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23.427 Parlamentarische Initiative Einsetzung einer PUK zur Untersuchung der Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe rund um die Credit Suisse Notfusion mit der UBS Bericht des Büros des Nationalrates vom 30. Mai 2023

Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission zur Untersuchung der Geschäftsführung der Behörden im Zusammenhang mit der Notfusion der Credit Suisse mit der UBS. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Büro beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

30. Mai 2023

Im Namen des Büros Der Präsident: Martin Candinas

2023-1651

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Bericht 1

Ausgangslage

Das Büro des Nationalrates hat am 27. März 2023 einstimmig beschlossen, die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zu beantragen, um die Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe zu klären, die in die Notfusion der Credit Suisse mit der UBS involviert waren. Das Büro ist überzeugt, dass das Parlament seine Oberaufsichtsfunktion vollumfänglich wahrnehmen muss und dass eine PUK das geeignetste parlamentarische Instrument für eine solche Untersuchung ist. Anders als die Geschäftsprüfungskommissionen erhält eine PUK ihr Mandat von beiden Räten gemeinsam, was ihr ein Höchstmass an Legitimität und eine hohe Wirkung verleiht.

Das Büro des Ständerates hat am 17. Mai 2023 den Präsidenten des Nationalrates, den Bundeskanzler, den Präsidenten der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) und die Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) angehört. Es befragte alle Angehörten zu ihren Vorstellungen des Auftrags einer PUK. Der Bundeskanzler und die beiden GPK-Präsidien betonten in Vertretung ihrer Organe, es sei wichtig, das Mandat breit zu formulieren, damit die Rolle aller der Oberaufsicht des Parlamentes unterstehenden Akteure untersucht werden könne.

Zudem sollten die Handlungen der Behörden und weiterer Akteure nicht nur im Zusammenhang mit der Notfusion geprüft werden. Vielmehr sei die Rolle der Behörden im Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Jahre, die zur Krise der Credit Suisse führten, vertieft zu analysieren.

Das Büro des Ständerates schloss sich dieser Betrachtungsweise an und stimmte dem Beschluss des Büros des Nationalrates einstimmig zu. Ausschlaggebend dafür war ­ nebst der Tragweite der Ereignisse, die zur Notfusion der Credit Suisse mit der UBS geführt haben und den sehr weitgehenden finanziellen Auswirkungen der Beschlüsse des Bundesrates ­ die befürwortende Haltung der beiden Geschäftsprüfungskommissionen.

Das Büro des Nationalrates teilt die Auffassung, dass das Mandat der PUK ­ sowohl in Bezug auf die Akteure, die der Oberaufsicht der Kommission unterstehen, als auch hinsichtlich der Dauer des zu untersuchenden Zeitraums, der sich wahrscheinlich über mehrere Jahre erstrecken wird ­ breit zu formulieren ist.

Das Büro des Nationalrates hat den Entwurf an seiner Sitzung vom 30. Mai 2023 beraten und einstimmig in der Gesamtabstimmung angenommen.

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Bisherige Abklärungen der Geschäftsprüfungskommissionen

Die GPK-S und die GPK-N haben sich an ihren Sitzungen vom 24. März 2023 und 31. März 2023 erstmals mit dem Behördenverhalten im Kontext der Krise der CS und deren Übernahme durch die UBS befasst. Beide Kommissionen gelangten zum 2/8

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Schluss, dass sich für die parlamentarische Oberaufsicht verschiedene Fragen namentlich zur Aufsicht und zur Umsetzung der bestehenden Gesetzgebung stellen. Deshalb beauftragten sie ihre beiden Subkommissionen EFD/WBF und EJPD/BK mit verschiedenen Vorabklärungen. In deren Zentrum standen folgende Themen: die Krisenvorbereitung durch das EFD und den Bundesrat ab Herbst 2022, die Prüfung alternativer Lösungen zur Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS, die Anwendung von Notrecht, das Risikomanagement des Bundes, die bisherige Aufsicht über die CS durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) sowie die Rolle der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

An ihrer gemeinsamen Sitzung vom 15. Mai 2023 haben die beiden GPK von den Vorabklärungen ihrer beiden Subkommissionen EFD/WBF und EJPD/BK Kenntnis genommen und darüber hinaus den Bundespräsidenten, die Vorsteherin des EFD, den Präsidenten und den Vize-Präsidenten der SNB sowie die Präsidentin des Verwaltungsrats und den Direktor der FINMA angehört.

Die beiden GPK stellen aufgrund der bisher erhaltenen Informationen fest, dass weitere vertiefte Abklärungen notwendig sind. Dabei ist bei der anstehenden Aufarbeitung nicht erst bei den Ereignissen im März 2023 anzusetzen, sondern es sind auch die relevanten Entwicklungen in den Vorjahren miteinzubeziehen.

Auf der Grundlage der bisher erhaltenen Informationen sind aus Sicht der GPK unter anderem die folgenden Themen zu vertiefen: die Krisenfrüherkennung durch das zuständige EFD und der Einbezug des Bundesrates, die Aufsichtstätigkeit der FINMA gegenüber der CS, die Rolle der SNB, die Anwendung des Notrechts, die Evaluation und das Monitoring zur Wirkung «Too big to fail» (TBTF)-Regulierung sowie die Umstände der Beschlussfassung im März 2023. Die Rollen und Tätigkeiten der weiteren involvierten Bundesbehörden müssen ebenfalls Gegenstand zukünftiger Vertiefungsarbeiten sein.

Aufgrund der grossen Tragweite der Ereignisse, der Vielschichtigkeit der Themen, der zahlreichen involvierten Akteure und deren unterschiedlichen Rollen sowie der zusätzlichen Instrumente, die einer PUK im Vergleich zur GPK zur Verfügung stehen, unterstützten die beiden GPK am 15. Mai 2023 den Antrag des Büros des Nationalrates auf Einsetzung einer PUK.

Die GPK haben im Rahmen ihrer Vorarbeiten auch abgeklärt, ob und in
welcher Form die GPK die Ergebnisse ihrer Abklärungen einer späteren PUK zur Kenntnis bringen könnte. Das Parlamentsgesetz (ParlG)1 regelt die Weitergabe von Informationen, welche die GPK im Rahmen ihrer Untersuchungen erhoben haben, an eine allenfalls eingesetzte PUK nicht explizit. Eine Weitergabe von Informationen durch die GPK, insbesondere von Anhörungsprotokollen und darauf basierende Zusammenfassungen, an eine PUK wäre nur unter Einhaltung der unterschiedlichen Verfahrens- und Persönlichkeitsrechte (Rechtsschutz der betroffenen Person) möglich.

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Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10).

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Grundzüge der Vorlage

Der vorliegende Entwurf bildet die Grundlage für die Einsetzung einer PUK gemäss Artikel 163ff. des Parlamentsgesetzes (ParlG) und legt den Untersuchungsgegenstand bzw. den Auftrag fest. Eine PUK wird im Rahmen der Oberaufsicht eingesetzt, wenn Vorkommnisse von grosser Tragweite der Klärung bedürfen. Weiter legt der Bundesbeschluss die finanziellen Mittel fest.

Die Untersuchung stützt sich auf die Zuständigkeit des Parlaments für die Oberaufsicht über den Bundesrat und die Bundesverwaltung, die eidgenössischen Gerichte und die anderen Träger von Aufgaben des Bundes (Art. 169 BV). Sie erstreckt sich nicht auf natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die keine Aufgaben des Bundes erfüllen. Natürliche und juristische Personen können jedoch zur Mitwirkung an der Untersuchung aufgefordert werden, wenn ihr Beitrag erforderlich ist, um die Tätigkeiten der Bundesbehörden zu beurteilen (Art. 153 Abs. 2 ParlG in Verbindung mit Art. 166 Abs. 1 ParlG). Beispielsweise soll geprüft werden können, ob der Bundesrat, die Bundesverwaltung und andere Träger von Aufgaben des Bundes von den Organen der CS rechtzeitig und gemäss den gesetzlichen Bestimmungen und anderen aufsichtsrechtlichen Vorgaben (beispielsweise aufgrund von FINMARundschreiben) mit den notwendigen Informationen beliefert wurden. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die spezifische Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank (Art. 99 BV; Art. 6 des Nationalbankgesetzes).2

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 1 Die PUK ist eine gemeinsame Kommission beider Räte und besteht aus gleich vielen Mitgliedern jedes Rates. Gemäss Artikel 43 Abs. 1 ParlG wählt jedes Büro die Mitglieder seines Rates. Die Zusammensetzung richtet sich bestmöglich nach der Stärke der Fraktionen im jeweiligen Rat (vgl. Art. 43 Abs. 3 ParlG). Soweit möglich werden die Amtssprachen und Landesgegenden angemessen berücksichtigt. Das Büro beantragt, dass die PUK aus je sieben Mitglieder jedes Rates bestehen soll. Das Büro erachtet es als wichtig, dass möglichst alle Fraktionen der Bundesversammlung in einer PUK vertreten sind. Für den Nationalrat bedeutet dies, dass die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei mit zwei Mitgliedern vertreten ist und alle anderen Fraktionen mit je einem Mitglied. Im Ständerat würde dies z.B. ermöglichen, dass die beiden grössten Gruppen der Mitte und der FDP-Liberalen je 2 Mitglieder in die PUK entsenden, die übrigen Gruppen je ein Mitglied. Damit wäre eine gewisse Abbildung der Fraktionsstärken gemäss Art. 43 Abs. 3 ParlG möglich. Die bisherigen ausserordentlichen Untersuchungskommissionen wiesen jeweils insgesamt 10 bis 32 Mitglieder auf und es waren nicht immer alle Fraktionen vertreten.

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Vgl. Rechtsgutachten zur heutigen Regelung der Aufsicht über die Schweizerische Nationalbank sowie über die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen unter Wahrung der Bankunabhängigkeit im Auftrag des Bundesrates verfasst von Prof. Dr. iur. Paul Richli, 2012.

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Die Koordinationskonferenz wählt das Präsidium (Präsident/in und Vizepräsident/in (vgl. Art. 43 Abs. 2 ParlG). Diese dürfen nicht dem gleichen Rat angehören.

Die Amtsdauer der Mitglieder dauert bis zum dem Ende der Tätigkeit der Kommission (vgl. Art. 17 Abs. 3 GRN und Art. 13 Abs. 3 GRS). D.h. die Amtsdauer wird mit dem Ende der Legislaturperiode nicht unterbrochen. Die bisherigen Mitglieder bleiben im Amt, die vakanten Sitze werden durch die Büros neu besetzt ­ dabei wäre gegebenenfalls auch eine Veränderung der Fraktionsstärke zu berücksichtigen.

Art. 2 Die Kompetenzen einer PUK umfassen die Untersuchung der Tätigkeit der Geschäftsführung der Behörden und Organe des Bundes gemäss Art. 26 und 52 des ParlG. Der Auftrag an die PUK beinhaltet somit die Aufarbeitung der Geschäftsführung aller involvierten Organe und Behörden des Bundes im Kontext der CS-Krise und der anschliessenden Notfusion mit der UBS. Der generell gefasste Auftrag erlaubt es der PUK alle relevanten Organe und Behörden in den Blick zu nehmen, soweit sie der parlamentarischen Oberaufsicht unterliegen. Dazu gehören neben den hauptsächlich betroffenen Akteuren wie der Bundesrat, der bundesrätliche Ausschuss Finanzfragen, das EFD, das EJPD, das SIF, die FINMA und die SNB weitere Amtsstellen, beispielsweise das BJ, oder weitere Träger von Aufgaben des Bundes, beispielsweise Prüfgesellschaften als verlängerter Arm der FINMA (Art. 24 Abs. 1 Bst. a FINMAG). Es obliegt der PUK, im Rahmen ihrer Aufarbeitung den Kreis der relevanten Akteure zu bestimmen. Gleichzeitig ist es auch an der PUK, den Untersuchungszeitraum festzulegen. Bei den Vorbereitungsarbeiten äusserten beide Büros und beide GPK die Ansicht, dass sowohl die Anzahl der Akteure als auch der zu untersuchende Zeitraum, der sich sicherlich über mehrere Monate oder gar Jahre erstrecken wird, weit gefasst werden sollten (spätestens ab Bekanntgabe der Sanierungsstrategie durch die CS im Juli 2022).

Art. 3 Die PUK schliesst ihre Arbeiten mit einem Bericht an die Bundesversammlung ab.

Bei den bisherigen ausserordentlichen Untersuchungskommissionen dauerten die Arbeiten zwischen 3 Monaten und einem Jahr. (vgl. 8947 Untersuchung Mirage 10.06.1964/17.06.1964 bis 01.09.1964; 89.006 PUK EJPD 31.11.1989 bis 22.11.1989; 90.022 PUK EMD: 12.03.1990 bis 17.11.1990; 95.067 PUK PKB: 04.10.1995
bis 07.10.1996). Aus den Erfahrungswerten der bisherigen PUK und von umfangreichen Inspektionen der GPK kann davon ausgegangen werden, dass die Arbeiten der PUK am Ende der Legislaturperiode noch nicht zu Ende sein werden (vgl. auch Ausführungen zu Art. 1).

Die PUK hat insbesondere über die Verantwortlichkeiten des Bundesrates, der Bundesverwaltung und anderer Träger von Aufgaben des Bundes im Zusammenhang mit der Notfusion der CS mit der UBS (vgl. Art. 2 BB) sowie über institutionelle Mängel, d.h. v.a. Fehler in der Organisation, Anwendung des Rechts oder Lücken in der Gesetzgebung, Bericht zu erstatten.

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Art. 4 Die PUK verfügt über Mittel, die ihr für die Erfüllung der Aufgabe zugesprochen werden (Art. 163 Abs. 2 ParlG). Diese Mittel dienen insbesondere zur Finanzierung der Untersuchung und des Sekretariats der PUK.

Der Bundesbeschluss hat die finanziellen Mitteln der PUK festzulegen. Dieser Kredit wird insbesondere benötigt für (vgl. auch Art. 164 Abs. 1 und Art. 166 Abs. 2 ParlG): ­

Taggelder und Entschädigungen der Kommissionsmitglieder;

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Kommissionssekretariat (Kommissionssekretärin/Kommissionssekretär, stv.

Kommissionssekretärin/Kommissionsekretär, wissenschaftliches Personal, administratives Personal);

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Ersatz für Personal der Parlamentsdienste, das für die PUK eingesetzt wird;

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Externe Untersuchungsbeauftragte;

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Honorare für Experteninnen und Experten;

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Protokollführung;

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Übersetzungen;

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Infrastruktur (Büroräumlichkeiten, Informatikmittel, usw.).

Aufgrund einer groben Schätzung des zu erwartenden Aufwandes beantragt das Büro die Bewilligung eines Verpflichtungskredits in der Höhe von 5 Millionen Franken. Je nach Dauer und Aufwand der Untersuchung wird dieser Betrag nicht ausgeschöpft.

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Wirkungen auf andere Verfahren

Artikel 171 ParlG regelt die Auswirkungen, welche die Einsetzung einer PUK auf andere Verfahren und Arbeiten anderer Kommissionen hat. Sobald die Bundesversammlung die Einsetzung einer PUK beschlossen hat, müssen andere parlamentarische Kommissionen ihre Abklärungen, welche die Untersuchung durch die PUK betreffen, einstellen (vgl. Art. 171 Abs. 1 ParlG).

Auf die Arbeiten und Abklärungen des Bundesrates und der Bundesverwaltung, welche beispielsweise notwendig sind für die Umsetzung von überwiesenen Motionen oder Postulaten, hat die Einsetzung einer PUK keine Auswirkungen. Einzig Disziplinaruntersuchungen oder Administrativuntersuchungen des Bundes, welche Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung sind oder waren, dürfen nur mit Ermächtigung der PUK angehoben werden (vgl. Art. 171 Abs. 3 ParlG). Laufende Verfahren müssen unterbrochen werden und können nur mit der Bewilligung der PUK fortgesetzt werden (vgl. Art. 171 Abs. 3 ParlG).

Keine Auswirkung hat die Einsetzung einer PUK auf die Durchführung von zivil- und verwaltungsrechtlichen Verfahren sowie auf Voruntersuchungen und Gerichtssachen in Strafverfahren (vgl. Art. 171 Abs. 2 ParlG).

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Rechtliche Aspekte

6.1

Erlassform

Die Einsetzung einer PUK erfolgt gemäss Artikel 163 Absatz 2 ParlG durch einen einfachen Bundesbeschluss. Auch Verpflichtungskredite werden gemäss Artikel 25 Absatz 2 ParlG in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses bewilligt.

6.2

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Gemäss Artikel 159 Absatz 3 der Bundesverfassung unterliegen Verpflichtungskredite, die neue Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen der Ausgabenbremse. Der beantragte Verpflichtungskredit liegt unter diesen Schwellenwerten und unterliegt somit nicht der Ausgabenbremse.

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