BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.023 Botschaft zur Änderung des Transplantationsgesetzes vom 15. Februar 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Transplantationsgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Februar 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-0508

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Übersicht Die vorliegende Teilrevision des Transplantationsgesetzes schafft die rechtliche Basis für ein Vigilanzsystem im Bereich der Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen und optimiert den Vollzug. Zudem sollen die formellgesetzlichen Grundlagen für das Überkreuz-Lebendspende-Programm und für die verwendeten Datenbanken geschaffen werden.

Ausgangslage Qualität und Sicherheit der Transplantationen von Organen, Geweben und Zellen sind in der Schweiz auf hohem Niveau. Dennoch muss mit schwerwiegenden unerwarteten Ereignissen gerechnet werden. Mit der vorliegenden Revision wird ein Vigilanzsystem vorgeschlagen, das rasch und effizient auf solche Ereignisse reagieren und daraus künftige Vermeidungsstrategien ableiten kann. In der Vorlage werden zudem die wissenschaftlichen und regulatorischen Entwicklungen aufgenommen, die seit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes im Jahr 2007 eingetreten sind. Die vorgeschlagenen Anpassungen im Vollzug sollen einfachere Prozesse ermöglichen und die Sicherheit und Transparenz erhöhen. Teil der Vorlage ist auch das Überkreuz-Lebendspende-Programm. Dieses im Jahr 2017 eingeführte Programm beinhaltet Elemente aus der Lebendspende wie auch Aspekte der Warteliste. Daraus ergibt sich ein besonderer Regelungsbedarf, der nun in einem eigenen Abschnitt im Gesetz umgesetzt wird. Darüber hinaus schafft der vorliegende Entwurf die formellgesetzlichen Grundlagen für verschiedene elektronische Systeme wie das Swiss Organ Allocation System (SOAS), das die Organzuteilung unterstützt.

Inhalt der Vorlage Vigilanz Das Transplantationsgesetz regelt bereits wichtige Elemente, welche die Grundlage eines Vigilanzsystems bilden. Es definiert Sorgfaltspflichten und verlangt von den Akteuren ein geeignetes Qualitätssicherungssystem. Zudem müssen schon heute alle Schritte von der Spende bis zur Transplantation von Organen, Geweben oder Zellen dokumentiert werden. Bisher gefehlt hat jedoch eine Meldepflicht für schwerwiegende Zwischenfälle und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen. Diese Meldepflicht soll nun mit der Vorlage eingeführt werden. Darüber hinaus sieht die Vorlage ein neues elektronisches System vor, in dem die Meldungen aus den Bereichen Organe, Gewebe und Blut-Stammzellen zentral erfasst und bearbeitet werden.

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Vollzugsoptimierung Erfahrungen aus dem Vollzug zeigen, dass Anpassungen in verschiedenen Bereichen erforderlich sind. Anpassungen werden für die folgenden Bereiche vorgeschlagen: ­

Für Organe, Gewebe und Zellen zur autologen Transplantation sollen weitgehend dieselben Bestimmungen gelten wie bei der allogenen Transplantation.

­

Der Bundesrat soll die Möglichkeit erhalten, für die Entnahme von Organen, Geweben und Zellen eine Bewilligungspflicht einzuführen, falls es sich als notwendig erweisen sollte.

­

Die Anwendbarkeit von Regelungen zu Transplantatprodukten wird klarer definiert und zu den Bestimmungen im Heilmittelgesetz abgegrenzt. Zudem wird die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung für Spitäler zur Anwendung nicht zugelassener Transplantatprodukte eingeführt.

­

Klinische Versuche im Bereich Transplantation sollen neu vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) statt vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) bewilligt werden. Dies vereinfacht das Verfahren für Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller.

­

Private Nabelschnurblutbanken sollen Eltern transparenter über die Lagerung von Blut-Stammzellen aus Nabelschnurblut und über den Umgang mit Personendaten informieren. Zudem kann der Bundesrat eine Pflicht zur sachlichen Information über die spätere Verwendung der Zellen und die Erfolgsaussichten bei einer allfälligen Transplantation vorsehen.

­

Heute regeln verschiedene Gesetze den Umgang mit Stammzellen, die aus überzähligen Embryonen aus der Fortpflanzungsmedizin stammen. Die Vorlage bereinigt die Schnittstellen zu anderen Gesetzen und passt das Schutzniveau an dasjenige des Stammzellenforschungsgesetzes an.

­

Die Entnahme von Geweben und Zellen erfolgt häufig nicht zusammen mit einer Organspende und damit nicht unmittelbar nach dem Tod. In solchen Fällen liegt bereits eine Todesbescheinigung nach kantonalem Recht vor, auf welche verwiesen werden kann.

Überkreuz-Lebendspende Will jemand einer nahestehenden Person zu Lebzeiten eine Niere spenden, so ist dies aus Gründen der Kompatibilität nicht immer möglich. Mit einer Überkreuz-Lebendspende können jedoch Organe von Lebendspenderinnen und -spendern «über Kreuz» passenden Empfängerinnen oder Empfängern zugeteilt werden. Ein Überkreuz-Lebendspende-Programm kann für Patientinnen und Patienten die Chance auf ein Organ erhöhen. Die Rahmenbedingungen des Programms und die Rechte und Pflichten der teilnehmenden Personen und beteiligten Stellen wurden bisher in der ÜberkreuzLebendspende-Verordnung geregelt. Da es sich hierbei um wichtige rechtsetzende Bestimmungen handelt, müssen die Grundlagen im Gesetz selbst festgehalten werden.

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Datenbanken Die in der Transplantationsmedizin eingesetzten elektronischen Systeme sind unterschiedlich aufgebaut, da sie verschiedene Zwecke erfüllen und jeder Bereich eigene Prozesse kennt. Umfangreiche Systeme bestehen im Bereich der Spende und Transplantation von Organen und bei der Spende von Blut-Stammzellen. Zudem werden sogenannte Nachsorgeregister betrieben, um Lebendspenderinnen und -spendern eine medizinische Nachbetreuung zu gewährleisten. Mit der Vorlage sollen nun für diese Datenbanken, die besonders schützenswerte Personendaten enthalten, die Grundlagen auf Gesetzesstufe geschaffen werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Vigilanz 1.1.2 Anpassungen aufgrund von Erfahrungen aus dem Vollzug 1.1.3 Überkreuz-Lebendspende-Programm 1.1.4 Gesetzliche Grundlagen für Datenbanken 1.2 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrats

8 8 8 9 10 11

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Vernehmlassung 2.2 Evaluation

12 12 13

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Vigilanz 3.1.1 Europäische Union 3.1.2 Vorgaben nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik in der Schweiz 3.1.3 Rechtslage in anderen Ländern 3.2 Ausnahmebewilligung für Spitäler zur Anwendung von nicht zugelassenen Transplantatprodukten 3.3 Überkreuz-Lebendspende-Programm

14 14 15

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Vigilanz 4.1.2 Anpassungen aufgrund von Erfahrungen aus dem Vollzug 4.1.2.1 Autologe Transplantationen 4.1.2.2 Entnahme von Organen, Geweben und Zellen 4.1.2.3 Todesfeststellung im Hinblick auf die Entnahme von Geweben und Zellen 4.1.2.4 Transplantatprodukte 4.1.2.5 Klinische Versuche 4.1.2.6 Stammzellen aus überzähligen Embryonen 4.1.2.7 Nabelschnurblutbanken 4.1.2.8 Xenotransplantationen 4.1.3 Überkreuz-Lebendspende-Programm 4.1.4 Gesetzliche Grundlagen für Datenbanken 4.1.4.1 Lebendspende-Nachsorgeregister 4.1.4.2 Swiss Organ Allocation System 4.1.4.3 System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende

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4.1.4.4 Blut-Stammzellenregister 4.1.4.5 Vigilanz-Meldesystem 4.1.4.6 Allgemeine Grundsätze zur Datenbearbeitung 4.1.5 Koordinationsbedarf mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» 4.1.6 Änderung anderer Erlasse Abstimmung von Aufgaben und Finanzen Umsetzungsfragen ­ Vigilanz

33 34 34

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Änderung des Transplantationsgesetzes 5.2 Änderung anderer Erlasse 5.2.1 Schengen-Informationsaustausch-Gesetz 5.2.2 Fortpflanzungsmedizingesetz 5.2.3 Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen 5.2.4 Humanforschungsgesetz 5.2.5 Stammzellenforschungsgesetz 5.2.6 Epidemiengesetz

36 36 93 93 94

4.2 4.3 5

6

7

35 35 36 36

94 95 97 97

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.1.1 Vigilanz 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 6.3 Auswirkungen auf die Gesellschaft 6.3.1 Vigilanz 6.3.2 Überkreuz-Lebendspende-Programm 6.4 Auswirkungen auf weitere betroffene Institutionen 6.4.1 Vigilanz 6.4.2 Autologe Transplantationen 6.4.3 Klinische Versuche 6.4.4 Ausnahmebewilligung für Spitäler zur Anwendung von nicht zugelassenen Transplantatprodukten

98 98 98 98 98 98 99 99 99 100 100

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.6.1 Die Bedeutung der Subvention für die vom Bund angestrebten Ziele 7.6.2 Materielle und finanzielle Steuerung der Subvention

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102 103 103 103

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7.6.3 7.6.4 7.7 7.8

Verfahren der Beitragsgewährung Befristung und degressive Ausgestaltung einer Subvention Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

103 104 104 105

Abkürzungsverzeichnis

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Glossar

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Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Der Bundesrat schlägt im Rahmen dieser Vorlage vor, die Sicherheit der Transplantationsmedizin mit einem flächendeckenden Vigilanzsystem zu erhöhen und den Vollzug zu stärken. Damit sollen die wissenschaftlichen und regulatorischen Entwicklungen, die seit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes vom 8. Oktober 20041 vor fünfzehn Jahren eingetreten sind, aufgenommen werden.

Ein zusätzlicher Anpassungsbedarf ergibt sich durch den Umstand, dass verschiedene Datenbanken sowie ein neues Überkreuz-Lebendspende-Programm bisher weitgehend in den Verordnungen geregelt wurden. Mit dieser Vorlage soll nun eine formellgesetzliche Grundlage für den Betrieb der Datenbanken, für die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten und bezüglich der Kernelemente des ÜberkreuzLebendspende-Programms im Transplantationsgesetz geschaffen werden.

1.1.1

Vigilanz

Vigilanzsysteme sind in verschiedenen medizinischen Bereichen etabliert, etwa für Arzneimittel und Medizinprodukte. In der Europäischen Union (EU) gibt es auch Vigilanzsysteme in den Bereichen Organe, Gewebe und Zellen. In der Schweiz ist aktuell im Bereich Transplantation einzig für Transplantatprodukte ein Meldesystem für unerwünschte Vorkommnisse im Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 20002 (HMG) geregelt.

Ziel eines Vigilanzsystems im Bereich Transplantation ist, die Qualität und Sicherheit von Organ-, Gewebe- und Zelltransplantationen zu verbessern, indem Risiken wie zum Beispiel Krankheitsübertragungen bestmöglich minimiert werden. Kommt es im Rahmen einer Transplantation zu einem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis*3, trifft die meldepflichtige Institution in Zusammenarbeit mit der zuständigen Vigilanzstelle angemessene Massnahmen zum Schutz der Gesundheit gefährdeter Personen und zur Gewährleistung der Transplantatsicherheit. Neben der Schadensbegrenzung bei einem konkreten unerwünschten Ereignis dient ein Vigilanzsystem auch der Optimierung der Prozesse. Eine Aufarbeitung von Vigilanzfällen kann systematische Probleme aufdecken. Daraus lassen sich Massnahmen ableiten, um weitere unerwünschte Ereignisse möglichst zu vermeiden.

Das geltende Transplantationsgesetz regelt bereits wichtige Elemente, welche die Grundlage eines Vigilanzsystems bilden. Es definiert Sorgfaltspflichten und verlangt von den Akteuren ein geeignetes Qualitätssicherungssystem. Zudem müssen nach 1 2 3

SR 810.21 SR 812.21 Die mit einem Sternchen versehenen Begriffe werden im Glossar erklärt.

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dem geltenden Gesetz alle Schritte im Rahmen der Spende und Transplantation von Organen, Geweben oder Zellen lückenlos dokumentiert werden. Führt beispielsweise bei einer Krankheitsübertragung nach einer Organtransplantation die Spur zurück zur spendenden Person, muss überprüft werden können, ob weitere transplantierte Organe oder in einer Gewebebank eingelagertes Gewebe aus dieser Spende stammen. Ein Vigilanzsystem setzt voraus, dass schwerwiegende unerwünschte Ereignisse zuverlässig gemeldet werden. Das Gesetz sieht jedoch zurzeit keine entsprechende Meldepflicht vor. Unter schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen werden sowohl schwerwiegende Zwischenfälle (Serious adverse event, SAE*) wie auch schwerwiegende unerwünschte Reaktionen (Serious adverse reaction, SAR*) verstanden. Neben einer Meldepflicht als zentrales Element eines Vigilanzsystems braucht es zudem Vigilanzstellen, welche für die Aufarbeitung der Vigilanzfälle auf nationaler Ebene zuständig sind und bei Bedarf Massnahmen veranlassen.

Im Nationalrat wurde mit der Motion Kessler vom 16. April 20134 die Einführung eines Vigilanzsystems für Gewebe und Zellen in der Schweiz gefordert. Der Bundesrat empfahl die Ablehnung der Motion mit der Begründung, dass die Einführung eines solchen Systems im Rahmen der Umsetzung des geplanten Gesundheitsabkommens mit der EU (GesA) vorgesehen sei. Seit der Ablehnung dieser Motion wurden die Gespräche mit der EU über das GesA neu ausgerichtet und auf prioritäre Bereiche der Zusammenarbeit beschränkt. Dazu gehört unter anderem die Beteiligung der Schweiz am EU-Mechanismus zur Bewältigung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsbedrohungen. Die Diskussionen zum GesA sind derzeit aufgrund des allgemeinen politischen Kontexts in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ausgesetzt. Wegen der inhaltlichen Neuausrichtung der Gespräche über das GesA wurden die Verhandlungen mit der EU für den Bereich Transplantation nicht fortgeführt, weshalb die fachlich begründete Forderung nach der Einführung einer Vigilanz im gesamten Bereich der Transplantation mit der vorliegenden Teilrevision aufgenommen wird.

1.1.2

Anpassungen aufgrund von Erfahrungen aus dem Vollzug

Erfahrungen aus dem Vollzug zeigen, dass Anpassungen in verschiedenen Bereichen erforderlich sind, um zum Beispiel die notwendigen Kontrollen im Hinblick auf die Qualität und Sicherheit beim Umgang mit Geweben und Zellen vorzunehmen oder schlankere Abläufe zu ermöglichen. Es handelt sich dabei um folgende Bereiche:

4

­

Organe, Gewebe und Zellen zur autologen Transplantation*,

­

Entnahme von Organen, Geweben und Zellen,

­

Todesfeststellung im Hinblick auf die Entnahme von Geweben und Zellen,

­

Transplantatprodukte,

­

klinische Versuche,

13.3300 «Sicherstellung der Nachverfolgbarkeit von Gewebespenden».

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­

Nabelschnurblutbanken,

­

Stammzellen aus überzähligen Embryonen,

­

Xenotransplantationen*.

1.1.3

Überkreuz-Lebendspende-Programm

Von 2007 bis 2021 wurden in der Schweiz im Schnitt 35 Prozent der Nierentransplantationen durch Lebendspenden ermöglicht.5 Oft findet sich innerhalb der Familie oder im Bekanntenkreis eine Person, die zu einer Lebendspende bereit wäre. Jedoch ist eine Transplantation nur dann möglich, wenn gewisse Gewebemerkmale zwischen spendender und empfangender Person möglichst gut übereinstimmen. In über 60 Prozent der Fälle ist eine solche immunologische Kompatibilität nicht gegeben, und das Paar wird als inkompatibel bezeichnet. Berücksichtigt man viele solcher inkompatiblen Paare, so lassen sich aus ihnen neue Paare bilden, bei denen die Spenderin oder der Spender mit der Empfängerin oder dem Empfänger jeweils kompatibel ist. Da die Organe hier «über Kreuz» zwischen den teilnehmenden Paaren ausgetauscht werden, nennt sich dieses Vorgehen Überkreuz-Lebendspende (teilweise auch «CrossoverSpende»). Das Überkreuz-Lebendspende-Programm ermöglicht so auch Patientinnen und Patienten einen Zugang zur Lebendspende, die in ihrem Umfeld keine kompatible spendewillige Person finden. Ebenso vom Programm profitieren können Patientinnen und Patienten, die aus immunologischen Gründen oder wegen ihrer Blutgruppe Schwierigkeiten haben, ein passendes Organ zu bekommen. Für sie ist es von Vorteil, wenn an einem Überkreuz-Lebendspende-Programm möglichst viele Spenderinnen und Spender teilnehmen.

1999 wurde in der Schweiz die erste Überkreuz-Nierenspende Europas durchgeführt.

Seither wurden vereinzelt Überkreuz-Nierenspenden mit zwei oder drei Paaren durchgeführt, die von den Transplantationszentren organisiert wurden. Einige andere Länder haben heute grosse nationale Programme mit gleichzeitig bis zu 250 Paaren, aus welchen alle paar Monate mit einem Algorithmus kompatible Paare berechnet werden (Niederlande seit 2004, Vereinigtes Königreich seit 2007, Spanien seit 2009).6 Daraus ergeben sich dann Ketten aus Paaren, bei welchen die Überkreuz-Lebendspende durchgeführt wird. Um die Anzahl der möglichen Kombinationen zu erhöhen, werden in gewissen Programmen pro Patientin oder Patient mehrere spendewillige Personen aufgenommen. Einige Programme nehmen auch Paare auf, die immunologisch kompatibel sind und bei denen eine direkte Lebendspende an sich möglich wäre. Man erhofft sich aber für die Patientin oder den Patienten eine
geeignetere Niere. Auch mit internationalen Kollaborationen wird die Programmgrösse erhöht.7 Eine Herausforderung dabei sind die unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen der teilnehmenden Länder (siehe Ziff. 3.3).

5 6 7

Quelle: www.bag.admin.ch > Zahlen & Statistiken > Transplantationsmedizin > Organe > Organ-Lebendspende.

Biró, P. u. a. (2019): Building Kidney Exchange Programmes in Europe ­ An Overview of Exchange Practice and Activities. In: Transplantation 2019/103(7), 1514­1522.

Valentín, M. O. u. a. (2019): International Cooperation for Kidney Exchange Success.

In: Transplantation, 2019/103(6), e180.

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Seit November 2017 können in der Schweiz Überkreuz-Lebendspenden mit drei oder mehr beteiligten Paaren nur noch im Rahmen eines Überkreuz-Lebendspende-Programms durchgeführt werden. Dabei müssen die Vorgaben der Überkreuz-Lebendspende-Verordnung vom 18. Oktober 20178 beachtet werden. Im Rahmen des Programms soll alle paar Monate die beste Kombination kompatibler Paare ermittelt werden. Erstmals durchgeführt wurde ein Programm im Oktober 2019.

Die Kernelemente des Überkreuz-Lebendspende-Programms werden nun auf Gesetzesstufe verankert.

1.1.4

Gesetzliche Grundlagen für Datenbanken

Der Bund betreibt im Transplantationsbereich verschiedene Datenbanken, über die zentrale Datenflüsse für die Organzuteilung, die Suche von geeigneten Blut-Stammzellen, die Nachsorge nach einer Lebendspende und die Aufsicht laufen. In den nächsten Jahren sollen die bestehenden Datenbanken auf den technologischen und digitalen Wandel ausgerichtet und neue, innovative Datenbanken wie das Vigilanz-Meldesystem aufgebaut werden. Die digitale Transformation im Transplantationsbereich leistet einen wichtigen Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen und effizienten Gesundheitsversorgung und hilft mit, die Patientensicherheit zu erhöhen. Dabei haben Datenschutz und Datensicherheit oberste Priorität.

Gemäss Bundesverfassung (BV)9 hat der Bund im Bereich Transplantation für den Schutz der Persönlichkeit zu sorgen (Art. 119a Abs. 1). Artikel 13 Absatz 2 BV schützt jede Person vor Beeinträchtigungen, die aus dem Umgang mit ihren persönlichen Daten resultieren. Soweit eine Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten durch Bundesorgane notwendig ist, verlangt das Bundesgesetz vom 19. Juni 199210 über den Datenschutz (DSG) (neu: Datenschutzgesetz vom 25. September 202011 [nDSG]; Inkrafttreten per 1. September 2023) grundsätzlich eine formell-gesetzliche Grundlage dafür. Der Umgang mit Personendaten ist daher im Transplantationsgesetz entsprechend zu regeln. Für die im Transplantationsbereich bereits bestehenden Datenbanken sind die gesetzlichen Grundlagen teilweise erst auf Verordnungsstufe vorhanden. Zudem wird ein neues System für die Vigilanz eingeführt. Die vorliegende Teilrevision bezweckt vor diesem Hintergrund, die formell-gesetzlichen Grundlagen für die folgenden Datenbanken zu schaffen, beziehungsweise sie den datenschutzrechtlichen Erfordernissen anzupassen:

8 9 10 11

­

die Lebendspende-Nachsorgeregister,

­

das System für die Zuteilung von Organen,

­

das System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende,

­

das Blut-Stammzellenregister, und

­

das Vigilanz-Meldesystem.

SR 810.212.3 SR 101 SR 235.1 AS 2022 491

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Für die Regelungsdichte der einzelnen Datenbanken auf formell-gesetzlicher Ebene wurden unterschiedliche Konzepte gewählt, auf welche an entsprechender Stelle näher eingegangen wird (vgl. Ziff. 4.1.4).

1.2

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrats

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202012 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202013 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

Die Anpassung des Transplantationsgesetzes ist dennoch angezeigt, da nach dem geltenden wie auch dem neuen Datenschutzgesetz die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten, wie dies bei den verschiedenen Datenbanken im Bereich Transplantation der Fall ist, auf Gesetzesstufe geregelt werden muss. Zudem erfüllt die Vorlage Forderungen aus der gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrats 2020­ 203014, einerseits durch eine moderne Regelung der Datenbanken (Förderung der Digitalisierung und Nutzung der Daten, definierter Umgang mit neuen Technologien), andererseits mit der Einführung eines Vigilanzsystems (Verbesserung der medizinischen Behandlungen).

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Vernehmlassung

Die Vernehmlassung zur Teilrevision des Transplantationsgesetzes wurde vom 12. Mai 2021 bis zum 2. September 2021 durchgeführt. Es gingen insgesamt 67 Rückmeldungen ein, wobei 4 Stellen explizit auf eine Stellungnahme verzichtet haben. Die Vorlage wird in den Stellungnahmen insgesamt gut aufgenommen. Die Regelung der Datenbanken auf Gesetzesstufe wird von allen Seiten begrüsst. Auch die Einführung eines Vigilanzsystems wird begrüsst, wobei gefordert wird, dass möglichst auf bestehenden Prozessen und Systemen in den meldepflichtigen Institutionen aufgebaut wird und gut abgrenzbare Definitionen für meldepflichtige Zwischenfälle ausgearbeitet werden. Somit soll der administrative Aufwand für die meldepflichtigen Institutionen möglichst geringgehalten werden. Im Bereich der Lebendspende wird gefordert, dass Spenderinnen und Spender bei privaten Versicherungen nicht benachteiligt werden, weil ihre Spende als erhöhtes Versicherungsrisiko eingestuft und ihnen deshalb Zusatzversicherungen gekündigt oder Taggeldentschädigungen gestrichen werden könnten. Einige Stellungnehmende fordern, dass Lebendspenderinnen und Lebendspender, die später selbst ein Organ benötigen, bei der Organzuteilung priorisiert werden.

Ebenfalls priorisiert werden sollen sogenannte «verwaiste Empfängerinnen oder 12 13 14

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 Quelle: www.bag.admin.ch > Strategie & Politik > Gesundheit2030.

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Empfänger» aus einem Überkreuz-Lebendspende-Programm. Solche Fälle können auftreten, wenn in einem Programm allen spendenden Personen wie vorgesehen eine Niere entnommen worden ist, eine der Nieren aber nicht transplantiert werden kann und damit jemand leer ausgeht. Eine andere Stelle hingegen stellt sich explizit hinter das Gutachten Shaw15 und betont, dass eine solche Bevorzugung die Personen auf der Warteliste benachteiligen würde. Im Bereich der Transplantatprodukte wird von einzelnen Stellungnehmenden die Einführung einer Lex specialis gefordert. Die Einführung von Ausnahmebewilligung für Spitäler zur Anwendung von nicht zugelassenen Transplantatprodukten wurde kontrovers beurteilt. Während die vorgeschlagenen Regelungen für einige zu restriktiv sind, möchte eine andere Stelle stärkere Einschränkungen.

Auf weitere Stellungnahmen und daraus hervorgegangene Anpassungen wird bei den Erläuterungen zu den betreffenden Bestimmungen eingegangen.16

2.2

Evaluation

Das Transplantationsgesetz und die zugehörigen Verordnungen sind seit dem 1. Juli 2007 in Kraft. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist verpflichtet, den Vollzug und die Wirkungen des Gesetzes zu evaluieren (vgl. Art. 55). Aufgrund des schon laufenden Revisionsprozesses war eine Gesamtbetrachtung des Gesetzes nicht sinnvoll durchführbar. In einer ersten Etappe wurden deshalb vorerst die folgenden vier Themenfelder untersucht: a.

die Information der Öffentlichkeit (Art. 61);

b.

die Todesfeststellung (Art. 9) und die vorbereitenden medizinischen Massnahmen (Art. 10), beides im Hinblick auf eine mögliche Organspende;

c.

die Zuteilung von Organen (Art. 16­23);

d.

die Qualität der Organtransplantationen (Art. 27).

Die erste Etappe der summativen Evaluation wurde von der Firma Interface Politikstudien Forschung Beratung GmbH zwischen April 2019 und Dezember 2021 durchgeführt. Einbezogen waren die relevanten Akteure aus dem Transplantationswesen sowie Patientenvertretungen und zwei Expertinnen für ethische Fragestellungen ­ sowohl im Rahmen von Befragungen als auch in einer Begleitgruppe. Der Schluss-

15

16

Shaw, David M. (2020): A Report on the Ethics & Law of Challenging Cases in (Crossover) Living Donation, Gutachten zuhanden des Bundesamtes für Gesundheit. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Lebendspende > Überkreuz-Lebendspende > Dokumente > Shaw, David M. (2020): Ethisches Gutachten über Härtefälle bei der ÜberkreuzLebendspende (nur auf Englisch).

Der Vernehmlassungsbericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > Eidgenössisches Departement des Innern.

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bericht wurde zusammen mit der Stellungnahme des BAG am 2. März 2022 publiziert.17 Insgesamt zeigt die Evaluation, dass sich das Transplantationswesen in der Schweiz in den vier Themenfeldern seit 2007 gut entwickelt hat. Die Akteure berücksichtigen die gesetzlichen Vorgaben und setzen sie entsprechend um. Damit die Ziele des Transplantationsgesetzes in den untersuchten Themenfeldern erreicht werden können, gibt das Evaluationsteam acht Empfehlungen auf strategischer und operativer Ebene ab. Bei den gesetzlichen Grundlagen sieht das Evaluationsteam nur wenig Anpassungsbedarf. Konkret schlägt es dazu vor, künftig auch die Dauer der vorbereitenden medizinischen Massnahmen vor dem Tod verbindlich zu regeln, analog zu der in der Transplantationsverordnung vom 16. März 200718 festgelegten Limitierung der Dauer der vorbereitenden medizinischen Massnahmen nach dem Tod. Zudem regt das Evaluationsteam an, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen für die Verknüpfung von Daten aus dem Swiss Organ Allocation System (SOAS) und der Swiss Transplant Cohort Study19 sowie die in der Transplantationsverordnung festgehaltenen Vorgaben zur Publikation der Ergebnisse der Transplantationen zu prüfen. Die Regelung zur Datenbekanntgabe aus dem SOAS (Art. 23d und 49d) setzt diese Anliegen teilweise um. Das BAG wird die Empfehlungen aus der Evaluation auch im Rahmen der Ausarbeitung des Verordnungsrechts vertieft prüfen.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Vigilanz

Auf internationaler Ebene gibt es zur Vigilanz und Rückverfolgbarkeit im Bereich der Organe, Gewebe und Zellen verschiedene anerkannte Grundsätze in Übereinkommen, Richtlinien und Empfehlungen, die aufeinander Bezug nehmen. Es sind dies namentlich das Übereinkommen vom 4. April 199720 über Menschenrechte und Biomedizin (Biomedizinkonvention) und das dazugehörige Zusatzprotokoll vom 24. Januar 200221 über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe, die Richtlinien der EU (vgl. Ziff. 3.1.1), die Ratgeber des European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM) zu Organen22 sowie zu Geweben und Zellen23 und

17

18 19 20 21 22

23

Summative Evaluation des Transplantationsgesetzes (1. Etappe). Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Wirksamkeitsprüfung des Transplantationsgesetzes > Evaluation des Transplantationsgesetzes.

SR 810.211 Informationen zur Kohortenstudie sind abrufbar unter: www.stcs.ch (Stand: 20.6.2022).

SR 0.810.2 SR 0.810.22 Guide to the quality and safety of organs for transplantation, EDQM, 8th Edition, 2022.

Abrufbar unter: www.edqm.eu > Substances of human origin > Organs, Tissues and Cells > Guide to the quality and safety of organs for transplantation (Stand: 30.8.2022).

Guide to the quality and safety of tissues and cells for human application, EDQM, 5th Edition, 2022. Abrufbar unter: www.edqm.eu > Substances of human origin > Organs, tissues and cells > Guide to the quality and safety of tissues and cells for human application (Stand: 16.12.2022).

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die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization)24.

Im Bereich Blut-Stammzellen liegen zudem Vorschriften der internationalen Fachgesellschaften vor (World Marrow Donor Association* [WMDA], FACT-JACIE*, NetCord-FACT*).

3.1.1

Europäische Union

Der Umgang mit Organen, Geweben und Zellen zu Transplantationszwecken ist in der EU vergleichsweise detailliert in der Richtlinie 2010/53/EU25 (betreffend Organe) und in der Richtlinie 2004/23/EG26 (betreffend Gewebe und Zellen) geregelt. Die Richtlinie 2004/23/EG erfasst auch den Umgang mit Geweben und Zellen zur autologen Transplantation. Vom Geltungsbereich ausgeschlossen werden Gewebe und Zellen, die innerhalb ein und desselben chirurgischen Eingriffs als autologes Transplantat verwendet werden. Die beiden genannten Richtlinien gewährleisten einheitliche Rahmenbedingungen und schaffen hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Beide Richtlinien verlangen von den Mitgliedstaaten für die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit im gesamten Prozess die Einführung eines Identifizierungssystems sowie die Einführung eines Meldesystems für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse. Auch beim Austausch von Organen, Geweben oder Zellen zwischen den Mitgliedstaaten muss die Rückverfolgbarkeit gewährleistet sein. Die Aufbewahrungsfrist der notwendigen Daten beträgt mindestens 30 Jahre.

Die Durchführungsrichtlinie 2012/25/EU27 spezifiziert unter anderem die Vorgaben bezüglich Rückverfolgbarkeit und Vigilanz der Richtlinie 2010/53/EU beim internationalen Austausch von Organen. Im Bereich der Gewebe und Zellen muss nach der Richtlinie 2004/23/EG die Identifizierung anhand eines Codes sichergestellt werden (Art. 8). Auch zu dieser Richtlinie bestehen präzisierende Regelungen: die Richtlinie 2006/17/EG28 und die Richtlinie 2006/86/EG29, wobei Letztere detaillierte 24 25

26

27

28

29

The NOTIFY Guide On Vigilance and Surveillance, Edition December 22, 2017.

Abrufbar unter: www.notifylibrary.org > notify booklet (Stand: 30.8.2022).

Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe, ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 14.

Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. L 102 vom 7.4.2004, S. 48.

Durchführungsrichtlinie 2012/25/EU der Kommission vom 9. Oktober 2012 zur Festlegung von Informationsverfahren für den Austausch von zur Transplantation bestimmten Organen zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 275 vom 10.10.2012, S. 27.

Richtlinie 2006/17/EG der Kommission vom 8. Februar 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich technischer Vorschriften für die Spende, Beschaffung und Testung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. L 38 vom 9.2.2006, S. 40.

Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32.

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Regelungen zur Rückverfolgbarkeit und Vigilanz enthält (Art. 5­10d sowie die Anhänge III­VIII).

Aktuell überarbeitet die Europäische Kommission die Rechtstexte zu Gewebe und Zellen. Die Richtlinie 2004/23/EG betreffend Gewebe und Zellen und die Richtlinie 2002/98/EG betreffend Blut und Blutbestandteile werden in einer neuen Verordnung30 zusammengeführt. Im Entwurf werden unter anderem einheitliche Begrifflichkeiten für unerwünschte Ereignisse eingeführt.

Die durch diese Revision vorgenommenen Änderungen sind vereinbar mit dem geltenden und mit dem in Vorbereitung befindlichen, für die Schweiz nicht verbindlichen EU-Recht.

3.1.2

Vorgaben nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik in der Schweiz

Das Schweizer Transplantationsrecht schreibt vor, dass der Umgang mit Organen, Geweben und Zellen nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu erfolgen hat. Vollzugshilfen führen auf, welche nationalen und internationalen Richtlinien hierzu erfüllt sein müssen. In einer Wegleitung31 führt das BAG unter anderem die EDQM-Ratgeber auf, die hohe Anforderungen an den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Menschenrechte festlegen. Sie enthalten Empfehlungen, legen minimale Standards fest und dienen den Gesundheitsfachpersonen als technisches Hilfsmittel für die praktische Umsetzung der in Ziffer 3.1.1 erwähnten Richtlinien.

3.1.3

Rechtslage in anderen Ländern

Die Mitgliedsstaaten der EU und das Vereinigte Königreich setzen die in Ziffer 3.1.1 erwähnten EU-Richtlinien über die Vigilanz und die Rückverfolgbarkeit im Bereich der Transplantationsmedizin in ihrem nationalen Recht um.

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Frankreich: Die Vigilanz wird in Frankreich im «Loi no 2004­800 du 6 août 200432 relative à la bioéthique» und in zwei Dekreten33 geregelt. Die zuständige Behörde für die Vigilanz von Organen, Geweben und Zellen ist die Agence de la Biomédecine (ABM). Medizinische Fachpersonen müssen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Verwendung beim Menschen bestimmte Substanzen menschlichen Ursprungs und zur Aufhebung der Richtlinien 2002/98/EG und 2004/23/EG, COM/2022/338 final, vom 14.7.2022.

Wegleitung des BAG zu den Artikeln 13, 14, 16­18 und 51 der Transplantationsverordnung zum Umgang mit Organen Geweben und Zellen zur Transplantation. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Gesetze & Bewilligungen > Gesuche & Bewilligungen > Gesuche & Bewilligungen im Bereich Transplantation > Melde- und Bewilligungspflichten für Fachleute der Transplantationsmedizin > Dokumente.

Loi no 2004­800 du 6 août 2004 relative à la bioéthique. Abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr.

Décret no 2007­1110 du 17 juillet 2007 und Décret no 2003­1206 du 12 décembre 2003.

Abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr.

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schwerwiegende unerwünschte Ereignisse einer lokalen Kontaktstelle für Biovigilanz (correspondants locaux de biovigilance) weiterleiten. Diese melden das Ereignis unverzüglich der ABM. Auch Gewebe- und Zellbanken sowie Laboratorien sind in das nationale Vigilanzsystem eingebunden und zur Überwachung, Deklaration und Meldung von unerwünschten Ereignissen verpflichtet. Die ABM beaufsichtigt das ganze Vigilanzsystem, evaluiert alle Ereignisse und gibt Empfehlungen ab.34

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Österreich: Nach dem österreichischen Organtransplantationsgesetz35 müssen schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit Organen unverzüglich Eurotransplant und dem jeweiligen Transplantationszentrum gemeldet werden. Das schwerwiegende Ereignis und die getroffenen Massnahmen müssen innert drei Werktagen an die Gesundheit Österreich GmbH weitergeleitet werden. Die Vigilanz für Gewebe und Zellen wird im Gewebesicherheitsgesetz36 und in der Gewebevigilanzverordnung37 geregelt.

SAR bei der spendenden oder empfangenden Person und SAE sowie die getroffenen Massnahmen müssen an die Gewebebank oder bei einer Direktverwendung unverzüglich der Entnahmeeinrichtung gemeldet werden. Diese wiederum muss das Ereignis dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) melden. Alle schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse müssen zudem in einem Jahresbericht zusammengefasst und dem BASG gemeldet werden. Für die lückenlose Rückverfolgbarkeit müssen Gewebe oder Zellen mit dem einheitlichen europäischen Code gekennzeichnet werden. Die Entnahmeeinrichtung hat die Rückverfolgbarkeit auch für alle erforderlichen Daten über Produkte und Materialien sicherzustellen, die mit diesen Geweben und Zellen in Berührung kommen.

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Deutschland: Die Rückverfolgbarkeit und die Meldung von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit Organen werden in Deutschland in der Verordnung [zum Transplantationsgesetz] über Qualität und Sicherheit von Organen38 geregelt. Zudem hat der Gesetzgeber auf Basis der Richtlinie 2010/53/EU der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) den Auftrag erteilt, Verfahrensanweisungen für die verschiedenen zentralen Schritte der Organspende zu erstellen mit dem Ziel, die grösstFür einen Überblick zur Vigilanz in Frankreich siehe Website der Agence de la Biomédecine: www.agence-biomedecine.fr/biovigilance (Stand: 30.8.2022).

Vgl. § 14 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Transplantation von menschlichen Organen (Organtransplantationsgesetz ­ OTPG). Abrufbar unter: www.ris.bka.gv.at > Bundesrecht > Bundesrecht konsolidiert (Stand: 30.8.2022).

Bundesgesetz über die Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Zellen und Geweben zur Verwendung beim Menschen (Gewebesicherheitsgesetz-GSG). Abrufbar unter: www.ris.bka.gv.at > Bundesrecht > Bundesrecht konsolidiert (Stand: 30.8.2022).

Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend Gewebevigilanzmeldungen (Gewebevigilanzverordnung ­ GVVO). Verordnung abrufbar unter: www.ris.bka.gv.at > Bundesrecht > Bundesrecht konsolidiert (Stand: 30.8.2022).

§§ 8 ff. TPG-Verordnung über Qualität und Sicherheit von Organen vom 11. Februar 2013 (BGBl. I S. 188), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 28. Mai 2014 (BGBl. I S. 601, 1582) geändert worden ist. Abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de > Gesetze / Verordnungen (Stand: 30.8.2022).

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mögliche Sicherheit und Qualität in allen Phasen des Prozesses einer Organspende zu gewährleisten. Die Verfahrensanweisungen sind am 5. November 2015 in Kraft getreten; die Verfahrensanweisung VII regelt das Meldesystem für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse.

Alle im Prozess einer Organspende Beteiligten sind gesetzlich verpflichtet, einen Verdacht auf ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis unverzüglich der DSO zu melden und alle verfügbaren Informationen zur Verfügung zu stellen. Ein entsprechendes Meldeformular für SAE und SAR ist zum Download auf der Homepage der DSO verfügbar. Der Dienst ist täglich rund um die Uhr erreichbar. Jeder gemeldete Fall wird durch speziell geschulte DSO-Koordinatorinnen und -Koordinatoren, gemeinsam mit der Stabstelle SAE/SAR und in enger Zusammenarbeit mit allen am konkreten Spendeprozess beteiligten Institutionen aufgearbeitet.

Im Bereich der Gewebe hat Deutschland die Richtlinie 2004/23/EG und deren Durchführungsrichtlinien im Transplantationsgesetz39 und im Arzneimittelgesetz40 umgesetzt. Darüber hinaus regeln Verordnungen verschiedene Aspekte der Richtlinien wie auch die Meldung von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen durch die Einrichtungen der medizinischen Versorgung an die Gewebeeinrichtungen. Zuständig für den Bereich der Vigilanz von Geweben und Zellen ist das Paul-Ehrlich-Institut. Für die Zwecke der Rückverfolgung oder der Risikoerfassung muss jedes übertragene Gewebe dokumentiert werden.

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Vereinigtes Königreich: Die Quality and Safety of Organs Intended for Transplantation Regulations41 setzen die Richtlinien 2010/53/EU und 2012/25/EU in nationales Recht um. Diese Regelungen wurden mehrmals angepasst, letztmals in den Jahren 2019 und 202042 im Hinblick auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU. Für die Überwachung von Organen ist das NHSBT incident submission system43 des Nationalen Gesundheitsdiensts (National Health Service) zuständig, das im Auftrag der Humangewebebehörde (Human Tissue Authority [HTA]) tätig ist. Die HTA hat einen Leitfaden für den Bereich der Organe herausgegeben, der beschreibt, wie schwerwiegende

Transplantationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2007 (BGBl. I S. 2206), das zuletzt durch Artikel 15d des Gesetzes vom 11. Juli 2021 (BGBl. I S. 2754) geändert worden ist. Gesetz abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de > Gesetze / Verordnungen (Stand: 30.8.2022).

Arzneimittelgesetz vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2870) geändert worden ist.

Gesetz abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de > Gesetze / Verordnungen (Stand: 30.8.2022).

The Quality and Safety of Organs Intended for Transplantation Regulations 2012.

Abrufbar unter: www.legislation.gov.uk (Stand: 30.8.2022).

The Quality and Safety of Organs Intended for Transplantation (Amendment) (EU Exit) Regulations 2019 und The Quality and Safety of Organs Intended for Transplantation (Amendment) (EU Exit) Regulations 2020. Abrufbar unter: www.legislation.gov.uk (Stand: 30.8.2022).

Das «incident submission system» ist abrufbar unter: www.odt.nhs.uk > Tell Us About An Incident (Stand: 30.8.2022).

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unerwünschte Ereignisse gemeldet werden müssen. Dieser Leitfaden wurde im Januar 202144 aktualisiert.

Der Human Tissue Act 200445 legt fest, dass für die Zulassung, Überwachung und Inspektion von Geweben und Zellen, die für die Übertragung auf den Menschen bestimmt sind (ausser Keimzellen und Embryos), die HTA zuständig ist. Die Richtlinie 2004/23/EG wurde im Vereinigten Königreich durch die Human Tissue Regulations46, die im Hinblick auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU in den Jahren 2019 und 202047 angepasst wurden, umgesetzt. Die HTA ist demnach auch für die Entgegennahme von Meldungen von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen im Bereich Gewebe und Zellen zuständig. Die Fälle müssen der HTA über ein sicheres Webportal48 gemeldet werden.

Die HTA stellt sicher, dass notwendige Anpassungen von Abläufen einheitlich eingeführt werden. Dazu veröffentlicht sie regelmässig «Lernberichte» und bietet Beratung an. Sie publiziert auf ihrer Website zudem Beispiele schwerwiegender unerwünschter Ereignisse, die ihr gemeldet wurden. Eine eigentliche statistische Auswertung der Meldungen ist aber nicht zu finden.

3.2

Ausnahmebewilligung für Spitäler zur Anwendung von nicht zugelassenen Transplantatprodukten

In der EU wurde 2007 mit der Verordnung EG Nr. 1394/200749 das Konzept der Hospital Exemption eingeführt. Diese sogenannte «Krankenhaus-Ausnahme» ermöglicht die nicht routinemässige Herstellung, Verschreibung und Anwendung innovativer Arzneimittel für neuartige Therapien, welche (noch) nicht zugelassen worden sind.

Diese Schritte liegen in der ausschliesslichen Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes. Es braucht jeweils eine individuelle ärztliche Verschreibung; diese erfolgt in

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Guidance for licence holders for reporting serious adverse events and serious adverse reactions in relation to quality and safety of organs intended for transplantation. Published January 2021. Abrufbar unter: www.hta.gov.uk > Guidance for professionals > Guidance by sector > Organ donation and transplantation > Serious Adverse Event or Reaction (SAEARs) (Stand: 30.8.2022).

The Human Tissue Act 2004 (Persons who Lack Capacity to Consent and Transplants) Regulations 2006. Abrufbar unter: www.legislation.gov.uk (Stand: 30.8.2022).

The Human Tissue (Quality and Safety for Human Application) Regulations 2007.

Abrufbar unter: www.legislation.gov.uk (Stand: 30.8.2022).

The Human Tissue (Quality and Safety for Human Application) (Amendment) (EU Exit) Regulations 2019 und The Human Tissue (Quality and Safety for Human Application) (Amendment) (EU Exit) Regulations 2020. Abrufbar unter: www.legislation.gov.uk (Stand: 30.8.2022).

Siehe zur Möglichkeit der Meldung: www.hta.gov.uk > Guidance professionals > Guidance by sector > Organ donation and transplantation > Serious Adverse Event or Reaction (SAEARs) > secure web Portal (Stand: 30.8.2022).

Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121.

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der Regel an eine kleine Anzahl an Patientinnen und Patienten und bereits im frühen Stadium der klinischen Entwicklung.

Während die grundlegenden Anforderungen in der Verordnung EG Nr. 1394/2007 verankert sind, wurde die Hospital Exemption in den Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Weise umgesetzt. Deshalb sind die nationalen Anforderungen an die Qualität, die Menge und das Format der Daten, die für eine Ausnahmebewilligung vorgelegt werden müssen, unterschiedlich. Eine vom BAG in Auftrag gegebene Studie50 über die Anwendung der Hospital Exemption in ausgewählten Mitgliedstaaten sowie im Vereinigten Königreich hat Informationen geliefert, wie diese in der Praxis umgesetzt wird; die vorliegenden Ergebnisse helfen dabei, die Regulierung dieser Ausnahme in der Schweiz vor dem Hintergrund der im Ausland gemachten Erfahrungen optimal ausrichten zu können. So ist darauf zu achten, dass die Hospital Exemption nicht in Konkurrenz zu einer ordentlichen Zulassung durch die (zentrale) Zulassungsbehörde tritt und lediglich im Fall eines ungedeckten medizinischen Bedarfs angewendet wird.

Alle untersuchten Länder wenden von Fall zu Fall angepasste Regeln der guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice) für Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products* [ATMPs]) (vgl. Ziff. 4.1.2), gemeinsame EU-Pharmakovigilanz- und Rückverfolgbarkeitsregeln an. Die meisten EULänder wenden die Umschreibung «nicht routinemässig» von Fall zu Fall an. Die Anzahl der zugelassenen Hospital-Exemption-Produkte liegt bei unter zehn pro Land.

Einige Länder wenden das Hospital-Exemption-Konzept überhaupt nicht an. In einigen Ländern sind die für die Ausnahmebewilligung geforderten Daten sehr umfangreich und es werden Strukturen bevorzugt, die dem Common Technical Document51 ähnlich sind. Das Common Technical Document ist ein vorgeschriebenes Dokumentformat, in dem ein Pharmaunternehmen die pharmazeutische Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Arzneimittels im Rahmen der Arzneimittelzulassung dokumentieren und bei den Arzneimittelbehörden einreichen muss. Der Schwerpunkt liegt auf der Qualität des Produkts. Auch wenn klinische Daten oft nicht verpflichtend vorzulegen sind, wird in allen Fällen eine positive Nutzen-Risiko-Bewertung verlangt.

3.3

Überkreuz-Lebendspende-Programm

Abgesehen von den allgemeinen Regeln zur Lebendspende (siehe insbesondere zur Vigilanz: Ziff. 3.1) bestehen auf internationaler Ebene keine Verpflichtungen oder Empfehlungen, die sich spezifisch mit der Überkreuz-Lebendspende befassen. Die nationalen Regelungen sind denn auch äusserst unterschiedlich. Einige Länder verfügen bereits über grosse, funktionierende Überkreuz-Lebendspende-Programme (z. B.

das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Spanien oder die Vereinigten Staaten); 50

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Study on Hospital Exemption for ATMPs in Selected EU Countries, biopharma excellence by pharmalex, 2022. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Rechtsetzungsprojekte in der Transplantationsmedizin > Revisionen des Transplantationsgesetzes, Teilrevision des Transplantationsgesetzes > Dokumente > Studie über die Hospital Exemption bei ATMPs in ausgewählten Mitgliedstaaten der EU, biopharma excellence by pharmalex, 2022 (nur auf Englisch).

www.ich.org/page/ctd (Stand: 27.6.2022).

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andere Länder haben kleinere Programme oder bauen entsprechende Programme auf (z. B. Frankreich, Portugal, Deutschland oder Belgien). Anhand von fünf europäischen Ländern wird die Bandbreite der Regelung der Überkreuz-Lebendspende in europäischen Ländern aufgezeigt:

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Deutschland: Bereits im Jahr 2005 hat Deutschland mit dem Aufbau von Überkreuz-Lebendspende-Programmen begonnen. Nach dem deutschen Transplantationsgesetz sind anonyme und altruistische Spenden* jedoch nicht möglich ­ es wird immer eine besondere Verbundenheit zwischen Lebendspenderin oder Lebendspender und Empfängerin oder Empfänger verlangt.52 Zur Überkreuzspende bereite und geeignete Paare müssen sich also vor einer Überkreuz-Lebendspende kennenlernen und eine Beziehung zueinander aufbauen, die über die Operation hinaus fortdauert. Teilweise bestehen jedoch Bestrebungen, die Voraussetzungen für die Lebendspende insgesamt zu liberalisieren und damit auch diejenigen für die Überkreuz-Lebendspende zu vereinfachen.53

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Frankreich: Im Jahr 2013 startete das französische Programm zur ÜberkreuzLebendspende. Die Überkreuz-Lebendspende ist im Gesetz über die Gesundheit geregelt.54 Zulässig ist eine Lebendspende zwischen maximal sechs inkompatiblen Paaren. Bei der Überkreuz-Lebendspende wird die Anonymität zwischen den Personen, die ein kompatibles Paar bilden, gewahrt. Spenderinnen und Spender müssen mit der inkompatiblen Empfängerin oder dem inkompatiblen Empfänger aber entweder verwandt sein oder eine sonstige genau definierte Nähe aufweisen, womit altruistische Spenden nicht erlaubt sind. Hingegen kann ein Organ einer verstorbenen Person in das Programm aufgenommen werden, um damit die Chancen für passende Matches zu erhöhen. Das Programm ermittelt drei- bis viermal jährlich kompatible Paare.

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Niederlande: Das Überkreuz-Lebendspende-Programm wurde im Jahr 2004 eingeführt. Das niederländische Recht lässt gerichtete Lebendspenden* von volljährigen urteilsfähigen Personen zu.55 Eine verwandtschaftliche oder sonstige Beziehung zwischen der spendenden und empfangenden Person ist dabei nicht Voraussetzung. Ebenfalls sind altruistische Spenden und damit Kettenbildungen möglich, wobei die letzte Spende in der Kette an die Warteliste gespendet wird. Paare werden in eine Datenbank aufgenommen, aus der viermal jährlich die besten Kombinationen berechnet werden.

§ 8 Absatz 1 zweiter Satz des Transplantationsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2007 (BGBl. I S. 2206), das zuletzt durch Artikel 15d des Gesetzes vom 11. Juli 2021 (BGBl. I S. 2754) geändert worden ist. Abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de > Gesetze / Verordnungen (Stand: 20.6.2022).

So u. a. Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage «Debatte zur Organlebendspende», Drucksache 19/21187, vom 22.7.2020 sowie die Antwort der Bundesregierung dazu: Drucksache 19/21495, vom 5.8.2020.

Artikel L1231-1 II. Code de la santé publique. Das Gesetz ist abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Droit national en vigeur > Codes (Stand: 20.6.2022).

Artikel 3 Wet van 24 mei 1996, houdende regelen omtrent het ter beschikking stellen van organen (Wet op de orgaandonatie). Abrufbar unter: wetten.overheid.nl/zoeken (Stand: 20.6.2022).

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Spanien: Das Programm wurde im Jahr 2009 eingeführt und wird normalerweise drei- bis viermal pro Jahr durchgeführt. Das spanische Recht lässt Lebendspenden von volljährigen urteilsfähigen Personen zu; eine verwandtschaftliche oder sonstige Beziehung zwischen der spendenden und empfangenden Person ist dabei nicht Voraussetzung.56 Wird eine Kette durch eine altruistische Spenderin oder einen altruistischen Spender ange-stossen, so geht entweder ein Organ an die Warteliste oder die inkompatible Partnerin oder der inkompatible Partner der letzten Empfängerin oder des letzten Empfängers in der Kette dient als Brückenspenderin oder als Brückenspender (vgl.

Ziff. 4.1.3), die oder der innerhalb der nächsten zwei Monaten die nächste Kette anstossen muss. Ansonsten geht das Organ an die Warteliste.57

­

Vereinigtes Königreich: Das Programm wurde im Jahr 2007 eingeführt. Alle urteilsfähigen volljährigen Personen können an einem Überkreuz-Lebendspende-Programm im Vereinigten Königreich teilnehmen.58 Die Spende ist weder auf Verwandte beschränkt, noch muss eine sonstige Beziehung zwischen spendender und empfangender Person bestehen. Ebenfalls sind altruistische Spenden und damit Kettenbildungen mit bis zu drei Patientinnen oder Patienten möglich, sofern niemand auf der Warteliste dringend auf eine Niere angewiesen ist. Die letzte Spende in der Kette wird an die Warteliste gespendet. Es handelt sich um das grösste Überkreuz-Lebendspende-Programm Europas. Viermal im Jahr ermittelt es kompatible Paare.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Vigilanz

Das geltende Transplantationsgesetz regelt lediglich grundlegende Elemente eines Vigilanzsystems. Es schreibt insbesondere ein Qualitätssicherungssystem vor sowie die Rückverfolgbarkeit beim Umgang mit Organen, Geweben und Zellen (vgl.

Ziff. 1.1.1). Auf gewisse Zwischenfälle können Institutionen durch Korrekturmassnahmen im Rahmen der eigenen Qualitätssicherung reagieren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nur Massnahmen innerhalb der eigenen Institution notwendig sind. Bei komplexen schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen sind aber weitergehende Massnahmen angezeigt.

International werden für schwerwiegende Zwischenfälle oder schwerwiegende unerwünschte Reaktionen die englischen Fachbegriffe serious adverse event (SAE) 56 57

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Artikel 4 Ley 30/1979, de 27 de octubre, sobre extracción y trasplante de órganos.

Abrufbar unter: www.boe.es/buscar/legislacion.php (Stand: 20.6.2022).

Programa nacional de donacion cruzada en espana. Abrufbar unter: www.ont.es > Información especializada > Documentación > Documentos de Consenso > Programa Donación Renal Cruzada (Stand: 20.6.2022).

Vgl. Regulation 12(4) The Human Tissue Act 2004 (Persons who Lack Capacity to Consent and Transplants) Regulations 2006. Abrufbar unter: www.legislation.gov.uk (Stand: 20.6.2022).

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beziehungsweise serious adverse reaction (SAR) verwendet. Internationale Richtlinien definieren SAE und SAR für die verschiedenen Fachbereiche (Organe, Gewebe, Zellen, insbesondere Blut-Stammzellen). Bei einer SAR erfährt eine spendende oder empfangende Person einen gesundheitlichen Schaden, der mit irgendeinem Glied der Transplantationskette in Zusammenhang stehen könnte. Bei einem SAE hingegen ist noch keine Person zu Schaden gekommen, aber ein wichtiger Prozessschritt ist so beeinträchtigt, dass ein konkretes Risiko für eine Empfängerin oder einen Empfänger beziehungsweise eine Spenderin oder einen Spender besteht. Wird beispielsweise nach der Transplantation einer Cornea festgestellt, dass eine Aufbewahrungslösung bakteriell verunreinigt war, dann muss dieser Zwischenfall als SAE gemeldet werden, weil dies bei der Empfängerin oder dem Empfänger eine Infektion verursachen könnte. Tritt tatsächlich eine schwere Infektion auf, muss die Infektion als SAR gemeldet werden.

In der Praxis gibt es in der Schweiz bereits heute verschiedene Systeme zur Meldung von Ereignissen, die Teilbereiche abdecken. Es bestehen jedoch Lücken. So werden schwerwiegende unerwünschte Ereignisse beim Umgang mit Organen von Verstorbenen lediglich in Zusammenhang mit der Zuteilung in den ersten drei Tagen nach der Transplantation an die Nationale Zuteilungsstelle nach Artikel 19 des Transplantationsgesetzes gemeldet. Bei Lebendspenderinnen und Lebendspendern werden nur SAR an die Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern gemeldet. Meldungen schwerwiegender unerwünschter Ereignisse im Bereich Blut-Stammzellen erfolgen an die Blutspende SRK Schweiz AG. Auch hier werden nicht alle Bereiche abgedeckt: Stammen Blut-Stammzellen von einer verwandten Person, werden nur jene schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse gemeldet, die bei der spendenden Person entdeckt werden. Zudem werden autologe Transplantationen überhaupt nicht erfasst. Lückenhaft ist auch die Situation bei den Geweben: Werden sie aus der EU oder den Vereinigten Staaten eingeführt, so müssen schwerwiegende unerwünschte Ereignisse gemäss Vertrag mit der Lieferbank zurückgemeldet werden. Innerhalb der Schweiz erfolgt jedoch meistens keine Meldung an die liefernde Bank. Einzig der Bereich der Transplantatprodukte ist bereits heute über das Vigilanzsystem des
Heilmittelgesetzes vollständig abgedeckt: Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse mit Transplantatprodukten müssen dem Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) gemeldet werden.

Die Vorlage schliesst die bestehenden Lücken mit einer umfassenden Meldepflicht für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (Art. 36), wie dies auch von internationalen Richtlinien gefordert wird und in anderen Ländern bereits üblich ist (siehe Ziff. 3.1). Zudem werden Vigilanzstellen vorgesehen, die Meldungen aufarbeiten und ­ falls angezeigt ­ geeignete Massnahmen einleiten oder Empfehlungen abgeben (Art. 36a). Darüber hinaus werden Bestimmungen zur Rückverfolgbarkeit an die in Ziffer 3.1.1 erwähnten EU-Richtlinien angepasst und es wird die Möglichkeit geschaffen, in Zukunft ein Kodierungssystem einzuführen (Art. 34).

Mit der Anpassung der Bestimmung über die Rückverfolgbarkeit und der Einführung einer Meldepflicht für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse übernimmt die Schweiz weitgehend international anerkannte Regelungen, namentlich der EU.

Die Vigilanz-Meldungen für alle Bereiche (Organe, Gewebe und Zellen) sollen über ein zentrales Vigilanz-Meldesystem beim BAG erfasst werden. Die grundlegenden 23 / 110

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Prozesse (Melden, Analysieren, Berichten) sind in allen Bereichen ähnlich. Alle Daten, die aufgrund der neuen Meldepflicht für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse gesammelt werden, können so zentral in einer Datenbank gespeichert werden.

Dies vereinfacht die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Vigilanzstellen und die Aufsicht durch das BAG.

Im Entwurf für die Vernehmlassung war vorgesehen, dass das Vigilanz-Meldesystem in verschiedene bestehende Systeme wie das SOAS und das Blut-Stammzellenregister integriert wird. In der Vernehmlassung wurde dies kritisiert: Die vorgeschlagenen Systeme würden sich nicht als Vigilanz-Meldesysteme eignen.

4.1.2

Anpassungen aufgrund von Erfahrungen aus dem Vollzug

4.1.2.1

Autologe Transplantationen

Gegenwärtig wird die autologe Transplantation vom Geltungsbereich des Transplantationsgesetzes weitgehend ausgenommen (Art. 2 Abs. 3 des Transplantationsgesetzes). Eingriffe, bei denen im Rahmen der gleichen Operation eine autologe Transplantation stattfindet (z. B. autologe Transplantation eines Venenstücks im Rahmen einer Bypass-Operation), sind sehr häufig und bergen meistens keine speziellen Risiken oder Probleme. Sie werden neu vom Geltungsbereich des Transplantationsgesetzes gänzlich ausgenommen. Werden Organe, Gewebe oder Zellen jedoch nicht im gleichen Eingriff transplantiert und nach der Entnahme zuerst gelagert oder aufbereitet, bevor sie autolog transplantiert werden, so sind die Anforderungen an die Qualität und Sicherheit solcher Organe, Gewebe und Zellen vergleichbar mit denjenigen zur allogenen Transplantation*. Aus diesem Grund gelten neu für das Gebiet dieser autologen Transplantationen weitgehend dieselben Bestimmungen wie für den allogenen Bereich (Art. 2). Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen, wenn die Risiken im Vergleich zur allogenen Transplantation geringer sind (Art. 24, 25a, 29 und 31).

4.1.2.2

Entnahme von Organen, Geweben und Zellen

Bewilligungen für die Lagerung sowie die Ein- und Ausfuhr von Organen, Geweben und Zellen werden neu explizit davon abhängig gemacht, dass die Qualität der Entnahme von Organen, Geweben und Zellen gewährleistet wird. Die Entnahme ist ein wichtiger Schritt in der Transplantationskette und die Bewilligungsinhaberinnen und -inhaber müssen sicherstellen können, dass die Entnahme den jeweiligen technischen Anforderungen entspricht. Es ist zurzeit nicht vorgesehen, dass Institutionen, die Organe, Gewebe und Zellen entnehmen, eine Bewilligung benötigen. Der Bundesrat soll jedoch die Kompetenz erhalten, eine solche Bewilligungspflicht einzuführen, wie sie in der EU üblich ist.

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4.1.2.3

Todesfeststellung im Hinblick auf die Entnahme von Geweben und Zellen

Die Entnahme von Geweben und Zellen, insbesondere der Augenhornhaut, erfolgt häufig unabhängig von einer Organspende und damit nicht unmittelbar nach dem Tod.

In solchen Fällen liegt bereits eine Todesbescheinigung nach kantonalem Recht vor.

Der Bundesrat kann in solchen Fällen für die Todesfeststellung auf das kantonale Recht verweisen.

4.1.2.4

Transplantatprodukte

Transplantatprodukte sind Produkte auf der Basis von Organen, Geweben oder Zellen (inklusive Stammzellen), die substanziell bearbeitet wurden oder die bei der empfangenden Person eine andere Funktion ausüben als bei der spendenden Person (Art. 2 Abs. 1 Bst. c der Transplantationsverordnung).

Für Transplantatprodukte ist heute grundsätzlich das Transplantationsgesetz anwendbar. Zudem wird auf einige Bestimmungen des Heilmittelgesetzes verwiesen, welche anwendbar sind. Dies hat in der Praxis zu Unklarheiten geführt.

Vor diesem Hintergrund wurden die Anwendbarkeit des Transplantationsgesetzes sowie die Verweise auf das Heilmittelgesetz für Transplantatprodukte geprüft und wo nötig wurden Anpassungen vorgenommen (Art. 2a, 7, 27, 37, 39, 40 und 43). Zudem wird die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung für Spitäler (Hospital exemption, vgl. Ziff. 3.2) zur Anwendung von nicht zugelassenen Transplantatprodukten eingeführt (Art. 2b).

Produkte, die in der Schweiz als Transplantatprodukte gelten, werden in der EU als ATMP bezeichnet und fallen unter die Verordnung (EG) Nr. 1394/2007. Sie legt einen Rechtsrahmen für Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika und biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte fest. Es bestehen Bestrebungen, auch in der Schweiz eine ATMP-Regulierung vorzusehen. Dies wird im Rahmen einer Teilrevision des Heilmittelgesetzes geprüft werden.

4.1.2.5

Klinische Versuche

Für klinische Versuche gelten grundsätzlich die Bestimmungen des Humanforschungsgesetzes vom 30. September 201159 (HFG), das eine Bewilligung der zuständigen Ethikkommission vorsieht. Zusätzlich können je nach Art des Versuchs weitere Gesetze zur Anwendung kommen, so bei klinischen Versuchen mit Heilmitteln das Heilmittelgesetz. Das BAG ist nach Artikel 36 des Transplantationsgesetzes die zuständige Bewilligungsbehörde bei klinischen Versuchen der Transplantation. Allerdings sind einige Versuche so aufgebaut, dass neben der Transplantation auch die Anwendung von Heilmitteln untersucht wird, weshalb nach dem Heilmittelgesetz zusätzlich eine Bewilligung der Swissmedic notwendig ist. Seit Inkrafttreten des 59

SR 810.30

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Humanforschungsgesetzes im Januar 2014 wurden beim BAG lediglich fünf Gesuche eingereicht. Zwei dieser Versuche untersuchten auch Interventionen mit Heilmitteln und benötigten damit eine Bewilligung sowohl des BAG als auch der Swissmedic.

Um zu vermeiden, dass Bewilligungen zu einem klinischen Versuch von zwei Bundesbehörden eingeholt werden müssen, ist in Zukunft die Swissmedic auch als Bundesbehörde für die Bewilligung klinischer Versuche im Bereich der Transplantationsmedizin zuständig (Art. 49a). Die Swissmedic verfügt über viel Erfahrung aus dem Bewilligungs- und Meldeverfahren für klinische Versuche mit Heilmitteln und Transplantatprodukten. Für die transplantationsspezifischen Aspekte eines Versuchs wird die Swissmedic eine Stellungnahme des BAG einholen müssen (Art. 49b). Analoge Regelungen existieren bereits in anderen Bereichen: bei klinischen Versuchen der Gentherapie, klinischen Versuchen mit gentechnisch veränderten oder mit pathogenen Organismen sowie mit Heilmitteln, die ionisierende Strahlen aussenden können (Art. 35 und 36 der Verordnung vom 20. September 201360 über klinische Versuche [KlinV]).

4.1.2.6

Stammzellen aus überzähligen Embryonen

Mit der Revision wird die Schnittstelle in Bezug auf die Transplantation von Stammzellen aus überzähligen Embryonen bereinigt, die zwischen dem Transplantationsgesetz und dem Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 200361 (StFG) besteht. Im Transplantationsgesetz ist sowohl der klinische Versuch mit überzähligen Embryonen als auch die Anwendung ausserhalb eines klinischen Versuchs geregelt.

Die Gewinnung von embryonalen Stammzellen für einen klinischen Versuch, die aus der Fortpflanzungsmedizin und nicht aus Schwangerschaftsabbrüchen stammen, richtet sich dabei nach dem Stammzellenforschungsgesetz, während der klinische Versuch selbst durch das Transplantationsgesetz geregelt wird (vgl. Art. 1 Abs. 3 StFG). Die Anwendung ausserhalb eines klinischen Versuchs wird vollumfänglich durch das Transplantationsgesetz aus geregelt. Der Umgang mit Stammzellen aus überzähligen Embryonen wird dabei mit dieser Vorlage detaillierter geregelt und an das Schutzniveau angepasst, welches das Stammzellenforschungsgesetz verlangt (Art. 2a, 3, 25, 37­38b, 40, 49 und 49b). Die Bereinigung der Schnittstelle bedingt neben einer Anpassung des Transplantationsgesetzes und des Stammzellenforschungsgesetzes auch eine Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes vom 18. Dezember 199862 (FMedG, siehe Ziff. 4.1.6).

4.1.2.7

Nabelschnurblutbanken

Nabelschnurblutbanken, die mit werdenden Eltern privatrechtliche Verträge zur Lagerung von Stammzellen aus Nabelschnurblut abschliessen, können verpflichtet werden, ihre Kundschaft transparent über folgende Aspekte zu informieren: Lagerort, 60 61 62

SR 810.305 SR 810.31 SR 810.11

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weitere beteiligte Unternehmen, das Vorgehen, wenn Stammzellen in ein anderes Land ausgeführt werden, sowie den Umgang mit Personendaten. Zudem soll die Information sachlich aufzeigen, wie wahrscheinlich es ist, dass eingelagerte BlutStammzellen später tatsächlich für den Eigenbedarf verwendet werden können und wie die Erfolgsaussichten solcher Transplantationen sind. Diese Informationen sollen die Transparenz des Angebots für die zukünftigen Eltern erhöhen.

4.1.2.8

Xenotransplantationen

Um tierische Organe, Gewebe oder Zellen sowie daraus hergestellte Transplantatprodukte auf den Menschen zu transplantieren, braucht es nach dem geltenden Transplantationsgesetz (Art. 43) eine Bewilligung des BAG. Dank dieser Bewilligungspflicht können die Behörden prüfen, ob die betroffene Person und die Bevölkerung vor einer Infektionsübertragung angemessen geschützt sind.

Da Transplantatprodukte zusätzlich von Swissmedic zugelassen werden müssen, braucht es nach geltendem Recht zwei Bewilligungen für die Transplantation der erwähnten Transplantatprodukte. Mit der aktuellen Vorlage entfällt die Bewilligung des BAG für die Transplantation von Transplantatprodukten aus tierischen Organen, Geweben oder Zellen. Die Sicherheit bleibt dabei weiterhin gewährleistet, weil neu die transplantationsrechtlichen Anforderungen (Art. 43) auch für die Bewilligung nach dem Heilmittelgesetz erfüllt sein müssen (Art. 2a). Für die Transplantation von Transplantatprodukten aus gentechnisch veränderten tierischen Organen, Geweben oder Zellen kann der Bundesrat hingegen weiterhin eine zusätzliche Bewilligung vorsehen, wenn die Qualität und Sicherheit nicht anders gewährleistet werden kann.

Wie im Abschnitt über die klinischen Versuche weiter oben erläutert, soll Swissmedic in Zukunft für die Bewilligung klinischer Versuche im Bereich der Transplantationsmedizin zuständig sein. Dies betrifft auch klinische Versuche im Bereich der Xenotransplantation. Um sicherzustellen, dass bei der Xenotransplantation alle betrieblichen und fachlichen Voraussetzungen und die Qualitätssicherung vertieft geprüft werden, wird in Anlehnung an die Bestimmungen zur Transplantation von Organen (Art. 27) neben der Bewilligung für den klinischen Versuch nach Artikel 49a eine zusätzliche Bewilligung nach Artikel 43 für Transplantate verlangt. Für Transplantatprodukte gelten zusätzlich die Bewilligungspflichten nach dem Heilmittelgesetz.

4.1.3

Überkreuz-Lebendspende-Programm

Bei der Überkreuz-Lebendspende (siehe Ziff. 1.1.3) handelt es sich um eine Form der gerichteten Lebendspende. Aus regulatorischer Sicht unterscheidet sie sich aber in wichtigen Bereichen von der direkten Lebendspende. Zudem gelten nicht dieselben Zuteilungskriterien wie bei der Organspende durch Verstorbene. Daher wird dem Überkreuz-Lebendspende-Programm in der Vorlage ein eigener, neuer Abschnitt eingeräumt. Damit wird das Programm neu auf Gesetzesstufe geregelt und nicht wie bisher nur auf Verordnungsstufe. Einerseits braucht es diese gesetzliche Grundlage aus Sicht des Datenschutzes, da für die Zuteilung ein elektronisches System verwendet 27 / 110

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wird, das besonders schützenswerte Personendaten enthält (vgl. dazu Ziff. 4.1.4). Andererseits sollen die dem Programm zugrundeliegenden organisatorischen Aspekte auf Gesetzesstufe geregelt werden. Neben dem Zweck des Programms (Art. 23e), den Teilnahme- und Aufnahmekriterien (Art. 23g und 23h) und den Modalitäten zur Ermittlung der besten Kombination und zur Zuteilung (Art. 23i und 23j) werden auch die folgenden Aspekte im Gesetz geregelt:

63

64

­

Die Zuteilungsregeln nach den Artikeln 17­23 des Transplantationsgesetzes sind bei der Überkreuz-Lebendspende nicht anwendbar. Es werden deshalb spezielle Zuteilungsregeln für das Programm eingeführt. Die Zuteilungsregeln im Programm orientieren sich am medizinischen Nutzen einer Transplantation. Neben dem individuellen Nutzen für die Patientinnen und Patienten soll auch der Nutzen für die Gruppe optimiert werden, sodass möglichst viele vom Programm profitieren können. Dieses Kriterium ist nicht unumstritten, ein ethisches Gutachten im Auftrag des BAG63 rät davon ab, eine möglichst hohe Anzahl der Transplantationen als Zuteilungskriterium zu berücksichtigen. Dies könne die Chancen für Personen reduzieren, die aufgrund ihrer Blutgruppe oder ihres Immunsystems ohnehin schon Schwierigkeiten haben, eine passende Spenderin oder einen passenden Spender zu finden. Um dies zu verhindern, wird in der Vorlage auch die Chancengleichheit als Kriterium eingeführt (Art. 23i Abs. 3). So kann es vorteilhaft sein, eine Kombination mit einer geringeren Anzahl Paare zu bevorzugen, wenn dadurch eine Patientin oder ein Patient ein Organ erhält, die oder der sehr geringe Chancen auf die Zuteilung eines Organs hat. Andernfalls sammeln sich mit der Zeit in einem Programm solche immunologisch benachteiligten Personen.

­

Für die Ergebnisse eines Überkreuz-Lebendspende-Programms ist es sehr wertvoll, wenn auch altruistische Spenderinnen und Spender einbezogen werden können, die innerhalb eines Programms ein Organ spenden möchten, ohne eine inkompatible Empfängerin oder einen inkompatiblen Empfänger in das Programm mitzubringen. Das erwähnte ethische Gutachten lehnt dies jedoch mit der Begründung ab, dass ein Organ aus einer altruistischen Spende den Personen auf der Warteliste zustehe. Ein rechtliches Gutachten im Auftrag des BAG64 erachtet den Einbezug altruistischer Spenderinnen und Spender hingegen unter der Voraussetzung als zulässig, dass ein Organ aus dem Programm an eine Person auf der Warteliste geht. Diesen Bedenken Rechnung tragend sieht Artikel 23j Absatz 3 vor, dass beim Einbezug einer altruistischen Spende ein Organ aus dem Programm einer Person aus der Warteliste zugeteilt wird.

Bachmann, Andreas / Rippe, Klaus Peter (2014): Überkreuzte Lebendspende, Ethisches Gutachten zuhanden des Bundesamtes für Gesundheit. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Lebendspende > Überkreuz-Lebendspende > Dokumente.

Schott, Markus / Schmidt, Kirsten Johanna (2014): Gutachten zum Thema Überkreuzte Lebendspende zuhanden des Bundesamtes für Gesundheit. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Lebendspende > Überkreuz-Lebendspende > Dokumente.

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­

Um die Anzahl der Personen im Programm zu erhöhen, soll es im Gegensatz zur heute geltenden Regelung auch möglich sein, kompatible Paare ins Programm oder pro Patientin oder Patient mehr als eine spendewillige Person aufzunehmen. Aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung soll der Bundesrat zudem im Gegensatz zum Vorentwurf neu auch sogenannte offene Ketten vorsehen können (Art. 23i Abs. 5). Es gibt Hinweise darauf, dass dies mehr Transplantationen möglich macht als geschlossene Ketten.65 Eine offene Kette wird durch eine altruistische Spende ermöglicht. Bei einer offenen Kette erhält eine Empfängerin oder ein Empfänger ein Organ, ihre mit ins Programm gebrachte spendewillige Person spendet aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Sie stösst mit ihrer Spende eine neue Kette von Transplantationen an und wird als Brückenspenderin oder -spender bezeichnet. Der Bundesrat wird festlegen müssen, innerhalb welcher Frist die Brückenspenderin oder der Brückenspender eine neue Kette anstossen muss. Ansonsten müsste das Organ an Personen auf der Warteliste gespendet werden.

Auf eine weitere Forderung aus der Vernehmlassung zur Bevorzugung von verwaisten Empfängerinnen und Empfängern (vgl. Ziff. 2.1) auf der Warteliste konnte nicht eingegangen werden. Ein zu dieser Frage vom BAG in Auftrag gegebenes Gutachten66 kommt zum Schluss, dass eine Bevorzugung von verwaisten Empfängerinnen und Empfängern abzulehnen ist, da dadurch die anderen Personen auf der Warteliste benachteiligt würden. Diese benötigen unter Umständen dringender ein Organ und warten möglicherweise seit längerer Zeit auf ein Organ als die Person aus dem Überkreuz-Lebendspende-Programm.

4.1.4

Gesetzliche Grundlagen für Datenbanken

4.1.4.1

Lebendspende-Nachsorgeregister

Von 2007 bis 2021 spendeten in der Schweiz pro Jahr zwischen 83 und 137 lebende Personen ein Organ67 und zwischen 93 und 206 Personen Blut-Stammzellen68. Diese Personen bedürfen einer medizinischen Nachsorge. Bei Organspenden erfolgt diese lebenslang, bei der Spende von Blut-Stammzellen während zehn Jahren. Im Rahmen der letzten Revision wurden die Finanzierung und die Organisation der Lebendspende-Nachsorge geregelt. Die Nachsorge von Organ-Lebendspenderinnen 65

66

67 68

Stepowski, S.M. u. a. (2019): The 6-year clinical outcomes for patients registered in a multiregional United States Kidney Paired Donation program ­ a retrospective study. In: Transplant international: official journal of the European Society for Organ Transplantation 2019/32(8), S. 839­853.

Shaw, David M. (2020): A Report on the Ethics & Law of Challenging Cases in (Crossover) Living Donation, Gutachten zuhanden des Bundesamtes für Gesundheit. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Lebendspende > Überkreuz-Lebendspende > Dokumente > Shaw, David M. (2020): Ethisches Gutachten über Härtefälle bei der ÜberkreuzLebendspende (nur auf Englisch).

Zahlen 2007­2021. Quelle: www.bag.admin.ch > Zahlen & Statistiken > Kennzahlen zur Transplantationsmedizin > Organe > Organ-Lebendspende Zahlen 2007­2021. Quelle: www.bag.admin.ch > Zahlen & Statistiken > Kennzahlen zur Transplantationsmedizin > Blut-Stammzellen.

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und -spendern wurde gestützt auf Artikel 54 des Transplantationsgesetzes an die Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspenderinnen und -spendern übertragen, jene von Blut-Stammzellspenderinnen und -spendern an die Blutspende SRK Schweiz AG (vgl. Art. 12c der Transplantationsverordnung). Beide Organisationen betreiben zu diesem Zweck je eine Datenbank, in welcher Personendaten der Spenderinnen und Spender und Informationen zu deren Gesundheitszustand bearbeitet werden. Da es sich dabei um besonders schützenswerte Personendaten handelt, wird die hierfür notwendige formell-gesetzliche Grundlage geschaffen (Art. 15d).

Der Vernehmlassungsentwurf69 (VE-Transplantationsgesetz) sah noch eine umfangreichere Regelung vor (vgl. Art. 15d­15h). Aufgrund des inzwischen feststehenden Inkrafttretens des neuen Datenschutzgesetzes per 1. September 2023 kann jedoch auf eine umfassende formell-gesetzliche Regelung verzichtet werden: Artikel 34 Absatz 3 nDSG erachtet für die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten eine Grundlage in einem Gesetz im materiellen Sinn (also eine Regelung auf Stufe Verordnung) als ausreichend, sofern die Bearbeitung für eine in einem Gesetz im formellen Sinn festgelegte Aufgabe unentbehrlich ist (Bst. a) und der Bearbeitungszweck für die Grundrechte der betroffenen Person keine besonderen Risiken birgt (Bst. b). Die Nachsorge der Spenderinnen und Spender ist eine im Transplantationsgesetz klar umschriebene Aufgabe (Art. 15c Abs. 1). Diese Nachsorge beinhaltet die Überwachung des Gesundheitszustands der Spenderinnen und Spender, was zwingend mit einer Datenbearbeitung einhergehen muss. Zudem sind der Kreis der berechtigten Stellen und deren Aufgaben aus der gesetzlichen Grundlage ersichtlich. Daraus können die wesentlichen Merkmale der Datenbearbeitung abgeleitet werden, namentlich wer welche Daten zu welchem Zweck bearbeitet. Die Bearbeitung von Daten über die Gesundheit der spendenden Personen, die nach dem DSG als besonders schützenswert gelten, ist offensichtlich unentbehrlich, wie dies in Buchstabe a verlangt wird. Ebenfalls besonders schützenswert und für die Nachsorge unentbehrlich ist bei der Nieren-Lebendspende die Angabe, ob jemand eine dunkle Hautfarbe hat. Diese Angabe fliesst aktuell in eine Formel zur Einschätzung der Nierenfunktion ein. Das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung ist vorliegend vollumfänglich gewahrt, indem für die Datenbearbeitung die Einwilligung der betroffenen Person vorausgesetzt wird und die Transparenz gewährleistet ist. Zum anderen handelt es sich vorliegend um eine Datenbearbeitung, die im primären Interesse der betroffenen Personen selbst erfolgt (Schutz der Gesundheit der spendenden Person durch eine optimale medizinische Nachsorge). Besondere Risiken für die Grundrechte der betroffenen Personen sind damit nicht erkennbar, womit auch die Voraussetzung von Buchstabe b vollumfänglich erfüllt ist.

Obwohl Artikel 34 Absatz 3 nDSG anwendbar ist, werden aus Transparenzgründen gewisse Grundregeln bereits auf Gesetzesstufe festgehalten, wie die zur Bearbeitung berechtigten Stellen und eine abschliessende Liste der besonders schützenswerten Personendaten. Dank der Anwendbarkeit von Artikel 34 Absatz 3 nDSG kann die Normdichte auf Gesetzesstufe gering gehalten werden. Detailliertere Regelungen ­ insbesondere über die Datenbekanntgabe ­ können auf Verordnungsstufe erfolgen (Art. 36 i. V. m. Art. 34 Abs. 3 nDSG).

69

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > Eidgenössisches Departement des Innern.

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Ein zentraler Vorteil der nun geringeren Regelungsdichte auf formell-gesetzlicher Ebene besteht darin, dass Änderungen in der Vollzugspraxis flexibler auf Verordnungsstufe umgesetzt werden können, was letztlich im Interesse aller Beteiligten liegt.

Der Bundesrat wird im Rahmen der Ausarbeitung des Verordnungsrechts dafür sorgen, dass die Anforderungen von Artikel 34 Absatz 3 nDSG eingehalten werden.

4.1.4.2

Swiss Organ Allocation System

Das SOAS ist eine webbasierte Datenbankanwendung. Das SOAS beinhaltet unter anderem die Warteliste von Personen, die ein Organ benötigen sowie Daten von möglichen Spenderinnen und Spendern. Es ermöglicht die Zuteilung der Organe nach den gesetzlichen Vorgaben und ist zudem ein Register, in welchem alle Organtransplantationen erfasst werden. Darüber hinaus werden Daten zum Gesundheitszustand der Organempfängerinnen und -empfänger in den ersten Tagen nach der Transplantation erfasst. Dank dem SOAS können alle für die Transplantation relevanten Vorgänge bis zur spendenden und empfangenden Person zurückverfolgt werden, um nach einem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis rasch und gezielt reagieren zu können.

Das SOAS wird in den Artikeln 34a­34m der Organzuteilungsverordnung vom 16. März 200770 geregelt. Für die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten durch Bundesorgane wird mit der Vorlage die bisher fehlende explizite Grundlage in einem Bundesgesetz geschaffen (Art. 23a­23d).

Das SOAS enthält als zentrale Transplantationsdatenbank im Bereich Organe Daten unterschiedlicher Personengruppen (Patientinnen und Patienten, die ein Organ benötigen, verstorbene wie auch lebende Spenderinnen und Spender). Darüber hinaus werden im SOAS Zuteilungsentscheide nachverfolgbar dokumentiert und für einen reibungslosen Ablauf der Prozesse müssen verschiedene Stellen auf die Daten zugreifen.

Angesichts dieser Vielschichtigkeit wird im Sinne der Transparenz eine möglichst umfassende Regelung auf formell-gesetzlicher Ebene angestrebt.

4.1.4.3

System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende

Seit November 2017 können in der Schweiz Überkreuz-Lebendspenden mit drei oder mehr beteiligten Paaren nur noch im Rahmen eines Überkreuz-Lebendspende-Programms durchgeführt werden (für Informationen zum Programm siehe die Ziff. 1.1.3 und 4.1.3). Dies war bisher auf Verordnungsstufe geregelt. Mit der Vorlage soll dafür nun die gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Das elektronische System, das für die Zuteilung der Organe im Rahmen des Überkreuz-Lebendspende-Programms verwendet wird, soll auf Gesetzesstufe geregelt werden, da es besonders schützenswerte Personendaten enthält, die über eine Schnittstelle aus dem SOAS (siehe oben) übertragen werden. Das System wird neu in Artikel 23l geregelt.

70

SR 810.212.4

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Der Vernehmlassungsentwurf sah bereits eine Regelung in einem einzigen Artikel vor (vgl. dessen Art. 23k des VE-Transplantationsgesetzes). Dieser wurde nun im Sinne einer strukturellen Angleichung an die Artikel 15d und 23o leicht angepasst. Im Hinblick auf das inzwischen beschlossene Inkrafttreten des neuen Datenschutzgesetzes per 1. September 2023 kann ohnehin auf eine umfassende formell-gesetzliche Regelung verzichtet werden: Dessen Artikel 34 Absatz 3 erachtet für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten eine Grundlage in einem Gesetz im materiellen Sinn (also eine Regelung auf Stufe Verordnung) als ausreichend, sofern die Bearbeitung für eine in einem Gesetz im formellen Sinn festgelegte Aufgabe unentbehrlich ist (Bst. a) und der Bearbeitungszweck für die Grundrechte der betroffenen Person keine besonderen Risiken birgt (Bst. b). Der Kreis der berechtigten Stellen und deren Aufgaben sind aus der gesetzlichen Grundlage ersichtlich. Daraus können die wesentlichen Merkmale der Datenbearbeitung abgeleitet werden, namentlich wer welche Daten zu welchem Zweck bearbeitet. Das Überkreuz-Lebendspende-Programm dient dazu, inkompatiblen (aber auch kompatiblen) Spender-Empfänger-Paaren die Transplantation zu ermöglichen (Art. 23e Abs. 1). Bei der Ermittlung kompatibler Paare und bester Kombinationen (Art. 23i) werden verschiedene Gesundheitsdaten benötigt, anhand derer das System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende die entsprechenden Berechnungen vornimmt. Die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten über die Gesundheit dieser Personengruppen ist offensichtlich unentbehrlich, wie dies in Buchstabe a verlangt wird. Unentbehrlich für die Berechnung der kompatiblen Paare sind darüber hinaus genetische Daten (Gewebemerkmale, Blutgruppe). Auch bei diesen handelt es sich um besonders schützenswerte Personendaten. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist vorliegend vollumfänglich gewahrt, indem für die Datenbearbeitung die Einwilligung der betroffenen Person vorausgesetzt wird und die Transparenz gewährleistet ist. Zum anderen handelt es sich vorliegend um eine Datenbearbeitung, die im primären Interesse der betroffenen Personen selbst erfolgt (Ermöglichung von Transplantationen für [in]kompatible Spender-Empfänger-Paare). Besondere Risiken für die
Grundrechte der betroffenen Personen sind damit nicht erkennbar, womit auch die Voraussetzung von Buchstabe b vollumfänglich erfüllt ist.

Obwohl Artikel 34 Absatz 3 nDSG anwendbar ist, werden aus Transparenzgründen gewisse Grundregeln bereits auf Gesetzesstufe festgehalten, wie die zur Bearbeitung berechtigten Stellen und eine abschliessende Liste der besonders schützenswerten Personendaten. Dank der Anwendbarkeit von Artikel 34 Absatz 3 nDSG kann die Normdichte auf Gesetzesstufe gering gehalten werden. Detailliertere Regelungen ­ insbesondere über die Datenbekanntgabe ­ können auf Verordnungsstufe erfolgen (Art. 36 i. V. m. Art. 34 Abs. 3 nDSG).

Ein zentraler Vorteil der geringen Regelungsdichte auf formell-gesetzlicher Ebene besteht darin, dass Änderungen in der Vollzugspraxis flexibler auf Verordnungsstufe umgesetzt werden können, was letztlich im Interesse aller Beteiligten liegt. Der Bundesrat wird im Rahmen der Ausarbeitung des Verordnungsrechts dafür sorgen, dass die Anforderungen von Artikel 34 Absatz 3 nDSG eingehalten werden.

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4.1.4.4

Blut-Stammzellenregister

Personen mit schweren Blutkrankheiten wie Leukämie sind oft auf gespendete BlutStammzellen angewiesen. In den meisten Fällen muss international nach einer passenden Spenderin oder einem passenden Spender gesucht werden. Dazu werden Personen, die zu einer Spende bereit sind, in einem nationalen Register erfasst und die Daten werden anderen nationalen Registern in pseudonymisierter Form zur Verfügung gestellt. In der Schweiz führt die Blutspende SRK Schweiz AG das seit 2007 im Transplantationsgesetz geregelte nationale Blut-Stammzellenregister. Das System der Blut-Stammzellenspende hat sich seit der Inkraftsetzung des Gesetzes weiterentwickelt, die geltende Regelung trägt der Realität nicht mehr genügend Rechnung und muss angepasst werden. Das Register enthält besonders schützenswerte Daten von Personen, für die Blut-Stammzellen gesucht werden, sowie Daten zu den Personen, die bereits gespendet haben oder Blut-Stammzellen erhalten haben. Dies ermöglicht auch die Rückverfolgbarkeit von der spendenden zur empfangenden Person und umgekehrt. Artikel 62 des Transplantationsgesetzes bildet dies nur ungenügend ab und muss präzisiert werden (neu Art. 23o).

Der Vernahmlassungsentwurf sah, ähnlich wie beim Lebendspende-Nachsorgeregister, noch eine umfangreichere Regelung vor (vgl. Art. 23n­23r des VE-Transplantationsgesetzes). Auch hier kann in Anwendung von Artikel 34 Absatz 3 nDSG auf eine umfassende formell-gesetzliche Regelung verzichtet werden: Der Kreis der berechtigten Stellen und deren Aufgaben sind aus der gesetzlichen Grundlage ersichtlich.

Daraus können die wesentlichen Merkmale der Datenbearbeitung abgeleitet werden, namentlich wer welche Daten zu welchem Zweck bearbeitet. Die Aufgaben der Koordinationsstelle Blut-Stammzellen sind in Artikel 23n transparent aufgeführt. Die Aufgaben, wie die Suche nach Blut-Stammzellen für Patientinnen und Patienten im In- und Ausland, die Registrierung spendewilliger Personen oder die Koordination der Tätigkeiten im Rahmen der Transplantatbereitstellung, erfolgen zwingend unter Einbezug der betroffenen Personen (Patientinnen und Patienten, potenzielle Spenderinnen und Spender). Die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten über die Gesundheit dieser Personengruppen ist offensichtlich unentbehrlich für die Aufgabenerfüllung, wie dies in Artikel 34
Absatz 3 nDSG Buchstabe a verlangt wird.

Um eine kompatible Spenderin oder einen kompatiblen Spender zu finden, ist es zudem unentbehrlich, dass genetische Daten wie die Blutgruppe und Gewebemerkmale bearbeitet werde können. Auch bei diesen handelt es sich um besonders schützenswerte Personendaten. Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist vorliegend vollumfänglich gewahrt, indem für die Datenbearbeitung die Einwilligung der betroffenen Person vorausgesetzt wird und die Transparenz gewährleistet ist. Zum anderen handelt es sich vorliegend um eine Datenbearbeitung, die im primären Interesse der betroffenen Personen selbst erfolgt (freiwillige Spende von Blut-Stammzellen oder Suche nach entsprechenden Blut-Stammzellen). Besondere Risiken für die Grundrechte der betroffenen Personen sind damit nicht erkennbar, womit auch die Voraussetzung von Buchstabe b erfüllt ist.

Obwohl Artikel 34 Absatz 3 nDSG anwendbar ist, werden aus Transparenzgründen gewisse Grundregeln bereits auf Gesetzesstufe festgehalten, wie die zur Bearbeitung berechtigten Stellen und eine abschliessende Liste der besonders schützenswerten Personendaten. Dank der Anwendbarkeit von Artikel 34 Absatz 3 nDSG kann die 33 / 110

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Normdichte auf Gesetzesstufe gering gehalten werden. Detailliertere Regelungen ­ insbesondere über die Datenbekanntgabe ­ können auf Verordnungsstufe erfolgen (Art. 36 i. V. m. Art. 34 Abs. 3 nDSG).

Ein zentraler Vorteil der nun geringeren Regelungsdichte auf formell-gesetzlicher Ebene besteht auch hier darin, dass Änderungen in der Vollzugspraxis flexibler auf Verordnungsstufe umgesetzt werden können, was letztlich im Interesse aller Beteiligten liegt. Der Bundesrat wird im Rahmen der Ausarbeitung des Verordnungsrechts dafür sorgen, dass die Anforderungen von Artikel 34 Absatz 3 nDSG eingehalten werden.

4.1.4.5

Vigilanz-Meldesystem

Für die Vigilanz (vgl. Ziff. 4.1.1) wird ein neues System eingeführt. Die meldepflichtigen Institutionen erfassen darin Daten zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen. Diese Meldungen enthalten auch besonders schützenswerte Personendaten, die zur Aufarbeitung der Ereignisse benötigt werden. Die zuständigen Vigilanzstellen analysieren die erfassten Meldungen. Falls notwendig, schlagen sie den Institutionen korrektive oder präventive Massnahmen vor. Basierend auf allen gesammelten Daten können die Vigilanzstellen Berichte zuhanden des BAG erstellen. Das System soll direkte Kommunikationswege zwischen allen involvierten Personen ermöglichen, wodurch Erkenntnisse über die drei Bereiche (Organe, Gewebe und Zellen sowie Blut-Stammzellen) sowohl in der Schweiz als auch international ausgetauscht werden können.

Das Meldesystem wird vom BAG betrieben und den meldepflichtigen Institutionen und Vigilanzstellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt. Das BAG kann Meldungen einsehen, um seiner Aufsichtspflicht nachzukommen. Mit den anonymisierten Daten informiert das BAG die Öffentlichkeit über gemeldete Vigilanzfälle zwecks Erhöhung der Transparenz in der Transplantationsmedizin. Das Vigilanz-Meldesystem wird in den Artikeln 36b­36e geregelt.

Da es sich beim Vigilanz-Meldesystem um eine völlig neue Datenbank handelt, die im Rahmen der vorliegenden Revision geschaffen werden soll, wird eine möglichst umfassende und transparente Regelung auf formell-gesetzlicher Ebene angestrebt.

4.1.4.6

Allgemeine Grundsätze zur Datenbearbeitung

Ergänzend zu den spezifischen Bestimmungen der Datenbanken sollen übergeordnet die Grundsätze zur Bearbeitung und Bekanntgabe von Daten aufgeführt werden: Artikel 58a regelt die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten, sofern der Erlass nichts anderes vorsieht. Dessen Absatz 3 sieht vor, dass der Bund und die Kantone dazu berechtigt sind, die Daten in den Datenbanken nach diesem Gesetz für Aufsichtszwecke nach diesem Gesetz und zu statistischen Zwecken zu bearbeiten (vgl.

die Erläuterung zu dieser Bestimmung). Artikel 59 enthält die Grundsätze der Datenbekanntgabe; nach Absatz 2bis stellen sich die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Stellen von Bund und Kantonen sowie mit Vollzugsaufgaben beauftragte Dritte 34 / 110

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gegenseitig diejenigen Daten zur Verfügung, die zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich sind. Sie sind auch dazu berechtigt, Daten aus den Datenbanken nach diesem Gesetz bekanntzugeben (vgl. die Erläuterung zu dieser Bestimmung).

Darüber hinaus soll neu mit den Artikeln 59a und 59b zentral geregelt werden, wie Daten im Kontext des Transplantationswesens für Forschungszwecke und Qualitätssicherungszwecke genutzt werden können.

4.1.5

Koordinationsbedarf mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten»

Im Rahmen der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 wurde der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats zur Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» (Änderung vom 1. Oktober 202171 des Transplantationsgesetzes) mit 60,2 Prozent JaStimmen angenommen. Diese Annahme bedingt eine Koordination mit der vorliegenden Revision.

Dabei ist jenen Konstellationen Rechnung tragen, in denen der indirekte Gegenvorschlag gleichzeitig mit oder vor der vorliegenden Änderung in Kraft tritt; hingegen erscheint es nicht realistisch, dass die vorliegende Änderung vor dem indirekten Gegenvorschlag in Kraft tritt, da die vorliegende Änderung zu einer umfassenden Revision des Verordnungsrechts führen wird. Nachstehend werden zwei Vorschläge aufgezeigt: Tritt die vorliegende Änderung gleichzeitig mit der Änderung vom 1. Oktober 2021 in Kraft, so gehen die Artikel 54 sowie 69 Absatz 1 Einleitungssatz und Buchstabe cbis in der Fassung der vorliegenden Änderung vor (vgl. die Erläuterungen zu Art. 54 Abs. 4 und 5, zu Art. 54a Abs. 2 und zu Art. 69 und 70). Ausserdem ist in diesem Fall die Änderung von Artikel 69 Absatz 1 Buchstabe cter (gemäss Änderung vom 1. Oktober 2021) hinfällig.

Tritt die vorliegende Änderung nach der Änderung vom 1. Oktober 2021 in Kraft, ist Artikel 69 Absatz 1 Buchstabe cter aufzuheben. Artikel 69 Absatz 1 Buchstabe cbis der vorliegenden Änderungen hingegen überschreibt die Änderung vom 1. Oktober 2021 dieser Bestimmung.

4.1.6

Änderung anderer Erlasse

Im Rahmen der vorliegenden Teilrevision werden Anhang 1 des Schengen-Informationsaustausch-Gesetzes vom 12. Juni 200972 (SIaG), Artikel 16 des Fortpflanzungsmedizingesetzes73, die Artikel 2, 16 und 22 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 201874 71 72 73 74

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über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG), Artikel 36 des Humanforschungsgesetzes75, die Artikel 5 und 7 des Stammzellenforschungsgesetzes76 sowie Artikel 19 des Epidemiengesetzes vom 28. September 201277 (EpG) angepasst.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Mit der Einführung eines Vigilanzsystems im Bereich der Transplantation erhält das BAG neue Aufgaben. Es handelt sich dabei um das Bereitstellen und den Betrieb eines neuen Vigilanz-Meldesystems, die Erarbeitung und Aktualisierung von Wegleitungen, die Koordination von Schulungen sowie die Aufsicht über die Vigilanzstellen und die Information der Öffentlichkeit.

Die personellen und finanziellen Auswirkungen dieser Aufgaben auf den Bundeshaushalt werden in Ziffer 6.1.1 beschrieben.

4.3

Umsetzungsfragen ­ Vigilanz

Die Vigilanzstellen (vgl. Ziff. 4.1.1) benötigen für die Erfüllung ihrer Aufgaben ein hohes Mass an Fachwissen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sollen soweit möglich und sinnvoll bestehende Strukturen genutzt werden. Aus diesem Grund werden für jeden Fachbereich (namentlich Organe, Gewebe und Zellen sowie BlutStammzellen) extern, also ausserhalb des BAG, betriebene Vigilanzstellen vorgesehen.

Der Bundesrat wird das Verordnungsrecht zu den Artikeln 36­36e ausarbeiten und dabei insbesondere die für jeden Fachbereich spezifischen schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse definieren. Zudem wird er festlegen, welche Meldeprozesse für die verschiedenen Akteure gelten (bspw. für Transplantationszentren, Entnahmezentren, Gewebebanken). Darüber hinaus wird der Bundesrat Vorgaben für die technische Umsetzung dieser Prozesse machen. Dabei soll sichergestellt werden, dass bereits bestehende Prozesse und Strukturen optimal genutzt werden können.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Änderung des Transplantationsgesetzes

Art. 2 Abs. 1, 1bis, 2 Bst. b und e sowie 3 Absätze 1 und 1bis: Transplantatprodukte werden grundsätzlich im Transplantationsgesetz geregelt. Durch einen entsprechenden Verweis sind jedoch auch einzelne Bestimmungen des Heilmittelgesetzes anwendbar: Der neue Artikel 2a führt im Detail auf, welche Aspekte im Transplantationsgesetz und welche im Heilmittelgesetz geregelt sind. Da nicht alle Artikel des Transplantationsgesetzes für Transplantatprodukte 75 76 77

SR 810.30 SR 810.31 SR 818.101

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anwendbar sind, werden diese aus der allgemeinen Geltungsbereichsbestimmung in Absatz 1 entfernt und nun spezifischer im neuen Absatz 1bis aufgeführt (mit einem Verweis auf Art. 2a).

Absatz 2 Buchstabe b: Blut ist vom Geltungsbereich des Transplantationsgesetzes ausgenommen, der Umgang mit Blut und Blutprodukten wird im Heilmittelgesetz geregelt. Blut-Stammzellen fallen jedoch seit jeher unter das Transplantationsgesetz, dies ist ein klassischer Bereich der Transplantationsmedizin (Ziff. 1). Im Rahmen einer Blut-Stammzellentransplantation werden gelegentlich weitere Blutzellen (Lymphozyten) von derselben Spenderin oder demselben Spender verabreicht (DonorLymphozyten-Infusion [DLI]). Diese Zellen sollen das Immunsystem stärken und noch vorhandene Krebszellen bekämpfen. Bei dieser Behandlungsmethode sind dieselben Akteure beteiligt, wie wenn ausschliesslich Blut-Stammzellen transplantiert werden. Auch die Prozesse und die Qualitätsanforderungen sind dieselben. Aus diesem Grund werden DLI neu im Transplantationsgesetz geregelt (Ziff. 2) und nicht mehr wie bis anhin im Heilmittelgesetz. Damit braucht es keine doppelte Bewilligung mehr durch das BAG und die Swissmedic, wenn zusätzlich zur Transplantation von Blut-Stammzellen auch Lymphozyten verabreicht werden.

Bei neuartigen Zelltherapien wie beispielsweise der CAR-T-Zelltherapie* oder der TIL-Zelltherapie* werden Blutzellen ausserhalb des Körpers bearbeitet, um sie anschliessend der Patientin oder dem Patienten wieder zuzuführen. Solche ZelltherapieProdukte gelten in der EU als ATMP und werden in der Schweiz in der Praxis, in Anlehnung an die EU-Regelung, wie Transplantatprodukte gehandhabt. Bisher werden sie jedoch nicht vom Geltungsbereich des Transplantationsgesetzes erfasst, da ihr Ausgangsmaterial, die Blutzellen, vom Anwendungsbereich des Transplantationsgesetzes ausgeschlossen wird (Art. 2 Abs. 2 Bst. b des geltenden Transplantationsgesetzes). Dies wird nun angepasst (Ziff. 3), sodass auch neuartige Zelltherapien auf der Basis von Blutzellen unter das Transplantationsgesetz fallen und somit als Transplantatprodukte gelten.

Absatz 2 Buchstabe e: Autologe Transplantationen werden heute grundsätzlich vom Transplantationsgesetz erfasst, die meisten Bestimmungen sind für diesen Bereich jedoch nicht anwendbar (Art. 2 Abs. 3 des geltenden
Transplantationsgesetzes). Eingriffe, bei denen im Rahmen der gleichen Operation eine autologe Transplantation von Geweben oder Zellen (nicht jedoch von Transplantatprodukten) stattfindet, erfolgen sehr häufig und bergen in der Regel keine transplantationsspezifischen Risiken oder Probleme (z. B. autologe Transplantation eines Venenstücks bei einer BypassOperation). Solche Verwendungen sind deshalb neu vom Geltungsbereich des Transplantationsgesetzes ausgenommen. Bei anderen Anwendungen, bei denen die Organe, Gewebe oder Zellen vor der Transplantation gelagert oder aufbereitet werden (z. B.

autologe Transplantation von Blut-Stammzellen, Eigenfett-Transplantationen), sind die Risiken und die Anforderungen an die Qualität vergleichbar mit denjenigen bei der allogenen Transplantation. Für den Umgang mit Organen, Geweben oder Zellen zu solchen autologen Transplantationen ist neu das Transplantationsgesetz gleichermassen anwendbar wie für den Umgang zur allogenen Transplantation. Dies entspricht auch der Regelung in der EU: Die Richtlinie 2004/23/EG ist lediglich auf «Gewebe und Zellen, die innerhalb ein und desselben chirurgischen Eingriffs als

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autologes Transplantat verwendet werden», nicht anwendbar (Art. 2 Abs. 2 Bst. a Richtlinie 2004/23/EG).

Absatz 3: Zurzeit erarbeitet die Europäische Kommission eine Verordnung, welche die Richtlinie 2004/23/EG ablösen soll. Der Vorschlag dieser Verordnung sieht vor, dass nicht mehr alle autologen Transplantationen innerhalb eines Eingriffs vom Geltungsbereich ausgenommen sind (Art. 2 Abs. 2). Findet beispielsweise innerhalb des Eingriffs eine Aufbereitung der Gewebe und Zellen statt, so kann dies mit erhöhten Risiken verbunden sein und einige Bestimmungen der Verordnung (insbesondere zur Vigilanz) sollen anwendbar sein. In Anlehnung an diesen Vorschlag soll auch der Bundesrat die Möglichkeit haben, für autologe Transplantationen innerhalb desselben Eingriffs, die mit einem erhöhten Risiko verbunden sind, die Anwendbarkeit der Transplantationsgesetzgebung vorzusehen.

Sprachliche Anpassung: Im ganzen Gesetz wird der Begriff «autogen» durch «autolog» ersetzt. Die beiden Begriffe bedeuten dasselbe, aber «autolog» ist der gebräuchlichere Begriff.

Art. 2a

Anwendbarkeit für Transplantatprodukte

Dieser neu eingefügte Artikel führt alle für Transplantatprodukte anwendbaren Bestimmungen des Transplantationsgesetzes und des Heilmittelgesetzes einzeln auf und ersetzt den geltenden Artikel 49. Durch die Verschiebung in das erste Kapitel des Gesetzes und die Präzisierung der anwendbaren Regelungen zu den Transplantatprodukten kann eine verbesserte Übersicht und dadurch Orientierung für die Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender erreicht werden. Es werden neu in differenzierter Weise diejenigen Vorgaben des Transplantationsgesetzes aufgeführt, die für eine allogene oder eine autologe Transplantation oder aber eine Xenotransplantation anwendbar sind (Abs. 1 Bst. a­c). Es handelt sich dabei in erster Linie um Bestimmungen, welche die Entnahme (inkl. einer allenfalls nötigen Nachsorge nach einer allogenen Lebendspende), die Sorgfaltspflichten und den Vollzug regeln. Hierbei soll erwähnt werden, dass für Transplantatprodukte aus menschlichen Zellen, die bei der Herstellung mit tierischen Zellen in Kontakt standen und deren Transplantation als Xenotransplantation nach Buchstabe c zu qualifizieren ist, im Hinblick auf die Entnahme auch die Regelungen nach Absatz 1 Buchstaben a und b zur Anwendung kommen.

Die Produkteaspekte der Transplantatprodukte sollen wie bisher durch die für Arzneimittel anwendbaren Vorgaben des Heilmittelgesetzes geregelt werden (Abs. 2 Bst. a).

Deshalb sollen die aufgeführten Bestimmungen des Heilmittelgesetzes sinngemäss auch für Transplantatprodukte zur Anwendung kommen. Bereits in der Botschaft zum Transplantationsgesetz aus dem Jahr 200178 wird festgehalten, dass die Herstellung von Transplantatprodukten «vergleichbar» sei mit derjenigen von gewissen biologischen Arzneimitteln, insbesondere von Blut oder Blutprodukten. Daher erforderte der Umgang mit Transplantatprodukten die gleichen Kontrollmechanismen wie der Umgang mit diesen Arzneimitteln. Die in der vorliegenden Bestimmung aufgelisteten Bestimmungen des HMG, die auf Transplantatprodukte «sinngemäss» anwendbar 78

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sind, werden somit unter Beachtung und in Weiterführung des Willens des historischen Gesetzgebers nicht in jedem Falle tel quel angewendet (im Sinne eines reinen Ersetzens des Begriffs «Arzneimittel» durch «Transplantatprodukt»), sondern nur mutatis mutandis. Materiell handelt es sich um Regelungsbereiche wie die Herstellung, die Zulassung, die Ein- und Ausfuhr und das Inverkehrbringen der Produkte. Die angeführten Strafbestimmungen des Heilmittelgesetzes (Abs. 2 Bst. b) sind auch für die entsprechenden Tathandlungen mit Transplantatprodukten anwendbar. Wie unter Ziffer 4.1.2 ausgeführt, bestehen Bestrebungen, in der Schweiz eine ATMP-Regulierung vorzusehen, wovon letztlich auch die vorliegende Bestimmung betroffen wäre. Dies wird im Rahmen einer Teilrevision des Heilmittelgesetzes geprüft werden.

Absatz 3: Die Swissmedic ist die zuständige Aufsichtsbehörde im Bereich der Transplantatprodukte. Sie führt dazu Inspektionen nach diesem Gesetz und nach dem Heilmittelgesetz durch.

Absatz 4: Für die Herstellung von Transplantatprodukten und für klinische Studien mit Transplantatprodukten sind Bewilligungen nach dem Heilmittelgesetz nötig. Die Entnahme der Gewebe und Zellen, welche als Ausgangsmaterial dienen, ist zurzeit nicht bewilligungspflichtig. Die Herstellerin des Produkts oder die Sponsorin des klinischen Versuchs soll darum besorgt sein, dass auch Tätigkeiten mit dem Ausgangsmaterial, die allenfalls ausserhalb ihrer Institution stattfinden, korrekt durchgeführt werden. Das kann sie beispielsweise mittels Verträgen sicherstellen. Diese Aspekte werden bei der Erteilung einer Bewilligung berücksichtigt. Für die Entnahme muss das Einhalten der Sorgfaltspflichten nach diesem Gesetz sichergestellt werden (Bst. a). Für Transplantatprodukte aus Stammzellen aus überzähligen Embryonen muss das Schutzniveau nach dem Stammzellenforschungsgesetz gewährleistet sein (Bst. b, c und e). Beim Umgang mit tierischen Geweben und Zellen muss ein Infektionsrisiko für die Bevölkerung nach Stand von Wissenschaft und Technik ausgeschlossen werden (Bst. d).

Absatz 5: Aus Organen, Geweben und Zellen, die nach den Bestimmungen im 2. Kapitel 4. Abschnitt zugeteilt werden müssen, dürfen nur dann Transplantatprodukte zur allogenen Transplantation hergestellt werden, wenn eine Zuteilung nicht möglich ist.

Dies kann beispielsweise
bei der Verwendung von Inselzellen der Fall sein.

Absatz 6 Buchstabe a: Es ist zurzeit nicht vorgesehen, dass die Institutionen, welche Gewebe und Zellen entnehmen, eine separate Bewilligung benötigen. Der Bundesrat soll jedoch die Kompetenz erhalten, eine solche Bewilligungspflicht einzuführen.

Dies analog zum Heilmittelgesetz, das dem Bundesrat diese Kompetenz in Artikel 2a Absatz 2 gibt.

Absatz 6 Buchstabe b: Transplantatprodukte können mit einem Medizinprodukt kombiniert sein (zum Beispiel können Knorpelzellen oder Hautzellen auf einen Träger aufgebracht werden). Solche Kombinationen sollen in erster Linie als Transplantatprodukte gelten und dieser Gesetzgebung folgen. Im Gegensatz zu anderen Kombinationspräparaten (wie z. B. Kombinationsprodukten aus devitalisierten Geweben, Zellen und Medizinprodukten) soll hier auch nicht zwischen hauptsächlicher und unterstützender Funktion unterschieden werden. Dennoch kann es notwendig sein, dass der Medizinprodukteteil im Kombinationspräparat spezifisch reguliert wird. Der Bundesrat soll daher die Möglichkeit haben, den Medizinprodukteteil eines solchen 39 / 110

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Kombinationspräparats zusätzlich den Anforderungen der Heilmittelgesetzgebung für Medizinprodukte zu unterstellen. Diese Regelung ist kongruent mit der Regelung der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.

Art. 2b

Nicht zugelassene Transplantatprodukte

Der neue Artikel 2b setzt einen gesetzlichen Rahmen für die Herstellung und Anwendung von nicht zugelassenen Transplantatprodukten in Spitälern (Hospital Exemption), der mit der Regulierung der EU (Art. 3 Ziff. 7 der Richtlinie 2001/83/EG79, eingefügt durch Art. 28 Ziff. 2 der Verordnung EG Nr. 1394/2007) vergleichbar ist.

Diese Ausnahmeregelung soll es Spitälern letztlich ermöglichen, Produkte in einer frühen Phase der Entwicklung in Eigenverantwortung anzuwenden. Sie ersetzt weder die Marktzulassung noch die Bewilligung klinischer Versuche. Die Herstellung der von der Zulassungspflicht befreiten Transplantatprodukte bedarf in jedem Fall einer Herstellungsbewilligung der Swissmedic und muss unter Einhaltung der Regeln der guten Herstellungspraxis erfolgen. Die (risikobasierten) Anforderungen an die Herstellung werden auf Verordnungsstufe präzisiert. Die Anwendung solcher Transplantatprodukte braucht eine Bewilligung, deren Voraussetzungen nachstehend erläutert werden.

Absatz 1: Die Anwendung eines nicht zugelassenen Transplantatprodukts kann von der Swissmedic befristet bewilligt werden, sofern die Voraussetzungen der Buchstaben a­d kumulativ erfüllt sind. Zunächst ist erforderlich, dass das Transplantatprodukt nur gelegentlich und in kleinen Mengen hergestellt wird (Bst. a). Erforderlich ist weiter, dass eine Verschreibung des entsprechenden Produkts an eine bestimmte Patientin oder einen bestimmten Patienten vorliegt (Bst. b). Die Anwendung des Transplantatprodukts hat darüber hinaus stets in einem Spital oder einer anderen klinischmedizinisch geführten Institution unter der fachlichen Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes zu erfolgen (Bst. c). Zuletzt wird ein sogenannter «ungedeckter medizinischer Bedarf» vorausgesetzt: Einzelne Patientinnen und Patienten sollen mit einem nicht zugelassenen Transplantatprodukt nur dann behandelt werden können, wenn kein zugelassenes, alternativ anwendbares und gleichwertiges Transplantatprodukt oder Heilmittel verfügbar ist (Bst. d).

Die Bewilligung für die Anwendung eines nicht zugelassenen Transplantatprodukts soll nur befristet erteilt werden. Dies vor dem Hintergrund, dass die zugunsten einer letzten Behandlungsmöglichkeit der einzelnen Patientin oder des einzelnen Patienten in Kauf genommenen Abstriche in Bezug auf eine behördliche Bewertung
des Nutzen-Risiko-Verhältnisses mittels einer Befristung ausgeglichen werden sollen. Sobald hinreichende klinische Erfahrung gesammelt werden konnte, um das Transplantatprodukt einer umfassenden Evaluation unterziehen zu können, sollte eine Zulassung beantragt werden.

Absatz 2: Die Regeln des Zulassungsverfahrens (Art. 9­17 HMG) finden vorliegend keine Anwendung.

79

Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67.

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Absatz 3: Gewisse Produktekategorien sollen von dieser Ausnahmereglung ausgeschlossen werden, wenn damit ein erhöhtes Risiko für die Patientinnen und Patienten oder für die Umwelt einhergeht (wie z. B. Gentherapien, Transplantatprodukte aus gentechnisch veränderten oder pathogenen Organismen, Produkte auf der Basis von synthetischen Oligonukleotiden, in vitro transkribierten RNAs, DNA-Plasmiden, usw.). Der Bundesrat kann diese Produktekategorien bezeichnen.

Für die in diesem Artikel geregelten Transplantatprodukte gelten zusätzlich die Bestimmungen nach Artikel 2a.

Art. 3 Abs. 2 Im Rahmen dieser Revision werden die Regelungen zu den embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen an die Regelungen des Stammzellenforschungsgesetzes angepasst. Es sollen deshalb weitgehend dieselben Begriffe wie im Stammzellenforschungsgesetz verwendet werden. Da das Transplantationsgesetz jedoch im Gegensatz zum Stammzellenforschungsgesetz auch Regelungen zum Umgang mit Embryonen aus Schwangerschaftsabbrüchen enthält, wird der Begriff «embryonale Gewebe und Zellen» beziehungsweise «embryonale Stammzellen» als Überbegriff verwendet sowohl für überzählige Embryonen als auch für Embryonen aus Schwangerschaftsabbrüchen.

Art. 4

Allgemeine Sorgfaltspflichten

Absatz 1 entspricht dem bisherigen Artikel 4.

Absatz 2: Der Bundesrat soll die Anforderungen an die Qualitätssicherungssysteme in den Institutionen auf Verordnungsstufe präzisieren können und dabei nationale und internationale Regelungen beachten. Damit kann gewährleistet werden, dass sämtliche Zwischenfälle und unerwünschten Reaktionen innerhalb des Qualitätssicherungssystems bearbeitet werden und dass somit die schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse erkannt werden können. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die Meldepflicht nach Artikel 36 erfüllt werden kann, die ein zentrales Element eines Vigilanzsystems ist.

In der Vernehmlassung wurde die Befürchtung geäussert, dass diese Bestimmung den laufenden Arbeiten der Umsetzung der Revision vom 21. Juni 201980 des Bundesgesetzes vom 18. März 199481 über die Krankenversicherung (KVG) über die Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit vorgreifen könnte.82 Um dies zu vermeiden, sollen bei der Erarbeitung des Verordnungsrechts die Qualitätsbestimmungen aus dem revidierten und in der Zwischenzeit in Kraft gesetzten KVG und insbesondere die Inhalte der bereits vorliegenden Qualitätsverträge berücksichtigt werden.

80 81 82

AS 2021 151 SR 832.10 Vgl. dazu www.bag.admin.ch > Versicherungen > Krankenversicherung > Qualitätsentwicklung in der Schweiz.

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Art. 5 Abs. 2 Aktuell wird in Absatz 2 lediglich der Umgang mit Blut-Stammzellen aus Nabelschnurblut geregelt. Aus der Nabelschnur kann jedoch auch Gewebe gewonnen werden. Es wird nun klargestellt, dass die Vorschriften über die Information und Zustimmung nach Absatz 1 auch anwendbar sind, wenn Gewebe aus der Nabelschnur gelagert, transplantiert oder zur Herstellung von Transplantatprodukten verwendet wird.

Gliederungstitel vor Art. 6 (1. Abschnitt: Unentgeltlichkeit der Spende und Verbote) Der Abschnittstitel muss angepasst werden, da neben dem Handelsverbot in Artikel 7 mit Artikel 7a auch ein Verbot der Verwendung unerlaubt entnommener Organe, Gewebe und Zellen eingeführt wird.

Diese Ergänzung der Bestimmungen wurde in der Vernehmlassung begrüsst. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Überprüfung der Unentgeltlichkeit in der Praxis nicht einfach sei, insbesondere bei Spenderinnen und Spendern aus dem Ausland. Der Europarat hat dazu entsprechende Empfehlungen herausgegeben.83 Art. 7 Abs. 1 Bst. b und 2 Bst. b Für die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats vom 25. März 201584 gegen den Handel mit menschlichen Organen (Organhandelskonvention) wurden das Handelsverbot (Art. 6 und 7) und die zugehörigen Strafbestimmungen (Art. 69) überarbeitet.85 Im Zuge der Präzisierung der Bestimmungen zu den Transplantatprodukten sollen auch die diesbezüglichen Aspekte des Handelsverbots und der Strafbestimmungen überarbeitet und zudem an die entsprechenden Vorgaben des Heilmittelgesetzes86 angepasst werden. Genau wie Heilmittel aus devitalisiertem menschlichem Gewebe oder devitalisierten menschlichen Zellen sollen auch Transplantatprodukte nicht aus unerlaubt entnommenen Organen, Geweben oder Zellen hergestellt werden dürfen (Art. 5 der Organhandelskonvention).

Der Handel mit Transplantatprodukten ist erlaubt, ebenso wie der Handel mit Heilmitteln aus Geweben und Zellen. Hingegen darf das Ausgangsmaterial für die Produkte, also die Organe, Gewebe und Zellen, nicht gehandelt werden. Dies gilt bereits heute. Neu wird zusätzlich verboten, aus gehandelten Organen, Geweben und Zellen Transplantatprodukte herzustellen (Abs. 1 Bst. b).

Aufgrund der differenzierten Regelung zum Ursprungsmaterial von Transplantatprodukten ist die pauschale Ausnahme von Transplantatprodukten von den Bestimmungen nicht mehr gültig. Absatz 2 Buchstabe b wird aufgehoben.

83

84 85 86

Resolution CM/Res (2017)1 on principles for the selection, evaluation, donation and follow-up of the non-resident living organ donors. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation und von Organen, Geweben Zellen > Internationale Zusammenarbeit im Bereich der Transplantationsmedizin > Die Schweiz engagiert sich gegen den Organhandel.

SR 0.810.3 Botschaft vom 28. August 2019, BBl 2019 5971.

AS 2020 2961

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Art. 7a

Verbot der Verwendung unerlaubt entnommener Organe, Gewebe oder Zellen

Gleichermassen wie es verboten ist, gehandelte Organe, Gewebe und Zellen zu verwenden, wird die Verwendung von Organen, Geweben und Zellen verboten, die entgegen den Vorschriften bezüglich Widerspruch oder Zustimmung entnommen wurden (vgl. die Erläuterungen zu Art. 7 Abs. 1 Bst. b).

Art. 9 Abs. 3 Die Entnahme der Augenhornhaut oder auch anderer Gewebe und Zellen erfolgt häufig unabhängig von einer Organspende und damit nicht unmittelbar nach dem Tod, sondern erst Stunden später. Zu diesem Zeitpunkt liegt eine ärztliche Bescheinigung des Todes vor, wie sie nach Artikel 35 Absatz 5 der Zivilstandsverordnung vom 28. April 200487 erforderlich ist. Der Tod muss dazu vorgängig nach kantonalem Recht festgestellt werden. Die Vorschriften des Bundesrats nach Absatz 2 regeln hingegen die Todesfeststellung im Hinblick auf eine Organentnahme. Mit der vorliegenden Ergänzung wird diese Differenzierung, welche auch der Praxis entspricht, besser abgebildet. Die Einhaltung des Todeskriteriums nach Absatz 1 ist in beiden Fällen sichergestellt.

Gliederungstitel vor Art. 12 (3. Abschnitt: Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen bei lebenden Personen zur allogenen Transplantation) Neu gelten für autologe Transplantationen weitgehend dieselben Bestimmungen wie für allogene Transplantationen (vgl. Art. 2). Allerdings müssen die Anforderungen an die Entnahme auf den Verwendungszweck abgestimmt werden: Viele Regelungen zur Entnahme sind ausschliesslich bei der Entnahme zur allogenen Transplantation wichtig, da hier die spendende Person das Risiko trägt, während eine andere Person den Nutzen hat. Entnahmen zur autologen Transplantation hingegen bedürfen nicht derselben Regelung, da hier die spendende mit der empfangenden Person identisch ist.

Der Titel des Abschnitts wurde ergänzt, um zu verdeutlichen, dass er nur die Entnahme zur allogenen Transplantation einschliesst.

Art. 14 Abs. 2bis, 2ter, 3 erster Satz, Abs. 4 Bst. d und e Der Inhalt von Absatz 2bis ist neu. Bei einer herkömmlichen Lebendspende trägt die Versicherung der Empfängerin oder des Empfängers die Kosten der Versicherung nach Artikel 14 Absatz 1 des Transplantationsgesetzes sowie die Entschädigung für den Erwerbsausfall und den weiteren Aufwand, welcher der spendenden Person entsteht (Art. 14 Abs. 2). Bei einer Überkreuz-Lebendspende wird dies zurzeit
anders gehandhabt: Solange noch nicht bestimmt ist, wer ein Organ erhalten soll, trägt die Versicherung der inkompatiblen Empfängerin oder des inkompatiblen Empfängers die bei der spendewilligen Person anfallenden Kosten. Sobald die kompatible Person, die das Organ erhalten soll, ermittelt ist, übernimmt deren Versicherung die Kosten für die spendende Person.

87

SR 211.112.2

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Diese Praxis stellt die Spitäler bei der Rechnungsstellung an die Versicherung der kompatiblen Empfängerin oder des kompatiblen Empfängers vor Schwierigkeiten.

Das Spital der Spenderin oder des Spenders, das die Rechnung stellt, kennt ausser einer Kennnummer aus dem SOAS (vgl. Art. 23a) keine weiteren Angaben zur Person der Empfängerin oder des Empfängers oder zu ihrer oder seiner Versicherung. Die Schwierigkeiten akzentuieren sich, wenn das Überkreuz-Lebendspende-Programm international durchgeführt wird. Hier müsste das zuständige Spital der ausländischen Versicherung Rechnung stellen.

Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde auf Verordnungsstufe (Art. 12f Abs. 4 der Transplantationsverordnung) festgelegt, dass in bestimmten Fällen bei Überkreuz-Lebendspenden mit dem Ausland die Versicherung der Empfängerin oder des Empfängers, die oder der mit der Spenderin oder dem Spender bei einer Überkreuz-Lebendspende ein inkompatibles Paar bildet, die Kosten übernimmt. Dies wird nun generell auf Gesetzesstufe so geregelt und soll auch für Überkreuz-Lebendspenden innerhalb der Schweiz gelten. Dabei entstehen für die Versicherungen im Ergebnis keine Mehrkosten, da sie weiterhin für die Kosten einer spendenden Person aufkommen müssen.

Die Differenzierung, ob diese nun kompatibel oder inkompatibel mit der Empfängerin oder dem Empfänger ist, spielt hierfür keine Rolle.

Absatz 2ter: Der erste Satz entspricht der bisherigen Regelung von Absatz 2bis. In der Vernehmlassung wurde bemängelt, dass Versicherungen beim Tod der Empfängerin oder des Empfängers die Unterlagen nach 5­10 Jahren vernichten und der Kostentragungspflicht gegenüber der Lebendspenderin oder dem Lebendspender nicht mehr nachkommen können. Deshalb wird neu eine Aufbewahrungspflicht von 20 Jahren festgelegt.

Absatz 3 erster Satz: In äusserst seltenen Fällen kann es vorkommen, dass die Spenderin oder der Spender des inkompatiblen Paars zwar gespendet hat, ihre inkompatible Partnerin oder ihr inkompatibler Partner jedoch kein Organ erhalten hat; beispielsweise, weil das Organ der Spenderin oder des Spenders doch nicht entnommen werden konnte oder bei einem Transportunfall zerstört wurde. Nach Artikel 14 Absatz 3 bleibt die Kostentragungspflicht des Versicherers auch bestehen, wenn die Transplantation nicht vorgenommen werden kann. Dies gilt auch in
diesen Fällen. Unter Umständen trifft die Versicherung die doppelte Kostentragungspflicht. Diese Regelung entspricht geltendem Recht, wobei der Verweis auf die Absätze 2bis und 2ter ausgeweitet wurde.

Absatz 4 Buchstabe d: Im Rahmen der Vernehmlassung wurde gefordert, dass betreffend Spesenvergütung und Erwerbsausfallsentschädigung bei der Lebendspende auf das Regelwerk des Schweizerischen Verbands für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer verwiesen werden soll oder der Bundesrat die zu leistende Erwerbsausfallsentschädigung auf einen bestimmten Betrag begrenzen soll. Dies mit der Begründung, dass einzelne Lebendspenderinnen und -spender sehr hohe Löhne haben und die Krankenversicherer nicht in der Lage sind, derart hohe Erwerbsausfallsentschädigungen zu bezahlen. Der Forderung wird mit einer Delegation an den Bundesrat nachgekommen, der einen Höchstbetrag für den Erwerbsausfall festlegt, den Versicherer leisten müssen. Er orientiert sich dabei an versicherten Maximallöhnen

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nach dem Sozialversicherungsrecht, insbesondere nach dem Bundesgesetz vom 20. März 198188 über die Unfallversicherung (UVG).

Absatz 4 Buchstabe e: Es hat sich gezeigt, dass in Fällen, in denen ein ausländischer Versicherer in die Lebendspende involviert ist, die geltende Regelung zur Kostentragungspflicht nicht immer sinnvoll ist. So kann es beispielsweise äusserst schwierig sein, die Bezahlung der Pauschale durch den ausländischen Versicherer einzufordern, wenn die Gesetzgebung des entsprechenden Landes eine solche nicht kennt. Solche Probleme dürften zunehmen, wenn künftig auch bei der Überkreuz-Lebendspende ein Anschluss an Programme anderer Länder möglich sein wird (Art. 23m). Der Bundesrat hat bereits mit Artikel 12f der Transplantationsverordnung bestimmte Fälle geregelt, um sicherzustellen, dass die Kosten für die Lebendspende-Nachsorge gedeckt sind. Mit der vorliegenden Bestimmung soll nun auf Gesetzesstufe verdeutlicht werden, dass der Bundesrat von den allgemeinen Bestimmungen abweichen kann, um sicherzustellen, dass die Kosten der Spenderin oder des Spenders sowie für die Lebendspende-Nachsorge in jedem Fall gedeckt sind. Der Bundesrat wird dabei nicht von den Regeln der Nichtdiskriminierung des Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU (FZA)89 und dem EFTA Übereinkommen90 abweichen.

Gliederungstitel vor Art. 15a (3a. Abschnitt: Nachverfolgung des Gesundheitszustands von Lebendspenderinnen und Lebendspendern bei allogenen Transplantationen) Der Titel wurde erweitert, um zu verdeutlichen, dass sich der Abschnitt nur auf allogene Transplantationen bezieht (vgl. die Erläuterungen zum 3. Abschnitt: Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen bei lebenden Personen zur allogenen Transplantation).

Art. 15a Abs. 1, 3, 5 Bst. c und 6 Der eingeführte Absatz 2bis in Artikel 14, der die Zuständigkeit des Versicherers bei der Überkreuz-Lebendspende neu regelt, muss neu auch in Artikel 15a Absatz 1 aufgeführt werden. Aus Transparenzgründen wird zusätzlich auch auf Artikel 14 Absatz 2ter verwiesen, inhaltlich ändert sich durch diesen Verweis nichts. In den Absätzen 3 und 5 werden die Lebendspende-Nachsorgestelle und das Register in die Mehrzahl gesetzt, da Artikel 15c neu zwei Lebendspende-Nachsorgestellen aufführt.

In Absatz 3 wird zudem der zweite Satz gestrichen, da dieser der neu geschaffenen
Möglichkeit der Entrichtung einer Pauschale nach Artikel 54 Absatz 6 widerspricht.

Absatz 6 gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, die Bestimmungen des 3a. Abschnitts auch für andere Zellen für anwendbar zu erklären, wenn deren Spenderinnen und Spender einer Nachsorge bedürfen. Dies kann beispielsweise Spenderinnen und Spender von Lymphozyten betreffen. Gespendete Lymphozyten können unter anderem 88 89

90

SR 832.20 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit; SR 0.142.112.681.

Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA); SR 0.632.31.

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eingesetzt werden, wenn bei einer Patientin oder einem Patienten nach einer Transplantation von Blut-Stammzellen erneut Krebszellen auftreten.

Art. 15b Abs. 3 Die Änderung beschränkt sich darauf, die Lebendspende-Nachsorgestelle in die Mehrzahl zu setzen. Der Grund dafür ist, dass Artikel 15c zur Verdeutlichung neu zwei Lebendspende-Nachsorgestellen aufführt.

Art. 15c

Lebendspende-Nachsorgestellen

Artikel 15c über die Lebendspende-Nachsorgestelle wird einerseits aus systematischen Gründen angepasst, andererseits werden die Aufgaben der LebendspendeNachsorgestelle neu detaillierter beschrieben. So wird zur Verdeutlichung, dass es sich um zwei verschiedene Stellen handelt, im Erlass konsequent von Nachsorgestellen in der Mehrzahl geschrieben. Eine der Stellen ist zuständig für Lebendspenderinnen und -spender von Organen, die andere für Personen, die Blut-Stammzellen gespendet haben (vgl. Ziff. 4.1.4). Zudem wird die bisher in Absatz 1 aufgeführte Aufgabe der Registerführung in den neuen Artikel 15d ausgelagert, der als gesetzliche Grundlage für das Nachsorge-Register geschaffen wird. Absatz 1 fokussiert damit auf die Grundaufgabe der Lebendspende-Nachsorgestellen: Sie müssen den Gesundheitszustand jener Personen nachverfolgen, die zu Lebzeiten ein Organ oder Blut-Stammzellen gespendet haben. Dies dient dazu, gesundheitliche Probleme zu erkennen, die im Zusammenhang mit der Spende stehen. Die Nachsorgestellen befragen zu diesem Zweck regelmässig die Spenderinnen und Spender und fordern sie dazu auf, sich bei einer Ärztin oder einem Arzt ihrer Wahl untersuchen zu lassen.

Die bisherige Bestimmung in Absatz 2 über die Verwendung der finanziellen Mittel ist bereits durch das Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199091 (SuG) abgedeckt und kann daher entfallen. An ihrer Stelle wird neu im Absatz 2 aufgezeigt, dass die Aufgaben der Lebendspende-Nachsorgestellen über rein organisatorische Aufgaben hinausgehen. Die Nachsorgestellen leisten einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit von Lebendspenderinnen und -spendern. Die Vorlage führt neu explizit auf, dass die Nachsorgestellen Spendewilligen Informationen über den Nutzen und die Risiken einer Spende zur Verfügung stellen müssen (Bst. a). Zudem müssen sie die Spenderinnen und Spender informieren, wenn Nachsorgeuntersuchungen Massnahmen nahelegen. Sie bieten in solchen Fällen entsprechende Beratung an und können beispielsweise eine Therapieempfehlung abgeben, wenn nach einer Nierenspende Bluthochdruck auftritt (Bst. b). Die Nachsorgestellen müssen dafür über das notwendige Fachwissen in ihrem jeweiligen Bereich verfügen. Sie müssen zudem nach Absatz 3 die Daten aus ihrem jeweiligen Lebendspende-Nachsorgeregister nach Artikel 15d regelmässig auswerten.

Die Übertragung der Aufgaben der Lebendspende-Nachsorgestellen erfolgt nach den Artikeln 54 und 54a.

91

SR 616.1

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Art. 15d

Lebendspende-Nachsorgeregister

In dieser Bestimmung werden die Grundzüge der Lebendspende-Nachsorgeregister geregelt (vgl. Ziff. 4.1.4, Lebendspende-Nachsorgeregister).

Gemäss Absatz 1 führt jede Lebendspende-Nachsorgestelle ein Nachsorgeregister.

Damit gibt es ein Register für Organ-Lebendspenderinnen und -spender und ein zweites für Blut-Stammzellspenderinnen und -spender. Beide Register werden unabhängig voneinander geführt. Nach einer Spende erfolgt die Aufnahme in ein Register unabhängig davon, ob das gespendete Organ oder die Blut-Stammzellen transplantiert werden konnten oder nicht.

Absatz 2 beschreibt den Zweck der Lebendspende-Nachsorgeregister: Neben den Aufgaben rund um die Nachsorge nach Artikel 15c dienen die Register der Sicherstellung der Finanzierung der Nachsorge nach Artikel 15b.

Absatz 3 umschreibt die enthaltenen Daten. Detailliert werden diese auf Verordnungsebene abgebildet werden. Die Angaben zur Identität der spendenden Person dienen in erster Linie dazu, dass die Nachsorgestelle die Personen für die Nachsorge kontaktieren kann. Besonders schützenswerte Daten über die Gesundheit der spendenden Person wie Gewicht, Blutdruck, Medikation oder gesundheitliche Einschränkungen ermöglichen es, gesundheitliche Probleme aufgrund der Spende frühzeitig zu erkennen und adäquate Massnahmen im Interesse der spendenden Person einzuleiten. Für die Nachsorge von Nierenspenderinnen und -spendern wird zudem erhoben, ob eine Person eine dunkle Hautfarbe hat. Diese Eigenschaft fliesst in eine Formel zur Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate und damit der Nierenfunktion ein. Die Lebendspende-Nachsorgestellen erheben auch Daten zum psychischen und körperlichen Wohlbefinden und zur Arbeitssituation vor und nach der Spende. Statistische Auswertungen der Gesundheitsdaten können in die Beratung spendewilliger Personen einfliessen (Bst. a). Bei einer gerichteten Organ-Lebendspende und bei der Spende von Blut-Stammzellen an eine verwandte Person steht die spendende Person oftmals in einem engen Beziehungsverhältnis zur Empfängerin oder zum Empfänger. Im Register wird die Art des Verhältnisses erfasst, damit die Lebendspende-Nachsorgestellen diese Information bei der Beratung und Unterstützung der Spenderinnen und Spender einbeziehen kann. Stirbt eine nahestehende empfangende Person, hat dies einen grossen Einfluss auf das
psychische Wohlbefinden der Spenderin oder des Spenders. Hier ist es wichtig, dass die Nachsorgestellen auch die Ursache des Todes kennen, damit sie das Gespräch mit der spendenden Person angemessen führen können. Darüber hinaus werden im System auch die Daten zur Identität und zu den Versicherern der empfangenden Personen erfasst, um die Finanzierung der medizinischen Kosten der Lebendspende-Nachsorge zu sichern. Die gemeinsame Einrichtung, die den Lebendspende-Nachsorgefonds nach Artikel 15b führt, fordert die Beiträge bei den Versicherern ein. Bei einer herkömmlichen Lebendspende muss nach Artikel 14 Absatz 2 der Versicherer der Empfängerin oder des Empfängers bezahlen. Anders ist es bei der Überkreuz-Lebendspende: Hier bezahlt der Versicherer der Empfängerin oder des Empfängers, die oder der mit der Spenderin oder dem Spender ein inkompatibles Paar bildet (Art. 14 Abs. 2bis) (Bst. b).

Absatz 4: In den Lebendspende-Nachsorgeregistern können mehrere Stellen Daten bearbeiten. Die Lebendspende-Nachsorgestelle, die das Register betreibt, bearbeitet 47 / 110

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Daten über die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Spenderinnen und Spender von Organen oder Blut-Stammzellen. Die gemeinsame Einrichtung kann im Register die Angaben zu den Versicherern der Empfängerinnen und Empfänger abrufen, um die Pauschale für die Nachsorge der Spenderin oder des Spenders einzufordern (vgl. die Erläuterungen zu Abs. 3 Bst. b) (Bst. a). Darüber hinaus können von den Nachsorgestellen beauftragte Stellen Daten bearbeiten: Dazu gehören beispielsweise Laboratorien, die im Auftrag Analysen ausführen, deren Ergebnisse in das Register einfliessen und zur Beurteilung der Gesundheit der Spenderin oder des Spenders dienen. Die Nachsorgestellen können zudem behandelnden Ärztinnen oder Ärzten Daten aus dem Register zur Verfügung stellen, damit diese die regelmässigen Nachsorgeuntersuchungen durchführen können.

Die Spitäler werden nach Artikel 15e verpflichtet, Entnahmen von Organen und BlutStammzellen zu melden. Sie tragen die Daten der Spenderin oder des Spenders sowie der Empfängerin oder des Empfängers direkt im Register ein (Bst. b). Später ergänzen sie die Ergebnisse aus Nachsorgeuntersuchungen.

Spenderinnen und Spender können ihre eigenen Daten bearbeiten (Bst. c), um beispielsweise Adressänderungen selbst vorzunehmen oder den medizinischen Fragebogen für die Nachsorge auszufüllen.

Darüber hinaus kann das BAG Registerdaten einsehen, die es für seine Aufsichtstätigkeit benötigt. Die Datenbearbeitung zum Zweck der Aufsicht wird für alle Datenbanken zentral in Artikel 58a Absatz 3 geregelt. Daten aus den Lebendspende-Nachsorgeregistern dürfen den Vigilanzstellen bekanntgegeben werden, sofern dies für die Erfüllung der Aufgaben der Vigilanzstellen nach Artikel 36a notwendig ist. Diese Datenbekanntgabe wird nicht explizit in Artikel 15d geregelt, sondern stützt sich auf den allgemeinen Artikel 59 Absatz 2bis. Darüber hinaus ist eine Datenbekanntgabe zum Zweck der Forschung und der Qualitätssicherung möglich Diese stützt sich auf die allgemeinen Artikel 59a und 59b.

Absatz 5: Das Blut-Stammzellenregister und das Lebendspende-Nachsorgeregister im Bereich der Spende von Blut-Stammzellen enthalten teilweise Daten über dieselben Personen. So wird eine Person im Blut-Stammzellenregister erfasst, wenn sie sich bereit erklärt, Blut-Stammzellen zu spenden. Kommt es zu einer Spende und
wünscht die Person eine Nachsorge, werden einige der bereits erfassten Daten zusätzlich im Nachsorgeregister benötigt. Dabei handelt es sich um Daten zur Identität (z. B. Adresse und Telefonnummer), die für die Kontaktaufnahme benötigt werden. Die beiden Register können diese Daten bei Bedarf austauschen respektive in einem gemeinsamen System bearbeiten. Dies erhöht die Qualität der Daten und verhindert Medienbrüche.

Art. 15e

Meldepflicht

Damit Lebendspenderinnen und -spender zuverlässig nachgesorgt werden können, müssen sie der Lebendspende-Nachsorgestelle gemeldet werden (Abs. 1). Gemeldet werden müssen Daten nach Artikel 15d. Die Daten zur Identifikation der Spenderin oder des Spenders sowie zu ihrem oder seinem Gesundheitszustand vor der Spende werden durch die Entnahmezentren erhoben und an die Lebendspende-Nachsorgestellen gemeldet oder ­ wie dies bei der Organlebendspende möglich ist ­ direkt in das 48 / 110

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Lebendspende-Nachsorgeregister eingetragen. Es werden auch Daten im Zusammenhang mit der Entnahme gemeldet, namentlich zu Komplikationen. Die LebendspendeNachsorgestellen benötigen auch Daten zur Empfängerin oder zum Empfänger, um die Finanzierung der Nachsorge und die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Diese Daten muss das Transplantationszentrum melden, denn in manchen Fällen finden Entnahme und Transplantation in verschiedenen Zentren statt, insbesondere bei der Spende von Blut-Stammzellen an eine nicht verwandte Person oder bei der altruistischen Spende eines Organs. Die Meldung der Daten darf nur erfolgen, wenn die Spenderin oder der Spender eine Nachsorge wünscht und der Weiterleitung ihrer oder seiner Daten ausdrücklich zugestimmt hat.

Absatz 2 erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, weitere Meldepflichten einzuführen.

So kann es insbesondere wichtig sein, dass die Lebendspende-Nachsorgestelle in jedem Fall davon erfährt, wenn eine Spenderin oder ein Spender im Zusammenhang mit der Spende verstirbt, unabhängig davon, ob die Person eine Nachsorge gewünscht hat oder nicht. In solchen Fällen reichen pseudonymisierte Daten aus, da diese lediglich statistischen Zwecken dienen.

Art. 17 Abs. 3 Artikel 17 Absatz 3 regelt die Zuteilung von Organen an Personen auf der Warteliste, die keiner der in Artikel 17 Absatz 2 des geltenden Transplantationsgesetzes genannten Personengruppen angehören. Mit der bisherigen Formulierung in den Buchstaben a und b wurde die Prioritätenordnung nicht klar abgebildet. Nun wird präzisiert, dass die Vergleichskriterien sich nicht auf den Wohnsitz in der Schweiz beschränken, sondern auf alle Kriterien aus Absatz 2.

Art. 22 Abs. 1 Die bisherige Delegation an den Bundesrat in Absatz 1 kann entfallen, da die zu meldenden Daten im neuen Artikel 23b umschrieben werden. Daher wird der zweite Satz gestrichen.

Art. 23 Abs. 3 zweiter Satz Die Abkürzung «BAG» für das Bundesamt für Gesundheit wird neu in diesem Artikel eingeführt, da die bisherige erste Erwähnung des Amtes in Artikel 15c wegfällt.

Gliederungstitel vor Art. 23a (4a. Abschnitt: Swiss Organ Allocation System) Das BAG betreibt mit dem SOAS ein elektronisches System zur Unterstützung der Organzuteilung und der Transplantationsprozesse. Das System bildet zudem ein Register für die Organtransplantationen in der
Schweiz. Es beinhaltet neben der Warteliste der Personen, die ein oder mehrere Organe benötigen, auch Daten zu Spenderinnen und Spendern, zu den Organempfängerinnen und -empfängern sowie zu Zuteilungsentscheiden. Auch Lebendspenden werden im SOAS registriert. Das SOAS unterstützt auch die Zuteilungen und Transplantationsprozesse bei zuteilungspflichtigen Geweben und Zellen nach Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe b. Dies gilt aktuell für Inselzellen aus der Bauchspeicheldrüse. Da das System besonders schützenswerte 49 / 110

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Personendaten enthält, braucht es für deren Bearbeitung durch Bundesorgane nach Artikel 17 Absatz 2 DSG (Art. 34 Abs. 2 Bst. a nDSG) eine formell-gesetzliche Grundlage. Diese wird mit den Artikeln 23a­23d geschaffen. Im SOAS werden Daten aus mehreren Bereichen bearbeitet, die in diesem Gesetz in unterschiedlichen Abschnitten geregelt werden (gerichtete Organspenden im 3. und 3a. Abschnitt sowie nichtgerichtete Spenden* im 4. Abschnitt). Daher wird für das System der neue 4a. Abschnitt eingefügt.

Art. 23a

Betrieb, Zweck, und Verhältnis zur Heilmittelgesetzgebung

Absatz 1 führt das BAG als Betreiberin des SOAS auf. Das BAG hat das System aufgebaut und betreibt es seit 2007. Die Transplantationsmedizin entwickelt sich laufend weiter und neue medizinische Erkenntnisse können auch Anpassungen der Zuteilungsregeln notwendig machen. Das BAG betreut in solchen Fällen jeweils die Revision der rechtlichen Vorgaben im Verordnungsrecht und passt parallel das SOAS entsprechend an. Damit sind die rechtlichen Bestimmungen über die Organzuteilung im SOAS transparent und deckungsgleich abgebildet. Grosses Gewicht gelegt wird auch auf die technische Umsetzung zum Schutz der Daten. Zugriffsrechte müssen sorgfältig implementiert werden, um den Missbrauch der besonders schützenswerten Daten im SOAS zu verhindern. Für diese Aufgaben braucht es eine unabhängige Stelle, die nicht direkt in die Spende- oder Zuteilungsprozesse involviert und frei von Interessenskonflikten ist. Das BAG erfüllt diese Anforderung und kann mit seiner Erfahrung in der Rechtsetzung wie auch in der technischen Umsetzung einen sicheren Betrieb und eine korrekte Weiterentwicklung gewährleisten. Gleichzeitig kann es dank detaillierter Kenntnisse des Systems seine Aufsichtspflicht erfüllen.

Absatz 2 zeigt, wozu das System dient. Es ist ein wichtiges Instrument für viele Prozesse, die im Rahmen der Spende und Transplantation von Organen notwendig sind.

Eine wichtige Unterstützung bietet das System bei den Aufgaben, die nach dem 4. Abschnitt notwendig sind, um Organe zuzuteilen und zu transplantieren (Bst. a): So wird im System die Warteliste derjenigen Personen geführt, die eine Organtransplantation benötigen. Transplantationszentren melden Patientinnen und Patienten, die ein Organ benötigen, über das SOAS. Wird in einem Spital eine Organspende möglich, meldet ein Spital oder Transplantationszentrum dies ebenfalls über das SOAS, indem es die notwendigen Daten über die spendende Person im System erfasst. Anhand dieser Daten kann die Nationale Zuteilungsstelle im SOAS errechnen, welchen Personen aus der Warteliste in welcher Reihenfolge Organe nach den rechtlichen Vorgaben angeboten werden müssen. Das System ermöglicht einen reibungslosen und sicheren Datenaustausch zwischen der Nationalen Zuteilungsstelle und den Fachpersonen in den Transplantationszentren, die ein Organangebot oftmals unter Zeitdruck
beurteilen müssen. Dies vereinfacht die Koordination der Organtransplantationen. Das SOAS unterstützt auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Zuteilungsorganisationen.

Kann ein Organ einer verstorbenen Person in der Schweiz nicht zugeteilt werden, wird es dem Ausland angeboten. Der Zuteilungsstelle im Ausland werden pseudonymisierte Daten aus dem SOAS übermittelt. Umgekehrt werden bei einem Organangebot aus dem Ausland die Daten der spendenden Person im SOAS erfasst.

Das SOAS enthält neben der Warteliste die Daten aller in der Schweiz durchgeführten Organtransplantationen. Erfasst werden auch Lebendspenderinnen und -spender 50 / 110

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und die jeweiligen Empfängerinnen und Empfänger. Damit dient das SOAS als Transplantationsregister, dank dem alle Vorgänge rückverfolgt werden können (Bst. b), was insbesondere für die Vigilanz wichtig ist. Alle Eingaben werden vom System protokolliert. Alle Vorgänge werden transparent und nachvollziehbar abgebildet, von der Listung der Patientinnen und Patienten über die Organzuteilung bis zur Transplantation. Dadurch dient das SOAS auch der Aufsicht (Bst. c). Das BAG prüft in diesem Zusammenhang insbesondere die Listung von Patientinnen und Patienten und die Zuteilungen der Organe wie auch Aktivitäten im Bereich der Lebendspende. Auch Aspekte des Datenschutzes und der Datensicherheit werden beaufsichtigt, beispielsweise durch die Kontrolle der Zugriffe durch die Benutzerinnen und Benutzer.

Die Daten aus dem SOAS können unter Berücksichtigung der Artikel 59a und 59b zudem für Forschungszwecke und zur Qualitätssicherung verwendet wenden.

Absatz 3: Beim SOAS wurde geprüft, ob dieses als Medizinprodukt zu qualifizieren ist (auch bei Software kann es sich um ein Medizinprodukt handeln; vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. b HMG). Diese Frage stellt sich aber nicht nur für die Schweiz: Einerseits verwenden zahlreiche Länder vergleichbare Systeme im Bereich der Organzuteilung, andererseits sind die massgeblichen Anforderungen der Medizinprodukteregulierung europaweit praktisch identisch. Nachfragen des BAG bei Partnerorganisationen in Ländern der EU haben zwar ergeben, dass die vergleichbaren Systeme in diesen Ländern nicht als Medizinprodukte qualifiziert werden. Eine allgemeingültige Aussage lässt sich jedoch nicht treffen. Die Abklärungen zum SOAS haben ergeben, dass sich das SOAS gestützt auf Artikel 3 der Medizinprodukteverordnung vom 1. Juli 202092 (MepV) nicht eindeutig als Medizinprodukt qualifizieren lässt und einen Grenzfall darstellt. Dem Hersteller zufolge unterstützt das SOAS insbesondere eine gerechte Organzuteilung und dient als Transplantationsregister sowie der Aufsicht durch das BAG. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes wird durch diverse Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen in technischer und organisatorischer Hinsicht gewährleistet; von zentraler Bedeutung sind folgende Qualitätsmerkmale: funktionale Vollständigkeit, Datenintegrität, Effizienz, Gesetzeskonformität, Sicherheit, optimale Wartung
und Rückverfolgbarkeit. Der hohe Entwicklungsstandard des SOAS entlang dieser Merkmale wird durch verschiedene Massnahmen sichergestellt. Dazu gehören beispielsweise neben der hohen Entwicklungsqualität auch standardisierte, mehrstufige Software-Tests, einschliesslich Sicherheitstests (z. B. simulierte Hacker-Attacken), bzw.

regelmässig stattfindende Risiko-Analysen. Da es sich beim SOAS um eine hochspezifische Softwareanwendung handelt, die einzig im Kontext der Transplantationsmedizin der Schweiz Anwendung findet und dem Gesundheitsschutz vollumfänglich Rechnung getragen wird, rechtfertigt es sich, vorliegend die Bestimmungen der Heilmittelgesetzgebung zu Medizinprodukten auszuschliessen.

Art. 23b

Inhalt

Im SOAS werden unterschiedliche Daten gespeichert: Buchstabe a führt die Personengruppen und die Daten auf, die im SOAS über sie erfasst werden. Daten zur Identität sind dabei notwendig, um Patientinnen und Patienten und Organspenderinnen und -spender eindeutig zu identifizieren und fatale Verwechslungen bei der 92

SR 812.213

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Organzuteilung zu verhindern. Daten zur Gesundheit werden für verschiedene Zwecke benötigt. Anhand von Labordaten und Daten aus der Krankenakte kann beispielsweise beurteilt werden, wie dringend eine Transplantation für eine Patientin oder einen Patienten auf der Warteliste ist. Blut- und Gewebeuntersuchungen zeigen, ob Organe überhaupt für eine Transplantation geeignet sind und ob die Gefahr besteht, dass mit der Transplantation Krankheiten übertragen werden. Um zu bestimmen, zu welchen Personen auf der Warteliste ein Organ aus immunologischer und physiologischer Sicht am besten passt, werden einerseits genetische Daten benötigt, insbesondere zur Blutgruppe und zu den Gewebemerkmalen (Human Leukocyte Antigen* [HLA]), andererseits braucht es Gesundheitsdaten über die Funktion eines Organs und Angaben zum Alter, zur Körpergrösse oder zum -gewicht.

In den Ziffern 1­3 werden die Personengruppen genannt, über die im SOAS Daten erfasst werden. Nach Ziffer 1 werden Daten über Personen erfasst, die ein oder mehrere Organe benötigen und deshalb im SOAS in die Warteliste aufgenommen werden.

Wird eine Person von der Warteliste gestrichen, weil für sie eine Transplantation nicht mehr infrage kommt, verbleiben die Daten im System, damit im Rahmen der Aufsicht alle Vorgänge kontrolliert werden können. Nach Ziffer 2 enthält das SOAS Daten sowohl von verstorbenen Organspenderinnen und -spendern, wie auch von Personen, die zu Lebzeiten ein Organ spenden. Darüber hinaus werden auch die Daten aller Empfängerinnen und Empfänger der Organe gespeichert. Dies ermöglicht die Rückverfolgbarkeit und Nachvollziehbarkeit aller Prozesse und erlaubt es, diese zu beaufsichtigen (vgl. Art. 23a Abs. 2 Bst. b und c). Personen, die für eine Spende nach dem Tod infrage kommen, können ab dem Zeitpunkt in das SOAS aufgenommen werden, ab dem eine Zustimmung zur Spende vorliegt. Die Daten verbleiben danach im System, auch wenn sich später zeigt, dass eine Spende doch nicht möglich ist, beispielsweise, weil eine bisher unerkannte Krebserkrankung entdeckt wurde. Ziffer 3 führt die Personen auf, die an einem Überkreuz-Lebendspende-Programm nach dem 4b. Abschnitt teilnehmen. Diese Lebendspenderinnen und -spender wie auch die Empfängerinnen und Empfänger werden hier gesondert aufgeführt, da das Überkreuz-Lebendspende-Programm eigene Prozesse
beinhaltet und das SOAS zudem eine Schnittstelle zum System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende verfügt (Art. 23d Abs. 2 und 23l).

Buchstabe b nennt weitere Daten, die im Zuteilungsprozess im SOAS benötigt werden. Während einer Zuteilung generiert das SOAS eine Prioritätenliste der Personen aus der Warteliste, die als mögliche Organempfängerinnen oder -empfänger für ein angebotenes Organ infrage kommen. Die Nationale Zuteilungsstelle bietet den Transplantationszentren jedes verfügbare Organ anhand einer solchen Prioritätenliste an.

Die Transplantationszentren können Angebote direkt im SOAS annehmen oder ablehnen. So werden alle Zuteilungsentscheide im SOAS festgehalten und es wird dokumentiert, wann Organe entnommen und transplantiert wurden. Im Hinblick auf die Vigilanz wird eingetragen, ob neben Organen auch Gewebe gespendet wurden und wie die Ergebnisse der Organtransplantationen in den ersten Tagen nach dem Eingriff sind. Wird ein Problem entdeckt, können alle Stellen informiert werden, die ebenfalls Organe oder Gewebe derselben Spenderin oder desselben Spenders angenommen haben.

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Art. 23c

Datenbearbeitung

Absatz 1 führt alle berechtigten Stellen auf, die im Rahmen ihrer Aufgaben Daten im SOAS bearbeiten, und beschreibt, auf welche Daten sie zugreifen können: Buchstabe a: Transplantationszentren bearbeiten im SOAS die Daten derjenigen Personen auf der Warteliste, die sie selbst betreuen. Zudem bearbeiten sie Daten über Organspenderinnen und -spender aus dem eigenen Transplantationszentrum oder aus einem Spital, das dem Zentrum angeschlossen ist. Nach Artikel 22 des geltenden Transplantationsgesetzes müssen die Zentren sowohl verstorbene Personen mit den erforderlichen Daten melden, bei denen die Voraussetzungen für eine Organentnahme erfüllt sind, wie auch Personen, die sich für eine Organspende zu Lebzeiten bereit erklären. Hat eine Person auf der Warteliste ein Organ erhalten, hat das betreuende Transplantationszentrum weiterhin Zugriff auf die Daten dieser Empfängerin oder dieses Empfängers. Darüber hinaus sieht das Transplantationszentrum alle Angaben über die Person, die das Organ gespendet hat, auch wenn diese Person aus einem anderen Transplantationszentrum stammt. Während eines laufenden Zuteilungsverfahrens sind Angaben über Spenderinnen und Spender aus anderen Transplantationszentren einsehbar, um ein Organangebot medizinisch zu beurteilen. Bestimmte Fachärztinnen und Fachärzte in den Transplantationszentren können als sogenannte Peers die Daten all jener Personen auf der Warteliste einsehen, die das Organ ihres Fachgebietes benötigen. Während einer laufenden Zuteilung sehen Peers auch Personendaten von Spenderinnen und Spendern. Die Peers eines Fachgebiets tauschen sich regelmässig schweizweit in organspezifischen Arbeitsgruppen aus und ermöglichen dadurch eine gegenseitige Kontrolle in Bezug auf die Aufnahme von Patientinnen und Patienten in die Warteliste und auf die Anwendung der Zuteilungskriterien.

Buchstabe b: Neben den Transplantationszentren gibt es in der Schweiz rund 80 Spitäler mit einer Notfall- oder Intensivpflegestation, die ebenfalls Spenderinnen und Spender detektieren können und diese nach Artikel 22 des geltenden Transplantationsgesetzes melden müssen. Jedes dieser Spitäler ist einem Transplantationszentrum angeschlossen, das in den meisten Fällen die Daten der spendenden Personen in das SOAS einträgt. Einige der grösseren peripheren Spitäler verfügen aber über einen
eigenen Zugriff auf das SOAS und können die Daten selbst darin erfassen.

Buchstabe c: Die Nationale Zuteilungsstelle hat für ihre zentrale Koordinationstätigkeit im Bereich der Warteliste und Organzuteilung Zugriff auf die dafür notwendigen Daten im SOAS. Sie braucht diesen Zugriff zudem für die Beurteilung von Organangeboten aus dem Ausland und für die Pflege von Daten im Zusammenhang mit Überkreuz-Lebendspenden. Darüber hinaus kann die Nationale Zuteilungsstelle aus dem SOAS heraus Statistiken erstellen. Diese dienen einerseits der Erfüllung von Meldepflichten und andererseits der Erstellung von Berichten und für internationale Vergleiche, wie sie vom Global Observatory on Donation and Transplantation93 publiziert werden. Zudem trägt die Nationale Zuteilungsstelle zur Erhöhung der Datenqualität bei, indem sie die Daten prüft, die von Transplantationszentren oder Labors im SOAS erfasst werden. Dank ihrer zentralen Funktion innerhalb der Prozesse und der ständigen Verfügbarkeit kann sie anderen Benutzergruppen technische und organisatorische Unterstützung bieten.

93

www.transplant-observatory.org (Stand: 20.6.2022).

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Buchstabe d: Das nationale HLA-Labor (Laboratoire national de référence pour l'histocompatibilité) ist berechtigt zu prüfen, ob die Ergebnisse der Gewebetypisierungen korrekt in das System eingetragen wurden, und hält das Ergebnis der Prüfung im System fest.

Neben den genannten Stellen kann das BAG nach Artikel 58a Absatz 3 Daten einsehen, um damit seiner Aufsichtspflicht nach Artikel 23a Absatz 2 Buchstabe c nachzukommen.

Absatz 2: Personen, welche ein Organ gespendet oder empfangen haben, können ihre Daten nicht aus dem SOAS löschen lassen. Eine Löschung stünde im Widerspruch zu den Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit nach Artikel 34 und zur Vigilanz. Personen auf der Warteliste können ihre Daten löschen lassen, solange sie noch an keinem Zuteilungsprozess teilgenommen haben. Danach ist eine Löschung nicht mehr möglich, da sonst die Nachvollziehbarkeit der Zuteilungen nicht mehr gewährleistet werden könnte.

Art. 23d

Datenbekanntgabe

Die Bestimmung führt auf, welche Stellen Daten aus dem SOAS an Dritte bekanntgeben können und über welche Schnittstellen Daten an andere Systeme übermittelt werden. Zur Datenbekanntgabe berechtigt ist nach Absatz 1 die Nationale Zuteilungsstelle. Sie kann ausländischen Zuteilungsstellen und Plattformen Daten bekanntgeben, wenn Organe über Landesgrenzen hinweg zugeteilt werden. So übermittelt die Schweiz den Zuteilungsstellen im Ausland Daten jener verstorbenen Spenderinnen oder Spender, für deren Organe in der Schweiz keine Empfängerinnen oder Empfänger gefunden werden können. Erhält die Schweiz ein Organ aus dem Ausland, dann übermittelt die Zuteilungsstelle dem Ausland Daten der Empfängerin oder des Empfängers in der Schweiz. Damit kann die Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden.

Dabei werden keine Namen der spendenden und empfangenden Personen übermittelt, sondern nur Identifikationsnummern wie die SOAS-ID. Auch bei Vereinbarungen zwischen der Nationalen Zuteilungsstelle und ausländischen Zuteilungsorganisationen nach Artikel 23 Absatz 3 des geltenden Transplantationsgesetzes können Daten von Patientinnen und Patienten bekanntgegeben werden. Im Rahmen solcher Vereinbarungen über den gegenseitigen Organaustausch ist es möglich, dass eine Person nicht nur in der Schweiz, sondern auch in einem weiteren Land auf die Warteliste gesetzt werden kann (vgl. Art. 3 Abs. 2bis der Organzuteilungsverordnung). Hierbei müssen auch Namen und Vornamen bekanntgegebenen werden, wenn das System der ausländischen Zuteilungsstelle dies erfordert. Die Bekanntgabe der Daten unterliegt dabei den Anforderungen nach Artikel 16 nDSG.

Die Transplantationszentren sind verpflichtet, die Ergebnisse der Transplantationen auszuwerten und zu publizieren (vgl. Art. 28 Abs. 2). Sie haben dazu eine zentrale Stelle bestimmt, die diese Aufgabe übernimmt (Swiss Transplant Cohort Study). Das BAG kann dieser Stelle nach Absatz 2 die dafür notwendigen Daten von spendenden und empfangenden Personen aus dem SOAS zur Verfügung stellen. Dadurch kann eine hohe Datenqualität erreicht werden.

Abgesehen von diesen Möglichkeiten ist eine Datenbekanntgabe unter den Voraussetzungen der Artikel 59a und 59b zum Zweck der Forschung und Qualitätssicherung 54 / 110

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möglich. Datenbekanntgaben in pseudonymisierter oder anonymisierter Form werden auf Verordnungsstufe geregelt. So kann das BAG den Transplantationszentren zum Beispiel anonymisierte medizinische Daten aller spendenden Personen zur Verfügung stellen, aus denen sich die Häufigkeit bestimmter Gewebemerkmale bei Organspenderinnen und -spendern eruieren lässt. Anhand solcher Informationen kann für eine erkrankte Person berechnet werden, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass für sie ein kompatibles Organ gefunden werden kann. Eine solche Schätzung kann in ein Beratungsgespräch einfliessen. Darüber hinaus kann das BAG der LebendspendeNachsorgestelle für Spenderinnen und Spender von Organen pseudonymisierte Daten aus dem SOAS bekanntgeben. Anhand dieser Daten kann die Nachsorgestelle überprüfen, ob die Transplantationszentren alle Lebendspenderinnen und -spender melden, die mit einer Registrierung einverstanden sind.

Absatz 3 definiert zwei Schnittstellen zu anderen Systemen. Über die erste Schnittstelle können Daten aus dem SOAS in das System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende nach Artikel 23l übertragen werden. Übertragen werden dabei jene Daten zur Identität und zur Gesundheit der am Überkreuz-LebendspendeProgramm teilnehmenden Personen, die es zur Eruierung der besten Paar-Kombinationen braucht. Die Ergebnisse der Zuteilung und der Transplantationen im ÜberkreuzLebendspende-Programm werden danach in das SOAS eingetragen, um auch hier die Rückverfolgbarkeit und die Aufsicht zu gewährleisten. Die zweite Schnittstelle besteht zum Meldesystem für die Vigilanz nach den Artikeln 36b­36e. Indem Daten aus dem SOAS in das Vigilanzsystem fliessen, stehen sie schnell und zuverlässig für die Beurteilung eines Falls zur Verfügung. Doppelte Dateneingaben und fehlerhafte Übertragungen werden damit vermieden. Anhand der Daten aus dem SOAS kann eine Vigilanzstelle bei einem gemeldeten Ereignis beispielsweise die spendende Person eruieren und klären, ob diese weitere Organe und Gewebe gespendet hat.

Gliederungstitel vor Art. 23e (4b. Abschnitt: Zuteilung von Organen in einem Überkreuz-Lebendspende-Programm) Während der 4. Abschnitt des Transplantationsgesetzes (Art. 16­23) nicht gerichtete Organspenden regelt, bezieht sich der neue 4b. Abschnitt auf einen Spezialfall der gerichteten Organspende:
Für die klassische (d. h. gerichtete) Lebendspende sieht das Gesetz keine Zuteilungsregeln vor, da die Spenderin oder der Spender die Empfängerin oder den Empfänger des gespendeten Organs bestimmt. Im Überkreuz-Lebendspende-Programm hingegen ist zwar die Absicht gegeben, einer bestimmten Person zu spenden. Letztlich erhält aber eine der Spenderin oder dem Spender nicht bekannte Person aus dem Programm das Organ. Dennoch ist eine Überkreuz-Lebendspende nicht als eine nicht gerichtete Spende zu qualifizieren. Vielmehr kommt die Spende indirekt der ursprünglich bestimmten Person zugute, indem diese dank der Integration in das Programm von jemand anderem ein Organ erhält, das medizinisch besser geeignet ist.

Details zum Programm finden sich in Ziffer 4.1.3.

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Art. 23e

Zweck des Programms

Absatz 1 führt den Zweck eines Überkreuz-Lebendspende-Programms auf. Das Programm soll für Patientinnen und Patienten passende Organe finden, denen eine spendewillige Person ein Organ spenden möchte, das aus medizinischen Gründen aber nicht oder nur bedingt zur Patientin oder zum Patienten passt. Paare in einer solchen Situation werden als inkompatibel bezeichnet. Zudem soll das Programm auch Patientinnen und Patienten offenstehen, die eine kompatible, spendewillige Person mitbringen; für sie kann im Programm allenfalls ein Organ gefunden werden, das noch besser zu ihnen passt. Die Inkompatibilität zwischen spendender und empfangender Person ist deshalb keine Teilnahmevoraussetzung. Dadurch können mehr Personen am Programm teilnehmen, wodurch sich nicht zuletzt die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch Patientinnen und Patienten ein Organ erhalten, die sonst aus medizinischen Gründen nur geringe Chancen auf eine Transplantation haben. Absatz 2 zeigt auf, was unter «inkompatibel» zu verstehen ist. Konkret kann eine Inkompatibilität vorliegen, wenn die Blutgruppen oder gewisse Gewebemerkmale nicht zusammenpassen oder wenn zwischen spendender und empfangender Person ein grosser Unterschied in Bezug auf das Alter, das Gewicht oder die Körpergrösse besteht.

Art. 23f

Durchführung des Programms

Absatz 1 legt fest, dass Überkreuz-Lebendspenden mit mehr als zwei Patientinnen und Patienten zwingend innerhalb des Programms durchgeführt werden müssen. Die Formulierung «mehr als zwei Patientinnen oder Patienten» ist in dieser Bestimmung wichtig, da jemand durchaus mehrere spendewillige Personen in ein Programm mitbringen kann und man dann streng genommen nicht von einem teilnehmenden «Paar» sprechen kann (vgl. Art. 23g Abs. 1 Bst. a). Überkreuz-Lebendspenden mit nur zwei Patientinnen oder Patienten können weiterhin ausserhalb eines Programms stattfinden. Sie gelten dann als gerichtete Lebendspenden und unterliegen nicht den Regelungen nach dem 4b. Abschnitt. Um die Anzahl der Personen im Programm zu erhöhen, sollten jedoch möglichst viele Überkreuz-Lebendspenden innerhalb des Programms durchgeführt werden.

Nach Absatz 2 regelt der Bundesrat, welche Organe im Rahmen des Programms zugeteilt werden. Zurzeit besteht ein Programm für Nieren. Künftig könnten auch Überkreuz-Lebendspende-Programme für weitere Organe eingeführt werden. Beispielsweise ist es möglich, zu Lebzeiten einen Teil der Leber zu spenden. ÜberkreuzLebendspenden von Teilen der Leber wurden im Ausland bereits durchgeführt.94 Absatz 3 delegiert die Durchführung des Programms an die Nationale Zuteilungsstelle. Diese Stelle ist nach Artikel 19 bereits dafür zuständig, gespendete Organe von verstorbenen Personen zuzuteilen. Damit erfüllt sie einerseits die fachlichen Voraussetzungen, andererseits hat sie Zugriff auf das System zur Organzuteilung nach Artikel 23a und kann somit gewährleisten, dass alle Transplantationen nach Lebendspenden lückenlos erfasst und rückverfolgt werden können.

94

Lo, A.L. / Sonnenberg, E.M. / Abt, P.L. (2019): Evolving swaps in transplantation: global exchange, vouchers, liver, and trans-organ paired exchange. In: Current opinion in organ transplantation. 2019/24(2), S. 161­166.

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Art. 23g

Teilnahmevoraussetzungen

Nach Absatz 1 kann eine Patientin oder ein Patient nur zusammen mit mindestens einer spendewilligen Person am Programm teilnehmen (Bst. a). Üblicherweise nehmen an einer Überkreuz-Lebendspende Paare teil; es soll jedoch auch möglich sein, dass eine Patientin oder ein Patient mehrere spendewillige Personen ins Programm mitbringt. Von diesen wird jedoch letztlich nur eine Person tatsächlich spenden. Für die Patientin oder den Patienten steigen damit nachweislich die Chancen, ein Organ zu erhalten.95 Buchstabe b ergänzt der Vollständigkeit halber die spendewillige Person, die der vorgenannten Person ein Organ spenden möchte. Die Patientin oder der Patient und die spendewillige Person bilden im Normalfall ein inkompatibles Paar nach Artikel 23e Absatz 3. Es kann sich dabei jedoch auch um ein kompatibles Paar handeln.

Auch Personen, die eine altruistische Spende beabsichtigen, sollen nach Absatz 2 am Programm teilnehmen können. Diese Personen sollen vom Entnahmezentrum darüber informiert werden, dass sie ihr Organ entweder direkt den Patientinnen und Patienten auf der Warteliste zur Verfügung stellen oder aber am Programm teilnehmen können.

Ein Organ aus einer altruistischen Spende steht auch bei der Überkreuz-Lebendspende der Warteliste zu. Aus diesem Grund sieht Artikel 23j Absatz 3 vor, dass beim Einbezug einer altruistischen Spende ein Organ aus dem Programm einer Person aus der Warteliste zugeteilt wird.

Absatz 3 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, weitere Teilnahmevoraussetzungen festzulegen. Er kann damit besonderen Konstellationen Rechnung tragen. So ist beispielsweise der Wohnsitz für die Aufnahme in das Programm nicht massgeblich, aber es muss sichergestellt werden, dass auch ausländische Versicherer von Organempfängerinnen und -empfängern die Pauschale für die lebenslange Nachsorge der Spenderinnen und Spender bezahlen. Der Bundesrat beachtet dabei die Regeln der Nichtdiskriminierung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU (FZA) und des EFTAÜbereinkommens. Sind bei einer Lebendspende Personen mit Wohnsitz im Ausland involviert, sind besonders gründliche Abklärungen notwendig, insbesondere in Bezug auf die Freiwilligkeit und die Unentgeltlichkeit der Spende, sowie auf die Sicherstellung der Nachsorge. Der Europarat hat hierzu spezifische Empfehlungen96 herausgegeben.

Art. 23h

Aufnahme

Absatz 1: Vor einer Lebendspende werden umfangreiche medizinische und psychologische Untersuchungen durchgeführt. Zeigen die Abklärungen, dass eine Spende zwar möglich, die spendewillige Person und die Patientin oder der Patient medizinisch aber nicht kompatibel sind, so informiert das Transplantationszentrum das Paar über die Möglichkeit, an einem Programm teilzunehmen. Für die Aufnahme ins Programm 95

96

Bray, M. / Wang, W. / Song, P.X-K. / Kalbfleisch, J.D. (2018): Valuing Sets of Potential Transplants in a Kidney Paired Donation Network. In: Statistics in Biosciences.

2018/10(1), S. 255­279.

Resolution CM/Res (2017)1 on principles for the selection, evaluation, donation and follow-up of the non-resident living organ donors. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Internationale Zusammenarbeit im Bereich der Transplantationsmedizin > Die Schweiz engagiert sich gegen den Organhandel.

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müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Sowohl die Patientin oder der Patient als auch die spendewillige Person müssen schriftlich zustimmen (Bst. a). Sie sind damit auch einverstanden, dass die Transplantationszentren für die Abklärungen über die Aufnahme und für die spätere Durchführung des Programms Daten über die Gesundheit, die nach dem DSG als besonders schützenswert gelten, an die Nationale Zuteilungsstelle übermitteln. Für die Aufnahme ins Programm dürfen bei der Patientin oder dem Patienten zudem keine dauernden medizinischen Kontraindikationen gegen eine Organtransplantation vorliegen, wie zum Beispiel eine schwere Krebserkrankung (Bst. b). Bei der spendewilligen Person müssen die Voraussetzungen für eine Organentnahme nach Artikel 12 erfüllt sein (Bst. c).

Ist das Paar bereit, so entscheidet das Transplantationszentrum in Form einer Verfügung über die Aufnahme in das Programm (Abs. 2). Das Zentrum meldet die Daten der aufgenommenen Personen der Nationalen Zuteilungsstelle, die das Programm durchführen wird. Erforderliche Daten beinhalten medizinische Parameter, die für ein gutes Transplantationsergebnis wichtig sind ­ etwa die Blutgruppen und HLA-Werte.

Darüber hinaus braucht es Angaben zur Identität der Personen, die am Programm teilnehmen. Diese Angaben werden insbesondere für die Rückverfolgbarkeit sowie für die Finanzierung der Nachsorge der spendenden Person benötigt. Den detaillierten Datenkatalog legt der Bundesrat im Rahmen des Ausführungsrechts fest.

Personen, welche die Aufnahmekriterien in das Programm nicht mehr erfüllen, müssen wieder aus dem Programm ausgeschlossen werden (Abs. 3). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Patientin oder der Patient zu krank ist für eine Transplantation oder wenn die Spenderin oder der Spender nicht mehr zur Spende bereit ist. Ein Ausschluss betrifft immer beide Personen eines inkompatiblen Paars. Eine Patientin oder ein Patient kann jedoch im Programm bleiben, solange noch mindestens eine Person im Programm ist, die mit ihr oder ihm zusammen aufgenommen wurde (vgl. die Erläuterungen zu Art. 23g Abs. 1 Bst. a). Über einen Ausschluss aus dem Programm muss neben dem betroffenen Paar auch die Nationale Zuteilungsstelle informiert werden.

Art. 23i

Ermittlung kompatibler Paare und der besten Kombination

Absatz 1 legt fest, dass die Nationale Zuteilungsstelle aus den am Programm teilnehmenden Personen die möglichen kompatiblen Paare ermittelt. Für die Ermittlung der kompatiblen Paare ist der medizinische Nutzen der Transplantation das zentrale Kriterium. Hauptsächlich erreicht wird dies durch eine möglichst gute immunologische Übereinstimmung.

Absatz 2 beschreibt den nächsten Schritt: Die Nationale Zuteilungsstelle ermittelt die besten Kombinationen aus den nach Absatz 1 bestimmten kompatiblen Paaren. Dabei müssen verschiedene Kriterien berücksichtigt werden. Eine möglichst hohe Anzahl an Transplantationen im Programm soll bewirken, dass viele Patientinnen und Patienten ein Organ bekommen. Grösstmöglicher medizinischer Nutzen wird angestrebt, indem beispielsweise Kinder bevorzugt werden. Sie profitieren von einer frühen Transplantation, weil sie dadurch keine Dialyse benötigen, die zu Wachstumsverzögerung und Kleinwuchs führen kann.

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Absatz 3 fordert Chancengleichheit bei der Organzuteilung ­ analog zur Zuteilung der Organe von verstorbenen Personen nach Artikel 18 Absatz 2. Gewisse Patientinnen und Patienten haben physiologische Nachteile, die dazu führen, dass sie lange auf ein geeignetes Organ warten müssen, so beispielsweise Menschen mit der Blutgruppe 0.

Damit sie dieselben Chancen auf ein geeignetes Organ haben wie Menschen mit anderen Blutgruppen, werden geeignete Organe deshalb bevorzugt Patientinnen und Patienten mit Blutgruppe 0 zugeteilt. Auch für hochimmunisierte Patientinnen und Patienten mit sehr vielen präformierten Antikörpern (z. B. aufgrund einer früheren Transplantation, einer Bluttransfusion oder von mehreren Schwangerschaften) braucht es ausgleichende Massnahmen, damit auch diese Personen eine Chance auf Zuteilung eines Organs haben.

Absatz 4 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, weitere Kriterien zur Ermittlung der besten Kombinationen nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen. Ein weiteres Kriterium könnte zum Beispiel die kumulierte Wartezeit auf der Warteliste nach Artikel 21 sein.

Zudem kann der Bundesrat bestimmen, in welchem Verhältnis die massgebenden Kriterien zueinanderstehen. Die Erfahrungen aus der bisherigen Organzuteilung zeigen, dass Chancengleichheit immer nur annähernd erreicht werden kann. Stellt man bei der Auswertung der Zuteilungsergebnisse bei gewissen Patientengruppen eine Benachteiligung fest, müssen Reihenfolge oder Gewichtung der Kriterien neu beurteilt werden.

Absatz 5 ermöglicht dem Bundesrat, auch Kombinationen vorzusehen, die eine ungerade Anzahl Personen enthalten. Solche Kombinationen werden als offene Ketten bezeichnet, da eine Person der Kette erst zu einem späteren Zeitpunkt spendet und damit eine neue Kette anstösst (vgl. Ziff. 4.1.3). Offene Ketten sollen erlaubt sein, wenn dadurch eine wesentlich höhere Anzahl Transplantationen im Programm erwartet werden kann oder wenn offene Ketten nötig sind für die Zusammenarbeit mit ausländischen Programmen, die solche vorsehen. Programme mit offenen Ketten gibt es beispielsweise in Spanien (vgl. Ziff. 3.3). Bei offenen Ketten besteht ein besonderer Regelungsbedarf hinsichtlich der Fristen und der Berücksichtigung von altruistischen Spenderinnen und Spendern, durch die offene Ketten erst möglich werden. Die entsprechenden Regelungen finden sich in Artikel 23j in Absatz 3 und den Delegationsnormen in den Absätzen 4 und 5.

Art. 23j

Zuteilung der Organe

Absatz 1 regelt die Zuteilung der Organe im Programm. Die Nationale Zuteilungsstelle teilt die Organe gemäss der besten Kombination nach Artikel 23i zu, wenn keine Gründe gegen eine Entnahme oder gegen eine Transplantation sprechen und die zuständigen Transplantationszentren mit den Organen einverstanden sind, die ihren Patientinnen und Patienten angeboten werden. Der Zuteilungsentscheid muss transparent und nachvollziehbar dokumentiert werden.

Absatz 2 betrifft Personen, die sich nach Artikel 21 des Transplantationsgesetzes auf der Warteliste befinden und die gleichzeitig an einem Programm teilnehmen. Während sie sich im Auswahlverfahren des Programms befindet, darf eine solche Person bei der Zuteilung von Organen verstorbener Spenderinnen und Spender nach dem 4. Abschnitt nicht berücksichtigt werden. Ihr Status auf der Warteliste wird in dieser Zeit auf inaktiv gesetzt. Das Auswahlverfahren des Programms beginnt damit, dass 59 / 110

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kompatible Paare ermittelt und Kombinationen gebildet werden, und endet mit der Zuteilung der Organe. Falls der Person im Programm kein Organ zugeteilt werden kann, wird ihr Status auf der Warteliste wieder auf aktiv gesetzt.

Absatz 3 regelt den Spezialfall, bei dem eine einzelne Person, die eine altruistische Organspende beabsichtigt, am Programm teilnehmen möchte. Da Organe aus altruistischen Spenden grundsätzlich der Warteliste zustehen, wird bei der Teilnahme einer altruistischen Person am Programm ein Organ aus dem Programm einer Person aus der Warteliste zugeteilt. In Bezug auf den zuständigen Versicherer (Art. 14 Abs. 2bis) bildet die Person von der Warteliste zusammen mit der altruistischen Spenderin oder dem altruistischen Spender ein inkompatibles Paar.

Absatz 4: Bei einer offenen Kette spendet eine der teilnehmenden Personen ihr Organ erst in einer späteren Durchführung des Programms und stösst damit eine neue Kette an. Ist innerhalb einer bestimmten Frist keine Zuteilung im Programm möglich, muss das Organ einer Person auf der Warteliste zugeteilt werden. Damit soll verhindert werden, dass eine Spende sehr lange hinausgezögert wird und deswegen allenfalls ein Organ verloren geht.

Absatz 5 zufolge regelt der Bundesrat das Zuteilungsverfahren. Regelungsbedarf besteht bei praktischen Fragen, etwa zum Zeitrahmen, in dem die Transplantationen eines Programms zu erfolgen haben; so kann ein enger Zeitrahmen verhindern, dass nach Beginn der Transplantationen einzelne Personen oder Paare aus dem Programm ausscheiden und damit den Erfolg des Programms gefährden. Zudem braucht es Regelungen für besondere Fälle: Bei der Teilnahme einer altruistischen Person am Programm nach Absatz 3 muss zum Beispiel geregelt werden, wie die Person aus der Warteliste bestimmt wird, die ein Organ aus dem Programm erhalten soll. Ausserdem muss definiert werden, wie vorzugehen ist, wenn ein bereits zugeteiltes und entnommenes Organ nicht transplantiert werden kann. Dies kann eintreten, wenn sich der Gesundheitszustand einer Patientin oder eines Patienten unerwartet stark verschlechtert. Der Bundesrat kann für einen solchen Fall beispielsweise vorsehen, dass das «überzählige Organ» einer Patientin oder einem Patienten aus der Warteliste zugeteilt werden soll. Für offene Ketten legt der Bundesrat die Frist fest, innerhalb derer eine neue Kette angestossen werden muss.

Art. 23k

Bekanntgabe der Identität

Die am Überkreuz-Lebendspende-Programm teilnehmenden Personen bleiben untereinander anonym. Damit sollen unnötige Belastungen vermieden werden. Allerdings soll die Anonymität nach der Transplantation aufgehoben werden können. Möglich ist die Aufhebung der Anonymität dabei jeweils zwischen einer spendenden Person und der Person, die ihr Organ erhalten hat. Beide müssen mit der gegenseitigen Aufhebung der Anonymität einverstanden sein. Der Wunsch zur Aufhebung der Anonymität muss an die Nationale Zuteilungsstelle gerichtet werden. Diese wird abklären, ob die andere Person dies ebenfalls wünscht und gegebenenfalls die Anonymität zwischen den beiden aufheben. Die Anonymität der weiteren am Programm teilnehmenden Personen muss gewahrt bleiben.

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Art. 23l

System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende

In diesem Artikel werden die Grundzüge des elektronischen Systems für die Organzuteilung im Rahmen des Überkreuz-Lebendspende-Programms geregelt (vgl.

Ziff. 4.1.4, System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende). Das System wird bereits heute vom BAG betrieben (Abs. 1).

Absatz 2 definiert den Zweck des Systems: Es soll eine optimale Zuteilung von Organen im Rahmen eines Überkreuz-Lebendspende-Programms ermöglichen (Art. 23j).

Das System enthält die notwendigen Daten der am Programm teilnehmenden Personen (Art. 23h) und unterstützt die Nationale Zuteilungsstelle dabei, kompatible Paare und die besten Kombinationen nach Artikel 23i zu ermitteln, und es erlaubt es den Transplantationszentren, mögliche Kombinationen zu beurteilen. Die Daten aus dem System sollen zudem unter den Voraussetzungen der Artikel 59a und 59b für die Qualitätssicherung und zu Forschungszwecken zur Verfügung stehen. Forschungsergebnisse können beispielsweise dazu dienen, die Wahl der Kriterien bei der Bestimmung der besten Kombinationen zu optimieren.

Absatz 3: Das System enthält die Daten, die für die Durchführung des Programms notwendig sind. Die Daten über die Spenderinnen und Spender und Empfängerinnen und Empfänger, die am Programm teilnehmen, werden über eine Schnittstelle aus dem SOAS nach Artikel 23d Absatz 2 übertragen. Neben Daten zur Identität werden medizinische und physiologische Daten (genetische Daten und Gesundheitsdaten, vgl.

Art. 23b) benötigt, damit ein optimales Zuteilungsergebnis mit grösstmöglichem medizinischem Nutzen erreicht werden kann. Das System generiert darüber hinaus Daten bei der Berechnung der optimalen Paar-Kombinationen. Diese dienen als Grundlage für die Zuteilung.

Absatz 4 führt auf, welche Stellen im System Daten bearbeiten können. Die Nationale Zuteilungsstelle verwaltet sämtliche Daten im Zusammenhang mit Organzuteilungen zentral. Daraus übermittelt sie die benötigten Daten der Programmteilnehmerinnen und -teilnehmer in das System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende. Nach Programmabschluss trägt sie die Zuteilungsergebnisse in das SOAS ein, das damit als Grundlage für die Rückverfolgbarkeit und Vigilanz dient. Die Transplantationszentren können einerseits die Daten der von ihnen betreuten Programmteilnehmerinnen und -teilnehmer bearbeiten. So können
die Zentren Daten eintragen, die bei der Berechnung der Kombinationen berücksichtigt werden. Beispielsweise legen sie Schwellenwerte fest, ab denen immunologische Parameter in die Berechnung einfliessen sollen, oder sie definieren den maximalen tolerierbaren Altersunterschied zwischen einer spendenden und einer empfangenden Person.

Ab dem Zeitpunkt, in dem das System mögliche Kombinationen errechnet, sehen die Zentren auch Daten derjenigen Personen aus anderen Zentren, die das System als mögliche Spenderinnen oder Spender für die eigenen Programmteilnehmerinnen und -teilnehmer vorschlägt. Die Zentren können anhand der Angaben die Kombinationen beurteilen.

Der für die Aufsicht über das Überkreuz-Lebendspende-Programm notwendige Zugriff durch das BAG wird durch Artikel 58a Absatz 3 ermöglicht.

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Absatz 5: Eine Zusammenarbeit mit ausländischen Programmen ist nach Artikel 23m möglich. Die Nationale Zuteilungsstelle kann den involvierten ausländischen Zuteilungsstellen die notwendigen Daten bekanntgeben.

Abgesehen von dieser Möglichkeit ist eine Datenbekanntgabe unter den Voraussetzungen der Artikel 59a und 59b zum Zweck der Forschung und Qualitätssicherung möglich.

Absatz 6: Personen, bei welchen bereits Berechnungen zur Ermittlung der besten Kombinationen durchgeführt worden sind, können ihre Daten nicht aus dem System löschen lassen. Die Daten müssen im System verbleiben, damit die Abläufe nachvollziehbar sind und im Rahmen der Aufsicht überprüft werden können.

Absatz 7: Wie beim SOAS (vgl. die Erläuterungen zu Art. 23a Abs. 3) stellt sich auch beim System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende die Frage, ob dieses als Medizinprodukt zu qualifizieren ist (auch bei Software kann es sich um ein Medizinprodukt handeln; vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. b HMG). Dem BAG sind keine vergleichbaren Systeme anderer Länder bekannt, die als Medizinprodukte qualifiziert werden. Eine allgemeingültige Aussage lässt sich jedoch nicht treffen. Das Überkreuz-Lebendspende-Programm dient dazu, inkompatiblen Spender-Empfänger-Paaren die Transplantation zu ermöglichen; es steht auch kompatiblen Spender-Empfänger-Paaren offen. Gewisse Funktionalitäten der Softwareanwendung sprechen dafür, dass es sich beim System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende um ein Medizinprodukt im Sinne von Artikel 3 MepV handelt. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes wird jedoch bereits durch diverse Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen in technischer und organisatorischer Hinsicht gewährleistet; von zentraler Bedeutung sind folgende Qualitätsmerkmale: funktionale Vollständigkeit, Datenintegrität, Effizienz, Gesetzeskonformität, Sicherheit, optimale Wartung und Rückverfolgbarkeit. Der hohe Entwicklungsstandard des Systems entlang dieser Merkmale wird durch verschiedene Massnahmen sichergestellt. Dazu gehören neben der hohen Entwicklungsqualität standardisierte, mehrstufige Software-Tests einschliesslich Sicherheitstests sowie Risiko-Analysen. Da es sich beim System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende um eine hochspezifische Softwareanwendung handelt, die einzig im Kontext der Transplantationsmedizin
in der Schweiz Anwendung findet und dem Gesundheitsschutz vollumfänglich Rechnung getragen wird, rechtfertigt es sich, vorliegend die Bestimmungen der Heilmittelgesetzgebung zu Medizinprodukten auszuschliessen.

Art. 23m

Internationale Zusammenarbeit

Je mehr Spenderinnen und Spender an einem Programm teilnehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch Personen ein Organ erhalten, deren Chancen auf eine Organzuteilung aus physiologischen Gründen gering sind (z. B. Patientinnen oder Patienten mit Blutgruppe 0 oder jene mit einer hohen Immunisierung). Eine grössere Auswahl an Spenderinnen und Spendern kann durch eine Zusammenarbeit mit ausländischen Überkreuz-Lebendspende-Programmen erreicht werden. Die Nationale Zuteilungsstelle als verantwortliche Stelle für das Schweizer Überkreuz-Lebendspende-Programm soll deshalb mit ausländischen Programmen Vereinbarungen zur Zusammenarbeit abschliessen können. Solche Vereinbarungen müssen vorgängig 62 / 110

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durch das BAG geprüft und bewilligt werden (Abs. 1). Die genauen Voraussetzungen für eine internationale Zusammenarbeit regelt der Bundesrat, da andere Länder teilweise andere Voraussetzungen für Lebendspenden haben als die Schweiz oder die Nachsorge der Lebendspenderinnen und -spender sowie die Kostentragung unterschiedlich regeln (Abs. 2). Für die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Programm kann es auch sinnvoll sein, offene Ketten zuzulassen (vgl. die Erläuterungen zu Art. 23i), wie dies beispielsweise in Spanien der Fall ist.

Gliederungstitel vor Art. 23n (4c. Abschnitt: Blut-Stammzellenregister) Mit der vorliegenden Revision werden die gesetzlichen Grundlagen für die im Bereich Transplantation eingesetzten Systeme und Register geschaffen (vgl. Art. 15d, 23a und 23l) beziehungsweise ergänzt (Art. 23o). Die Regelungen der Datenbanken werden im 2. Kapitel eingegliedert, wo Prozesse im Zusammenhang mit der Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen geregelt werden. Bezüglich des Blut-Stammzellenregisters besteht heute mit Artikel 62 bereits eine gesetzliche Grundlage im 5. Kapitel. Im Sinne einer strukturellen Vereinheitlichung erscheint es jedoch sinnvoll, auch die das Blut-Stammzellenregister betreffenden Bestimmungen systematisch im 2. Kapitel einzuordnen. Die Konzeption der Regelung im Hinblick auf das nDSG wird in Ziffer 4.1.4, Blut-Stammzellenregister, beschrieben.

Art. 23n

Koordinationsstelle Blut-Stammzellen

Bereits bei Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes im Jahr 2007 wurden die Aufgaben zur Führung eines Stammzellenregisters gestützt auf Artikel 54 des Transplantationsgesetzes an die Blutspende SRK Schweiz AG übertragen (vgl. Art. 50 Abs. 1 der Transplantationsverordnung). Diese Übertragung soll weiterhin bestehen, wobei mit der aktuellen Vorlage die Aufgaben der registerführenden Stelle detailliert auf Gesetzesstufe aufgeführt werden. Zudem wird die Bezeichnung Koordinationsstelle Blut-Stammzellen eingeführt. Dies soll verdeutlichen, dass die in der Folge beschriebenen Aufgaben über eine reine Registerführung hinausgehen.

Personen mit schweren Blutkrankheiten wie der Leukämie sind oft auf gespendete Blut-Stammzellen angewiesen. Die Koordinationsstelle Blut-Stammzellen ist dafür verantwortlich, dass für solche Patientinnen und Patienten passende Blut-Stammzellen gefunden werden. Damit verbunden sind verschiedene Aufgaben: Die Koordinationsstelle sorgt dafür, dass sich in der Schweiz genügend Personen für eine Spende von Blut-Stammzellen zur Verfügung stellen und führt ein Register dieser Personen (Bst. a). Dabei muss sie die medizinische Eignung abklären und Laborwerte bestimmen lassen, die für die spätere Suche nach Blut-Stammzellen benötigt werden. Um das Register aktuell und die Spendebereitschaft der registrierten Personen aufrecht zu erhalten, werden diese regelmässig kontaktiert. Die Koordinationsstelle registriert auch Nabelschnurbluteinheiten, die in öffentlichen Nabelschnurblutbanken gelagert werden. Die spendenden Eltern beziehungsweise das Kind haben bei der Einlagerung der Nabelschnurbluteinheiten in einer öffentlichen Bank kein exklusives Anrecht auf deren Verwendung. Die Blut-Stammzellen stehen damit weltweit kranken Personen zur Verfügung.

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Die eigentliche Suche nach geeigneten Blut-Stammzellen führt die Koordinationsstelle im eigenen, wie auch in ausländischen Registern durch (Bst. b). Wurde eine geeignete Spenderin oder ein geeigneter Spender gefunden, so müssen die BlutStammzellen rechtzeitig zur Patientin oder zum Patienten gebracht werden. Die Koordinationsstelle kümmert sich auch um die Organisation rund um die Transplantatbereitstellung (z. B. Abklärung der Spendetauglichkeit, Koordination der Spende und des Transports) (Bst. c). Diese Tätigkeiten sind sehr wichtig, da Entnahme und Transplantation meist in verschiedenen Spitälern, oft sogar in verschiedenen Ländern, stattfinden und eine zuverlässige Bereitstellung der Blut-Stammzellen für die Patientinnen und Patienten überlebenswichtig ist.

Als weitere Aufgabe muss die Koordinationsstelle sicherstellen, dass sämtliche Vorgänge bei der Spende und Transplantation von Blut-Stammzellen rückverfolgbar sind (Bst d). Nur so kann im Rahmen der Vigilanz rasch reagiert werden, wenn beispielsweise entdeckt wird, dass eine Laborprobe falsch beschriftet wurde.

Geeignete Blut-Stammzellen können oftmals nur dann gefunden werden, wenn auch die im Vergleich zur Schweiz wesentlich grössere Anzahl Spendewilliger im Ausland in die Suche einbezogen werden kann. Daher gehört die internationale Zusammenarbeit zu den Aufgaben der Koordinationsstelle (Bst. e). Dank internationaler Vernetzung, weltweit gültiger Standards und einer zentralen Auswertung der Transplantationsergebnisse kann zudem weltweit eine hohe Qualität und ein hohes Mass an Sicherheit erreicht werden.

Art. 23o

Blut-Stammzellenregister

Absatz 1 hält neu fest, dass die Koordinationsstelle Blut-Stammzellen ein BlutStammzellenregister führt. Aktuell wird in Artikel 62 Absatz 1 das BAG als registerführende Stelle genannt. Das BAG ist als zuständige Behörde aber für die Übertragung der Vollzugsaufgabe und die Aufsicht zuständig und nicht für die Führung des Registers. Die Anpassung vermeidet diesbezügliche Missverständnisse.

Absatz 2: Das Register dient der Koordinationsstelle für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach Artikel 23n. Darüber hinaus können die Daten aus dem Register für Forschungszwecke und zur Qualitätssicherung verwendet wenden. Dabei sind die Bestimmungen in den Artikeln 59a und 59b zu beachten.

Absatz 3 regelt den Inhalt des Blut-Stammzellenregister. Für die Suche passender Blut-Stammzellen sind einerseits Daten derjenigen Personen notwendig, die sich als Spenderin oder Spender zur Verfügung stellen, andererseits Daten von Personen, für die Blut-Stammzellen gesucht werden. Bei einzelnen Patientinnen und Patienten muss eine Kommission beurteilen, ob eine Suche nach Blut-Stammzellen sinnvoll ist.

Ihre Daten werden für diese Beurteilung bereits vor der Registrierung für eine Suche in das Register aufgenommen. Zudem werden Daten über Personen erfasst, die effektiv Blut-Stammzellen gespendet oder erhalten haben. Die Daten umfassen neben Identifikations- und Kontaktdaten auch Daten über die Gesundheit (z. B. Erkrankungen, Infektionsmarker) und genetische Daten (Blutgruppe, Gewebemerkmale). Im Register werden auch Daten aufgenommen, wenn eine Mutter bei der Geburt ihres Kindes Blut-Stammzellen aus der Nabelschnur des Neugeborenen spendet und in einer öffentlichen Nabelschnurblutbank einlagern lässt, damit die Blut64 / 110

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Stammzellen Patientinnen und Patienten auf der ganzen Welt zur Verfügung stehen.

Solche Nabelschnurblutbanken übermitteln dem Blut-Stammzellenregister Daten, die für die Suche und die Rückverfolgbarkeit notwendig sind.

Absatz 4 führt die Stellen auf, die berechtigt sind, Daten im Blut-Stammzellenregister zu bearbeiten: Die Koordinationsstelle nach Artikel 23n kann jene Daten bearbeiten, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben braucht (Bst. a). Dies sind, neben den Angaben zur Identität der registrierten Personen, Ergebnisse aus medizinischen Abklärungen, die später für die Spendersuche notwendig werden, sowie Labordaten über Infektionsmarker und Gewebemerkmale. Zudem kann die Koordinationsstelle statistische Auswertungen durchführen.

Die Koordinationsstelle kann zur Erfüllung ihrer Aufgabe Aufträge an Dritte vergeben und zu diesem Zweck den beauftragten Stellen Daten aus dem Register bekanntgeben. So kann beispielsweise das nationale HLA-Labor Daten zu den Gewebemerkmalen einsehen. Es kann die Koordinationsstelle wissenschaftlich bei der Frage beraten, ob die bei einer Suchabfrage vorgeschlagene Spenderin oder der vorgeschlagene Spender immunologisch zur Patientin oder zum Patienten passt. Da die Entnahme und die Transplantation der Blut-Stammzellen meistens nicht in demselben Spital und oft sogar in verschiedenen Ländern stattfinden, wird ein Kurierdienst mit dem Transport der Blut-Stammzellen beauftragt. Dafür schliesst die Koordinationsstelle Verträge mit spezialisierten Kurierdiensten im In- und Ausland ab. Für die effiziente und korrekte Erfüllung ihrer Aufgaben sollen diese Dienste Zugriff auf die dafür nötigen Daten erhalten. In einzelnen Fällen ist unklar, ob bei einer Patientin oder einem Patienten die Suche nach einer Spenderin oder einem Spender über das BlutStammzellenregister sinnvoll ist (z. B. bei gewissen Begleiterkrankungen). Um dies abzuklären, wird eine medizinische Kommission einberufen, welche den Fall beurteilt. Die Mitglieder der Kommission haben dazu Zugriff auf die für ihre Einschätzung nötigen Daten. Vor einer Spende können auch andere Stellen mit Abklärungen beauftragt werden, so etwa Blutspende-Zentren oder Laboratorien. Diese Stellen sollen die für ihren Auftrag nötigen Daten bearbeiten können.

Buchstabe b: Spitäler erfüllen im Rahmen der Transplantation von
Blut-Stammzellen unterschiedliche Aufgaben. Einerseits betreuen sie Patientinnen und Patienten, die auf eine Transplantation angewiesen sind, sie führen Transplantationen durch und sie sorgen danach für die Nachbetreuung. Für die Betreuung der Empfängerinnen und Empfänger benötigen sie auch Daten der entsprechenden spendenden Person, um mögliche Risiken zu erkennen. Andererseits führen Spitäler bei Spenderinnen und Spendern Entnahmen durch, wenn deren Blut-Stammzellen benötigt werden. Im Zuge der Digitalisierung soll es künftig möglich sein, dass alle Spitäler Daten ihrer Patientinnen und Patienten und die Daten der spendenden Personen direkt ins Register eintragen können. Damit können Übertragungsfehler minimiert werden.

Buchstabe c: Die Nabelschnurblutbanken tragen selbstständig die Daten der von ihnen gelagerten Nabelschnurbluteinheiten ein. So können diese über das BlutStammzellenregister vermittelt und bereitgestellt werden.

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Buchstabe d: Personen, die sich für eine Spende von Blut-Stammzellen zur Verfügung stellen möchten, können sich selbst über die Website des Registers97 anmelden.

Sie können ihre Daten aber auch der Koordinationsstelle übermitteln und von dieser eintragen lassen. Daten wie Name, Adresse sowie die Verfügbarkeit für eine allfällige Spende können die spendewilligen Personen danach auch selbständig bearbeiten.

Darüber hinaus kann das BAG Registerdaten einsehen, die es für seine Aufsichtstätigkeit benötigt. Die Datenbearbeitung zum Zweck der Aufsicht wird für alle Datenbanken zentral in Artikel 58a Absatz 3 geregelt. Auch der Vigilanzstelle können Daten bekanntgegeben werden, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt (vgl.

Art. 59 Abs. 2bis).

Gewisse Daten des Blutstammzellen-Registers können mit dem Lebendspende-Nachsorgeregister im Bereich der Spende von Blut-Stammzellen ausgetauscht werden, was vorliegend nicht nochmals festgehalten wird (vgl. hierzu Art. 15d Abs. 5 und die diesbezüglichen Erläuterungen).

Absatz 5: Es kann vorkommen, dass bei einer Patientin oder einem Patienten nach einer Transplantation von Blut-Stammzellen erneut Krebszellen auftreten. In solchen Fällen können einige Wochen, Monate oder wenige Jahre nach der Transplantation Lymphozyten einer spendenden Person verabreicht werden, welche die Krebszellen bekämpfen. In den meisten Fällen stammen die Lymphozyten von derselben Spenderin oder demselben Spender wie die Blut-Stammzellen. Da die Suche und Bereitstellung der Lymphozyten in engem Zusammenhang mit der Transplantation der BlutStammzellen stehen, soll das Blut-Stammzellenregister auch für diesen Zweck verwendet werden können.

Absatz 6: Das allgemeine Löschungsrecht der registrierten Personen ist eingeschränkt: Wurden bereits Tests im Hinblick auf eine konkrete Spende durchgeführt oder hat die Person bereits gespendet, so müssen die Daten der spendenden und der empfangenden Person im Register verbleiben. Dies ist im Interesse der betroffenen Personen: Treten später Komplikationen auf, die auf die Transplantation zurückzuführen sind, muss es möglich sein, auf die Daten der spendenden und der empfangenden Person zurückzugreifen. Eine Löschung stünde in diesen Fällen im Widerspruch zu den Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit nach Artikel 34 und zur Vigilanz.

Art. 23p

Internationale Suchabfragen

Absatz 1: Eine Suche nach geeigneten Blut-Stammzellen ist umso erfolgreicher, je mehr spendewillige Personen einbezogen werden können. Weltweit haben sich daher Register zusammengeschlossen, um internationale Suchen zu ermöglichen. Die Koordinationsstelle führt heute jeweils parallel verschiedene Suchabfragen durch.

Sie sucht einerseits über ein asynchrones System, das eine Kommunikation zwischen den Datenbanken einzelner Register weltweit erlaubt. Die teilnehmenden Register müssen eine Schnittstelle implementieren, über die Daten mittels verschlüsselter E-Mails übertragen werden. Andererseits sucht die Koordinationsstelle im Register

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Die Eintragung im Blut-Stammzellenregister kann über die folgende Website erfolgen: www.blutstammzellspende.ch (Stand: 20.6.2022).

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der WMDA98. In dieses zentrale Register übertragen Register weltweit über eine Schnittstelle pseudonymisierte Daten von spendewilligen Personen und von Nabelschnurbluteinheiten aus öffentlichen Banken (vgl. die Erläuterungen zu Art. 23n Bst. a) und können darin nach möglichen Spenderinnen und Spendern für ihre Patientinnen und Patienten suchen.

Nach Absatz 2 kann die Koordinationsstelle die Personendaten auch dann übermitteln, wenn im Staat des jeweiligen Registers kein angemessener Datenschutz gewährleistet wird. Dafür ist eine ausdrückliche Zustimmung der Patientin oder des Patienten notwendig, nachdem sie oder er angemessen über diesen Sachverhalt informiert wurde.

Art. 24 Abs. 1 und 3 Absatz 1: In Zukunft soll die Verteilung der Aufsichtsbereiche zwischen den Behörden flexibler gestaltet werden können. Für die Aufsichtstätigkeit ist es wichtig, dass jeweils die für den Bereich zuständige Behörde die Meldungen zu Entnahmen nach diesem Artikel und zu Transplantationen (Art. 29 Abs. 1) erhält (vgl. die Erläuterungen zu Art. 29 Abs. 1).

Absatz 3: Aufgrund der neuen grundsätzlichen Anwendbarkeit des Transplantationsgesetzes auf den Umgang mit Organen, Geweben und Zellen zur autologen Transplantation (vgl. Art. 2 Abs. 2 Bst. e und Abs. 3 bezüglich der Ausnahmen) gilt die Meldepflicht nach dieser Bestimmung neu auch für die Entnahme von Geweben und Zellen zur autologen Transplantation. Eine Meldung ist insbesondere dann angezeigt, wenn im Hinblick auf die Qualität und Sicherheit vergleichbare Risiken bestehen wie bei einer allogenen Transplantation. Dies ist beispielsweise der Fall bei der Entnahme von Fettgewebe, das vor einer Eigenfetttransplantation ausserhalb des Körpers in einem aufwendigen Verfahren aufbereitet wird. In gewissen Fällen, wie zum Beispiel bei der Zwischenlagerung von Schädelknochen nach einem Schädelhirntrauma, rechtfertigt sich eine Meldepflicht bei einer Entnahme für eine autologe Transplantation jedoch nicht, weshalb dem Bundesrat die Kompetenz zukommen soll, Ausnahmen vorzusehen.

Art. 24a

Bewilligungspflicht für die Entnahme

Es ist zurzeit nicht vorgesehen, dass Institutionen, die Organe, Gewebe und Zellen entnehmen, dafür eine Bewilligung benötigen. Der Bundesrat soll jedoch die Kompetenz erhalten, eine solche Bewilligungspflicht einzuführen, wie sie in der EU üblich ist. Darauf soll er insbesondere in dem Fall zurückkommen, wenn sich zeigt, dass die neu eingeführte Vorschrift nach Artikel 25 Absatz 3 Buchstabe c nicht ausreicht, um die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bei der Entnahme zu gewährleisten. Die Sorgfaltspflichten werden auf Verordnungsstufe unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Richtlinien präzisiert.

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Informationen zum Search, Match and Connect-Register sind abrufbar unter: www.wmda.info > Professionals > Optimising > Search & Match Service (Stand: 20.6.2022).

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Art. 25 Sachüberschrift, Abs. 1, 3 Bst. c und d sowie 4 Aufgrund des neu eingefügten Artikels 25a werden die Sachüberschriften dieser beiden Artikel präzisiert.

Absatz 1: Organe müssen nach der Entnahme so schnell wie möglich transplantiert werden. Deshalb beschränkte sich die Bewilligungspflicht für Lagerungen bisher auf Gewebe und Zellen. Dank spezieller Perfusionsmaschinen kann es in Zukunft möglich werden, Organe vor der Transplantation für mehrere Tage ausserhalb des Körpers funktionsfähig zu erhalten, damit sie sich regenerieren können.99 Buchstabe a wird entsprechend ergänzt, sodass neu auch für die Lagerung von Organen eine Bewilligung nötig ist. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass die Gesundheit der empfangenden Person durch eine unsachgemässe Lagerung eines Organs gefährdet wird. Buchstabe b wird ergänzt mit einem Verweis auf den neuen 4b. Abschnitt. Für die Ein- und Ausfuhr von Organen im Rahmen des Überkreuz-Lebendspende-Programms benötigt das einzelne Transplantationszentrum keine Bewilligung, da die Ein- und Ausfuhr von Organen durch die für das Programm zuständige Stelle organisiert wird. Ebenfalls keine Bewilligung ist notwendig für die Ein- und Ausfuhr von Geweben und Zellen, die der Bundesrat gestützt auf Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe b für zuteilungspflichtig erklärt hat. Dies ist zurzeit nur für Inselzellen der Fall.

Absatz 3: Zusätzlich zu den bereits nach geltendem Recht bestehenden Voraussetzungen nach den Buchstaben a und b werden nach Buchstabe c Bewilligungen neu explizit davon abhängig gemacht, dass die Qualität der Entnahme von Organen, Geweben und Zellen gewährleistet wird. Die Entnahme ist ein wichtiger Schritt in der Transplantationskette und die Bewilligungsinhaberinnen und -inhaber müssen sicherstellen können, dass die Entnahme den jeweiligen technischen Anforderungen entspricht.

Mängel bei der Entnahme hätten nicht nur einen negativen Effekt auf die Qualität, sie könnten darüber hinaus eine lückenlose Rückverfolgbarkeit verhindern und somit die Vigilanz erschweren. Die Ein- und Ausfuhr embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken ist nach dem Stammzellenforschungsgesetz an strenge Voraussetzungen geknüpft. Dieselben Voraussetzungen (Art. 15 Abs. 3 Bst. b und c und Abs. 4 StFG) sollen auch gelten, wenn die embryonalen Stammzellen im Hinblick auf eine
Transplantation ein- oder ausgeführt werden. Vor der Ein- oder Ausfuhr muss die konkrete Anwendung der Stammzellen schon festgelegt sein. Dies entspricht Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe a des Stammzellenforschungsgesetzes (Bst. d).

Die Delegation an den Bundesrat zur Regelung der Vorschriften im Zusammenhang mit der Bewilligungspflicht wird neu in einem eigenen Artikel 25a festgehalten. Absatz 4 wird aus diesem Grund aufgehoben.

Art. 25a

Bewilligungspflicht für die Lagerung sowie für die Ein- und Ausfuhr: Vorschriften des Bundesrats

Absatz 1: Wie auch nach geltendem Recht (Art. 25 Abs. 4) werden die Pflichten der Bewilligungsinhaberinnen und -inhaber vom Bundesrat festgelegt. Dabei handelt es sich insbesondere um Meldepflichten. Der Bundesrat bestimmt, welche Behörde für 99

Clavien, P.A. u. a. (2022). Transplantation of a human liver following 3 days of ex situ normothermic preservation. In: Nature Biotechnology.

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die Erteilung der Bewilligungen zuständig ist. Damit kann die Aufgabenteilung zwischen dem BAG und der Swissmedic flexibler gestaltet werden.

Gemäss Absatz 2 kann der Bundesrat Ausnahmen von der Bewilligungspflicht nach Artikel 25 in jenen Fällen vorsehen, bei denen die Risiken gering sind, beispielsweise im Bereich der autologen Transplantationen. Denkbar ist auch eine Ausnahme von der Bewilligungspflicht für die Ausfuhr von Organen, Geweben oder Zellen, wenn die Qualität der Entnahme und der Schutz der Spenderinnen und Spender sichergestellt ist. Auch im Entwurf der Europäischen Kommission für eine Verordnung, welche die Richtlinie 2004/23/EG ablösen soll, ist keine Bewilligungspflicht für die Ausfuhr vorgesehen (vgl. Art. 39 im Entwurf der Verordnung). Auch wenn von einer Bewilligungspflicht abgesehen wird, so soll doch weiterhin eine Meldepflicht für diese Tätigkeiten bestehen. Diese wird zurzeit als Pflicht der Bewilligungsinhaberin oder des Bewilligungsinhabers in der Verordnung geregelt.

Absatz 3 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, Bewilligungsinhaberinnen und -inhabern Vorschriften dazu zu machen, wie sie ihre Kundschaft informieren müssen.

Dabei geht es in erster Linie um Nabelschnurblutbanken, die mit werdenden Eltern privatrechtliche Verträge zur Lagerung von Stammzellen aus Nabelschnurblut abschliessen. Die Informationspflicht umfasst Aspekte wie den Lagerort (Bst. a), weitere beteiligte Unternehmen (Bst. b), das Vorgehen, wenn Stammzellen in ein anderes Land ausgeführt werden (Bst. d), sowie den Umgang mit Personendaten (Bst. c).

Diese Informationen sollen die Transparenz des Angebots für die zukünftigen Eltern erhöhen.

Zudem soll insbesondere im Bereich der Lagerung von Blut-Stammzellen die Information sachlich aufzeigen, wie wahrscheinlich es ist, dass eingelagerte Blut-Stammzellen später tatsächlich für den Eigenbedarf verwendet werden können und wie die Erfolgsaussichten solcher Transplantationen sind. Zeigt sich, dass hier zu hohe Erwartungen geschürt werden, kann der Bundesrat die Anbieter dazu verpflichten, dass sie in der Kundeninformation auch die Einschätzung der jeweiligen Fachorganisationen aufführen (Bst. e).

Art. 27

Bewilligungspflicht für die Transplantation

Absatz 1: Die Transplantationszentren werden neu in Artikel 28 Absatz 1 definiert.

Die Änderung in Absatz 2 ist sprachlicher Natur.

Bewilligungen werden spezifisch für die Transplantation bestimmter Organe ausgestellt. Ein Transplantationszentrum, das beispielsweise Nieren und Lebern transplantieren möchte, braucht für jedes dieser zwei Organprogramme eine Bewilligung. Soll einer Person in einer Operation gleichzeitig eine Niere und eine Leber in Kombination transplantiert werden, so braucht das Transplantationszentrum auch für diese kombinierte Transplantation eine Bewilligung. Dies entspricht der heutigen Praxis und wird nun in Absatz 3 explizit aufgeführt.

Absatz 4 Buchstabe a entspricht im Wesentlichen dem geltenden Absatz 4. Abgesehen von einer sprachlichen Anpassung wird die Bewilligungsbehörde auf Gesetzesebene noch offengelassen. Zudem kann der Bundesrat nach Buchstabe b auch für die Transplantation von Transplantatprodukten aus gentechnisch veränderten Organen, 69 / 110

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Geweben oder Zellen oder deren Abgabe an Dritte eine Bewilligungspflicht vorsehen.

Diese Möglichkeit rechtfertigt sich dadurch, dass solche Produkte im Vergleich zu anderen Transplantatprodukten mit erhöhten Risiken verbunden sind.

Art. 28

Transplantationszentren

Absatz 1 hält fest, dass die Bezeichnung «Transplantationszentrum» für Institutionen gilt, die Organtransplantationen mit einer Bewilligung des BAG nach Artikel 27 Absatz 1 vornehmen.

Absatz 2 entspricht dem geltenden Absatz 3 von Artikel 27 und Absatz 3 dem bisherigen Artikel 28.

Art. 29 Abs. 1, 3 und 4 Absatz 1 sah bisher lediglich eine Meldepflicht für die Transplantation von Geweben und Zellen vor. Bereits heute gilt nach Artikel 15e der Transplantationsverordnung eine Meldepflicht für die Entnahme und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen. Dies wird hier entsprechend präzisiert. Bei der Entnahme (vgl. Art. 24 Abs. 1) und Transplantation von Organen wird diese Meldepflicht in den meisten Fällen mit dem Eintrag in das SOAS erfüllt.

Nach Absatz 3 kann der Bundesrat Ausnahmen von der Meldepflicht nach Absatz 1 vorsehen, dies insbesondere im Bereich der autologen Transplantationen (vgl. die Erläuterungen zu Art. 24 Abs. 3).

Absatz 4: Gemäss Artikel 15 der Transplantationsverordnung gilt bereits eine Meldepflicht für Ärztinnen und Ärzte, die Patientinnen oder Patienten nachbetreuen, die für eine Organtransplantation ins Ausland gereist sind. Diese Meldepflicht wird nun im Gesetz verankert. Die Meldungen über Transplantationen im Ausland sollen es ermöglichen, geeignete Massnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Organhandel zu ergreifen. Sinn und Zweck dieser Norm ist nicht, eine strafrechtliche Verfolgung einleiten zu können. Es werden nur anonymisierte Daten gemeldet, es sind keine Patientinnen und Patienten identifizierbar.

Art. 30 Abs. 2 Einleitungssatz Artikel 30 Absatz 2 des geltenden Transplantationsgesetzes legt fest, dass eine Spende von Organen, Geweben oder Zellen aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen werden soll, wenn das Risiko besteht, dass tierische oder menschliche Krankheitserreger übertragen werden. Infolge der neu vorgeschlagenen Unterstellung des Umgangs mit Organen, Geweben und Zellen zur autologen Transplantation unter das Transplantationsgesetz (vgl. betreffend Ausnahmen Art. 2 Abs. 2 Bst. e) bedarf Absatz 2 einer Ergänzung, sodass diese Regelung nur die Spende für allogene Transplantationen betrifft, da hier die empfangende Person gefährdet werden könnte, insbesondere auch deshalb, weil ihr nach der Transplantation Immunsuppressiva verabreicht werden. Die
Beurteilung der Tauglichkeit der spendenden Person bei einer autologen Transplantation erfolgt unter Umständen anders als bei einer allogenen Transplantation. Bei der Beurteilung des Risikos der Übertragung von Krankheitserregern muss im Hinblick auf Nutzen und Risiko berücksichtigt werden, dass die spendende Person 70 / 110

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dieselbe ist wie die empfangende; es wird also keine zusätzliche empfangende Person gefährdet. Ein Ausschluss nach Absatz 2 ist daher nicht in allen Fällen indiziert.

Art. 31 Abs. 2 Einleitungssatz und 3 Zum Schutz der Empfängerin oder des Empfängers vor Krankheitserregern hat der Bundesrat gestützt auf Artikel 31 Absatz 2 des geltenden Rechts Bestimmungen zur Testpflicht und zum Vorgehen bei reaktivem Testergebnis festgelegt. Diese Bestimmungen sind gegenwärtig in der Transplantationsverordnung festgehalten (Art. 23 Abs. 2 und Anhang 5) und basieren auf international anerkannte Richtlinien. Die Anforderungen sind sehr detailliert und müssen regelmässig überprüft und gegebenenfalls in einem Rechtsetzungsprozess aktualisiert werden. Durch die neu eingeführte «kann»-Formulierung in Absatz 2 wird nun die Möglichkeit geschaffen, die durchzuführenden Tests zu den Infektionserregern sowie das Vorgehen bei einem reaktiven Testergebnis nicht mehr zwingend in der Transplantationsverordnung festhalten zu müssen. Damit besteht neu auch die Möglichkeit, dass das BAG in bestimmten Fällen (z. B. bei einem hohen Detaillierungsgrad, bei häufigen Aktualisierungen) in Wegleitungen auf die entsprechenden aktuellsten internationalen Normen verweist, die den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik wiedergeben (vgl. Art. 14 Abs. 2 der Transplantationsverordnung).

Nach Absatz 3 kann der Bundesrat festlegen, in welchen Fällen von einer Testpflicht abgesehen werden kann. Neu besteht auch für die Spende von Organen, Geweben oder Zellen für eine autologe Transplantation die Möglichkeit, von einer Testpflicht abzusehen. Es sind auch weitere Ausnahmen denkbar, wenn keine Gefahr einer Übertragung von Infektionskrankheiten besteht.

Art. 34 Abs. 2­4 Bereits das geltende Recht verlangt die Rückverfolgbarkeit von Organen, Geweben und Zellen von der Spenderin oder dem Spender zur Empfängerin oder zum Empfänger und umgekehrt. Dies ist eine zentrale Voraussetzung für ein Vigilanzsystem. Absatz 2 wird dahingehend aktualisiert, dass neben respektive anstatt Name, Vorname und Geburtsdatum andere Identifikatoren, wie beispielsweise die SOAS-Nummer, für die spendende und empfangende Person verwendet werden können, um die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen. Dies entspricht der heutigen Praxis. Neu wird in Absatz 3 vorgeschrieben,
dass die Rückverfolgbarkeit zusätzlich alle Prozessschritte sowie die verwendeten Substanzen und Materialien umfassen muss, also auch jene, die zum Beispiel bei der Aufbereitung der Organe, Gewebe oder Zellen für die Transplantation mit diesen in Berührung gekommen sind Dies entspricht den Vorgaben der EURichtlinien zu Organen, Geweben und Zellen (vgl. Art. 10 der Richtlinie 2010/53/EU sowie Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/23/EG) Absatz 4: Die Rückverfolgbarkeit wird heute oft mit Hilfe elektronischer Systeme wie dem SOAS bei Organen oder dem Blut-Stammzellenregister bei Blut-Stammzellen gewährleistet. Für die spendenden und empfangenden Personen werden dabei im Bereich der Organe SOAS-Nummern vergeben. Im Bereich der Blut-Stammzellen wird dafür ein internationales Kodierungssystem für nicht verwandte Spenderinnen und Spender verwendet. Allenfalls kann es in Zukunft sinnvoll sein, auch für den 71 / 110

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Bereich der Gewebe ein Kodierungssystem vorzuschreiben, wie dies in der EU bereits umgesetzt ist.100 Im Bereich der Organe könnte das SOAS allenfalls so angepasst werden, dass die eindeutige Identifikation von Personen über eine Transplantation hinaus und bereichsübergreifend möglich ist. Der Bundesrat erhält die Kompetenz, den Gebrauch entsprechender Kodierungssysteme festzulegen.

Art. 35 Abs. 1 und 3 Absatz 1 sieht heute für Aufzeichnungen nach Artikel 34 und alle wichtigen Unterlagen eine Aufbewahrungszeit von 20 Jahren vor. Diese soll neu auf mindestens 30 Jahre erhöht werden, was den internationalen Regulierungen entspricht (vgl. Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2004/23/EG einschliesslich der entsprechenden Ausführungsrichtlinien, Art. 10 Abs. 3 Bst. b der Richtlinie 2010/53/EU sowie Abschnitt 5.25101 der WMDA-Richtlinien und Abschnitt 6.8102 der EDQM-Richtlinien) und von den Schweizer Institutionen aufgrund der internationalen Vernetzung bereits heute umgesetzt wird. Diese relativ lange Aufbewahrungszeit ist deshalb notwendig, weil Krankheiten, die durch Organe, Gewebe oder Zellen übertragen werden können, teilweise eine sehr lange Inkubationszeit haben (z. B. Humanes T-lymphotropes Virus 1: 20 bis 30 Jahre, Prionenerkrankungen: bis zu 30 Jahre). Die neue Vorgabe gilt auch für bereits bestehende Unterlagen, deren Aufbewahrungszeit von 20 Jahren noch nicht abgelaufen ist. Gemäss Rückmeldungen aus der Vernehmlassung kann diese Frist von 30 Jahren bei der Behandlung von Kindern sogar noch zu kurz sein, weshalb eine maximale Aufbewahrungsdauer von 50 Jahren vorgesehen wird.

Als wichtige Unterlagen sind alle sicherheitsrelevanten Unterlagen zu verstehen, insbesondere Unterlagen zur Spenderevaluation, mögliche weitere personenbezogene Daten von spendenden und empfangenden Personen sowie weitere Unterlagen, die zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit auf allen Stufen erforderlich sind.

Die Aufbewahrungsfrist für Unterlagen über Zuteilungsentscheide wird nicht in diesem Artikel, sondern unverändert in Artikel 19 Absatz 3 geregelt. Diese Daten werden nicht für die Rückverfolgbarkeit benötigt, sondern dienen der Nachvollziehbarkeit der Zuteilungsentscheide, die im Rahmen der Aufsicht durch das BAG geprüft werden können.

Der neue Absatz 3 legt fest, dass analog internationalen Richtlinien nebst Unterlagen auch biologische Proben für eine angemessene Zeit aufbewahrt werden müssen. Die Einzelheiten dazu sollen im Ausführungsrecht geregelt werden.

100

Die EU-Plattform zum Single European Code ist abrufbar unter: www.ec.europa.eu/health/index_en > Substances of human origin > Blood, tissues, cells and organs > Implementation > Traceability: Single European Code (Stand: 20.6.2022).

101 International Standards for Unrelated Haematopoietic Stem Cell Donor Registries.

102 Guide to the quality and safety of organs for transplantation, EDQM, 8th Edition, 2022.

Abrufbar unter: www.edqm.eu > Substances of human origin > Organs, Tissues and Cells > Guide to the quality and safety of organs for transplantation und Guide to the quality and safety of tissues and cells for human application, EDQM, 5th Edition, 2022. Das Dokument ist abrufbar unter: www.edqm.eu > Substances of human origin > Organs, tissues and cells > Guide to the quality and safety of tissues and cells for human application (Stand: 16.12.2022).

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Gliederungstitel vor Art. 36 (8. Abschnitt: Vigilanz) Die geltende Regelung zu den klinischen Versuchen in Artikel 36 wird angepasst und in das 4. Kapitel (Art. 49­49c) verschoben. In den Artikeln 36­36e wird neu die Vigilanz geregelt. Der Gliederungstitel «8. Abschnitt: Klinische Versuche» wird deshalb entsprechend angepasst.

Art. 36

Meldepflicht bei schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen

Als Kernelement der Vigilanz im Bereich Transplantation wird in Absatz 1 neu eine Meldepflicht für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse eingeführt. Wer Kenntnis über oder einen Verdacht auf ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis hat, muss dies, unter Berücksichtigung der festgelegten Meldewege, der zuständigen Vigilanzstelle (siehe Art. 36a) melden. Der Absatz nennt die drei von der Meldepflicht hauptsächlich betroffenen Personengruppen: Die erste Gruppe umfasst Fachpersonen, die mit Organen, Geweben oder Zellen umgehen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um lokale Koordinationspersonen, die im Spital gespendete Organe für den Transport ins Empfängerspital vorbereiten, oder um das Personal von Gewebebanken. Ist beispielsweise ein Gewebe in ein schwerwiegendes Ereignis involviert, so soll die Meldung an die Vigilanzstelle durch die Mitarbeitenden jener Gewebebank erfolgen, von der das Gewebe bezogen wurde (Bst. a). Die zweite Gruppe sind behandelnde Ärztinnen und Ärzte und Pflegefachpersonen einer Spenderin oder eines Spenders beziehungsweise einer Empfängerin oder eines Empfängers (Bst. b). Sie müssen beispielsweise melden, wenn eine Patientin oder ein Patient nach einer Organtransplantation eine unerwartete und schwerwiegende immunologische Reaktion zeigt oder wenn eine Person verstirbt, nachdem ihr versehentlich ein inkompatibles Organ transplantiert wurde. Ebenfalls zur Meldung verpflichtet sind Fachspezialistinnen oder Fachspezialisten für Infektionskrankheiten, die bei einer Empfängerin oder einem Empfänger unerwartete Antikörper gegen eine Infektionskrankheit ohne Krankheitssymptome (schwerwiegender Zwischenfall) oder unerwartete Symptome einer Infektion (schwerwiegende Reaktion) feststellen. Die dritte Gruppe umfasst Personen, die Daten in Zusammenhang mit der Entnahme oder Transplantation bearbeiten (Bst. c). So muss etwa eine Koordinatorin oder ein Koordinator der Nationalen Zuteilungsstelle melden, wenn sie oder er feststellt, dass fehlerhafte HLA-Daten in das SOAS eingegeben wurden. Der Fehler könnte zur Folge haben, dass ein Organ einer inkompatiblen Person angeboten wird.

Nach Absatz 2 müssen die meldepflichtigen Institutionen zudem alle erforderlichen Massnahmen treffen, um Personen vor einem Schaden zu bewahren (Bst. a) und die Qualität und Sicherheit der Organe, Gewebe,
Zellen und Blut-Stammzellen zu gewährleisten (Bst. b). Bereits heute werden im Rahmen der institutionsinternen Qualitätssicherung sofortige Schutzmassnahmen getroffen. Diese bestehenden Prozesse sollen auch künftig im Rahmen der Vigilanz berücksichtigt werden.

Auf Verordnungsstufe und in Wegleitungen festgelegt werden die Pflichten der verschiedenen Akteure sowie Meldewege wie auch Inhalte und Modalitäten (z. B. Form und Frist) der Meldungen (Abs. 3).

Absatz 4 verlangt explizit, dass bei der Erstellung des Verordnungsrechts internationale Regelungen über die Vigilanz berücksichtigt werden. Bei der Erarbeitung der Meldemodalitäten sollen insbesondere die Vorschriften der internationalen Fach73 / 110

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gesellschaften berücksichtigt werden, namentlich der WMDA und FACT-JACIE betreffend Blut-Stammzellen103 und die EDQM-Ratgeber betreffend Organe sowie Gewebe und Zellen104.

Art. 36a

Vigilanzstellen

Nach Absatz 1 muss die zuständige Vigilanzstelle die gemeldeten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse prüfen und bewerten. Falls nötig, leitet sie die erforderlichen Massnahmen ein oder gibt den betroffenen Institutionen oder anderen Vigilanzstellen Empfehlungen ab. Erfährt die Vigilanzstelle beispielsweise, dass eine empfangende Person bei der Transplantation eines Organs mit einem Virus infiziert wurde, klärt sie ab, ob weitere Transplantationszentren Organe derselben spendenden Person erhalten haben, und informiert diese über das Ereignis, sofern dies im Rahmen des Zuteilungsprozesses noch nicht erfolgt ist. Falls im beschriebenen Beispiel auch Gewebe der spendenden Person bei einer Gewebeeinrichtung eingelagert wurde, muss auch diese über das gemeldete Ereignis informiert werden, damit die Gewebe allenfalls vernichtet werden können.

Bei den Meldeprozessen zu Geweben ist es zudem sinnvoll, dass eine Meldung frühzeitig an diejenige Gewebeeinrichtung erfolgt, bei der das Gewebe bezogen wurde.

Beispielsweise muss eine Augenärztin der Hornhautbank Meldung erstatten, wenn bei ihrem Patienten nach einer Hornhaut-Transplantation eine Infektion oder eine Abstossung* (SAR) auftritt. Melden muss sie der Bank auch, wenn sie feststellt, dass die Konservierungsflüssigkeit bakteriell kontaminiert ist, auch wenn dies ohne Folgen für die empfangende Person (SAE) bleibt. Die Gewebeeinrichtung muss solche Meldungen prüfen und allenfalls weitere gelagerte Gewebe dieser Person aus dem Verkehr ziehen. Die Gewebeeinrichtung muss diese Meldung dann an die zuständigen Vigilanzstellen weiterleiten.

Die Vigilanzstellen erstatten dem BAG regelmässig Bericht über die gemeldeten Ereignisse und die getroffenen Massnahmen und Empfehlungen (Abs. 2). Auch die Meldepflichtigen sollen regelmässig über gewonnene Erkenntnisse aus der Aufarbeitung der Meldungen informiert werden, um den Wissenstransfer sicherzustellen und um eine Verbesserung der Qualität und Sicherheit im Bereich Transplantation zu erreichen.

Absatz 3 beauftragt in Buchstabe a den Bundesrat, die Vigilanzstellen in den Bereichen Organe, Gewebe und Zellen sowie Blut-Stammzellen festzulegen. Die Übertragung dieser Vollzugsaufgabe erfolgt nach den Artikeln 54 und 54a. Eine Vigilanzstelle benötigt ein sehr hohes Mass an spezifischem Fachwissen, damit sie gemeldete 103

World Marrow Donor Association [WMDA] International Standards for Unrelated Haematopoietic Stem Cell Donor Registries. Abrufbar unter: wmda.info > professionals > Ensuring Quality > WMDA Standards (Stand: 02.09.2022) sowie Quality Management and Accreditation in Hematopoietic Stem Cell Transplantation and Cellular Therapy: The JACIE Guide. Abrufbar unter: www.ebmt.org > Education > The JACIE Guide (Stand: 2.9.2022).

104 Guide to the quality and safety of organs for transplantation, EDQM, 8th Edition, 2022; sowie Guide to the quality and safety of tissues and cells for human application, EDQM, 5th Edition, 2022. Beide abrufbar unter: www.edqm.eu > Substances of human origin > Organs, Tissues and Cells (Stand: 16.12.2022).

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Ereignisse richtig bewerten und zielführende Massnahmen einleiten oder empfehlen kann. Das Fachwissen für die Bereiche Organe, Gewebe und Zellen sowie BlutStammzellen ist in der Schweiz aktuell in verschiedenen Institutionen vorhanden, die bereits heute Aufgaben im Bereich der Vigilanz übernehmen und dem BAG Bericht erstatten. Diese bestehenden Strukturen sollen bestmöglich genutzt werden, um das vorhandene Fachwissen optimal zugänglich zu machen und den zusätzlichen Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten so niedrig wie möglich zu halten. Nach Buchstabe b regelt der Bundesrat zudem die Kompetenzen der Vigilanzstellen.

Absatz 4 verlangt explizit, dass bei der Erstellung des Verordnungsrechts internationale Regelungen über die Vigilanz berücksichtigt werden (vgl. die Erläuterungen zu Art. 36 Abs. 4). Eine internationale Zusammenarbeit ist im Transplantationswesen sehr wichtig: Eine in der Schweiz transplantierte Augenhornhaut wird beispielsweise in der Mehrheit der Fälle bei Banken im Ausland bezogen.105 Gespendete Organe werden anderen Ländern angeboten, wenn sie im eigenen Land keine Verwendung finden.106 Für die Transplantation von Blut-Stammzellen werden sehr häufig nur dann Zellen gefunden, wenn die Suche auf Personen in der ganzen Welt ausgedehnt wird.107 Auch Vigilanzfälle kennen daher keine territorialen Grenzen und bedürfen einer international kompatiblen Regelung.

Art. 36b

Meldesystem: Betrieb und Zweck

Das BAG ist zuständig für den Betrieb eines Meldesystems im Bereich der Vigilanz (Abs. 1). Das elektronische System soll im gesamten Bereich der Transplantationsmedizin genutzt werden. Da das System besonders schützenswerte Personendaten enthält, braucht es für deren Bearbeitung durch Bundesorgane nach Artikel 17 Absatz 2 DSG (Art. 34 Abs. 2 Bst. a nDSG) eine formell-gesetzliche Grundlage.

Absatz 2 spezifiziert den Zweck des Meldesystems: Buchstabe a: Gemäss Artikel 36 müssen meldepflichtige Personengruppen schwerwiegende unerwünschte Ereignisse melden. Die Meldungen werden direkt im System erfasst.

Buchstabe b: Das System ermöglicht es auch, nebst der Erfassung der eigentlichen Meldung, allenfalls Vorschläge für korrektive oder präventive Massnahmen sowie Empfehlungen zu erfassen und deren Umsetzung zu dokumentieren.

Buchstabe c: Das System vereinfacht die Koordinationsaufgaben innerhalb der Vigilanz. Der Austausch zwischen den meldepflichtigen Institutionen und den Vigilanzstellen wird dadurch gefördert. Die gesammelten Daten im Meldesystem ermöglichen 105

Im Jahr 2021 wurde 517-mal Hornhaut in die Schweiz importiert, bei 949 Transplantationen. Quelle: www.bag.admin.ch > Zahlen & Statistiken > Transplantationsmedizin > Gewebe (Stand: 28.10.2022).

106 2021 erhielt die Schweiz 22 Organe aus dem Ausland und bot im Gegenzug 21 Organe an. Quelle: www.bag.admin.ch > Zahlen & Statistiken > Transplantationsmedizin > Organe (Stand: 28.10.2022).

107 2021 spendeten 75 aus der Schweiz für Personen im Ausland Blut-Stammzellen.

Umgekehrt spendeten 186 Personen im Ausland für Personen in der Schweiz Quelle: www.bag.admin.ch > Zahlen & Statistiken > Transplantationsmedizin > Blut-Stammzellen (Stand: 28.10.2022).

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es zudem, die gemeldeten Ereignisse zu analysieren und allfällig involvierte Stellen zu informieren, wie beispielsweise weitere Vigilanzstellen oder das BAG. Aus Fehlern und Erfahrungen kann gelernt und dadurch die Sicherheit und Qualität von Transplantationen verbessert werden.

Buchstabe d: Das BAG kann mit Hilfe des Meldesystems seiner Aufsichtspflicht über die Vigilanz nachkommen. Zum einen wird das BAG selbst Einsicht in die Daten nehmen können, zum anderen erhält es Berichte von den Vigilanzstellen über alle gemeldeten Ereignisse, kommunizierten Massnahmen und Empfehlungen.

Buchstabe e: Die systematische Datenerfassung im System erleichtert den Austausch mit ausländischen Vigilanzstellen und fördert dadurch die internationale Zusammenarbeit (vgl. die Erläuterungen zu Art. 36a Abs. 4). Die gesetzliche Grundlage für den Austausch von Informationen mit ausländischen Stellen wird mit Artikel 36e Buchstabe b geschaffen.

Art. 36c

Meldesystem: Inhalt

Dieser Artikel regelt, welche Daten im Meldesystem erfasst werden sollen.

Nach Buchstabe a werden Daten zum Ereignis und zur Identität von betroffenen oder potenziell betroffenen empfangenden und spendenden Personen erfasst. Daten zur Identität gewährleisten eine bereichsübergreifende Rückverfolgbarkeit der betroffenen Personen. Die Gesundheitsdaten und allenfalls genetischen Daten (Blutgruppe oder Gewebemerkmale) werden für die Aufarbeitung und Analyse eines Ereignisses benötigt; sie sollen direkt im System erfasst, aus anderen Registern übertragen oder via die Schnittstelle nach Artikel 23d Absatz 3 aus dem SOAS übermittelt werden können. Zudem soll es zur Vervollständigung der Dokumentation eines Ereignisses möglich sein, Fotos oder weitere unterstützende Dokumente im System zu speichern.

Buchstabe b ermöglicht es, Daten zu weiteren involvierten Personen und Institutionen zu erfassen. So können beispielsweise die vom Ereignis betroffenen und für die Analyse relevanten Personen definiert und für die Aufarbeitung beigezogen werden.

Gemäss Buchstabe c enthält das System auch Daten, die während der Bearbeitung eines Ereignisses im System generiert werden. So sollen beispielsweise Empfehlungen und Massnahmen seitens der Vigilanzstelle festgehalten werden, die sich auf Erkenntnisse aus der Aufarbeitung von Ereignissen stützen. Der detaillierte Datenkatalog des Meldesystems wird auf Verordnungsebene geregelt.

Art. 36d

Meldesystem: zur Datenbearbeitung berechtigte Stellen

Dieser Artikel klärt, wer Daten im Meldesystem bearbeiten darf.

Gemäss Buchstabe a können meldepflichtige Institutionen jene Daten bearbeiten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Artikel 36 benötigen. Dabei handelt es sich um Daten über Fälle, welche die Institution direkt betreffen oder in deren Bearbeitung sie involviert ist.

Gemäss Buchstabe b sollen die Vigilanzstellen jene Daten bearbeiten können, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Dies können auch Daten von Institutionen sein, die in einem Bereich der Transplantationsmedizin tätig sind, für welchen die 76 / 110

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betroffene Vigilanzstelle nicht zuständig ist. So soll beispielsweise die Vigilanzstelle für Gewebe auch auf die Meldung eines Transplantationszentrums von Organen zugreifen können, wenn das gemeldete Ereignis auf eine Organspenderin oder einen Organspender zurückzuführen ist, die oder der auch Gewebe gespendet hat. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die relevanten Informationen und Entscheidungsgrundlagen allen betroffenen Stellen zugänglich sind.

In Buchstabe c wird geregelt, dass das BAG Daten im Meldesystem bearbeiten darf, die zur Erfüllung der Informations- und Koordinationsaufgaben benötigt werden. Aggregierte Daten können dazu genutzt werden, die Öffentlichkeit über die Art und Häufigkeit von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen in der Schweiz zu informieren. Dies erhöht die Transparenz in der Transplantationsmedizin. Zudem soll das BAG berechtigt sein, auf die Daten zuzugreifen, die benötigt werden, um die Zusammenarbeit der Vigilanzstellen zu koordinieren und den Wissenstransfer zwischen den Bereichen zu ermöglichen. Das BAG braucht darüber hinaus zum Zweck der Aufsicht Zugriff auf das Meldesystem. Dieser Zugriff wird durch Artikel 58a Absatz 3 ermöglicht.

Art. 36e

Meldesystem: Datenbekanntgabe

Damit die Vigilanzstellen ihre Aufgaben nach Artikel 36a erfüllen können, müssen sie die dafür notwendigen Daten aus dem Meldesystem weiteren Stellen und Institutionen bekanntgeben können. Dabei handelt es sich um Daten zu den Ereignissen selbst wie auch zu den jeweils betroffenen spendenden und empfangenden Personen.

Nach Buchstabe a ist eine Datenbekanntgabe an andere vom Ereignis betroffene Institutionen möglich. So kann beispielsweise ein Augenarzt involviert werden, wenn eine seiner Patientinnen von einem Vigilanzfall betroffen ist.

Sind auch ausländische Stellen involviert, so kann ihnen die Vigilanzstelle nach Buchstabe b die notwendigen Daten bekanntgeben. Die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Vigilanz wird in den Erläuterungen zu Artikel 36a Absatz 4 aufgezeigt.

Datenbekanntgaben bei bereichsübergreifenden Ereignissen werden mit Buchstabe c ermöglicht: Ein Vigilanzfall im Bereich Transplantation kann gleichzeitig die Bereiche Arzneimittel, Medizinprodukte oder Blut betreffen. Für solche Fälle braucht es die Möglichkeit einer Datenbekanntgabe an die Vigilanzstellen nach dem Heilmittelgesetz, namentlich an die Pharmako-, die Materio- und die Hämovigilanzstelle.

Abgesehen davon ermöglicht Artikel 59 Absatz 2bis Datenbekanntgaben zwischen den Vigilanzstellen sowie zwischen Vigilanzstellen und Nachsorgestellen, der Koordinationsstelle Blut-Stammzellen und der Nationalen Zuteilungsstelle. So kann es zum Beispiel wichtig sein, dass die Nationale Zuteilungsstelle von einem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis bei einem Nierenempfänger Kenntnis hat, wenn sie ein erneutes Organangebot an diese Person beurteilen muss. Des Weiteren sind nach den Artikeln 59a und 59b Datenbekanntgaben zum Zweck der Forschung und Qualitätssicherung möglich.

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Art. 37 Abs. 1, 2 Bst. b­d und 3 Die Artikel 37, 39 und 40 wurden sprachlich überarbeitet, um klarzustellen, dass die Bestimmungen auch für Transplantatprodukte gelten, die aus embryonalen oder fötalen Geweben oder Zellen hergestellt werden.

Zudem werden spezifische Regelungen eingeführt für den Umgang mit überzähligen Embryonen und daraus gewonnenen Stammzellen. Das Schutzniveau wird an das des Fortpflanzungsmedizingesetzes und des Stammzellenforschungsgesetzes angepasst.

Dies ist wichtig, da aus diesen Embryonen noch ein Kind entstehen könnte, im Gegensatz zu Embryonen aus Schwangerschaftsabbrüchen. Die Verbote nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz und dem Stammzellenforschungsgesetz werden deshalb in Absatz 2 Buchstabe d und Absatz 3 aufgenommen.

Art. 38

Bewilligungspflicht für die Gewinnung und die Transplantation von embryonalen und fötalen Geweben oder Zellen

Artikel 38 regelt neu nur noch die Bewilligungspflicht (Abs. 1) für die Gewinnung und Transplantation embryonaler oder fötaler Gewebe oder Zellen ausserhalb eines klinischen Versuchs. Der Begriff «Standardbehandlung» wird in allen betreffenden Bestimmungen durch «ausserhalb eines klinischen Versuchs» ersetzt, um Missverständnisse beziehungsweise Regelungslücken zu vermeiden, namentlich bezüglich experimenteller Therapien, sollten solche ausserhalb eines klinischen Versuchs durchgeführt werden. Die Regelungen zur Bewilligung eines klinischen Versuchs werden von Artikel 38 Absatz 2 des geltenden Transplantationsgesetzes in das neue 4. Kapitel zu den klinischen Versuchen aufgenommen.

Der Umgang mit Stammzellen aus überzähligen Embryonen, die aus der Fortpflanzungsmedizin stammen und nicht aus einem Schwangerschaftsabbruch, wird detaillierter geregelt und an das Schutzniveau angepasst, welches das Stammzellenforschungsgesetz verlangt.

So wird neu für die Gewinnung von Stammzellen aus überzähligen Embryonen eine Bewilligungspflicht eingeführt (Abs. 1). Die Bewilligungsvoraussetzungen werden in Absatz 2 geregelt. Zudem dürfen Stammzellenaus aus überzähligen Embryonen nur gewonnen werden, wenn die Verwendung der Feststellung, Behandlung oder Verhinderung schwerer Krankheiten dient (Abs. 3).

Die Transplantation von Transplantatprodukten aus embryonalen oder fötalen Geweben oder Zellen bleibt von dieser Bewilligungspflicht ausgenommen. Diese bedürfen einer Zulassung nach dem Heilmittelgesetz. Werden für die Transplantatprodukte Stammzellen aus überzähligen Embryonen verwendet, so müssen für die Zulassung zusätzlich die Voraussetzungen nach Absatz 2 Buchstabe a und b und Absatz 3 erfüllt sein, damit dasselbe Schutzniveau gewährleistet ist (vgl. dazu Art. 2a Abs. 4 Bst. b).

Die Bewilligungsbehörde wird im Artikel nicht bezeichnet, es soll in der Kompetenz des Bundesrats sein, diese zu bestimmen (Abs. 4). Dies gibt ihm mehr Flexibilität bei der Verteilung von Aufsichtsbereichen zwischen dem BAG und der Swissmedic.

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Art. 38a

Bewilligungspflicht für die Lagerung überzähliger Embryonen

Die Lagerung von überzähligen Embryonen im Hinblick auf eine Gewinnung von Stammzellen zur Transplantation ist bewilligungspflichtig (Abs. 1). Während sich die Lagerung von Stammzellen, die aus überzähligen Embryonen gewonnen wurden, nach Artikel 25 richtet, gelten neu für die Lagerung der ganzen Embryonen erhöhte Anforderungen, die dem Schutzniveau des Stammzellenforschungsgesetzes entsprechen (vgl. Art. 10 StFG). So muss eine Lagerung unbedingt erforderlich sein und die spätere Gewinnung von embryonalen Stammzellen nach Artikel 38 muss schon vorgängig bewilligt sein (Abs. 2 Bst. a und b). Die restlichen Bestimmungen (Bst. c und d) entsprechen den Bestimmungen in Artikel 25 Absatz 3.

Die Bezeichnung der Bewilligungsbehörde liegt in der Kompetenz des Bundesrats (Abs. 3).

Art. 38b

Bewilligungspflicht für die Ein- und Ausfuhr überzähliger Embryonen

Die Ein- und Ausfuhr von überzähligen Embryonen im Hinblick auf eine Gewinnung von Stammzellen zur Transplantation ist bewilligungspflichtig (Abs. 1). Während sich die Ein- und Ausfuhr von Stammzellen, die aus überzähligen Embryonen gewonnen wurden, nach Artikel 25 richtet, gelten neu für die Ein- und Ausfuhr der ganzen Embryonen erhöhte Anforderungen, die dem Schutzniveau des Stammzellenforschungsgesetzes entsprechen. Die Regelung in den Absätzen 2 und 3 ist deshalb eine Kombination der Regelungen nach Artikel 25 des Transplantationsgesetzes sowie nach Artikel 15 des Stammzellenforschungsgesetzes.

Die Bezeichnung der Bewilligungsbehörde liegt in der Kompetenz des Bundesrats (Abs. 4).

Art. 39

Information und Zustimmung der Spenderin

Bezüglich der sprachlichen Anpassungen siehe die Erläuterungen zu Artikel 37.

Art. 40

Information und Zustimmung des betroffenen Paars

Bezüglich der sprachlichen Anpassungen (Abs. 1 und 2) siehe die Erläuterungen zu Artikel 37. Zudem wird der neu eingeführte Begriff «überzählige Embryonen» nach Artikel 3 verwendet.

Die Absätze 3­5 entsprechen inhaltlich Artikel 5 Absätze 3­5 des Stammzellenforschungsgesetzes. Auch bezüglich der Zustimmung wird so das Schutzniveau des Transplantationsgesetzes an dasjenige des Stammzellenforschungsgesetzes angepasst. Der Wortlaut von Absatz 5 weicht zwar von demjenigen des Stammzellenforschungsgesetzes ab, setzt jedoch den Willen des Gesetzgebers gemäss der Botschaft vom 20. November 2002108 zum Bundesgesetz über die Forschung an überzähligen Embryonen und embryonalen Stammzellen (Embryonenforschungsgesetz, EFG) um.

108

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Art. 42 Bst. b Buchstabe b wird sprachlich präzisiert und an die Bestimmungen in Artikel 25a angepasst.

Art. 43

Bewilligungspflicht

Gemäss Absatz 1 braucht es für die Transplantation tierischer Organe, Gewebe oder Zellen eine Bewilligung, unabhängig davon, ob diese innerhalb oder ausserhalb eines klinischen Versuchs stattfindet. Im Gegensatz zum geltenden Gesetz sind Transplantatprodukte nicht mehr in diesem Absatz aufgeführt. Absatz 2 führt detailliert die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach Absatz 1 auf. Neu gilt auch für klinische Versuche, die nach Artikel 49a bewilligt werden müssen, zusätzlich eine Bewilligungspflicht nach diesem Artikel. Dies in Anlehnung an Artikel 27: Bereits bisher konnte ein klinischer Versuch einer Organtransplantation nur in einem Transplantationszentrum durchgeführt werden, das über eine Bewilligung nach Artikel 27 für das entsprechende Transplantationsprogramm verfügte. Dies soll bei klinischen Versuchen der Transplantation tierischer Organe auf den Menschen nicht anders sein. Bei tierischen Geweben und Zellen handelt es sich in der Regel um Transplantatprodukte, für welche dieser Absatz nicht anwendbar ist.

Die Bewilligungsvoraussetzungen nach Absatz 2 sind im Hinblick auf ein Transplantationsprogramm sehr viel umfangreicher als bei einem klinischen Versuch. Für die Bewilligung eines Programms muss ein Infektionsrisiko für die Bevölkerung ausgeschlossen werden (Bst. a) und der therapeutische Nutzen der Transplantation nachgewiesen sein (Bst. b). Bei der Bewilligung eines Programms zusammen mit einem klinischen Versuch wird der Nutzen im Rahmen der Bewilligung des klinischen Versuchs geprüft. Das Infektionsrisiko für die Bevölkerung durch den klinischen Versuch muss mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können (vgl.

Art. 49b Abs. 1 Bst. b Ziff. 1).

Absatz 3: Bei tierischen Geweben oder Zellen, die transplantiert werden, handelt es sich in den allermeisten Fällen um Transplantatprodukte. Diese benötigen eine Zulassung nach dem Heilmittelgesetz sowie eine Herstellungsbewilligung (vgl. Art. 2a Abs. 2). Eine zusätzliche Bewilligung nach dem Transplantationsgesetz für die Anwendung ist deshalb bei Transplantatprodukten in der Regel nicht nötig. Im Rahmen der Herstellungsbewilligung nach dem Heilmittelgesetz müssen auch Aspekte nach diesem Artikel geprüft werden (vgl. Art. 2a Abs. 4 Bst. d, der auf Art. 43 Abs. 2 Bst. a verweist). Analog zu Artikel 27 Absatz 4 Buchstabe b kann
der Bundesrat jedoch aufgrund des erhöhten Risikos für die Transplantation von Transplantatprodukten aus gentechnisch veränderten tierischen Organen, Geweben und Zellen sowie deren Abgabe an Dritte auch hier eine Bewilligungspflicht vorsehen.

Es wird auf Stufe Gesetz offengelassen, ob das BAG oder die Swissmedic die Bewilligungsbehörde sein soll. Der Bundesrat wird diese bezeichnen (Abs. 4). Die Bewilligungspflicht für klinische Versuche der Xenotransplantation (geltender Art. 43 Abs. 2) wird neu im 4. Kapitel geregelt.

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Art. 46 Bst. c Die zuständige Bewilligungsbehörde für die Transplantation von tierischen Organen, Geweben oder Zellen nach Artikel 43 wird auf Stufe Gesetz nicht mehr definiert; deshalb wird in Artikel 46 Buchstabe c das «BAG» durch die «zuständige Behörde» ersetzt.

Gliederungstitel vor Art. 49 (4. Kapitel: Klinische Versuche) Die bisher in Artikel 49 enthaltenen Regelungen zu den Transplantatprodukten werden angepasst und in das 1. Kapitel (neuer Art. 2a) verschoben. Neu werden in diesem Kapitel die Regelungen zu klinischen Versuchen aus den bisherigen Artikeln 36, 38 Absätze 1 und 2 sowie 43 Absätze 1 und 2 zusammengefasst, unabhängig davon, welchen Ursprung die verwendeten Organe, Gewebe oder Zellen haben. Der bisherige Gliederungstitel «4. Kapitel: Transplantatprodukte» wird deshalb geändert.

Art. 49

Grundsätze

Absatz 1 entspricht Artikel 36 Absatz 6 des geltenden Rechts. Die Durchführung klinischer Versuche der Transplantation richtet sich sowohl nach dem Humanforschungsgesetz als auch nach den Vorschriften des Transplantationsgesetzes. Artikel 49 enthält einen entsprechenden deklaratorischen Verweis. Während das Humanforschungsgesetz die allgemeinen Anforderungen für sämtliche Forschungsprojekte mit Personen regelt, enthält das Transplantationsgesetz weitere Vorschriften, die nur spezifisch für klinische Versuche der Transplantation gelten (insbesondere zum Melde- und Bewilligungsverfahren). In Analogie zum Heilmittelgesetz ist unter anderem die Kontrolle der klinischen Versuche durch die zuständigen Ethikkommissionen (nach dem HFG) und neu (anstelle des BAG) durch die Swissmedic (siehe Art. 49a­49c) vorgeschrieben.

Im Fall von klinischen Versuchen mit Stammzellen aus überzähligen Embryonen wird die Gewinnung der Stammzellen durch das Stammzellenforschungsgesetz geregelt (Abs. 2).

Art. 49a

Bewilligungspflicht

Absatz 1 fasst den ersten Satz aus Artikel 36 Absatz 1 sowie die Absätze 1 der Artikel 38 und 43 des geltenden Rechts zusammen, wobei die embryonalen und fötalen Gewebe und Zellen unter die «menschlichen Gewebe und Zellen» fallen. Zusätzlich zu den Vorschriften nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften des Humanforschungsgesetzes (Art. 49 Abs. 1). Entsprechend braucht es zusätzlich zur Bewilligung nach diesem Artikel eine Bewilligung nach dem Humanforschungsgesetz. Neu ist die Swissmedic die zuständige Bewilligungsbehörde für sämtliche klinischen Versuche im Bereich der Transplantationsmedizin (siehe Ziff. 4.1.2). Eine Bündelung der Bewilligungen für klinische Versuche bei einer Bundesbehörde verbessert für Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller die Übersichtlichkeit und steigert die Effizienz. Für klinische Versuche, in denen beispielsweise Heilmittel und Blut-Stammzelltransplantationen untersucht werden, sind somit neu nicht mehr zwei Bewilligungen von verschiedenen Bundesbehörden notwendig.

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Die Absätze 2 und 3 entsprechen dem geltenden Recht (Art. 36 Abs. 3 bzw. Art. 36 Abs. 1 zweiter Satz).

Der Bundesrat kann (in Analogie zu Art. 49 Abs. 1bis HFG und Art. 54 Abs. 6 HMG) gestützt auf Absatz 4 im Rahmen des Erlasses von Vorschriften zum Verfahren neu vorsehen, dass die Eingabe und der Austausch von Dokumenten sowie die Eröffnung von Entscheiden auf elektronischem Weg erfolgen müssen.

Art. 49b

Prüfverfahren

Dieser neue Artikel regelt detailliert das Prüfverfahren bei klinischen Versuchen. Absatz 1 legt fest, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Swissmedic eine Bewilligung erteilen kann. Diese Voraussetzungen entsprechen weitgehend den Anforderungen des geltenden Rechts.

Buchstabe a Ziffer 1 entspricht teilweise dem ersten Satz von Artikel 36 Absatz 2 des geltenden Rechts. Neu wird explizit erwähnt, dass vor der Durchführung von klinischen Versuchen eine entsprechende Bewilligung nach dem Transplantationsgesetz, zum Beispiel für die Transplantation von Organen, vorhanden sein muss. Damit wird sichergestellt, dass die Institution, die einen klinischen Versuch durchführt, über die entsprechende Erfahrung im Umgang mit den zu prüfenden Organen, Geweben oder Zellen verfügt.

Buchstabe a Ziffern 2 und 3 entspricht den Artikeln 38 Absatz 2 Buchstaben b und c sowie 43 Absatz 2 Buchstaben c und d des geltenden Rechts. Diese Voraussetzungen werden nun neu explizit für alle Versuche mit menschlichen und tierischen Organen, Geweben und Zellen genannt. Die Voraussetzungen müssen dabei spezifisch im Hinblick auf den klinischen Versuch erfüllt sein. Zusätzlich überprüft die Swissmedic auch die Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach dem 2. Kapitel 7. Abschnitt (Ziff. 4).

Dasselbe gilt für das vorgesehene Risikomanagement (Ziff. 5). Des Weiteren prüft die Swissmedic, ob die je nach Versuchsanordnung erforderlichen Bewilligungen vorliegen.

Buchstabe b Ziffer 1 entspricht Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe a des geltenden Rechts.

Für Transplantationen tierischer Organe, Gewebe und Zellen auf Menschen, die im Rahmen von klinischen Versuchen erfolgen, muss die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller nachweisen, dass ein Infektionsrisiko für die Bevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Dieser Nachweis hat unter Anwendung des aktuellen Stands von Wissenschaft und Technik zu erfolgen. Ziffer 2 verlangt analog zu Artikel 38 Absatz 3 auch bei klinischen Versuchen mit Geweben und Zellen aus überzähligen Embryonen, dass die Transplantation der Feststellung, Behandlung oder Verhinderung einer schweren Krankheit dient. Dies entspricht den Anforderungen des Stammzellenforschungsgesetzes.

Gemäss Absatz 2 muss die Swissmedic vor der Erteilung einer Bewilligung für einen klinischen Versuch
der Transplantation eine Stellungnahme des BAG einholen (analog der Verfahrensordnung in Art. 35 und 36 KlinV für klinische Versuche der Gentherapie, mit gentechnisch veränderten oder mit pathogenen Organismen sowie mit Heilmitteln, die ionisierende Strahlen aussenden können).

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In Absatz 3 sind die vom BAG zu prüfenden Bereiche im Einzelnen festgelegt. Dabei handelt es sich um jene Bereiche, in denen das BAG aufgrund seiner bisherigen Aufsichtstätigkeit über viel Erfahrung verfügt. Das BAG prüft die Herkunft und Zuteilung der im klinischen Versuch verwendeten menschlichen Organe, Gewebe und Zellen (Bst. a). Zudem kontrolliert es bei klinischen Versuchen mit embryonalen oder fötalen Geweben oder Zellen, ob die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden (Bst. b). Für Stammzellen aus überzähligen Embryonen prüft es zudem, ob die Vorschriften des Stammzellenforschungsgesetzes bezüglich der Einwilligung und Aufklärung und der Unabhängigkeit der beteiligten Personen eingehalten werden (Bst. c).

Art. 49c

Vorschriften des Bundesrats

Damit die klinische Prüfung alternativer Zuteilungsregeln möglich ist, kann der Bundesrat nach Absatz 1 neu Ausnahmemöglichkeiten von den im Transplantationsgesetz vorgeschriebenen Zuteilungsregeln vorsehen. Ausnahmebewilligungen sind unter Umständen auch notwendig bei klinischen Versuchen, die den Zuteilungsprozess verzögern oder anderweitig beeinflussen können. Zu Verzögerungen kann es beispielsweise kommen, wenn eine zusätzliche Einwilligung der Patientin oder des Patienten nötig ist oder wenn ein Organ vor der Transplantation vorbehandelt werden muss.

Zudem wurden verschiedene bisherige Regelungen zur Aufsicht bei klinischen Versuchen zusammengefasst und redaktionell angepasst: Absatz 2 entspricht weitgehend Artikel 36 Absatz 4 des geltenden Rechts. In Buchstabe a ist neu zusätzlich vorgesehen, dass der Bundesrat auch Melde- und Informationspflichten bei Änderungen eines klinischen Versuchs vorsehen kann. Dies gilt neu ebenfalls, falls der klinische Versuch keine wissenschaftlich auswertbaren Daten liefert (Bst. d). Buchstaben b und c entsprechen inhaltlich dem geltenden Artikel 36 Absatz 4 Buchstaben b und c.

In Absatz 3 ist festgehalten, dass der Bundesrat das Meldeverfahren und den Informationsaustausch regelt.

Absatz 4 entspricht Artikel 36 Absatz 5 des geltenden Rechts.

Art. 54

Übertragung von Vollzugsaufgaben

Die Übertragung von Vollzugsaufgaben des Bundes an Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts erfolgt nach geltendem Recht gestützt auf Artikel 54 des Transplantationsgesetzes durch den Bundesrat via Bezeichnung im Verordnungsrecht. Die Entschädigung erfolgte im Einklang mit Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b des Subventionsgesetzes in Form einer Abgeltung.

Seit dem 1. Januar 2021 wird das Auswahlverfahren für die Übertragung von Bundesaufgaben, die abgegolten werden, neu geregelt. Stehen mehrere Subventionsempfängerinnen oder -empfänger zur Auswahl, muss das Spezialgesetz ein transparentes, objektives und unparteiisches Auswahlverfahren vorsehen (Art. 10 Abs. 1 Bst. e SuG).

Falls kein Auswahlverfahren im Spezialgesetz vorgesehen wird, richtet sich dieses nach dem Bundesgesetz vom 21. Juni 2019109 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; siehe Art. 15b SuG).

109

SR 172.056.1

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Die Akteure im Bereich des Transplantationswesens sind in ihrem Bereich äusserst spezialisierte Organisationen, die national und international sehr gut vernetzt sind.

Faktisch kommt momentan zur Erfüllung der zu übertragenden Aufgaben deshalb jeweils nur eine Organisation in Frage. Die Übertragung von Aufgaben wird in den Artikeln 54 und 54a geregelt, wobei insbesondere die Anforderungen an die mit Verwaltungsaufgaben zu betrauenden Organisationen und Personen detailliert festgelegt werden.

Absatz 1: Der Bundesrat überträgt bereits heute verschiedene Vollzugsaufgaben an Organisationen des privaten Rechts. Dies soll in jenen Aufgabenbereichen weiterhin direkt via Verordnungsrecht (Abs. 2) möglich sein, in denen zurzeit nur eine Organisation in der Schweiz zur Erfüllung der Aufgabe in Frage kommt: Es handelt sich dabei um die Aufgaben der Nationalen Zuteilungsstelle, der Koordinationsstelle BlutStammzellen und der Lebendspende-Nachsorgestellen. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben ist eine etablierte nationale und internationale Vernetzung sowie ein Vertrauensverhältnis zwischen allen Akteuren von grösster Bedeutung. Dies ermöglicht eine optimale Koordination und Sicherheit, was für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zentral ist. Im Ausland werden diese Aufgaben durch zentrale, meist staatliche oder staatsnahe Organisationen, wahrgenommen, die bei der internationalen Zusammenarbeit auf eingespielte und stabile Partnerschaften zählen. Im Bereich der Organzuteilung ermöglicht die internationale Vernetzung den Austausch von Organen mit dem Ausland. Besonders wichtig ist eine internationale Zusammenarbeit für die Koordinationsstelle Blut-Stammzellen. Nur wenn weltweit nach einer Spenderin oder einem Spender gesucht werden kann, bestehen für Patientinnen und Patienten in der Schweiz gute Chancen, geeignete Blut-Stammzellen für eine Transplantation zu finden. Umgekehrt stehen spendewillige Personen aus der Schweiz auch für Patientinnen und Patienten auf der ganzen Welt zur Verfügung. Auch bei der Nachsorge der Spenderinnen und Spender von Blut-Stammzellen ist eine internationale Zusammenarbeit wichtig, da die Auswertung der medizinischen Daten und die Erarbeitung von Empfehlungen in internationalen Gremien erfolgt. Auch etablierte und sichere Abläufe sind von grösster Bedeutung. Abweichungen davon können
gravierende Folgen haben, zum Beispiel, wenn Fehler bei der Organzuteilung gemacht würden. Zudem könnte ein Wechsel Probleme im Bereich Datenschutz verursachen, insbesondere bei Personendaten, die noch vor Inkrafttreten der Gesetzesbestimmungen zum Lebendspende-Nachsorgeregister (15. November 2017) erhoben wurden und für deren Bearbeitung der Bund nicht über eine genügende gesetzliche Grundlage verfügt. Diese Umstände rechtfertigen es zurzeit, die Übertragung der Aufgaben nicht nach den Vorgaben des revidierten BöB auszuschreiben.

Buchstabe a: Für das Führen der Lebendspende-Nachsorgestellen ist neben dem spezifischen medizinischen Fachwissen in Nephrologie beziehungsweise Hämatologie und der Erfahrung in der Registerführung und im Umgang mit besonders schützenswerten Personendaten die Anerkennung und das Vertrauen unter den internationalen Akteuren für eine gut funktionierende internationale Zusammenarbeit nötig.

Mit der Führung der Lebendspende-Nachsorgestelle für Organspenderinnen und spender ist seit dem 15. November 2017 die Stiftung zur Nachbetreuung von OrganLebendspendern betraut (Art. 12c Abs. 1 Bst. a der Transplantationsverordnung). Sie nimmt diese Aufgabe jedoch bereits seit 1993 wahr und verfügt zurzeit als einzige Organisation über das dafür nötige Fachwissen und die Vernetzung. Die Blutspende 84 / 110

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SRK Schweiz AG erfüllt diese Aufgabe heute im Bereich der Blut-Stammzellen (Art. 12c Abs. 1 Bst. b der Transplantationsverordnung). Einzig diese beide Stellen verfügen aktuell über die dafür nötigen Voraussetzungen.

Buchstabe b: Für das Erfüllen der Aufgaben der Nationalen Zuteilungsstelle ist neben der Fachexpertise über das Führen einer Warteliste und der Organzuteilung sowie das Fachwissen im Bereich der Transplantationsmedizin die Anerkennung und das Vertrauen unter den internationalen Akteuren für eine gut funktionierende internationale Zusammenarbeit von grösster Bedeutung. Mit den Aufgaben der Nationalen Zuteilungsstelle wurde mit Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes am 1. Juli 2007 die Stiftung für Organspende und Transplantation (Swisstransplant) beauftragt (Art. 38 Abs. 1 der Organzuteilungsverordnung), die sich schon seit 1985 um die nationale Koordination und die internationale Zusammenarbeit im Bereich Transplantation kümmert. In ihrem Stiftungsrat sind wichtige Akteure der Transplantationsmedizin in der Schweiz vertreten. Swisstransplant ist international äusserst gut vernetzt, wovon die Transplantationsmedizin in der Schweiz sehr profitiert (vgl. die Erläuterungen zu Abs. 1). Keine andere Organisation in der Schweiz verfügt zurzeit über die Fachexpertise und die Vernetzung, die es für die Erfüllung der Aufgaben der Nationalen Zuteilungsstelle nach Artikel 19 Absatz 2 und für die Durchführung des Überkreuz-Lebendspende-Programms nach Artikel 23f Absatz 3 braucht.

Buchstabe c: Für die Führung der Koordinationsstelle Blut-Stammzellen ist neben der Fachexpertise in der Führung eines Blut-Stammzellenregisters und dem medizinischen Fachwissen in Hämatologie und Transplantationsmedizin die Einbindung in das internationale Netz der Blut-Stammzellenregister unabdingbar (vgl. die Erläuterungen zu Abs. 1). Die Blutspende SRK Schweiz AG ist seit Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes mit der Führung des Blut-Stammzellenregisters betraut (Art. 50 Abs. 1 der Transplantationsverordnung), führt dieses jedoch schon seit 1988. Die Blutspende SRK AG ist von der WMDA akkreditiert und erfüllt zurzeit als einzige Institution in der Schweiz die Voraussetzungen, die es für die Führung eines Blut-Stammzellenregisters braucht.

Buchstabe d: Als Vigilanzstellen kommen nur Institutionen infrage,
die im jeweiligen Bereich über ein ausgezeichnetes Fachwissen verfügen, die national und international anerkannt und bestens vernetzt sind und darüber hinaus Erfahrung im Qualitätsmanagement haben. Geeignet sein dürften also jene Institutionen, welche bereits heute vom Bundesrat übertragene Vollzugsaufgaben in den Bereichen Organe, Gewebe und Zellen sowie Blut-Stammzellen übernehmen.

Absatz 2: Der Bundesrat bezeichnet in der Verordnung die Organisationen, die eine Aufgabe nach Absatz 1 Buchstaben a­d wahrnehmen. Es gelten die in Artikel 54a festgelegten Voraussetzungen. In Analogie zum öffentlichen Beschaffungswesen (Art. 25 Abs. 3 BöB) kann er die Dauer der einzelnen Übertragungen festlegen, um gegenüber den bezeichneten Organisationen transparent aufzuzeigen, dass sie sich einem allfälligen Wettbewerb in Zukunft (wie in Abs. 3 beschrieben) stellen müssten.

Absatz 3: Es ist denkbar, dass in den kommenden Jahren auch andere Organisationen oder Personen die nötigen Kompetenzen und Netzwerke erarbeiten, um die Aufgaben nach Absatz 1 in der geforderten Qualität zu erfüllen. Der Bundesrat wird entsprechend den Markt regelmässig überprüfen und die Entwicklung bei der Aufgabenüber85 / 110

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tragung berücksichtigen. Wenn mehrere mögliche Anbieter für die Erfüllung einer Aufgabe zur Auswahl stehen, so wird er anstatt einer Übertragung der Aufgabe in der Verordnung eine Ausschreibung nach dem BöB durchführen. Die in Artikel 54a festgelegten Voraussetzungen sind anwendbar.

Absatz 4: Die Aufgabenübertragung zur Führung des Organ- und Gewebespenderegisters wurde mit der Änderung des Transplantationsgesetzes vom 1. Oktober 2021110 eingeführt. Der in diesem Zuge verabschiedete Artikel 54 Absatz 2bis wird nun aufgeteilt und aus Gründen der Konsistenz in diesem Absatz und in Artikel 54a Absatz 2 geregelt.

Absatz 5: In gewissen Fällen muss bei einer Lebendspende die Invalidenversicherung für die Nachsorge einer spendenden Person aufkommen. In solchen Fällen wird die AHV-Nummer der empfangenden Person benötigt, damit die gemeinsame Einrichtung die Pauschale für die Nachsorge bei der Invalidenversicherung einfordern kann.

Damit die AHV-Nummern in den Lebendspende-Nachsorgeregistern gespeichert und der gemeinsamen Einrichtung zur Verfügung gestellt werden können, braucht es diese gesetzliche Grundlage. Für die Verwendung der AHV-Nummer müssen die Organisationen und Personen die technischen und organisatorischen Massnahmen nach Artikel 153d des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946111 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) treffen. Diese Verpflichtung wird auch in den Verträgen mit den Organisationen und Personen festgehalten werden. Die systematische Verwendung der AHV-Nummer im Zusammenhang mit dem Organ- und Gewebespenderegister wurde mit der Änderung vom 1. Oktober 2021 des Transplantationsgesetzes in Artikel 54 Absatz 2ter eingeführt und wird nun ebenso aus Gründen der Konsistenz in diesen Absatz integriert.

Absätze 6 und 7: Für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben werden die Stellen abgegolten. Die übertragenen Aufgaben und die Abgeltung werden in einem Leistungsauftrag geregelt. Die Abgeltung kann auch pauschal erfolgen. Der Bundesrat regelt die Aufsicht.

Die Pflichten der Leistungserbringer im Bereich des effizienten Einsatzes der Mittel, der Rechnungsführung und der Berichterstattung richten sich wie bisher nach den Vorgaben des Subventionsgesetzes.

Art. 54a

Voraussetzungen für die Aufgabenübertragung

Absatz 1: Die Organisationen und Personen, denen Vollzugsaufgaben übertragen werden, benötigen für diese Aufgabe sehr spezifische Kompetenzen, über welche zurzeit nur die bereits bisher mit den Aufgaben betrauten Organisationen verfügen. Vergleiche dazu auch die Erläuterungen zu Artikel 54.

Äusserst wichtig ist eine gesamtschweizerische koordinierte Umsetzung der Aufgabe, die den Sprachregionen wie auch kantonsübergreifenden Spende-Netzwerken gerecht werden (Bst. a).

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Buchstabe b: Unabdingbar sind ausreichende Kapazitäten: Im Bereich der Organe beispielsweise ist für die Zuteilung und die Vigilanz eine ständige Verfügbarkeit «24/7» notwendig. Alle Stellen benötigen fundiertes Fachwissen im Bereich der Transplantationsmedizin (Ziff. 1). Zusätzlich braucht es noch aufgabenspezifisches medizinisches Fachwissen: Die Lebendspende-Nachsorgestellen beispielsweise können dank spezifischem medizinischem Fachwissen in Nephrologie beziehungsweise Hämatologie sowie langjähriger Erfahrung und umfangreichem Datenmaterial die Risiken der Lebendspende einschätzen und Empfehlungen aussprechen. Auch müssen die Organisationen über Erfahrung im Umgang mit besonders schützenswerten Personendaten verfügen, da in allen Aufgabenbereichen sensible Gesundheitsdaten bearbeitet werden (Ziff. 2). Für die Erfüllung der Aufgabe als Vigilanzstelle beispielsweise sind zusätzlich zum Fachwissen und der internationalen Vernetzung Erfahrung und Kompetenzen im Bereich Qualitäts- und Prozessmanagement nötig (Ziff. 3).

Eine etablierte nationale und internationale Vernetzung (Bst. c) und die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen (Bst. d) sind von grösster Bedeutung; es wird diesbezüglich auf die Erläuterungen zu Artikel 54a Absatz 1 verwiesen.

Absatz 2: In Buchstabe a wird die Voraussetzung für die Aufgabenübertragung aus Artikel 54 Absatz 2bis, der mit der Änderung des Transplantationsgesetzes vom 1. Oktober 2021 verabschiedet wurde, übernommen. Zusätzlich wird festgehalten, dass die Organisation, welche das Organ- und Gewebespenderegister führt, auch über Erfahrung und Kompetenz in der datenschutzkonformen Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten (Bst. b) und im Qualitätsmanagement (Bst. c) verfügen muss. Diese Anforderungen werden gestellt, da diese auch für alle anderen Organisationen und Personen gelten, die eine Vollzugsaufgabe wahrnehmen (vgl. Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 und 3). Damit wird letztlich auch dem Aspekt der Rechtsgleichheit Rechnung getragen.

Art. 56 Abs. 2 Bst. c Im Spendeprozess gelten einerseits hohe Anforderungen an die Qualität und Sicherheit bei der Entnahme, andererseits muss auf einen würdevollen Umgang mit der spendenden Person und mit den Angehörigen geachtet werden. Die Kantone sollen mit dem neuen Buchstaben c in Absatz 2 dafür sorgen, dass dem Personal in
Spitälern und Transplantationszentren, entsprechende Richtlinien und Empfehlungen zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich beispielsweise um den Swiss Donation Pathway112, der vom Comité National du Don d'Organes der Stiftung Swisstransplant zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin erarbeitet wurde, oder um die entsprechenden Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften im Bereich der Transplantation113.

112

www.swisstransplant.org > Fachpersonen > Ausbildung > Swiss Donation Pathway (Stand: 20.6.2022).

113 Richtlinien «Feststellung des Todes im Hinblick auf Organtransplantationen und Vorbereitung der Organentnahme (2017)» und «Lebendspende von soliden Organen (2008)» ­ Letztere ist zurzeit in Revision. Abrufbar unter: www.samw.ch > Richtlinien (Stand: 20.6.2022).

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Art. 58a

Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten

Der neu geschaffene Artikel 58a regelt einen Spezialfall von Artikel 58 des geltenden Transplantationsgesetzes. Obwohl Personendaten und insbesondere auch besonders schützenswerte Personendaten als vertrauliche Daten im Sinne von Artikel 58 des Transplantationsgesetzes gelten, ist für deren Bearbeitung eine Konkretisierung in einer eigenen Norm vorzunehmen.

Absätze 1 und 2: Diverse mit dem Vollzug des Gesetzes betraute Behörden sowie mit Vollzugsaufgaben beauftragte Dritte bearbeiten in Erfüllung ihrer Aufgaben verschiedene die Gesundheit betreffende Personendaten. Die rechtliche Grundlage der hierfür notwendigen Datenbanken zur Bearbeitung der besonders schützenswerten Personendaten wird transparent in spezifischen Artikeln geregelt (Art. 15d: LebendspendeNachsorgeregister; Art. 23a­23d: SOAS; Art. 23l: System für die Organzuteilung bei der Überkreuzlebendspende; Art. 23o: Blut-Stammzellenregister sowie Art. 36b­36e: Meldesystem für die Vigilanz). Im Rahmen ihrer Arbeit bearbeiten die involvierten Stellen sowie die Vollzugsstellen von Bund und Kantonen jedoch auch ausserhalb dieser Systeme besonders schützenswerte Personendaten. Ein Beispiel ist die Bekanntgabe von besonders schützenswerten Personendaten an Behörden im Rahmen von klinischen Versuchen: Obwohl die Behörden hauptsächlich mit anonymisierten Daten der Versuchspersonen befasst sind, können eingehende Meldungen oder bei Inspektionen erhobene Informationen die Gesundheit der Versuchspersonen betreffende Daten enthalten.

Absatz 3: Diese Bestimmung erlaubt es Bund und Kantonen, die Daten in den Datenbanken nach diesem Gesetz für Aufsichtszwecke nach diesem Gesetz und zu statistischen Zwecken zu bearbeiten. Durch eine zentrale Regelung dieser beiden Aspekte in Artikel 58a müssen diese Formen der Datenbearbeitung nicht datenbankspezifisch geregelt werden.

Absatz 4 schreibt vor, dass Daten anonymisiert werden müssen, sobald anonymisierte Daten für die Erfüllung der Aufgabe ausreichen.

Art. 59 Sachüberschrift sowie Abs. 2 Bst. a, 2bis und 2ter Die Sachüberschrift wird dahingehend präzisiert, dass es sich hierbei um Grundsätze handelt, die zusätzlich zu den spezifischen Regelungen bei den verschiedenen Datenbanken in den Artikeln 15d, 23d, 23l und 23o gelten.

Absatz 2bis ersetzt den bisherigen Absatz 2 Buchstabe a. Damit die verschiedenen
Vollzugsstellen effizient zusammenarbeiten können, sind sie auf den Austausch von Daten angewiesen. Dabei kann es sich auch um besonders schützenswerte Daten über die Gesundheit handeln. Zudem wird explizit festgehalten, dass auch Daten aus den Datenbanken nach diesem Gesetz bekanntgegeben werden dürfen (Art. 59 Abs. 4 ist in solchen Fällen nicht anwendbar). Dies kann beispielsweise bei einem Vigilanzfall von grosser Bedeutung sein, wenn eine Person sowohl Organe als auch Gewebe gespendet hat. Die verschiedenen Vigilanzstellen müssen sich gegenseitig die nötigen Daten zur Verfügung stellen können, was im Einklang mit der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben steht. Eine Bekanntgabe von Daten ist in gewissen Fällen auch zwischen Vigilanzstellen und Lebendspende-Nachsorgestellen oder der Koordinationsstelle Blut-Stammzellen möglich. Falls eine Vigilanzstelle zur Beurteilung eines 88 / 110

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Falles weitere Daten von einer Lebendspende-Nachsorgestelle oder von der Koordinationsstelle Blut-Stammzellen benötigt, so können ihr diese Stellen die notwendigen Daten gestützt auf Absatz 2bis bekanntgeben. Die Bestimmung ermöglicht zudem, dass eine Vigilanzstelle Daten registerführenden Stellen sowie der Nationalen Zuteilungsstelle bekanntgibt. So erfährt zum Beispiel eine Nachsorgestelle, dass eine bei ihr registrierte Spenderin von einer schwerwiegenden Infektion betroffen ist. Dank dieser Information kann die Nachsorgestelle die Spenderin bei künftigen NachsorgeUntersuchungen auf dieselbe oder ähnliche Infektionen hin untersuchen.

Absatz 2ter ermöglicht den Transplantationszentren im Bereich der Organ-Lebendspende bei einem Verdacht auf einen missbräuchlichen Umgang mit Organen, Geweben oder Zellen andere Zentren darüber zu informieren. Dadurch sollen die anderen Zentren frühzeitig gewarnt und potenziell missbräuchliche Handlungen möglichst früh erkannt und verhindert werden können.

Vorbemerkung zu Art. 59a und Art. 59b In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass auf wissenschaftlicher Seite ein wachsendes Bedürfnis besteht, gesundheitsbezogene Personendaten im Kontext des Transplantationswesens für Forschungszwecke und Qualitätssicherungszwecke verwenden zu können. Gleichzeitig forderten in der Vernehmlassung diverse Stellungnahmen eine klarere Regulierung der Datenbekanntgabe im Bereich der Forschung. Bereits das geltende Recht sieht in Artikel 34m der Organzuteilungsverordnung die Bekanntgabe von Personendaten spezifisch aus dem SOAS zu Forschungszwecken vor. Neu werden in zwei Bestimmungen in allgemeiner Weise die Voraussetzungen für die Bekanntgabe von Daten zum Zweck der Forschung und Qualitätssicherung aus den jeweiligen Registern geregelt: Während Artikel 59a die Bekanntgabe und Nutzung der Daten an sich reguliert, äussert sich Artikel 59b konkret zur Form der Bekanntgabe der Daten.

Der Bereich der Transplantationsmedizin bietet mit Blick auf die Forschung und Qualitätssicherung einige rechtliche Besonderheiten, denen es im Rahmen dieser neuen Bestimmungen Rechnung zu tragen gilt. Bei näherer Betrachtung ergibt sich eine Unterteilung in drei «Kategorien»: erstens Forschung, die unter die Humanforschungsgesetzgebung fällt; zweitens Forschung, die nicht unter die Humanforschungsgesetzgebung
fällt; drittens die Qualitätssicherung. Dabei versteht man unter Forschung im Sinne der Humanforschungsgesetzgebung zunächst die methodengeleitete Suche nach verallgemeinerbaren Erkenntnissen (Art. 3 Bst. a HFG). Diese Umschreibung soll vorliegend analog auch auf jene Forschung angewendet werden, die nicht vom Geltungsbereich des Humanforschungsgesetzes erfasst wird. Im Transplantationswesen von grosser Bedeutung ist die sogenannte Allokationsforschung (Zuteilungsforschung), die zwar nicht vom Geltungsbereich der Humanforschungsgesetzgebung erfasst wird, letztlich jedoch ebenso eine methodengeleitete Suche nach verallgemeinerbaren Erkenntnissen darstellt. Ziel dieser ist es zu erforschen, wie Organe zugeteilt werden (z. B. an welche Personen, nach welchen Kriterien). So kann etwa festgestellt werden, ob Empfängerinnen und Empfänger mit einer bestimmten Blutgruppe bei der Zuteilung benachteiligt werden. Die Allokationsforschung ist somit ein zentraler Faktor, um den Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit breit angelegt untersuchen und gestützt darauf gegebenenfalls Massnahmen ergreifen zu können, was letztlich dem 89 / 110

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Wohle der Patientinnen und Patienten dient. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Daten aus den entsprechenden Registern unerlässlich, da diese nicht aus anderen Quellen zur Verfügung stehen. Abgesehen davon kann es auch für weitere Vorhaben, welche der Qualitätssicherung im Transplantationswesen dienen, notwendig sein, Daten aus den jeweiligen Registern nutzen zu können. Unter Qualitätssicherung wird einerseits die Evaluation nach Artikel 55 verstanden, in deren Rahmen das BAG beispielsweise die Praxis der Zuteilungen und die Qualität der Transplantationen prüfen kann. Dies insbesondere im Hinblick auf die Optimierung der gesetzlichen Grundlagen. Andererseits sollen auch Institutionen die Qualität ihrer Arbeit überprüfen und gegebenenfalls optimieren können. Zur Abgrenzung zwischen bewilligungspflichtiger Forschung nach dem Humanforschungsgesetz und der Qualitätssicherung sei auf das Dokument «Qualitätssicherung oder bewilligungspflichtige Forschung?» von Swissethics114 verwiesen.

Art. 59a

Bekanntgabe und Nutzung von Daten zum Zweck der Forschung und Qualitätssicherung

Absatz 1: Dritten können auf Gesuch hin Daten für Forschungszwecke und Qualitätssicherungszwecke zur Verfügung gestellt werden. Während die Lebendspende-Nachsorgestellen einzig Daten aus den Lebendspende-Nachsorgeregistern und die Koordinationsstelle Blut-Stammzellen einzig Daten aus dem Blut-Stammzellenregister bekanntgeben dürfen, kann das BAG Daten aus vier verschiedenen Datenbanken bekanntgeben (SOAS, System für die Organzuteilung bei der Überkreuz-Lebendspende, Meldesystem für die Vigilanz sowie Organ- und Gewebespenderegister). Es können immer nur solche Daten aus den entsprechenden Registern bekanntgegeben werden, die für das jeweilige Forschungs- oder Qualitätssicherungsprojekt unbedingt erforderlich sind. Dritte haben dies in ihrem Gesuch entsprechend zu begründen. So kann sichergestellt werden, dass nicht Daten auf Vorrat aus den Registern abfliessen.

Absatz 2 delegiert die Kompetenz zur Regelung der Modalitäten der Gesuchstellung an den Bundesrat.

Absatz 3 gibt dem Bundesrat schliesslich die Kompetenz, Vorgaben zur Bearbeitung der bekanntgegebenen Daten zu erlassen, um den Schutz der Persönlichkeit der betroffenen Personen zu gewährleisten. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn Daten in nicht anonymisierter Form nach Artikel 59b Absatz 4 bekanntgegeben werden.

Absatz 4 gibt den in Absatz 1 genannten Stellen sowie der Nationalen Zuteilungsstelle die Möglichkeit, Daten aus den von ihnen genutzten Registern selbst für Forschungszwecke oder zu Qualitätssicherungszwecken zu bearbeiten. Im Falle von Forschung, die unter die Humanforschungsgesetzgebung fällt, sind auch hier deren Bestimmungen anwendbar. Auch eine Verknüpfung der Registerdaten mit Daten von Dritten ist möglich. Für die Nationale Zuteilungsstelle steht insbesondere die Allokationsforschung im Vordergrund, die darauf abzielt, die Zuteilungsgerechtigkeit zu untersuchen, um daraus allfällige Verbesserungen der Zuteilungsregeln abzuleiten.

114

Leitfaden «Qualitätssicherung oder bewilligungspflichtige Forschung?» Swissethics, 2020. Abrufbar unter www:swissethics.ch > Themen > Positionspapiere (Stand: 20.6.2022).

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Art. 59b

Form der Bekanntgabe von Daten zum Zweck der Forschung und Qualitätssicherung

Absatz 1 hält den Grundsatz fest, dass die in Artikel 59a Absatz 1 genannten Stellen Daten in anonymisierter Form bekanntgeben.

Absatz 2 sieht eine Abweichung von den Bestimmungen des Humanforschungsgesetzes vor. Gemäss dessen Artikel 32 Absatz 3 dürften die in Artikel 59a Absatz 1 genannten Stellen genetische Daten lediglich dann anonymisieren, wenn die betroffene Person beziehungsweise die gesetzliche Vertretung oder die nächsten Angehörigen vorgängig informiert worden sind und der Anonymisierung nicht widersprochen haben. Diese Bestimmung erweist sich vorliegend als wenig zwecktauglich: Die genannten Stellen sollen genetische Daten anonymisieren (und letztlich bekanntgeben) dürfen, ohne dass die Voraussetzungen von Artikel 32 Absatz 3 Humanforschungsgesetz erfüllt sein müssen. Der Ausschluss dieser Bestimmung im Rahmen der Transplantationsgesetzgebung rechtfertigt sich dadurch, dass sich in den Registern teilweise auch HLA-Daten befinden, die als genetische Daten gelten. Da die genannten Stellen ohnehin bereits über die entsprechenden Daten verfügen und die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller in diesem Fall nur anonymisierte Daten erhält, bestehen keine besonderen Risiken für die betroffenen Personen. Der Bundesrat kann auch in diesem Zusammenhang gestützt auf Artikel 59a Absatz 3 Vorgaben zur Bearbeitung der bekanntgegebenen Daten erlassen, um den Schutz der Persönlichkeit der betroffenen Personen zu gewährleisten.

Absatz 3 regelt die im vorliegenden Kontext praktisch bedeutsamste Konstellation, nach welcher Daten für einen Forschungszweck nach dem Humanforschungsgesetz in nicht anonymisierter Form bekanntgegeben werden sollen. Das Transplantationsgesetz stellt hier keine eigenen Regeln auf, sondern verweist auf das Humanforschungsgesetz. Nach den Vorgaben des Humanforschungsgesetzes ist eine Bekanntgabe von Daten zu Forschungszwecken je nach Konstellation entweder mit Einwilligung der betroffenen Personen oder mit einer Bewilligung der zuständigen Ethikkommission möglich. Damit die in Artikel 59a Absatz 1 genannten Stellen Daten in nicht anonymisierter Form aus den jeweiligen Registern bekanntgeben dürfen, hat sich die Bewilligung der zuständigen Ethikkommission insbesondere detailliert über die begehrten Daten sowie die zur Bekanntgabe berechtigte Stelle zu äussern.

Absatz 4 sieht
schliesslich die Möglichkeit vor, Daten für übrige Forschungszwecke (namentlich im Bereich der Organzuteilung) und zur Qualitätssicherung in nicht anonymisierter Form bekanntzugeben. Zunächst ist es denkbar, dass die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller nachweist, dass die betroffene Person in die Bekanntgabe der sie betreffenden Daten in nicht anonymisierter Form eingewilligt hat (Bst. a). Abgesehen von dieser Konstellation versteht sich eine nicht anonymisierte Datenbekanntgabe als Ausnahmeregelung, die restriktiven Voraussetzungen unterliegt, welche Artikel 34 des Humanforschungsgesetzes nachempfunden wurde: Es muss für die Gesuchstellerin oder den Gesuchsteller zunächst unmöglich oder unverhältnismässig schwierig sein, eine Einwilligung einzuholen (unmöglich ist das Einholen einer Einwilligung dann, wenn die betroffene Person bereits verstorben ist, was im Kontext der Organspende bezüglich spendender Person, ausgenommen die Lebendspende, naturgemäss der Fall ist). Darüber hinaus darf keine dokumentierte Ablehnung der betroffenen Person vorliegen. Zuletzt hat die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller 91 / 110

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auch nachzuweisen, dass das Interesse der Forschung oder Qualitätssicherung gegenüber dem Interesse der betroffenen Person, über die Bekanntgabe ihrer Daten zu bestimmen, überwiegt (Bst. b).

Art. 62

Aufgehoben

Der 5. Abschnitt (Stammzellenregister) des 5. Kapitels und Artikel 62 werden gelöscht. Die gesetzliche Grundlage für das Blut-Stammzellenregister wird angepasst und im neuen 4c. Abschnitt unter dem 2. Kapitel (Menschliche Organe, Gewebe und Zellen) eingegliedert.

Art. 63­65 Die Artikel 63­65 legen die Kontroll- und Massnahmenmöglichkeiten der Vollzugsbehörden fest. Neben einer sprachlichen Überarbeitung wird das BAG durch «zuständige Bundesbehörden» ersetzt, da die Swissmedic neu Vollzugsaufgaben im Bereich klinische Versuche wahrnimmt (vgl. Ausführungen zu den Artikeln des 4. Kapitels).

Neu muss nicht nur Einblick in die Unterlagen, sondern auch in die Daten gewährt werden (Art. 64 Bst. c). Mit dieser Ergänzung wird klarer zum Ausdruck gebracht, dass auch alle elektronischen Daten eingesehen werden können, auch wenn es sich dabei um besonders schützenswerte Personendaten handelt. Der bisherige Artikel 65 Absatz 3 wird teilweise in Absatz 2 Buchstabe b integriert.

In Artikel 63 Absatz 3 und in Artikel 65 Absatz 4 wird der Begriff «Zollorgane» durch «Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)» ersetzt. Per 1. Januar 2022 wurde die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) in Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) umbenannt. Der Bundesrat hat zudem an seiner Sitzung vom 24. August 2022115 die Botschaft zur Totalrevision des Zollgesetzes und zur Schaffung eines neuen Rahmengesetzes verabschiedet.

Art. 69 und 70 Mit einer Ergänzung im Einleitungssatz von Artikel 69 Absatz 1 wird klargestellt, dass eine Straftat, die das Heilmittelgesetz als Verbrechen oder Vergehen strafbewehrt, nicht zusätzlich nach Artikel 69 bestraft werden soll. Der mit der vorliegenden Revision angepasste Einleitungssatz soll jenem der Änderung vom 1. Oktober 2021116 des Transplantationsgesetzes vorgehen (dieser sieht keinen Verweis auf das Heilmittelgesetz vor). Die Strafbestimmungen in Artikel 69 Absatz 1 Buchstaben c, cbis und f werden entsprechend der Verbotsnorm in den Artikeln 7 Absatz 1 Buchstabe b und 7a dahingehend ergänzt, dass auch der unzulässige Umgang mit Organen, Geweben und Zellen zwecks Herstellung von Transplantatprodukten erfasst wird (vgl. die Ausführungen zu den Artikeln 7 und 7a). Mit der Änderung vom 1. Oktober 2021 des Transplantationsgesetzes wird der Buchstabe cbis um den Begriff «Widerspruch»
ergänzt und die Artikel, auf die verwiesen wird, werden angepasst. Der im Zuge dieser Änderung verabschiedete Buchstabe cter wird aus Gründen der Konsistenz in Buchstabe cbis 115 116

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integriert. Buchstabe i wird umformuliert: Es ist einfacher und verständlicher, wenn zum einen die Durchführung von klinischen Versuchen ohne Bewilligung und zum andern die Nichteinhaltung der Bewilligung unter Strafe gestellt werden und dadurch die Gesundheit von Menschen gefährdet wird. Zudem wird der Verweis auf die Artikel zu den klinischen Versuchen angepasst. Die Buchstaben j, l und m werden an den geänderten Wortlaut von Artikel 37 angepasst.

Buchstabe mbis stellt neu die unzulässige Gewinnung und Verwendung von Stammzellen aus einem zu Transplantationszwecken erzeugten Embryo unter Strafe (vgl. die Ausführungen zu Art. 37 Abs. 2 Bst. d).

Seit 1. Januar 2018 beträgt nach Artikel 34 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs117 die Geldstrafe mindestens 3 und höchstens 180 Tagessätze. Davor betrug die Geldstrafe höchstens 360 Tagessätze. Aus diesem Grund kann nun in Absatz 3 auf die Nennung der Anzahl Tagessätze («bis zu 180 Tagessätzen») verzichtet werden.

In Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe d werden die neu eingeführten Meldepflichten ergänzt, wie zum Beispiel jene für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (Art. 36).

Der neue Buchstabe ebis stellt eine Widerhandlung gegen eine Vorschrift im 4b. Abschnitt zur Überkreuz-Lebendspende unter Strafe. Buchstabe f wird aufgrund der neu eingeführten Bewilligungspflichten in den Artikeln 38a, 38b und 49a ergänzt.

Art. 74a

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Bis vor einigen Jahren wurden im SOAS und im Blut-Stammzellenregister Angaben zur Ethnie erhoben. Damit konnte die Suche nach einer passenden Spenderin oder einem passenden Spender effizienter durchgeführt werden. Da die Daten nach Artikel 35 Absatz 1 während mindestens 30 Jahren aufbewahrt werden müssen, werden die Systeme noch während einigen Jahren nach dem Inkrafttreten Angaben zur Ethnie enthalten, obwohl diese nicht mehr erhoben werden. Nach der Aufbewahrungsfrist werden die Daten nach den Regeln des Archivierungsgesetzes vom 26. Juni 1998118 archiviert. In den archivierten Datensätzen werden die Angaben zur Ethnie auch nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist noch enthalten sein.

5.2

Änderung anderer Erlasse

5.2.1

Schengen-Informationsaustausch-Gesetz

Das Schengen-Informationsaustausch-Gesetz vom 12. Juni 2009119 (SIaG) verweist in Anhang 1 Ziffer 30 (Illegaler Handel mit Organen und menschlichem Gewebe) auf die Vergehen nach dem Transplantationsgesetz (Art. 69 Abs. 1 und 2). Neu soll zusätzlich ein Verweis auf Artikel 69 Absatz 4 des Transplantationsgesetzes, der seit dem 1. Februar 2021 gewisse Ausland-Straftaten regelt, aufgenommen werden.

Diese Bestimmung wie auch das SIaG verfolgen dasselbe Ziel: Gewisse schwere Straftaten sollen unabhängig vom Ort, wo sie begangen wurden, verfolgt werden.

117 118 119

SR 311.0 SR 152.1 SR 362.2

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Wegen der Anpassung der Sachüberschrift von Artikel 69 des Transplantationsgesetzes per 1. Februar 2021 müssen in Anhang 1 Ziffer 30 des SIaG nebst Vergehen auch Verbrechen nach dem Transplantationsgesetz aufgeführt werden.

5.2.2

Fortpflanzungsmedizingesetz

Art. 16 Abs. 4 Das Fortpflanzungsmedizingesetz wird dahingehend präzisiert, dass neben einer Verwendung von überzähligen Embryonen nach dem Stammzellenforschungsgesetz auch eine Verwendung nach dem Transplantationsgesetz möglich ist. Das Transplantationsgesetz sieht die Möglichkeit einer Verwendung zwar schon seit dem Inkrafttreten vor, dies ist aber bisher nicht entsprechend im Fortpflanzungsmedizingesetz abgebildet.

5.2.3

Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen

Art. 2 Abs. 2 Einleitungssatz und Bst. a Die vorliegende Anpassung betrifft keine materielle Änderung, sondern dient einzig der Klarstellung mit Bezug auf eine Frage, die sich im Zuge der Ausarbeitung des Verordnungsrechts zum GUMG ergeben hat.

Wie der Einleitungssatz von Artikel 2 Absatz 2 GUMG festhält, gelten bei genetischen Untersuchungen zur Typisierung von Blutgruppen oder Blut- oder Gewebemerkmalen, die im Zusammenhang mit Bluttransfusionen und der Transplantation von Organen, Geweben und Zellen durchgeführt werden, nicht alle Bestimmungen des GUMG, die üblicherweise auf genetische Untersuchungen im medizinischen Bereich anwendbar sind. Zwar gelten die allgemeinen Vorgaben, beispielsweise in den Bereichen Zustimmung, Aufklärung, Datenschutz und bei der Mitteilung von Überschussinformationen (Art. 3­12, 27 und 33 GUMG), sowie die einschlägigen Strafnormen (Art. 56­58 GUMG), nicht aber die spezifischen Vorgaben, insbesondere betreffend die Berechtigung zur Veranlassung oder die Bewilligungspflicht der betroffenen Laboratorien. Die genannten typisierungsrelevanten Untersuchungen betreffen in der Regel keine Erbkrankheiten, weshalb auf die Anwendung der spezifischen Vorgaben des GUMG zur Veranlassung und zur Bewilligungspflicht verzichtet werden kann. Zudem ist die Typisierung Teil der Transplantationsmedizin, die im Transplantationsgesetz hinreichend geregelt ist. Nicht zuletzt deshalb hält das GUMG darüber hinaus fest, dass in Fällen, in denen keine Überschussinformationen auftreten, der Bundesrat die Typisierungsuntersuchungen vom Geltungsbereich des GUMG ausnehmen kann (Bst. a). Hingegen ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 2 Absatz 2 nicht, dass diejenigen Normen des GUMG, die sich ausdrücklich auf typisierungsrelevante Untersuchungen beziehen, selbstverständlich in jedem einschlägigen Fall anwendbar sein müssen (Art. 16 Abs. 2 Bst. b GUMG betreffend die Zulässigkeit der Durchführung derartiger Untersuchungen an urteilsunfähigen Personen; Art. 17 Abs. 1 Bst. b und c, Abs. 2 Bst. b sowie Abs. 3 GUMG betreffend die Zulässigkeit 94 / 110

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der Durchführung derartiger Untersuchungen im Rahmen pränataler Untersuchungen sowie die Einschränkung der Mitteilung entsprechender Resultate). Mit der vorliegenden Anpassung wird die Anwendbarkeit dieser Vorgaben der Klarheit halber neu ausdrücklich festgehalten.

Art. 16 Abs. 2 Bst. b Insbesondere im Vorfeld einer Transplantation von Blut-Stammzellen aus Nabelschnurblut werden an der Nabelschnurbluteinheit genetische Untersuchungen vorgenommen, um die Übertragung einer erblichen Erkrankung auf die Empfängerin oder den Empfänger zu verhindern. In der Praxis betrifft dies insbesondere die Abklärung auf eine Hämoglobinopathie (z. B. Sichelzellanämie, Thalassämie). Im Anschluss an die Transplantation von Blut-Stammzellen wird zudem eine sogenannte Chimärismusbestimmung vorgenommen. Hierfür wird vor der Transplantation eine Art genetischer Fingerabdruck sowohl der Empfängerin oder des Empfängers als auch der Spenderin oder des Spenders erstellt. Anhand dieses genetischen Fingerabdrucks kann ermittelt werden, ob die Übertragung der gespendeten Zellen erfolgreich war.

Diese genetischen Untersuchungen an der Nabelschnurbluteinheit betreffen das Erbgut einer urteilsunfähigen Person (Spenderkind). Sie erfolgen weder zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Person (vgl. Art. 16 Abs. 1 GUMG), noch können sie einer der Ausnahmeregeln (vgl. Art. 16 Abs. 2 GUMG) zugeordnet werden. Der Wortlaut von Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe b GUMG soll deshalb entsprechend angepasst werden. Ziel ist es, dass alle notwendigen genetischen Abklärungen ermöglicht werden, die im Zusammenhang mit einer nach dem Transplantationsgesetz und dem Heilmittelgesetz zulässigen Transplantation oder Transfusion erforderlich sind.

Art. 22 Abs. 4 Die angepasste Formulierung trägt der Tatsache Rechnung, dass auch gleichgeschlechtliche Paare pränatale Untersuchungen in Anspruch nehmen. Seit dem 1. Juli 2022 steht die Ehe gleichgeschlechtlichen Paaren offen, weshalb an dieser Stelle auch die Ehefrau der schwangeren Frau Erwähnung finden muss.

5.2.4

Humanforschungsgesetz

Art. 36 Abs. 2­3quater Artikel 36 des Humanforschungsgesetzes regelt die Einwilligung für die Forschung an verstorbenen Personen. Im Fall, dass keine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung der verstorbenen Person vorliegt, richtet sich die Einwilligung der nächsten Angehörigen oder einer zu Lebzeiten bezeichneten Vertrauensperson nach Artikel 8 des Transplantationsgesetzes (Art. 36 Abs. 3 HFG). Im referenzierten Artikel 8 des Transplantationsgesetzes wird in der geltenden Fassung u. a. die Zustimmung dieser Personen für die Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen gesetzlich verankert (sog. erweiterte Zustimmungslösung). Diese Zustimmungslösung wird im Transplantationsbereich jedoch durch die Widerspruchslösung ersetzt, wie sie am

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1. Oktober 2021120 vom Parlament verabschiedet und am 15. Mai 2022121 vom Stimmvolk angenommen wurde. Aufgrund eines gesetzgeberischen Versehens ging dabei vergessen, auch Artikel 36 des Humanforschungsgesetzes anzupassen, wo weiterhin eine Einwilligung erforderlich bleibt für die Forschung an verstorbenen Personen. Dies soll mit der vorliegenden Änderung nachgeholt werden, indem der Inhalt der aktuell noch geltenden Regelung nach Artikel 8 des Transplantationsgesetzes in Artikel 36 des Humanforschungsgesetzes neu ausdrücklich festgeschrieben wird. Mit anderen Worten dient die vorliegende Anpassung lediglich dazu, die bestehenden Vorschriften zur Einwilligung im Bereich der Humanforschung fortzuführen, unabhängig vom Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung im Transplantationsbereich: Forschung an verstorbenen Personen darf nach Artikel 36 Absatz 1 des Humanforschungsgesetzes durchgeführt werden, wenn diese vor ihrem Tod in die Verwendung ihres Körpers zu Forschungszwecken eingewilligt haben. Diese Bestimmung bleibt unverändert. Liegt keine dokumentierte Einwilligung oder Ablehnung der verstorbenen Person vor, so sind ihre nächsten Angehörigen anzufragen, ob ihnen eine Erklärung der verstorbenen Person zur Verwendung ihres Körpers zu Forschungszwecken bekannt ist (Abs. 2). Ist den nächsten Angehörigen eine solche Erklärung bekannt, so sind sie gehalten, diese mitzuteilen. Eine solche erklärte, aber nicht dokumentierte Einwilligung oder Ablehnung der verstorbenen Person ist zu beachten (Abs. 3). Ist den nächsten Angehörigen keine solche Erklärung bekannt, so kann der Körper oder können Teile davon zu Forschungszwecken verwendet werden, wenn die nächsten Angehörigen einwilligen. Sie haben bei ihrer Entscheidung den mutmasslichen Willen der verstorbenen Person zu beachten (Abs. 3bis). Somit sind die nächsten Angehörigen also gehalten, in erster Linie einen geäusserten, aber nicht dokumentierten Willen der verstorbenen Person mitzuteilen; ein solcher Wille ist in jedem Fall zu beachten. Erst in zweiter Linie haben sie die Möglichkeit, stellvertretend für die verstorbene Person einer Verwendung zu Forschungszwecken zuzustimmen oder diese abzulehnen; dabei ist der mutmassliche Wille der verstorbenen Person in jedem Fall zu beachten. Mit anderen Worten kommt den nächsten Angehörigen nach der
gesetzlichen Konzeption ein subsidiäres Entscheidungsrecht zu; der Wille der verstorbenen Person hat stets Vorrang vor demjenigen der nächsten Angehörigen.

Sind keine nächsten Angehörigen vorhanden oder erreichbar, so ist die Verwendung des Körpers oder von Teilen davon zu Forschungszwecken unzulässig (Abs. 3ter).

Dies entspricht dem Konzept der erweiterten Zustimmungslösung, die für die Verwendung mindestens eine Zustimmung der Angehörigen voraussetzt.

Die betroffene Person kann zu Lebzeiten aber auch eine Vertrauensperson bezeichnen, der sie die Entscheidung über eine Verwendung ihres Körpers zu Forschungszwecken überträgt. Eine solche Übertragung der Entscheidbefugnis muss allerdings nachweisbar sein. In solchen Fällen tritt die bezeichnete Vertrauensperson für die Vorgänge nach den Absätzen 2­3ter an die Stelle der nächsten Angehörigen (Abs. 3quater).

Diesfalls ist im Sinne von Absatz 3ter die Verwendung des Körpers oder von Teilen

120 121

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davon zu Forschungszwecken unzulässig, wenn weder die bezeichnete Vertrauensperson noch nächste Angehörige vorhanden oder erreichbar sind.

5.2.5

Stammzellenforschungsgesetz

Art. 5 Abs. 3 Seit dem 1. Juli 2022 stehen fortpflanzungsmedizinische Massnahmen auch gleichgeschlechtlichen Ehepaaren offen. Die Formulierung wird entsprechend angepasst.

Art. 7 Abs. 2 Bst. a Die Gewinnung von Stammzellen aus überzähligen Embryonen für klinische Versuche richtet sich nach dem Stammzellenforschungsgesetz, während sich die Verwendung solcher Stammzellen für Transplantationszwecke im Rahmen klinischer Versuche nach dem Transplantationsgesetz (Art. 1 Abs. 3 StFG) und nach dem Humanforschungsgesetz (Art. 49 Abs. 1 des Transplantationsgesetzes) richtet. Der Inhalt des geplanten Forschungsprojekts entscheidet darüber, welche Gesetze zur Anwendung kommen. Das Stammzellenforschungsgesetz erlaubt die Gewinnung embryonaler Stammzellen für ein entsprechendes Forschungsprojekt, sofern unter anderem eine Bewilligung der Ethikkommission für das Forschungsprojekt vorliegt (Art. 7 Abs. 2 Bst. a StFG). Sollen Stammzellen für ein Forschungsprojekt nach dem Transplantationsgesetz (Art. 49a) und dem Humanforschungsgesetz (3. Kapitel, KlinV) verwendet werden, muss das Projekt von der Ethikkommission und der Swissmedic bewilligt werden. Mit der Ergänzung von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a wird die Schnittstelle zwischen dem Transplantationsgesetz und dem Stammzellenforschungsgesetz geschlossen werden.

5.2.6

Epidemiengesetz

Art. 19 Abs. 3 Das Verbot der Übertragung von Dura mater (der äussersten Hirnhaut des Menschen) in Artikel 26 der Epidemienverordnung vom 29. April 2015122 ist aus fachlicher Sicht zwingend notwendig, um das Risiko einer Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf dem Transplantationsweg gänzlich auszuschliessen. Mit der vorliegenden Ergänzung von Artikel 19 Absatz 3 des Epidemiengesetzes soll die hinreichende gesetzliche Grundlage für ein Verbot der Transplantation menschlicher Dura mater geschaffen werden.

122

SR 818.101.1

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6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Vigilanz

Mit der Einführung eines Vigilanzsystems im Bereich Transplantation (2. Kapitel 8. Abschnitt) werden dem Bund neue Aufgaben entstehen. Das BAG beaufsichtigt die Vigilanzstellen, erarbeitet und betreut Leistungsvereinbarungen mit den externen Partnern und koordiniert deren Zusammenarbeit. Für einen einheitlichen Vollzug erarbeitet und aktualisiert das BAG Vollzugshilfen und Wegleitungen. Für die Aufbauphase (2023/24) braucht es 100 000 Franken pro Jahr sowie eine befristete Stelle im BAG; die entsprechenden Mittel sind beantragt bzw. werden intern kompensiert. Für die neuen Aufsichts- und Koordinationsaufgaben nach dem Inkrafttreten braucht es finanzielle Mittel in der Höhe von 100 000 Franken pro Jahr und eine zusätzliche Stelle im BAG. Der Aufbau und Betrieb der Vigilanzstellen (Art. 36a) führen zu einem finanziellen Mehrbedarf von rund 250 000 Franken pro Jahr. Diese Angaben basieren auf den Berechnungen einer Regulierungsfolgenabschätzung (RFA)123. Die Einführung des Vigilanz-Meldesystems (Art. 36b) beim BAG kostet einmalig 450 000 Franken und danach jährlich 110 000 Franken für Wartung und Betrieb. Der finanzielle und personelle Ressourcenbedarf für die Vollzugsarbeiten nach Inkrafttreten der Neuregelung wird im Hinblick auf die Inkraftsetzung nochmals geprüft.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Auswirkungen auf Institutionen wie die Spitäler werden in Ziffer 6.4 beschrieben.

Auf die Kantone und Gemeinden sind keine weiteren Auswirkungen zu erwarten. Die Anpassungen in Artikel 56 bilden die heutige Praxis ab und ergeben keinen Zusatzaufwand für die Kantone.

6.3

Auswirkungen auf die Gesellschaft

6.3.1

Vigilanz

Durch die Einführung eines Vigilanzsystems im Bereich Transplantation soll die Qualität und Sicherheit von Organ-, Gewebe- und Zelltransplantationen verbessert werden. Das Vigilanzsystem soll in den Kontext der bereits bestehenden Qualitätssicherungssysteme der zuständigen Institutionen integriert werden.

Durch die neue Meldepflicht können Risiken wie Krankheitsübertragungen minimiert werden. Die Aufarbeitung und Auswertung der Fälle durch die Vigilanzstellen ermöglicht es, Prozesse zu verbessern und gewonnene Erkenntnisse mit anderen zu teilen.

123

Interface: Regulierungsfolgenabschätzung Teilrevision Transplantationsgesetz, April 2022. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Medizin & Forschung > Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen > Rechtsetzungsprojekte in der Transplantationsmedizin > Teilrevision des Transplantationsgesetzes.

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So kann aus Fehlern gelernt und vermieden werden, dass dieselben Probleme erneut auftreten. Insgesamt werden mit der Einführung eines Vigilanzsystems der Schutz der Gesundheit und die Patientensicherheit in der Transplantationsmedizin erhöht.

6.3.2

Überkreuz-Lebendspende-Programm

Mit einem Überkreuz-Lebendspende-Programm sollen Patientinnen und Patienten Zugang zu einer Lebendspende erhalten, die dies mangels einer kompatiblen spendewilligen Person sonst nicht hätten. Wenn genügend Personen am Programm teilnehmen, wird in Zukunft mit etwa 10­15 zusätzlichen Transplantationen pro Jahr gerechnet. Bei einer Zusammenarbeit mit dem Ausland könnte sich diese Zahl erhöhen.

Transplantationen aus Lebendspenden, insbesondere wenn sie schon vor Beginn der Dialyse durchgeführt werden,124 führen zu einem längeren Überleben des Organs und der Empfängerin oder des Empfängers.125

6.4

Auswirkungen auf weitere betroffene Institutionen

6.4.1

Vigilanz

Alle im Bereich der Transplantation tätigen Institutionen (ca. 160 gemäss RFA) können von einem Vigilanzfall betroffen sein und müssen ihre Meldepflicht kennen und wahrnehmen. Hierfür ist ein betriebsinterner Meldeprozess als Teil der bestehenden Qualitätssicherung einzurichten. Aufgrund der Angaben in der RFA wird im Bereich Organe mit 13­40 schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen pro Jahr gerechnet, im Bereich Gewebe mit 4­15 und im Bereich Blut-Stammzellen mit 40­75. Daten aus der EU zeigen, dass die Anzahl der gemeldeten Fälle in den ersten Jahren zunimmt.126 Der zusätzliche Aufwand für die betroffenen Institutionen für die Fallbearbeitung beträgt gemäss RFA 0,5­4 Stunden pro Fall. Zusätzlich zur Fallbearbeitung werden Aufwände für interne Schulungen und anfallende Inspektionen ausgewiesen. Insgesamt ergeben sich so für alle Fälle und Institutionen Mehraufwände von 225­ 480 Stunden pro Jahr.

Ausgewählte Institutionen gaben im Rahmen der RFA an, für die Umstellung auf das künftige Vigilanz-Meldesystem initial zwischen 4­16 Stunden pro Woche aufbringen zu müssen. Die Autoren der RFA gehen von einem geringeren Aufwand in der Aufbauphase aus. Das BAG wird sich bemühen, den Aufwand für die Einführung des Vigilanz-Meldesystem so gering wie möglich zu halten.

124

Kaballo, M.A. u. a. (2018): A comparative analysis of survival of patients on dialysis and after kidney transplantation. In: Clinical Kidney Journal 2018/11(3), S. 389­393.

125 Abramowicz, D. u. a. (2016): Does pre-emptive transplantation versus post start of dialysis transplantation with a kidney from a living donor improve outcomes after transplantation? A systematic literature review and position statement by the Descartes Working Group and ERBP. In: Nephrology Dialysis Transplantation 2016/31(5), S. 691­697.

126 European Commission (2020): Summary of the 2018 annual reporting of serious adverse reactions and events for tissues and cells. Abrufbar unter: ec.europa.eu/info/index_en > Live, work, travel in the EU > Policies and initiatives > Public Health > Substances of human origin > Blood, tissues, cells and organs > Key documents (Stand: 20.6.2022).

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6.4.2

Autologe Transplantationen

Von den neuen Regelungen zu den autologen Transplantationen sind die Institutionen betroffen, welche heute schon nach Artikel 15d der Transplantationsverordnung meldepflichtig sind. Es handelt sich um 70 Institutionen, von denen voraussichtlich etwa die Hälfte der neuen Bewilligungspflicht unterliegen werden. Eine Bewilligung kostet rund 10 000 Franken und muss alle fünf Jahre erneuert werden.

6.4.3

Klinische Versuche

In Zukunft ist die Swissmedic statt dem BAG für die Bewilligung klinischer Versuche im Bereich der Transplantationsmedizin zuständig. Eine Bewilligung für einen neuen klinischen Versuch kostet bei der Swissmedic pauschal 5000 Franken, unabhängig davon, ob die Studie mehrere Studienarme hat, um beispielsweise unterschiedliche Therapieansätze zu analysieren. Für die Bewilligung des BAG müssen die Gesuchsteller heute zusätzlich 700 Franken bezahlen. Der Wechsel der Bewilligungsbehörde kann also, abhängig vom Studiendesign, die Kosten für die betroffenen Institutionen reduzieren. Im Rahmen der Vernehmlassung wurde jedoch auch die Befürchtung geäussert, dass sich durch den Wechsel der Bewilligungsbehörde die Antragsdauer und die finanzielle Belastung für Forschungsprojekte erhöhe und dadurch die Forschung erschwert werde. Wird neben der Transplantation auch die Anwendung von Heilmitteln untersucht, vereinfacht sich zusätzlich dazu das Bewilligungsprozedere, da die Swissmedic neu für beide Bewilligungen zuständig ist. Der administrative Aufwand bei den Bewilligungspflichtigen reduziert sich, weil nur eine Behörde kontaktiert werden muss. Wird im Rahmen eines klinischen Versuchs jedoch ausschliesslich die Transplantation untersucht, steigen die Kosten für die betroffenen Institutionen durch den Wechsel der Bewilligungsbehörde.

6.4.4

Ausnahmebewilligung für Spitäler zur Anwendung von nicht zugelassenen Transplantatprodukten

Die Regelung in Artikel 2b schafft die gesetzlichen Grundlagen für eine Ausnahmebewilligung für Spitäler zur Anwendung von noch nicht zugelassenen Transplantatprodukten. Diese Bewilligung bietet den Spitälern die Möglichkeit zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen als letztes Mittel, was bisher nicht der Fall war, und sie garantiert gleichzeitig ein vertretbares Sicherheitsniveau in dieser besonderen Situation. Mit dieser Regelung schafft der Gesetzgeber Klarheit darüber, welche Anforderungen die Spitäler erfüllen müssen. Gleichzeitig nimmt er ein von ihnen vorgetragenes Anliegen im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf und ermöglicht es ihnen, kritischen, nicht erfüllten medizinischen Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten von Fall zu Fall gerecht zu werden und zur Entwicklung neuer Therapien beizutragen. Der so geschaffene Rahmen garantiert, dass es keine Überschneidungen gibt zwischen Produkten, die sich aus dieser befristeten Ausnahmebewilligung für Spitäler ergeben, und Produkten mit einer Marktzulassung,

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deren Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil durch klinische Versuche nachgewiesen wurde.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 119a Absätze 1 und 2 BV, der dem Bund eine umfassende Kompetenz zur Regelung der Transplantationsmedizin zuweist. Mit der Neuregelung der Datenbanken auf Gesetzesstufe kommt sie zudem den Anforderungen von Artikel 13 Absatz 2 BV nach, der den Schutz personenbezogener und persönlicher Daten bezweckt. Die geänderten Bestimmungen erfüllen die Anforderungen des DSG an die formell-gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten (siehe insbesondere Ziff. 7.8).

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

In Bezug auf das Recht auf Privatsphäre sind auch internationale Bestimmungen relevant. Der vorliegende Gesetzesentwurf stimmt sowohl mit den Anforderungen der Europäischen Konvention vom 4. November 1950127 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten als auch dem Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966128 über bürgerliche und politische Rechte überein.

Auch das Abkommen vom 21. Juni 1999129 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit und das Übereinkommen vom 4. Januar 1960130 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation sind in Bezug auf das Nichtdiskriminierungsgebot zu beachten. Die vorliegende Revision ist mit den Anforderungen der Abkommen bezüglich der Regeln der Nichtdiskriminierung vereinbar. Dies ist insbesondere für die Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe e und 23g Absatz 3 von Bedeutung.

Im Bereich der Transplantation und mit Blick auf die Regelungsbereiche dieser Vorlage sind die Biomedizinkonvention und das dazugehörige Zusatzprotokoll über die Transplantation zu beachten; insbesondere bezüglich der Bestimmungen zum Überkreuz-Lebendspende-Programm. Mit diesem Programm wird die bisherige liberale Regelung der Schweiz zur Lebendspende fortgeführt. Auch weiterhin sollen im nationalen Recht zwei der in diesen Übereinkommen enthaltenen Voraussetzungen zur Lebendspende nicht gelten. Es handelt sich einerseits um das Prinzip der Subsidiarität der Lebendspende gegenüber der postmortalen Spende (Art. 19 Abs. 1 der Biomedizinkonvention und Art. 9 des Zusatzprotokolls). In der Schweiz soll also eine 127 128 129 130

SR 0.101 SR 0.103.2 SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

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Lebendspende nicht nur dann erlaubt sein, wenn kein geeignetes Organ oder Gewebe einer verstorbenen Person zur Verfügung steht. Andererseits fordert die Schweiz weiterhin nicht, dass zwischen der spendenden und der empfangenden Person eine enge Beziehung bestehen muss (Art. 10 des Zusatzprotokolls). Da die Schweiz bezüglich dieser beiden Punkte bereits entsprechende Vorbehalte angebracht hat, stehen die internationalen Verpflichtungen der Schweiz der Vorlage nicht entgegen.

Mit der Vorlage werden zudem die Bestimmungen zu den Transplantatprodukten präzisiert. Dies bedingt auch eine Anpassung des Handelsverbots und des Verbots der Entnahme ohne Zustimmung respektive der Verwendung unerlaubt entnommener Organe sowie der dazugehörigen Strafbestimmungen an die Vorgaben der Organhandelskonvention.

7.3

Erlassform

Der vorliegende Änderungserlass ändert ein geltendes Bundesgesetz; die Änderung hat nach Artikel 164 Absatz 1 BV und Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002131 in Form eines Bundesgesetzes zu erfolgen. Als solches untersteht das Gesetz dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV).

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht zum Zweck der Ausgabenbegrenzung vor, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue, einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue, wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, in jedem der beiden Räte der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder bedürfen.

Mit der vorliegenden Revision werden zwar neue Subventionsbestimmungen zur Führung der Vigilanzstellen geschaffen, diese ziehen jedoch keine einmaligen Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich. Die Vorlage ist damit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) zu unterstellen.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Vorlage tangiert weder die Aufgabenteilung noch die Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone. Die finanziellen Auswirkungen auf Bund und Kantone betragen einmalig 450 000 Franken und jährlich 460 000 Franken. Auf weitere Ausführungen zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5a und 43a Abs. 1 BV) und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz (Art. 43a Abs. 2 und 3 BV) kann deshalb verzichtet werden.

131

SR 171.10

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7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

7.6.1

Die Bedeutung der Subvention für die vom Bund angestrebten Ziele

Verschiedene Vollzugsaufgaben im Bereich des Transplantationsrechts sind sehr technisch, sodass sie nur von Personen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung wahrnehmbar sind (bspw. die Zuteilung von Organen oder die Führung des Blut-Stammzellenregisters). Dabei handelt es sich um Personen oder Organisationen, die über die entsprechende Erfahrung, das Knowhow und die nationale und internationale Vernetzung in diesem Bereich verfügen. Gewisse Aufgaben wurden deshalb bereits bei Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes an Organisationen oder Personen ausserhalb der Bundesverwaltung übertragen.132 Mit dieser Revision neu dazu kommen die Aufgaben der Vigilanzstellen (Art. 36 und 36a). Ziel der Aufgabenübertragungen ist es, dass diese Aufgaben auf eine möglichst effiziente Art und Weise wahrgenommen werden können.

Die bisherige Ausgestaltung der Bundessubventionen (d. h. Abgeltungen) im Transplantationswesen hat sich im Grundsatz bewährt und wird deshalb beibehalten: Die vorliegende Gesetzesrevision sieht für die Aufgabenübertragungen eine spezialgesetzliche Regelung vor. Der Bundesrat beabsichtigt, die Aufgaben der LebendspendeNachsorgestellen, der Nationalen Zuteilungsstelle, der Führung des Blut-Stammzellenregisters und der Vigilanzstellen an geeignete privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Institutionen oder Organisationen mit Sitz in der Schweiz zu übertragen (Art. 54 und 54a). Da die Vigilanz auf bereits bestehenden Strukturen aufbaut, kommen nur Organisationen in Frage, die über die entsprechende Erfahrung verfügen (vgl.

die Erläuterungen zu Art. 54 Abs. 1).

7.6.2

Materielle und finanzielle Steuerung der Subvention

Die Aufsicht über die mit der Aufgabenerfüllung betrauten Institutionen oder Organisationen soll anhand von Leistungsvereinbarungen und den darin im Detail festzuschreibenden Leistungszielen sichergestellt werden.

7.6.3

Verfahren der Beitragsgewährung

Der Bund gilt die Leistungen der mit den entsprechenden Aufgaben betrauten Organisationen und Personen mittels Leistungsvereinbarungen ab. Die Abgeltungen können im Einklang mit Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c des Subventionsgesetzes pauschal erfolgen (Art. 54 Abs. 4).

132

Vgl. Botschaft vom 12. September 2001, BBl 2002 29.

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7.6.4

Befristung und degressive Ausgestaltung einer Subvention

Bei den Aufgabenübertragungen an die Lebendspende-Nachsorgestellen, die Nationale Zuteilungsstelle, die Koordinationsstelle Blut-Stammzellen und die Vigilanzstellen handelt es sich um Daueraufgaben, weshalb weder eine Befristung noch eine degressive Ausgestaltung der Subventionen vorgesehen ist.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Änderungsentwurf sieht in einigen Bestimmungen die Kompetenz des Bundesrats zum Erlass von Ausführungsrecht vor. Das ist im Lichte von Artikel 164 Absätze 1 und 2 BV gerechtfertigt, weil die Grundsätze in diesen Fällen auf Gesetzesstufe geregelt werden und damit der Rahmen abgesteckt ist, innerhalb dessen sich die Regelung durch den Bundesrat bewegen muss.

Es ist überall dort sinnvoll, die Kompetenzen des Bundesrats zum Erlass von Ausführungsvorschriften vorzusehen, wo künftig eine rasche Anpassung an neue Entwicklungen und an allfällige internationale Harmonisierungen erfolgen muss. Regelungen mit einem grossen Detaillierungsgrad sollen auf Verordnungsstufe ausgeführt werden.

Der Änderungserlass sieht Delegationen von gesetzesvertretenden Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat in folgenden Artikeln vor: ­

Artikel 2 Absatz 3: Geltungsbereich

­

Artikel 2a Absatz 6: Anwendbarkeit für Transplantatprodukte

­

Artikel 2b Absatz 3: Nicht zugelassene Transplantatprodukte

­

Artikel 14 Absatz 4 Buchstaben d und e: Aufwandersatz und Versicherungsschutz

­

Artikel 15a Absatz 5 Buchstabe c und Absatz 6: Kostenübernahme im Zusammenhang mit der Nachverfolgung des Gesundheitszustands

­

Artikel 15e Absatz 2: Meldepflicht

­

Artikel 23f Absatz 2: Durchführung des Programms (Überkreuz-Lebendspende-Programm)

­

Artikel 23g Absatz 3: Teilnahmevoraussetzungen

­

Artikel 23i Absätze 4 und 5: Ermittlung kompatibler Paare und der besten Kombination

­

Artikel 23j Absatz 5: Zuteilung der Organe

­

Artikel 23m Absatz 2: Internationale Zusammenarbeit

­

Artikel 23o Absatz 5: Blut-Stammzellenregister

­

Artikel 24 Absatz 3: Meldepflicht für die Entnahme

­

Artikel 24a: Bewilligungspflicht für die Entnahme

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­

Artikel 25a: Bewilligungspflicht für die Lagerung sowie für die Ein- und Ausfuhr: Vorschriften des Bundesrats

­

Artikel 27 Absatz 4: Bewilligungspflicht (für die Transplantation von Organen)

­

Artikel 29 Absatz 3: Meldepflicht (für die Transplantation von Gewebe oder Zellen)

­

Artikel 31 Absätze 2 und 3: Testpflicht

­

Artikel 34 Absatz 4: Aufzeichnungspflicht und Rückverfolgbarkeit

­

Artikel 43 Absatz 3: Bewilligungspflicht (Transplantation von tierischen Organen, Geweben oder Zellen)

­

Artikel 46 Buchstabe c: Sicherstellung

­

Artikel 49a Absätze 2­4: Bewilligungspflicht (klinische Versuche)

­

Artikel 49c Absätze 1 und 2: Vorschriften des Bundesrats

­

Artikel 54 Absätze 1­4: Übertragung von Vollzugsaufgaben

7.8

Datenschutz

Die Spende und die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen bringt die Bearbeitung von Personendaten durch verschiedene private und staatliche Stellen mit sich. Dabei kommen auch diverse elektronische Systeme zum Einsatz. Da es sich bei den Daten um besonders schützenswerte Personendaten im Sinne des DSG handelt, müssen sich die Datenbearbeitungen auf hinreichende gesetzliche Grundlagen stützen können. Die im Änderungserlass vorgeschlagenen Datenbearbeitungsregelungen zielen darauf ab, die datenschutzrechtlichen Grundlagen im Transplantationsgesetz zu vervollständigen.

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Abkürzungsverzeichnis ABM

Agence de la biomédecine (Frankreich)

AHVG

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10)

BAG

Bundesamt für Gesundheit

BASG

Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Österreich)

BAZG

Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit

BöB

Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 172.056.1)

BV

Bundesverfassung (SR 101)

DLI

Donor-Lymphozyten-Infusion

DSG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1)

nDSG

Bundesgesetz vom 25. September 2020 über den Datenschutz; Inkrafttreten per 1. September 2023 (BBl 2020 7639)

DSO

Deutsche Stiftung Organtransplantation

EDQM

European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln und Gesundheitsfürsorge)

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation

EU

Europäische Union

EZV

Eidgenössische Zollverwaltung

FMedG

Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998 (SR 810.11)

FZA

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681)

GesA

Gesundheitsabkommen

GUMG

Bundesgesetz vom 15. Juni 2018 über genetische Untersuchungen beim Menschen (SR 810.12)

HFG

Humanforschungsgesetz vom 30. September 2011 (SR 810.30)

HMG

Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 2000 (SR 812.21)

HTA

Human Tissue Authority (Vereinigtes Königreich)

KlinV

Verordnung vom 20. September 2013 über klinische Versuche (SR 810.305)

KVG

Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10)

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MepV

Medizinprodukteverordnung vom 1. Juli 2020 (SR 812.213)

RFA

Regulierungsfolgenabschätzung

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010)

SIaG

Schengen-Informationsaustausch-Gesetz (SIaG) vom 12. Juni 2009 (SR 362.2)

SOAS

Swiss Organ Allocation System

StFG

Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 2003 (SR 810.31)

SuG

Subventionsgesetz vom 5. Oktober 1990 (SR 616.1)

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Glossar Abstossung

Gegen Organe, Gewebe oder Zellen gerichtete Reaktion des Immunsystems, die in schweren Fällen zum Verlust des Transplantats führen kann.

Allogene Transplantation

Transplantation, bei der Organe, Gewebe oder Zellen von einem Menschen auf einen anderen übertragen werden.

Advanced Therapy Produkte, die in der EU als Arzneimittel für neuartige Therapien Medicinal Products bezeichnet sind und unter die Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 (ATMP) fallen. Sie umfassen Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika und biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte. Beispiele sind CAR-T-Zelltherapien oder TIL-Zelltherapien.

Altruistische Spende

Nicht gerichtete Organ-Lebendspende. Die Lebendspenderin oder der -spender will das Organ nicht einer bestimmten Person zukommen lassen. Siehe auch Gerichtete Spende

Autologe Transplantation

Transplantation, bei der die spendende mit der empfangenden Person identisch ist (dasselbe Individuum). Synonym: Autogene Transplantation.

CAR-TZelltherapie

Neuartige Zelltherapie zur Bekämpfung von Krebs. Dabei werden einer erkrankten Person körpereigene T-Zellen entnommen.

Diese werden ausserhalb des Körpers gentechnisch verändert.

Anschliessend werden die T-Zellen wieder der erkrankten Person verabreicht, wo sie gezielt Tumorzellen abtöten sollen.

(CAR: Chimeric antigen receptor)

FACT-JACIE

FACT und JACIE publizieren gemeinsam regelmässig international anerkannte Standards für Zelltherapien mit Blut-Stammzellen.

FACT: Foundation for the Accreditation of Cellular Therapy.

Non-Profit Organisation, die durch die ISCT (International Society for Cell & Gene Therapy) und die ASBMT (American Society of Blood and Marrow Transplantation) gegründet wurde, um Inspektionen und Akkreditierungen im Bereich der zellulären Therapien zu fördern.

JACIE: Joint Accreditation Committee. Kommission der EBMT (European Society for Blood and Marrow Transplantation), zuständig für die Entwicklung und Aufrechterhaltung globaler Standards zur Gewährleitung der Qualität bei zellulären Therapien.

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Gerichtete Spende / Bei einer gerichteten Spende entscheidet die spendende Person Nicht gerichtete darüber, wer das Organ erhalten soll. Dies ist in der Regel bei Spende Lebendspenden der Fall, bei denen zum Beispiel ein Elternteil seinem kranken Kind eine Niere spenden will.

Nicht gerichtete Spenden sind in der Regel Organspenden verstorbener Personen. Hat eine verstorbene Person zu Lebzeiten festgehalten, dass sie bereit ist, Organe zu spenden, dann werden die Organe nach gesetzlichen Regeln den Personen auf der Warteliste zugeteilt.

Selten sind nicht gerichtete Lebendspenden, bei der eine Person zu Lebzeiten ein Organ spendet, ohne eine Empfängerin oder einen Empfänger zu bezeichnen. Man spricht hier von einer altruistischen Spende.

Ebenfalls selten sind gerichtete Spenden durch Verstorbene. Die verstorbene Person bestimmt dabei zu Lebzeiten, wer nach ihrem Tod ein Organ erhalten soll.

Human leucocyte antigen (HLA)

Proteine, die sich auf den Oberflächen fast aller menschlicher Zellen befinden und sich besonders gut auf weissen Blutzellen nachweisen lassen. Sie werden durch ein komplexes, genetisches System festgelegt und unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Die HL-Antigene spielen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr, da sie relevant sind für die Unterscheidung von körpereigenen und körperfremden Strukturen durch das Immunsystem.

NetCord-FACT

NetCord und FACT publizieren gemeinsam regelmässig international anerkannte Standards für die Einlagerung von BlutStammzellen aus Nabelschnurblut.

NetCord: International NetCord Foundation. Stiftung, in der sich v. a. öffentliche Nabelschnurblutbanken zusammengeschlossen haben.

FACT: siehe unter FACT-JACIE.

Nicht gerichtete Spende

Siehe Gerichtete Spende

Serious adverse event (SAE)

Ein SAE ist ein schwerwiegender Zwischenfall, der im Zusammenhang mit irgendeinem Glied der Kette von der Spende bis zur Transplantation von Organen, Geweben oder Zellen steht und zu einer Übertragung einer Krankheit, zum Tod, zu Invalidität, zu einem lebensbedrohlichen Zustand oder zu einer Beeinträchtigung führen könnte oder eine Hospitalisation und Erkrankung verlängern könnte. Im Falle eines SAE besteht also ein Risiko einer Beeinträchtigung für eine Patientin oder einen Patienten, ohne dass die Beeinträchtigung eintritt (Bsp.: Eine falsch beschriftete Blutprobe wird rechtzeitig entdeckt). In 109 / 110

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internationalen Richtlinien wird für die verschiedenen Fachbereiche (Organe, Gewebe, Zellen insbesondere Blut-Stammzellen) definiert, was solche schwerwiegende Zwischenfälle sind.

Serious adverse reaction (SAR)

Eine SAR ist eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion, inklusiv übertragbare Krankheit, bei der Spenderin oder dem Spender oder der Patientin oder dem Patienten im Zusammenhang mit irgendeinem Glied der Kette von der Spende bis zur Transplantation von Organen, Gewebe oder Zellen, welche zum Tod, zu einem lebensbedrohlichen Zustand, zur Invalidität oder zur Beeinträchtigung führt, oder die Hospitalisation oder Erkrankung verlängert. Ein Beispiel für eine SAR könnte eine Infektion mit einem Virus bei der Empfängerin oder dem Empfänger sein, welches während der Transplantation übertragen wurde und von der spendenden Person stammte. In internationalen Richtlinien wird für die verschiedenen Fachbereiche (Organe, Gewebe, Zellen insbesondere Blut-Stammzellen) definiert, was schwerwiegende unerwünschte Reaktionen sind.

Schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis

Überbegriff für schwerwiegende Zwischenfälle (SAE) und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen (SAR), die im Zusammenhang mit Transplantationen auftreten. Die EUKommission schlägt diese Formulierung im Rahmen der Überarbeitung der Rechtstexte zu Geweben und Zellen (Richtlinie 2004/23/EG) vor. Der Begriff wird in der vorliegenden Teilrevision übernommen.

TIL-Zelltherapie

Neuartige Zelltherapie zur Bekämpfung von Krebs. Dabei werden einer erkrankten Person körpereigene T-Zellen entnommen.

Diese werden ausserhalb des Körpers aktiviert und vermehrt.

Anschliessend werden die T-Zellen wieder der erkrankten Person verabreicht, wo sie gezielt Tumorzellen abtöten sollen.

(TIL: Tumor-infiltrierende Lymphozyten)

World Marrow Donor Association (WMDA)

Internationale Vereinigung aus Fachpersonen und Organisationen im Bereich Blut-Stammzellen. Setzt sich dafür ein, dass Patientinnen und Patienten Blut-Stammzellen in bester Qualität zur Verfügung stehen, ohne die Gesundheit der spendenden Person zu gefährden. Die WMDA publiziert regelmässig international anerkannte Standards mit den Anforderungen an die Register mit Daten über Spenderinnen und Spender von BlutStammzellen.

Xenotransplantation

Übertragung von funktionsfähigen Zellen, Geweben oder Organen zwischen verschiedenen Spezies.

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