutzes wird deshalb verzichtet.

In verschiedenen Stellungnahmen werden Konkretisierungen und Präzisierungen gefordert, die jedoch erst bei der Ausarbeitung der Verordnung und der Vollzugshilfen berücksichtigt werden können.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

In der Europäischen Gemeinschaft (EG) trat am 26. November 2007 Richtlinie 2007/60/EG21 in Kraft. Sie verfolgt das Ziel, hochwasserbedingte nachteilige Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche 21

Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, Fassung gemäss Abl. L 288 vom 6. November 2007, S. 27.

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Tätigkeiten zu verringern. Der schweizerische Ansatz des IRM hatte dabei Vorbildcharakter.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Der risikobasierte Ansatz beim Schutz vor Hochwasser wird in den rechtlichen Grundlagen verankert. Die hier vorgeschlagenen Änderungen betreffen in erster Linie das Wasserbaugesetz. In Analogie werden auch das WaG bezüglich des Schutzes vor Rutschungen, Sturzprozessen und Lawinen sowie das GSchG hinsichtlich des Wasserbaus und des Gewässerunterhaltes angepasst.

Die Zuständigkeiten bleiben unverändert. Es wird daran festgehalten, dass der Hochwasserschutz eine kantonale Aufgabe ist. Die Kantone haben die Zuständigkeiten teilweise den Gemeinden, Privaten oder Dritten übergeben.

Im Wasserbaugesetz wird verankert, dass die Risiken zu erfassen, zu bewerten und mit geeigneten Massnahmen zu begrenzen und zu vermindern sind. Es wird gefordert, dass raumplanerische, organisatorische, ingenieurbiologische und technische Massnahmen optimal aufeinander abgestimmt werden. Mit ingenieurbiologischen Massnahmen sind Verbauungen mit lebenden pflanzlichen Materialien (z. B. ausschlagfähige Hölzer, Jungpflanzen oder Gräser) gemeint. Die vorgeschlagenen Änderungen beseitigen die bestehenden Fehlanreize. Das heutige Gesetz ist auf die Subventionierung von kostenintensiven technischen Massnahmen und deren Instandstellung ausgerichtet. Die Gesetzesanpassungen ermöglichen es, weitere Massnahmen zu fördern, die aus einer Gesamtsicht kostengünstiger und wirksamer sind. Massnahmen wie die Mitnutzung von Speicherseen im Hochwassermanagement sowie der regelmässige Gewässerunterhalt zum Schutz vor Hochwasser werden neu ebenfalls vom Bund subventioniert.

Der Gewässerunterhalt ist einerseits eine wichtige Massnahme, um den bestehenden Hochwasserschutz zu gewährleisten. Andererseits trägt er zu einer ökologischen Aufwertung der Gewässer bei. Die Kantone müssen sich im Vollzug auf eine gleichlautende Definition des Gewässerunterhalts sowohl im WBG als auch im GSchG stützen können. Das GSchG wird neu mit dieser Definition ergänzt. Weiter wird im GSchG spezifiziert, dass der Gewässerunterhalt auch ökologische Anforderungen zu erfüllen hat.

Der Bund arbeitet eng mit verschiedenen Akteuren wie schweizerischen Berufsverbänden, Hochschulen oder Dachorganisationen zusammen, um die Umsetzung des IRM zu fördern. Diese Akteure partizipieren sowohl inhaltlich als auch finanziell an den gemeinsamen Projekten. Damit sich der Bund künftig
auch finanziell an Projekten von Partnern beteiligen kann, wird im Wasserbaugesetz ein Finanzhilfetatbestand für die Weiterbildung sowie für Forschungs- und Informationsprojekte eingeführt. Ausserdem wird die Aufgabe des Bundes, im Bereich Naturgefahren Weiterbildungen (z. B. Tagungen zum Vollzug) anzubieten und zu informieren, im Wasserbaugesetz explizit festgehalten. Die Aufgabe des Bundes zur Grundlagenbeschaffung ist schon

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heute im Wasserbaugesetz enthalten. Das WaG und das GSchG kennen bereits vergleichbare Bestimmungen; hier sind keine Anpassungen notwendig.

Des Weiteren zieht die Revision des Wasserbaugesetzes einige wenige Anpassungen in den folgenden Gesetzen nach sich: im Bundesgesetz vom 22. März 198522 über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer und weiterer für den Strassen- und Luftverkehr zweckgebundener Mittel, im Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 23 über den Natur- und Heimatschutz (NHG) und im Wasserrechtsgesetz vom 22. Dezember 191624.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Im Naturgefahrenbereich fallen für den Bund mit dieser Vorlage nicht grundsätzlich neue Aufgaben an. Mit der leichten Ausweitung der Abgeltungs- und Finanzhilfetatbestände soll ein wirksamerer Mitteleinsatz erreicht werden.

Die geplanten Anpassungen im Wasserbaugesetz und im WaG können mittelfristig mit den bestehenden Bundesmitteln und ohne Mehrkosten für den Bundeshaushalt finanziert werden. Sollte sich in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts das Emissionsszenario ohne Klimaschutz gemäss den Schweizer Klimaszenarien CH201825 manifestieren, muss mit extremeren Wettereignissen gerechnet werden; diese würden die Risiken noch stärker erhöhen. In diesem Fall würden langfristig zusätzliche Mittel erforderlich sein.

4.3

Umsetzungsfragen

Nach Artikel 11 des Wasserbaugesetzes, Artikel 49 Absatz 3 WaG und Artikel 47 GSchG erlässt der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen. Zur Umsetzung der vorliegenden Teilrevision sind die Ausführungsvorschriften in der WBV, in der WaV und in der GSchV anzupassen. Die Anpassungen auf Verordnungsstufe sollen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts vorliegen.

Gemäss Artikel 12 des Wasserbaugesetzes und Artikel 50 Absatz 1 WaG sowie Artikel 45 GSchG vollziehen die Kantone das Gesetz und erlassen die erforderlichen Vorschriften.

22 23 24 25

SR 725.116.2 SR 451 SR 721.80 National Centre for Climate Services (NCCS) (Hrsg.) (2018): CH2018 ­ Klimaszenarien für die Schweiz, Zürich.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Artikel 24 und 24bis der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). Neu verweist der Ingress auf Artikel der geltenden Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV).26 Titel des Gesetzes Das Wasserbaugesetz hat bislang weder einen Kurztitel noch eine Abkürzung. Der Titel wird um mit «Wasserbaugesetz» und «WBG» ergänzt.

1. Abschnitt

Zweck

Art. 1 Das Gesetz zielt auf den Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten vor den schädigenden Einwirkungen des Wassers ab. Die Formulierung «vor schädlichen Auswirkungen des Wassers» wird durch «vor schädigenden Einwirkungen des Wassers» ersetzt und ist damit konform mit Artikel 76 BV. Artikel 1 wird neu als Zweckartikel formuliert.

Die Prozesse Überschwemmungen, Erosionen und Feststoffablagerungen, die «schädigende Einwirkungen» haben bzw. Schäden verursachen können, sind im Gesetz beispielhaft aufgezählt. Im Weiteren können beispielsweise auch Schwemmholz oder Treibeis Ursache von Überschwemmungen sein und Schäden herbeiführen. Überschwemmungen, Erosionen und Feststoffablagerungen umfassen verschiedene Phänomene, insbesondere aus dem Gewässer überströmendes Wasser, Oberflächenabfluss, aufstossendes Grundwasser oder am Ufer auflaufende Wellen. Oberflächenabfluss entsteht, wenn intensiver Niederschlag nicht im Boden versickern kann und über das offene Gelände abfliesst oder in Mulden aufgestaut wird. Eingedolte Gewässer können dieses Phänomen bewirken oder verstärken. Grundwasseraufstoss entsteht bei langanhaltenden starken Niederschlägen, wenn der Grundwasserspiegel über die Erdoberfläche ansteigt. Es bilden sich dann meist seeartige Überschwemmungen, die an der tiefsten Stelle abfliessen und zu weiteren Überschwemmungen führen. Überschwemmungen werden auch durch Wellen, welche über die Ufer laufen, verursacht.

Diese Wellen entstehen durch Wind oder beispielsweise durch Rutschungen unter Wasser. Da die Eingrenzung «oberirdische Gewässer» in Absatz 2 in Bezug auf den Geltungsbereich des Hochwasserschutzes in der Vergangenheit zu Missverständnissen führte, wird neu darauf verzichtet.

Mit der Eingrenzung «schädigenden Einwirkungen des Wassers an der Erdoberfläche» wird der Hochwasserschutz auf natürliche Ereignisse eingegrenzt. So zählen beispielsweise Wasserschäden in Gebäuden, die durch lecke Wasserleitungen entstehen, nicht zum Hochwasserschutz. Im Weiteren grenzt «Wasser an der Erdoberfläche» den Hochwasserschutz vom Wasser im Untergrund ab. Bauten im Grundwasser fallen

26

SR 101

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nicht unter den Hochwasserschutz. Der Schutz vor Grundwasser ist durch den Bauherrn in Eigenverantwortung sicherzustellen.

Art. 3

Massnahmen

In Absatz 1 werden neu der Begriff «Risiko» und dessen Definition eingeführt. Zum Hochwasserrisiko gehören sowohl das Ausmass als auch die Eintretenswahrscheinlichkeit eines Schadens durch Hochwasser. Indem das Ausmass und die Eintretenswahrscheinlichkeit eines Schadens genannt werden, wird der Fokus nicht mehr nur auf die Gefahr an sich gerichtet, sondern vielmehr auf deren potenzielle Auswirkungen auf Menschen und Sachwerte. Mit dem Wort «begrenzen» wird betont, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, mit Hochwasserrisiken umzugehen: So sollen neue Risiken gar nicht erst entstehen, indem gefährdete Gebiete gemieden werden. Bestehende Risiken sollen zudem mit geeigneten Massnahmen vermindert werden. Gleichzeitig wird damit auch zum Ausdruck gebracht, dass sich Risiken nicht vollständig beseitigen lassen und dass die verbleibenden Risiken getragen werden müssen.

Absatz 1 räumt wie bis anhin dem Gewässerunterhalt und den raumplanerischen Massnahmen erste Priorität ein. Der Gewässerunterhalt gewährleistet eine möglichst lange andauernde Funktionsfähigkeit bestehender Schutzbauten und sichert die Abflusskapazität des Gewässers. Zudem trägt er dazu bei, Lebensräume in und an Gewässern zu erhalten und aufzuwerten. In Absatz 1 wird neu auf die Definition in Artikel 4 Buchstabe n GSchG hingewiesen, um zu verdeutlichen, dass von einem kohärenten Verständnis von Gewässerunterhalt ausgegangen wird. Die raumplanerischen Massnahmen stellen sicher, dass Bauten und Nutzungen in gefährdeten Gebieten entweder vermieden oder naturgefahrengerecht erstellt werden, so dass Schäden wenn immer möglich vermieden werden können.

In Absatz 2 wird die Einschränkung auf technische Massnahmen wie Verbauungen, Korrektionen oder Rückhalteanlagen aufgehoben. Stattdessen werden weitere Massnahmen genannt, die das Hochwasserrisiko begrenzen und vermindern. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass möglichst verschiedene Arten von Massnahmen in Betracht gezogen werden sollen. Organisatorische Massnahmen sind vorbereitete Tätigkeiten, die vor und während eines Ereignisses ausgeführt werden, um das Schadenausmass zu begrenzen. Ingenieurbiologische Massnahmen bestehen darin, dass mit Baumaterialien wie Pflanzen und Totholz gearbeitet werden kann, etwa um Ufer zu sichern oder die Erosion zu kontrollieren. Diese Massnahmen einer naturnahen
Bauweise ergänzen somit die technischen Schutzbauten. Eine weitere Massnahme kann die Bewirtschaftung von Speicherseen sein, solange die Sicherheit der Stauanlagen gemäss den Anforderungen der Stauanlagengesetzgebung nicht beeinträchtigt wird.

Indem der Speichersee vorabgesenkt wird, kann dieses Speichervolumens genutzt werden, um Hochwasser zu reduzieren.

In Absatz 3 werden neu zwei wichtige Aspekte des IRM eingeführt: Das risikobasierte Vorgehen und die integrale Massnahmenplanung. Das Adjektiv «risikobasiert» meint ein systematisches Vorgehen, bei dem die Risiken erfasst und bewertet und darauf basierend Massnahmen geplant und umgesetzt werden. «Integral» erweitert die bisher geforderte zweckmässige Planung, indem nun explizit gefordert wird, dass raumplanerische, organisatorische, ingenieurbiologische und technische Massnahmen 18 / 36

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einbezogen und aufeinander abgestimmt werden müssen. Dabei werden alle relevanten Risiken beachtet, worauf dann die optimale Massnahmenkombination bestimmt wird. Unter «planen» wird der gesamte Prozess von der Konzeption über die Ausführung und die Nachführung bis zur Überprüfung und zum Unterhalt von Massnahmen verstanden.

In Absatz 3 wird wie bis anhin betont, dass die Hochwasserschutzmassnahmen mit weiteren raumwirksamen Tätigkeiten wie der Landwirtschaft, der Nutzung des Wassers, dem Natur- und Landschaftsschutz oder dem Kulturlandschutz abgestimmt werden müssen.

Art. 4

Anforderungen

Artikel 4 des Wasserbaugesetzes und Artikel 37 GSchG hatten bisher gleichlautende Bestimmungen. Die bisherigen Absätze 2­4 werden durch einen Verweis auf Artikel 37 des Entwurfs der Änderung des GSchG (E-GSchG) ersetzt. Die Anforderungen an Eingriffe in oberirdische Gewässer werden neu nur noch im E-GSchG explizit aufgeführt. Mit dem Verweis in Absatz 2 auf Artikel 37 E-GSchG wird jedoch festgehalten, dass die den Gewässerschutz betreffenden Anliegen bei allen wasserbaulichen Massnahmen weiterhin gelten. Eine Definition von «Eingriffen» findet sich in Artikel 37 E-GSchG.

Art. 6

Abgeltungen an die Grundlagenbeschaffung und die Massnahmen des Hochwasserschutzes

Der Titel wird um den Begriff «Grundlagenbeschaffung» ergänzt. Dabei handelt es sich um eine formale Änderung: Gestützt auf Artikel 2 WBV finanziert der Bund bereits jetzt die Erstellung von Grundlagen wie beispielsweise Gefahrenkarten.

Die bisherigen Artikel 6 und 8 werden neu in Artikel 6 zusammengeführt. Absatz 1 wird neu formuliert, indem er den Subventionstatbestand umreisst und gleichzeitig auch die Form der Abgeltungen präzisiert. Er beschreibt das Subventionsmodell der Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen. Diese Passage wurde aus Artikel 8 Absatz 1 des geltenden Rechts übernommen und entspricht Artikel 36 Absatz 1 WaG. Die Formulierung «Massnahmen, die dazu dienen, Menschen und erhebliche Sachwerte vor den Gefahren des Wassers zu schützen» wird ersetzt durch «Massnahmen, die in raumplanerischer, organisatorischer, ingenieurbiologischer oder technischer Hinsicht für den Hochwasserschutz notwendig sind». Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass nur eine optimale Kombination der Massnahmenarten das Risiko wirkungsvoll begrenzen und vermindern kann. Indem nun alle Massnahmen gleich abgegolten werden und abgeltungsberechtigt sind, werden Fehlanreize beseitigt.

Absatz 2 erfährt einige sprachliche Anpassungen, enthält sonst aber die Bestimmung zu aufwendigen Projekten aus Artikel 8 Absatz 2 des geltenden Rechts.

In Absatz 3, Buchstaben a­e werden die subventionsberechtigten Grundlagen und Massnahmen beispielhaft beschrieben.

Buchstabe a: Die Erarbeitung von Grundlagen durch die Kantone orientiert sich an Artikel 14 und umfasst u. a. Ereignis- und Schutzbautenkataster, Gefahrenbeur19 / 36

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teilungen und Ereignisanalysen. Auch neue Grundlagen, wie kantonale Risikoübersichten und Gesamtplanungen für den Schutz vor Naturgefahren, werden unterstützt.

Mit der Einführung des Risikobegriffs (siehe Art. 3 Abs. 1 Entwurf der Änderung des Wasserbaugesetzes [E-WBG]) werden die Kantone verpflichtet, nicht nur die Gefahren, sondern auch die Risiken vergleichbar darzustellen.

Buchstabe b: Beispiele für raumplanerische Massnahmen sind spezifische Gefahrenoder Risikoanalysen, Variantenoptimierungen und Entscheidungsgrundlagen für Nutzungszuweisungen oder spezielle Flächenwidmungen. Die Abgeltung an die Verlegung gefährdeter Bauten und Anlagen an sichere Orte ist weiterhin Teil der Wasserbaugesetzgebung; nun wird sie auf Gesetzesstufe verankert (bislang Art. 2 Abs. 1 WBV). Die Umsetzung der Abklärungen und Grundlagen in die Richt- und Nutzungsplanung haben die Kantone und Gemeinden gemäss Raumplanungsgesetz vorzunehmen. Diese Umsetzung ist nicht abgeltungsberechtigt.

Buchstabe c: Die Zuständigkeit für organisatorische Massnahmen liegt grundsätzlich beim Bevölkerungsschutz. Im Rahmen des Hochwasserschutzes finanziert der Bund jedoch weiterhin den Aufbau und den Betrieb von Mess- und Frühwarnsystemen (Warneinrichtungen; bislang Art. 6 Abs. 2 Bst. b des Wasserbaugesetzes) sowie die Erarbeitung von Einsatzplanungen. Früher wurde dafür der Begriff «Notfallplanungen» verwendet. Weiter kann der Bund im Rahmen von Hochwasserschutzprojekten technische Vorkehrungen wie Abdämmungen mit mobilen Dammbalken oder Anhebevorrichtungen bei Brücken mitfinanzieren, die im Ereignisfall eingesetzt werden.

Die Grundausrüstung der Einsatzkräfte wird jedoch nicht über den Hochwasserschutz abgegolten.

Buchstabe d: Unter diesem Buchstaben werden die ingenieurbiologischen und technischen Massnahmen aufgelistet, die bislang in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a enthalten waren. Neu wird auch der Gewässerunterhalt aufgeführt. Er bezieht sich gemäss Artikel 4 Absatz 1 auf den vorhandenen Hochwasserschutz. Bislang wurde nur der periodische Gewässerunterhalt, der etwa alle fünf bis zehn Jahre anfällt, mitfinanziert.27 Neu soll auch der regelmässige Gewässerunterhalt abgegolten werden. Damit werden Fehlanreize zum Erhalt der bestehenden Schutzanlagen beseitigt. Der Gewässerunterhalt beinhaltet regelmässige Eingriffe zur Verlängerung
der Lebensdauer der Schutzbauten und zum Freihalten des Abflussprofils. Gemäss dem Geltungsbereich des Wasserbaugesetzes werden nur Massnahmen mitfinanziert, die dem Hochwasserschutz dienen.

Massnahmen, die nicht sicherheitsrelevant sind, werden nicht über das Wasserbaugesetz finanziert. Gemeint sind pflegerische Unterhaltsmassnahmen, die der Wiederherstellung oder dem Erhalt der natürlichen Funktionen dienen, z. B. das Mähen von Uferböschungen, die Bestandpflege von Ufergehölzen oder Artenförderungsmassnahmen. Die Finanzierung dieser Massnahmen gehorcht anderen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere denjenigen des GSchG, des NHG, des Bundesgesetzes vom

27

BAFU (Hrsg.) (2018): Handbuch Programmvereinbarungen im Umweltbereich 2020­ 2024. Mitteilung des BAFU als Vollzugsbehörde an Gesuchsteller, Bern; abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Recht > Publikation und Studien > Suchfenster: Handbuch Programmvereinbarungen im Umweltbereich 2020­2024.

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21. Juni 199128 über die Fischerei, der Landwirtschaftsgesetzgebung ­ wie der Direktzahlungsverordnung vom 23. Oktober 201329 ­ sowie denjenigen des WaG.

Buchstabe e: Die Bestimmung, dass der Bund Abgeltungen an die Behebung von Schäden in Entlastungsräumen und an Ertragsausfälle infolge der Mitnutzung von Speicherseen für den Hochwasserschutz leistet, ist neu.

Entlastungsräume sind Flächen, auf denen Hochwasser zurückgehalten oder konzentriert abgeleitet werden. Voraussetzung für Entlastungsräume ist, dass die Intensität oder die Häufigkeit der Prozesse und damit die schädigenden Einwirkungen künstlich erhöht werden. Das heisst, dass das Wasser ab einer bestimmten Abflussmenge bewusst in diese Räume geleitet wird. Tritt in einem Entlastungsraum ein Hochwasserereignis auf, beteiligt sich der Bund am Ausgleich der entstandenen Schäden.

Eine Vorabsenkung von Speicherseen als Teil des Hochwassermanagements kann zu Ertragsausfällen bei der Energieproduktion führen, insbesondere wenn die Vorabsenkung durch das Ereignis nicht wieder ausgeglichen wird.

Die konkreten Ausführungsbestimmungen zu den Abgeltungen von Grundlagen und Massnahmen werden in der WBV geregelt und in Vollzugshilfen präzisiert.

In den Absätzen 4­6 wird die Bemessung der Bundesmittel neu auf Gesetzesstufe abgebildet. Die Abgeltungssätze bleiben unverändert. Mit der Revision findet die Bestimmung zur Abgeltung von Grundlagen neu Eingang in die Gesetzgebung (bisher im Programmhandbuch), während diejenige zu den Massnahmen bisher in der WBV enthalten ist (Abs. 4 E-WBG entspricht Art. 2a Abs. 1 WBV und Abs. 6 Bst. b E-WBG entspricht Art. 2 Abs. 4 WBV). Die Bestimmung in Absatz 5 zu den anrechenbaren Kosten entspricht Artikel 2 Absatz 3 WBV.

Das bisher geltende Abgeltungsmodell basiert auf folgenden Grundsätzen: Die Grundlagenbeschaffung ist eine wichtige Voraussetzung für die Planung von kostenwirksamen Schutzmassnahmen. Deshalb wird sie zu 50 Prozent mitfinanziert. Basierend auf dem Grundsatz, dass der Bund, die Kantone und die Gemeinden die Massnahmen zu je rund einem Drittel mittragen, finanziert der Bund 35 Prozent der anrechenbaren Kosten als Grundabgeltung. Die abgestuften Mehrleistungen sind ein Anreizsystem, um sowohl eine zeitnahe Umsetzung von kostengünstigen Massnahmen im Sinne des IRM zu erreichen als auch breit abgestützte
und qualitativ gute Projekte zu fördern. Belasten ausserordentlich viele Schutzmassnahmen ­ die beispielsweise nach starken Hochwasserereignissen notwendig werden ­ die Kantone übermässig, kann der Bund seine Beiträge zusätzlich maximal um 20 Prozent erhöhen.

Art. 7

Finanzhilfen für Weiterbildung, Forschung und Information

Der Bund arbeitet eng mit verschiedenen Akteuren wie schweizerischen Berufsverbänden, Hochschulen oder Dachorganisationen zusammen, um die Umsetzung des IRM zu fördern. Bei gemeinsamen Projekten ist es wichtig, dass sich jeder gemäss seinen Interessen finanziell beteiligten kann. Bislang konnte der Bund nur beschränkt 28 29

SR 923.0 SR 910.13

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an Weiterbildungsangeboten, Forschungsprojekten und Informationsvorhaben von Dritten partizipieren. Denn einerseits fehlt eine Subventionsgrundlage für eine anteilsmässige Beteiligung in den Bereichen Forschung und Information der Öffentlichkeit.

Deshalb wird diese nun analog zu anderen Umweltgesetzen wie dem WaG oder dem GSchG mit der Einführung eines Finanzhilfetatbestandes geschaffen. Andererseits ist der Tatbestand der Förderung der Weiterbildung von Fachleuten bislang nur auf Verordnungsstufe (Art. 19 WBV) geregelt. Er wird neu auf der Gesetzesstufe verankert.

Damit erhält der Finanzhilfetatbestand für die Weiterbildung die notwendige formelle Grundlage.

Absatz 1 zählt die beitragsberechtigten Tätigkeiten auf; in Absatz 2 werden die Beitragsberechtigten genannt.

Zu einer einheitlichen Vollzugspraxis gehört eine entsprechende Weiterbildung der Fachleute, die sich an einheitlichen Standards etwa hinsichtlich der Anwendung von Methoden und Regelungen orientiert. Für Personen, die in den Bereichen Hochwasserschutz oder im IRM tätig sind, gibt es keine eigentliche Berufsausbildung. Umso wichtiger sind spezifisch ausgerichtete Weiterbildungen, wie sie Fach- und Berufsverbände und Vereinigungen (z. B. der Verein Fachleute Naturgefahren Schweiz oder die Kommission Hochwasserschutz des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes), Fachhochschulen oder Kantone anbieten (z. B. Kurse, die zur lokalen Naturgefahrenberaterin bzw. zum lokalen Naturgefahrenberater qualifizieren). Nur gut ausgebildete Fachleute sind in der Lage, geeignete Massnahmen zu planen und bei ihren Aktivitäten zur Vorbeugung oder Bewältigung von Ereignissen die Wassergefahren mit zu berücksichtigen.

Im Rahmen von konkreten Schutzprojekten fordert der Bund die Verwendung von bestimmten Methoden und Handlungsanweisungen, damit ein einheitliches Vorgehen gewährleistet ist. Empfehlungen und Richtlinien werden in enger Zusammenarbeit mit Dritten erarbeitet (z. B. mit dem Verein Fachleute Naturgefahren Schweiz). Sie entwickeln praxisorientierte Instrumente wie Überflutungsmodelle, Anleitungen zur Abschätzung von Hochwasser und den damit verbundenen Risiken oder zur Wirksamkeit von Schutzmassnahmen. Anlagenbetreiber wie Bahngesellschaften lancieren Projekte, beispielsweise Alarmierungskonzepte, um den Schutz ihrer Anlagen zu verbessern. Die
Ergebnisse aus den betreffenden (Forschungs-)Projekten können von gesamtschweizerischer Bedeutung sein. Mit dem Buchstaben c werden die öffentlichrechtlichen Körperschaften als weitere Beitragsberechtigte aufgeführt, um weiteren regional organisierten Vereinigungen wie z. B. Wasserbauverbänden den Zugang zur Finanzhilfe zu ermöglichen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass diese regionalen Organisationen eher selten Projekte oder Aktivitäten von gesamtschweizerischer Bedeutung lancieren.

Eine Bevölkerung, die sich der Gefahren bewusst ist und ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten kennt, trägt massgeblich dazu bei, mit einem Naturereignis angemessen umzugehen. Der Beitrag der individuellen Vorsorge an die Verminderung der Schäden ist wesentlich. Ausserdem hängt der Schutz von Menschenleben primär vom gefahrengerechten Verhalten jeder einzelnen Person ab. Aufgrund der begrenzten Ressourcen und der Informationskanäle zu den Betroffenen ist der Bund auch hier auf die Zusammenarbeit mit anderen verantwortlichen Akteuren angewiesen.

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In Absatz 3 wird festgehalten, dass eine Finanzhilfe höchstens 45 Prozent der anrechenbaren Kosten betragen kann. Der gewählte Satz bemisst sich sowohl am Interesse des Bundes als auch an der Möglichkeit des Empfängers, weitere interessierte Akteure miteinzubeziehen.

In Absatz 4 wird geregelt, dass der Bund seinen Beitrag auch pauschal leisten kann, basierend auf einer vorgängigen Kostenschätzung.

Art. 8 Artikel 8 wird aufgehoben, da die Bestimmungen neu in Artikel 6 Absätze 1 und 2 stehen.

Art. 9

Voraussetzungen für Beiträge

Der Artikel ist in Abgeltungen und Finanzhilfen unterteilt. Die Voraussetzungen werden neu mit Buchstaben gegliedert.

Absatz 1 bezieht sich auf die Abgeltungen nach Artikel 6. In Buchstabe a wird das Adjektiv «zweckmässig» durch «integral» ersetzt. Der Begriff der «integralen Planung» entspricht der Verwendung in Artikel 3 Absatz 3.

In Absatz 2 werden die Voraussetzungen aufgeführt, die für die Ausrichtung von Finanzhilfen gelten. Buchstabe a bedingt, dass die zu fördernde Aktivität oder das Projekt eine gesamtschweizerische Bedeutung haben müssen. Buchstabe b, wonach Projekte oder Aktivitäten die gesetzlichen Anforderungen erfüllen müssen, ist identisch mit Buchstabe b in Absatz 1. Buchstabe c beinhaltet die Anforderungen, dass sich Weiterbildungsangebote oder Forschungsprojekte an den Bedürfnissen der Praxis orientieren und fachkundig sowie kostengünstig durchgeführt werden müssen.

Absatz 3 entspricht Absatz 2 des geltenden Rechts.

Art. 11 Abs.4 Der Artikel zu den Vollzugsaufgaben des Bundes wird um einen neuen Absatz 4 ergänzt. Das BAFU erhält die Möglichkeit, Weiterbildungsveranstaltungen für Fachleute zu organisieren und durchzuführen. Mit dieser Massnahme kann es einen einheitlichen Vollzug sicherstellen.

Art. 12a

Information und Beratung

Bund und Kantone erhalten mit diesem neuen Artikel die Aufgabe, die Behörden und die Bevölkerung über die Risiken und über Massnahmen zur Vorbeugung zu informieren. Damit erhält das Wasserbaugesetz eine ähnlich lautende Bestimmung wie sie bereits in Artikel 34 WaG und in Artikel 50 GSchG vorhanden ist.

Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert:

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5.1

Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Gewässerschutz

Art. 4 Bst. n

Gewässerunterhalt

Das GSchG enthält im Gegensatz zum Wasserbaugesetz eigenständige Begriffsbestimmungen. Mit dem Buchstaben n wird neu die Definition des Unterhaltes eingeführt, die auch für den Hochwasserschutz gilt. Unter «Gewässerunterhalt» sind regelmässig oder nach Schadenereignissen erforderliche Massnahmen zu verstehen, die darauf abzielen, die natürlichen Funktionen der Gewässer zu bewahren und wiederherzustellen sowie den Schutz vor Hochwasser zu erhalten. Der Gewässerunterhalt dient einerseits dazu, ökologische Werte zu erhalten und die Gewässer ökologisch aufzuwerten. Andererseits ist der Unterhalt erforderlich, um den funktionsfähigen Zustand von Schutzbauten zu gewährleisten und das Abflussprofil offen zu halten. Mit regelmässig erforderlichen Massnahmen sind Arbeiten gemeint, die in einem gewissen zeitlichen Rhythmus, beispielsweise alle ein bis fünf Jahre, erledigt werden sollten, um die erwünschte Wirkung zu entfalten. Unterhaltsmassnahmen können auch nach besonderen Ereignissen wie Hochwasser, Schneedruck oder Stürmen notwendig werden.

Art. 37

Eingriffe in oberirdische Gewässer

Der Titel wird angepasst. Die ursprüngliche Bezeichnung «Verbauungen und Korrektion von Fliessgewässern» ist zu eng gefasst und wird neu durch «Eingriffe» ersetzt.

Darunter fallen alle Massnahmen, die das Gewässer in seiner Gestalt oder ökologischen Funktion verändern. Eingriffe werden insbesondere zum Zweck der Revitalisierung, des Unterhaltes, des Hochwasserschutzes, der Gewässernutzung oder im Rahmen von Ersatzmassnahmen gemäss dem NHG vorgenommen. Es können aber auch Eingriffe im Zusammenhang mit Anlagen Dritter sein, beispielsweise Werkleitungsquerungen. Durch die Änderung des Fachbegriffs «Fliessgewässer» in «oberirdische Gewässer» wird verdeutlicht, dass neben den Erstgenannten auch stehende Gewässer gemeint sind, etwa Seen, nicht aber das Grundwasser (siehe auch Art. 4 Bst. a).

In den Absätzen 1 und 3 werden die «Fliessgewässer» ebenfalls durch «oberirdische Gewässer» ersetzt. In Absatz 1 werden zudem die Buchstaben neu durchgehend nummeriert (a bis d, damit wird Buchstabe bbis ersetzt). In Buchstabe a wird der Verweis auf das Wasserbaugesetz angepasst. Eine weitere formale Änderung betrifft den Begriff «Hochwasserschutz» anstelle des Terminus «Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten». In Buchstabe c wird der Begriff «Abraummaterial» gestrichen; damit entspricht die Terminologie derjenigen der Abfallverordnung vom 4. Dezember 201530. Nach dem Buchstaben c wird ein «oder» eingefügt.

Der bestehende Absatz 2 wird neu in zwei Absätze (2 und 3) aufgeteilt. Damit wird die übergeordnete Aufgabenstellung für den Eingriff klar vom Gestaltungsgebot bei Eingriffen getrennt. Absatz 3 wird zudem mit «unterhalten» ergänzt. Damit wird klar, dass beide neuen Absätze 2 und 3 auch für den Gewässerunterhalt gelten. Dieser ist in Artikel 4 Buchstabe n definiert.

30

SR 814.600

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Für die Ausführung von Ersatzmassnahmen gemäss dem NHG innerhalb des Gewässerraums von Oberflächengewässern gilt Artikel 37 Absätze 2 und 3 GSchG sinngemäss im Perimeter der Ersatzmassnahme. Die Festlegung des Umfangs der Ersatzpflicht richtet sich nach dem NHG und allein nach dem Ausmass der Beeinträchtigung am Eingriffsort. Der Perimeter einer solchen Ersatzmassnahme muss nicht den gesamten Gewässerraum umfassen. Letzterer ist bei der Planung jedoch zwingend zu berücksichtigen. Die Realisierung einer Ersatzmassnahme darf dabei nicht zur Verhinderung von Revitalisierungen führen, die gemäss der strategischen Revitalisierungsplanung (Art. 41d GSchV) einen hohen oder mittleren Nutzen für Natur und Landschaft aufweisen. Gegebenenfalls ist eine Ersatzmassnahme gemäss dem NHG mit einem vorgesehenen Revitalisierungsvorhaben zu koordinieren oder gleichzeitig wie dieses auszuführen (unter klarer Abgrenzung der jeweiligen Anteile und unter Anwendung eines entsprechenden Kostenteilers).

In Absatz 3 Buchstabe b wird das Adjektiv «weitgehend» der französischen Sprachversion angepasst: «so weit als möglich» (autant que possible).

Absatz 5 (bisheriger Absatz 4) wird um die «Instandstellung bestehender Schutzbauten nach Schadenereignissen» ergänzt; diese Bestimmung stammt aus Artikel 4 Absatz 4 des geltenden Wasserbaugesetzes; dort ist dieser Absatz aufgehoben.

5.2

Waldgesetz vom 4. Oktober 1991

Art. 19 Analog zur Änderung in Artikel 3 Absatz 3 E-WBG wird ergänzt, dass die Massahmen «integral und risikobasiert» zu planen sind. Mit einer integralen Planung werden die Massnahmen mit denjenigen aus anderen Bereichen abgestimmt. Artikel 17 Absatz 3 WaV nennt die Interessen der Bewirtschaftung des Waldes, des Natur- und Landschaftsschutzes, des Wasserbaus, der Landwirtschaft und der Raumplanung. Zudem wird mit der Einführung des Adjektivs «integral» auf Gesetzesstufe bekräftigt, dass die möglichen Schutzmassnahmen gegeneinander abgewogen, die Massnahmen optimal kombiniert und gemeinsam geplant werden müssen: Das Adjektiv «risikobasiert» bringt zum Ausdruck, dass sich die Massnahmenplanung auf Risikogrundlagen (wie Risikoanalysen und -bewertungen) zu stützen hat.

Art. 36 Artikel 36 wird in Anlehnung an Artikel 6 E-WBG formuliert. In Absatz 1 wird die Möglichkeit ergänzt, auch die Erstellung von Grundlagen abzugelten. Es handelt sich dabei, wie in Artikel 6 E-WBG, um eine formale Änderung. Der Bund finanziert bereits jetzt die Erstellung von Grundlagen (z. B. Gefahrenkarten). Ebenso werden bei der Umschreibung der Massnahmen die Adjektive «raumplanerisch», «organisatorisch», «biologisch» und »technisch» aufgeführt, um den Gedanken des IRM zu betonen. Der Schutz «von Menschen und erheblichen Sachwerten» wird auf den Terminus «Schutz vor Naturereignissen» verkürzt. Die Bedeutung bleibt dieselbe (siehe auch Art. 1 Abs. 2 WaG).

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Das Wasserbaugesetz kennt bereits einen beispielhaften Katalog von Massnahmen, die abgeltungsberechtigt sind. Im geänderten Absatz 2 WaG werden die Buchstaben a­c um zwei weitere Buchstaben ergänzt und neu strukturiert. Die Buchstaben a­ c sind im Wortlaut identisch mit dem E-WBG und die Massnahmen sind die gleichen (übertragen auf die Gefahrenprozesse Lawinen, Rutschungen, Erosion und Steinschlag). Bei Buchstabe d (vorher b) wird der Begriff «biologische Massnahmen» ergänzt. Bei Buchstabe e wird wie im Entwurf der «Unterhalt» ergänzt. Allerdings handelt es sich hier nicht um einen neuen Subventionstatbestand, sondern nur um eine explizite Nennung. Der Unterhalt von Schutzbauten wird als Daueraufgabe verstanden.31 Die Ergänzung des unter dem Buchstaben f formulierten Tatbestandes macht es dem Bund möglich, zum Ausgleich von Schäden in Entlastungsräumen (z. B. Auslaufgebiete von abgelenkten Lawinen) beizutragen.

5.3

Bundesgesetz über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer und weiterer für den Strassen- und Luftverkehr zweckgebundener Mittel vom 22. März 1985

Art. 32 Abs. 1 Der Verweis auf die «Bundesgesetzgebung betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei» und die «Bundesgesetzgebung über die Wasserbaupolizei» wird durch den Verweis auf das WaG und das Wasserbaugesetz ersetzt. Zudem werden die Daten des Inkrafttretens des Wald- und des Wasserbaugesetzes ergänzt.

5.4

Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Naturund Heimatschutz

Art. 22 Abs. 2 Anstelle der globalen Nennung der «Wasserbaupolizei- oder Gewässerschutzgesetzgebung» werden das Wasserbaugesetz und das GSchG einzeln aufgeführt.

5.5

Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916

Art. 17 Abs. 2 Die «wasserbaulichen Vorschriften» werden präzisiert; anstelle heisst es neu «in den Bereichen Hochwasserschutz und Wasserbaupolizei». Zudem wird ergänzt, dass es sich um kantonale und eidgenössische Vorschriften handelt.

31

BAFU (2016): Schutz vor Massenbewegungsgefahren. Vollzugshilfe für das Gefahrenmanagement von Rutschungen, Steinschlag und Hangmuren. Bern; ; abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Naturgefahren > Publikation und Studien > Suchfenster: Schutz vor Massenbewegungsgefahren.

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Art. 21 Randtitel und Abs. 1 Der Randtitel wird mit «Hochwasserschutz» ergänzt: A. Aufsicht der Behörden / I. Wahrung des Hochwasserschutzes und der Wasserbaupolizei.

Auch in diesem Artikel werden die «wasserbaulichen Vorschriften» präzisiert; anstelle heisst es «in den Bereichen Hochwasserschutz und Wasserbaupolizei». Zudem wird ergänzt, dass es sich um kantonale und eidgenössische Vorschriften handelt.

Art. 30 Zu den Tätigkeitsfeldern kommt ergänzend «Hochwasserschutz» hinzu.

6

Auswirkungen

6.1

Finanzielle Auswirkungen

Aufwendungen für Grundlagen und Schutzmassnahmen gegen Naturgefahren Bund und Kantone investieren jährlich rund 590 Millionen Franken32 für abgeltungsberechtigte Grundlagen und Massnahmen zum Schutz vor Naturgefahren. Davon entfallen 180 Millionen auf den Schutzwald. Die übrigen Mittel werden für Schutzbauten eingesetzt, wovon rund 320 Millionen auf den Hochwasserschutz (HWS) und 90 Millionen auf den Schutz vor Rutschungen, Steinschlag und Lawinen (RSL) entfallen.

Zwei Drittel der Mittel für die Schutzbauten dienen dazu, die Funktionalität der Schutzbauten zu erhalten. Ein Drittel sind Investitionen in neue oder ergänzende Schutzbauten.

Im bisher nicht abgeltungsberechtigten Bereich wird der notwendige Aufwand für den regelmässigen Unterhalt auf rund 65 Millionen Franken geschätzt (60 Mio. HWS, 5 Mio. RSL). Der regelmässige Unterhalt ist einerseits für die Schutzwirkung bei Ereignissen unerlässlich, beispielsweise durch das Freihalten der Abflussprofile. Er trägt andererseits zur Verlängerung des Lebenszyklus der Schutzbauten bei. Das BAFU schätzt, dass bei Bund und Kantonen durch den regelmässigen Unterhalt der Schutzbauten rund 40 Millionen Franken pro Jahr eingespart werden können.

Entwicklung der Aufwendungen für Grundlagen Die bestehenden Gefahrengrundlagen sollen ergänzt werden, insbesondere mit Risikoübersichten und Gesamtplanungen. Die Kosten für die erstmalige Erarbeitung der Grundlagen der Kantone werden auf 8,4 Millionen Franken innerhalb von fünf Jahren geschätzt (Anteil Bund: 3,5 Mio., Kantone 4,9 Mio.). Die wiederkehrenden Kosten für die Aktualisierung werden auf 0,6 Millionen Franken jährlich geschätzt und zur Hälfte durch den Bund abgegolten.

Entwicklung der Aufwendungen für Schutzmassnahmen Die Entwicklung der Siedlungen und Infrastrukturen sowie der Klimawandel lassen das Risiko laufend ansteigen. Um der erwarteten Risikoentwicklung mit einer opti32

Es handelt sich um gerundete Werte auf der Basis der Abrechnung 2020.

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malen Massnahmenkombination zu begegnen, sollen mit der Gesetzesanpassung Fehlanreize beseitigt werden. Bestehende Lücken sollen geschlossen und alle Massnahmen gleich hoch abgegolten werden. Insbesondere sollen die Massnahmen zur Risikobegrenzung (raumplanerische Massnahmen und Erhalt der Schutzbauten), die bereits heute als prioritär im Gesetz verankert sind, gleich abgegolten werden wie Massnahmen zur Risikoreduktion. Die Begrenzung des Risikos trägt dazu bei, dass weniger häufig in kostenintensive neue Schutzbauten oder in Erweiterungen bestehender Schutzbauten investiert werden muss. Damit kann das Risiko mit den vorhandenen Mitteln mittelfristig auf einem tragbaren Niveau gehalten werden.

Mit der fortwährenden Zunahme der Häufigkeit und Intensität der Ereignisse infolge des prognostizierten Klimawandels sind allerdings langfristig zusätzliche Mittel erforderlich, um das Risiko auf einem tragbaren Niveau zu halten. Zwar wirken die mit der Gesetzesrevision angestrebten Risikobegrenzungen längerfristig, doch vermögen sie das durch den Klimawandel kontinuierlich steigende Risiko langfristig nicht hinreichend aufzufangen.

An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass die Investitionen des Bundes in den Hochwasserschutz von 2020­2040 insgesamt ansteigen werden. Das ist allerdings grossen Einzelprojekten wie der Rhonekorrektion33 oder dem Hochwasserschutzprojekt am Alpenrhein geschuldet und somit nicht auf die vorliegende Gesetzesanpassung zurückzuführen.

Auswirkungen auf den Vollzugsaufwand und auf den Aufwand für Grundlagen Die einmaligen Mehrkosten durch die Gesetzesanpassungen werden für den Vollzug von Bund und Kantonen auf 6 Millionen Franken über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren geschätzt. Sie ergeben sich vor allem aus der Erarbeitung zusätzlicher Grundlagen beim Bund (1 Mio.) sowie aus den Anpassungen beim Vollzug der Kantone (Personalkosten 5 Mio.). Die wiederkehrenden Aufwendungen, beispielsweise für die Nachführung von Risikoübersichten und für den Vollzug, belaufen sich auf rund 2,8 Millionen Franken jährlich (Grundlagenaktualisierungen Bund 0,1 Mio., Personalkosten der Kantone 2,7 Mio.).

6.2

Auswirkungen auf den Bund

Abgeltungen an die Kantone für Grundlagen und Schutzmassnahmen Die jährlichen Abgeltungen für die ergänzenden Grundlagen der Kantone betragen 0,3 Millionen Franken zusätzlich. Im Bereich der Schutzmassnahmen stehen beim Bund den zusätzlichen Abgeltungen für den regelmässigen Unterhalt im Umfang von gut 20 Millionen Franken Kosteneinsparungen von rund 15 Millionen Franken durch die Verlängerung des Lebenszyklus der Schutzbauten gegenüber. Die Gesetzesanpassung ermöglicht es dem Bund, neben Schutzbauten auch weitere kostengünstigere Massnahmen zur Risikobegrenzung gleichwertig abzugelten. Die kostengünstigen organisatorischen und die raumplanerischen Massnahmen ersetzen teilweise teure 33

Botschaft vom 14. Dezember 2018 betreffend den Gesamtkredit für die Realisierung der zweiten Etappe der 3. Rhonekorrektion (R3), BBl 2019 1203.

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zusätzliche Schutzbauten. Für den Bund fällt damit die Finanzierung im Naturgefahrenbereich kostenneutral aus. Die heutigen jährlichen Abgeltungen im Naturgefahrenbereich von rund 235 Millionen Franken (130 Mio. HWS, 35 Mio. RSL, 70 Mio.

Schutzwald) sollen dank der verstärkten Risikobegrenzung mittelfristig erhalten bleiben.

Finanzhilfen Neu kann sich der Bund dank Finanzhilfen für die Weiterbildung, Forschung und Information mit einer Teilfinanzierung an nationalen Zusammenarbeitsprojekten im Hochwasserschutz beteiligen. Dies entlastet ihn davon, die ganze Finanzierung zu übernehmen. Wie ein Vergleich mit dem Vollzug des WaG gezeigt hat, sind mit der Einführung der Finanzhilfe im Wasserbau keine höheren Aufwände zu erwarten. Da jedoch ein erheblicher Bedarf an Weiterbildung besteht, wird mit zusätzlichen Mitteln im Umfang von insgesamt 50 000 Franken pro Jahr gerechnet. Diese geringen Mehrkosten werden haushaltsneutral aus den bestehenden Hochwasserschutzmitteln finanziert.

Auswirkungen auf den Vollzugsaufwand des Bundes Der Bund erstellt für die nationale Übersicht und Steuerung ebenfalls Risikoübersichten und Gesamtplanungen; zudem stellt er Vollzugsinstrumente bereit. Dafür wird mit Kosten für die erstmalige Erarbeitung in der Höhe von 1 Million Franken gerechnet.

Die wiederkehrenden Kosten liegen unter 0,1 Millionen Franken jährlich. Diese geringen Mehrkosten werden durch eine Priorisierung und Etappierung der Aufgaben aufgefangen und sind somit ebenfalls haushaltsneutral.

Die Gesetzesanpassung führt zu einem höheren personellen Mehraufwand im Umfang von 80 Stellenprozenten. Die personellen Ressourcen sind für die Zusammenarbeit im IRM, die Umstellung des Vollzugs sowie die Bearbeitung von schweizweiten Risikoübersichten und Gesamtplanungen erforderlich. Dieser Mehraufwand wird innerhalb des bestehenden Personalkredites durch Priorisierungen haushaltsneutral aufgefangen.

Gesamte finanzielle Auswirkungen auf den Bund Die Anpassungen sind für den Bund haushaltsneutral; dies dank der Priorisierung und des Wechsels zu kostengünstigeren und risikobegrenzenden Massnahmen. Aufgrund der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels gilt dies jedoch nur mittelfristig.

Langfristig werden als Folge der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels voraussichtlich zusätzliche Mittel erforderlich sein.

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6.3

Auswirkungen auf Kantone, Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat Auswirkungen auf die Kantone. Diese sind zum einen finanzieller, zum anderen administrativer und gesetzgeberischer Art.

Subventionen gewährt der Bund gemäss Artikel 7 Buchstaben c und d des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199034 (SuG) nur unter der Voraussetzung, dass sich auch die Kantone angemessen beteiligen.

6.3.1

Finanzielle Auswirkungen

Kosten der Kantone für Grundlagen und Schutzmassnahmen Die Kantone, Gemeinden und Dritte (im Folgenden «Kantone» genannt) investieren heute im abgeltungsberechtigten Naturgefahrenbereich jährlich insgesamt rund 355 Millionen Franken (190 Mio. HWS, 55 Mio. RSL, 110 Mio. Schutzwald). Zusätzlich tragen sie die gesamten Kosten für den regelmässigen Unterhalt von geschätzt 65 Millionen Franken (60 Mio. HWS und 5 Mio. RSL).

Die Nettokosten der Kantone für die ergänzenden Grundlagen betragen rund 0,3 Millionen Franken jährlich. Bei den Schutzmassnahmen werden die Kantone durch die Abgeltungen des Bundes an den regelmässigen Unterhalt um rund 20 Millionen Franken entlastet. Zudem ergeben sich durch die Verlängerung des Lebenszyklus der Schutzbauten beim kantonalen Kostenanteil Einsparungen von rund 25 Millionen Franken. Vor allem aber profitieren auch die Kantone mittel- bis längerfristig von den kostengünstigen risikobegrenzenden Massnahmen, die weniger zusätzliche teure Schutzbauten erfordern.

Auswirkungen auf den Vollzugsaufwand der Kantone Durch die Umstellungen beim kantonalen Vollzug sowie für die Erarbeitung von ergänzenden Unterlagen ­ beispielsweise Gesamtplanungen ­ entsteht für die Kantone ein personeller Mehraufwand: Aufgrund der Angaben mehrerer Kantone wird mit einmaligen Personalkosten von 5 Millionen Franken innerhalb von fünf Jahren gerechnet. Der jährlich wiederkehrende Personalaufwand wird für alle Kantone zusammen auf 2,7 Millionen Franken geschätzt.

Gesamte finanzielle Auswirkungen auf die Kantone Die Kantone profitieren durch die Risikobegrenzung und die reduzierten Investitionen in teure Schutzbauten aufgrund ihres höheren Finanzierungsanteils am meisten. Zudem ergeben sich Einsparungen aus den Beteiligungen des Bundes am Unterhalt. Der zusätzliche Vollzugaufwand ist demgegenüber gering. Aufgrund des durch den Klimawandel verursachten Risikoanstiegs werden die Einsparungen für die Kantone nicht von Dauer sein.

34

SR 616.1

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6.3.2

Auswirkungen auf die kantonalen Gesetzgebungen

Die kantonalen Gesetzesgrundlagen müssen gegebenenfalls angepasst werden.

6.3.3

Weitere Auswirkungen auf Gemeinde, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete. Es wird davon ausgegangen, dass die urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebiete mit den vorgeschlagenen Anpassungen weder bevorzugt noch benachteiligt werden. Mit Blick auf das Risiko lässt sich feststellen, dass dieses in besiedelten und mit Schutzbauten teilweise geschützten Gebieten hauptsächlich durch eine zunehmende Nutzung erhöht wird. In den Berggebieten macht teilweise das gestiegene Gefahrenpotenzial den grösseren Teil des Risikoanstiegs aus.

6.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die wesentlichen Neuerungen des vorliegenden Entwurfs wurden einer volkswirtschaftlichen Beurteilung35 unterzogen. Die Analyse zeigt, dass das Hochwasserrisiko durch die fortschreitende Siedlungsentwicklung und den Klimawandel künftig stark ansteigt. Mit den bisherigen Anstrengungen zur Realisierung von Schutzbauten kann das Ziel, die wesentlichen Schutzdefizite zu beheben, nicht erreicht werden, da laufend neue Risiken entstehen. Je nach Klimaszenario, das eintritt, wird sich diese Entwicklung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weiter verstärken. Es wird deutlich, dass die Auswirkungen v. a. in Bereichen mit zwar seltenen, aber umso schadenintensiveren Hochwasserereignissen sehr gravierend sind. Diese Bereiche liegen jedoch ausserhalb der Wirkung von Schutzbauten, da deren Wirkungsgrad begrenzt ist.

Es braucht folglich ­ neben den Schutzbauten ­ andere Massnahmen, um auch in diesen Bereichen das Risiko zu reduzieren. Die künftige Risikozunahme hat keine monokausale Ursache, sondern ist auf den Klimawandel sowie die weitere Siedlungsund Infrastrukturentwicklung zurückzuführen. Daher ist dieser Risikozunahme auch nicht mit einer einzigen Massnahme wie zusätzlichen Schutzbauten zu begegnen. Der Einsatz unterschiedlicher Massnahmen wird, sofern diese optimal miteinander kombiniert werden, eine deutlich grössere Risikoreduktion bewirken.

Mit der Ausrichtung auf eine wirkungsvolle Umsetzung des IRM soll erreicht werden, dass das Risiko ­ bei gleichbleibenden Investitionen der öffentlichen Hand im Umfang von rund 380 Millionen Franken pro Jahr für den Hochwasserschutz ­ gegenüber heute nicht weiter ansteigt bzw. begrenzt werden kann. Damit kann gleichzeitig der Anstieg des Risikos infolge der seltenen Ereignisse gedämpft werden. Die

35

Ecoplan (2019): Volkswirtschaftliche Beurteilung (VOBU). Rechtsanpassung im Bereich Naturgefahren. Wirkungsanalyse, Bern.

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Schadenstatistik36 zeigt, dass seit 1972 die fünf grössten Ereignisse für fast die Hälfte der gesamten Schäden verantwortlich waren. Die drei grössten Hochwasserereignisse (1977, 1987 und 2005) verursachten gar über 30 Prozent der gesamten Schäden der letzten 45 Jahre. Das heisst, dass der Schaden im Ereignisfall und für den Einzelnen sehr viel höher und einschneidender sein kann als dies von den Durchschnittswerten suggeriert wird.

Der Nutzen der Gesetzesanpassung für die Betroffenen kann im Vergleich zu anderen Optionen wie folgt grob abgeschätzt werden: ­

Option «Weiter wie bisher»: Den Versicherten bzw. den Hauseigentümerinnen und -eigentümern entstehen Schäden in der Grössenordnung von zirka 12 Franken pro Jahr und Kopf.

­

Option «verstärkte Investitionen in Schutzbauten»: Den Steuerzahlerinnen und -zahlern entstehen mehr als 6 Franken pro Jahr und Kopf an Mehrausgaben für neue oder verbesserte Schutzbauten.

­

Option Gesetzesanpassung: Den Steuer Steuerzahlerinnen und -zahlern entstehen für den Vollzugsaufwand höherer Kosten von rund 30 Rappen pro Jahr und Kopf (Mehrkosten Bund und Kantone für Personal und ergänzende Grundlagen).

Somit weist die angestrebte Gesetzesanpassung aus volkswirtschaftlicher Sicht ein gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis auf. Diese Zahlen beziehen sich auf Ereignisse mit einer häufigen und mittleren Wiederkehrperiode. Für seltene und sehr seltene Ereignisse ist der Nutzen noch grösser.

6.5

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Auswirkungen auf die Gesellschaft wurden nicht mit einer separaten Studie geprüft. Aus früheren Umfragen wird jedoch ersichtlich, dass die Schweizer Bevölkerung insgesamt grosses Vertrauen in die Bemühungen der öffentlichen Hand zum Schutz vor Naturgefahren hat. Sie anerkennt zudem, dass dieser Schutz auch etwas kostet. Dem IRM und den verschiedenen Massnahmen steht sie grundsätzlich positiv gegenüber. So werden in der breiten Bevölkerung auch Massnahmen zur Stärkung der Risikokultur befürwortet, allerdings ist die Bereitschaft, diesbezüglich selbst aktiv zu werden, derzeit eher schwach ausgeprägt. Mit den optimal aufeinander abgestimmten Massnahmen kann der Schutz vor Naturgefahren gewährleistet werden. Dies wiederum wirkt sich auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung aus und treibt den Prämienanstieg der Elementarschadenversicherungen nicht weiter an.

36

Abrufbar unter: www.wsl.ch Naturgefahren Hochwasser und Überschwemmungen
Umwetterschadens-Datenbank.

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6.6

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Auswirkungen auf die Umwelt wurden nicht mit einer separaten Studie geprüft.

Es kann jedoch festgehalten werden, dass der Schutz von erheblichen Sachwerten gemäss Artikel 1 auch die natürliche Lebensgrundlage des Menschen umfasst, so den Boden oder das Wasser. Gleichzeitig gehören die bei Naturereignissen ablaufenden Prozesse zur natürlichen Dynamik von Lebensräumen und sind Teil der Biodiversität.

Die Vorlage fördert den naturnahen Wasserbau und trägt damit dazu bei, die natürlichen Funktionen der Gewässer zu erhalten oder wiederherzustellen. Die Präzisierung der ökologischen Anforderungen an den Gewässerunterhalt leisten einen Beitrag an die Anpassung an den Klimawandel (z. B. Beschattung der Gewässer), an die Aufwertung der Gewässerräume und damit an den Aufbau der ökologischen Infrastruktur.

6.7

Andere Auswirkungen

Es wurden keine weiteren Auswirkungen geprüft.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 76 Absatz 3 BV, wonach der Bund Vorschriften über den Gewässerschutz, die Sicherung angemessener Restwassermengen, den Wasserbau, die Sicherheit von Stauanlagen und die Beeinflussung der Niederschläge erlässt. Es handelt sich dabei um eine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in den genannten Bereichen.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die vorliegende Gesetzesrevision ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar und stimmt mit der Stossrichtung der Entwicklungen im Umgang mit Naturgefahren auf internationaler Ebene überein. Zu nennen sind die Agenda 2030 der Vereinten Nationen und das Sendai-Rahmenwerk zur Minderung von Katastrophenrisiken.

7.3

Erlassform

Nach Artikel 164 BV sowie Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 200237 erlässt die Bundesversammlung wichtige rechtssetzende Bestimmungen wie die vorliegenden in der Form eines Bundesgesetzes.

37

SR 171.10

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7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

In der Vorlage wird in Artikel 6 E-WBG der Subventionstatbestand ausgeweitet. Gemäss der neuen Formulierung kann der Bund nicht nur wie bis anhin die Erstellung, Instandstellung und den Ersatz technischer Massnahmen oder die Verlegung von Gebäuden, sondern alle Massnahmen, wie sie in Artikel 3 E-WBG beschrieben sind, mitfinanzieren. Es entstehen dadurch keine Mehrausgaben, die Mittel werden innerhalb des bestehenden Hochwasserschutzkredits umgelagert. Die angestrebte kostengünstigere Massnahmenkombination wird mittelfristig die Aufwendungen für Schutzbauten reduzieren. Die Abgeltungsbestimmungen sind daher nicht der Ausgabenbremse zu unterstellen.

Mit Artikel 7 E-WBG wird mit den Finanzhilfen eine neue Subventionsbestimmung geschaffen. Die geplanten zusätzlichen Ausgaben von jährlich 50 000 Franken liegen jedoch deutlich unter dem Schwellenwert von 2 Millionen Franken, ab der neue Subventionsbestimmungen mit wiederkehrenden Ausgaben der Ausgabenbremse unterstellt werden müssen. Die neue Subventionsgrundlage ist daher nicht der Ausgabenbremse zu unterstellen.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen wird durch die Revision nicht verändert. Die operative Umsetzung des Hochwasserschutzes ist und bleibt eine Aufgabe der Kantone. Der Bund gewährt den Kantonen Subventionen und hat die Aufsicht über den kantonalen Vollzug. Man spricht daher auch von einer Verbundaufgabe. Da Schutzmassnahmen und ihre Auswirkungen häufig Kantonsgrenzen überschreiten, ist eine gesamtschweizerische Steuerung unumgänglich. Gleichzeitig wird mit der operativen Umsetzung durch die Kantone den regionalen Gegebenheiten Rechnung getragen. Das Subsidiaritätsprinzip wird folglich eingehalten.

Da die Kantone als massgebliche Nutzniesser der Schutzmassnahmen grundsätzlich im Bereich Hochwasserschutz auch den Grossteil der damit verbundenen Kosten tragen und indem der Bund im Rahmen der Abgeltungen an Schutzmassnahmen diese auch entsprechend beeinflussen sowie steuern kann, wird das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz in diesem Bereich eingehalten.

Die kantonsinterne Kostenbeteiligung und der allfällige Einbezug von Nutzniesser ist Sache der Kantone. Bundesbetriebe und vom Bund subventionierte Betriebe (wie die armasuisse, das Bundesamt für Bauten und Logistik, die SBB, die BLS) gelten gleichermassen als Nutzniesser bei Massnahmen zum Schutz vor Naturgefahren. Sie sind auf Basis ihres risikobasierten Nutzenanteils an den Kosten zu beteiligen. Diese Kosten beschränken sich auf den abgeltungsberechtigten Anteil der Gesamtkosten nach Abzug der Abgeltungen.

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7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Abgeltungs- und Finanzhilfebestimmungen richten sich nach den Voraussetzungen und Grundsätzen der Artikel 6 bis 10 SuG.

Artikel 6 E-WBG zu den Abgeltungen und Artikel 7 E-WBG zu den Finanzhilfen halten die Grundsätze gemäss SuG ein. Artikel 9 E-WBG zeigt die Voraussetzungen auf, wonach Abgeltungen oder Finanzhilfen gewährt werden können. Der Bund steuert über die Höhe der Beiträge und der anrechenbaren Kosten, welche Grundlagen und Massnahmen welche Abgeltungsbeiträge erhalten. So werden Grundlagen wie Gefahrenkarten oder Risikoanalysen höher entschädigt, damit auf dieser Wissensbasis wirtschaftliche und zweckmässige Schutzmassnahmen geplant werden. Mit den Mehrleistungen für Massnahmen werden Anreize für ein IRM gesetzt. Damit sollen die Investitionen im Bereich Schutzmassnahmen reduziert und der Risikoanstieg gebremst werden.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

An der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen wird nichts geändert.

7.8

Datenschutz

Die Umsetzung der Vorlage bringt weder die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten noch ein Profiling oder ein sonstiges Risiko schwerwiegender Grundrechtseingriffe mit sich, so dass im Gesetz selbst keine Datenbearbeitungsregelung erforderlich ist (Art. 34 Abs. 2 des neuen Datenschutzgesetzes, das am 1. September 2023 in Kraft tritt38).

38

SR 235.1; AS 2022 491

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Abkürzungsverzeichnis BV

Bundesverfassung vom 18. April 1999

GSchG

Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991

GSchV

Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998

HWS

Hochwasserschutz

IRM

Integrales Risikomanagement

NHG

Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz

PLANAT Nationale Plattform Naturgefahren RSL

Rutschungen, Steinschlag und Lawinen

SuG

Subventionsgesetz vom 5. Oktober 1990

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr und Kommunikation

WaG

Waldgesetz vom 4. Oktober 1991

WaV

Waldverordnung vom 30. November 1992

WBG

Wasserbaugesetz vom 21. Juni 1991

WBV

Wasserbauverordnung vom 2. November 1994

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