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23.035 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Indonesien über die Förderung und den Schutz von Investitionen vom 5. April 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Indonesien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. April 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-1100

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Übersicht Das Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Indonesien wurde am 26. Januar 2022 vom Bundesrat genehmigt und am 24. Mai 2022 unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet. Es schliesst die Vertragslücke, welche seit dem Ausserkrafttreten des früheren Investitionsschutzabkommens im Jahr 2016 bestand. Das Abkommen enthält moderne Schutzstandards, welche internationale Investitionen schützen und zugleich den Zielen der nachhaltigen Entwicklung entsprechen.

Ausgangslage Internationale Investitionen tragen zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand bei. Dies gilt in besonderem Masse für die Schweiz mit ihrem beschränkten Binnenmarkt. Mit einem Bestand von über 1406 Milliarden Schweizerfranken Direktinvestitionen im Ausland gehören Schweizer Unternehmen weltweit zu den zehn grössten Kapitalexporteuren. Neben grossen multinationalen Unternehmen tätigen auch mehrere hundert kleine und mittlere Unternehmen bedeutende Auslandinvestitionen, welche für diese ein zentrales Instrument zur Erschliessung neuer Absatzmärkte und zur Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Es liegt somit im Interesse der Schweiz, günstige Rahmenbedingungen für Auslandinvestitionen zu schaffen und einen wirksamen Rechtsschutz zu bieten. Dabei spielen die bilateralen Investitionsschutzabkommen, welche den Investorinnen und Investoren in Ergänzung zum nationalen Recht des Gaststaates zusätzliche Rechtssicherheit und Schutz vor politischen Risiken gewähren, eine bedeutende Rolle. Sie bilden gemeinsam mit den Freihandelsabkommen und den Doppelbesteuerungsabkommen einen zentralen Pfeiler der Aussenwirtschaftsstrategie und tragen zur Standortattraktivität der Schweiz für international tätige Unternehmen bei. Die Schweiz verfügt über ein Vertragsnetz von 111 bilateralen Investitionsschutzabkommen.

Indonesien gehört mit Japan, Singapur und China zu den wichtigsten Destinationen für Schweizer Direktinvestitionen in Asien. Der Kapitalbestand der Schweizer Direktinvestitionen in Indonesien betrug im Jahr 2021 rund 1,7 Milliarden Schweizerfranken. Die Zahl der von Schweizer Unternehmen in Indonesien geschaffenen Arbeitsplätze lag 2021 bei 16 000.

Die Schweiz schloss 1974 erstmals ein Investitionsschutzabkommen mit Indonesien ab. Die indonesische Regierung entschied 2014, ihre bestehenden Abkommen, auch
dasjenige mit der Schweiz, zu kündigen. Das Abkommen Schweiz­Indonesien von 1974 trat daher am 8. April 2016 ausser Kraft. Durch den Abschluss des vorliegenden neuen Investitionsschutzabkommens mit Indonesien verfolgt die Schweiz das Ziel, die bestehende Vertragslücke zu schliessen.

Inhalt der Vorlage Das Abkommen mit Indonesien gewährt Schweizer Investitionen in Indonesien ­ wie auch umgekehrt indonesischen Investitionen in der Schweiz ­ auf staatsvertraglicher Ebene Schutz vor politischen Risiken. Dabei stehen folgende Schutzstandards im Vordergrund: Schutz vor staatlicher Diskriminierung (Inländerbehandlung und Meistbegünstigung); Schutz vor unrechtmässigen und nicht angemessen entschädigten Ent2 / 32

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eignungen; Schutz vor Einschränkungen des Transfers von Erträgen und anderen Beträgen im Zusammenhang mit Investitionen; Gewährung der sogenannten gerechten und billigen Behandlung. Streitbeilegungsverfahren ermöglichen es wenn nötig, die Einhaltung der Vertragsbestimmungen vor einem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Das Abkommen schützt nur Investitionen, die rechtmässig getätigt worden sind, das heisst den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats entsprechen.

Investorinnen und Investoren, welche bei der Vornahme der Investition die Gesetze nicht eingehalten haben (z. B. bei Korruptionsdelikten), können sich somit nicht auf den Investitionsschutz berufen.

Das Abkommen besteht aus der Präambel, vier Kapiteln und zwei Anhängen. Das erste Kapitel enthält Definitionen und legt den Anwendungsbereich des Abkommens fest. Das zweite Kapitel umfasst die substanziellen Investitionsschutzbestimmungen.

Das dritte Kapitel führt die Bestimmungen zur Streitschlichtung auf, und das vierte Kapitel enthält die allgemeinen Bestimmungen, die Ausnahmebestimmungen und die Übergangsbestimmungen. Anhang A ergänzt den Artikel zur Enteignung, und Anhang B enthält einen Verhaltenskodex für Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter.

Beim vorliegenden Abkommen mit Indonesien handelt es sich um das erste Investitionsschutzabkommen der Schweiz, welches auf einer neuen Verhandlungsgrundlage beruht. Es baut auf der bisherigen Vertragspraxis der Schweiz auf und verfolgt das Ziel, ein günstiges Klima und stabile Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen zu schaffen. Im Vergleich zu den bisher abgeschlossenen Abkommen enthält es zusätzliche und zum Teil detailliertere Bestimmungen, um den Ermessensspielraum der Schiedsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des Abkommens einzuschränken. Zudem wird durch spezifische Bestimmungen, u. a. zum Regulierungsrecht der Staaten, die Vereinbarkeit der Ziele des Investitionsschutzes mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung gewährleistet.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

6 6 7 8

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Bilaterale Beziehungen zwischen der Schweiz und Indonesien 1.3 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis 1.4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

8

2

Vernehmlassungsverfahren 2.1 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.2 Schlussfolgerungen

9 10 12

3

Grundzüge des Abkommens 3.1 Inhalt 3.2 Würdigung

12 12 13

4

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Abkommens 4.1 Präambel 4.2 Kapitel 1: Begriffsbestimmungen und Geltungsbereich 4.3 Kapitel 2: Investitionsschutz 4.4 Kapitel 3: Streitbeilegung 4.4.1 Streitbeilegung zwischen einer Vertragspartei und einer Investorin oder einem Investor der anderen Vertragspartei 4.4.2 Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien 4.5 Kapitel 4: Allgemeine Bestimmungen, Ausnahmen und Schlussbestimmungen 4.6 Anhänge 4.6.1 Anhang A: Enteignung 4.6.2 Anhang B: Verhaltenskodex für Schiedsrichter

14 14 14 15 18

5

Auswirkungen 5.1 Auswirkungen auf den Bund 5.1.1 Personelle Auswirkungen 5.1.2 Finanzielle Auswirkungen 5.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 5.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 5.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt

26 26 26 26 27 27 28

6

Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 6.3 Erlassform

29 29 29 29

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18 22 23 25 25 26

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6.4

Inkrafttreten

Abkürzungsverzeichnis

30 31

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Indonesien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (Entwurf)

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Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Indonesien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Internationale Investitionen tragen zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand bei. Dies gilt in besonderem Masse für die Schweiz mit ihrem beschränkten Binnenmarkt. Mit einem Bestand von über 1406 Milliarden Schweizerfranken Direktinvestitionen im Ausland (Stand Ende 2021) gehören Schweizer Unternehmen weltweit zu den zehn grössten Kapitalexporteuren. Neben grossen multinationalen Unternehmen verfügen auch mehrere Hundert KMU über bedeutende Auslandinvestitionen. Diese ermöglichen den Schweizer Unternehmen die Erschliessung neuer Absatzmärkte sowie die Nutzung von Grössen- und Netzwerkvorteilen, die für die Wettbewerbsfähigkeit oft eine ausschlaggebende Rolle spielen. Wenn der Umsatz eines Unternehmens weltweit steigt, führt dies wiederum zu einer Zunahme von wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätzen in der Zentrale des Unternehmens in der Schweiz (z. B. Forschung und Entwicklung, anspruchsvolle Produktionsprozesse).

Es liegt im Interesse der Schweiz, günstige Rahmenbedingungen für Auslandinvestitionen zu schaffen und einen wirksamen Rechtsschutz zu bieten. Da es im Bereich des internationalen Investitionsschutzes keine multilaterale Regelung gibt wie z. B. im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) für den grenzüberschreitenden Handel, spielen die bilateralen Investitionsschutzabkommen (ISA) eine zentrale Rolle. Sie bilden gemeinsam mit den Freihandelsabkommen und den Doppelbesteuerungsabkommen einen zentralen Pfeiler der Aussenwirtschaftsstrategie und tragen zur Standortattraktivität der Schweiz für international tätige Unternehmen bei.

Die Schweiz verfügt über ein Vertragsnetz von 111 bilateralen ISA, welche zurzeit in Kraft sind. In Ergänzung zum nationalen Recht des Gaststaates gewähren sie Investorinnen und Investoren zusätzliche Rechtssicherheit und Schutz vor politischen Risiken. Das entspricht bei Auslandinvestitionen deshalb einem Bedürfnis, weil diese eine typischerweise langfristige Kapitalbindung in einem sich ausserhalb des Heimatstaats befindenden Rechtsraum bedingen. Durch die Senkung des Risikos für Auslandinvestitionen fördern ISA den Transfer von Kapital und Technologie in Entwicklungs- und Schwellenländer, stärken deren wirtschaftliche Integration in die Weltwirtschaft und tragen zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Dies erklärt auch das Interesse dieser Staaten am Abschluss
entsprechender Abkommen mit der Schweiz.

Die Schweiz schloss 1974 erstmals ein ISA mit Indonesien ab. 2014 beschloss die indonesische Regierung, die bestehenden ISA, auch dasjenige mit der Schweiz, zu kündigen. Das ISA von 1974 trat daher am 8. April 2016 ohne Ersatz ausser Kraft.1 Durch den Abschluss eines neuen ISA mit Indonesien verfolgt die Schweiz das Ziel, die bestehende Vertragslücke zu schliessen.

1

AS 2016 1043

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1.2

Bilaterale Beziehungen zwischen der Schweiz und Indonesien

Indonesien ist bezüglich Fläche und Einwohnerzahl der grösste Staat Südostasiens.

Bis 2050 könnte Indonesien gemäss Prognosen zur viertgrössten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Indonesien ist als einziger südostasiatischer Staat in der Gruppe der G20 vertreten, welche sie 2022 präsidierte.

Indonesien verfügt über eine Fläche von 1 900 000 Quadratkilometern und eine Bevölkerung von über 270 Millionen Menschen (bei einem Bevölkerungswachstum von +1 % pro Jahr). Das Bruttoinlandprodukt (BIP) betrug 2021 1187 Milliarden US-Dollar. Nach einem pandemiebedingten Einbruch des BIP um ­2,1 Prozent im Jahr 2020, wurde 2021 wieder ein Wachstum von 3,7 Prozent verzeichnet.

Bezüglich der wirtschaftlichen Stärke (BIP) belegt Indonesien weltweit den 17. Rang.

Die Schweiz eröffnete 1952 eine diplomatische Vertretung in Indonesien. 2009 hat der Bundesrat eine Aussenwirtschaftsstrategie für Indonesien verabschiedet, mit welcher engere Wirtschaftsbeziehungen angestrebt werden sollten. Mit der Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding wurde im selben Jahr in Jakarta eine Gemischte Wirtschafts- und Handelskommission ins Leben gerufen, die regelmässig tagt. Seit 2017 betreibt Switzerland Global Enterprise einen von 22 Swiss Business Hubs in Jakarta, um Schweizer Unternehmen bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten in Indonesien zu unterstützen. Mit dem Abschluss des umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien2 im Jahr 2018 wurden die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auf eine neue Grundlage gestellt. 2019 wurde sodann ein Memorandum of Understanding zu Arbeits- und Beschäftigungsfragen unterzeichnet und im Oktober 2020 der erste tripartite Austausch zu Arbeitsund Beschäftigungsfragen durchgeführt. Es besteht zudem ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Indonesien3.

Indonesien gehört mit Japan, Singapur und China zu den wichtigsten Destinationen für Schweizer Direktinvestitionen in Asien. Der Kapitalbestand der Schweizer Direktinvestitionen in Indonesien betrug im Jahr 2021 rund 1,7 Milliarden Schweizerfranken. Die Zahl der von Schweizer Unternehmen in Indonesien geschaffenen Arbeitsplätze lag 2021 bei 16 000 (Quelle: SNB4). Im selben Jahr belegten Schweizer Investorinnen und Investoren unter den ausländischen Investorinnen und Investoren in Indonesien den vierzehnten Platz (Quelle: Internationaler Währungsfonds, IWF5).

Gemäss den Angaben der indonesischen Investitionsbehörde (Investment Coordina2 3

4 5

Umfassendes Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vom 16. Dezember 2018 zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien (in Kraft seit 1. November 2021), SR 0.632.314.271.

Abkommen vom 29. August 1988 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indonesien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen, Änderungsprotokoll in Kraft getreten am 20. März 2009, SR 0.672.942.71.

Die Informationen der SNB zu Direktinvestitionen sind abrufbar unter: www.snb.ch > Statistiken > Berichte und Medienmitteilungen > Direktinvestitionen.

Die IWF-Daten sind abrufbar unter: https://data.imf.org.

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ting Board, BKPM) gehörte die Schweiz im ersten Quartal 2021 neu zu den fünf grössten ausländischen Investorinnen in Indonesien. Ein wesentlicher Teil der Schweizer Direktinvestitionen in Indonesien fliesst in die Chemie- und Pharmaindustrie. Daneben gibt es auch bedeutende Investitionen in verschiedenen anderen Wirtschaftssektoren (Maschinensektor, Nahrungsmittelindustrie, Logistik und Transport, Bankenund Versicherungssektor). Demgegenüber sind indonesische Direktinvestitionen in der Schweiz zurzeit sehr gering.

1.3

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Bereits 2010 nahmen die Schweiz und Indonesien ­ parallel zu den Verhandlungen über ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien ­ Verhandlungen über eine Modernisierung des ISA aus dem Jahr 1974 auf.

2014 beschloss die indonesische Regierung jedoch, die bestehenden ISA zu kündigen und vorläufig keine neuen Abkommen abzuschliessen. Die Verhandlungen konnten daher nicht fortgesetzt werden. Erst 2017 konnten die Verhandlungen mit Indonesien wiederaufgenommen und im September 2021 nach sieben Verhandlungsrunden zum Abschluss gebracht werden.

Das vorliegende ISA mit Indonesien wurde am 26. Januar 2022 vom Bundesrat genehmigt und am 24. Mai 2022 in Davos unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet.

Mit dem Verhandlungsergebnis hat die Schweiz ihr Ziel erreicht, die Vertragslücke zu schliessen, welche aufgrund der Kündigung des früheren ISA entstanden ist. Das Abkommen enthält moderne Schutzstandards, welche internationale Investitionen schützen und zugleich den Zielen der nachhaltigen Entwicklung entsprechen.

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Das Abkommen ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20206 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20207 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Es steht aber in Einklang mit der Leitlinie 1 und insbesondere mit dem Ziel 4 («Die Schweiz leistet ihren Beitrag zu einer tragfähigen Weltwirtschaftsordnung und sichert der Schweizer Wirtschaft den Zugang zu internationalen Märkten und zum EU-Binnenmarkt») der Legislaturplanung 2019­ 2023.

Der Bundesrat hat in der Strategie vom 24. November 20218 zur Aussenwirtschaftspolitik 2021 strategische Handlungsfeldern zur internationalen Positionierung der schweizerischen Wirtschaftsinteressen festgelegt. Das vorliegende Abkommen leistet 6 7 8

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 Strategie des Bundesrats vom 24. November 2021 zur Aussenwirtschaftspolitik, S. 41, Handlungsfeld 6. Abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft > Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik.

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insbesondere einen Beitrag zur Umsetzung der Handlungsfelder 3 («Den Aussenhandel öffnen und regeln») und 6 («Zur Nachhaltigkeit bei Umwelt und Sozialem beitragen»). Der Bundesrat hat zudem im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 20179 die allgemeinen Grundsätze für den Abschluss von Investitionsschutzabkommen sowie deren Weiterentwicklung und Reform dargestellt. Das vorliegende Abkommen entspricht diesen Grundsätzen. Schliesslich ist in Massnahme 18 des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte 2020­202310 vorgesehen, dass sich die Schweiz bei Verhandlungen über Handelsabkommen und ISA für die Aufnahme von Bestimmungen einsetzt, welche die Kohärenz dieser Abkommen mit den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung fördern. Das ISA mit Indonesien trägt dieser Massnahme Rechnung (vgl. Ziff. 4.4).

Der Abschluss des ISA mit Indonesien steht auch in Einklang mit der schweizerischen Entwicklungspolitik. Seit 2008 ist Indonesien eines der dreizehn Schwerpunktländer der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Mit seinem wirtschaftlichen Entwicklungsprogramm 2021­2024 unterstützt das SECO die Reformbemühungen Indonesiens im Bereich der öffentlichen Verwaltung, im Wirtschafts- und Umweltbereich sowie in der Berufsbildung. Mehr Nachhaltigkeit, besonders im Bereich der Agrarrohstoffe, bleibt auch nach dem Abschluss des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien eine Priorität.

2

Vernehmlassungsverfahren

Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200511 ist bei völkerrechtlichen Verträgen, welche nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung (BV)12 dem Referendum unterliegen, grundsätzlich eine Vernehmlassung durchzuführen. Entsprechend fand zum vorliegenden ISA mit Indonesien eine Vernehmlassung statt.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 3. Juni bis zum 26. September 2022.13 Zur Stellungnahme eingeladen wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft und andere interessierte Kreise.

9 10

11 12 13

Bericht des Bundesrats vom 10. Januar 2018 zur Aussenwirtschaftspolitik 2017, Ziff. 1, BBl 2018 821, S. 833 ff.

UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: Nationaler Aktionsplan der Schweiz 2020­2023, Massnahme 18, S. 20. Abrufbar unter: https://www.nap-bhr.admin.ch > Nationaler Aktionsplan (NAP).

SR 172.061 SR 101 Die Unterlagen zur Vernehmlassung sowie der Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung sind zu finden unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > WBF.

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2.1

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Im Rahmen der Vernehmlassung gingen insgesamt 40 Stellungnahmen ein. Die Kantone, die FDP und die SVP, die Dachverbände der Wirtschaft, Branchenverbände sowie weitere interessierte Kreise (32 Stellungnahmen) sprechen sich für das Abkommen aus. Die SP, der SGB und mehrere NGO (8 Stellungnahmen) unterstützen das vorliegende ISA nicht und fordern Anpassungen.

Die Beteiligten begrüssen den durch das Abkommen garantierten zusätzlichen Rechtsschutz für Schweizer Investitionen in Indonesien. Dabei wird hervorgehoben, dass das ISA die zurzeit bestehende Vertragslücke schliesst und das 2021 in Kraft getretene Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien ergänzt. Mit Blick auf den Abkommenstext werden insbesondere die modernisierten Schutzbestimmungen mit einer Präzisierung der Schutzbereiche, die Bestimmung zum Regulierungsrecht sowie die neuen Bestimmungen zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen und zum Korruptionsverbot begrüsst. Weiter werden die im Vergleich zu früheren Abkommen detaillierteren Bestimmungen zu Investor-Staat-Schiedsverfahren, welche auch alternative Streitbeilegungsmechanismen (Mediation) vorsehen, positiv gewürdigt. Für die SP, den SGB und mehrere NGO gehen die Neuerungen jedoch zu wenig weit und sie fordern insbesondere in folgenden Bereichen eine Anpassung des Abkommens: Begriff der «Investition» Aus Sicht mehrerer NGO ist die Definition des Begriffs der «Investition» (Art. 1 Abs. 6) zu weit gefasst, da sie nicht zwischen umweltbelastenden, kohlenstoffintensiven und emissionsarmen Investitionen unterscheidet. Sie fordern, den Investitionsschutz auf nachhaltige Investitionen zu beschränken.

Das Abkommen schützt gemäss Artikel 2 nur Investitionen, die rechtmässig getätigt worden sind, d. h. den Gesetzen und Rechtsvorschriften des Gaststaats entsprechen.

Es orientiert sich somit am klar definierten Kriterium der Rechtsmässigkeit einer Investition. Eine Unterscheidung zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Investitionen wäre demgegenüber schwierig, da es an klaren und international anerkannten Unterscheidungskriterien fehlt. Ausserdem müssten alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch und sozial) berücksichtigt werden.

Pflichten für Investorinnen und Investoren Die SP, der SGB und mehrere NGO fordern eine Ergänzung
des Abkommens mit Pflichten für Investorinnen und Investoren zur Respektierung der Menschenrechte und Umweltstandards, die Verankerung der Sorgfaltsprüfungspflicht der Unternehmen im Abkommen und einen entsprechenden Durchsetzungsmechanismus.

ISA sind Spezialabkommen, welche den Schutz internationaler Investitionen bezwecken. Für den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte gibt es eigene internationale Abkommen mit eigenen Durchsetzungsmechanismen. Es würde den Rahmen eines ISA sprengen, alle diese Anliegen zu regeln. Mit verschiedenen Bestimmungen (z. B. Regulierungsrecht, allgemeine Ausnahmebestimmung) wird jedoch die Kohärenz zwischen den Verpflichtungen des ISA und anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Vertragsstaaten sichergestellt. Konkret bedeutet dies, dass ein Schiedsge10 / 32

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richt bei der Anwendung und Auslegung eines ISA die verschiedenen Politikziele berücksichtigen und gegeneinander abwägen muss. ISA und internationale Abkommen zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte unterstützen sich dabei gegenseitig.

Gemäss Artikel 2 des ISA werden nur rechtmässig getätigte Investitionen geschützt.

Wer eine Investition tätigt, muss somit den gesetzlichen Pflichten nachkommen, um sich auf den Schutz des ISA berufen zu können. Wenn eine Investorin oder ein Investor nationale Gesetze verletzt, stehen dem Gaststaat zudem gestützt auf seine Staatsgewalt verschiedene Instrumente zur Verfügung, um gegen sie oder ihn vorzugehen (z. B. Blockierung von Vermögenswerten, Lizenzentzug, Zwangsschliessung einer Produktionsanlege, Klage vor nationalen Gerichten usw.). Ausserdem hat der beklagte Staat in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren die Möglichkeit, eine Gegenklage zu erheben, wenn die Investorin oder der Investor im Zusammenhang mit der betroffenen Investition gegen nationales Recht verstossen hat. Den Pflichten der Investorinnen und Investoren werden somit im vorliegenden ISA bereits umfassend Rechnung getragen.

Regulierungsrecht Aus Sicht der SP, des SGB und der NGO wird das Regulierungsrecht der Vertragsstaaten im Abkommen nicht ausreichend geschützt und es werden zusätzliche Garantien verlangt.

Artikel 12 des ISA bekräftigt das Recht der Vertragsstaaten, für die Wahrung von öffentlichen Interessen angemessene Regelungen zu erlassen. Dieser Artikel unterscheidet sich nicht von entsprechenden Bestimmungen in den neueren ISA anderer Staaten. Die Bestimmung zum Regulierungsrecht wird ausserdem durch die allgemeinen Ausnahmen in Artikel 41 des Abkommens ergänzt. Damit wird dem Regulierungsrecht angemessen Rechnung getragen.

Investor-Staat-Schiedsverfahren Von der SP, dem SGB und den NGO wird ein Verzicht auf Investor-Staat-Schiedsverfahren oder zumindest die Einschränkung des Zugangs zu diesen Verfahren gefordert, indem z. B. vor Inanspruchnahme des Schiedsverfahrens der nationale Rechtsweg ausgeschöpft werden muss.

Investorinnen und Investoren nehmen besondere Risiken in Kauf, da sie im Ausland meist grosse Geldsummen über längere Zeit (oft Jahrzehnte) investieren. Stabile Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit sind deshalb wichtige Voraussetzungen für derartige
Investitionsentscheide. Entsprechend sehen beinahe alle ISA, welche in den letzten Jahren weltweit abgeschlossen worden sind, einen zusätzlichen Rechtsschutz für ausländische Investorinnen und Investoren durch ein Investor-Staat-Schiedsverfahren vor. Auf das Erfordernis der Ausschöpfung des nationalen Instanzenzugs wird dabei verzichtet, da nationale Verfahren sehr lange dauern können und somit der Zugang zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit während Jahren verunmöglicht würde. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, auch im ISA mit Indonesien den Investorinnen und Investoren im Streitfall die direkte Anrufung eines unabhängigen, internationalen Schiedsgerichts zu ermöglichen.

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Investor-Staat-Schiedsverfahren sind in den letzten Jahren zunehmend kritisiert worden. Gegenstand der Kritik bildeten insbesondere die fehlende Transparenz der Schiedsverfahren, die hohen Verfahrenskosten und mögliche Interessenkonflikte der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. Das ISA mit Indonesien trägt dieser Kritik Rechnung mit neuen Bestimmungen bezüglich Transparenz (Art. 16), Kostenaufteilung (Art. 27) und Sicherheitsleistung für die Kosten (Art. 28) sowie mit einem Verhaltenskodex für Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter (Anhang B).

2.2

Schlussfolgerungen

Das ISA mit Indonesien enthält im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen der Schweiz verschiedene neue Bestimmungen, um die Vereinbarkeit der Ziele des Investitionsschutzes mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung und den besonderen Bedürfnissen der Entwicklungsländer zu gewährleisten. Dabei unterscheidet es sich nicht von der Vertragspraxis anderer Staaten, wie z. B. den neuen ISA zwischen Indonesien und Australien oder zwischen Indonesien und Singapur. Auch die EU verhandelt derzeit mit Indonesien ­ im Rahmen des Freihandelsabkommens ­ über ein umfassendes Kapitel zum Investitionsschutz, das einem vergleichbaren Verhandlungsansatz folgt.

Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer unterstützt das ISA mit Indonesien in der vorliegenden Form. Auch verschiedenen in den kritischen Stellungnahmen geäusserten Anliegen wird im Abkommen bereits Rechnung getragen. Die darüberhinausgehenden Anpassungsanträge würden zu einer Schwächung des Investitionsschutzes führen. Dadurch würden Schweizer Investorinnen und Investoren gegenüber Investorinnen und Investoren aus anderen Staaten schlechter gestellt. Vor diesem Hintergrund verzichtet der Bundesrat auf eine Anpassung des Abkommens.

3

Grundzüge des Abkommens

3.1

Inhalt

Das Ziel des ISA ist es, den in Indonesien getätigten Investitionen von Schweizer Unternehmen und Staatsangehörigen ­ wie auch umgekehrt Investitionen in der Schweiz von Investorinnen und Investoren aus Indonesien ­ auf staatsvertraglicher Ebene Schutz vor politischen Risiken zu gewähren. Dabei stehen folgende Schutzstandards im Vordergrund: Schutz vor staatlicher Diskriminierung von ausländischen gegenüber nationalen Investorinnen und Investoren (Inländerbehandlung) und Investorinnen und Investoren aus Drittstaaten (Meistbegünstigung); Schutz vor unrechtmässigen und nicht angemessen entschädigten Enteignungen; Schutz vor Einschränkungen des Transfers von Erträgen und anderen Beträgen im Zusammenhang mit Investitionen; Gewährung der sogenannten gerechten und billigen Behandlung. Streitbeilegungsverfahren ermöglichen es wenn nötig, die Einhaltung der Abkommensbestimmungen vor einem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Das ISA schützt nur Investitionen, die rechtmässig getätigt worden sind, das heisst den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats entsprechen (vgl. Ziff. 3.2). Wer bei der Vor12 / 32

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nahme der Investition die Gesetze nicht eingehalten hat (z. B. bei Korruptionsdelikten), kann sich somit nicht auf den Investitionsschutz berufen.

Das Abkommen besteht aus der Präambel, vier Kapiteln einschliesslich Fussnoten und zwei Anhängen. Das erste Kapitel enthält Definitionen und regelt den Anwendungsbereich des Abkommens. Das zweite Kapitel umfasst die substantiellen Investitionsschutzbestimmungen. Das dritte Kapitel führt die Bestimmungen zur Streitschlichtung auf, und das vierte Kapitel enthält die allgemeinen Bestimmungen, die Ausnahmebestimmungen und die Übergangsbestimmungen. Anhang A ergänzt den Artikel zur Enteignung, und Anhang B enthält einen Verhaltenskodex für Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. Gemäss dem gemeinsamen Verständnis beider Vertragsparteien sind die Fussnoten Bestandteil des Abkommens und haben dieselbe Rechtsverbindlichkeit wie der Abkommenstext.

Das Abkommen wurde in Englisch, Französisch und Indonesisch unterzeichnet, wobei im Fall von Abweichungen der englische Text vorgeht.

3.2

Würdigung

Ziel der Aussenwirtschaftspolitik ist es, dass Schweizer Unternehmen zu den gleichen Bedingungen Zugang zu ausländischen Märkten erhalten wie ihre Konkurrenten im Ausland. Als wichtiges Herkunftsland von internationalen Investitionen liegt es im Interesse der Schweiz, für die Auslandtätigkeit ihrer Unternehmen günstige Rahmenbedingungen zu schaffen und ihnen auch einen wirksamen Rechtsschutz zu bieten.

Die ISA stellen daher ­ zusammen mit den Freihandels- und den Doppelbesteuerungsabkommen ­ einen zentralen Pfeiler der Aussenwirtschaftspolitik des Bundesrates dar. Das vorliegende ISA mit Indonesien ergänzt somit den bereits bestehenden Vertragsrahmen, welcher ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und ein Doppelbesteuerungsabkommen umfasst (vgl. Ziff. 1.2). Es schafft zusätzliche Rechtssicherheit für Schweizer Investorinnen und Investoren, die bereits vor Ort aktiv sind oder dort investieren möchten, und wirkt sich damit auch positiv auf die Investitionsflüsse zwischen der Schweiz und Indonesien aus.

Das neue ISA der Schweiz mit Indonesien stellt sicher, dass Schweizer Investorinnen und Investoren gegenüber solchen aus anderen Staaten nicht schlechter gestellt sind.

Im Jahr 2021 ist das neue bilaterale ISA zwischen Indonesien und Singapur in Kraft getreten. Bereits 2020 trat das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen Indonesien und Australien, welches ein umfassendes Investitionsschutzkapitel enthält, in Kraft. Auch das Freihandelsabkommen zwischen Indonesien und der EU, welches zurzeit verhandelt wird, soll ein Investitionsschutzkapitel enthalten, das an die Stelle der durch Indonesien gekündigten bilateralen ISA mit den einzelnen EU-Mitgliedstaaten treten wird. Vor diesem Hintergrund garantiert das vorliegende Abkommen gleichwertige Wettbewerbsbedingungen für Schweizer Investitionen und trägt zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz bei.

Bei den ISA und den darin vorgesehenen Investor-Staat-Schiedsverfahren wurde in den letzten Jahren ein Reformbedarf ausgemacht. Entsprechend hat auch die Schweiz ihre ISA-Vertragspraxis kontinuierlich weiterentwickelt. Beim vorliegenden Abkommen mit Indonesien handelt es sich um das erste ISA der Schweiz, welches auf einer 13 / 32

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neuen Verhandlungsgrundlage beruht. Es baut auf der bisherigen Vertragspraxis der Schweiz auf und verfolgt das Ziel, ein günstiges Klima und stabile Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen zu schaffen. Im Vergleich zu den bisher abgeschlossenen Abkommen enthält es zusätzliche und detailliertere Bestimmungen, um den Ermessensspielraum der Schiedsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des Abkommens einzuschränken. Zudem wird durch spezifische Bestimmungen, u. a.

zum Regulierungsrecht der Staaten, die Vereinbarkeit der Ziele des Investitionsschutzes mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung gewährleistet. Damit werden die aktuellen Entwicklungen in der internationalen Verhandlungspraxis berücksichtigt.

4

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Abkommens

4.1

Präambel

Die Präambel enthält die allgemeinen Ziele der Vertragsparteien und legt auf diese Weise Leitlinien für die Auslegung des Abkommens fest. Sie unterstreicht die Bedeutung von internationalen Investitionen für die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in beiden Staaten. Dabei wird die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien und der nachhaltigen Entwicklung besonders hervorgehoben. So halten die Vertragsparteien fest, dass es unangemessen ist, Gesundheits-, Sicherheits-, Arbeits- und Umweltstandards zum Zweck der Investitionsförderung zu senken. Sie bekräftigen weiter ihr Bekenntnis zu den grundlegenden Rechten und Grundsätzen im Bereich der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

4.2 Art. 1

Kapitel 1: Begriffsbestimmungen und Geltungsbereich Begriffsbestimmungen

Dieser Artikel enthält die Definitionen der wichtigsten im Abkommen verwendeten Begriffe, insbesondere der Begriffe «Investitionen» und «Investor», wobei es sich bei letzterem um eine natürliche oder juristische Person handeln kann. Die Definition des Begriffs des Investors sieht zudem vor, dass ausschliesslich eine juristische Person mit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivität im Heimatstaat als Investor im Sinne des Abkommens gilt. Damit sollen sog. Briefkastenfirmen vom Geltungsbereich des Abkommens ausgeschlossen werden.

Weitere Definitionen betreffen die Begriffe «frei konvertierbare Währung», «gebietsansässiges Unternehmen», «Erträge» und «Hoheitsgebiet».

Art. 2

Geltungsbereich des Abkommens

Gemäss Artikel 2 findet das ISA auf Investitionen im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei Anwendung, die von Investorinnen und Investoren der anderen Vertragspartei 14 / 32

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vor oder nach dem Inkrafttreten des Abkommens getätigt worden sind (Abs. 1). Es gilt jedoch nicht für Streitigkeiten, die sich auf Ereignisse vor dem Inkrafttreten des Abkommens beziehen (Abs. 2). Das Abkommen schützt nur Investitionen, die rechtmässig getätigt worden sind, das heisst den Gesetzen und Rechtsvorschriften des Gaststaats entsprechen. Wer bei der Vornahme der Investition die Gesetze nicht eingehalten hat (z. B. bei Korruptionsdelikten), kann sich somit nicht auf das ISA berufen.

Weiter wird das öffentliche Beschaffungswesen aus dem Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen (Abs. 3). Schliesslich findet Artikel 5 (Inländerbehandlung) des Abkommens keine Anwendung auf Subventionen oder Zuschüsse einer Vertragspartei (Abs. 4).

Art. 3

Steuermassnahmen

Artikel 3 regelt den Anwendungsbereich des Abkommens auf Steuermassnahmen.

Diese fallen nur in den Anwendungsbereich, wenn sie den Schutzbereich von Artikel 7 (Enteignung) oder Artikel 9 (Transfer) des Abkommens betreffen (Abs. 1 und 2). In diesem Fall ist grundsätzlich auch ein Investor-Staat-Schiedsverfahren möglich (Abs. 3). Ein derartiges Verfahren kann jedoch nur eingeleitet werden, wenn sich die Steuerbehörden der beiden Vertragsparteien nicht innert 360 Tagen darauf einigen konnten, dass keine Verletzung des ISA vorliegt (Abs. 4). Der Artikel enthält sodann Kriterien für die Beurteilung, ob eine Steuermassnahme eine Enteignung darstellt (Abs. 5). Bei einer Unvereinbarkeit zwischen dem ISA und einem Steuerabkommen hat das letztere Vorrang (Abs. 6).

4.3 Art. 4

Kapitel 2: Investitionsschutz Behandlung von Investitionen

Gemäss Artikel 4 verpflichten sich die Vertragsparteien, den Investitionen von Investorinnen und Investoren der anderen Vertragspartei eine gerechte und billige Behandlung (fair and equitable treatment) zu gewähren sowie vollständigen Schutz und Sicherheit zu garantieren (Abs. 1). Im Unterschied zu früher abgeschlossenen Abkommen wird der Schutzbereich u. a. durch die Aufnahme einer abschliessenden Liste von Tatbeständen, die gegen diesen Standard verstossen, konkretisiert. Dazu gehören die Rechtsverweigerung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, offensichtliche Willkür oder eine missbräuchliche Behandlung ausländischer Investorinnen und Investoren (Abs. 2). Die im Abkommen enthaltene Liste kann durch die beiden Vertragsparteien erweitert werden (Abs. 3). Der Artikel enthält sodann weitere Hinweise zum Umfang der Schutzbestimmung (Abs. 4­7).

Art. 5

Inländerbehandlung

Artikel 5 sieht vor, dass Investorinnen und Investoren der anderen Vertragspartei sowie deren Investitionen dieselbe Behandlung geniessen, wie die eigenen Investorinnen und Investoren und deren Investitionen (sog. Inländerbehandlung).

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Art. 6

Meistbegünstigung

Mit Artikel 6 wird sichergestellt, dass Investorinnen und Investoren der anderen Vertragspartei sowie deren Investitionen dieselbe Behandlung geniessen wie die Investorinnen und Investoren eines Drittstaates und deren Investitionen (sog. Meistbegünstigung). Davon ausgenommen sind Vorteile, die einem Drittstaat u. a. in einem früher abgeschlossenen Investitionsabkommen, im Rahmen einer Freihandelszone oder einer Zollunion oder in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gewährt werden (Abs. 3). Zudem schliesst die Meistbegünstigung keine Bestimmungen zu internationalen Streitbeilegungsverfahren ein, die in anderen internationalen Abkommen enthalten sind (Abs. 4). Eine Investorin oder ein Investor kann somit nicht fordern, dass bei einem Schiedsverfahren zwischen einem Investor und dem Gaststaat (vgl. Art. 15 ff.) Verfahrensregeln aus einem anderen internationalen Abkommen zur Anwendung kommen. Bei den materiellen Schutzbestimmungen ist eine Berufung auf die Meistbegünstigung nur möglich, wenn neben der Vertragsbestimmung in einem anderen internationalen Abkommen auch eine tatsächliche Diskriminierung aufgrund einer konkreten Massnahme des Gaststaats vorliegt (Abs. 5).

Art. 7

Enteignung

Gemäss dem Verbot der entschädigungslosen Enteignung in Artikel 7 darf keine Investition von Investoren der anderen Vertragspartei enteignet werden, ohne dass ein öffentliches Interesse vorliegt, ein diskriminierungsfreies Enteignungsverfahren durchgeführt und eine Entschädigung im Umfang des Marktwertes bezahlt wurde. Im Unterschied zu früher abgeschlossenen Abkommen wird in Anhang A detailliert umschrieben, was unter den Begriff der Enteignung und insbesondere der indirekten Enteignung fällt (Abs. 1 und 2).

Der Artikel enthält sodann spezifische Vorgaben und insbesondere Bewertungskriterien für die Festlegung des Marktwertes (Abs. 3 und 4). Bei einer Landenteignung richtet sich das Verfahren nach dem nationalen Recht. Auch hier setzt jedoch eine Enteignung immer ein öffentliches Interesse und die Zahlung einer Entschädigung im Umfang des Marktwerts voraus (Abs. 5). Der Artikel findet gemäss Absatz 6 keine Anwendung auf die Erteilung von Zwangslizenzen oder andere Einschränkungen der Rechte am geistigen Eigentum, sofern diese mit dem Abkommen vom 15. April 199414 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPSAbkommen) vereinbar sind.

Art. 8

Entschädigung für Verluste

Artikel 8 sieht vor, dass bei Verlusten, die durch bewaffnete Konflikte oder innere Unruhen verursacht wurden, den Investitionen der Investorinnen und Investoren der anderen Vertragspartei dieselbe Behandlung hinsichtlich Schadenersatz usw. zugutekommen soll wie den eigenen Investorinnen und Investoren oder den Investorinnen und Investoren eines Drittstaates, je nachdem welche Behandlung günstiger ist (Abs. 1). Im Fall einer Beschlagnahme oder nicht gerechtfertigten Zerstörung einer

14

SR 0.632.20, Anhang 1C

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Investition durch die Streitkräfte des Gaststaats ist eine volle Entschädigung zu bezahlen (Abs. 2).

Art. 9

Transfer

Artikel 9 stellt sicher, dass Transfers im Zusammenhang mit Investitionen ohne Beschränkung oder Verzögerung in das Gebiet des Gaststaates hinein und aus dem Gebiet hinaus getätigt werden dürfen. Dies gilt insbesondere für Erträge, Lizenzgebühren, zusätzliche Kapitalleistungen für den Unterhalt oder die Ausweitung der Investition sowie Erlöse aus der teilweisen oder vollständigen Veräusserung oder Liquidation einer Investition (Abs. 1). Derartige Transfers erfolgen grundsätzlich in einer frei konvertierbaren Währung zu dem am Tag der Überweisung geltenden marktgerechten Wechselkurs (Abs. 2). In Absatz 3 wird präzisiert, dass die diskriminierungsfreie und gutgläubige Anwendung der Gesetzgebung der Vertragsparteien u.a. im Bereich des Gläubigerschutzes oder der Steuern sowie zur Umsetzung von administrativen Urteilen oder Verfügungen zulässig ist. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien gemäss dem Übereinkommen vom 22. Juli 194415 über den Internationalen Währungsfonds (IWF-Übereinkommen) werden durch das ISA nicht tangiert (Abs. 4). Absatz 5 präzisiert sodann, dass eine Verzögerung aufgrund von Transferformalitäten von maximal zwei Monaten zulässig ist.

Art. 10

Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz

Artikel 10 gibt den Vertragsparteien die Möglichkeit, bei schwerwiegenden Zahlungsbilanzschwierigkeiten den Kapitalverkehr einzuschränken (Abs. 1). Derartige Beschränkungen müssen mit dem IWF-Übereinkommen vereinbar sein. Sie müssen zudem verhältnismässig, zeitlich befristet und nicht-diskriminierend sein (Abs. 2).

Art. 11

Subrogation

Artikel 11 sieht vor, dass die Vertragsparteien den Übergang der Rechte einer Investorin oder eines Investors auf die andere Vertragspartei oder auf eine von ihr bezeichnete Institution (sog. Subrogation) anerkennen sollen, wenn die Investorin oder der Investor gestützt auf eine Garantie oder einen Versicherungsvertrag für die Schäden im Zusammenhang mit nicht-kommerziellen Risiken von ebendieser bereits entschädigt wurde.

Art. 12

Regulierungsrecht

In Artikel 12 bestätigen die Vertragsparteien ihr Recht, für die Wahrung von öffentlichen Interessen wie namentlich der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und dem Schutz der Umwelt angemessene Regelungen zu erlassen (sog. Regulierungsrecht).

Mit dieser Bestimmung wird vermieden, dass das ISA den politischen Gestaltungsspielraum der Staaten zum Schutz öffentlicher Interessen einschränkt. Gerade Entwicklungsländer wie Indonesien haben teilweise einen regulatorischen Nachholbedarf (z. B. Umweltschutz) und versuchen deshalb, ausländische Direktinvestitionen nicht 15

SR 0.979.1

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nur zu fördern, sondern auch stärker zu regulieren. Dies soll durch das ISA nicht verhindert werden. Derartige Regelungen müssen jedoch im Einklang mit diesem Abkommen stehen und die wesentlichen Grundsätze wie zum Beispiel Nichtdiskriminierung und Verhältnismässigkeit beachten.

Art. 13

Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen

Das vorliegende ISA enthält erstmals eine spezifische Bestimmung zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen, welche darauf abzielt die Vereinbarkeit des Investitionsschutzes mit der nachhaltigen Entwicklung zu gewährleisten. Gemäss Artikel 13 verpflichtet sich jede Vertragspartei, die Unternehmen auf ihrem Staatsgebiet anzuhalten, die international anerkannten und von der Vertragspartei unterstützen Standards der verantwortungsvollen Unternehmensführung zu beachten.

Art. 14

Massnahmen gegen Korruption

Das vorliegende Abkommen enthält im Unterschied zu früher abgeschlossenen Abkommen erstmals eine Bestimmung zur Korruptionsbekämpfung. Artikel 14 hält explizit fest, dass Investorinnen und Investoren vor oder nach der Tätigung einer Investition keine Bestechungshandlungen vornehmen dürfen. Sie sind somit gehalten, die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben der beiden Vertragsparteien einzuhalten.

4.4

Kapitel 3: Streitbeilegung

Das Abkommen enthält je einen Abschnitt zur Streitbeilegung zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei (sog. Investor-StaatSchiedsverfahren) und zur Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien.

4.4.1

Streitbeilegung zwischen einer Vertragspartei und einer Investorin oder einem Investor der anderen Vertragspartei

Die Schweiz vereinbart wie die meisten anderen Staaten seit den 1990er-Jahren in ihren ISA einen Investor-Staat-Schiedsmechanismus. Dieser erlaubt es der Investorin oder dem Investor, einen Streitfall mit dem Gaststaat direkt und ohne Mitwirkung seines Heimatstaats einem unabhängigen internationalen Schiedsgericht zu unterbreiten. Das vorliegende Abkommen widerspiegelt erstmals den neuen Verhandlungsansatz der Schweiz, welcher zusätzliche Bestimmungen zu den Investor-Staat-Schiedsverfahren vorsieht. Dabei verweist das ISA bezüglich der Verfahrensregeln zwar weiterhin auf die von den Streitparteien gewählte Schiedsordnung, regelt jedoch wichtige Verfahrensgrundsätze direkt im Abkommen.

Die Investorin oder der Investor kann in einem Streitfall zwischen dem nationalen Rechtsweg im Gaststaat und einem Investor-Staat-Schiedsverfahren wählen. Dabei bietet der Zugang zu einem internationalen Schiedsgericht Investorinnen und Investoren einen zusätzlichen Rechtsschutz, wenn z. B. Unabhängigkeit und Effizienz der 18 / 32

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nationalen Gerichte im Gaststaat nicht vollumfänglich gegeben sind. Zur Verhinderung von Mehrfachklagen ist es dem Investor gemäss dem ISA untersagt, denselben Streitfall gleichzeitig auf dem nationalen und auf dem internationalen Rechtsweg zu verfolgen (vgl. die Ausführungen zu Art. 19). Für den Zugang zum Schiedsverfahren wird die vorherige Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs nicht vorausgesetzt, da dies mehrere Jahre dauern und zu einer grossen Rechtsverzögerung führen würde.

Wählt die Investorin oder der Investor zuerst den nationalen Rechtsweg, verliert sie oder er den Zugang zur Schiedsgerichtsbarkeit nicht, da sonst entgegen den Interessen der Gaststaaten ein Anreiz für den Verzicht auf den nationalen Rechtsweg geschaffen würde.

Durch das direkte Klagerecht der Investorin oder des Investors gegen den Gaststaat wird vermieden, dass der Heimatstaat der Investorin oder des Investors bei einem Streitfall im Rahmen des diplomatischen Schutzes gegen den Gaststaat vorgeht, woraus ein zwischenstaatlicher Konflikt entstehen könnte.

Art. 15

Geltungsbereich

Artikel 15 regelt den Anwendungsbereich des Investor-Staat-Schiedsverfahrens und sieht vor, dass dieses nur für Investitionsstreitigkeiten gilt, welche nach dem Inkrafttreten des Abkommens entstanden sind (Abs. 1 und 2). Eine natürliche Person, welche die Nationalität einer Vertragspartei besitzt, kann kein Schiedsverfahren gegen diese Vertragspartei einleiten (Abs. 3). Eine juristische Person kann keine Schiedsverfahren gegen eine Vertragspartei einleiten, wenn sie im Eigentum oder unter der Kontrolle eines Investors aus einem Drittstaat ist, mit welchem die beklagte Vertragspartei keine diplomatischen Beziehungen unterhält (Abs. 4).

Art. 16

Transparenz

Artikel 16 zur Transparenz hält fest, dass die Vertragsparteien sämtliche Schiedssprüche und Entscheide des Schiedsgerichts öffentlich zugänglich machen (Abs. 1). Von der Veröffentlichung ausgenommen sind vertrauliche Informationen. Darunter fallen Informationen, deren Veröffentlichung die Sicherheitsinteressen des Staates oder berechtigte Wirtschaftsinteressen beeinträchtigen würde (Abs. 2 und 3). Zudem sind die Anhörungen der Schiedsgerichte grundsätzlich öffentlich, sofern die beiden Streitparteien nichts Anderes beschliessen (Abs. 4).

Art. 17

Konsultationen

Gemäss Artikel 17 ist vor der Einleitung eines Schiedsverfahrens eine Konsultationsphase vorgesehen, während der eine einvernehmliche Lösung gesucht werden soll (Abs. 1). Das schriftliche Konsultationsgesuch muss die in Absatz 2 aufgeführten Informationen enthalten.

Art. 18

Mediation

Sollte sich der Rechtsstreit nicht durch Konsultationen lösen lassen, bietet Artikel 18 weitere Möglichkeiten wie z. B. eine Mediation für eine aussergerichtliche Einigung zwischen den Streitparteien an (Abs. 1). Dieser einvernehmliche Prozess kann inner19 / 32

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halb von sechs Monaten seit dem Gesuch um Konsultationen durch eine der Streitparteien eingeleitet werden (Abs. 2). Die Verfahrenskosten werden von den Streitparteien zu gleichen Teilen getragen (Abs. 3).

Art. 19

Einreichung der Klage

Konnte der Rechtsstreit innerhalb von 12 Monaten seit dem Gesuch um Konsultationen nicht gelöst werden, kann gemäss Artikel 19 eine Klage vor einem internationalen Schiedsgericht erhoben werden. Dabei hat die Investorin oder der Investor die Wahl zwischen einem Schiedsverfahren gemäss den ICSID-Regeln, der Schiedsordnung der UNCITRAL oder anderen gemeinsam vereinbarten Schiedsregeln (Abs. 1). Soweit das ISA keine spezifischen Verfahrensregeln enthält, gelten die Regeln der gewählten Schiedsordnung. Im Fall eines Konflikts zwischen den Verfahrensregeln im ISA und den anwendbaren Schiedsregeln, geht das ISA im Sinne eines lex specialis vor (Abs. 2).

Im Artikel ist zudem die vorgängige Zustimmung beider Vertragsstaaten enthalten, Streitfälle im Zusammenhang mit der Anwendung des ISA der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu unterstellen (Abs. 3 und 4). Die klagende Investorin oder der klagende Investor muss den beklagten Staat 90 Tage vor der Klageeinreichung mit einem Schreiben über die bevorstehende Klageeinreichung informieren. Entscheidet sie oder er sich, ein internationales Schiedsgericht anzurufen, so ist sie oder er verpflichtet, sämtliche hängigen nationalen und internationalen Verfahren in derselben Sache nicht weiterzuführen und keine neuen Verfahren einzuleiten (Abs. 5). Eine Klage kann sodann nur eingereicht werden, wenn nicht bereits ein endgültiger Schiedsspruch eines anderen internationalen Schiedsgerichts zur gleichen Massnahme vorliegt (Abs. 6). Weiter muss die Klage spätestens 24 Monate nach dem Konsultationsgesuch eingereicht werden (Abs. 7). Schliesslich sieht die Bestimmung eine Frist für die Klageeinreichung von maximal fünf Jahren vor seit dem Zeitpunkt, an dem die Investorin oder der Investor von der Verletzung des ISA Kenntnis erhalten hat oder hätte erhalten können (Abs. 8).

Art. 20

Finanzierung durch Dritte

Gemäss Artikel 20 müssen die Streitparteien eine allfällige Finanzierung des Verfahrens durch Dritte offenlegen (Abs. 1 und 2). Wird diese Offenlegungspflicht missachtet, kann das Schiedsgericht dies bei der Kostenaufteilung berücksichtigen oder die Suspendierung oder Beendigung des Verfahrens anordnen (Abs. 3).

Art. 21

Einsetzung des Schiedsgerichts

Gemäss Artikel 21 besteht ein Schiedsgericht aus drei Schiedspersonen, zwei davon werden von den Streitparteien, die Dritte von den zwei gewählten Schiedspersonen bestimmt. Sie dürfen keine Staatsangehörige der beiden Vertragsparteien sein (Abs. 1). Gelingt es den Streitparteien nicht innerhalb von 90 Tagen das Schiedsgericht zu errichten, wird die Konstituierung des Schiedsgerichts durch die Generalsekretärin bzw. den Generalsekretär von ICSID vorgenommen (Abs. 2). Die Bestimmung sieht weiter vor, dass die Schiedspersonen über Expertise im Völkerrecht und internationalen Investitionsrecht verfügen (Abs. 3). Beim Rücktritt einer Schiedsperson 20 / 32

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wird die Nachfolge gemäss denselben Vorgaben ernannt (Abs. 4). Schliesslich haben die Schiedspersonen den Verhaltenskodex in Anhang B des Abkommens einzuhalten (Abs. 5).

Art. 22

Anwendbares Recht und gemeinsame Auslegung

In Artikel 22 wird als anwendbares Recht das ISA selbst und weiteres einschlägiges Recht bestimmt (Abs. 1). Sollten Fragen zur Interpretation des ISA aufkommen, haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, sich auf eine gemeinsame Interpretation zu einigen. Die Vertragsparteien bestimmen, ab welchem Zeitpunkt die gemeinsame Interpretation für die Schiedsgerichte bindend sein soll (Abs. 2).

Art. 23

Sitz des Schiedsverfahrens

Um die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsgerichtsurteils zu gewährleisten, soll das Schiedsgericht gemäss Artikel 23 seinen Sitz in einem Staat haben, der das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 195816 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ratifiziert hat.

Art. 24

Schiedsverfahren

Die Vertragsparteien wurden aufgrund eigener Erfahrungen mit unbegründeten Klagen darauf sensibilisiert, wie wichtig es ist, dass ein Schiedsgericht die Möglichkeit hat, unbegründete Klagen in einem Schnellverfahren abzuweisen. Da nicht alle Schiedsordnungen eine derartige Bestimmung vorsehen, ist es wichtig, eine entsprechende Regelung ins ISA aufzunehmen. In Artikel 24 wird festgehalten, unter welchen Umständen ein Schiedsgericht eine Klage als unbegründet abweisen kann. Ein solcher Einwand der Unbegründetheit ist innerhalb von 45 Tagen zu erheben (Abs. 1 und 2). Das Schiedsgericht wird daraufhin das Verfahren zur Zulässigkeit der Klage vom Hauptverfahren abtrennen (Abs. 3). Der Entscheid über die Zulässigkeit ist in einem beschleunigten Verfahren innerhalb von 150 Tagen zu fällen (Abs. 4).

Art. 25

Diplomatischer Schutz

Artikel 25 sieht vor, dass die Vertragspartei, deren Investor eine Klage eingereicht hat, während des Verfahrens auf diplomatischen Schutz verzichten muss, bis das Urteil des Schiedsgerichts ergangen ist.

Art. 26

Schiedsspruch

Gemäss Artikel 26 kann das Schiedsgericht der obsiegenden Partei Schadenersatz inkl. Zinsen oder den Ersatz des Eigentums, nicht aber Strafschadenersatz (sog. punitive damages) zusprechen. Das Schiedsgerichtsurteil ist für die Parteien bindend. Es wird nach 120 Tagen (ICSID) oder nach 90 Tagen (UNCITRAL, ICSID Additional Facility oder andere ad hoc Schiedsgerichte) formell rechtskräftig, wenn keine Revi-

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SR 0.277.12

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sion oder Annullation des Urteils verlangt wurde. Wurden solche Anfechtungsverfahren erhoben, wird das Urteil nach deren Abschluss rechtskräftig.

Art. 27

Kosten

Dem Schiedsgericht wird in Artikel 27 die Kompetenz erteilt, die Kostenaufteilung zu regeln. Auch wenn es die Gesamtumstände des Verfahrens berücksichtigen kann, sind die Kosten grundsätzlich von der unterliegenden Streitpartei zu tragen.

Art. 28

Sicherheitsleistung für die Kosten

Wenn Grund zur Annahme besteht, dass eine Streitpartei für die Kosten des Verfahrens nicht aufkommen kann, hat das Schiedsgericht gestützt auf Artikel 28 die Möglichkeit, auf Ersuchen der Gegenpartei eine Sicherheitsleistung für die Kosten zu verlangen (Abs. 1). Die Bestimmung enthält sodann Kriterien für die Beurteilung eines derartigen Gesuchs und Vorgaben zum Verfahren (Abs. 2 und 3). Das Schiedsgericht kann das Verfahren sistieren oder einstellen, wenn eine Streitpartei der Anordnung bezüglich der Sicherheitsleistung nicht nachkommt (Abs. 4).

Art. 29

Verbindung mehrerer Verfahren

Werden mehrere Schiedsverfahren eingeleitet, welche dieselben Rechts- oder Sachfragen betreffen und sich aus denselben Ereignissen ergeben, können sich die involvierten Parteien gemäss Artikel 29 darauf einigen, die Verfahren soweit möglich zusammenzulegen.

Art. 30

Einstellung des Verfahrens

Versäumt es die Investorin oder der Investor während 180 Tagen nach der Einreichung der Klage die nötigen Verfahrensschritte zu unternehmen, gilt seine Klage gemäss Artikel 30 als zurückgezogen. Auf Antrag der beklagten Vertragspartei stellt das Schiedsgericht nach der Benachrichtigung der Streitparteien das Verfahren ein.

Art. 31

Zustellung von Schriftstücken

Artikel 31 spezifiziert die Zustelladresse für Schriftstücke und sonstige Unterlagen im Rahmen eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens.

4.4.2

Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien

Neben den Investor-Staat-Schiedsverfahren sieht das Abkommen auch ein Verfahren zwischen den Vertragsparteien zur Beilegung von Streitigkeiten vor (sog. Staat-StaatSchiedsverfahren).

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Art. 32

Geltungsbereich

Artikel 32 regelt den Anwendungsbereich des Staat-Staat-Schiedsverfahrens. Demnach ist es auf Streitigkeiten hinsichtlich der Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen des ISA anwendbar.

Art. 33

Konsultationen

Gemäss Artikel 33 kann jede Vertragspartei Konsultationen verlangen, sollte die Auslegung oder Anwendung des Abkommens nicht klar sein. Können sich die Vertragsparteien innerhalb von sechs Monaten trotz Konsultationen nicht einigen, kann die Streitfrage einem Schiedsgericht unterbreitet werden.

Art. 34

Einsetzung des Schiedsgerichts

Eine Vertragspartei kann ein Schiedsverfahren durch ein schriftliches Gesuch an die andere Vertragspartei einleiten (Abs. 1). Danach bestimmt jede Vertragspartei eine Schiedsperson, welche wiederum gemeinsam die vorsitzende Schiedsperson bestimmen (Abs. 2). Gelingt es nicht, das Schiedsgericht innerhalb der vorgegebenen Fristen einzusetzen, erfolgen die Ernennungen durch die Generalsekretärin bzw. den Generalsekretär von ICSID (Abs. 2 und 3). Sämtliche Schiedspersonen müssen über Kenntnisse im Völkerrecht, internationalen Investitionsrecht und der Schiedsgerichtsbarkeit verfügen. Die Schiedspersonen müssen zudem unparteiisch sein und dürfen von den Vertragsparteien keine Weisungen annehmen (Abs. 4). Beim Rücktritt einer Schiedsperson wird die Nachfolge gemäss denselben Vorgaben ernannt (Abs. 5). Schliesslich sieht der Artikel vor, dass die Kosten von den Vertragsparteien grundsätzlich hälftig getragen werden, es sei denn, das Schiedsgericht bestimmt eine abweichende Kostenaufteilung (Abs. 6).

Art. 35

Sitz des Schiedsverfahrens

Artikel 35 sieht vor, dass das Schiedsgericht den Sitz des Schiedsverfahrens bestimmt, sofern die Vertragsparteien nicht etwas anderes vereinbaren.

Art. 36

Schiedsverfahren

Gemäss Artikel 36 legt das Schiedsgericht die Verfahrensregeln selbst fest (Abs. 1).

Es legt das ISA in Übereinstimmung mit den anwendbaren Regeln des Völkerrechts aus (Abs. 2) und erlässt einen für beide Vertragsparteien bindenden Schiedsspruch (Abs. 3).

4.5 Art. 37

Kapitel 4: Allgemeine Bestimmungen, Ausnahmen und Schlussbestimmungen Günstigere Bedingungen

Sollten andere nationale Bestimmungen oder internationale Verpflichtungen zwischen den Vertragsparteien den Investorinnen und Investoren eine günstigere Behand23 / 32

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lung gewähren, als dies im ISA vorgesehen ist, so werden diese gemäss Artikel 37 durch das ISA nicht berührt. Durch diese Bestimmung im ISA werden keine zusätzlichen Rechte für Investorinnen und Investoren begründet. Zugleich sollen jedoch bereits bestehende Rechte durch den Abschluss des ISA nicht eingeschränkt werden.

Art. 38

Verweigerung von Vorteilen

Artikel 38 sieht vor, dass eine Vertragspartei einem Investor, bei dem es sich um eine juristische Person handelt, den Schutz durch das ISA verweigern kann, wenn die juristische Person unter der Kontrolle eines Investors eines Drittstaats steht und keine wesentliche Geschäftstätigkeit auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei aufweist (Abs. 1). Damit kann vermieden werden, dass Investorinnen und Investoren aus Drittstaaten vom ISA profitieren können, indem sie z. B. eine sog. Briefkastenfirma in einem der beiden Vertragsstaaten gründen. Der Schutz durch das ISA kann ebenfalls verweigert werden, wenn durch dessen Anrufung Massnahmen einer Vertragspartei zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit wie z. B. Sanktionen verletzt oder umgangen würden (Abs. 2).

Art. 39

Transparenz

In Artikel 39 verpflichten sich beide Vertragsparteien, sämtliche rechtlichen Grundlagen, welche Einfluss auf die Investitionen der Investorinnen und Investoren haben, ohne Verzögerung öffentlich zugänglich zu machen (Abs. 1). Zudem soll jede Vertragspartei Fragen der anderen Vertragspartei zu den rechtlichen Grundlagen innerhalb einer angemessenen Frist beantworten (Abs. 2).

Art. 40

Offenlegung von Informationen

Artikel 40 sieht vor, dass die Vertragsparteien von Investorinnen und Investoren die Bereitstellung von Informationen für statistische Zwecke fordern können. Die Vertragsparteien verpflichten sich gleichzeitig, vertrauliche Informationen vor einer Offenlegung zu schützen (Abs. 1). Die Vertragsparteien selbst sind beim Vorliegen eines besonderen Schutzinteressens nicht verpflichtet, vertrauliche Informationen preiszugeben (Abs. 2).

Art. 41

Allgemeine Ausnahme

Artikel 41 hält fest, dass das ISA keine Vertragspartei daran hindern soll, nicht diskriminierende und verhältnismässige Massnahmen zu ergreifen, die zum Schutz bestimmter öffentlicher Interessen wie z. B. der öffentlichen Ordnung oder dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen erforderlich sind.

Diese Bestimmung entspricht weitgehend den allgemeinen Ausnahmen in Artikel XIV des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)17 bzw.

Artikel XX des Allgemeines Zoll- und Handelsabkommens (GATT)18.

17 18

SR 0.632.20, Anhang 1B SR 0.632.21

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Art. 42

Aufsichtsrechtliche Massnahmen

Artikel 42 hält fest, dass die Vertragsparteien durch den Abschluss des ISA nicht gehindert werden, nichtdiskriminierende aufsichtsrechtliche Massnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems zu ergreifen.

Art. 43

Förderung und Erleichterung von Investitionen

Artikel 43 sieht vor, dass beide Vertragsparteien sich bemühen sollen, Investitionen zwischen den Vertragsparteien zu vereinfachen und zu fördern (Abs. 1). Dabei kann auf der Zusammenarbeit gemäss bereits bestehenden Abkommen wie z. B. dem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien aufgebaut werden (Abs. 2). Dieser Artikel hat keinen Einfluss auf die im ISA geregelten Schutzbestimmungen und kann nicht Gegenstand eines Streitbeilegungsverfahrens sein (Abs. 3).

Art. 44

Inkrafttreten, Dauer und Beendigung

Gemäss Artikel 44 wird das ISA in Kraft treten, sobald beide Vertragsparteien die nationalen Verfahren für das Inkrafttreten internationaler Abkommen abgeschlossen haben (Abs. 1). Es bleibt erstmals für zehn Jahre in Kraft; danach verlängert es sich automatisch für eine unbefristete Dauer, wobei es mit einer einjährigen Kündigungsfrist gekündigt werden kann (Abs. 4). Investitionen, welche vor der Kündigung des Abkommens getätigt wurden, sind im Falle einer Kündigung für weitere zehn Jahre unter dem ISA geschützt (Abs. 5).

Unter dem am 8. April 2016 ausser Kraft getretenen früheren ISA mit Indonesien können gemäss dessen Artikel 1119 Klagen noch während einer bestimmten Übergangsfrist, d.h. bis zum Ablauf der Bewilligungsdauer der betroffenen Investition, eingereicht werden. Gemäss Artikel 44 wird diese Möglichkeit beschränkt und Klagen unter dem alten ISA können nur noch während eines Jahres seit dem Inkrafttreten des neuen ISA erhoben werden (Abs. 2). Ab diesem Zeitpunkt sind somit Klagen nur noch unter dem neuen ISA möglich.

4.6

Anhänge

4.6.1

Anhang A: Enteignung

Frühere ISA verzichteten darauf den Begriff der indirekten Enteignung näher zu definieren und überliessen diese Aufgabe den Schiedsgerichten bei der Anwendung und Auslegung der Abkommen. Im vorliegenden Abkommen sind nun zusätzliche Angaben enthalten, um den Schiedsgerichten Leitlinien vorzugeben, wie zwischen einer entschädigungspflichtigen indirekten Enteignung und anderen nicht entschädigungspflichtigen Massnahmen zu unterscheiden ist. Anhang A enthält dazu eine Definition 19

Artikel 11 des gekündigten ISA vom 6. Februar 1974 lautet wie folgt (französischer Originaltext): «En cas de dénonciation de la présente Convention, les dispositions qui y sont prévues s'appliqueront encore pendant la durée autorisée des investissements admis par les Parties Contractantes avant la dénonciation de la présente Convention.»

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der Begriffe «direkte Enteignung» und «indirekte Enteignung». Er enthält zudem eine Liste von Kriterien (z. B. wirtschaftliche Auswirkungen, Dauer, Ziel und Verhältnismässigkeit einer Massnahme), anhand derer bei der Prüfung spezifischer Fälle zu ermitteln ist, ob es sich bei staatlichen Massnahmen um eine indirekte Enteignung handelt. Die Aufnahme derartiger Präzisierungen in das Abkommen trägt zur Vermeidung allfälliger extensiver Auslegungen in Schiedsverfahren bei und erhöht damit die Rechtssicherheit für die Gaststaaten und die Investorinnen und Investoren. Der Anhang entspricht weitgehend einem analogen Anhang im Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA), welcher auch von zahlreichen anderen Staaten in ihre Vertragspraxis übernommen wurde.

4.6.2

Anhang B: Verhaltenskodex für Schiedsrichter

Anhang B enthält gestützt auf Artikel 21 Absatz 5 des ISA Verhaltensregeln für Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren.

Diese sind gehalten, alle Interessen und Beziehungen offenzulegen, welche zu einem Interessenskonflikt führen und den Anschein von Befangenheit erwecken könnten.

Weiter müssen sie dafür besorgt sein, die Schiedsverfahren fair und fristgerecht durchzuführen. Sodann haben sie verschiedenen Vorgaben Rechnung zu tragen, damit ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewahrt bleibt. Schliesslich haben sie den Schutz von vertraulichen Informationen zu garantieren und sicherzustellen, dass auch ihre Mitarbeitenden die Verhaltensregeln kennen und beachten.

Durch diesen Verhaltenskodex soll sichergestellt werden, dass die Investor-StaatSchiedsverfahren ordentlich durchgeführt und Interessenskonflikte vermieden werden.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

5.1.1

Personelle Auswirkungen

Das ISA mit Indonesien hat keine personellen Auswirkungen auf den Bund.

5.1.2

Finanzielle Auswirkungen

Das ISA mit Indonesien hat keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Schweiz von der anderen Vertragspartei oder einem ihrer Investorinnen und Investoren im Rahmen eines internationalen Schiedsverfahrens belangt wird oder dass sie sich selbst veranlasst sieht, ein Schiedsverfahren gegen die andere Vertragspartei anzustrengen, um ihre Rechte geltend zu machen. Dies ist jedoch keine Besonderheit des ISA mit Indonesien, sondern gilt für alle ISA, welche von der Schweiz abgeschlossen wurden und derzeit in Kraft sind. Je nach Umständen können mit solchen Verfahren finanzielle Folgen verbunden sein. Es 26 / 32

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wäre in einem solchen Fall Aufgabe des Bundesrats, die Frage der Übernahme der Kosten zu klären und rechtzeitig beim Parlament im Rahmen des Voranschlags oder im Nachtragsverfahren die notwendigen zusätzlichen Kredite zu beantragen. Dabei hat er sich wie üblich an den Vorgaben des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200520 (FHG) und den für den Bund aufgrund von Artikel 48 FHG relevanten «International Public Sector Accounting Standards» (IPSAS) zu orientieren.

5.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Das ISA mit Indonesien hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden. Es ergeben sich auch keine neuen Vollzugsaufgaben.

5.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Für die Schweiz sind internationale Investitionen von erstrangiger Bedeutung. Gemäss den Statistiken der SNB stellen sowohl der Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland (über 1406 Milliarden Schweizerfranken, Stand Ende 2021) als auch die Zahl der durch schweizerisch beherrschte Tochterunternehmen im Ausland beschäftigten Personen (gut 2 Millionen) im internationalen Vergleich Spitzenwerte dar. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Bestand schweizerischer Direktinvestitionen im Ausland beinahe vervierfacht. Umgekehrt erreichten die ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz im gleichen Jahr rund 1064 Milliarden Schweizerfranken.

Neben grossen multinationalen Unternehmen verfügen auch mehrere Hundert KMU über bedeutende Auslandinvestitionen. Diese ermöglichen den Schweizer Unternehmen die Erschliessung neuer Absatzmärkte sowie die Nutzung von Grössen- und Netzwerkvorteilen, die für die Wettbewerbsfähigkeit oft eine ausschlaggebende Rolle spielen. Die praktische Bedeutung der ISA besteht darin, dass sie die Investitionsbeziehungen zwischen der Schweiz und ihren Partnerländern auf eine völkerrechtliche Grundlage stellen. Dadurch erhöht sich die Rechtssicherheit für die Investorinnen und Investoren und zugleich reduziert sich das Risiko, als ausländischer Investor diskriminiert oder in anderer Weise nachteilig behandelt zu werden.

Quantitative Auswirkungen von ISA lassen sich nicht wie bei Doppelbesteuerungsoder Freihandelsabkommen abschätzen, bei welchen Zahlen zu Steuern oder Zollabgaben verfügbar sind. Die ökonomische Bedeutung solcher Abkommen nimmt aber mit der wirtschaftlichen Globalisierung weiter zu. Für die Schweiz mit ihrem beschränkten Binnenmarkt gilt dies in besonderem Masse. Indem ISA unsere Unternehmen dabei unterstützen, sich durch Auslandsinvestitionen im internationalen Wettbewerb zu behaupten, stärken sie auch den Wirtschaftsstandort Schweiz. Wenn der Absatz eines Unternehmens weltweit steigt, führt dies wiederum zu einer Zunahme von wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätzen in der Zentrale des Unternehmens in

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der Schweiz (z. B. Forschung und Entwicklung) und zu wachsenden Steuereinnahmen.

5.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt

Die Aussenwirtschaftspolitik dient dem Erhalt und der Steigerung des Wohlstands der Bevölkerung, im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung. Die Aussenwirtschaftspolitik leistet damit einen wichtigen Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung. Während die aussenwirtschaftspolitischen Instrumente in erster Linie auf die Stärkung der wirtschaftlichen Dimension zielen, kommt auch den Dimensionen Umwelt und Soziales eine hohe Bedeutung zu. Sie sollen ebenfalls gestärkt oder von aussenwirtschaftspolitischen Instrumenten nicht beeinträchtigt werden.21 Entsprechend berücksichtigen die ISA auch ökologische und soziale Aspekte und tragen damit den Anforderungen der Nachhaltigkeit Rechnung.

Wirtschaftliche Tätigkeiten benötigen Ressourcen und Arbeitskräfte und sind mit entsprechenden Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft verbunden. Im Sinne des Nachhaltigkeitskonzepts gilt es, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu stärken und den Wohlstand zu steigern sowie gleichzeitig die Umweltbelastung und den Ressourcenverbrauch auf einem dauerhaft tragbaren Niveau zu halten bzw. auf ein solches zu senken und den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten. In welchem Umfang Investitionen die Umwelt in den Vertragsstaaten beeinflussen, wird einerseits durch die nationale Regulierung bestimmt und andererseits dadurch, in welchen Sektoren die Investitionen getätigt werden (z. B. Investitionen in umweltfreundliche Produktionsweisen oder in Sektoren mit höherer Umweltbelastung). Durch die mit Investitionen generell verbundene Förderung des Kapital-, Technologie- und Wissenstransfers in die Entwicklungs- und Schwellenländer werden Arbeitsplätze geschaffen. Dies wirkt sich positiv auf die lokale Wirtschaft aus und hat zum Ziel, die nachhaltige Entwicklung zu fördern.

Das ISA mit Indonesien enthält Bestimmungen, die eine Umsetzung der wirtschaftlichen Dimension im Einklang mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung in den Bereichen Umwelt und Gesellschaft gewährleisten sollen. Zu diesem Zweck anerkennen die Vertragsparteien in der Präambel des ISA die Notwendigkeit, mittels Investitionen die nachhaltige Entwicklung zu fördern, und heben hervor, dass die Ziele des vorliegenden Abkommens ohne Lockerung der Gesundheits-, Sicherheits-, Arbeitsund Umweltstandards erreicht werden können. Zudem bekräftigen
sie ihr Bekenntnis zu den grundlegenden Rechten und Grundsätzen im Bereich der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Gemäss Artikel 2 des ISA werden nur Investitionen geschützt, die in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung des Gaststaates, einschliesslich sozial- und umweltrechtlicher Vorschriften, getätigt wurden. Sodann bestätigen die Vertragsparteien in Artikel 12 ihr Recht, zur Wahrung von öffentlichen Interessen wie namentlich der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und dem Schutz der Umwelt angemessene Regelungen zu erlassen (sog. Regulierungsrecht). Dementspre21

Strategie des Bundesrats zur Aussenwirtschaftspolitik vom 24. November 2021, S. 41, Handlungsfeld 6. Abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft > Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik.

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chend hindert das ISA die Vertragsparteien nicht daran, u. a. ihre Umweltschutzstandards zu erhalten oder anzupassen. Gemäss Artikel 13 verpflichtet sich jede Vertragspartei, die Unternehmen auf ihrem Staatsgebiet anzuhalten, die international anerkannten und von der Vertragspartei unterstützen Standards der verantwortungsvollen Unternehmensführung zu beachten. Artikel 14 schliesslich untersagt es den Investorinnen und Investoren, vor oder nach der Tätigung einer Investition Bestechungshandlungen vorzunehmen.

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Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 54 Absatz 1 BV sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes. Gemäss Artikel 184 Absatz 2 BV obliegt es dem Bundesrat, internationale Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV genehmigt die Bundesversammlung die Verträge, es sei denn, ihr Abschluss fällt aufgrund eines Gesetzes oder eines völkerrechtlichen Vertrags in die ausschliessliche Zuständigkeit des Bundesrats (vgl. auch Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200222, ParlG, und Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199723, RVOG).

Der Bundesrat verfügt nicht über eine Grundlage in einem Gesetz oder einem völkerrechtlichen Vertrag, die ihn zum alleinigen Abschluss des vorliegenden Abkommens ermächtigt. Zudem kann dieses Abkommen aufgrund seines Inhalts und seiner Tragweite nicht als völkerrechtlicher Vertrag von beschränkter Tragweite eingestuft werden, der gemäss Artikel 7a Absatz 2 RVOG durch den Bundesrat selbständig abgeschlossen werden kann. Die Bundesversammlung ist somit für die Genehmigung dieses Abkommens zuständig.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das vorliegende Abkommen enthält keine Bestimmungen, welche mit den bestehenden internationalen Verpflichtungen der Schweiz, einschliesslich den Verpflichtungen im Rahmen der WTO, nicht vereinbar sind.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu 22 23

SR 171.10 SR 172.010

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verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

ISA waren bisher vom fakultativen Referendum ausgenommen, soweit sie keine Bestimmungen enthielten, die über das hinausgingen, wozu sich die Schweiz bereits in anderen vergleichbaren Staatsverträgen verpflichtet hatte. Der Bundesrat beschloss jedoch am 22. Juni 2016, diese Praxis der sog. Standardabkommen aufzugeben und inskünftig vorzuschlagen, internationale Standardabkommen dem fakultativen Referendum zu unterstellen, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten.

Das vorliegende Abkommen enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, da es grundlegende Rechte der Investorinnen und Investoren regelt und ihnen im Streitfall den direkten Zugang zu einem internationalen Schiedsverfahren gewährt. Dementsprechend enthält es grundlegende Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Personen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe c BV.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

6.4

Inkrafttreten

Gemäss Artikel 44 Absatz 1 tritt dieses Abkommen am Tag des Erhalts der zweiten Mitteilung der beiden Vertragsparteien, dass die nationalen Verfahren für das Inkrafttreten internationaler Abkommen abgeschlossen worden sind, in Kraft.

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Abkürzungsverzeichnis EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

EU

Europäische Union

ICSID

Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten der Weltbank (International Centre for Settlement of Investment Disputes)

ISA

Investitionsschutzabkommen

IWF

Internationaler Währungsfonds

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

NGO

Nichtregierungsorganisation

SNB

Schweizerische Nationalbank

TRIPS

Abkommen vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (SR 0.632.20, Anhang 1C) (Agreement of 15 April 1994 on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights)

UNCITRAL

Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law)

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organization)

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