05.009 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2004 sowie Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen vom 12. Januar 2005

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (SR 946.201; «Gesetz») beehren wir uns, Ihnen Bericht zu erstatten.

Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht samt seinen Beilagen (Ziff. 8.1.1­8.1.3) Kenntnis zu nehmen (Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes).

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Gesetzes zwei Botschaften über internationale Wirtschaftsvereinbarungen. Wir beantragen Ihnen, die Entwürfe zu den Bundesbeschlüssen zu folgenden Abkommen zu genehmigen: ­

Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Libanon sowie Agrarabkommen zwischen der Schweiz und Libanon (Ziff. 8.2.1 samt Anhängen);

­

Rückversicherungsverträge auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie zwischen der Schweiz und den Niederlanden sowie zwischen der Schweiz und Polen (Ziff. 8.2.2 samt Anhängen).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. Januar 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-2668

1089

Übersicht Das Einleitungskapitel des Berichts (Ziff. 1 und Beilage 8.1.1) ist der strategischen Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik in den kommenden Jahren gewidmet. Des Weiteren gibt der Bericht einen Überblick über die Aussenwirtschaftstätigkeiten des Jahres 2004 auf multilateraler, bilateraler und autonomer Ebene (Ziff. 2­7 und Beilagen 8.1.2­8.1.3). Ferner sind dem Bericht zwei Botschaften zu internationalen Wirtschaftsvereinbarungen (Beilagen Ziff. 8.2.1­8.2.2) beigefügt.

Zur strategischen Ausrichtung der Aussenwirtschaftspolitik Die Weltwirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Länder mit grossem Potenzial verzeichnen ein rasches Wachstum und integrieren sich zunehmend in den Weltmarkt. Dadurch entstehen dynamische neue Märkte, welche die Chance für eine Intensivierung der schweizerischen Aussenwirtschaftsbeziehungen bieten. Gleichzeitig erhöht sich aber auch der Wettbewerbsdruck. Um die Chancen dieser Entwicklung in vollem Umfang wahrzunehmen, müssen die Schweizer Unternehmen und die Schweizer Wirtschaftspolitik ihre Ziele und Mittel auf das sich verändernde Umfeld ausrichten. Für die Aussenwirtschaftspolitik bedeutet dies, die Interessen der Schweiz festzulegen und zu wahren. Dies geschieht in erster Linie, indem die Aussenwirtschaftspolitik die multilaterale Handels- und Wirtschaftsordnung mitgestaltet und das Vertragswerk mit der EU vertieft. Dieser Bericht nimmt jedoch nicht die europapolitische Standortbestimmung des Bundesrates vorweg, die im Laufe dieser Legislaturperiode vorgelegt werden soll. Die Schweiz wahrt ihre aussenwirtschaftlichen Interessen auch gezielt durch Handels- und Kooperationsverträge mit wichtigen Partnern. Ebenfalls Teil einer breit verstandenen Aussenwirtschaftspolitik sind die wettbewerbsorientierte Öffnung des schweizerischen Binnenmarktes sowie unser Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Partnerländern unter anderem über die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit.

Das Einleitungskapitel des diesjährigen Aussenwirtschaftsberichts beleuchtet die Zusammenhänge zwischen diesen Teilbereichen der Aussenwirtschaftspolitik und legt deren strategische Ausrichtung für die nächsten Jahre fest.

Übersicht über die Aussenwirtschaftstätigkeiten 2004 Am 19. Mai sind mit der EU in Brüssel die «Bilateralen II» abgeschlossen
und am 26. Oktober in Luxemburg unterzeichnet worden. Ebenfalls am 26. Oktober wurde das Protokoll zur Ausdehnung der Freizügigkeit auf die neuen zehn EU-Staaten unterzeichnet. Die Erweiterung der EU am 10. Mai hatte die Beendigung von acht EFTA-Drittlandabkommen zur Folge. Neue EFTA-Abkommen wurden im Juni mit Libanon und im Dezember mit Tunesien unterzeichnet.

Der OECD-Rat befasste sich schwergewichtig mit der Finanzierung der Gesundheitssysteme, dem Problem des demographischen Wandels sowie der Reform der Organisation. Die OECD examinierte die Schweiz auf den Gebieten der Korruptionsbekämpfung sowie der Arbeitsmarktpolitik.

1090

Beim Treffen des WTO-Generalrates in Genf am 1. August gelang es, die Beschlüsse, die in Cancún im September 2003 hätten getroffen werden sollen, nachzuholen und damit die Doha-Runde neu zu beleben.

Vom 13.­18. Juni fand in São Paulo die elfte UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD XI) statt. Im Zentrum stand die Verbesserung der Kohärenz zwischen wirtschaftlicher Globalisierung und den Bedürfnissen der Dritten Welt.

Im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit hat sich die Schweiz mit 166 bzw. 96 Millionen Franken in ausgewählten Entwicklungs- und Transitionsländern engagiert, welche sich zu wirtschaftlichen Reformen verpflichten und die Marktkräfte in den Dienst der Verminderung der Armut stellen. Die Zusammenarbeit mit den multilateralen Finanzinstitutionen wurde sowohl auf operationeller als auch strategischer Ebene intensiviert.

Im Kontext eines starken globalen Wirtschaftswachstums verlief die Entwicklung auf den internationalen Kapitalmärkten insgesamt ruhig. Dies widerspiegelte sich auch in der Neukreditzusage des Internationalen Währungsfonds (IWF), welche sich gegenüber 2003 halbierte.

Auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie wurden Neugarantien für Exportaufträge im Gesamtwert von 2 Milliarden Franken erteilt; der Bundesvorschuss konnte 2004 vollständig zurückbezahlt werden. Am 24. September verabschiedete der Bundesrat zu Handen des Parlaments Botschaft und Gesetz über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV). Mit den Niederlanden und Polen wurden Rückversicherungsverträge abgeschlossen. Für die Osec gilt seit 1. Januar 2004 ein neuer Leistungsauftrag des seco.

Auf dem Gebiet des Tourismus wurde zwischen der Schweiz und China eine Vereinbarung abgeschlossen, welche der Schweiz den Status einer für chinesische Gruppenreisen zugelassenen Destination einräumt.

Mit Algerien, der Dominikanischen Republik, Lesotho, Oman und Tansania wurden bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen.

1091

Inhaltsverzeichnis Übersicht

1090

Abkürzungsverzeichnis

1097

1 Strategische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik.

Zusammenfassung und Synthese 1.1 Einordnung der Aussenwirtschaftspolitik 1.1.1 Die Aussenwirtschaftspolitik als Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik 1.1.2 Der aussenwirtschaftliche Verfassungsauftrag 1.1.3 Die drei Dimensionen der Aussenwirtschaftspolitik 1.2 Das internationale Umfeld: Analyse und Folgerungen für die Schweiz 1.2.1 Steigende globale Wirtschaftsverflechtung 1.2.1.1 Entwicklung des internationalen Austausches nach wirtschaftlichen Kategorien 1.2.1.2 Geographische Entwicklung des internationalen Austausches 1.2.2 Die Dynamik der wichtigsten internationalen Märkte 1.2.3 Entwicklung des handelspolitischen Umfeldes 1.2.4 Folgerungen für die Schweiz 1.3 Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk 1.3.1 Allgemeine Ziele und Leitlinien 1.3.2 Handlungsbedarf nach wirtschaftlichen Kategorien 1.3.2.1 Handlungsbedarf in der Kategorie Waren 1.3.2.2 Handlungsbedarf in der Kategorie Dienstleistungen 1.3.2.3 Handlungsbedarf in der Kategorie Investitionen 1.3.2.4 Handlungsbedarf in der Kategorie Arbeitskräfte 1.3.2.5 Handlungsbedarf in der Kategorie geistiges Eigentum 1.3.2.6 Handlungsbedarf in horizontalen Politikfeldern 1.3.3 Agenda für die Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» nach institutionellen Handlungsmöglichkeiten 1.4 Binnenmarktpolitik der Schweiz und Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern 1.4.1 Die Binnenmarktpolitik der Schweiz 1.4.2 Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern 1.4.2.1 Strategie für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 1.4.2.2 Weiterentwicklung der nationalen Wirtschaftspolitiken 2 Europäische Wirtschaftsintegration und EFTA-Freihandelsabkommen mit Drittstaaten 2.1 Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU 2.1.1 Beziehungen im Rahmen der geltenden Abkommen 2.1.1.1 Freihandelsabkommen (FHA) Schweiz-EG von 1972 2.1.1.2 Die sektoriellen Abkommen Schweiz-EG von 1999 2.1.1.3 Anpassungen an die EU-Erweiterung 1092

1101 1106 1106 1107 1108 1113 1114 1114 1115 1117 1120 1123 1125 1125 1130 1130 1131 1132 1133 1133 1134 1135 1140 1140 1142 1142 1144 1146 1146 1147 1147 1148 1152

2.1.2 Abschluss der «Bilateralen II» 2.2 Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) 2.2.1 EFTA-interne Beziehungen 2.2.2 Beziehungen der EFTA zu europäischen Drittstaaten und Mittelmeerländern 2.2.3 Freihandelsabkommen mit Staaten ausserhalb Europas und des Mittelmeerraums 2.3 Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und Technologie 2.3.1 Eureka 1158 2.3.2 COST 1158

1153 1156 1156

3 Multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit 3.1 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 3.1.1 Tagung des OECD-Rates auf Ministerebene 3.1.2 Schwerpunkte der analytischen Tätigkeiten 3.1.2.1 Tagungen von OECD-Ausschüssen auf Ministerebene 3.1.2.1.1 Tagung der Wissenschafts- und Technologieminister 3.1.2.1.2 Tagung der Erziehungsminister 3.1.2.1.3 Tagung der Gesundheitsminister 3.1.2.1.4 Tagung der Umweltminister 3.1.2.1.5 Tagung der KMU-Minister 3.1.2.2 Entwicklungspolitik 3.1.2.3 Arbeitsmarktpolitik 3.1.2.4 Handelspolitik 3.1.3 Instrumente im Investitionsbereich 3.1.3.1 Multilaterale Investitionsregeln 3.1.3.2 Kodex für multinationale Unternehmen 3.1.3.3 Korruptionsbekämpfung 3.1.4 Instrumente in anderen Bereichen 3.1.4.1 Internationale Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich 3.1.4.2 OECD-Grundsätze der Corporate Governance 3.1.4.3 Unlauterer Steuerwettbewerb 3.2 Welthandelsorganisation (WTO) 3.2.1 Entscheid des WTO-Generalrates vom 1. August 3.2.2 Landwirtschaft 3.2.3 Industrieprodukte 3.2.4 Dienstleistungen (GATS) 3.2.5 Weitere Verhandlungsgebiete 3.2.6 Handel und Entwicklung 3.2.7 Streitbeilegungsfälle 3.2.8 Öffentliches Beschaffungswesen 3.2.9 Beitrittsverfahren 3.2.10 Überprüfung der Schweizer Handelspolitik 3.3 Vereinte Nationen (UNO) 3.3.1 UNCTAD

1159

1156 1157 1158

1159 1159 1160 1160 1160 1161 1161 1162 1162 1163 1163 1164 1164 1164 1165 1165 1166 1166 1166 1167 1168 1168 1169 1170 1171 1171 1171 1172 1174 1174 1174 1175 1175 1093

3.3.2 UNIDO 3.3.3 Folgeprozess von Rio und Johannesburg 3.3.4 Internationale Arbeitsorganisation (IAO) 3.4 Sektorale multilaterale Zusammenarbeit im Energiebereich

1176 1177 1178 1179

4 Internationales Finanzsystem 1180 4.1 Internationaler Währungsfonds 1181 4.1.1 Lage der Weltwirtschaft 1181 4.1.2 Wichtige Geschäfte im IWF 1181 4.1.3 Finanzielle Verpflichtungen der Schweiz gegenüber dem IWF 1182 4.1.4 Internationale Währungszusammenarbeit und die Schweiz 1184 4.2 Die Zehnergruppe (G10) 1184 4.3 Internationale Aufsichtsgremien 1185 4.3.1 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht 1185 4.3.2 Internationale Organisation der Effektenhandelsaufseher (IOSCO) 1185 4.3.3 Joint Forum 1186 4.3.4 Internationaler Verband der Versicherungsaufsichtsbehörden (IAIS) 1186 4.3.5 Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Financial Action Task Force on Money Laundering, FATF) 1187 5 Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 1188 5.1 Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Entwicklungs- und Transitionsländern 1188 5.1.1 Entwicklungsländer 1189 5.1.2 Osteuropa und die GUS 1191 5.2 Multilaterale Finanzierungsinstitutionen 1193 5.2.1 Weltbankgruppe 1193 5.2.1.1 Überwachung des Fortschritts unter dem Konsens von Monterrey 1194 5.2.1.2 Entschuldung und adäquate Aussenfinanzierung der ärmsten Länder 1194 5.2.1.3 Internationale Entwicklungsagentur (IDA) 1195 5.2.1.4 Das Engagement der Weltbank in Rohstoffprojekten 1195 5.3 Privatsektoraktivitäten der Weltbankgruppe 1195 5.3.1 Regionale Entwicklungsbanken 1196 5.3.1.1 Afrikanische Entwicklungsbank 1196 5.3.1.2 Asiatische Entwicklungsbank 1196 5.3.1.3 Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) 1197 5.3.2 Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) 1197 6 Bilaterale Beziehungen 6.1 Westeuropa 6.2 Mitteleuropa und die GUS 6.3 Südosteuropa 6.4 Nordamerika 6.5 Zentral- und Südamerika 6.6 Asien/Ozeanien 6.7 Mittlerer Osten 1094

1198 1198 1199 1199 1200 1201 1202 1203

6.8 Afrika 7 Autonome Aussenwirtschaftspolitik 7.1 Exportkontroll- und Embargomassnahmen 7.1.1 Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungs- und konventionellen Waffen 7.1.1.1 Güterkontrollverordnung 7.1.1.2 Chemikalienkontrollverordnung 7.1.1.3 Safeguard-Verordnung 7.1.2 Embargomassnahmen 7.1.2.1 Embargomassnahmen der UNO 7.1.2.2 Embargomassnahmen der EU 7.1.3 Massnahmen gegen Konfliktdiamanten 7.2 ERG, IRG, Exportfinanzierung, Umschuldung 7.2.1 Exportrisikogarantie 7.2.2 Investitionsrisikogarantie 7.2.3 Exportfinanzierung 7.2.4 Umschuldungen 7.3 Exportförderung 7.4 Standortpromotion 7.5 Tourismus 8 Beilagen 8.1 Beilagen 8.1.1­8.1.3 8.1.1 Anhänge zu «Strategische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik» (Ziff. 1 des Berichts) 8.1.2 Finanzielles Engagement der Schweiz 2004 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken 8.1.3 Bewilligungspflichtige Versandkontrollen in der Schweiz im Auftrag ausländischer Staaten 8.2 Beilagen 8.2.1­8.2.2 8.2.1 Botschaft zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTAStaaten und der Republik Libanon Bundesbeschluss über das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Libanon (Entwurf) Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Libanon Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und Libanon 8.2.2 Botschaft zu den Rückversicherungsverträgen auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie zwischen der Schweiz und den Niederlanden sowie zwischen der Schweiz und Polen Bundesbeschluss betreffend Rückversicherungsverträge auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie zwischen der Schweiz und den Niederlanden sowie zwischen der Schweiz und Polen (Entwurf)

1204 1205 1205 1205 1206 1207 1207 1208 1208 1210 1210 1210 1211 1211 1212 1212 1213 1214 1215 1217 1217 1217 1229 1231 1233 1235 1245 1247 1425 1461 1467

1095

Vertrag über wechselseitige Rückversicherungsverpflichtungen zwischen der Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie, Kirchenweg 8, 8032 Zürich, (nachfolgend «ERG» genannt), handelnd für die Schweizerische Eidgenossenschaft, und Atradius Dutch State Business NV, Keizersgracht 281, 1016 ED Amsterdam (nachfolgend «Atradius» genannt) 1469 Vertrag über wechselseitige Rückversicherungsverpflichtungen zwischen der Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie, Kirchenweg 8, 8032 Zürich, (nachfolgend «ERG» genannt), handelnd für die Schweizerische Eidgenossenschaft, und der Exportkreditversicherungsgesellschaft AG, 39 Sienna Strasse, 00-121 Warschau, (nachfolgend «KUKE AG» genannt), handelnd auf der Grundlage des Gesetzes vom 7. Juli 1994 über vom Finanzministerium garantierte Exportversicherungen 1495

1096

Abkürzungsverzeichnis AfDB

African Development Bank Afrikanische Entwicklungsbank

AsDB

Asian Development Bank Asiatische Entwicklungsbank

AFTA

Asian Free Trade Association Freihandelszone des Verbandes südostasiatischer Nationen

APEC

Asia Pacific Economic Cooperation Anrainerstaaten des pazifischen Beckens

ASEAN

Association of Southeast Asian Nations Verband südostasiatischer Nationen

CIME

Committee on International Investment and Multinational Enterprises Ausschuss für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen (der OECD)

Cleaner Produc- Umwelttechnologiezentren tion Centers Coporate Governance

Gute Unternehmensführung und ­kontrolle

COST

Coopération européenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung

CSD

Commission on Sustainable Development Kommission für nachhaltige Entwicklung

DAC

Development Assistance Committee Ausschuss für Entwicklungshilfe (der OECD)

EBRD

European Bank for Reconstruction and Development Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

ECOSOC

United Nations Economic and Social Council Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen

EFTA

European Free Trade Association Europäische Freihandelsassoziation

EG

Europäische Gemeinschaft

Equity Fund

Aktienfonds

ERG

Exportrisikogarantie

ESAF

Enhanced Structural Adjustment Facility Erweiterte Strukturanpassungsfazilität

Euratom

Europäische Atomgemeinschaft

Eureka

European Research Coordination Agency Europäische Agentur für die Koordinierung der Forschung 1097

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EU

Europäische Union (erster Pfeiler: EG, EGKS, Euratom; zweiter Pfeiler: Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik; dritter Pfeiler: Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres)

FATF

Financial Action Task Force on Money Laundering Internationale Task Force zur Bekämpfung der Geldwäscherei (mit Sekretariat bei der OECD)

FHA

Freihandelsabkommen Schweiz­EWG

FTAA

Free Trade Area of the Americas Gesamtamerikanische Freihandelszone

G10

Group of Ten Zehnergruppe (Vereinigung der mittlerweile 11 wichtigsten Geberländer des IWF)

GATS

General Agreement on Trade in Services Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

GCC

Gulf Cooperation Council Golfkooperationsrat

GEF

Global Environment Facility Globale Umweltfazilität

Global Compact

UN-Initiative mit dem Ziel, global tätige Unternehmen (auf freiwilliger Basis) zur Respektierung von Menschenrechten, zur Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen und zum Schutz der Umwelt zu verpflichten

GUS

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

HIPC

Heavily Indebted Poor Countries Initiative des IWF und der Weltbank zur Entschuldung hochverschuldeter armer Länder

IAIS

International Association of Insurance Supervisors Internationale Vereinigung der Versicherungsaufseher

IBRD

International Bank for Reconstruction and Development Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

IDA

International Development Association Internationale Entwicklungsorganisation

IDB

Inter-American Development Bank Interamerikanische Entwicklungsbank

IEA

International Energy Agency Internationale Energie-Agentur

IFC

International Finance Corporation Internationale Finanz-Korporation

1098

IIC

Interamerican Investment Corporation Interamerikanische Investitionsgesellschaft

ILO / IAO

International Labour Organization Internationale Arbeitsorganisation

IMFC

International Monetary and Financial Committee Internationaler Währungs- und Finanzausschuss des IWF

IOSCO

International Organisation of Securities Commissions Internationale Organisation der Effektenhandelsaufseher

IRG

Investitionsrisikogarantie

IWF

Internationaler Währungsfonds

Joint Die gemeinsame Umsetzung von Massnahmen von EntwicklungsImplementation ländern und Industrieländern zum Klimaschutz KimberleyProzess

Konsultationsgremium (benannt nach der südafrikanischen Minenstadt Kimberley) zur Verhinderung des Handels mit «Konfliktdiamanten»

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

Mercosur

Mercado Común del Sur Gemeinsamer Markt Lateinamerikas

MIGA

Multilateral Investment Guarantee Agency Multilaterale Investitionsgarantie-Agentur

MTCR

Missile Technology Control Regime Raketentechnologie-Kontrollregime

NAFTA

North American Free Trade Agreement Nordamerikanisches Freihandelsabkommen zwischen den USA­Kanada­Mexiko

NEPAD

New Partnership for Africa's Development Initiative «Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung»

NGO

Non-Governmental Organization Nichtregierungs-Organisation

NSG

Nuclear Suppliers Group Gruppe der Nuklearlieferländer

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

OPCW

Organization for the Prohibition of Chemical Weapons Organisation für das Verbot chemischer Waffen

OPEC

Organization of Petroleum Exporting Countries Organisation erdölexportierender Länder

Osec

Osec Business Network Switzerland

Pariser Klub

Vereinigung der weltweit führenden Gläubigerstaaten

1099

Peer Review

Prüfung eines Mitgliedstaates durch andere Mitgliedstaaten in Bezug auf seine Leistungen im betreffenden Bereich mit dem Ziel, ihm Unterstützung zu bieten zur Verbesserung seiner Politiken und Praktiken sowie zur Einhaltung der vereinbarten Regeln.

SACU

South African Customs Union Südafrikanische Zollunion (Südafrika, Botswana, Lesotho, Namibia und Swaziland)

SDFC

Swiss Development Finance Corporation Schweizerische Gesellschaft für Entwicklungsfinanzierung

SIPPO

Swiss Import Promotion Program Schweizer Programm zur Förderung der Importe aus Entwicklungs- und Transitionsländern

SOFI

Swiss Organisation for Facilitating Investments Schweizerische Organisation zur Förderung von Investitionen in Entwicklungs- und Transitionsländern

SZR

Sondererziehungsrechte

TRIPS

Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums

UNCED

United Nations Conference on Environment and Development Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung

UNDP

United Nations Development Program Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen

UNEP

United Nations Environment Program Umweltprogramm der Vereinten Nationen

UNIDO

United Nations Industrial Development Organisation Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung

UNO

United Nations Organization Organisation der Vereinten Nationen

WHO

World Health Organization Weltgesundheitsorganisation

WIPO

World Intellectual Property Organization Weltorganisation für geistiges Eigentum

WTO

World Trade Organization Welthandelsorganisation

1100

Bericht 1

Strategische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik.

Zusammenfassung und Synthese

Die internationale Arbeitsteilung bildet die Basis des wirtschaftlichen Erfolgs der Schweiz. Als kleines, rohstoffarmes Land hat sie sich schon früh nach aussen geöffnet und aus der zunehmenden Globalisierung grossen Nutzen gezogen. Schweizer Unternehmen konnten im Zuge der handelspolitischen Öffnung während der vergangenen Jahrzehnte vielfältige Chancen auf dynamischen Märkten im Ausland wahrnehmen. Ebenfalls positive Erfahrungen mit der Globalisierung machten in der jüngeren Vergangenheit jene Schwellen- und Entwicklungsländer, die ihre Wirtschaft nicht hinter Zoll- und anderen Schutzmauern abzuschotten suchten. Die Misserfolge der Strategie, möglichst viele Importe durch geschützte lokale Strukturen ersetzen zu wollen, demonstrieren einen zentralen Aspekt, der in der wirtschaftspolitischen Diskussion oft zu wenig berücksichtigt wird: Es sind nicht nur die Exporte und Auslandinvestitionen, die für das Wirtschaftswachstum von Bedeutung sind. Ebenso wichtig sind die Importe und die ausländischen Investitionen im Inland. Erstens sorgen Importe für Wettbewerb auf dem Binnenmarkt. Dies zwingt die nationalen Firmen dazu, laufend ihre Produktivität zu steigern, damit sie sich gegen die Importkonkurrenz behaupten können. Zweitens erhöhen Importe die Wettbewerbsfähigkeit der Exportfirmen, da sich diese mit günstigen, qualitativ hochstehenden Vorleistungen versorgen können. In der Aussenwirtschaftspolitik dürfen deshalb Exporte nicht in einem merkantilistischen Sinne als Vorteil und Importe als Zugeständnis betrachtet werden. Vielmehr sind beide gleichermassen dafür verantwortlich, dass die internationale Arbeitsteilung einen derart wirkungsvollen Mechanismus zur Erhöhung des Wohlstands darstellt.

Hinzu kommt, dass die Wohlstandseffekte der Arbeitsteilung mit der Grösse des Marktes wachsen. Je mehr Länder sich an der Globalisierung beteiligen und je intensiver sie dies tun, desto mehr steigt der Wohlstand für alle Beteiligten. Die bemerkenswerte Entwicklung Chinas und anderer Schwellenländer sowie die Veränderung in Zentral- und Osteuropa während der letzten Jahre sind deshalb nicht als Bedrohung für die westlichen Industrieländer, sondern in erster Linie als grosse Chance zur Steigerung des Wohlstands für die ganze Welt anzusehen. Damit künftig möglichst viele Länder von den Wohlstandseffekten der
internationalen Arbeitsteilung profitieren können, haben die entwickelten Länder die Aufgabe, Staaten mit schwachen wirtschaftlichen Strukturen bei der Vorbereitung auf ein erfolgreiches Auftreten auf den internationalen Märkten zu unterstützen. Die Vorgaben, auf die sich die Weltgemeinschaft im Rahmen der UNO-Millenniums-Entwicklungsziele geeinigt hat, weisen hierzu den Weg.

Die drei Dimensionen der Aussenwirtschaftspolitik Vor diesem Hintergrund ist klar, dass eine Aussenwirtschaftspolitik, welche die Steigerung des Wohlstandes der Schweiz zum Ziel hat, erstens die Förderung der Exporte, zweitens die Verbesserung des Marktzutritts für Importe und drittens die Integration möglichst vieler Länder in die Weltwirtschaft anstreben muss. Die hier

1101

diskutierte wohlstandsfördernde Aussenwirtschaftspolitik umfasst alle drei Aspekte und setzt sich deshalb aus den folgenden Dimensionen zusammen: i.

Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk

ii.

Binnenmarktpolitik in der Schweiz

iii. Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern Zwischen den drei Dimensionen bestehen enge Zusammenhänge, die es rechtfertigen, sie unter dem Begriff «Aussenwirtschaftspolitik» zusammenzufassen. Eine solch breit verstandene Aussenwirtschaftspolitik anerkennt explizit, dass eine Aufspaltung der Wirtschaftspolitik in rein aussenwirtschaftliche und rein binnenwirtschaftliche Bereiche für ein Land, das derart stark international verflochten ist wie die Schweiz, keinen Sinn mehr macht.

Die erste Dimension: Marktzugang und internationales Regelwerk Aussenwirtschaftspolitik in einem engen Sinne meint die Sicherung des Marktzugangs im Ausland. Hierbei geht es darum, Schweizer Exporteuren von Waren, Dienstleistungen, Investitionen und anderen Produktionsfaktoren den Eintritt in ausländische Märkte zu ermöglichen. Einerseits ist dafür der Abbau von Hemmnissen bei der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit nötig. Dies können Zollschranken, nichttarifarische Behinderungen oder andere Massnahmen eines Staates sein, die ausländischen Anbietern den Markzutritt erschweren oder verwehren.

Andererseits gehört in zunehmendem Mass auch der Aufbau von transparenten, leistungsfähigen und international kompatiblen Regeln für den Wirtschaftsverkehr dazu. Das Fehlen solcher Strukturen verringert die Marktchancen von Schweizer Anbietern im Ausland, auch wenn beispielsweise alle Zölle beseitigt worden sind.

Deshalb ist die Gesamtheit der internationalen wirtschaftspolitischen Institutionen und Instrumente, die den Abbau von Marktzutrittsbehinderungen und den Aufbau eines gemeinsamen Regelwerks für den internationalen Wirtschaftsverkehr gestalten, ausschlaggebend für die Marktchancen von Schweizer Anbietern im Ausland.

Für die Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» formuliert der Bundesrat nun erstmals explizit strategische Leitlinien. Aus diesem Grunde nimmt die Darstellung dieser Dimension der Aussenwirtschaftspolitik im vorliegenden Bericht am meisten Raum ein. Grundsätzliches Ziel ist der diskriminierungsfreie Marktzugang für Schweizer Anbieter in allen Ländern.

Eine Annäherung an diesen Idealzustand erfolgt am wirkungsvollsten in einem multilateralen Rahmen, also mit Abkommen, an denen möglichst alle Länder beteiligt sind. Dem weiteren Ausbau und der breiten Abstützung
des multilateralen Regelwerkes, vor allem im Rahmen der WTO, misst die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik eine entsprechend hohe Bedeutung zu. Dabei kann nicht eine ausschliesslich auf die unmittelbaren Schweizer Interessen ausgerichtete Politik verfolgt werden. Es muss auch die globale Perspektive berücksichtigt werden. Heute stellen die Schwellen- und Entwicklungsländer innerhalb der WTO die Mehrheit der Mitglieder.

Da der multilaterale Weg der Marktöffnung oft beschwerlich ist und seinem eigenen Rhythmus folgt, wollen zahlreiche Länder die Marktöffnung über präferenzielle Abkommen oder andere pluri- und bilaterale Regelungen beschleunigen. Um die sich daraus ergebenden Diskriminierungen zu verhindern, verfolgt die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik zusätzlich zur multilateralen Liberalisierung auch den 1102

Abschluss von plurilateralen und bilateralen Abkommen. Dabei gilt es Prioritäten zu setzen: Das zentrale Kriterium ist die zu erwartende wirtschaftliche Bedeutung eines Landes. Ebenfalls wichtig ist die bestehende oder potenzielle Diskriminierung der Schweiz gegenüber Hauptkonkurrenten auf dem betreffenden Markt. Weitere Kriterien sind die Verhandlungsbereitschaft des Partnerlandes und die politische Opportunität eines Abkommens.

Vor diesem Hintergrund strebt die Schweiz mit drei Gruppen von Ländern gezielt einzelne Abkommen an, die über die WTO-Vereinbarungen hinausgehen. Erstens mit den EU/EFTA-Ländern, mit denen schon wegen der geographischen Nähe eine besonders intensive Beziehung besteht. Zweitens mit den aussereuropäischen OECD-Ländern (vor allem mit den USA und Japan, aber auch mit Kanada, Australien, Neuseeland, Südkorea und Mexiko). Drittens mit den wirtschaftlichen Riesen von morgen (China, Indien, Brasilien und Russland). Schliesslich mit weiteren Ländern, bei denen der Abschluss von Abkommen spürbare Diskriminierungen der Schweiz gegenüber anderen Ländern verhindern kann.

Für die Sicherung des Marktzugangs ist nicht nur dem Warenhandel, sondern vor allem dem Handel mit Dienstleistungen sowie der Zulassung und dem Schutz von Direktinvestitionen besondere Bedeutung beizumessen. Die Marktöffnung wird deshalb explizit in einem umfassenden Sinne verstanden und für Produkte (Waren und Dienstleistungen) wie auch für Produktionsfaktoren (Investitionen, Arbeitskräfte und geistiges Eigentum) vorangetrieben. Ebenso wird der zunehmenden Wichtigkeit so genannter horizontaler Politiken besonders Rechung getragen. Diese für alle Produkte und Produktionsfaktoren relevanten Politiken betreffen beispielsweise die Wettbewerbspolitik, die Steuern oder das Gesellschaftsrecht.

Die zweite Dimension: Binnenmarktpolitik in der Schweiz Im Schweizer Binnenmarkt besteht Handlungsbedarf, denn die Schweiz profitiert noch nicht in vollem Ausmasse von der internationalen Arbeitsteilung. Dem sehr produktiven, exportorientierten Sektor steht eine ganze Reihe von Branchen gegenüber, die im Vergleich zu anderen Ländern in erheblichem Mass vom internationalen Wettbewerb abgeschottet sind und eine unterdurchschnittliche Produktivität aufweisen. Ziel der Binnenmarktpolitik ist es, auf dem noch stark von internationaler
Konkurrenz geschützten Teil der Schweizer Wirtschaft mehr Wettbewerb zu schaffen. Dies wird am effektivsten durch eine Öffnung gegenüber der internationalen Konkurrenz erreicht. Da dies nicht in allen Branchen gleichermassen möglich ist, zielt die Binnenmarktpolitik darauf ab, die Wettbewerbsintensität auch durch inländische Konkurrenz zu stärken. Selbst wenn dieser Prozess nicht zu Importkonkurrenz führt, ist er dennoch für die aussenwirtschaftliche Position der Schweiz wichtig, weil er Schweizer Exporteuren den Zugang zu qualitativ höherstehenden und günstigeren Vorleistungen sichert. Der Bundesrat hat in dem am 18. Februar 2004 verabschiedeten Wachstumspaket («Massnahmenpaket des Bundesrates zur Wachstumspolitik») die Strategie im Bereich der Binnenmarktpolitik explizit formuliert. Darin sind die zentralen wettbewerbs- und angebotsfördernden Massnahmen für die kommenden Jahre festgelegt.

Die dritte Dimension: Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern Diese Dimension der Aussenwirtschaftspolitik zielt darauf ab, möglichst viele Länder darin zu unterstützen, mit Erfolg an der internationalen Arbeitsteilung teilzunehmen. Diese Dimension der Aussenwirtschaftspolitik beruht vor allem auf zwei 1103

Pfeilern: Erstens versucht die Schweiz mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit, die Partnerländer bei der wohlstandsfördernden Gestaltung der nationalen Rahmenbedingungen zu unterstützen. Dies erfolgt sowohl auf bilateralem als auch auf multilateralem Weg. Die Grundlage dafür bildet die vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verabschiedete «Strategie für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit». Zweitens beteiligt sich die Schweiz aktiv am wirtschaftspolitischen Dialog innerhalb von internationalen Wirtschaftsorganisationen. Die Rahmenbedingungen für die Binnenwirtschaft der Partnerländer werden mit gemeinsam erarbeiteten Politikempfehlungen weiterentwickelt und aufeinander abgestimmt. Die Länderexamen der OECD oder der WTO gehören ebenso dazu wie jene des IWF.

Folgerungen für die strategische Ausrichtung der Aussenwirtschaftspolitik Vor dem Hintergrund der genannten Entwicklungen auf internationaler Ebene führt die in diesem Einleitungskapitel vorgenommene Analyse den Bundesrat zu den nachstehenden Folgerungen für die strategische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik: ­

Aussenwirtschaftspolitik beginnt im Inland: Ein wettbewerbsintensiver Binnenmarkt generiert Wachstumsimpulse, erhöht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen und schafft Spielraum für internationale Abkommen.

­ Der Bundesrat treibt die mit dem Wachstumspaket eingeleiteten Reformen mit dem Ziel der Wettbewerbssteigerung auf dem Schweizer Binnenmarkt konsequent voran.

­

Auf multilaterale Abkommen setzen: Diskriminierungsfreie internationale Handelsabkommen mit einer möglichst grossen Anzahl von Ländern sind für die Schweiz die beste Form für die Öffnung der Märkte.

­ Der Bundesrat setzt sich für multilaterale Handelsabkommen im Rahmen der WTO ein.

­

Auf ein kohärentes globales Regelwerk hinarbeiten: Ein internationales Regelwerk muss dem wirtschaftlichen Austausch einen stabilen Rahmen geben und dabei jenen Anliegen Rechnung tragen, für welche die Staaten eine gemeinsame Verantwortung haben.

­ Der Bundesrat setzt sich für Handelsregeln ein, die den wirtschaftlichen Austausch fördern und die Anliegen der Nachhaltigkeit berücksichtigen.

­

Marktzugang in der EU/EFTA vertiefen: Die Europäische Union und die EFTA-Staaten sind nach wie vor die wichtigsten aussenwirtschaftlichen Partner der Schweiz. Der möglichst ungehinderte Zugang zum EU-Binnenmarkt ist für die Schweiz von hoher Bedeutung.

­ Der Bundesrat strebt möglichst binnenmarktähnliche Verhältnisse im Verkehr mit der EU und den EFTA-Ländern an, insbesondere im Waren- und Dienstleistungsbereich.

­

Vertragsnetz mit ausgewählten Partnern ausbauen: Wegen der steigenden weltweiten Tendenz zu bilateralen Handelsabkommen werden namentlich auch Freihandelsabkommen mit ausgewählten Ländern oder Wirtschaftsräumen ausserhalb der EU/EFTA abgeschlossen. Dabei werden Prioritäten gesetzt.

1104

­

Der Bundesrat strebt bilaterale Abkommen, insbesondere Freihandelsabkommen mit ausgewählten Ländern und Wirtschaftsräumen an. Entscheidend für die Auswahl sind dabei die gegenwärtige und die zu erwartende wirtschaftliche Bedeutung des Partners sowie das Diskriminierungspotenzial für die Schweiz.

­

Umfassende Handelsabkommen bevorzugen: Dienstleistungen und Investitionen (aber auch die Mobilität qualifizierter Arbeitskräfte und geistiges Eigentum) spielen eine immer wichtigere Rolle in der internationalen Arbeitsteilung. Multilaterale und bilaterale Abkommen sollen sich deshalb nicht auf den Warenaustausch beschränken.

­ Der Bundesrat strebt umfassende Handelabkommen an, die neben den Waren vor allem Dienstleistungen und Investitionen abdecken.

­

Wirtschaftliche Entwicklung der Partnerländer unterstützen: Gute binnenwirtschaftliche Rahmenbedingungen in den Partnerländern sind auch im Interesse der Schweiz, da diese Länder nur unter dieser Voraussetzung voll an der internationalen Arbeitsteilung partizipieren können.

­ Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass die Schweiz im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit und der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Partnerländer leisten kann.

Die vorliegende Analyse stellt erstmals eine Gesamtsicht und damit verbunden eine Gesamtstrategie für die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik dar. Folgende Aspekte sind neu: 1) Es werden Ziele und Leitlinien auch für jene Dimension der Aussenwirtschaftspolitik ausformuliert, in der es um den Marktzugang im Ausland die Setzung internationaler Regeln für den wirtschaftlichen Austausch geht.

2) Thematisiert wird die Tatsache, dass auf internationaler Ebene eine zunehmende Tendenz zum Abschluss von regionalen oder bilateralen Handels- oder Investitionsabkommen besteht. Um auf Drittmärkten Diskriminierungen gegenüber wichtigen Konkurrenten zu vermeiden, muss die Schweiz diese Entwicklung mitmachen. Die vorliegende strategische Ausrichtung definiert Kriterien für die nötige Prioritätensetzung.

3) Es wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Direktinvestitionen noch wesentlich schneller wachsen werden als der Güteraustausch und dass dies mit der wachsenden Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs in Zusammenhang steht. Die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik soll deshalb neben dem Warenhandel in verstärktem Masse dem internationalen Austausch in den anderen wirtschaftlichen Kategorien ­ Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräfte, geistiges Eigentum ­ Beachtung schenken.

4) Um diesem Aspekt das nötige Gewicht beizumessen, ist die vorliegende aussenwirtschaftspolitische Analyse nach wirtschaftlichen Kategorien gegliedert und erst in zweiter Linie auf die institutionellen Handlungsmöglichkeiten (WTO, EU/EFTA, bilaterale Abkommen) abgestützt. Diese neue Darstellung soll Ausgangspunkt für eine Einschätzung sein, wie weit Handlungsmöglichkeiten auf multilateraler, regionaler und bilateraler Ebene substitutiv oder komplementär zueinander gesehen werden müssen.

1105

5)

Schliesslich werden die zunehmend engeren Verbindungen zwischen Binnenmarktpolitik und Aussenwirtschaftspolitik anerkannt. Tatsächlich ist die Zulassung von Importen und damit verbunden die Schaffung von Importkonkurrenz gleichermassen Teil der Binnenmarktpolitik wie der Aussenwirtschaftspolitik.

1.1

Einordnung der Aussenwirtschaftspolitik

Dieses Unterkapitel ordnet zunächst die Aussenwirtschaftspolitik in die allgemeine Wirtschaftspolitik ein (1.1.1) und analysiert den aussenwirtschaftlichen Verfassungsauftrag (1.1.2). Schliesslich wird dargelegt, dass die Aussenwirtschaftspolitik in drei Dimensionen unterteilt werden kann und es wird gezeigt, wie diese Dimensionen zusammenhängen (1.1.3).

1.1.1

Die Aussenwirtschaftspolitik als Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik

Während die rasch fortschreitende Globalisierung auch in den hoch entwickelten Ländern den wirtschaftlichen Wohlstand förderte, verzeichnete die Schweiz während des vergangenen Jahrzehnts stagnierende Pro-Kopf-Einkommen. Dies erforderte Massnahmen, um die Schweiz wieder auf den Wachstumspfad zurückzuführen.

Der Bundesrat hat der Legislaturplanung 2003-2007 deshalb drei Leitlinien vorangestellt1. Leitlinie 1 lautet «Den Wohlstand vermehren und die Nachhaltigkeit sichern», Leitlinie 2 «Die demografische Herausforderung bewältigen» und Leitlinie 3 «Die Stellung der Schweiz in der Welt festigen». Diese Leitlinien sind inhaltlich vernetzt. So wird unter anderem immer deutlicher, dass die Schweiz ihren Wohlstand, aber auch ihre Lebensgrundlagen, langfristig nur sichern kann, wenn sie ihre Interessen auf internationaler Ebene wirksam einbringen kann und wenn sie als verlässliche und kooperative Partnerin wahrgenommen wird.

Auf diese Leitlinien abgestimmt, hat der Bundesrat am 18. Februar 2004 ein Wachstumspaket verabschiedet. Die 17 Massnahmen dieses Paketes konkretisieren sechs übergreifende wachstumspolitische Zielsetzungen, die einen strategischen Rahmen für die allgemeine Schweizer Wirtschaftspolitik bilden:

1

1.

Mehr Wettbewerb auf dem Binnenmarkt;

2.

Weitere Integration in die Weltwirtschaft;

3.

Begrenzung der Abgabenlast und Optimierung der Staatstätigkeit;

4.

Wahrung der hohen Erwerbsbeteiligung;

5.

Sicherung eines wettbewerbsfähigen Bildungssystems;

6.

Wachstumsfördernde Ausgestaltung des Wirtschaftsrechts.

BBl 2004 1149

1106

Die in diesem Bericht vorgelegte strategische Ausrichtung der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik ist Teil dieses wirtschaftspolitischen Gesamtkonzepts des Bundesrates. Sie konkretisiert die Zielsetzung «Weitere Integration in die Weltwirtschaft», indem sie die aussenwirtschaftspolitischen Ziele des Bundesrates darlegt.

Dieser Bericht berücksichtigt auch die binnenwirtschaftlichen Voraussetzungen, die für den wirtschaftlichen Erfolg im Ausland notwendig sind, d.h. die Zielsetzung «Mehr Wettbewerb auf dem Binnenmarkt». Gleichzeitig ist die Aussenwirtschaftspolitik Teil der Aussenpolitik und muss im Sinne der Kohärenz auch den aussenpolitischen Zielen dienen. Neben der Wahrung der Interessen der Schweizer Wirtschaft im Ausland hat sie somit auch einen Beitrag zur Förderung von Menschenrechten, zur Linderung von Not und Armut in der Welt sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten. Damit dient die Aussenwirtschaftspolitik auch der Sicherheitspolitik und der Politik der Nachhaltigkeit. Diese Zusammenhänge werden im Anhang (Abschnitt A1) erläutert. Zur Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern als Teilaspekt der Nachhaltigkeit leistet insbesondere die wirtschaftliche Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit einen Beitrag. Sie ist ein wesentlicher Teil der Aussenwirtschaftspolitik.

1.1.2

Der aussenwirtschaftliche Verfassungsauftrag

Die Wirtschaftsordnung der Schweiz ist dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit verpflichtet (Art. 94 BV). Die Wirtschaftsfreiheit ist als individuelles Freiheitsrecht mit Grundrechtsgarantie (Art. 27) ausgestaltet; in institutioneller Hinsicht ist sie bindende Handlungsrichtschnur des Bundes und der Kantone (Art. 94 Abs. 1 BV).

Diese Wirtschaftsordnung gilt auch für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr: Der liberalen Wirtschaftsordnung im Inland soll auch auf internationaler Ebene eine freiheitliche Wirtschaftsordnung entsprechen.

Gegenstand des Aussenwirtschaftsrechts ist die rechtliche Ausformung der von der Aussenwirtschaftspolitik gesetzten Rahmenbedingungen. Es basiert zum grossen Teil auf internationalem Vertragsrecht, dem die Schweiz verpflichtet ist. Dieses enthält Regeln für den Welthandel (wie jene der WTO), für den regionalen Freihandel, für den bilateralen Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie für Investitionen. Weitere Themen werden auch zunehmend zwischenstaatlich geregelt, so die wissenschaftliche Kooperation. Die völkerrechtlichen Verträge werden mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens Bestandteil der Schweizer Rechtsordnung. Hinzu kommen alle autonomen Wirtschaftsmassnahmen, welche die Beziehungen mit dem Ausland regeln.

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Aussenwirtschaftsrechts bilden in erster Linie die Artikel 54 und 101 BV (SR 101). Artikel 54 BV überträgt dem Bund eine umfassende Befugnis auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten. Er bildet die Grundlage für das staatsvertragliche Aussenwirtschaftsrecht. Das Instrumentarium, das sich auf Artikel 54 BV stützt, ist aber nicht auf völkerrechtliche Verträge beschränkt; es umfasst weitere Massnahmen, insbesondere im Rahmen der internationalen Solidarität (wie Embargomassnahmen, Nicht-Proliferationsmassnahmen, Entwicklungshilfen, Umschuldungen). Nach Artikel 101 Absatz 1 BV hat der Bund die Interessen der Schweizer Wirtschaft zu wahren, was auch Förderungsmassnahmen (Exportförderungsgesetz) mit einschliesst. Nach Artikel 101 Absatz 2 kann der 1107

Bund in besonderen Fällen Massnahmen zum Schutz der inländischen Wirtschaft treffen und dabei nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen (Schutzmassnahmen v.a. des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen und des Zolltarifgesetzes). Schliesslich kann auf Art. 103 BV (Strukturpolitik) verwiesen werden (Teilgrundlage für die Exportrisiko- und die Investitionsrisikogarantie sowie für die Gesetzgebung über technische Handelshemmnisse). Aussenwirtschaftspolitik ist nach Art. 101 BV somit auch Interessenpolitik, wie dies im aussenpolitischen Bericht des Bundesrates aus dem Jahr 2000 gleichfalls für die Aussenpolitik festgehalten wird.

Der Aussenwirtschaftsartikel der Bundesverfassung (Art. 101 BV) weist dem Bund nicht nur die Zuständigkeit und die Verantwortung für die Aussenwirtschaftspolitik zu, sondern setzt sich, wie dargelegt, auch mit dem Verhältnis aussenwirtschaftlicher Interessenwahrung und Wirtschaftsfreiheit auseinander. Da die Wirtschaftsordnung der Schweiz der Wirtschaftsfreiheit verpflichtet ist, hat dieses Prinzip im Grundsatz auch im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zu gelten. Es wäre deshalb verfehlt, aus dem erwähnten Verfassungsartikel eine merkantilistische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik abzuleiten. Dies wäre der Fall, wenn der verbesserte Marktzugang im Ausland nicht mit einer Öffnung des Schweizer Marktes einherginge. Aufgrund dieser Verfassungsbestimmungen ist die Schweiz dazu verpflichtet, die freiheitliche Wirtschaftsordnung auf internationaler Ebene zu stärken. Weltweit gültige Regeln und Mindeststandards für den Wirtschaftsverkehr sind der bevorzugte Weg, um den Schweizer Unternehmen den Marktzugang im Ausland zu öffnen und ihnen dort gute Entfaltungsmöglichkeiten zu sichern. Die Aussenwirtschaftspolitik bleibt aber Teil der Aussenpolitik und wird von der Staatenwelt auch zur politischen Interessenwahrung eingesetzt. Politische Interessenlagen der aktuellen und potenziellen Vertragspartner der Schweiz werden deshalb immer einen bestimmenden Einfluss auf die Weiterentwicklung des internationalen wirtschaftsrechtlichen Ordnungsrahmens und auf die Gestaltung der bilateralen Handelsbeziehungen ausüben.

1.1.3

Die drei Dimensionen der Aussenwirtschaftspolitik

Aus der Wachstumszielsetzung und aus den Verfassungsbestimmungen kann gefolgert werden, dass die Aussenwirtschaftspolitik ­

die Schaffung eines internationalen Regelwerks zu unterstützen hat, das ­ im Rahmen einer kohärenten Politik ­ den allgemeinen Marktzugang für Schweizer Anbieter sowie den Schutz ihrer Investitionen im Ausland gewährleistet; diesem Anliegen dient auch der Abschluss von pluri- oder bilateralen Abkommen mit anderen Staaten;

­

über das Setzen von wettbewerbsfreundlichen Regelungen auf dem Binnenmarkt die inländische Wirtschaft stärken und die Voraussetzungen für die Nutzung der Vorteile der internationalen Arbeitsteilung schaffen soll,

­

die wirtschaftliche Entwicklung und eine aussichtsreiche weltwirtschaftliche Integration, vor allem der ärmeren Länder, gezielt stärken muss und in allen Partnerländern zur Verbesserung der nationalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beitragen soll.

1108

Angesichts des Ausmasses, das die Globalisierung erreicht hat, wird Aussenwirtschaftspolitik also umfassend verstanden und erstreckt sich auf alle politisch bestimmten Bedingungen, die den internationalen Austausch von Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräften und geistigem Eigentum beeinflussen. Da den Exporten immer Importe gegenüberstehen, ist die allgemeine Wirtschaftspolitik zugleich auch Aussenwirtschaftspolitik. Denn jede wirtschaftspolitische Massnahme wirkt sich auf den Marktzugang für ausländische Anbieter, auf die Qualität als Wirtschaftsstandort und auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz aus. Gleichzeitig bringt eine vertragliche Garantie des Marktzugangs im Ausland den Schweizer Anbietern mehr, wenn der Markt des Partnerlandes wirtschaftlich dynamisch ist und stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen herrschen. Dies kann wiederum nur in einem multilateral ausgehandelten Rahmen gesichert werden, der auch die legitimen Ansprüche der Schwellen- und Entwicklungsländer berücksichtigt. Die Aussenwirtschaftpolitik der Schweiz kann deshalb in drei Dimensionen unterteilt werden: erstens die Verbesserung des Marktzugangs im Ausland und der Aufbau eines internationalen wirtschaftlichen Regelwerks, zweitens die Binnenmarktpolitik in der Schweiz und drittens der Beitrag der Schweiz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Partnerländern (d.h. die Binnenmarktpolitik im Ausland).

Die drei Dimensionen der Aussenwirtschaftsstrategie werden nachstehend in programmatischer Weise beschrieben und anschliessend inhaltlich konkretisiert. In den beiden Dimensionen «Binnenmarktpolitik in der Schweiz» und «Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern» (insbesondere bezüglich der wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen der Entwicklungszusammenarbeit) bestehen bereits ausformulierte Strategien. Diese werden in Ziffer 1.4 zusammengefasst. Für die Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» existiert bisher keine ausformulierte strategische Ausrichtung. Unter Ziffer 1.3 wird deshalb eine Strategie für die Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» formuliert. Die analytischen Grundlagen dafür werden unter Ziffer 1.2 gelegt.

1109

Grafische Darstellung der drei Dimensionen der Aussenwirtschaftspolitik Die folgende Grafik ist eine Darstellung der drei Dimensionen der Aussenwirtschaftspolitik. Jedes Land entscheidet darüber, welche nationale Binnenmarktpolitik es verfolgen will. Da hier die Optik der Schweiz eingenommen wird, beinhaltet die Abbildung ­ links ­ ein Feld für die «Binnenmarktpolitik in der Schweiz». Die Binnenmarktpolitik anderer Länder (dies kann ein einzelnes Land oder eine Gruppe von Ländern sein) ist in einem zweiten Feld ­ rechts ­ zusammengefasst.

Das Feld in der Mitte der Abbildung stellt die Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» dar. Es schiebt sich als Keil zwischen die Binnenmarktpolitiken der einzelnen Länder und bringt zum Ausdruck, inwieweit ein internationales Regelwerk besteht und inwieweit Abmachungen über den gegenseitigen Marktzugang getroffen wurden.

Binnenmarktpolitik anderer Länder

Binnenmarktpolitik Schweiz

Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk

Diese Zusammenhänge werden in der nächsten Abbildung veranschaulicht. Der Grundgedanke dabei ist, dass der wirtschaftliche Austausch umso intensiver möglich ist, je stärker die nationalen Marktordnungen integriert bzw. untereinander abgestimmt sind. Die unten aufgeführten Fälle A (geringe Integration), B (mittlere Integration) und C (hohe Integration) zeigen schematisch die Entwicklung bei zunehmender Integration zwischen den Ländern auf.

Solange jedes Land eine individuelle Binnenmarktpolitik verfolgt (Situation auf Höhe der Zeile A in der nachstehenden Grafik), können grosse Unterschiede zwischen den nationalen wirtschaftspolitischen Regeln entstehen. Wenn Länder miteinander in wirtschaftlichen Austausch treten, können diese Unterschiede dazu führen, dass ausländische Anbieter gegenüber inländischen Anbietern benachteiligt werden. Der wirtschaftliche Austausch ist deshalb beschränkt. Eine dichtere gemeinsame Regelsetzung in der Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» erleichtert den internationalen wirtschaftlichen Austausch. Parallel dazu sinkt jedoch der binnenmarktpolitische Gestaltungsspielraum: Eine intensivere internationale Wirtschaftsverflechtung bedingt eine stärkere Angleichung nationaler Vorschriften und die Schaffung gemeinsamer, internationaler Wirtschaftsregeln. Dafür wächst der internationale Austausch (Situation auf Höhe der Zeilen B und C).

1110

Zunehmende internationale Regelsetzung

Marktchancen im Ausland relativ gering

Binnenmarkt-

Binnenmarktpolitik anderer Länder

politik Schweiz

A

B Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk

C

Marktchancen im Ausland umfassender

A

Geringe Integration: Der Marktzugang ist nur beschränkt möglich aufgrund von Zollabbau; evtl.

Meistbegünstigung, aber keine Inländerbehandlung (ausländische Anbieter haben weiterhin erhebliche Nachteile aufgrund unterschiedlicher nationaler Vorschriften im Warenbereich, fehlender Niederlassungsfreiheit oder unterschiedlicher Bestimmungen in horizontalen Politikbereichen).

B

Mittlere Integration: Der Marktzugang ist gegenüber A besser möglich, z.B. durch Gewährung der Inländerbehandlung, von Nullzöllen, der Anerkennung von im Ausland durchgeführten Produktprüfungen, des Investitionsschutzes, von Marktzugangsgarantien, der Einhaltung von Mindeststandards für Arbeitsbedingungen, usw.

C

Hohe Integration: Der Marktzugang ist gut dank Annäherung an Binnenmarktverhältnisse durch Harmonisierung im technischen Recht, Vereinfachung bzw. Wegfall der Zollverfahren, freien Personenverkehr, Marktzugang in Bereichen des Leistungsstaates, Schaffung gemeinsamer Wettbewerbsregeln, Ausschaltung von Währungsschwankungen.

1111

Die Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» Aus der Position einer weltoffenen kleinen Volkswirtschaft heraus erfolgt die Regelung des Marktzutritts und des Schutzes von Investitionen vorzugsweise auf multilateraler Ebene, vor allem in der WTO, dies auch im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit der vereinbarten Ansprüche. Dabei gilt es zu beachten, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer in der WTO die Mehrheit bilden. Die Ansprüche dieser Länder werden die fortschreitende ­ und letztlich erfolgreiche ­ Aushandlung des internationalen Regelwerks entscheidend prägen. Entwickelt werden multilaterale Regeln und Mindeststandards für den grenzüberschreitenden Austausch von Produkten und Produktionsfaktoren, die weit reichende Auswirkungen auf die nationale Wirtschaftspolitik haben. Ergänzend werden mit pluri- und und bilateralen Wirtschaftsabkommen der Marktzutritt für Schweizer Anbieter und der Schutz von Investoren im Ausland weiter abgesichert und verbessert. Dabei ist vor allem für den europäischen Kontinent eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen in gewissen wirtschaftlichen Bereichen nur noch durch die grenzüberschreitende Schaffung von Binnenmarktverhältnissen (d.h. eine Rechtsharmonisierung oder -koordination) möglich.

Dies erlaubt gleichzeitig eine Vereinfachung der Grenzkontrollen. Zur Verbesserung der Marktchancen von Schweizer Anbietern im Ausland gelangen auch nichtvertragliche Instrumente, z.B. die Exportförderung, zur Anwendung.

Die Dimension «Binnenmarktpolitik der Schweiz» Die Leistungsfähigkeit der Binnenwirtschaft ist ausschlaggebend für den Erfolg eines Landes, was die Exporte von Waren und Dienstleistungen sowie die Auslandinvestitionen anbelangt. Damit sich ein Mehr an Exporten nachhaltig auf die Binnenwirtschaft auswirkt und nicht nur die Vorleistungsimporte erhöht, müssen Wirtschaftzweige, die bisher vor allem in der Binnenwirtschaft tätig waren, ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Dazu trägt auch die Belebung des Wettbewerbs durch Importkonkurrenz bei, sei es in Form von Importen oder in Form von Direktinvestitionen.

Die Dimension «Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern» Nur in einem Umfeld mit stabilen und geeigneten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in den Partnerländern ist es möglich, den rechtlich zugesicherten
Marktzugang tatsächlich zu nutzen und somit von den wirtschaftlichen Vorteilen der Globalisierung zu profitieren. Daher leistet die Aussenwirtschaftspolitik durch die bilaterale und multilaterale wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Beitrag zum Aufbau nationaler Institutionen. Auf multilateraler Ebene finden innerhalb internationaler Organisationen entwicklungspolitische Aktivitäten und eine gewisse Überwachung der nationalen Wirtschaftspolitik aller Staaten statt.

Für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit sowie für den Dialog mit industrialisierten Ländern von grosser Bedeutung sind deshalb die Mitgliedschaft und die Beiträge der Schweiz in internationalen Organisationen, die im wirtschaftlichen Bereich tätig sind (IWF, Weltbank, regionale Entwicklungsbanken, WTO, OECD, Unter- und Spezialorganisationen der UNO). Dies bedeutet, dass sich auch die Schweiz vermehrt bemühen muss, Kohärenz zwischen den verschiedenen Aspekten der Aussenbeziehungen und der Binnenmarktpolitik herzustellen und gleichzeitig ihren Beitrag zur Erfüllung internationaler Vereinbarungen zu leisten.

Hierzu geben die Millenniums-Entwicklungsziele der UNO einen verbindlichen

1112

Rahmen vor. Im Vordergrund steht dabei das achte Ziel, das im Sinne einer globalen Entwicklungspartnerschaft auch ein faires Handelssystems verlangt.

Zwischen den drei Dimensionen der Aussenwirtschaftspolitik bestehen also enge Verbindungen. Der hohe Grad der wirtschaftlichen, aber auch der gesellschaftlichen und politischen Verflechtung macht es oft unmöglich, eine klare Trennlinie zwischen binnenwirtschaftlichen und aussenwirtschaftlichen Massnahmen zu ziehen.

Die Schweiz kann ihre nationale Wirtschaftspolitik immer weniger gestalten, ohne dabei zu bedenken, welche Auswirkungen dies auf die wirtschaftlichen Beziehungen mit anderen Ländern haben wird. Soll der internationale Austausch gefördert werden, müssen die nationalen Wirtschaftsordnungen vermehrt darauf ausgerichtet sein, den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zu erleichtern. Einerseits bedeutet dies den Abbau von klassischen Handelshemmnissen (wie Zöllen). Andererseits ist die Ausarbeitung von internationalen Standards oder zumindest von Anerkennungsübereinkünften notwendig, welche die Behandlung der Unterschiede in den nationalen Gesetzgebungen regeln. Damit sichergestellt ist, dass diese Vereinbarungen innenpolitisch eine Abstützung finden, müssen die einzelnen Staaten ihre Ziele frühzeitig und aktiv in die Gestaltung dieses internationalen Regelwerkes einbringen.

1.2

Das internationale Umfeld: Analyse und Folgerungen für die Schweiz

Unter dieser Ziffer wird das internationale Umfeld, in dem sich die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik bewegt, beschrieben. Folgende drei Tendenzen zeichnen sich ab: Erstens: Das Volumen und die Intensität des internationalen wirtschaftlichen Austausches haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Diese Entwicklung wird unter Ziffer 1.2.1 beschrieben.

Zweitens: Die ausländischen Märkte und damit die gegenwärtigen und potenziellen Wirtschaftspartner der Schweiz entwickeln sich in unterschiedlichem Tempo. Ziffer 1.2.2 liefert Hinweise darauf, welche Länder in den kommenden Jahren besondere wirtschaftliche Bedeutung erlangen könnten.

Drittens: In den letzten Jahrzehnten sind internationale Institutionen entstanden, multilaterale Verträge geschlossen und eine Vielzahl von pluri- und bilateralen Abkommen getroffen worden, die den wirtschaftlichen Austausch zwischen Ländern regeln. Ziffer 1.2.3 würdigt die rechtlichen Entwicklungen auf multilateraler, plurilateraler und bilateraler Ebene.

Unter Ziffer 1.2.4 werden die Folgerungen für die Schweiz gezogen.

Die nachfolgende Analyse ist in der Regel nach den folgenden fünf wirtschaftlichen Kategorien gegliedert: Waren, Dienstleistungen und die drei Produktionsfaktoren Kapital (Investitionen), Arbeitskräfte und geistiges Eigentum. Wenn handelspolitische Entwicklungen beschrieben werden, so wird zwischen Massnahmen, die einzelne Kategorien betreffen, und horizontalen Politiken unterschieden. Unter die «horizontalen» Politiken fallen Regelungen über Wettbewerb, Steuern, das Gesell-

1113

schaftsrecht2 und Umwelt. Als «horizontal» werden diese Politikfelder bezeichnet, weil sie für den wirtschaftlichen Austausch sowohl von Waren und Dienstleistungen als auch von Produktionsfaktoren relevant sind.

1.2.1

Steigende globale Wirtschaftsverflechtung3

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben vor allem zwei Entwicklungen die Internationalisierung der Märkte begünstigt und vorangetrieben: die Liberalisierung der Wirtschafts- und Handelspolitik sowie der technische Fortschritt im Kommunikations- und Transportbereich. Dabei sind die institutionell-politischen und die technischen Veränderungen zum Teil eng miteinander verbunden. Zwischen 1950 und 2003 wuchs der weltweite Warenhandel jährlich um durchschnittlich sechs Prozent und damit eineinhalb Mal so schnell wie das globale Bruttoinlandprodukt.

Der internationale Austausch von Waren und Dienstleistungen hat es den Ländern ermöglicht, sich auf die Bereitstellung jener Leistungen zu spezialisieren, für deren Erzeugung sie die besten Voraussetzungen haben. Die internationale Arbeitsteilung kann als wesentlicher Grund für die Hebung des Lebensstandards in den letzten Jahrzehnten betrachtet werden. Gewinner in diesem Prozess waren vor allem jene Länder, die ihre Wirtschaft nach aussen geöffnet und so aktiv an der Globalisierung teilgenommen haben. Länder, die eine protektionistische Politik verfolgt haben, verzeichneten tendenziell eine geringere wirtschaftliche Dynamik.

Die zunehmende internationale Wirtschaftsverflechtung zeichnet sich vor allem durch zwei Trends aus: ­

Die Entwicklung nach wirtschaftlichen Kategorien ­ Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräfte und geistiges Eigentum ­ war in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem im Bereich der Dienstleistungen und der Investitionen von einer zunehmenden Dynamik im internationalen Austausch geprägt.

­

In der geographischen Entwicklung der internationalen Wirtschaftsverflechtung fand eine Verschiebung vom transatlantischen zum transpazifischen und zum Süd-Süd-Handel statt. Auch der Anteil der Süd-Süd-Direktinvestitionen hat während der neunziger Jahre zugenommen. Gleichzeitig stieg der Anteil des Handels innerhalb der regionalen Integrationsräume.

1.2.1.1

Entwicklung des internationalen Austausches nach wirtschaftlichen Kategorien

Im Jahr 2002 wurden weltweit Waren im Wert von gut 6000 Milliarden US-Dollar exportiert; dies entspricht zirka 80 Prozent der gesamten Waren- und Dienstleistungsexporte. 1980 hatte der Warenanteil noch zirka 85 Prozent betragen. Ein steigender Anteil des weltweiten Handels findet innerhalb von international tätigen Firmen statt. Die statistische Erfassung des Dienstleistungshandels gestaltet sich 2 3

Im Bereich Gesellschaftsrecht werden auch die Themen Corporate Governance, Corporate Responsibility und Korruptionsbekämpfung dargestellt.

Die Daten in diesem Abschnitt basieren auf verschiedenen Publikationen der Weltbank, der WTO und der UNCTAD.

1114

allerdings erheblich schwieriger als jene des Warenhandels. In der WTO werden vier Arten der Dienstleistungserbringung unterschieden: Bei der ersten überquert die Dienstleistung die Landesgrenze; dies ist bei ungefähr einem Drittel des Dienstleistungshandels der Fall. Bei der zweiten überquert der Dienstleistungskonsument die Landesgrenze. Dies trifft auf gut zehn Prozent zu. Bei der dritten wird die Dienstleistung über eine Niederlassung im Ausland erbracht. Gut die Hälfte des Dienstleistungshandels wird auf diese Weise abgewickelt. Da die Errichtung einer Niederlassung im Ausland eine Direktinvestition bedingt, ist der Dienstleistungshandel eng mit der Entwicklung der Direktinvestitionen verknüpft. Unter die vierte Erbringungsart fallen Dienstleistungen, bei denen der Erbringer der Dienstleistung die Landesgrenze überschreitet. Dieser Anteil ist sehr gering.

Weltweit hat sich der Kapitalstock, der aus Direktinvestitionen stammt, zwischen 1980 und 2003 verzehnfacht. Das Verhältnis dieses Kapitalstocks zum Welt-BIP stieg von gut sechs Prozent (1980) auf 23 Prozent (2003). Am stärksten stiegen die Direktinvestitionen im Dienstleistungsbereich, was eine sektorielle Verschiebung von den Bereichen Rohstoffe und Industrie (1990: neun Prozent bzw. 44 Prozent des Kapitalstocks) zum Dienstleistungssektor (2003: 67 Prozent) bewirkte. Die Industrieländer tätigen rund 90 Prozent der weltweiten Direktinvestitionen; rund 40 Prozent dieses Kapitals fliesst in Entwicklungsländer, was die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder wesentlich fördert.

Neben den internationalen Investitionsströmen kann auch die Mobilität von Menschen und damit ­ wirtschaftlich gesehen ­ von Arbeitskräften dazu beitragen, das wirtschaftliche Gefälle zwischen Staaten zu verringern. Die Mobilität von Personen wird heute jedoch wesentlich stärker durch staatliche Bestimmungen eingeschränkt, als dies für den Austausch von Waren, Dienstleistungen oder Investitionen der Fall ist: Die UNO schätzt, dass im Jahr 2000 nur ungefähr drei Prozent der Weltbevölkerung nicht in ihrem Geburtsland lebte. Demgegenüber erreichten die weltweiten Waren- und Dienstleistungsexporte fast einen Drittel und die grenzüberschreitenden Finanzströme (Portfolio- und Direktinvestitionen) rund 50 Prozent des weltweiten BIP. Der Süd-Nord-Migration wird eine hohe
Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl heute die Hälfte der grenzüberschreitenden Mobilität von Arbeitskräften zwischen Ländern des Südens stattfindet. Immerhin waren im Jahr 2001 die Arbeitsentgelte, die im Ausland arbeitende Staatsangehörige in ihr Heimatland sandten, die zweitwichtigste ausländische Finanzierungsquelle für die Entwicklungsländer ­ nach den Direktinvestitionen und weit vor der Entwicklungshilfe.

1.2.1.2

Geographische Entwicklung des internationalen Austausches

Der grösste Teil des Waren- wie auch des Dienstleistungshandels wurde im Jahr 2003 von einer relativ geringen Anzahl Länder abgewickelt: Die 30 wichtigsten Exporteure und Importeure vereinten ungefähr 85 Prozent des Handels auf sich. Die OECD-Mitglieder tätigten 2002 70 Prozent der weltweiten Waren- und 76 Prozent der weltweiten Dienstleistungsexporte. Die wichtigsten Waren- und Dienstleistungsexporteure waren die G-7-Staaten und China, sowie ­ für Waren ­ Südkorea, Mexiko und Russland.

1115

Nach Regionen betrachtet hat der transatlantische Warenaustausch verglichen mit dem transpazifischen Warenhandel seit 1960 tendenziell an Bedeutung verloren.

Zwischen 1963 und 2003 sank der Anteil der Warenexporte, den die USA und Kanada in die EU-15 lieferten, deutlich, während ein Anstieg der Ausfuhren nach Asien4 zu verzeichnen war. Noch deutlicher war diese Entwicklung bei den Warenimporten, bei denen sich der Anteil aus Asien fast verdoppelte.

Von besonderer Bedeutung ist auch die Entwicklung des Handels innerhalb von regionalen oder bilateralen Präferenzabkommen. Ende 2003 waren insgesamt 176 regionale oder bilaterale Handelsabkommen in Kraft. In jenem Jahr wurden ungefähr 36 Prozent der weltweiten Warenexporte innerhalb der grössten sechs regionalen Freihandelszonen registriert (EU-15, NAFTA, AFTA, CEFTA, Mercosur und Andengemeinschaft5). Der Anteil der Exporte, den NAFTA-Länder an ihre NAFTAPartner lieferten, wuchs zwischen 1970 und 2000 von gut einem Drittel auf mehr als die Hälfte (Abbildung 1). Die EU-Länder verkauften 2000 fast zwei Drittel ihrer exportierten Waren an andere EU-Länder; das ist allerdings nur wenig mehr als dreissig Jahre zuvor. Die Länder des Mercosur exportierten im Jahr 2000 wesentlich mehr an ihre Mercosur-Partner als 1970, während sich der Exportanteil sowohl in der Gemeinschaft der Golf-Staaten6 (GCC) als auch zwischen den ASEAN-Staaten nicht wesentlich veränderte.

Abbildung 1 Prozentualer Anteil der intra-regionalen Exporte an den Gesamtexporten

EU-15 NAFTA ASEAN-AFTA MERCOSUR CEFTA Andengruppe GCC

1970

1980

1990

2000

60 36 22 9 ­ 2 5

61 34 17 12 ­ 4 3

66 41 19 9 ­ 4 8

62 56 23 21 12 9 5

Im letzten Jahrzehnt hat sich der Handel zwischen Entwicklungsländern (sog. SüdSüd-Handel) rasch und dynamischer als der Welthandel entwickelt. Die Liberalisierung der Handels- und Investitionsregimes in diesen Ländern führte zu einer stärkeren Handelsverflechtung und allgemein zu einer dynamischeren Wirtschaftsentwick4

5

6

Afghanistan, Australien, Bangladesch, Bhutan, Brunei Darussalam, China, Fiji, Hong Kong, Indien, Indonesien, Japan, Kambodscha, Kiribati, Laos, Macao, Malaysien, Malediven, Mongolei, Myanmar, Nepal, Neuseeland, Pakistan, Papua Neuguinea, Philippinen, Samoa, Singapur, Solomonen, Sri Lanka, Südkorea, Taiwan, Thailand, Tonga, Tuvalu, Vanuatu, Vietnam.

NAFTA: Kanada, Mexiko, USA; ASEAN-Staaten: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam; CEFTA: Bulgarien, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn; Mercosur: Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay; Andengemeinschaft: Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela.

GCC ­ Kooperationsrat der arabischen Golf-Staaten: Arabische Emirate, Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien.

1116

lung. Der Anteil der Süd-Süd-Exporte an den weltweiten Warenexporten erhöhte sich von 6,5 Prozent auf 10,6 Prozent. Der grösste Teil der Zunahme war in den asiatischen Entwicklungsländern zu verzeichnen, die zurzeit mehr als zwei Drittel der Süd-Süd-Exporte generieren. Der Anteil am Süd-Süd-Handel der Entwicklungsländer im Mittleren Osten (ca. 15 Prozent), in Lateinamerika (ca. 13 Prozent) und in Afrika (knapp sechs Prozent) ist entsprechend geringer.

1.2.2

Die Dynamik der wichtigsten internationalen Märkte

Eine dynamische Aussenwirtschaftspolitik muss versuchen, die Marktchancen für Unternehmen prioritär in jenen Märkten zu verbessern, in denen ein grosses Volumen an Geschäftsmöglichkeiten besteht oder zu erwarten ist. Während die Identifikation der gegenwärtig bedeutenden Märkte relativ einfach ist, wird die künftige Bedeutung eines Marktes durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, die vorauszusehen sehr schwierig oder zum Teil sogar unmöglich ist. Allein die Abschätzung der künftigen wirtschaftlichen Dynamik eines Marktes ist alles andere als einfach. Noch schwieriger ist eine Aussage darüber, welche aussenwirtschaftlichen Verflechtungen in zehn Jahren zu erwarten sind. Eine solche Prognose bedingt über Annahmen zur Wirtschaftsdynamik hinaus auch Annahmen darüber, welche relative Dynamik der internationale Austausch von Waren, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren in Zukunft haben wird. Zudem müssen Hypothesen darüber gebildet werden, welche Länder sich wie stark am internationalen Austausch beteiligen. Des weitern hat die Verschiebung der realen Austauschverhältnisse zwischen den Staaten (Terms of Trade) einen Einfluss. Auf der Basis der bisherigen Erfahrungen lassen sich folgende Aussagen machen: In der Vergangenheit ging mit zunehmendem Lebensstandard in der Regel auch eine Zunahme der aussenwirtschaftlichen Verflechtung der Länder einher. Dabei beteiligen sich kleinere Länder tendenziell stärker an der internationalen Arbeitsteilung als grössere Länder. Gleichzeitig zeigen Untersuchungen, dass die Intensität der Handelsverflechtung mit zunehmender geographischer Entfernung tendenziell abnimmt.

Angesichts der genannten Schwierigkeiten wird hier lediglich ein sehr einfaches Szenario vorgestellt, das sich nur auf das Bruttoinlandprodukt, nicht aber auf die Entwicklung der aussenwirtschaftlichen Verflechtungen und auf die Verschiebung der Währungsrelationen bezieht. Das Szenario beruht auf der Annahme, dass die im letzten Jahrzehnt erreichte reale Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts eines Landes auch in den nächsten zehn Jahren zu beobachten sein wird. Als Ausgangswert wird das Bruttoinlandprodukt des Landes (nominal, in US-Dollar) im Jahr 2003 verwendet. Abbildung 2 zeigt, welchen Weltrang einzelne Länder im Jahr 2015 einnehmen könnten, wenn sich ihr Bruttoinlandprodukt zwischen 2003 und
2015 mit der gleichen durchschnittlichen Wachstumsrate entwickelte wie in den letzten zehn Jahren.

Diese einfache Extrapolation darf keinesfalls als Prognose aufgefasst werden: Eine Veränderung der institutionellen, politischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einzelnen Ländern könnte dazu führen, dass die Wirtschaftsentwicklung im kommenden Jahrzehnt vollkommen anders verläuft als im vergangenen. Trotzdem können aus dieser Liste erste Hinweise gewonnen werden, wo bei der Ausrichtung der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik Schwerpunkte gesetzt werden müssen.

1117

Abbildung 2 Rangfolge der wichtigsten Länder gemessen am BIP Land

Nominales BIP (in US-Dollar): Weltrang

USA a,c EU-25 a,b,c,d Japan a,c China a,c,d Kanada a,c Indien a,c,d Südkorea a,c,d Mexiko a,b,c,d Australien a,c Brasilien a,d Russische Föderation c,d Taiwan Türkei a,b,c,d Schweiz a Norwegen a,b,c Indonesien a,c,d Saudi-Arabien c Iran c,d Hongkong a,d Südafrika a,c,d Thailand a,c,d Malaysien a,c,d Israel a,c,b Arab. Emirate a,c,d Singapur a,b,c,d Ägypten a,c,d Argentinien a,d Philippinen a,c,d Chile a,b,d Neuseeland a,c 1 2 a b c d

mögliche Veränderung Rang 2003­2015

19931

20031

20152

2 1 3 4 5 10 8 7 9 6 15 13 14 11 21 16 19 22 20 17 18 24 23 34 27 32 12 28 31 33

2 1 3 4 5 8 7 6 9 10 11 13 14 12 15 17 16 21 19 18 20 24 23 27 25 28 22 29 33 31

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Datenquelle: World Economic Outlook Database (April 2004)

1 ­1 0 0 0 2 0 ­2 0 0 0 1 1 ­2 0 1 ­1 3 0 ­2 ­1 2 0 3 0 2 ­5 1 4 1

eigene Berechnungen auf Basis der gleichen Datenquelle wie 1) WTO-Mitglied Freihandelsabkommen mit der Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit der Schweiz (EU: Vertragspartner sind die einzelnen Länder, mit Ausnahme von Malta und Zypern) Investitionsschutzabkommen (ISA) mit der Schweiz (EU: Vertragspartner sind die einzelnen Länder)

1118

Ein überraschendes Ergebnis dieser Extrapolation ist, dass die USA die EU, sofern sich die Wachstumsdynamik des letzten Jahrzehnts bis 2015 fortsetzt, wieder überholen könnten ­ dies obwohl der Rangberechnung für die EU die Wachstumsdynamik der EU-25 in den letzten zehn Jahren zu Grunde gelegt wurde. Die Fortschreibung der US-Wachstumsdynamik der letzten zehn Jahre setzt allerdings voraus, dass die beiden Defizite im Staatshaushalt und in der Leistungsbilanz ohne wesentliche Wachstumseinbussen korrigiert werden können.

Japan würde ­ obwohl die niedrige Wachstumsrate des letzten Jahrzehnts fortgeschrieben wurde ­ seinen Platz vor China behalten. Die Platzierung Chinas macht deutlich, dass sehr hohe Wachstumsraten über ein Jahrzehnt noch nicht reichen, um die wirtschaftliche Bedeutung eines Landes seinem Bevölkerungsanteil in der Welt anzugleichen, wenn der Wachstumsprozess auf einem tiefen Ausgangsniveau begonnen hat7.

Die beiden NAFTA-Länder Kanada und Mexiko behaupten ihre wichtige Position in der Weltwirtschaft. Hervorzuheben ist der konsequente Aufstieg Indiens. Südkorea und Taiwan haben den Status von Industrieländern bereits erreicht und werden eher noch an Bedeutung gewinnen. Dem steht der Rangverlust Brasiliens und Argentiniens im abgelaufenen Jahrzehnt gegenüber. Brasilien könnte seine Position in Zukunft halten, während Argentinien noch weiter zurückzufallen droht. Hingegen dürfte Chile die Früchte seines Reformprozesses ernten. Während Australien seinen neunten Rang wahrt, sieht es so aus, als könne sich Neuseeland weiter von der gravierenden Wachstumsschwäche der Nachkriegszeit erholen. Gemessen am BIP hat die Russische Föderation seit 1993 zwar die Türkei überholt, doch gemessen an ihrem Gewicht liegen Russland und die Türkei in der Weltwirtschaft überraschend nahe beieinander. Der Abstieg der Schweiz hielte bei einer Fortschreibung der Wachstumsrate zwischen 1993 und 2003 an; sie würde 2015 hinter der Türkei Rang 14 belegen.

Als Gruppe stellen die ASEAN-Staaten ein beachtliches Gewicht in der Weltwirtschaft dar, wobei einzelne ASEAN-Staaten unter den weltweit 30 wichtigsten Ländern figurieren (Indonesien, Thailand, Malaysia, Singapur und die Philippinen).

Nicht bei all diesen Staaten ist allerdings ein Ranggewinn zu erwarten. Die Staaten des Golfrates (Saudi-Arabien und die Arabischen
Emirate rangieren unter den ersten 30) zeichnen sich demgegenüber durch ein bedeutend wachsendes Potenzial aus. Die Bedeutung des Erdöls macht auch der Ranggewinn Norwegens deutlich; am Rang gemessen holt dieses EFTA-Land die Schweiz fast ein. Während Hongkong als Handelsplattform noch wichtiger ist als ­ wie hier ­ am BIP gemessen, verhält es sich beim Iran gerade umgekehrt. Dass der Iran vor Südafrika liegt, dessen Trend eher abwärts gerichtet erscheint, verdient eine explizite Erwähnung. Seinen Rang unter den wirtschaftlich 30 wichtigsten Ländern dürfte auch Israel wahren.

Hervorzuheben ist schliesslich, dass die einzelnen EU-Staaten die folgenden Ränge einnähmen, wären sie einzeln und nicht als Bestandteil der Europäischen Union in die Tabelle aufgenommen worden: Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien (Ränge 4­7) würden vor und Spanien (Rang 9) unmittelbar nach Kanada liegen. Die Niederlande (Rang 14) würde sich zwischen Australien und Brasilien 7

Es ist in einem raschen Wachstumsprozess jedoch sehr wohl denkbar, dass die reale Höherbewertung der Währung das BIP eines Landes zusätzlich erhöht ­ ein Faktor, den die Extrapolation nicht berücksichtigt.

1119

schieben, und Schweden, Belgien und Irland lägen vor der Türkei auf den Rängen 18 bis 20. Die Schweiz würde gleich nach der Türkei Rang 22 einnehmen. Polen und Österreich würden die Ränge 23 und 24 belegen. Für eine stärkere Fokussierung auf Europa als es die Tabelle suggeriert spricht weiter, dass die geographische Distanz trotz der Globalisierung weiterhin eine zentrale Determinante des Handelsvolumens bleibt, was abgeschwächt auch für das Volumen an Direktinvestitionen zutrifft.

Insgesamt sind drei Gruppen von Ländern für die Schweizer Wirtschaft heute und wohl noch vermehrt in Zukunft von besonderer Bedeutung. Es sind dies erstens die EU und die EFTA-Länder; schon wegen ihrer Grösse, aber eben auch wegen ihrer geographischen Nähe. Zweitens sind es die aussereuropäischen OECD-Ländern (vor allem die USA und Japan, aber auch Kanada, Südkorea, Mexiko, Australien und Neuseeland). Schliesslich stechen die sehr grossen und dynamischen Schwellen- und Transitionsländer hervor, allen voran China, Indien, Brasilien und Russland. Diese drei Ländergruppen werden für die strategische Ausrichtung eine entsprechend wichtige Rolle spielen (Ziff. 1.3).

1.2.3

Entwicklung des handelspolitischen Umfeldes8

Der Handel mit Waren war historisch die wichtigste Kategorie des internationalen Austausches. Diesem Bereich wurde daher beim Abbau von Handelsschranken traditionell die grösste Aufmerksamkeit geschenkt. Mit der zunehmenden Tertiarisierung der Wirtschaft in den Industrieländern und mit dem technischen Fortschritt dehnten sich jedoch der Handel mit Dienstleistungen, das Volumen grenzüberschreitender Kapitalströme und ­ eng verbunden mit beiden ­ der internationale Einsatz von Arbeitskräften aus. Vor allem der technische Fortschritt verlieh dem Schutz geistiger Eigentumsrechte einen höheren Stellenwert. Die zunehmende internationale Verknüpfung der wirtschaftlichen Akteure verstärkte zudem die Notwendigkeit, internationale Regeln für den Wettbewerb zu schaffen. Regeln darüber, wie mit unterschiedlichen nationalen Vorschriften im Bereich der Besteuerung und ­ zum Teil auch ­ im Privatrecht zu verfahren ist, bestehen dagegen schon länger. Übereinkünfte oder gemeinsame Standards werden aber auch bei anderen horizontalen Politiken notwendig, wenn die internationale Mobilität von Personen, Firmen, Waren oder Dienstleistungen weiter erhöht werden soll.

Die Entwicklung in der internationalen Regelsetzung ­ vom Warenhandel hin zum Austausch von Dienstleistungen und Produktionsfaktoren (Investitionen, Arbeitskräfte und geistiges Eigentum) und zu horizontalen Politiken wie Wettbewerb und Steuern ­ zeigt sich klar in der Entstehungsgeschichte der WTO sowie in der Entwicklung der wirtschaftlichen Integration innerhalb der EU. Dieser Prozess wird in der Folge kurz beschrieben.

8

Eine detaillierte Diskussion des handelspolitischen Umfeldes und der aussenwirtschaftspolitischen Instrumente der Schweiz erscheint in einer Separatpublikation zu diesem Einleitungskapitel. Diese Separatpublikation wird Anfang 2005 in der Reihe «Grundlagen der Wirtschaftspolitik» des Staatssekretariats für Wirtschaft veröffentlicht werden.

1120

Vor einem neuen Bilateralismus?

Die Entwicklung des GATT-Abkommens (General Agreement on Tariffs and Trade) und die Entstehung der WTO Mitte der neunziger Jahre widerspiegeln den Wandel in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen in der Nachkriegszeit9. Das 1948 in Kraft getretene GATT war im Wesentlichen ein Abkommen über Zollsenkungen für den Warenhandel. Von den siebziger Jahren an wurden auch die Regeln über nichttarifarische Hindernisse im internationalen Warenaustausch (Normen, Beglaubigungs- und Testsysteme) gestärkt und Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen geschaffen. Mitte der neunziger Jahre kamen unter dem Dach der neu geschaffenen WTO zwei neue wegweisende Abkommen zum GATT hinzu: die multilateralen Handelsregeln in den Bereichen Dienstleistungen (das GATSAbkommen, General Agreement on Trade in Services) und geistiges Eigentum (das TRIPS-Abkommen, Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights). Heute zählt die WTO 148 Mitgliedstaaten und regelt über 90 Prozent der weltweiten Handelsflüsse. Die WTO ist das zentrale globale Forum, auf dem die unterschiedlichen Ansprüche und Interessen aller Länder aufeinander treffen. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten sind Schwellen- und Entwicklungsländer. Der bisherige Verlauf der jüngsten Verhandlungsrunde (Doha-Runde) zeigt, dass diese Länder ihre Anliegen immer wirkungsvoller einzubringen wissen. Weitere Fortschritte bei der Aushandlung des internationalen Regelwerkes sind nur unter gebührender Berücksichtigung der Interessen dieser Mehrheit möglich.

In Westeuropa zeigt sich eine ähnliche Entwicklung, wenn auch mit einer klaren politischen Ausgangslage und Finalität. 1958 kam es zur Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die sich vornahm, nach den strategischen Waren Kohle und Stahl sowie der Atomenergie auch den gesamten übrigen Wirtschaftsverkehr gemeinsam zu regeln. Als die freie Konvertibilität der Währungen wieder erreicht worden war, wurde mit dem Zollabbau begonnen, vorerst unter den sechs Gründungsmitgliedern, parallel dazu aber auch im Rahmen der damals noch weit grösseren EFTA. Die Bestimmungen, welche die Römer Verträge deutlich gegenüber der EFTA-Konvention abheben ­ nämlich die politische Finalität und der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Investitionen und Arbeitskräften ­ wurden in den
darauffolgenden Jahren umgesetzt. Die EFTA-Konvention wurde zwar auch erheblich weiter entwickelt, ohne aber eine Rechtsvereinheitlichung anzustreben.

In der EU ist vor allem das Binnenmarktprogramm von 1985 hervorzuheben. Misst man dieses Programm an seinen Auswirkungen, kann es auch als ein Programm für die Integration der Dienstleistungsmärkte gesehen werden. Des Weiteren ist die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion in den neunziger Jahren zu erwähnen, die letzte Hemmnisse im freien Kapitalverkehr beseitigen half. Der freie Personenverkehr ­ jüngst bis zur Unionsbürgerschaft weiterentwickelt ­ war wegen des damaligen Emigrationslandes Italien schon von Beginn an ein wesentliches Thema der Sechser-Gemeinschaft und hebt die EU gegenüber anderen regionalen Integrationsgemeinschaften ab.

9

Auf die liberale Epoche am Ende des 19. Jahrhunderts, als beispielsweise die Schweiz in eine Währungsunion eingebunden war und als die Migration von Arbeitskräften das wirtschaftliche Gefälle zwischen Staaten zum Teil stärker einebnete, als es heute der wachsende Handel mit Waren und Dienstleistungen, der Kapitalverkehr und die Lizenzvergabe tun, sei hier nur hingewiesen.

1121

Die Revision der Römer Verträge durch die Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza diente vor allem dazu, den Schritt von der wirtschaftlichen zur politischen Union zu vollziehen. Auf wirtschaftlicher Ebene sind derzeit besonders im Bereich der horizontalen Politiken wesentliche Entwicklungen im Gange. Inzwischen hat die EU 25 Mitglieder, und zusätzliche Erweiterungsschritte sind vorgesehen.

Das Beispiel der EU strahlte auf andere Kontinente aus, auf denen gleichfalls regionale Integrationsgemeinschaften geschaffen wurden. Seit einigen Jahren begünstigt der zeitweilige Stillstand in der Weiterentwicklung der WTO-Regeln zunehmend den Abschluss pluri- oder bilateraler Abkommen. Während diese früher vor allem auf regionaler Ebene entstanden, entwickelte sich in letzter Zeit ein Trend zu interkontinentalen Abkommen. Die Frage, ob dies den Weg in einen neuen Bilateralismus bedeutet oder ob damit eine Weiterentwicklung in der WTO vorbereitet wird, muss heute offen bleiben. Klar ist aber, dass die multilaterale Liberalisierung der Wirtschaftsbeziehungen insgesamt für alle Länder vorteilhafter ist als ein Netz von bilateralen Abkommen. Die Risiken der Diskriminierung und Handelsumlenkung, die durch den Bilateralismus für Drittstaaten entstehen, sind jedenfalls erheblich.

Die in den drei Hauptabkommen der WTO ­ GATT, GATS und TRIPS ­ vereinbarten Regeln sind zwar rechtlich nicht miteinander verknüpft. In den Verhandlungsrunden zur Weiterentwicklung und Ausdehnung des Vertragswerkes der WTO werden jedoch die Bereiche Warenverkehr (insbesondere Agrarerzeugnisse), Dienstleistungen und geistiges Eigentum faktisch verbunden. In einer Verhandlungsrunde muss diesem Faktum, das sich auch in den verschieden gelagerten Interessen mehrerer Allianzen unter den Mitgliedsländern widerspiegelt, Rechnung getragen werden.

Um zu einem Ergebnis zu gelangen, muss dieses den verschieden gelagerten Interessen in genügendem Mass entgegengekommen.

Die Einsicht, dass Agrarerzeugnisse, Industrieprodukte, Dienstleistungen, Investitionsmöglichkeiten und geistige Eigentumsrechte meist nicht isoliert verhandelt werden können, sondern dass nur eine Paketlösung möglich ist, überträgt sich auf die Ebene der pluri- und bilateralen Abkommen. Abkommen nur über den Dienstleistungshandel sind bislang kaum bekannt. Es besteht eine Tendenz,
so genannte Freihandelsabkommen der zweiten Generation abzuschliessen, die zusätzlich zum Warenverkehr auch Bestimmungen zu den Dienstleistungen, den Investitionen, dem öffentlichen Beschaffungswesen oder zu horizontalen Politiken enthalten.

Die Ausweitung der Verhandlungsgegenstände über den Warenverkehr hinaus auf nichttarifarische Handelhemmnisse, Dienstleistungen, Investitionen oder horizontale Politiken stellt eine innenpolitische Herausforderung für die beteiligten Staaten dar.

Dies umso mehr, als die WTO eine globale Organisation geworden ist, deren Mitglieder mehrheitlich Schwellen- und Entwicklungsländer sind. Fragen, die bisher als innerstaatliche Angelegenheit betrachtet wurden, werden zunehmend zum Gegenstand internationaler Verhandlungen oder von internationalen Verhandlungen beeinflusst. Ein Beispiel dafür ist die Verengung der Palette möglicher Lösungen für die Regelung der flächendeckenden Grundversorgung, wenn der Dienstleistungssektor liberalisiert wird. Innenpolitisch schwierig ist auch die Stärkung der Durchsetzungsmechanismen, sobald man den Bereich des Zollrechts mit dem klassischen Instrument der Strafzölle verlässt.

1122

Je heterogener die Interessen der an den Verhandlungen beteiligten Staaten sind und je heikler die Verhandlungsgegenstände innenpolitisch werden, desto grösser ist das Risiko, dass der gemeinsame Nenner, auf den sich mehrere Parteien einigen können, vergleichsweise klein ausfällt. Hervorzuheben ist folglich die Interdependenz zwischen den WTO-Verhandlungen und der Tendenz, pluri- und bilaterale Abkommen zu schliessen. Bilateral, unter vergleichbaren Volkswirtschaften, kann die gewünschte tiefere Integration leichter erreicht werden, allerdings um den Preis eines engeren geographischen Anwendungsfeldes des Abkommens. Vor diesem Hintergrund muss die Absenz eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA hervorgehoben werden. Schritte in Richtung eines solchen Abkommens hätten tiefgreifende Auswirkungen auf den Bedarf an und damit auch auf die Aussichten auf Weiterentwicklungen in der WTO.

1.2.4

Folgerungen für die Schweiz

Die Schweiz ist eng mit der Weltwirtschaft verknüpft und hat eine starke internationale Ausrichtung. Allerdings haben europäische Staaten vergleichbarer Grösse ­ wie Schweden, Finnland und Österreich ­ im Zuge des Beitritts zur EU ihre internationale Verflechtung bedeutend und stärker als die Schweiz gesteigert. Setzt man die Exporte in Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt, ist z.B. Österreich heute wirtschaftlich stärker international eingebunden als die Schweiz. Diese Sicht vernachlässigt jedoch die bedeutende Stellung, welche die Schweiz weltweit als Herkunftsland für Direktinvestitionen geniesst. In dieser Rolle reicht ihre Bedeutung weiterhin an jene grosser EU-Staaten heran. Anhang A2 vertieft die Analyse der aussenwirtschaftlichen Verflechtung der Schweiz.

Eine Fortschreibung der schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung des letzten Jahrzehnts lässt einen weiteren Positionsverlust der Schweiz in der Hierarchie der Handelsnationen erwarten. Der tiefere Grund für diese Entwicklung liegt im Strukturwandel im Inland. Hinsichtlich der Beschäftigung haben insbesondere Sektoren zugelegt, die noch nicht dem vollen Konkurrenzdruck internationaler Märkte ausgesetzt sind (z.B. Gesundheit, Bildung). Aus institutionellen und innenpolitischen Gründen verfügen diese oft auch über eine gesicherte Finanzierung aus Zwangsabgaben, so dass Zweifel an der Wünschbarkeit ihrer Expansion aufkommen. Genau diese Sektoren werden in der EU heute zunehmend in den Binnenmarkt integriert und auch weltweit gesehen liberalisiert. Dies geht mit einem enormen Reformdruck einher. Mit der Binnenmarktpolitik muss die Schweiz in vergleichbarem Mass die Wettbewerbsfähigkeit von binnenorientierten Sektoren (neben Gesundheit und Bildung auch Landwirtschaft oder Bau) vorantreiben. Diese Förderung ist eng damit verbunden, ausländische Konkurrenz zuzulassen und so die internationale Verflechtung zu intensivieren.

Parallel zur Expansion des staatsnahen Dienstleistungssektors ist der Beschäftigungsgrad des ­ im internationalen Wettbewerb stehenden ­ Industriesektors im letzten Jahrzehnt markant geschrumpft: Während die Beschäftigung10 gesamtwirtschaftlich gestiegen ist, sank sie in diesem Sektor zwischen 1992 und 2002 um 16,2 Prozent. Die Schweiz konnte ihre Stellung als Exporteur im Welthandel nur knapp 10

Gemessen in Vollzeitäquivalenten.

1123

halten, weil es ihr gelang, die Produktivitätssteigerungen im Industriesektor zu verstärken und die Wertschöpfungstiefe im Inland zu verringern. Dabei ist es ein allgemeines Kennzeichen der wirtschaftlichen Globalisierung, dass die Wertschöpfungskette aufgebrochen wird und sich für jeden Produktionsschritt die Frage stellt, wo er sich im In- oder Ausland am besten ansiedeln lässt.

Der Prozess der Globalisierung bietet der Schweiz auch grosse Chancen. Sie wurden im Bereich der unternehmensbezogenen Dienstleistungen im weiten Sinn, d.h.

einschliesslich der Finanzdienstleistungen, in beachtlichem Mass auch wahrgenommen. Oft war dieser Erfolg mit der Gründung oder Verstärkung der kommerziellen Präsenz im Ausland verbunden. Eine wesentliche Rolle spielt der Umstand, dass nach dem politischen Umbruch von 1989 und der Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Modelle eine zunehmende Anzahl von Schwellen- und Transitionsländern als Ziele von Direktinvestitionen in Frage kamen.

Für das aussenwirtschaftliche Vertragsnetz haben diese Entwicklungen drei Auswirkungen: ­

Zur Stützung der inneren Reformen sollte in weiteren Sektoren eine verstärkte aussenwirtschaftliche Öffnung vertraglich vereinbart werden. Dies betrifft vor allem vom Leistungsstaat geprägte Dienstleistungszweige, den Infrastrukturbereich und die Landwirtschaft.

­

Damit der Produktionsstandort Schweiz in den innerbetrieblichen Wertschöpfungsketten bleibt, müssen die bestehenden Handelshemmnisse im Warenverkehr noch weit stärker als bisher abgebaut und neue Diskriminierungen verhindert werden. Dies bedeutet vor allem Zollabbau gegenüber wichtigen Schwellenländern, Nullzölle unter den industrialisierten Ländern für jene Erzeugnisse, in denen die Schweiz besonders exportstark ist, neue Kumulationsvereinbarungen im Bereich der Ursprungsregeln sowie mehr oder vertiefte Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen.

­

Der Schutz der Direktinvestitionen bedarf weiterhin einer hohen Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist eine Ausdehnung dieser Abkommen auf die Garantie des Marktzugangs anzustreben. Dies ist umso wichtiger, als die Konkurrenten aus aussereuropäischen OECD-Ländern ihre Marktstellung in wichtigen aufstrebenden Märkten abgesichert haben. Komplementär dazu muss der Dienstleistungsteil in den präferenziellen Abkommen gegenüber dem Warenverkehrsteil an Bedeutung gewinnen.

Die Schwierigkeiten, die sich der Bewältigung dieser Herausforderungen entgegenstellen, sind erheblich. Zu nennen sind: ­

die innenpolitischen Widerstände gegenüber tiefgreifenden Reformen, welche die Liberalisierung des Binnenmarktes und den Verhandlungsspielraum zur Aushandlung des Marktzugangs im Ausland erschweren;

­

die ­ institutionell gesehen ­ randständige Position der Schweiz auf dem eigenen Kontinent, die zum späteren Nachvollzug statt zur Mitgestaltung der Reformen im Binnenmarkt führt;

­

der stockende Verlauf der Verhandlungen im Rahmen der WTO, die den Interessen einer mittelgrossen, offenen, global ausgerichteten und hochentwickelten Volkswirtschaft eigentlich am meisten entgegenkämen;

1124

­

das im Vergleich zu grossen Konkurrenten geringe Verhandlungsgewicht der Schweiz, welches die zügige Ausweitung eines gleichwertigen bilateralen Vertragsnetzes erschwert und es nahe legt, Verhandlungsallianzen zu suchen;

­

die in gewissen Fällen widersprüchlichen Prioritäten innerhalb derartiger Verhandlungsallianzen (z.B. innerhalb der EFTA), welche einen Mehraufwand bei der Bestimmung von Verhandlungspositionen mit sich bringen und die erzielbaren Resultate beeinträchtigen können.

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen hat der Bundesrat für die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik bezüglich der Dimension Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk die nachstehenden Zielsetzungen und Leitlinien formuliert.

1.3

Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk

Die Aussenwirtschaftspolitik muss auf die Förderung des Wohlstandes ausgerichtet sein. Aus Sicht der Schweiz ist deshalb die Nichtdiskriminierung von Unternehmen auf allen Märkten weltweit die oberste Zielsetzung in der Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk»: In einer idealen Welt sollten Schweizer Anbieter ­ wie auch alle anderen Anbieter ­ auf ausländischen Märkten weder gegenüber dort ansässigen noch gegenüber Anbietern aus Drittstaaten diskriminiert werden. Nun kann eine mittelgrosse Handelsnation wie die Schweiz kaum die heute weltweit zu beobachtende Zunahme von regionalen und bilateralen Abkommen beeinflussen. Diese führt zur Diskriminierung von Anbietern, die sich ausserhalb der dadurch entstehenden Blöcke befinden. Eine kleine offene Volkswirtschaft kann dies nur ausgleichen, wenn sie ebenfalls pluri- und bilaterale Abkommen eingeht.

Von dieser Feststellung ausgehend, leitet Ziffer 1.3 die strategische Ausrichtung in der Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» her. Die Ausführungen beginnen mit generellen Zielen und Leitlinien für die Strategie in dieser Dimension (Ziff. 1.3.1). In einem zweiten Schritt wird, aufgeteilt nach den wirtschaftlichen Kategorien Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräfte und geistiges Eigentum sowie für die horizontalen, d.h. mehrere Kategorien betreffenden Politiken, der Handlungsbedarf für die Schweiz dargelegt (Ziff. 1.3.2). In einem dritten Teil wird aus diesen Überlegungen zusammenfassend eine Agenda für die Dimension Marktzutritt im Ausland und internationales Regelwerk abgeleitet (Ziff. 1.3.3). Diese Agenda ist nach institutionellen Handlungsmöglichkeiten ­ multilateral, bilateral mit der EU oder pluri- und bilaterale Abkommen mit anderen Staaten ­ gegliedert.

1.3.1

Allgemeine Ziele und Leitlinien

Die strategische Ausrichtung in der Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» soll aufzeigen, wie eine Verbesserung der Stellung von Schweizer Anbietern gegenüber ihren Konkurrenten erreicht werden kann. Dazu müssen die folgenden fünf Fragen beantwortet werden:

1125

­

In welchem globalen Umfeld soll der Marktzugang verbessert werden?

­

Mit welchen Ländern soll verhandelt werden?

­

Für welche wirtschaftlichen Kategorien soll der Marktzugang verbessert werden?

­

Welche Unternehmen sollen vom Verhandlungsresultat profitieren?

­

Wie kann die Schweiz das Verhandlungsergebnis bestmöglich nutzen?

Für die Schweiz als mittelgrosse Handelsnation und als Netto-Kapitalexporteur lassen sich aus diesen Fragen die folgenden gleichrangigen Ziele ableiten: 1.

aktiv an der Stärkung der internationalen Wirtschaftsordnung teilnehmen

2.

Marktzugang im Ausland zu bedeutenden Märkten verbessern

3.

Marktzugang im Ausland für alle wirtschaftlichen Kategorien erreichen

4.

Marktzugang im Ausland für alle Unternehmensgrössen verbessern

5.

Umsetzung und Anwendung bestehender Abkommen sicherstellen

Die Ziele der Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» der Aussenwirtschaftspolitik sind so zu verfolgen, dass die konkreten Schritte in Einklang stehen mit den Zielsetzungen der Aussenpolitik, der Entwicklungspolitik, der Sicherheitspolitik sowie der Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates.

Nachfolgend werden die fünf allgemeinen Ziele ausführlicher beschrieben und mit 15 Leitlinien konkretisiert.

Ziel 1: Aktiv an der Stärkung der internationalen Wirtschaftsordnung teilnehmen Durch die Schaffung und Stärkung einer regelgebundenen internationalen Wirtschaftsordnung sollen weltweit die Bedingungen für den grenzüberschreitenden Austausch von Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräften und geistigem Eigentum verbessert werden. Dies entspricht den politischen Möglichkeiten einer mittelgrossen Handelsnation am besten. Die Schaffung geeigneter binnenwirtschaftlicher Bedingungen ist dabei eine wichtige Voraussetzung, um auf internationaler Ebene als verhandlungsfähiger Partner auftreten zu können.

Leitlinie 1: Universalität der aussenwirtschaftlichen Beziehungen bewahren Grundsätzlich strebt die Schweiz aussenwirtschaftliche Beziehungen mit allen Ländern weltweit an. Dies erlaubt es, die aussenwirtschaftlichen Risiken zu diversifizieren und an der Stärkung und Stabilisierung der Weltwirtschaft zu partizipieren.

Soweit wie möglich sollten sich diese Beziehungen im Rahmen einer regelgebundenen internationalen Wirtschaftsordnung durch die Nichtdiskriminierung gegenüber inländischen Anbietern im Partnerland (Inländerbehandlung) und die Nichtdiskriminierung gegenüber Anbietern aus Drittländern (Meistbegünstigung) auszeichnen.

Leitlinie 2: Eine kohärente Ausgestaltung des internationalen Regelwerkes anstreben Die weltweite Staatengemeinschaft rückt näher zusammen. Damit steigt die Bedeutung eines internationalen Regelwerks, das dem wirtschaftlichen Austausch einen stabilen Rahmen gibt. Dieses Regelwerk gilt es kohärent zu gestalten unter Berück1126

sichtigung der internationalen Vorgaben der Nachhaltigkeit, der persönlichen, nationalen und kollektiven Sicherheit, aber auch der Aufgabe, das weltweit fortbestehende Wohlstandsgefälle zu verringern. Die glaubwürdige Teilnahme der Schweiz an der Ausgestaltung eines kohärenten Regelwerks auf internationaler Ebene bedingt entsprechende innenpolitische Voraussetzungen.

Leitlinie 3: Aussenwirtschaftspolitischen Handlungsspielraum gewinnen Binnenwirtschaftliche Reformen liegen im wirtschaftlichen Eigeninteresse der Schweiz. Sie entscheiden aber auch darüber, ob sich die Schweiz international vertraglich binden kann. Dies gilt in besonderem Ausmass im multilateralen Kontext, jedoch auch auf pluri- und bilateraler Ebene. Binnenwirtschaftlichen Reformen kommt deshalb im Aussenverhältnis ein bedeutendes Gewicht zu, denn sie bestimmen letztlich den Gestaltungsspielraum für künftige Verhandlungen.

Ziel 2: Marktzugang im Ausland zu bedeutenden Märkten verbessern Für die Schweiz ist ein möglichst weit reichender Marktzugang im Ausland wesentlich. Dies kann grundsätzlich am besten in einem multilateralen Regelsystem erreicht werden. In besonders grossen sowie sehr dynamischen Märkten sollen auch durch pluri- und bilaterale Abkommen der Marktzugang verbessert und eine Schlechterstellung gegenüber Konkurrenten aus Drittstaaten vermieden werden.

Leitlinie 4: Auf dem multilateralen Weg die Marktchancen in möglichst vielen Ländern verbessern Multilaterale Abkommen, die allen Vertragspartnern im Rahmen der Meistbegünstigung bilateral ausgehandelte Marktzutrittsmöglichkeiten gewähren, sind für die Schweiz vorteilhafter als ein Netz von pluri- und bilateralen Abkommen. Deshalb ist die aktive Teilnahme an der Liberalisierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen in einem multilateralen System für die Schweiz vorrangig. Gleichzeitig nimmt die Schweiz hier auch an den Bemühungen teil, den spezifischen Bedürfnissen der ärmsten Entwicklungsländer ­ etwa im Rahmen des special and differential treatment ­ Rechnung zu tragen.

Leitlinie 5: Marktzugang in die EU vertiefen Die EU ist für die Schweiz der bedeutendste Wirtschaftspartner, auch aufgrund ihrer geographischen und kulturellen Nähe. Die weitere Verbesserung des Zugangs für Schweizer Anbieter und Investoren zum EU-Markt ist deshalb wichtig. Die Verbesserung des
Marktzugangs kann auf vertraglicher Basis oder auch unilateral durch die Harmonisierung der Rechtsvorschriften erreicht werden. Auch unilaterale Lösungen gilt es jedoch rechtlich möglichst umfassend abzusichern.

Leitlinie 6: Marktzugang zu wirtschaftlich bedeutenden Märkten ausserhalb der EU/EFTA verbessern Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung grosser und dynamischer Märkte ausserhalb der EU/EFTA ist eine höhere Qualität des Zugangs zu diesen Märkten wünschenswert; dieses Ziel ist zurzeit in multilateralen Abkommen nicht voll zu erreichen. Die Verbesserung des Zugangs zu wirtschaftlich bedeutenden Märkten ist insbesondere angesichts des wachsenden Netzes von pluri- und bilateralen Abkommen dieser Länder mit Drittstaaten anzustreben. Vier Kriterien sind für die Wahl der Verhandlungspartner ausschlaggebend, wobei die Erfüllung des ersten Kriteriums 1127

zentral ist: (1) die gegenwärtige und potenzielle wirtschaftliche Bedeutung des Partnerlandes, (2) das Ausmass der aktuellen oder drohenden Diskriminierung auf dem Markt des Partnerlandes gegenüber Konkurrenten aus Drittstaaten, falls die Schweiz kein Abkommen schliesst; (3) die Verhandlungsbereitschaft des Partners sowie (4) die politische Opportunität von Verhandlungen.

Ziel 3: Marktzugang im Ausland für alle wirtschaftlichen Kategorien erreichen Die Verbesserung des Marktzutritts im Ausland muss möglichst alle wirtschaftlichen Kategorien umfassen. Deshalb sind neben Regeln für den traditionellen Warenhandel auch verbesserte Übereinkünfte vor allem in den Kategorien Dienstleistungen und Investitionen sowie für die horizontalen Politiken (wie Wettbewerb, Steuern, Gesellschaftsrecht) notwendig. Diesen Kategorien kommt im internationalen Wirtschaftsgeflecht heute eine zunehmende Bedeutung zu.

Leitlinie 7: Ein umfassender Marktzugang ist zu bevorzugen Aus wirtschaftlicher Sicht sind Abkommen, die den Marktzugang auf möglichst breiter Basis (d.h. für Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräfte und geistiges Eigentum zugleich) verbessern, grundsätzlich zu bevorzugen. Ist ein umfassendes Abkommen nicht möglich, so kann unter Umständen ein vergleichbares Resultat erzielt werden, indem ­ ergänzend zu den multilateralen Ergebnissen ­ pluri- und bilaterale Abkommen geschlossen werden. Diese können den Marktzutritt für die einzelnen Kategorien stärken und Bestimmungen über horizontale Politiken enthalten.

Leitlinie 8: Der Wichtigkeit von Dienstleistungen und Investitionen Rechnung tragen Im internationalen Austausch von Dienstleistungen und Investitionen ist auch in den nächsten Jahren eine anhaltende Dynamik zu erwarten. Dieser Entwicklung muss aussenwirtschaftspolitisch Rechnung getragen werden: Es braucht eine vermehrte Orientierung in Richtung Dienstleistungen und Investitionen bei der Schnürung von Verhandlungspaketen, bei der Bestimmung der konkreten Inhalte und bei der Auswahl von Verhandlungspartnern. Insbesondere im Investitionsbereich sind vertragliche Garantien für den Marktzutritt und den dauerhaften Schutz erforderlich.

Leitlinie 9: Tarifarische und nichttarifarische Hindernisse im Warenhandel weiter reduzieren Besonders im Verhältnis mit Schwellenländern steht der Abbau von
Zollschranken für den Warenverkehr nach wie vor im Vordergrund. Komplizierte Grenzkontrollverfahren und Ursprungsregeln müssen vereinfacht werden. Je stärker die Zölle reduziert werden, desto intensivere Wirkung entfalten die nicht durch Zölle verursachten (nichttarifarischen) Hemmnisse. Dazu gehören insbesondere unterschiedliche Produktvorschriften zwischen Heimatland und Zielland sowie die Nichtanerkennung von im Ausland durchgeführten Prüfungen, Zertifizierungen, Inspektionen und Zulassungen. Parallel zum Zollabbau sind deshalb grundsätzlich auch Massnahmen zum Abbau nichttarifarischer Hindernisse erforderlich. Das gilt in erster Linie für Industriegüter, jedoch in gewissem Ausmass auch für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte und Agrarerzeugnisse.

1128

Leitlinie 10: Die gemeinsame Regelsetzung in horizontalen Politikbereichen vorantreiben Die Schaffung weltweit geltender Regeln in horizontalen Politikbereichen wie Wettbewerb, Besteuerung, Gesellschaftsrecht oder Umwelt gewinnt zunehmend an Wichtigkeit. Unterschiedliche nationale Bestimmungen in diesen Bereichen entfalten eine horizontale Wirkung, da sie den internationalen Austausch von Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräften und geistigem Eigentum behindern können. Der Umsetzung bestehender und der Schaffung neuer internationaler Regeln in diesen Bereichen kommt deshalb hohe Priorität zu (vgl. Ziel 1). Bestimmungen zu den horizontalen Politiken sind auch in pluri- und bilateralen Abkommen von grosser Bedeutung.

Ziel 4: Marktzugang im Ausland für alle Unternehmensgrössen verbessern Die Verbesserung des Marktzutritts im Ausland muss die Marktchancen für Unternehmen verschiedener Grössen erhöhen. Neben vertraglichen Übereinkünften wird dies durch den Einsatz nichtvertraglicher Instrumente erreicht.

Leitlinie 11: Probleme beim Marktzutritt für alle Unternehmensgrössen vermindern Grosse Unternehmen sind häufig mit Niederlassungen in den Absatzmärkten vertreten und verfügen dadurch in der Regel über eine bessere Kenntnis der lokalen Bedingungen. Sie sind in besonders hohem Mass auf griffige Investitionsregeln sowie auf eine ausreichende Mobilität von Kadern und Spezialisten angewiesen. Für kleine und mittlere Firmen, die tendenziell über weniger Niederlassungen im Ausland verfügen, sind der Grenzübertritt von Waren, die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung und die unproblematische Erfüllung von Montage- und Unterhaltsaufträgen wichtiger. Für alle Unternehmen in gleichem Mass entscheidend ist die Nichtdiskriminierung gegenüber inländischen Anbietern im Zielmarkt.

Leitlinie 12: Nichtvertragliche Instrumente effektiv einsetzen Selbst wenn der Marktzutritt auf ausländischen Märkten vertraglich zugesichert ist, kann der Schritt ins Ausland für Schweizer Unternehmen ­ besonders für KMU ­ schwierig sein. Hier setzen die Instrumente der Exportförderung an. Diese werden zielgerichtet, gemäss den Prioritäten bei der Verbesserung des Marktzugangs, eingesetzt, um die Nutzung der vorhandenen Marktzutrittsmöglichkeiten zu verbessern.

Ziel 5: Umsetzung und Anwendung
bestehender Abkommen sicherstellen Die tatsächliche Umsetzung, die Ausschöpfung und die Einhaltung bestehender Abkommen sind von grosser Bedeutung und binden entsprechende Mittel.

Leitlinie 13: Die landesinterne Umsetzung von Abkommen sicherstellen Da die unmittelbare Geltung des Staatsvertragesrechts im Inland in vielen Fällen nicht genügt, müssen Anpassungen und Ergänzungen im Landesrecht vorbereitet und beschlossen werden; Fragen und Problemen der Vertragaspartner bei der Anwendung der Abkommen gilt es nachzugehen

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Leitlinie 14: Gute formelle und informelle Beziehungen mit Vertragspartnern pflegen Um die aussenwirtschaftlichen Interessen der Schweiz bestmöglich zu vertreten, sollen die politischen Beziehungen auf allen Ebenen aktiv gepflegt werden, namentlich auf bilateraler Ebene. Die Mitgliedschaft der Schweiz in multi- oder plurilateralen Gremien und Organisationen soll ebenfalls aktiv genutzt werden.

Leitlinie 15: Rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten nutzen Die Schweiz greift gegebenenfalls auf alle vorgesehenen rechtlichen Instrumente zurück, um ihre vertraglich zugesicherten Ansprüche durchzusetzen, vor allem auf die in aussenwirtschaftlichen Verträgen vorgesehenen Mechanismen zu Konsultationen oder zur Streitbeilegung.

1.3.2

Handlungsbedarf nach wirtschaftlichen Kategorien

Die unter Ziffer 1.3.1 beschriebenen Ziele und Leitlinien werden im Folgenden konkretisiert. Die Ziffer 1.3.2 ist nach wirtschaftlichen Kategorien (Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräfte, geistiges Eigentum) gegliedert und beschreibt auch horizontale Politiken. Für jede wirtschaftliche Kategorie sowie die horizontalen Politikbereiche wird separat dargestellt, welcher aussenwirtschaftspolitische Handlungsbedarf besteht.

Im Folgenden werden vier Gruppen von möglichen Verhandlungspartnern unterschieden: Die erste Gruppe bilden die EU und die EFTA-Staaten. Die zweite Gruppe umfasst die aussereuropäischen OECD-Länder. Der dritten Gruppe werden wirtschaftlich bedeutende Schwellen- und Transitionsländer (darunter China, Indien, Brasilien und Russland) zugeordnet. Die vierte Gruppe umfasst alle übrigen Staaten.

1.3.2.1

Handlungsbedarf in der Kategorie Waren

Die multilateralen Bestrebungen innerhalb der WTO bleiben für die Schweiz das wichtigste Instrument, um zu erreichen, dass die Zölle substanziell und weltweit herabgesetzt bzw. beseitigt werden. Parallel dazu setzt sich die Schweiz für eine Vereinfachung der Zollverfahren ein.

Im Verhältnis zur EU geniessen die Ausweitung und die Vertiefung der bestehenden Abkommen für Industrieprodukte (gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen) und landwirtschaftliche Produkte (Abbau des Zollschutzes und für gewisse Bereiche Anerkennung der Gleichwertigkeit von technischen Vorschriften und Qualitätsnormen) hohe Priorität. Der ab 2007 bestehende Freihandel für Käse soll auf weitere Agrarprodukte ausgedehnt werden. Darüber hinaus können im Warenbereich die wirtschaftlichen Beziehungen vorab noch über eine Vereinfachung der Zollverfahren und über eine weiter gehende Angleichung der rechtlichen Vorschriften vertieft werden.

In den aussereuropäischen OECD-Ländern ist die Beseitigung der verbleibenden Zölle für die Verbesserung des Marktzugangs bedeutsam, ebenso die Erleichterung der Zollverfahren. Da bei niedrigen Zöllen nichttarifarische Massnahmen eine umso

1130

bedeutendere Handelsschranke bilden können, rückt bei diesen Ländern der Abbau nichttarifarischer Hemmnisse in den Vordergrund.

Im Verhältnis zur Mehrheit der Schwellenländer ist der Abbau der zum Teil noch hohen Zollschranken im Rahmen der WTO prioritär. Darüber hinaus sollten mit wirtschaftlich bedeutenden Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien auch durch pluri- und bilaterale Abkommen Marktzutrittsverbesserungen erreicht werden.

Auch mit diesen Ländern muss eine Vereinfachung der Zollverfahren angestrebt werden, sei es im Rahmen der WTO, sei es über pluri- und bilaterale Abkommen.

Im Bereich der nichttarifarischen Handelshemmnisse besteht in den aussereuropäischen OECD-Ländern und in den Schwellen- und Transitionsländern ein klares Defizit hinsichtlich der Anerkennung von in der Schweiz durchgeführten Prüfungen, Zertifizierungen, Inspektionen und Zulassungen. Bilaterale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung sind vielfach nicht möglich oder sehr aufwendig. Daher sind Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischen direkt betroffenen Behörden sowie zwischen Konformitätsbewertungsstellen im Heimat- und Zielland in Erwägung zu ziehen, die eine sinnvolle Alternative zu Staatsverträgen über die gegenseitige Anerkennung darstellen.

Öffentliches Beschaffungswesen (betrifft auch den Dienstleistungsverkehr und erklärt die separate Zeile in der Tabelle in Ziffer 1.....)

Im Rahmen des plurilateralen WTO-Abkommens über das öffentliche Beschaffungswesen sollte eine Verbesserung des Zugangs zu öffentlichen Aufträgen in den grossen aussereuropäischen OECD-Ländern angestrebt werden. Beispielsweise wäre die Ausdehnung des Abkommens auf alle Gliedstaaten und Städte in den USA für die Schweiz von grossem Interesse. Da das WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen relativ wenige WTO-Mitglieder abdeckt und in nächster Zeit auch keine Erhöhung der Mitgliederzahl zu erwarten ist, sollte zumindest die Transparenz der Beschaffungsvorgänge in wirtschaftlich bedeutenden Schwellenund Transitionsländern verbessert werden.

Mit der EU müssen die Anstrengungen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens in erster Linie dahin gehen, die bestehenden internationalen Verpflichtungen durchzusetzen. Probleme, die sich dabei auch wegen der 25 nationalen Gesetze in den Mitgliedstaaten ergeben, werden so weit
als möglich durch bilaterale Konsultationen zwischen den Überwachungsbehörden dieser Länder gelöst.

In einzelnen Fällen kann die Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens auch im Rahmen pluri- und bilateraler Abkommen realisiert werden, wie dies in den EFTA-Abkommen mit Mexiko und Chile gelungen ist.

1.3.2.2

Handlungsbedarf in der Kategorie Dienstleistungen

Die Schweiz setzt sich auf multilateraler Ebene im Rahmen des GATS-Abkommens der WTO dafür ein, die weltweite Öffnung der Dienstleistungsmärkte zu verbessern.

Konkret gilt es, in den für die Schweiz wichtigen Sektoren weitere Verpflichtungen über den Marktzutritt und die Inländerbehandlung zu erreichen.

1131

Im Dienstleistungsbereich besteht zwischen der Schweiz und der EU keine umfassende bilaterale Vertragsgrundlage, die über das GATS hinausgeht und alle Sektoren abdeckt. Das Fehlen eines eigentlichen Dienstleistungsabkommens mit der EU ist eine Lücke in der Absicherung des Marktzutritts für Schweizer Anbieter im Ausland, die im Rahmen des GATS nicht geschlossen werden kann. Deshalb soll die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der EU im Bereich Dienstleistungen geprüft werden.

Um Diskriminierungen von Schweizer Dienstleistungsanbietern auf wichtigen Märkten entgegenzuwirken, ist die Schweiz bestrebt, mit ausgewählten Partnern pluri- und bilaterale Dienstleistungsabkommen (auch im Rahmen von Freihandelsabkommen) abzuschliessen, die über das multilateral erreichte Liberalisierungsniveau hinausgehen und die mit dem GATS vereinbar sind. Als Partner stehen die aussereuropäischen OECD-Länder (vor allem die USA und Japan, aber auch Kanada, Südkorea, Mexiko, die Türkei, Australien und Neuseeland) im Vordergrund.

Unter den Schwellen- und Transitionsländern sind die aufstrebenden Märkte im asiatischen und lateinamerikanischen Raum von grosser Bedeutung, mit denen grosse Handelsnationen zum Teil schon einen präferenziellen Zugang ausgehandelt haben.

1.3.2.3

Handlungsbedarf in der Kategorie Investitionen

Die Schaffung eines globalen rechtlichen Rahmens für grenzüberschreitende Investitionen auf multilateraler Ebene bleibt für die Schweiz längerfristig ein wichtiges Anliegen, um den Marktzutritt für Investoren und den Schutz getätigter Investitionen umfassend zu gewährleisten. Die Schweiz unterstützt deshalb Initiativen, die solche Bestrebungen verfolgen.

Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten decken die OECD- und GATS-Regeln zusammen einen Teil der Anforderungen der Schweizer Unternehmen ab. Innerhalb der EU werden unter anderem mit der geplanten Dienstleistungsrichtlinie Direktinvestitionshemmnisse weiter abgebaut werden. Es gilt vor diesem Hintergrund, die Schweizer Position als Direktinvestor im EU-Raum abzusichern und einer relativen Verschlechterung dieser Position entgegenzuwirken. Die beabsichtigte Prüfung der Opportunität von Dienstleistungsverhandlungen wird diese Risiken berücksichtigen müssen.

Da ein universeller multilateraler Rahmen fehlt, bemüht sich die Schweiz, die rechtliche Absicherung des Marktzugangs und den Schutz von Investitionen mit pluriund bilateralen Abkommen durchzusetzen. Die bestehenden bilateralen Investitionsschutzabkommen der Schweiz enthalten nur Regeln über den Schutz von Investitionen, die im Ausland bereits getätigt oder zugelassen wurden. Demgegenüber besteht noch keine systematische staatsvertragliche Absicherung des Marktzutritts im Ausland. Zum Schutz von bereits getätigten Schweizer Auslandinvestitionen ist das bestehende Netz der bilateralen Investitionsschutzabkommen zu ergänzen, wo wesentliche Lücken bestehen, und zu modernisieren, falls ältere Verträge mit wichtigen Partnern nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen. Darüber hinaus muss die Schweiz Möglichkeiten zur Verbesserung des Marktzugangs für Schweizer Investoren prüfen. Dies zunächst in jenen Ländern, in denen eine Diskriminierung gegenüber wichtigen Konkurrenten ­ vor allem den USA ­ droht. Diese vertragliche 1132

Absicherung des Marktzugangs für Schweizer Investoren kann dann im Rahmen von pluri- und bilateralen Freihandelsabkommen geschehen, wie dies in den EFTAAbkommen mit Chile und Singapur gelungen ist.

1.3.2.4

Handlungsbedarf in der Kategorie Arbeitskräfte

Im GATS-Abkommen der WTO wie auch in pluri- und bilateralen Abkommen ist im Dienstleistungssektor eine Verbesserung des Marktzutritts und damit der internationalen Mobilität von Arbeitskräften notwendig. Dies gilt vor allem für Führungskräfte und Spezialisten (key personnel).

Der Zugang von Schweizer Arbeitskräften zum EU- und zum EFTA-Arbeitsmarkt ist durch das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU gesichert, das die Schweizer den EU/EFTA-Arbeitnehmern praktisch gleichstellt.

Eine gewisse Marktzutrittsverbesserung könnte auch für wichtige aussereuropäische OECD-Länder in Betracht gezogen werden. Sehr wichtig ist es zudem, Fragen der Diplomanerkennung und der Sozialversicherungen anzugehen, sofern sie die Mobilität von Arbeitskräften behindern.

1.3.2.5

Handlungsbedarf in der Kategorie geistiges Eigentum

Die unzureichende Umsetzung der Bestimmungen des multilateralen TRIPSAbkommens in verschiedenen Ländern ­ insbesondere in bedeutenden Schwellenund Transitionsländern ­ stellt für die Schweiz ein gewichtiges Problem dar.

Bestrebungen, die Umsetzung des Abkommens zu verbessern, geniessen deshalb hohe Priorität. Die Schweiz wirkt im Rahmen der bestehenden WTO-Gremien auf die Einhaltung der TRIPS-Bestimmungen hin. Im Vordergrund stehen dabei Massnahmen gegen Fälschungen und die Umsetzung der Patentbestimmungen. Zudem ist eine Verbesserung der TRIPS-Regeln anzustreben: Die Verbesserung des Schutzes von geographischen Angaben steht für die Schweiz dabei an erster Stelle. Deshalb soll der Schutz, den geographische Angaben auf Weinen und Spirituosen bereits heute geniessen, auf andere Produkte ausgedehnt werden.

Im Verhältnis mit der EU sind Möglichkeiten zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geographischen Herkunftsangaben für landwirtschaftliche Produkte eingehend zu prüfen. Verhandlungen können gemäss dem bilateralen Agrarabkommen im Rahmen des Gemischten Ausschusses geführt werden.

In Ergänzung zu den Mindeststandards des TRIPS können in pluri- oder bilateralen Abkommen weiter gehende Bestimmungen über geistige Eigentumsrechte formuliert werden, wie dies in verschiedenen Freihandelsabkommen der EFTA der Fall ist.

Dabei sollten vor allem die Akzeptanz hoher Schutzstandards verbessert sowie zusätzliche Konsultations- und Durchsetzungsmechanismen eingebaut werden.

Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass solche Bestimmungen gemäss dem TRIPS-Abkommen der Meistbegünstigung unterliegen.

1133

1.3.2.6

Handlungsbedarf in horizontalen Politikfeldern

Wettbewerb Die Schaffung von multilateral geltenden, verbindlichen Wettbewerbsbestimmungen bleibt für die Schweiz ein wichtiges Ziel, weil wettbewerbsbehindernde Praktiken öffentlicher und privater Unternehmen die vereinbarten Liberalisierungen vereiteln können. Mangels multilateraler Regelungen im Wettbewerbsbereich kommt den bestehenden OECD-Empfehlungen grosse Bedeutung zu.

Auf nationaler Ebene sind mit dem 2004 revidierten Kartellgesetz die Eingriffsmöglichkeiten der Wettbewerbsorgane gestärkt worden. Ein nächster Schritt ist die wirksamere Bekämpfung von grenzüberschreitenden Kartellen ­ ein Anliegen, das wegen der vertieften Integration der Produkte- und Dienstleistungsmärkte zunehmend wichtig wird. Deshalb bemüht sich die Schweiz um eine engere Zusammenarbeit mit nationalen Wettbewerbsbehörden und mit der EU. Es wird zu prüfen sein, ob Rechtshilfe in Wettbewerbsangelegenheiten in pluri- und bilateralen Abkommen mit Partnerländern angestrebt werden soll.

Was den unlauteren Wettbewerb betrifft, hat die Schweiz zudem grosses Interesse daran, in einen Verbund aufgenommen zu werden, der gemeinsame Regeln zum Verbraucherschutz festlegt und umsetzt ­ dies insbesondere vor dem Hintergrund des wachsenden grenzüberschreitenden Einsatzes des Internets. Deshalb sind entsprechende Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der EU zu erwägen.

Steuern Die Schweiz hat ein Interesse daran, die im Netz der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen noch bestehenden Lücken zu schliessen, selbst wenn der Abschluss von Abkommen mit gewissen Staaten Abweichungen von der langjährigen Schweizer Abkommenspolitik erfordern könnte. Im Weiteren gilt es, soweit möglich, bestehende Doppelbesteuerungsabkommen qualitativ zu verbessern. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Wegfall der Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren im Konzernverhältnis. Dies konnte im Rahmen des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten vereinbart werden. Diese Entlastung soll nun mit den einzelnen EU-Staaten auch noch in bilateralen Übereinkünften verankert werden.

Ob mit anderen Staaten der Abschluss von Abkommen möglich ist, bleibt zu klären.

Ein Druck auf das steuerliche Bankgeheimnis besteht fort. Die Schweiz hat inzwischen mit diversen Staaten Verhandlungen über die Einfügung einer
erweiterten Amtshilfebestimmung in die Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen. Das Modell dafür bildet das seit 1951 mit den USA bestehende Doppelbesteuerungsabkommen. Mit Deutschland führten diese Verhandlungen bereits zum Abschluss eines entsprechenden Protokolls. Es ist am 24. März 2003 in Kraft getreten.

Gesellschaftsrecht, Corporate Governance, Corporate Responsibility und Korruptionsbekämpfung Die Schweiz setzt sich für die Schaffung und Beachtung von international möglichst breit abgestützten Instrumenten ein, die weltweit ein Unternehmensverhalten fördern, das sich durch Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gesellschaft, der Umwelt und dem Staat auszeichnet. Die Schweiz unterstützt die Anwendung bereits 1134

vereinbarter Instrumente, namentlich der internationalen Konventionen zur Korruptionsbekämpfung und der Empfehlungen für ein verantwortungsvolles Unternehmensverhalten der OECD, der IAO und der UNO. Deshalb ist die aktive Mitgliedschaft der Schweiz in internationalen Organisationen, die relevante Standards für die Funktionsweise und das Verhalten von Unternehmen setzen, immer wichtiger.

Die Diskussion über die Corporate Governance treibt auch die Reform des Gesellschaftsrechts voran. Im Rahmen des GATS setzt sich die Schweiz dafür ein, dass gesellschaftsrechtliche Restriktionen bei WTO-Mitgliedstaaten liberalisiert werden, zum Beispiel bei Nationalitätsvorschriften für Verwaltungsräte, bei Gesellschaftsformen und beim Erwerb von Eigentum.

Umwelt Die Schweiz unterstützt die Schaffung und Beachtung internationaler Regeln im Umweltbereich, um den internationalen Schutz von Umweltressourcen zu verbessern sowie Wettbewerbs- und Standortnachteile zu vermeiden. Dabei misst die Schweiz der Klärung des Verhältnisses zwischen Handelsregeln und Umweltregeln besondere Bedeutung zu. Wettbewerbsnachteile und Handelshemmnisse, die durch unterschiedliche Umweltvorschriften bedingt sind, sollen durch ein international harmonisiertes und koordiniertes Vorgehen vermindert werden. Diskriminierungen im Bereich von Umweltabkommen bestehen mit Ländern, welche die Umweltabkommen nicht ratifiziert haben. Im Umweltbereich verpflichten sich namentlich die USA selten auf internationalem Niveau (Kyoto-Protokoll, Basler Konvention).

Entwicklungs-, Schwellen- und Transitionsländer sind in den Prozess der UNOKonventionen eingebunden, allerdings vorläufig mit sehr geringen Verpflichtungen.

Die Schweiz setzt sich deshalb für eine möglichst vollständige und gleichmässige Erfassung aller Länder in internationalen Umweltabkommen ein, wobei jedoch die Situation der Entwicklungsländer angemessen berücksichtigt werden soll.

1.3.3

Agenda für die Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk» nach institutionellen Handlungsmöglichkeiten

Die Ausführungen unter Ziffer 1.3.2 verdeutlichen, wie wichtig der multilaterale Ansatz ist, um Regeln zu setzen und den wirtschaftlichen Austausch schrittweise zu liberalisieren. Die Schweiz engagiert sich deshalb für die schrittweise Liberalisierung der Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen der WTO sowie für die Stärkung des multilateralen Regelwerks im Allgemeinen. Dazu gehört auch das aktive Engagement der Schweiz beim Aufbau von transparenten, leistungsfähigen und international kompatibel geregelten Märkten. Das internationale Regelwerk soll so ausgestaltet werden, dass es mit den internationalen Aspekten der Nachhaltigkeit, mit Fragen der Sicherheitspolitik, aber auch mit der Aufgabe, das weltweit fortbestehende Wohlstandsgefälle zu verringern, vereinbar ist.

Um aus dem multilateralen Vorgehen möglichst grossen Nutzen ziehen zu können, ist allerdings in einigen Bereichen der Binnenmarktpolitik eine Überprüfung der Zielsetzungen und Instrumente notwendig. Vor allem ist zu prüfen, welche Ziele der Wirtschaftspolitik tatsächlich noch zwingend durch Zollschutz erreicht werden müssen. Dies ist auch deshalb notwendig, weil sich aussenwirtschaftliche Ziele in 1135

den Kategorien Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräfte, geistiges Eigentum und in horizontalen Politikbereichen in der Regel nicht unabhängig voneinander erreichen lassen. Diese Tatsache ergibt sich vor allem aus zwei Gründen: Erstens sind Verhandlungspartner oft nicht bereit, nur über einen Teilbereich zu verhandeln, wenn dabei kein echter Interessenausgleich erzielt werden kann. Zweitens ist eine scharfe Trennung der Kategorien nicht unbedingt sinnvoll; denn zwischen dem Waren- und Dienstleistungshandel sowie zwischen Dienstleistungs- und Investitionsregeln bestehen enge Verbindungen. Auch Fragen des geistigen Eigentums sind naturgemäss eng mit dem Austausch von Waren, Dienstleistungen und Investitionen verknüpft.

Mit der EU ­ ihrem wirtschaftlich weitaus wichtigsten und geographisch sowie kulturell nächsten Partner ­ sucht die Schweiz weiter gehende Abkommen. Die Frage des Marktzutritts in der EU wird Gegenstand der europapolitischen Standortbestimmung des Bundesrates sein, die er bis Ende der laufenden Legislaturperiode vorlegen wird. Ohne deren Ergebnisse vorwegzunehmen, lässt sich festhalten, dass aus langfristiger und rein aussenwirtschaftlicher Sicht Verhandlungen auf Basis des acquis communautaire im Warenbereich ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Marktchancen von Schweizer Anbietern wären. Geprüft werden muss auch die Opportunität einer Wiederaufnahme der Verhandlungen im Bereich der Dienstleistungen. Die Möglichkeit, eine notwendige Rechtsharmonisierung über den autonomen Nachvollzug der EU-Entwicklungen in den Kategorien Waren, Dienstleistungen und Investitionsbedingungen zu erreichen, ist gleichfalls zu nutzen, sofern damit Verbesserungen des Marktzutritts erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schweiz verbessert werden können. Da eine rechtliche Absicherung fehlt, resultiert aus dem alleinigen autonomen Nachvollzug jedoch eine für die Schweiz auf längere Sicht möglicherweise deutlich unvorteilhaftere Position, als sie sich bei einer umfassenden Verhandlungslösung ergäbe.

Um die Absatz- und Investitionschancen für Schweizer Anbieter in weiteren wichtigen Märkten zu verbessern und um der Diskriminierung gegenüber Konkurrenten aus Drittländern entgegenzuwirken, baut die Schweiz ihr Netz von pluri- und bilateralen Wirtschaftsabkommen mit bedeutenden
Industrie- und Schwellenländern weiter aus. Wichtige Partner für die bilaterale Vertiefung der aussenwirtschaftspolitischen Beziehungen sind ­ auf der Basis der vier Kriterien der Leitlinie 6 ­ in erster Linie die wirtschaftlich bedeutenden aussereuropäischen OECD-Länder (vor allem die USA und Japan, aber auch Kanada, Südkorea, Mexiko, die Türkei, Australien und Neuseeland). Abkommen in den Bereichen Waren, Dienstleistungen und Investitionen sowie Bestimmungen über nichttarifarische Handelshemmnisse, geistiges Eigentum oder über horizontale Politiken erscheinen mit diesen Ländern wünschenswert. Im Rahmen der politisch gegebenen Möglichkeiten könnten Verbesserungen des Marktzutritts im Ausland ferner für Arbeitskräfte geprüft werden. Ist der Abschluss umfassender Abkommen nicht möglich, so können unter Umständen Abkommen in einzelnen wirtschaftlichen Kategorien (Sektorabkommen) über eine Verbesserung der Marktchancen zum Ziel führen.

Die Schweiz hat zudem ein essenzielles Interesse an der Stärkung und besseren rechtlichen Absicherung ihrer Wirtschaftsbeziehungen mit wirtschaftlich bedeutenden Schwellen- und Transitionsländern. Dies gilt für die wirtschaftlichen Kategorien Waren, Dienstleistungen, Investitionen, geistiges Eigentum und im Bereich horizon1136

taler Politiken. Insbesondere bedarf es für die vier wirtschaftlich bedeutendsten Schwellenländer China, Indien, Brasilien und Russland der Ausarbeitung länderspezifischer Strategien.

Selbst wenn der Zugang zu ausländischen Märkten vertraglich zugesichert ist, kann der Schritt ins Ausland für Schweizer Unternehmen ­ besonders für KMU ­ schwierig sein. Deshalb werden die Marktchancen von Schweizer Unternehmen im Ausland auch durch verschiedene nichtvertragliche Instrumente unterstützt. Dies sind einerseits die Exportförderungsinstrumente des Bundes (z.B. die Osec oder die Exportrisikogarantie). Die verschiedenen Instrumente sollen institutionell und operativ besser koordiniert werden. Bestrebungen dazu sind im Gang; dies wird auch in den Botschaften zur Osec und zur Exportrisikogarantie ersichtlich, die dem Parlament im Laufe des Jahres 2005 vorgelegt werden. Auch für die verschiedenen Instrumente der Landeswerbung (u.a. Schweiz Tourismus, Standort: Schweiz, Präsenz Schweiz) sind Schritte zur verbesserten Koordination zu prüfen. Der Bundesrat wird in Beantwortung von zwei Postulaten11 Ende 2005 bzw. 2006 dem Parlament entsprechende Berichte vorlegen.

11

Der Bundesrat hat am 18. Mai 2004 das Postulat der 04.3199 WAK-S «Koordination der Landeswerbung» und am 15. September 2004 das Postulat 04.3434 WAK-N «Konzept für eine koordinierte Landeswerbung der Schweiz» angenommen. Beide Postulate wurden vom Parlament überwiesen.

1137

­ Fallweise Ausweitung und Vertiefung des plurilateralen WTO-Abkommens, besonders mit aussereuropäischen OECDLändern (z.B. USA) und Schwellenländern

­ Engagement für weltweite Öffnung der Dienstleistungsmärkte im Rahmen der WTO (GATS) ­ weitere Verpflichtungen über Marktzutritt und Inländerbehandlung in wichtigen Sektoren

­ Engagement im Rahmen der OECD und der WTO (GATS, TRIPS, TRIMS) zur Stärkung der bestehenden Regeln und Verpflichtungen ­ Längerfristiges Engagement für die Schaffung eines globalen Regelwerks für grenzüberschreitende Investitionen

Öffentliches Beschaffungswesen

Dienstleistungen

Investitionen

1138

­ Engagement im Rahmen der WTO für weitere Herabsetzung der Zollschranken und Vereinfachung der Zollverfahren ­ Überprüfung der Binnenmarktpolitik im Hinblick auf dieses Engagement

Waren

multilateral

­ Anwendung des Regelwerks der OECD und der WTO (GATS)

­ Prüfung einer Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der EU

­ Durchsetzung der eingegangenen Verpflichtungen

­ Ausdehnung des Freihandels auf weitere landwirtschaftliche Produkte ­ Abbau oder Beseitigung von nichttarifarischen Handelshemmnissen für Industrieund Agrarprodukte sowie für Elektrizität ­ Angleichung der Rechtsvorschriften und weitere Vereinfachung der Zollverfahren

EU/EFTA

­ Weitere Stärkung des Netzes der bilateralen Investitionsschutzabkommen («postestablishment») ­ Vermehrte Absicherung des Marktzutritts («pre-establishment»)

­ Über das multilaterale Liberalisierungsniveau hinausgehende präferenzielle Dienstleistungsliberalisierungen mit ausgewählten Partnern

­ Fallweise Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens

­ Beseitigung der verbleibenden Zölle, gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen, Zertifikaten, Zulassungen usw.

in EFTA-Drittlandabkommen ­ Verankerung der GATT-Grundsätze der Meistbegünstigung in Kooperationsabkommen mit Nicht-WTO-Staaten

pluri- und bilateral

Handlungsbedarf nach wirtschaftlichen Kategorien und in horizontalen Politikbereichen

Abbildung 3

­ Bessere Durchsetzung des TRIPS ­ Weiterentwicklung des TRIPS (absoluter Schutz von geografischen Angaben für möglichst alle Produkte)

­ Schaffung multilateral verbindlicher Wettbewerbsbestimmungen ­ Teilnahme an Gremien (OECD), die international relevante Standards im Gesellschaftsrecht setzen

Geistiges Eigentum

Horizontale Politiken

1139

­ Konsolidierung des Marktzutritts / Mobilität von Führungskräften und Spezialisten (key personnel) im Rahmen des GATS

Arbeitskräfte

multilateral

­ Bemühungen im Hinblick auf eine engere Zusammenarbeit ­ Klärung handelsrelevanter Steuerfragen (z.B. Erfordernis des Steuerdomizils)

­ Abkommen zum Schutz von geografischen Angaben für Landwirtschaftsprodukte

­ Freizügigkeit wird schrittweise realisiert (Anwendung des Abkommens über die Freizügigkeit)

EU/EFTA

­ Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich mit Partnerländern ­ Weiterer Ausbau des Netzes der Doppelbesteuerungsabkommen

­ Integration von über den TRIPSMinimalstandard hinausgehenden Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums mit ausgewählten Partnern

­ Konsolidierung des Marktzutritts / Mobilität von Führungskräften und Spezialisten ( key personnel)

pluri- und bilateral

1.4

Binnenmarktpolitik der Schweiz und Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern

Ziffer 1.4 stellt die Strategie in den beiden anderen Dimensionen der Aussenwirtschaftspolitik dar, nämlich erstens für die Binnenmarktpolitik der Schweiz (Ziff. 1.4.1) und zweitens für den Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern (Ziff. 1.4.2). In beiden Fällen beschränkt sich die Präsentation auf einen kurzen Überblick, da in anderen, bereits publizierten Dokumenten die Strategien in diesen beiden Bereichen detailliert dargestellt sind12.

1.4.1

Die Binnenmarktpolitik der Schweiz

Ziffer 1.1.3 stellte die Aussenwirtschaftspolitik in drei Dimensionen dar. Für die zweite Dimension ­ Binnenmarktpolitik in der Schweiz ­ besteht mit den Massnahmen, die der Bundesrat zur Verwirklichung seiner wachstumspolitischen Zielsetzung eingeleitet hat, bereits eine Strategie. Insbesondere die Forderung nach mehr Wettbewerb im Binnenmarkt konkretisiert die zweite Dimension der Aussenwirtschaftspolitik. Als Voraussetzung für den Erfolg im Ausland sollen im Inland international wettbewerbsfähige Strukturen geschaffen werden, welche die nach aussen noch sehr stark abgeschotteten Bereiche öffnen. In Bereichen, in denen der Grad der wirtschaftlichen Verflechtung bereits hoch ist, kann eine weitere Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen nur noch über eine Angleichung der Rechtsvorschriften erreicht werden. Die Herstellung von Binnenmarktverhältnissen erfolgt dann über die Landesgrenzen hinweg.

In welcher Weise das internationale Umfeld die sechs Massnahmen mitprägt, die der Bundesrat im Rahmen des Wachstumspaketes vom 18. Februar 2004 unter das wachstumspolitische Ziel «Mehr Wettbewerb im Binnenmarkt» gestellt hat, wird nachfolgend dargestellt:

12

­

Mit der Revision des Binnenmarktgesetzes, das für öffentlich-rechtliche Marktzugangsschranken auf kantonaler und Gemeindeebene Anwendung findet, wird ein Gefälle zum EU-Binnenmarkt eingeebnet. Dort geniesst vor allem die gewerbliche Niederlassung schon länger einen wirksamen Schutz vor den Nachteilen divergierender staatlicher Rahmenordnungen.

­

Die Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, das zweite Vorhaben des Wachstumspaketes, wendet sich gegen die Rechtszersplitterung in der Schweiz. Mit der geplanten Einführung des «wettbewerblichen Dialogs» als Vergabeverfahren richtet sich die Revision auch auf die Rechtsentwicklung in der EU aus.

Für die Binnenmarktpolitik der Schweiz siehe insbesondere: Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (2002): Der Wachstumsbericht (Hrsg. seco: Grundlagen der Wirtschaftspolitik) und: Interdepartementale Arbeitsgruppe «Wachstum» (2004): Das Wachstumspaket des Bundesrates (Hrsg. seco: Grundlagen der Wirtschaftspolitik). Für den Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Partnerländer, Bereich wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit siehe seco (2002): Strategie 2006 für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit.

1140

­

Die Schaffung eines Stromversorgungsgesetzes soll im Inland die Entstehung von Monopolen im Verteilnetz entlang der Kantonsgrenzen vermeiden.

Das Gesetz erleichtert zugleich die staatsvertragliche Absicherung des Marktzugangs in Europa, den die Schweizer Elektrizitätswirtschaft bereits ohne rechtliche Absicherung intensiv nutzt. Das ist allerdings nur möglich, wenn in der Schweiz mittelfristig vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für in- und ausländische Versorgungsunternehmen geschaffen werden. Dies bedingt unabhängige Betreiber des Übertragungsnetzes und einen genügend starken Regulator.

­

Der Markt für Gesundheitsleistungen ist in der Schweiz traditionell entlang der Kantonsgrenzen fragmentiert. Dieser Aspekt steht zwar nicht im Zentrum der Revision des Krankenversicherungsgesetzes, einer weiteren Massnahme des Wachstumspakets. Jedoch könnten mit verschiedenen in der Revision vorgesehenen Neuerungen (so die Lockerung des Kontrahierungszwangs im ambulanten Bereich oder der Schritt in Richtung einer monistischen Spitalfinanzierung) die Voraussetzungen für einen gesamtschweizerisch organisierten Gesundheitsmarkt geschaffen werden. Parallel dazu wird in der EU ­ wenn auch äusserst umstritten ­ diskutiert, ob Patienten das Recht auf eine sozialversicherungsrechtlich nichtdiskriminierende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in anderen Mitgliedstaaten eingeräumt werden soll. Dadurch würde ein enormer Druck auf das Preis-/ Leistungsverhältnis in den einzelnen nationalen Gesundheitssystemen entstehen. Neue Dimensionen des Begriffes «binnenmarktähnliche Verhältnisse» zeichnen sich hier ab. Eine ähnliche Tendenz ist im Übrigen beim Bologna-Modell im Bildungsbereich zu beobachten ­ eine Entwicklung, welche in der Schweiz bereits vollzogen wird.

­

Die Massnahme des Wachstumspakets für die weitere Reform des Landwirtschaftssektors, die «Agrarpolitik 2011» ist im Zusammenhang mit der Möglichkeit zu sehen, freigesetzte Ressourcen produktiver als heute einzusetzen.

Innerhalb des Sektors wird die breitere Konkurrenz ­ hält man sich an die Erfahrungen in der österreichischen Landwirtschaft nach dem EU-Beitritt ­ die Produktinnovation stärken und zu rationelleren Betriebseinheiten führen.

Gleichzeitig sind diese Reformen im Inland unabdingbar, um den aussenwirtschaftspolitischen Handlungsspielraum zu wahren. Für die Staaten wird es nämlich immer schwieriger, selektiv einzelne Wirtschaftszweige von den allgemeinen Regeln hinsichtlich des Marktzugangs auszunehmen. Der Übergang zum Freihandel für gewisse verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse führt zu einem steigenden Druck, auch die Primärproduktion zu liberalisieren. Zu diesen Fragen wird der Bundesrat im Jahr 2006 eine Botschaft an das Parlament überweisen.

­

Schliesslich beabsichtigt der Bundesrat, Ende 2005 einen Bericht über die Öffnung der Dienstleistungsmärkte im Quervergleich zur EU vorzulegen.

Das Wachstumspaket baut auf den Errungenschaften des Revitalisierungsprogramms in den neunziger Jahren auf, das die weitere wirtschaftliche Öffnung begünstigte.

Erwähnenswert ist die kürzlich reformierte Kartellgesetzgebung, die den Wettbewerbsbehörden heute ­ ausser bei den staatlichen Beihilfen ­ mit der EU vergleichbare Instrumente in die Hand gibt. Zu nennen ist daneben das Bundesgesetz über technische Handelshemmnisse, das in den meisten Bereichen des technischen Rechts eine autonome Anpassung der nationalen Gesetzgebung an die Regelungen in der 1141

EU auslöste. Es schuf so nicht nur die Voraussetzungen für den Abschluss eines Abkommens über die wechselseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen mit der Gemeinschaft, sondern es bewirkte auch eine Rechtsharmonisierung innerhalb der Schweiz, etwa im Bereich der Bauprodukte. Des Weiteren ist die Bahnreform I zu erwähnen, welche eine der Grundlagen für den Abschluss eines Landverkehrsabkommens mit der EU legte, das wiederum Anlass für die Bahnreform II ist.

Die Aufteilung der ehemaligen PTT in zwei Gesellschaften war der erste Schritt zu weiteren Reformen im Telekommunikationssektor und in jüngerer Zeit auch verstärkt im Postbereich, die vom Termin resp. von der Konzeption her durch analoge Reformen in der EU geprägt waren. Für die engen Verbindungen zwischen Reformen im Inland und den Entwicklungen in der Aussenwirtschaftspolitik liessen sich noch weitere Beispiele anführen. Diese Reformen führen zu einer Belebung der Importkonkurrenz und gleichzeitig zu einer Verbesserung der Exportmöglichkeiten.

1.4.2

Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern

Die dritte Dimension der Aussenwirtschaftspolitik bezweckt, auf eine günstige Entwicklung in den Partnerländern hinzuwirken. Diese Dimension beruht auf zwei Pfeilern: ­

Der erste Pfeiler besteht aus der direkten, auch materielle Hilfen einschliessenden Unterstützung von weniger weit entwickelten Ländern im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit.

­

Den zweiten Pfeiler bildet der mit allen Ländern bestehende breite Dialog über geeignete Wirtschaftspolitiken, der vor allem in internationalen Organisationen geführt wird, und der vom Erfahrungsaustausch bis hin zu mehr oder weniger verbindlichen Politikempfehlungen reicht.

1.4.2.1

Strategie für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit ist ein integrierender Bestandteil der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik13. Es ist von allgemeinem Interesse, dass die Entwicklungs- und Transitionsländer die Chancen der Globalisierung nutzen und die Risiken meistern, mit dem Ziel, die Armut zu verringern. Dies entspricht dem Verfassungs- und Gesetzesauftrag und steht im Einklang mit den UNO-Millenniumszielen.

Die Armutsbekämpfung basiert in erster Linie auf dem Grundgebot der Solidarität und liegt nicht zuletzt im Eigeninteresse der Schweiz. Erfolgreiche Armutsbekämpfung ist ein Beitrag zur internationalen Stabilität und Sicherheit. Längerfristig ist die Armutsbekämpfung auch für die Schweizer Wirtschaft von Interesse, können doch dadurch neue Beschaffungs-, Absatz- und Investitionsmöglichkeiten geschaffen werden.

13

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit ist komplementär zur Arbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die stärker auf die ärmsten Bevölkerungen konzentriert ist.

1142

Zur Armutsbekämpfung ist ein breiter Ansatz erforderlich, in dem die Förderung des Wirtschaftswachstums und des Privatsektors durch Investitionen und Handel ein zentraler Aspekt ist. Eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftspolitik und die Privatinitiative sind Voraussetzungen und Motor für eine nachhaltige Entwicklung.

Dies bedingt einen funktionierenden und leistungsfähigen Staat, der die Spielregeln vorgibt und diese durchsetzen kann. Er hat folglich die Aufgabe, Recht zu setzen, eine funktionierende, unabhängige Justiz einzuführen, Korruption zu bannen, eine verantwortungsbewusste Unternehmensführung zu fördern, die Bereitstellung der Infrastruktur zu gewährleisten, den Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen sicherzustellen sowie demokratische Verhältnisse zu garantieren. Dieses Verhalten wird unter dem Stichwort der guten Regierungsführung zusammengefasst.

Gefordert sind hier in erster Linie die Regierungen der Entwicklungs- und Transitionsländer, die jedoch in ihren Anstrengungen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt werden müssen.

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz verfolgt vier sich wechselseitig ergänzende Stossrichtungen:

­

­

Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Entwicklung: Ein wesentliches Element hierfür sind stabile makroökonomische Verhältnisse und funktionierende Finanzmärkte. Daher engagiert sich die Schweiz an international führender Stelle für die nachhaltige Entschuldung der Entwicklungs- und Transitionsländer. Zugleich hilft sie in Zusammenarbeit mit anderen Gebern, den Finanzsektor in ihren Partnerländern wie auch auf globaler Ebene zu stärken, um grössere Krisen und Erschütterungen zu vermeiden.

­

Integration in die Weltwirtschaft: Eine «Entwicklung mit menschlichem Antlitz» setzt Integration voraus, und nicht die Abkopplung von der Globalisierung. Länder, die durch starken Protektionismus bewusst den Weltmärkten aus dem Weg gingen, haben in den vergangenen zwanzig Jahren in aller Regel verloren. Freier Handel ist daher eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Entwicklung. Eine vollständige Entwicklungsstrategie erfordert auch ausreichende inländische Investitionen und die Stärkung der heimischen Märkte bzw. jener der Region. Mit verschiedenen Programmen leistet die Schweiz einen Beitrag an die Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors in den Partnerländern sowie auch an die Stärkung des Binnenmarktes und die regionale Integration.

Mobilisierung privater Ressourcen: Entwicklungsgelder müssen als Hebel eingesetzt werden, um privates Kapital und Know-how zu mobilisieren, die für die Entwicklung und die Erreichung der UNO-Millenniumsziele unerlässlich sind. Dies bedeutet konkret, wirtschaftlich überlebensfähigen, innovativen KMU in Entwicklungs- und Transitionsländern den Zugang zu Finanzmitteln, (ökoeffizienter) Technologie und Wissen zu erleichtern.

Zudem geht es darum, die Wettbewerbsfähigkeit dieser KMU und deren Zugang zu den internationalen Märkten zu verbessern. Um einen substanziellen Beitrag des Privatsektors zur Armutsbekämpfung zu erreichen, ist es notwendig, ihn in den Aufbau und den Unterhalt der Basisinfrastruktur einzubinden. Dies erfordert einen klaren regulativen Rahmen sowie flankierende Massnahmen, um für die gesamte Bevölkerung eine nachhaltige Grundversorgung sicherzustellen. Öffentlich-private Partnerschaften erweisen sich

1143

gerade in Bezug auf diese wichtigen Anliegen als eine vielversprechende Kooperationsform.

­

Zusammenarbeit mit den multilateralen Finanzierungsinstitutionen: Ein wichtiger Wegbereiter der wirtschaftlichen Integration sind die internationalen Finanzierungsagenturen. Ihre Unterstützungsmassnahmen in den Entwicklungs- und Transitionsländern tragen wesentlich zur Lösung von Problemen bei, die wegen ihrer Komplexität, ihrer politischen Sensibilität, der globalen Relevanz oder wegen des erforderlichen Finanzvolumens die Möglichkeiten der bilateralen Hilfe übersteigen. Als kleines Geberland räumt die Schweiz der multilateralen Hilfe deshalb einen hohen Stellenwert ein und verstärkt gleichzeitig ihre Präsenz und Position in den multilateralen Entwicklungsbanken, um deren Politiken und Operationen besser beeinflussen zu können.

Die hier genannten Ansätze und Instrumente verbindet, dass sie auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum hinwirken und Beiträge an eine tatsächliche Eigenentwicklung der Partnerländer leisten. Um erfolgreich zu sein, müssen die Massnahmen der Schweiz mit jenen der anderen Geber koordiniert werden und sich auf eine beschränkte Anzahl von Ländern konzentrieren ­ dies im Interesse der besseren Steuerung, Kohärenz, Wirksamkeit und Sichtbarkeit der Programme.der besseren Steuerung, Kohärenz, Wirksamkeit und Sichtbarkeit der Programme.

1.4.2.2

Weiterentwicklung der nationalen Wirtschaftspolitiken

Der institutionalisierte Dialog der Schweiz mit allen Ländern im Rahmen der Mitgliedschaft bei internationalen Organisationen bildet den zweiten Pfeiler dieser Dimension der Aussenwirtschaftspolitik. Dabei werden verschiedene Aspekte der nationalen Wirtschaftspolitik der Länder analysiert, und es werden Empfehlungen ausgearbeitet oder Standards vereinbart. Die wichtigsten Gremien bilden die OECD, der IWF, die Weltbank, die regionalen Entwicklungsbanken sowie die WTO. Die Schweiz beteiligt sich überdies an globalen Konferenzen und an der Umsetzung der dort gefällten Beschlüsse. Auf all diesen Foren werden Konzepte und Instrumente dafür entwickelt, wie sich die nationalen Wirtschaftsordnungen weiter entwickeln lassen und aufeinander abgestimmt werden können.

Die Qualität der öffentlichen Finanzen und eine Überwachung (monitoring) der Strukturreformen bilden einen Schwerpunkt in den Arbeiten der OECD. Diese Organisation ist ein privilegiertes Gremium für den Erfahrungsaustausch sowie für die Entwicklung und die Ausgestaltung der Politiken der entwickelten Länder.

Benchmarking und Länderexamen werden eingesetzt, um gute Praktiken zu fördern und Transparenz herzustellen. Im Rahmen einer umfangreichen Kooperation mit aufstrebenden Drittstaaten werden Erfahrungen und Instrumente auch über die Grenzen der OECD hinaus verbreitet.

Für den IWF sind die Finanzkrisen in den Schwellenländern heute die grösste Herausforderung. Bis in die siebziger Jahre, dem Ende der Periode fester Wechselkurse, bestand seine Hauptaufgabe darin, die Wechselkursstabilität zu wahren. An den so genannten Artikel-IV-Konsultationen dieser Organisation, die neben der Prävention von Finanzkrisen auch die Förderung einer gesunden Geldpolitik und die gesamt1144

wirtschaftliche Entwicklung ins Zentrum stellen, nehmen heute auch die entwickelten Länder teil. Dies nicht nur aus Gründen der Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten der Organisation, sondern auch mit der Absicht, gegenseitig Druck auszuüben (peer pressure). Stärker noch als der IWF richtet die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ihre Aktivitäten auf die systemische Stabilität des Finanzsektors als Voraussetzung für höhere private Kapitalflüsse aus. Wie nachhaltig Einbrüche in nationalen Bankensystemen potenzielle Handelspartner zurückzuwerfen vermögen, haben verschiedene Fälle der jüngeren Vergangenheit gezeigt, wobei nicht nur Schwellenländer in Asien und Lateinamerika betroffen waren.

Die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken (die Afrikanische, Asiatische und Interamerikanische Entwicklungsbank sowie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) unterstützen den wirtschaftlichen Strukturwandel. Befassen sich IWF und BIZ mit der Festsetzung und Verbreitung internationaler Normen und Standards, treiben die Entwicklungsbanken die Modernisierung der staatlichen Institutionen, die Verbesserung des institutionellen und regulatorischen Umfelds für den Privatsektor, die Reform des Finanzsektors, den Ausbau der Infrastrukturen sowie die Privatisierung und Restrukturierung staatlicher Betriebe voran. Zudem spielen sie eine zentrale Rolle bei der sozialen Entwicklung, etwa im Gesundheitswesen, oder bei der Entwicklung des Humankapitals. In den meisten Entwicklungsländern sowie in zahlreichen Schwellenländern sind die Entwicklungsbanken ­ zusammen mit dem IWF ­ Garant für finanzielle Stabilität und eine gesunde Wirtschaftspolitik. Dem wirtschaftspolitischen Dialog mit den Entwicklungsländern kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Entsprechend ist der Aufwand, der dafür geleistet wird, in der Regel deutlich grösser als jener für die wirtschaftspolitischen Examen der OECD-Länder. Darüber hinaus bleiben Weltbank, Entwicklungsbanken und IWF noch auf längere Zeit die wichtigsten Finanzierungsquellen dieser Länder. Auch hat ihre Bedeutung als Koinvestor oder Kreditgeber bei privaten Projekten, deren Risiken für Geschäftsbanken zu hoch sind, in den vergangen Jahren zugenommen.

Die WTO ist in erster Linie die Verhandlungsplattform für die Festlegung von Regeln im internationalen
Wirtschaftsverkehr. Sie hat sich aber mit den Länderexamen im Rahmen des Trade Policy Review Mechanism auch ein Instrument gegeben, das unabhängig von konkreten Verhandlungen ist und deshalb auch allgemeinere, nur mittelbar für den Handelsverkehr relevante Aspekte der nationalen Rechtsordnungen beleuchten kann. Das primäre Ziel ist auch hier, Transparenz in den nationalen Wirtschaftspolitiken zu schaffen; darauf aufbauend erhalten die anderen Mitgliedstaaten der Organisation die Möglichkeit, ihre Empfehlungen für gewisse, von einem Land verfolgte Politiken und Praktiken zu formulieren oder ihre Vorbehalte dagegen zu äussern.

1145

2

Europäische Wirtschaftsintegration und EFTA-Freihandelsabkommen mit Drittstaaten Die wirtschaftliche Integration der Schweiz in Europa beruht auf drei Pfeilern: (1) im Verhältnis zur EU auf dem Freihandelsabkommen von 1972 und den sieben sektoriellen Abkommen («Bilaterale I») von 1999, (2) im Verhältnis zu den EFTA-Partnern auf der EFTA-Konvention und (3) im Verhältnis zu den übrigen europäischen Ländern auf EFTA-Drittlandabkommen. Nach dem Beitritt von zehn weiteren Ländern zur Europäischen Union (EU) am 1. Mai 2004 gelten das Freihandelsabkommen und die «Bilateralen I» auch im Verkehr mit diesen; einzig die Ausdehnung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Mitglieder bedarf noch der Genehmigung durch das Parlament und allenfalls durch das Volk. Im Mai konnten die Verhandlungen über neun weitere bilaterale Abkommen mit der EU («Bilaterale II») erfolgreich abgeschlossen werden. Die EFTA-Staaten haben mit dem Libanon und mit Tunesien Freihandelsabkommen abgeschlossen.

2.1

Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU

Nach fast drei Jahren Verhandlungen haben die Schweiz und die EU die «Bilateralen II» am 19. Mai 2004 in Brüssel anlässlich des ersten Gipfels Schweiz­ EU abgeschlossen. Die Abkommenstexte wurden am 25. Juni in Brüssel paraphiert und am 26. Oktober 2004 in Luxemburg unterzeichnet. Ebenfalls am 26. Oktober wurde das Protokoll zur Ausdehnung der Freizügigkeit auf die neuen EU-Staaten unterzeichnet. Mit den «Bilateralen II» wird das bestehende Vertragsnetz zwischen der Schweiz und der EU enger geknüpft und auf Bereiche ausgedehnt, die über die wirtschaftliche Zusammenarbeit hinausgehen.

Anfang Februar 2004 wurde bekannt, dass in einer Weisung der EU-Zollbehörde an die Mitgliedstaaten verlangt wurde, vom 1. März 2004 an beim Reimport von EU-Ursprungsware aus Freihandelsländern (wie der Schweiz) die präferenzielle Zulassung unter dem Titel der Freihandelsabkommen aufzuheben.

Die Schweiz konnte vorerst erreichen, dass die Inkraftsetzung dieser Massnahme auf den 1. Juni verschoben wurde. Die weiteren Verhandlungen mündeten in eine Vereinbarung, nach der die Zollfreiheit auch für Reexporte von industriellen Ursprungserzeugnissen beider Parteien definitiv weiterzuführen ist. Der diesbezügliche Beschluss wird durch den Gemischten Ausschuss Schweiz­EU im schriftlichen Verfahren formell verabschiedet werden.

1146

2.1.1

Beziehungen im Rahmen der geltenden Abkommen

2.1.1.1

Freihandelsabkommen (FHA) Schweiz-EG von 1972

Mitte November 2004 fand das 49. Treffen des Gemischten Ausschusses zum Freihandelsabkommen Schweiz­EG (SR 0.632.401) statt. Die Schweiz bekräftigte ihre Forderung, in die Arbeiten zur Revision des EU-Zollkodexes einbezogen zu werden.

Kern der Revision ist eine Voranmeldepflicht für grenzüberschreitende Waren beim entsprechenden Zollamt (24-Stunden-Regel), die schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen für die Schweiz hätte. Die EU-Kommission erklärte sich bereit, mit der Schweiz exploratorische Gespräche über ein Arrangement zur gegenseitigen Anerkennung von Zollkontrollen aufzunehmen, womit auf die Voranmeldepflicht verzichtet werden könnte.

Die Schweiz forderte die EU auf, die nach wie vor angewandten Überwachungsmassnahmen im Stahlbereich endgültig aufzuheben. Die EU­Kommission geht davon aus, dass diese nicht weiter verlängert werden. Die im Briefwechsel vom 17. März 2000 (SR 0.632.401.22) enthaltene Einfuhrregelung der EG für Erfrischungsgetränke wird bis zur (vorläufigen) Inkraftsetzung des revidierten Protokolls Nr. 2 zum Freihandelsabkommen (vgl. Ziff. 2.1.2, «verarbeitete Landwirtschaftsprodukte») verlängert (AS 2004 3787). Ausserdem betonte die EG-Kommission die Wichtigkeit einer baldigen Regelung in der Frage des Stromtransits durch die Schweiz. Schliesslich wurde die in der Schweiz am 1. Februar in Kraft gesetzte Sondersteuer auf Alcopops besprochen; die EU vermutet, dass diese eine indirekte Diskriminierung importierter EU-Produkte bewirken könnte.

Anfang Februar 2004 wurde bekannt, dass seitens der EU­Zollbehörde die Weisung an die Mitgliedstaaten erlassen worden war, vom 1. März 2004 an beim Reimport von EU­Ursprungswaren aus Freihandelsländern (wie der Schweiz) die präferenzielle Zulassung unter dem Titel der Freihandelsabkommen aufzuheben. Die Schweiz war über Pläne zu einer solchen Änderung weder informiert noch wurde sie konsultiert. Die Inkraftsetzung dieser Massnahme hätte für die betroffenen Schweizer Wirtschaftsakteure verschiedenster Branchen schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Tangiert gewesen wären insbesondere inländische Logistikzentren (in den Sektoren Chemie, Textilien und Bekleidung, Maschinen und Apparate) sowie der Handel. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft fanden ihren Widerhall in den eidgenössischen Räten. Am 16. März 2004 wurde sowohl im National- als auch
im Ständerat anlässlich der Behandlung von dringlichen Interpellationen auf die gravierenden Folgen für die Schweizer Wirtschaft hingewiesen. Das Vorgehen der EU erntete scharfe Kritik.

Anlässlich eines ersten Treffens zwischen einer Delegation der EU und der Schweiz am 24. Februar in Basel konnte vorerst ein Aufschub der geplanten Massnahme bis zum 1. Juni erreicht werden. Die Parteien einigten sich zudem, in der Zwischenzeit die Rechtsgrundlagen im Freihandelsabkommen Schweiz­EG von 1972 und die Auswirkungen der allfälligen Zollerhebungen auf die Wirtschaft zu prüfen. Am 14. April kamen die Parteien überein, dass der Status quo in den Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU prinzipiell gewahrt bleiben soll. Die wirtschaftliche Voraussetzung dazu war gegeben, weil die Probleme im Zusammenhang mit dem Agrarhandel und der Rückerstattung von Zollabgaben ­ Probleme, welche die EU mit ihrer Neuinterpretation ansprach ­ die Handelsströme zwischen der Schweiz und der EU nicht tangieren.

1147

Am 22. April schliesslich einigten sich die Experten auf die Interpretation, derzufolge die Bestimmungen des Freihandelsabkommens Schweiz-EG die zollfreie Wiedereinfuhr von industriellen Ursprungserzeugnissen erlauben, ohne Rücksicht darauf, ob sie Ursprungserzeugnisse der EU oder der Schweiz sind. Von dieser Regelung ausgeschlossen sind Wiederausfuhren von (dem Freihandelsabkommen nicht unterworfenen) Agrarprodukten sowie von Verarbeitungserzeugnissen.

Diese Einigung wurde am Gipfeltreffen vom 19. Mai zwischen den Delegationen des Bundesrates und der EU-Präsidentschaft auf politischer Ebene genehmigt. Die formelle Bestätigung wird durch den Gemischten Ausschuss Schweiz-EU in Form einer Empfehlung im schriftlichen Verfahren verabschiedet werden.

Im Zollausschuss vom Oktober wurde ebenfalls die Frage der Revision des EUZollkodexes diskutiert («24-Stunden-Regel»). Weiter wurden Ursprungsfragen ­ vor allem die Ausdehnung der «paneuropäischen Kumulation» auf die MittelmeerAnrainerstaaten ­ erörtert.

Im Mai hat der Bundesrat das Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, SR 0.632.402, AS 1973 2057) gekündigt.

Die EGKS war Ende 2002 ausgelaufen; ihre Rechte und Pflichten gingen an die EG über. Mit der Kündigung wird Klarheit darüber geschaffen, dass der Freihandel mit der EG vollständig den Regeln des Freihandelsabkommens Schweiz-EG (SR 0.632.401) unterliegt.

2.1.1.2

Die sektoriellen Abkommen Schweiz-EG von 1999

Am 1. Juni 2002 traten die sieben sektoriellen Abkommen Schweiz-EG vom 21. Juni 1999 (AS 2002 1527) zusammen mit der revidierten EFTA-Konvention (AS 2003 2684) in Kraft. Damit wurde das vertragliche Beziehungsnetz zwischen der Schweiz und der EU bzw. den EWR-Staaten auf eine breitere Grundlage gestellt.

Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen Das Landwirtschaftsabkommen (SR 0.916.026.81) vereinfacht den Handel mit Agrarprodukten über den Abbau von Zöllen und die Beseitigung von nichttarifarischen Handelshemmnissen. Neben der Anerkennung der Gleichwertigkeit von technischen Vorschriften, beispielsweise in den Bereichen Pflanzenschutz, biologischer Landbau und Veterinärmedizin, sieht das Abkommen einen erleichterten Marktzutritt für bestimmte Agrarprodukte vor. Insbesondere der Käsehandel ist in einem Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens vollständig zu liberalisieren.

Der vierte Gemischte Ausschuss von Ende Oktober befasste sich vor allem mit der Frage der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben, namentlich für Käse. Eine gemeinsame Erklärung in der Schlussakte zum Abkommen sieht den Abschluss eines entsprechenden Protokolls vor. Die Parteien führen dazu seit geraumer Zeit exploratorische Gespräche, die weiter vorangetrieben werden sollen. Des Weiteren wurden die Anhänge in den Bereichen Pflanzenschutz, Saatgut, biologische Erzeugnisse sowie Früchte und Gemüse den neusten Entwicklungen angepasst. Mit dem Ende des BSE-Problems kann das bilaterale Abkommen

1148

nun auch im Bereich Trockenfleisch umgesetzt werden; die von der Schweiz und der EU eingeräumten Kontingente werden ab Anfang 2005 zugänglich gemacht.

Der Gemischte Ausschuss zum Veterinäranhang (Anhang 11 des Landwirtschaftsabkommens) beschloss die Nachführung des Anhangs. Nach Verabschiedung durch den EU-Agrarrat im November ist die Äquivalenz der schweizerischen und der EUGesetzgebung im Bereich der tierischen Nebenprodukte hergestellt.

Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen Das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81) macht die doppelte Prüfung und Zulassung der meisten Industrieprodukte nach schweizerischem und nach EU-Recht überflüssig.

Anlässlich des Gemischten Ausschusses im Oktober bekräftigten die Parteien ihr Interesse, das Abkommen auf neue Produktebereiche wie Aufzüge und zwei- bzw.

dreirädrige Motorfahrzeuge auszudehnen. Die Parteien begrüssten, dass in den Bereichen Chemikalien und Bauprodukte, die wegen zu grosser Differenzen in der Gesetzgebung beider Parteien nicht in das Abkommen aufgenommen worden waren, exploratorische Gespräche stattgefunden haben. Ferner wurden Änderungen des bestehenden Abkommens formalisiert. Die wichtigste sieht vor, dass die von der Schweiz stets kritisierte Beschränkung des Abkommens auf Ursprungswaren der Vertragsparteien entfällt, so dass die Bestimmungen künftig für alle Produkte gelten.

Schliesslich ist ein vereinfachtes Verfahren für die Änderung der Liste der unter dem Abkommen anerkannten Konformitätsbewertungsstellen vorgesehen, um Anpassungen zu beschleunigen. Die revidierte Fassung des Abkommens soll Mitte 2005 in Kraft treten.

Abkommen über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens Das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68) erweitert den Geltungsbereich des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.632.231.422) im Verhältnis Schweiz­EU auf Gemeinden und konzessionierte private Unternehmen, die aufgrund eines besonderen oder ausschliesslichen Rechts in den Bereichen Telekommunikation, Wasser-, Verkehrs- und Energieversorgung tätig sind.

Die Schweiz und die EU haben Verfahren eingeleitet, um den Telekommunikationssektor von diesem Abkommen auszunehmen, da dort nachweislich Wettbewerb herrscht. Das
Abkommen wurde überdies an die Erweiterung der EU angepasst.

Die Schweiz nahm im Berichtsjahr erstmals als Beobachterin an den Sitzungen des Comité consultatif pour les marchés publics de la Commission européenne (CCMP) teil, das unter anderem auf Veranlassung der Kommission oder auf Antrag eines Mitgliedstaats prüft, weshalb Unternehmen bei öffentlichen Bauaufträgen nicht berücksichtigt wurden, obwohl sie das günstigste Angebot unterbreitet hatten Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse Mit dem Abkommen über den Landverkehr (SR 0.740.72) hat die Schweiz erleichterten Zugang zum europäischen Bahn- und Strassentransportmarkt erhalten. Damit verbunden war die Einführung einer «Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe» (LSVA) auf Anfang 2001 und die schrittweise Erhöhung der Gewichtslimite für Lastwagen auf 40 Tonnen per 1. Januar 2005 (SR 740.11).

1149

Diese Massnahmen unterstützen die Bemühungen, den Güterverkehr stärker von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Sie haben erste Wirkungen gezeitigt, verringerte sich doch zwischen 2000 und 2003 die Anzahl alpenüberquerender Lastwagen um insgesamt acht Prozent, nachdem sie in den neunziger Jahren jährlich um rund acht Prozent zugenommen hatte. Sollte sich die in den ersten neun Monaten des Berichtsjahres festgestellte Tendenz bestätigen, wird die Anzahl alpenüberquerender Lastwagen bis Ende 2004 gegenüber 2000 sogar um zehn Prozent abgenommen haben.

Anlässlich seiner beiden ordentlichen Tagungen hat der Gemischte Ausschuss die vom 1. Januar 2005 an geltenden Sätze der LSVA festgelegt (Beschluss Nr. 1/2004, AS 2004 3677; Beschluss Nr. 2/2004, AS 2004 3679). Durchschnittlich werden dann für einen 40-Tonnen-Lastwagen auf der Referenzstrecke von 300 Kilometern maximal 292.50 Franken zu entrichten sein. Nach Inbetriebnahme des NEATBasistunnels am Lötschberg, spätestens aber zum 1. Januar 2008, wird der Durchschnittsbetrag auf maximal 325 Franken angehoben werden. Der Gemischte Ausschuss hat darüber hinaus den Anhang I des Abkommens im Lichte neuer Bestimmungen des EU-Rechts modifiziert und die Modalitäten zur Schaffung eines Verkehrsobservatoriums Schweiz-EU diskutiert.

Abkommen über den Luftverkehr Das Luftverkehrsabkommen (SR 0.748.127.192.68) regelt auf der Grundlage der Gegenseitigkeit den Zugang schweizerischer Fluggesellschaften zum liberalisierten europäischen Luftverkehrsmarkt. Durch die schrittweise Gewährung von Verkehrsrechten und das Diskriminierungsverbot werden den Schweizer Luftfahrtunternehmen die gleichen Rechte eingeräumt wie ihren europäischen Konkurrenten.

Anlässlich des Gemischten Ausschusses vom Dezember wurde die Übernahme neuer EU-Rechtsakte in den Abkommensanhang diskutiert. Dabei ging es insbesondere um die Teilnahme der Schweiz an der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) sowie um den Einbezug der Schweiz in den einheitlichen europäischen Luftraum («Single European Sky»).

Am 13. Februar reichte die Schweiz gegen die Abweisung ihrer Beschwerde durch die Europäische Kommission gegen die deutsche Verordnung über An- und Abflüge zum und vom Flughafen Zürich-Kloten beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage ein. Sie macht unter anderem geltend, dass die von
Deutschland einseitig erlassenen Beschränkungen unverhältnismässig seien und eine Diskriminierung von Schweizer Luftfahrtunternehmen darstellten. Das Verfahren ist hängig; es wird mit einer Dauer von ein bis zwei Jahren gerechnet.

Am 1. September ist die Änderung des Luftfahrtgesetzes, welche im Rahmen des Luftverkehrsabkommens die Überwachung von staatlichen Beihilfen an die Zivilluftfahrt der Wettbewerbskommission überträgt, in Kraft getreten (Art. 42a des Kartellgesetzes, SR 251; AS 2004 1385).

Abkommen über die Freizügigkeit Mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens (SR 0.142.112.681) am 1. Juni 2002 ist die Personenfreizügigkeit zunächst für solche Personen verwirklicht worden, die zu diesem Zeitpunkt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt waren oder die sich im Gebiet der Vertragsparteien mit genügend finanziellen Mitteln und einem umfassenden Krankenversicherungsschutz als Nichterwerbstätige niederlassen wollen. Für alle anderen Personen gelten Übergangsfristen. Bis zum 31. Mai 2007 1150

bleiben Staatsangehörige aus dem EU-Raum der Kontingentierung unterstellt. Jährlich werden 15 000 Kontingente für Aufenthalte von einem Jahr oder länger (Daueraufenthalte) und 115 500 für Aufenthalte von über vier Monaten bis zu einem Jahr (Kurzaufenthalte) gewährt. Die Kontingentsperioden laufen jeweils von Anfang Juni bis Ende Mai. Aufenthalte von unter vier Monaten unterstehen keiner mengenmässigen Beschränkung.

In der Periode vom 1. Juni 2003 bis zum 31. Mai 2004 waren die Kontingente für Daueraufenthalte nach ungefähr elf Monaten ausgeschöpft. Dies zeigt, dass die im Abkommen vereinbarte Zahl in etwa den Bedürfnissen der Wirtschaft entspricht.

Die Kontingente für Kurzaufenthalter wurden in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens nur zu etwa 60 Prozent beansprucht. Die Zahl der Grenzgänger, die ihrerseits keinen Kontingenten unterstehen, stieg zwischen dem 1. Juni 2003 und 31. Mai 2004 von 175 861 auf 181 527 Personen, d.h.

um 3,2 Prozent. Im ersten Quartal der laufenden Kontingentsperiode (1. Juni bis 31. August 2004) nahm die Zahl der Erstbewilligungen für Grenzgänger im Vergleich zur Vorjahresperiode um zirka zehn Prozent zu.

Seit dem 1. Juni ist die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung erstmals möglich, untersteht aber der Meldepflicht. Ebenfalls am 1. Juni wurden der Inländervorrang sowie die Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch die flankierenden Massnahmen ersetzt. Durch die Unterstellung der aus dem Ausland in die Schweiz entsandten Arbeitnehmer unter die Arbeitsgesetzgebung des Bundes sowie mit der Möglichkeit, bei wiederholt missbräuchlichen Lohnunterbietungen Gesamtarbeitsverträge allgemeinverbindlich zu erklären und allenfalls Normalarbeitsverträge zu erlassen, sollen Lohn- und Sozialdumping verhindert werden. Der Bundesrat hat in Zusammenarbeit mit den Kantonen eine Task Force eingesetzt, die dafür besorgt ist, dass die flankierenden Massnahmen konsequent umgesetzt werden.

Abkommen über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit Die EU-Rahmenprogramme sind das Hauptinstrument der Europäischen Union zur Finanzierung der Forschung in Europa. Sie stehen sämtlichen privaten oder öffentlichen Forschungsinstitutionen offen. Die 6. EU-Rahmenprogramme (2002­2006) sind mit einem Gesamtbudget von 19,1 Milliarden Euro
ausgestattet. Diese Gelder werden aufgrund von Ausschreibungen an die qualitativ besten Forschungsvorhaben vergeben; es gibt keinen Verteilschlüssel für die einzelnen Länder.

Das Forschungsabkommen (Übereinkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits, BBl 2004 275) wurde am 16. Januar 2004 unterzeichnet; es assoziiert die Schweiz an die 6. EU-Rahmenprogramme. Das Abkommen wird seit 1. Januar 2004 vorläufig angewendet. Am 2. November hat die Schweiz der EU mitgeteilt, dass auf ihrer Seite die Voraussetzungen für die Inkraftsetzung erfüllt seien; das Forschungsabkommen wird in Kraft treten, sobald die Schweiz eine entsprechende Note von der EU erhalten haben wird. Bis zum 31. Mai wurden Schweizer Partnern seitens der Kommission rund acht Millionen Euro vertraglich zugesichert. Dieser Betrag wird sich jedoch im Jahresverlauf noch stark erhöhen. Zum Vergleich sei erwähnt, dass 492 Forschungsgruppen beim Bundesamt für Bildung und Wissenschaft (EDI) als Teilnehmer an Projekten der Rahmenprogramme angemeldet waren, und dass 22 Prozent der Projektvorschläge mit Schweizer Beteiligung durch die Kommission

1151

zugelassen wurden (der Durchschnitt der erfolgreichen Projekte in den EU-Staaten liegt bei 20 %).

2.1.1.3

Anpassungen an die EU-Erweiterung

Allgemeines Am 1. Mai 2004 sind zehn neue Mitgliedstaaten (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern) der EU beigetreten. Sie haben den gesamten Rechtsbestand der Gemeinschaft (Acquis communautaire) übernommen. Dazu zählen auch Abkommen mit Drittstaaten, unter anderem das Freihandelsabkommen Schweiz-EG und die «Bilateralen I». Diese wurden ­ mit Ausnahme des Freizügigkeitsabkommens ­ per 1. Mai automatisch auf die neuen EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt. Die mit den mittel-osteuropäischen Ländern abgeschlossenen Präferenzabkommen wurden auf den gleichen Zeitpunkt gekündigt. Das sowohl mit der EU als auch mit den einzelnen Mitgliedstaaten abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen machte Verhandlungen über dessen Ausdehnung auf die zehn neuen Mitgliedstaaten nötig.

Protokoll zum Abkommen über die Freizügigkeit Als Ergebnis dieser Verhandlungen konnte am 26. Oktober ein Protokoll zum Freizügigkeitsabkommen (vgl. Botschaft zur Genehmigung des FZA-Protokolls, BBl 2004 5891) unterzeichnet werden. Das darin vereinbarte Übergangsregime dauert ­ analog zur Regelung innerhalb des EWR ­ bis längstens zum 30. April 2011.

Arbeitnehmer unterstehen bis zu diesem Stichtag dem Inländervorrang, der Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie Kontingenten. Zudem wird den Personen, die bis zu vier Monaten in der Schweiz arbeiten wollen, die Aufenthaltsbewilligung nur erteilt, wenn es sich um gut qualifizierte Arbeitnehmer handelt.

Selbstständigerwerbende unterstehen bis zum 31. Mai 2007 den Kontingenten. Die vereinbarten Höchstzahlen steigen im Verlauf der Übergangsfrist bis auf jährlich 3000 Daueraufenthalte und 29 000 Kurzaufenthalte im Jahre 2011. Seit dem 26. Oktober stellt die Schweiz bis zum Inkrafttreten des Protokolls für Arbeitskräfte aus den zehn neuen EU-Mitgliedstaaten 700 Jahresaufenthaltsbewilligungen, 2500 Kurzaufenthaltsbewilligungen bis ein Jahr sowie 5000 Kurzaufenthaltsbewilligungen bis vier Monate bereit. Die Zulassungsvoraussetzungen und der Aufenthalt bestimmen sich nach der schweizerischen Ausländergesetzgebung. Die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen wird in den Bereichen Bauhaupt- und -nebengewerbe, Reinigungsgewerbe, Gartenbau sowie Schutzund Sicherheitsgewerbe längstens bis zum 30. April 2011 dem
Inländervorrang und der Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen unterstellt. Bei den Dienstleistungserbringern muss es sich um gut qualifizierte Personen handeln.

Im Hinblick auf die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf die neuen EUMitgliedstaaten hat der Bundesrat Anpassungen des bestehenden Instrumentariums für die flankierenden Massnahmen vorgeschlagen. Infolgedessen wird sich das Parlament im Zusammenhang mit der Genehmigung des Protokolls u.a. auch dazu äussern, ob die Anzahl der Inspektoren zu erhöhen ist, Lücken im Sanktionensystem des Entsendegesetzes zu füllen und die Quoren zur Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zu ändern sind.

1152

Weiterführung der Präferenzen im Agrarsektor Infolge ihres EU-Beitritts am 1. Mai kündigten acht mittel- und osteuropäische Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn) ihre bilateralen EFTA-Freihandelsabkommen und die dazugehörigen bilateralen Agarbriefwechsel mit der Schweiz. Sie verfolgen seit dem Beitritt die gemeinsame Aussenhandelspolitik der EU.

Die Schweiz und die EU haben sich im Rahmen des Gipfeltreffens vom 19. Mai darauf geeinigt, die Substanz der bisherigen Abkommen zwischen der Schweiz und den neuen Mitgliedstaaten zu bewahren. Deshalb wurden die Präferenzen, die in den ehemaligen EFTA-Abkommen vereinbart worden waren, in die entsprechenden Abkommen zwischen der Schweiz und der EU übertragen.

Mit der Inkraftsetzung der Änderung der Freihandelsverordnung (SR 632.421.0) am 15. November setzte die Schweiz zeitgleich mit der EU die entsprechenden Zollpräferenzen autonom und rückwirkend auf den 1. Mai um. Zu einem späteren Zeitpunkt werden diese völkerrechtlich verankert, indem sie in das Landwirtschaftsabkommen (SR 0.916.026.81) bzw. in das Freihandelsabkommen (SR 0.632.401) integriert werden.

Kohäsionsbeitrag der Schweiz an die erweiterte EU Am 13. Mai 2003 hat die EU an die Schweiz ein Begehren um einen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion in der erweiterten EU gerichtet. Am 12. Mai 2004 beschloss der Bundesrat ­ unter Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung ­, diesem Begehren stattzugeben. Der schweizerische Kohäsionsbeitrag beläuft sich auf eine Milliarde Franken über eine Verpflichtungsperiode von fünf Jahren und soll aus Projekten zugunsten der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten bestehen, welche die Schweiz selbständig auswählt und in eigener Verantwortung durchführt.

Über die Modalitäten des schweizerischen Kohäsionsbeitrages sind mit der EUKommission und mit den Partnerstaaten Konsultationen zu führen. Die Gespräche mit der EU-Kommission haben im November begonnen. Parallel dazu muss der Bundesrat die Fragen der Finanzierung sowie der Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung der Massnahmen regeln. Die Finanzierung des Kohäsionsbeitrages soll für den Bundeshaushalt neutral erfolgen. Vor diesem Hintergrund beschloss der Bundesrat am 12. Mai 2004, die zur Finanzierung des Kohäsionsbeitrages nötigen Mittel im EDA
und im EVD zu kompensieren. Der Bundesrat ist aber bereit, auch andere Finanzierungsquellen zu prüfen. So wird im Finanzplanbericht 2006­08 des Bundesrates vom 24. September 2004 festgehalten, dass bei der Kompensation des Kohäsionsbeitrages allfällige Einnahmen aus der EU-Zinsbesteuerung angemessen Berücksichtigung finden könnten. Bis zur Klärung der offenen Fragen wird die Ostzusammenarbeit von EDA und EVD auf der Grundlage der geltenden Beschlüsse im bisherigen Rahmen fortgeführt.

2.1.2

Abschluss der «Bilateralen II»

Die Beziehungen zur Europäischen Union sind für die Wahrung der aussen- und aussenwirtschaftspolitischen Interessen der Schweiz von zentraler Bedeutung. Ein möglichst ungehinderter Zugang der Schweiz zum europäischen Binnenmarkt ist für die Schweizer Wirtschaft von vitalem Interesse. Vor diesem Hintergrund ist der 1153

Abschluss der «Bilateralen II» als wichtiger Schritt zur Konsolidierung und zum Ausbau der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und ihren europäischen Partnern zu werten. Die Verhandlungsziele konnten erreicht werden. Ausschlaggebend für ein ausgewogenes Verhandlungsresultat waren zum einen die realistischen Forderungen der Schweiz und ihre Bereitschaft, der EU im Bereich der Zinsbesteuerung materiell entgegenzukommen, zum anderen das konsequente Festhalten am Prinzip des Verhandlungsparallelismus.

Der Abschluss der «Bilateralen II»14 stellt die konsequente Weiterführung des bilateralen Weges dar, den die Schweiz mit der Aushandlung der «Bilateralen I» eingeschlagen hat. Die neun Abkommen bringen Lösungen für konkrete Probleme in der gegenseitigen Zusammenarbeit, die auf weitere Gebiete wie innere Sicherheit und Asyl (Schengen/Dublin), Umwelt, Statistik und Kultur ausgedehnt wird. Das Verhandlungsresultat stellt angesichts des derzeit für die Schweiz Erreichbaren das Optimum dar. Der Abschluss der «Bilateralen II» präjudiziert in keiner Weise weitere europapolitische Schritte der Schweiz.

Wirtschaftliche Würdigung Im Unterschied zum Freihandelsabkommen und den «Bilateralen I» handelt es sich bei den «Bilateralen II» nur zu einem kleinen Teil um klassische Wirtschaftsverträge. So verbessert etwa das Abkommen über die verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte den Zugang der Schweizer Nahrungsmittelindustrie zum europäischen Markt.

Trotz der Schwerpunktverlagerung von der ökonomischen auf die politische Ebene haben die «Bilateralen II» bedeutsame Auswirkungen auf die schweizerische Volkswirtschaft. Einen indirekten, jedoch gewichtigen Effekt für den Wirtschaftsstandort Schweiz haben die drei Abkommen über Zinsbesteuerung, Betrugsbekämpfung und Schengen, in denen der Austausch von Informationen im Rahmen der Amts- und Rechtshilfe in Bezug auf Delikte im Fiskalbereich geregelt wird. Diese Regelung wurde so gestaltet, dass das Schweizer Bankgeheimnis gewahrt bleibt.

Dadurch werden günstige und verlässliche Rahmenbedingungen für die künftige Entwicklung des Finanzplatzes Schweiz geschaffen.

Für den Tourismus ist die Einführung des Schengener Einheitsvisums wichtig, demzufolge Touristen aus Nicht-EU-Ländern, die für ihre Europa-Reise ein Schengen-Visum benötigen, kein zusätzliches Visum für die Einreise
in die Schweiz zu beantragen brauchen. Dadurch kann die Schweiz drohende Marktanteilsverluste als Tourismusdestination in Europa abwenden.

Schengen/Dublin Der Abschluss der Verhandlungen über eine Assoziation der Schweiz an den Schengen- und Dublin-Acquis (inkl. trilaterales Abkommen mit Norwegen und Island sowie spezielle Regelungen mit Dänemark) war möglich, weil der Schweiz in Bezug auf die Rechtshilfe bei direkten Steuern eine unbefristete Ausnahme gewährt wurde.

Danach müsste die Schweiz eine allfällige Abschaffung des Prinzips der doppelten Strafbarkeit im Bereich der Fiskaldelikte nicht nachvollziehen. Das bedeutet, dass die Schweiz ­ selbst wenn sich das europäische Recht in diese Richtung weiterent-

14

Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erklärung zur Umsetzung der Abkommen («Bilaterale II»), BBl 2004 5965.

1154

wickeln sollte ­, keine Rechtshilfe bei der Hinterziehung direkter Steuern leisten muss. Damit bleibt das Bankgeheimnis auf lange Sicht gewahrt.

Der Finanzplatz Schweiz profitiert von dieser Absicherung des Bankgeheimnisses.

Die Mitwirkung der Schweiz am System von Schengen/Dublin verhindert auch, dass die Nachbarländer ­ selbst ohne triftigen Verdachtsgrund ­ den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit systematischen Personenkontrollen erheblich und für lange Dauer beeinträchtigen können. Gegen eine solche Massnahme könnte die Schweiz unter geltendem Recht keine wirksamen Einwände vorbringen.

Die Umsetzung des Abkommens über Schengen/Dublin bedingt Anpassungen in acht Bundesgesetzen, namentlich in Bezug auf Datenschutz, Waffenrecht und die Einführung des Schengener Informationssystems. Diese unterstehen, gleichzeitig mit den zu genehmigenden Abkommen, dem fakultativen Referendum.

Verarbeitete Landwirtschaftsprodukte Die im Protokoll Nr. 2 zum Freihandelsabkommen Schweiz-EG von 1972 (SR 0.632.401.2) enthaltene Sonderregelung für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte ist nicht mehr in allen Teilen zeitgemäss und erzeugt bei ihrer Anwendung Probleme.

Im Rahmen der Verhandlungen zu den «Bilateralen II» wurde deshalb das Abkommen (Protokoll Nr. 2) aktualisiert. Zentrales Element ist dabei die Verbesserung des sog. Preisausgleichsmechanismus, mit dessen Hilfe das Rohstoffhandicap der verarbeitenden Industrie in der Schweiz ausgeglichen werden kann. Dieses Handicap besteht darin, dass Schweizer Verarbeiter ihre Rohstoffe zu höheren Preisen einkaufen müssen als ihre europäischen Konkurrenten. Der neue Preisausgleichsmechanismus sieht vor, dass die EG sämtliche Zölle auf Importen aus der Schweiz sowie die Erstattungen für Exporte in die Schweiz vollständig abbaut. Entsprechend reduziert die Schweiz im Gegenzug ihre Erstattungen auf Ausfuhren in die EG und ihre Zölle auf Importen aus der EG. Zudem wird der Geltungsbereich des Abkommens ausgedehnt, womit der Entwicklung der Nahrungsmittelindustrie Rechnung getragen werden kann.

Falls die Ratifikationsverfahren bis zum 1. Februar 2005 nicht abgeschlossen sind, soll das aktualisierte Protokoll Nr. 2 von diesem Datum an vorläufig angewandt werden.

Kooperationsabkommen Das Verhandlungspaket der «Bilateralen II» enthält mehrere Abkommen über die Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU, u. a. auf folgenden Gebieten: ­

Die Harmonisierung der Statistiken in den Bereichen Handel, Arbeitsmarkt, Sozialversicherung, Transport, Raumplanung und Umwelt zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit von statistischen Informationen.

­

Die Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Umweltagentur (EUA), wodurch die Schweiz Zugriff auf die Umweltdaten der 31 EUA-Mitgliedstaaten erhält und an länderübergreifenden Studien mitwirken kann.

­

Die Beteiligung der Schweiz an den Bildungs-, Berufsbildungs- und Jugendprogrammen der EU (Nachfolgeprogramme von «SOKRATES», «LEONARDO DA VINCI» und «JUGEND»).

1155

­

2.2

Die Beteiligung der Schweiz an den EU-Programmen «MEDIA Plus» (Förderung der Entwicklung und des Vertriebs audiovisueller Werke) und «MEDIA Fortbildung» (Ausbildungsprogramm für Berufsangehörige der audiovisuellen Programme) für die Periode von 2001 bis 2006.

Europäische Freihandelsassoziation (EFTA)

Die EFTA-Konvention wird laufend an die Änderungen in den sektoriellen Abkommen Schweiz­EG von 1999 angepasst und funktioniert ohne Probleme.

Die Erweiterung der EU hatte die Beendigung von acht EFTA-Freihandelsabkommen zur Folge. Neue EFTA-Freihandelsabkommen wurden mit dem Libanon und mit Tunesien unterzeichnet. Verhandlungen über EFTA-Freihandelsabkommen wurden mit den Staaten der Südafrikanischen Zollunion (SACU) fortgeführt und mit Südkorea eröffnet. Mit Thailand und mit den Staaten des Golf-Kooperationsrats wurden exploratorische Arbeiten aufgenommen. Die EFTA-Staaten und die USA haben Gespräche über eine Verstärkung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen begonnen. Einen ähnlichen Dialog führen die Schweiz und Japan. Die Arbeiten zur Ausdehnung der paneuropäischen Ursprungskumulation auf die Mittelmeerstaaten schreiten planmässig voran.

2.2.1

EFTA-interne Beziehungen

2004 fanden zwei Treffen des EFTA-Rates auf Ministerebene statt (Montreux, 24. Juni; Genf, 17. Dezember). Die Bestimmungen des Abkommens zur Änderung des EFTA-Übereinkommens (SR 0.632.31) werden laufend an die Änderungen der sektoriellen Abkommen Schweiz­EG von 1999 angepasst (im Berichtsjahr insbesondere in den Bereichen der sozialen Sicherheit, der Diplomanerkennung, des Luftverkehrs und der Konformitätsbewertungen). Die zweite Phase der Zusatzverhandlungen mit Liechtenstein über die Personenfreizügigkeit (Neuzulassung von Staatsangehörigen im jeweils anderen Staat) stehen vor dem Abschluss.

2.2.2

Beziehungen der EFTA zu europäischen Drittstaaten und Mittelmeerländern

Die EFTA-Staaten haben seit 1990 mit 19 Ländern in Mittel- und Osteuropa sowie im Mittelmeerraum Freihandelsabkommen abgeschlossen. Acht dieser Länder sind am 1. Mai der EU beigetreten. Die entsprechenden Freihandelsabkommen mit den EFTA-Staaten wurden auf dieses Datum hin beendet. Die Freihandelsbeziehungen zwischen der Schweiz und diesen Partnern werden auf der Basis der bestehenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, namentlich des Freihandelsabkommens von 1972 (SR 0.632.401), weitergeführt.

Als jüngste EFTA-Freihandelsabkommen wurden am 24. Juni jenes mit dem Libanon (Ziff. 8.2.1) und am 17. Dezember jenes mit Tunesien unterzeichnet. Mit dem Inkrafttreten dieser Abkommen erhalten die Wirtschaftsakteure der EFTA-Staaten 1156

einen gleichwertigen Zugang zum libanesischen und tunesischen Markt wie die EUExporteure auf der Grundlage der jeweiligen EU-Assoziationsabkommen. Ausserdem wurden die Freihandelsverhandlungen mit Ägypten weitergeführt. Mit Algerien und Syrien wurden exploratorische Kontakte aufgenommen bzw. fortgesetzt. Im Rahmen bestehender Freihandelsabkommen fanden Tagungen der Gemischten Ausschüsse mit Jordanien, Marokko und der Türkei statt. Diese erlaubten insbesondere die Aufdatierung verschiedener Abkommensbestimmungen.

Die Arbeiten zur Errichtung des euromediterranen Systems der Ursprungskumulation durch Ausdehnung der bestehenden paneuropäischen Ursprungskumulation auf die Mittelmeerstaaten schreiten planmässig voran. So enthalten die unterzeichneten EFTA-Abkommen mit Libanon und Tunesien bereits das Euromed-Ursprungsprotokoll, und auch die Ursprungsregeln im Freihandelsabkommen EFTA-Marokko (SR 0.632.315.491) wurden durch Beschluss des Gemischten Ausschusses entsprechend angepasst. Die vollständige Realisierung der euromediterranen Ursprungskumulation bedingt die Anpassung der Ursprungsregeln in allen betroffenen Freihandelsabkommen, einschliesslich des Freihandelsabkommens Schweiz­EG von 1972.

2.2.3

Freihandelsabkommen mit Staaten ausserhalb Europas und des Mittelmeerraums

Die EFTA-Staaten arbeiten weiterhin aktiv an der Ausdehnung ihres Netzes von Freihandelsabkommen auch ausserhalb des Raumes Europa-Mittelmeer. So wurden im Berichtsjahr die EFTA-Freihandelsverhandlungen mit der Südafrikanischen Zollunion (SACU: Südafrika, Botswana, Lesotho, Namibia und Swaziland) fortgesetzt. Auch mit Kanada sind seit längerem Verhandlungen im Gang.

Auf der Grundlage des positiven Berichts einer im Mai eingesetzten gemeinsamen Studiengruppe nahmen am 17. Dezember die Minister der EFTA-Staaten und Koreas die Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen auf. Die EFTAStaaten und die Mitglieder des Kooperationsrates der arabischen Golf-Staaten (GCC: Bahrain, Kuwait, Oman, Qatar, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate) sowie Thailand haben exploratorische Arbeiten aufgenommen. Diese sollen 2005 den Weg für die Eröffnung von Freihandelsverhandlungen ebnen. Die EFTAStaaten und die USA haben einen Dialog über Möglichkeiten zur Verstärkung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen begonnen. Einen ähnlichen Dialog führt die Schweiz bilateral mit Japan.

Im Rahmen des bestehenden Freihandelsabkommens EFTA-Singapur (SR 0.632.316.891.1) fand der erste Gemischte Ausschuss statt. Es wurden Expertengespräche zur Prüfung von Verbesserungen des Dienstleistungskapitels beschlossen. Ähnliche Gespräche laufen auch im Rahmen des EFTA-Freihandelsabkommens mit Mexiko (SR 0.632.315.631.1). Das Freihandelsabkommen EFTA-Chile (BBl 2003 7139) ist inzwischen von allen Parteien ratifiziert worden und am 1. Dezember 2004 in Kraft getreten.

Die EFTA-Staaten prüfen laufend die Situation in Bezug auf weitere potenzielle Freihandelspartner, insbesondere gegenüber den Mercosur- und weiteren lateinamerikanischen Staaten sowie Partnern in Asien (ASEAN-Staaten, Japan). Wegen der nach wie vor unsicheren terminlichen und inhaltlichen Aussichten der Doha-Runde 1157

der WTO (Ziff. 3.2) ist in absehbarer Zukunft kaum damit zu rechnen, dass sich die weltweite Tendenz zum Abschluss von Präferenzabkommen und das damit verbundene Diskriminierungspotenzial verringern werden. Freihandelsabkommen mit ausgewählten Handelspartnern werden deshalb weiterhin ein unverzichtbares Instrument zur Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität der Schweiz bleiben. Dabei kommen dem Freihandelsabkommen im Verhältnis zur WTO ergänzende Funktionen zu.

2.3

Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und Technologie

Die Schweiz ist Gründungsmitglied von Eureka und COST. Diese Initiativen charakterisieren sich durch ihren «Bottom up»-Ansatz, d.h. die Anregung zu neuen Projekten und Aktionen geht von den betroffenen Forschenden aus.

Zusammen mit den EU-Rahmenprogrammen («Top down»-Ansatz) bilden Eureka und COST die Grundpfeiler des Europäischen Forschungsraumes.

2.3.1

Eureka

Eureka wurde im Jahre 1985 mit der Absicht gegründet, durch transnationale F&EPartnerschaften europäische Ressourcen zu mobilisieren. Sie ist ein zwischenstaatliches Instrument grenzüberschreitender Zusammenarbeit europäischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, auf dem Gebiet der Spitzentechnologie die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken und den technologischen Rückstand gegenüber Japan und den USA aufzuholen. Eureka umfasst 34 Mitglieder: 33 Staaten sowie die Europäische Kommission.

Zurzeit laufen 682 Projekte mit Eureka-Status (Gesamtvolumen: rund 1,9 Mrd. ), an denen sich 2842 Partner beteiligen. Anlässlich der XXI. Eureka-Ministerkonferenz im Juni in Paris wurden 212 neue Eureka-Projekte mit einem Gesamtvolumen von 515 Millionen Euro genehmigt. In der Schweiz laufen 61 Projekte mit EurekaStatus. An diesen Projekten beteiligen sich 103 einheimische Partner (28 Industrieunternehmen, 31 KMU, 26 Hochschulen/Fachhochschulen/Universitäten, 18 Forschungsinstitute). Die Gesamtkosten belaufen sich auf 120 Millionen Franken.

2.3.2

COST

Die «Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiete der wissenschaftlichen und technischen Forschung» (COST) wurde im Jahre 1971 gegründet und ist ein zwischenstaatliches Instrument für die Vernetzung von nationalen Forschungsaktivitäten. COST-Aktionen betreffen die vorwettbewerbliche und die GrundlagenForschung für zivile und im öffentlichen Interesse liegende Zwecke. COST umfasst derzeit 34 Mitgliedstaaten und einen kooperierenden Staat sowie über 80 Institutionen aus elf weiteren Staaten.

1158

COST bezieht in den zurzeit laufenden 180 Aktionen rund 30 000 Forschende in ganz Europa ein. Im Berichtsjahr wurden 31 neue COST-Aktionen bewilligt. Die Schweiz nimmt heute an etwa 80 Prozent der laufenden COST-Aktionen teil. Im Berichtsjahr hat die Schweiz 28 COST-Aktionen unterzeichnet. Die Aufwendungen des Bundes für COST beliefen sich 2004 auf insgesamt acht Millionen Franken. Die Schweizer Beteiligung umfasst den ETH-Bereich (49 %), Universitäten und Fachhochschulen (37 %), die Privatwirtschaft (5 %) sowie verschiedene Bundesstellen (9 %).

3

Multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit

3.1

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Der OECD-Rat befasste sich schwergewichtig mit der Finanzierung der Gesundheitssysteme, dem Problem des demographischen Wandels sowie der Reform der Organisation. Im Berichtsjahr tagten mehrere Fachausschüsse auf Ebene der Minister, darunter erstmals die Gesundheitsminister.

Die OECD examinierte die Schweiz auf den Gebieten Korruptionsbekämpfung sowie Arbeitsmarktpolitik (Vereinbarkeit von Beruf und Familie).

Die Schweiz hat erreicht, dass keines ihrer Steuerregime auf einer schwarzen Liste der OECD figuriert.

3.1.1

Tagung des OECD-Rates auf Ministerebene

Der OECD-Rat auf Ministerebene tagte am 13./14. Mai in Paris unter mexikanischem Vorsitz. Die Schweiz war durch den Vorsteher des EVD und den Staatssekretär für Wirtschaft vertreten.

Neben dem internationalen Handel und insbesondere der Doha-Runde befasste sich der Ministerrat schwergewichtig mit (1) der nachhaltigen Finanzierung der Gesundheitssysteme, (2) der Sicherung des Wirtschaftswachstums in durch Überalterung gekennzeichneten Industriegesellschaften und (3) der Reform der OECD. Ferner widmete sich die Konferenz der nachhaltigen Entwicklung (mit den drei Dimensionen Wirtschaft, Umwelt und Soziales), welche die OECD als eines der übergeordneten Ziele einstuft. Dazu hatten die OECD-Ministerkonferenzen von 1998 (vgl.

Ziff. 812 des Berichts 98/1+2) und von 2001 (vgl. Ziff. 4.1.1 des Berichts 2001) Mandate verabschiedet, wonach bis 2004 mehr Klarheit über das Potenzial und die Auswirkungen der sozialen Dimension zu schaffen sei.

Die Gesundheitsminister, die erstmals ein OECD-Treffen durchführten, waren sich einig, dass die Gesundheitssysteme langfristig finanziell tragbar sein müssen. Sie forderten eine stärkere Ausrichtung der Gesundheitssysteme auf Präventivmassnahmen und auf Verbesserungen des Preis-Leistungs-Verhältnisses.

1159

Bezüglich der Bevölkerungsalterung betonten die Minister, dass sich das Renteneintrittsverhalten ändern müsse. Sie vertraten die Auffassung, die Koppelung von Rentenhöhe und -alter an die Lebenserwartung könne die Stabilität der Rentensysteme erhöhen. Grundlegende Bedeutung komme der Verbesserung der Qualifikationen durch lebenslanges Lernen zu. Die Schweiz rief die vom Bundesrat festgelegte Strategie in Erinnerung, wonach die Nachhaltigkeit der Finanzierung am ehesten gesichert werden kann, wenn ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum besteht und die Finanzierung der Altersvorsorge im Zusammenwirken von Verteilung und Kapitalisierung sichergestellt wird. Der auf den drei Säulen beruhende Finanzierungsansatz ist im OECD-Raum kaum umgesetzt. Um das Vertrauen in eine nachhaltige Finanzierung im OECD-Raum zu stärken, ist u.a. die Umsetzung griffiger Rahmenbedingungen bei der Corporate Governance ein wichtiges Anliegen. Die Richtlinien der OECD spielen hier eine Pionierrolle (vgl. Ziff. 3.1.4.2).

Die Reform der OECD visiert interne Veränderung an (u.a. Sicherung der finanziellen Basis, Effizienzsteigerung) sowie Veränderungen in Bezug auf die Erweiterung und die Zusammenarbeit mit Nichtmitgliedsländern. Angesichts des Interesses vieler Staaten an einer Aufnahme in die OECD sollen Kriterien für die Mitgliedschaft festgelegt werden. Was die interne Reform angeht, ist ein Überprüfungsmechanismus der Mandate und Leistungen der OECD-Ausschüsse sowie eine neue Methode für die Entscheidungsfindung vorgesehen. Letztere erlaubt eine erleichterte Beschlussfassung, da in den bezeichneten Bereichen das Veto nicht mehr zur Anwendung kommt.

Schliesslich unterstützten die Minister die Ausrichtung der Arbeiten und Empfehlungen der OECD auf den Gebieten der Strukturanpassung und der Regulierungsreformen. Sie plädierten für einen wirksameren Wettbewerb in den Sektoren Industrie und Dienstleistungen. Die Schweiz hat bereit erklärt, auf ihre Regulierungspraxis von der OECD examinieren zu lassen.

3.1.2

Schwerpunkte der analytischen Tätigkeiten

3.1.2.1

Tagungen von OECD-Ausschüssen auf Ministerebene

3.1.2.1.1

Tagung der Wissenschafts- und Technologieminister

Unter dem Leitmotiv «Wissenschaft, Technologie und Innovation für das 21. Jahrhundert» tagte am 29./30. Januar unter australischer Präsidentschaft der Ausschuss für Wissenschafts- und Technologiepolitik. Die Schweizer Delegation wurde vom Vorsteher des EDI geleitet. Die Minister befassten sich mit der Rolle von Wissenschaft und Technologie bei der Förderung der nachhaltigen Entwicklung. Einigkeit herrschte darüber, dass die Biotechnologie ein wichtiger Motor für die Zukunft von Medizin und Landwirtschaft ist. Bis 2006 soll ein weltweites Netzwerk für die biologische Forschung geschaffen werden. Die internationale Zusammenarbeit in der Hochenergiephysik und der Neuroinformatik ­ sie hat die Speicherung, Verarbeitung, Verbreitung und Nutzung der Datenmengen der Gehirnforschung zum Inhalt-, soll verstärkt werden. Ferner erörterten die Minister den Beitrag von Wissenschaft und Forschung zur Lösung von Problemen beim Umgang mit Risiken und Sicherheitsfragen sowie die Frage der Finanzierung der öffentlichen und der privaten Forschung. Die behandelten Themen sind für die Schweiz von grossem Interes1160

se, ist doch ihr Wohlstand seit eh und je eng mit der Forschung und der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung verknüpft. Deshalb bleiben auch in Zukunft günstige Rahmenbedingungen im OECD-Raum unabdingbar.

3.1.2.1.2

Tagung der Erziehungsminister

Traditionellerweise treten die Erziehungsminister der 30 Mitgliedstaaten der OECD alle fünf Jahre zusammen. Die Ministerkonferenz von Dublin vom März 2004 brach mit dieser Tradition und führte einen kürzeren Rhythmus ein. Die Konferenz galt zwei Hauptthemen: der Hebung des Leistungsniveaus der Schulen sowie der Verbesserung des Angebots an Lehrkräften und der Effizienz des Lehrpersonals. Im Rahmen eines Forums, das Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der nichtstaatlichen Organisationen, der Forschung und der Medien offen stand, wurde über den Beitrag diskutiert, den Erziehung und Bildung zum sozialen Zusammenhalt leisten.

3.1.2.1.3

Tagung der Gesundheitsminister

Am 13./14. Mai trafen die Gesundheitsminister der OECD-Länder in Paris zusammen, dies erstmals in der Geschichte der OECD. Sie befassten sich mit den Ergebnissen des dreijährigen OECD-Gesundheitsprojekts «Auf dem Weg zu leistungsfähigeren Gesundheitssystemen» bzw. mit der Frage, wie die Kosten der demographischen Veränderung begrenzt, der Aufwand für das Gesundheitswesen beschränkt und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum gefördert werden können. Die Tagung stand unter dem Vorsitz von Mexiko; die Schweiz wurde durch den Vorsteher des EDI vertreten.

Der Ministerratstagung war ein Podiumsgespräch der Gesundheitsminister vorausgegangen, das sich mit dem «Beitrag der Forschung und der Innovation zu leistungsfähigeren Gesundheitssystemen» befasste. Des Weiteren wurde mit den Finanz- und Wirtschaftsministern über die nachhaltige Finanzierung der Gesundheitssysteme diskutiert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass sich die Lebenserwartung in den OECD-Ländern zwar deutlich verbessert hat, dass aber die Finanzierung der Gesundheitskosten alle Mitgliedsländer vor grosse Herausforderungen stellt. Die Minister haben die OECD-Länder ermutigt, die Vorbeugung von Krankheiten stärker zu gewichten (zurzeit werden weniger als 5 % der Gesundheitsausgaben dafür aufgewendet). Sie haben ferner dem OECD-Rat empfohlen, die Schaffung eines ständigen Gremiums zu prüfen, das künftig die Gesundheitsbestrebungen verfolgen soll. Schliesslich haben die Minister die enge Zusammenarbeit mit der WHO, in der die Schweiz aktiv mitwirkt, begrüsst. Die Schweiz wird diese Zusammenarbeit weiter unterstützen. Der Vorsteher des EDI hat in diesem Zusammenhang bekannt gegeben, dass zusammen mit der OECD und der WHO ein Bericht über das Gesundheitssystem in der Schweiz erstellt wird.

1161

3.1.2.1.4

Tagung der Umweltminister

An der Tagung des Ausschusses für Umweltpolitik am 20./21. April genehmigten die OECD-Mitgliedstaaten eine ministerielle Erklärung und drei Ratsempfehlungen: (1) die Empfehlung zum Einsatz von Wirtschaftsinstrumenten zur nachhaltigen Nutzung und Erhaltung der Artenvielfalt, (2) die Empfehlung zum Stofffluss und zur Produktivität der Ressourcen und (3) die Empfehlung zur Evaluation und Entscheidungsfindung in der Entwicklung einer integrierten Transport- und Umweltpolitik.

Die Minister bekräftigten ihren Willen, die OECD-Umweltstrategie bis 2010 umzusetzen. Sie nahmen von den Fortschritten Kenntnis, die insbesondere beim Management der Süsswasserressourcen, bei der Minderung der vom Strassenverkehr verursachten Luftverschmutzung und bei der Suche nach einer besseren Energieeffizienz erzielt wurden. Sie hielten aber auch fest, dass unverzüglich weitere Massnahmen in den folgenden Bereichen getroffen werden müssen: (1) Verringerung der Treibhausgasemissionen, (2) wachsender Verlust der Artenvielfalt, (3) Entkoppelung von Umweltbelastung und Wirtschaftswachstum, (4) Reform bei umweltschädlichen Subventionen, (5) Integration der Umweltanliegen in die sektorale Politik, (6) Entscheidung für innovative Umweltpolitiken mit wirtschaftlichen und sozialen Zukunftsperspektiven, (7) Analyse der Kosten, die durch Nichteingreifen bei essenziellen Umweltproblemen entstehen, (8) Verbesserung der Reglementierung bei gefährlichen Chemikalien, und schliesslich (9) Information und Sensibilisierung der Konsumenten und Konsumentinnen sowie der Unternehmen in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit im Konsumverhalten und in der Produktion.

3.1.2.1.5

Tagung der KMU-Minister

Die Konferenz zur Förderung des Unternehmertums und innovativer KMU in einer globalen Wirtschaft, die gemeinsam von der OECD und dem türkischen Ministerium für Industrie und Handel vom 3. bis zum 5. Juni in Istanbul durchgeführt wurde, befasste sich mit der Kernfrage, was die Regierungen unternehmen können, um das Geschäftsumfeld und die Rahmenbedingungen für kleine Firmen in Industrie- wie Entwicklungsländern zu verbessern.

Diskutiert wurden vier Fragenkreise: zum Ersten wie Regierungen das Unternehmertum stimulieren und den KMU helfen können, mit den Herausforderungen der Globalisierung fertig zu werden; zum Zweiten warum es relativ wenige kleine Unternehmen gibt, die im Aussenhandel tätig sind; zum Dritten welche Politiken umgesetzt werden sollten, um den Zugang zu und den Erhalt von Risikokapital zu erleichtern, und schliesslich wie kleine Unternehmen Teil einer umfassenden Entwicklungsstrategie in den armen Ländern werden können.

Die Veranstaltung baute auf der ersten OECD-Ministerkonferenz vom Jahre 2000 in Bologna auf, in deren Rahmen die «Bologna-Charta» zu KMU-Politiken von 48 Ländern verabschiedet worden war. Die Istanbul-Konferenz zielte darauf ab, das Verständnis in Bezug auf die Probleme des Unternehmertums und der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen in einer globalen Wirtschaft zu stärken sowie eine Reihe von Politikempfehlungen zu formulieren.

1162

3.1.2.2

Entwicklungspolitik

Im Entwicklungshilfeausschuss (Development Assistance Committee, DAC) stand neben den Themen Sicherheit sowie Wirtschaftswachstum und Entwicklungshilfe die Frage des Umfangs und der Wirksamkeit der öffentlichen Hilfe im Vordergrund.

Nach einer längeren Stagnation ist der Umfang der öffentlichen Entwicklungshilfe in den letzten zwei Jahren international um elf Prozent gestiegen. Laut dem DAC sind jedoch zur Erreichung der «Millenniumsziele» noch substanziellere Anstrengungen nötig. Die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz erreichte 2003 0,38 Prozent des Brutto-Volkseinkommens. Diese Erhöhung gegenüber dem Vorjahr war allerdings vorwiegend auf statistische Effekte aufgrund der um ein Jahr verzögerten Meldung des Beitrages an die IDA-13 sowie auf Anpassungen der statistischen Erfassung an die internationale Praxis und die Regeln des DAC zurückzuführen.

Neu werden auch die Aktivitäten der Friedensförderung sowie insbesondere bilaterale Schuldenerlasse für Entwicklungsländer eingerechnet. Während das DAC international bis 2006 einen weiteren Anstieg der öffentlichen Entwicklungshilfe prognostiziert, ist aufgrund der Effekte des laufenden Entlastungsprogramms davon auszugehen, dass sich der Entwicklungshilfe-Anteil in der Schweiz in den nächsten Jahren in der Grössenordnung von 0,34 Prozent des Brutto-Volkseinkommens einpendeln wird.

Neben Massnahmen zur Harmonisierung der Praktiken der Geberländer standen für die Schweiz die Berichterstattung über die Erreichung der MillenniumsEntwicklungsziele sowie die Vorbereitung der Peer Review des DAC im Vordergrund. Letztere wird 2005 im Rahmen der OECD Anlass zu einer eingehenden internationalen Prüfung der Entwicklungspolitik der Schweiz geben.

3.1.2.3

Arbeitsmarktpolitik

Die Schweiz hat im Berichtsjahr zusammen mit Neuseeland und Portugal an der OECD-Studie über die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben teilgenommen.

Die OECD hat diese Studie im Oktober publiziert, die für die Schweiz folgende Massnahmen empfiehlt: (1) Die öffentlichen Ausgaben für die familienergänzende Betreuung von Vorschulkindern und für die schulergänzende Betreuung sollen erhöht und der Zugang zu Tagesschulstrukturen vergrössert werden. Schrittweise soll von der Finanzierung der Anbieter zu einer Finanzierung der Eltern übergegangen werden. (2) Es soll die Einführung der Individualbesteuerung geprüft werden.

(3) Bei einer allfälligen Einführung eines nationalen Systems von Ergänzungsleistungen für Familien soll darauf geachtet werden, negative Effekte in Bezug auf die Arbeitsanreize zu vermeiden. (4) Die Familienfreundlichkeit von Arbeitsplätzen soll erhöht werden (z.B. indem Initiativen von Unternehmen für Beratungen stärker unterstützt werden). (5) Die Einführung der Mutterschaftsversicherung. (6) Für Eltern mit sehr kleinen Kindern soll das Recht auf Teilzeitarbeit während einer beschränkten Zeitspanne unter der Voraussetzung eingeführt werden, dass sie wieder zu einem Vollzeitpensum zurückkehren können.

Anlässlich der Publikation dieser Studie haben die Vorsteher des EVD und des EDI hervorgehoben, dass Verbesserungen in diesem Bereich für die Schweiz von zentraler Bedeutung sind. Aus ökonomischen und sozialen Gründen müssten die vornehmlich politischen Hemmnisse unbedingt überwunden werden.

1163

3.1.2.4

Handelspolitik

Der Handelsausschuss ist ein Forum, das sämtliche Aspekte der Handelspolitik, seien diese Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen der WTO oder nicht, analysiert und zur Diskussion stellt. Er hat die analytischen Grundlagen für die handelsrelevanten Themen der OECD-Ministerkonferenz erarbeitet und Berichte über den Handel mit Dienstleistungen, Textilien sowie über nichttarifarische Massnahmen, Umwelt und Wettbewerb publiziert. Er ist beauftragt worden, eine umfassende Studie über die handelsbezogenen Auswirkungen der Strukturanpassung bereitzustellen. Diese Thematik wurde im November anlässlich eines Seminars in Bangkok eingehend ausgeleuchtet. Die Folgerungen des Berichtes werden vom Ministerrat der OECD im Mai 2005 genehmigt.

Der Ausschuss hat sich erstmals der «Fair Trade»-Problematik angenommen. Ferner hat er sich mit der Vorzugsbehandlung der Entwicklungsländer und der Kohärenz zwischen Entwicklungs- und Handelspolitiken befasst. Schliesslich hat der Ausschuss die Beratungen mit den Nichtregierungsorganisationen (Non-governmental Organisations, NGO) fortgesetzt. In vielen Punkten ist eine Annäherung der Positionen der Regierungsvertreter mit jenen der NGO-Vertreter festzustellen.

3.1.3

Instrumente im Investitionsbereich

Die Instrumente der OECD stellen weiterhin das wichtigste multilaterale Regelwerk für grenzüberschreitende Investitionen dar. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit aufstrebenden Drittstaaten nimmt ihr Einfluss über die OECD hinaus zu. Für die Schweiz war 2004 das Länderexamen unter der Antikorruptionskonvention eine wichtige Etappe.

3.1.3.1

Multilaterale Investitionsregeln

Der «Kapitalverkehrskodex», das «Inländerbehandlungsinstrument» und weitere Standards bilden zusammen die OECD-Instrumente im Investitionsbereich. Nachdem die WTO im August beschlossen hat, im Rahmen der laufenden Verhandlungsrunde kein neues Abkommen über internationale Investitionen mehr anzustreben, dürften diese Instrumente noch einige Jahre das bedeutendste multilaterale Regelwerk für grenzüberschreitende Kapitalanlagen bleiben. In der Praxis werden sie durch eine rasch wachsende Zahl bilateraler und regionaler Investitionsabkommen zwischen einzelnen Staaten ergänzt.

Um die wesentlichen Bestandteile solcher bilateraler und regionaler Abkommen besser zu verstehen und zu einer möglichst breit abgestützten weiteren Rechtsentwicklung beizutragen, hat die OECD ihre Analysearbeiten zum internationalen Investitionsrecht verstärkt. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf dem Dialog mit Drittstaaten auf der Basis der OECD-Investitionsinstrumente. 2004 wurde die Kooperation mit Indien aufgenommen und ein mehrjähriges Programm für die Region des Nahen Ostens und Nordafrikas eingeleitet.

1164

Bisher hatten zwei OECD-Ausschüsse die Verantwortung für die Investitionsinstrumente getragen: das «Komitee für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen» (CIME) und das «Komitee für Kapitalverkehr und unsichtbare Transaktionen» (CMIT). Um die Kräfte in diesem für die Mitgliedstaaten wichtigen Bereich zu bündeln, wurden die beiden Gremien durch Ratsbeschluss vom Mai 2004 zum neuen Investitionskomitee zusammengefasst.

3.1.3.2

Kodex für multinationale Unternehmen

Bei den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen handelt es sich um Empfehlungen von Regierungen an die von ihrem Gebiet aus tätigen Unternehmen für ein verantwortungsbewusstes Verhalten auch in Drittländern. Organisationen der Zivilgesellschaft oder Privatpersonen, die der Meinung sind, dass ein Unternehmen die Leitsätze missachtet, können sich an einen «Nationalen Kontaktpunkt» wenden.

Diese ­ in der Schweiz beim Staatssekretariat für Wirtschaft angesiedelte ­ Stelle setzt sich für eine einvernehmliche Lösung ein.

Vier Jahre nach der umfassenden Revision der Leitsätze verzeichneten die 38 «Nationalen Kontaktpunkte» eine weitere Zunahme von Anfragen und von Gesuchen um Vermittlung in Einzelfällen. Die weitere Förderung dieses pragmatischen Instruments zur Unternehmensverantwortung bleibt ein wichtiges Anliegen der Schweiz.

3.1.3.3

Korruptionsbekämpfung

Das OECD-Übereinkommen zur Bekämpfung der Korruption ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr von 1997 (SR 0.311.21) bedeutete einen Paradigmenwechsel. Es verpflichtet die 36 Unterzeichnerstaaten, die Bestechung ausländischer Amtsträger nach strengen Kriterien unter Strafe zu stellen. Zuvor war die Auslandkorruption auch in der Schweiz straffrei gewesen; entsprechende Zahlungen im Ausland konnten als legitime Aufwendung gar von den Steuern abgezogen werden.

Eine Reihe von flankierenden Empfehlungen ergänzen das Übereinkommen. Zu ihnen zählen unterstützende Massnahmen in Bereichen wie Bekämpfung der Geldwäscherei, Steuersystem, Rechnungslegung und Buchprüfung, öffentliches Beschaffungswesen, Exportrisikoversicherung und öffentliche Entwicklungshilfe.

Alle Unterzeichnerstaaten werden in einem einmaligen, umfassenden Verfahren darauf überprüft, welches Dispositiv zur Korruptionsbekämpfung sie aufgebaut haben und wie sie das Übereinkommen in der Praxis anwenden. Als zwölftes Land wurde im Verlauf des Berichtsjahres die Schweiz diesem Länderexamen unterzogen.

Auf der Grundlage von schriftlichen Eingaben, von intensiven Befragungen während einer Woche in der Schweiz und von Beratungen im zuständigen OECDGremium veröffentlichte die OECD Anfang 2005 den Bericht mit Empfehlungen.

Der Bericht stellt der Schweiz ein im internationalen Vergleich insgesamt gutes Zeugnis aus. Da eine gerichtliche Praxis zu den jungen Strafnormen noch weitgehend fehlt, wurden vor allem die Präventionsmassnahmen sowohl der Schweizer Behörden wie auch der Privatwirtschaft und die neue Korruptionsstrafgesetzgebung durchleuchtet. Raum für Verbesserungen ortet der Bericht namentlich bei der Rech1165

nungslegung und der Buchprüfung, bei der fehlenden Anzeigepflicht von Staatsbediensteten an die Strafverfolgungsbehörden im Fall von Verdachtsmomenten, beim Schutz von Informanten vor allem in Unternehmen, aber auch in Bezug auf den Ausschluss von Unternehmen, die der Korruption überführt wurden, von öffentlichen Ausschreibungen und staatlichen Unterstützungsmassnahmen wie der Exportrisikoversicherung.

Im Jahr 2005 wird die Schweiz ­ im Rahmen des OECD-Antikorruptionsübereinkommens ­ zusammen mit Argentinien die Überprüfung Belgiens durchführen.

3.1.4

Instrumente in anderen Bereichen

3.1.4.1

Internationale Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich

Die OECD leistete mit der Organisation des Global Forum on Competition (GFC) erneut einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Nord-Süd-Dialogs. Trotz des negativen WTO-Entscheides, vorläufig keine Verhandlungen zu Wettbewerbsregelungen im multilateralen Rahmen aufzunehmen, stiess das GFC auf grosses Interesse bei über 40 Nicht-Mitgliedstaaten. Dies lässt darauf schliessen, dass der OECD im Wettbewerbsbereich eine immer wichtigere Vermittlerfunktion zwischen Nord und Süd zukommt. Das im Rahmen des GFC durchgeführte Länderexamen Russlands wie auch die Diskussionsrunden u.a. über Fragen des Zusammenhangs zwischen Wettbewerb und wirtschaftlicher Entwicklung vermitteln den betroffenen Staaten wichtige Anregungen für den Aufbau einer effizienten Wettbewerbspolitik; das mangelnde Verständnis für die volkswirtschaftliche Bedeutung des Wettbewerbs für Entwicklungsländer stellt nach wie vor ein zentrales Problem dar.

Die fortschreitende globale Verflechtung der nationalen Volkswirtschaften erleichtert die Bildung internationaler Kartelle. Die OECD erarbeitet deshalb Grundlagen zur Förderung der grenzüberschreitenden Kooperation im Interesse einer wirksamen Verfolgung solcher Kartelle. Der Wettbewerbsausschuss bereitet zurzeit ein Dokument vor, das gemeinsame Empfehlungen für den Informationsaustausch enthalten soll. Solche Empfehlungen entfalten allerdings erst bei einer allfälligen Übernahme in die nationale Gesetzgebung oder in einen Staatsvertrag Rechtswirkung.

Schliesslich konnten die technischen Arbeiten an einer an die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten gerichteten OECD-Empfehlung über die Fusionskontrolle abgeschlossen werden. Das Dokument bildet den Rahmen für die detaillierteren und leichter anpassbaren Prinzipien des International Competition Network, dem die Wettbewerbsbehörden angehören. Trotz ihres rechtlich unverbindlichen Charakters kommt solchen Empfehlungen ein hoher Stellenwert zu, tragen sie doch zu einer gewissen Harmonisierung der Wettbewerbsbestimmungen in den OECD-Staaten bei.

3.1.4.2

OECD-Grundsätze der Corporate Governance

Die Revision der OECD-Grundsätze zur Corporate Governance konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Im Zentrum der von den Ministern verabschiedeten Prinzipien steht nach wie vor das Verhältnis zwischen den Aktionären und den Leitungsorganen des Unternehmens, da dieses Verhältnis aufgrund der Trennung zwischen 1166

Eigentum am Unternehmen und dessen Kontrolle von Interessengegensätzen geprägt sein kann.

Es handelt sich weiterhin um rechtlich nicht verbindliche Grundsätze, die sich an die Regierungen richten und die börsenkotierten Unternehmen im Fokus haben. Ihre systemische Offenheit für unterschiedliche juristische, wirtschaftliche und kulturelle Kontexte, die unterschiedliche Kombinationen von Regulierungs-Ansätzen zulässt, bleibt gewahrt. Als wichtigster Mangel der Grundsätze von 1999 war deren ungenügende Umsetzung erkannt worden. Als Folge enthalten die revidierten Grundsätze ein neues Kapitel, welches sich mit den Voraussetzungen einer erfolgreichen Umsetzung vorab durch die öffentliche Hand auseinandersetzt. Die zweite Stossrichtung der Revision galt Themen wie Überwachung der Geschäftsleitung durch den Verwaltungsrat, der Wahrnehmung der Aktionärsrechte, den Interessenkonflikten sowie der Verbesserung der Transparenz und der Berichterstattung. Hierzu wurden zahlreiche Präzisierungen und Ergänzungen sowohl auf der Ebene der Grundsätze wie in den Anmerkungen dazu vorgenommen.

Die Schweiz wird im Interesse ihrer börsenkotierten Unternehmen und ihres Finanzplatzes sowie ihrer weltweiten Investitionstätigkeit die revidierten OECD-Grundsätze mittragen und auch in Zukunft an ihrer Verbreitung und Umsetzung, auch ausserhalb der OECD, mitarbeiten.

3.1.4.3

Unlauterer Steuerwettbewerb

Nachdem die OECD die Prüfung der 47 im Jahr 2000 als potenziell schädlich eingestuften Steuerregime in OECD-Mitgliedstaaten abgeschlossen hatte, drohte Luxemburg und der Schweiz (mit drei kantonalen Steuerregimen), als einzige Länder auf die schwarze Liste gesetzt zu werden (vgl. Ziff. 4.1.4.3 des Berichts 2003). Ende Januar 2004 hat nun die Schweiz erreicht, dass kein schweizerisches Regime auf der schwarzen Liste figuriert. Die Schweiz musste allerdings Anpassungen ihrer Rundschreiben über die Dienstleistungsgesellschaften vornehmen, um diese in Einklang mit den Transferpreisrichtlinien der OECD zu bringen. Sie hat sich ferner verpflichtet, im Rahmen von bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen mit den OECDMitgliedstaaten eine Klausel über die Amtshilfe bei Holdinggesellschaften auszuhandeln. Offen blieb die Beurteilung der sog. Fifty-Fifty-Praxis, die noch nicht definitiv evaluiert wurde und Anfang 2005 im Fiskalausschuss nochmals diskutiert wird. Dabei geht es um eine administrative Vereinfachung, die es Gesellschaften, über die vorwiegend Geschäfte im Ausland abgewickelt werden, bei Vorliegen bestimmter Bedingungen erlaubt, eine pauschale Reduktion des Bruttogewinns von bis zu 50 Prozent vorzunehmen, sofern es sich um wirtschaftlich begründbare Spesen handelt.

Der OECD ist es inzwischen gelungen, die über 30 Steuerparadiese, die sich zu einem weitgehenden Informationsaustausch verpflichtet haben, durch Fristverlängerungen dazu zu bringen, vorläufig weiterhin mit der OECD zusammen zu arbeiten.

Demgegenüber lassen sich bekanntlich die Schweiz, Belgien, Österreich und Luxemburg nicht auf denselben Standard verpflichten (vgl. Ziff. 4.1.4.3 des Berichtes 2003). Dies veranlasste die OECD, im Rahmen des Global Forum im April 2004 in Berlin einen «Prozess zur Erreichung eines gemeinsamen Nenners» (Level Playing Field) zu lancieren. Dieses globale Forum ist kein eigenständiger Ausschuss der OECD, sondern ein Gremium, welches einerseits die Mitgliedstaaten der OECD auf 1167

Basis der Freiwilligkeit, und andererseits kooperationswillige Steuerparadiese sowie die an einer Zusammenarbeit mit der OECD interessierten Drittstaaten umfasst. Das Global Forum führt die Arbeiten über den Informationsaustausch in Fiskalfragen weiter, die im Ausschuss über den schädlichen Steuerwettbewerb in die Wege geleitet worden waren. Das Forum ist nicht mehr primär auf die Fiskalregime, sondern auf die internationale Zusammenarbeit ausgerichtet. Das Ziel des Global Forum besteht darin, wenn möglich bis 2006 einen gemeinsamen Nenner auf dem Gebiet des Informationsaustausches zu erreichen. Dieser hätte wahrscheinlich die Aufgabe der doppelten Strafbarkeit sowie einen unbeschränkten Zugriff auf bankund finanzrelevante Unterlagen zur Folge. In einem ersten Schritt soll bis Mitte 2005 der Ist-Zustand mit Bezug auf die in den OECD-Ländern, Steuerparadiesen und in wichtigen Finanzzentren von Drittländern geltende Gesetzgebung und die Praxis des Informationsaustausches beschrieben und verglichen werden.

Die Schweiz ist aufgrund ihres Vorbehaltes gegenüber dem Projekt «Schädliche Steuerpraktiken» durch die Beschlüsse des Global Forum nicht gebunden (vgl.

Ziff. 414.4 des Berichts 98/1+2)und hat an dessen Sitzungen bisher nicht teilgenommen. Sie ist aber weiterhin bemüht, dass die schweizerische Position und die Legitimität des Bankkundengeheimnisses auch in Zukunft richtig dargestellt werden.

Sie beabsichtigt, insbesondere die technischen Arbeiten über Transparenz und internationale Zusammenarbeit näher zu verfolgen.

3.2

Welthandelsorganisation (WTO)

Beim Treffen des WTO-Generalrates gelang es am 1. August 2004, die Beschlüsse, die anlässlich der Ministerkonferenz in Cancún im September 2003 hätten getroffen werden sollen, nachzuholen und damit die Doha-Verhandlungsrunde neu zu beleben. Die Tätigkeit der WTO ausserhalb der Verhandlungen galt schwerpunktmässig der Umsetzung der bestehenden WTO-Übereinkommen, den Beitrittsverhandlungen und Länderexamen sowie der Streitbeilegung.

3.2.1

Entscheid des WTO-Generalrates vom 1. August

Nach dem Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko) im September 2003 beschlossen die WTO-Mitglieder Anfang des Berichtsjahres, so rasch wie möglich nachzuholen, was in Cancún nicht gelungen war. Angesichts der Präsidentschaftswahlen in den USA und der Erneuerung der EU-Kommission im November befürchtete man nämlich, dass 2004 ein verlorenes Jahr für die WTO-Verhandlungen werden könnte, wenn es nicht gelingen sollte, vor der Sommerpause die notwendigen Entscheide zur Neubelebung der Runde zu fällen.

Die Tagung hatte zum Ziel, die notwendigen Impulse für die weiteren Verhandlungen zu geben und insbesondere die entsprechenden operationellen Entscheide zu treffen. Nach intensiven Verhandlungen konnten am 1. August 2004 die Beschlüsse zur Fortsetzung der Doha-Verhandlungsrunde gefasst werden. Es gelang, Rahmenvereinbarungen über die Landwirtschaft und über Industrieprodukte abzuschliessen 1168

sowie Verhandlungen über Erleichterungen im Handel (Vereinfachung von Zollformalitäten) zu lancieren. Bei den Dienstleistungen und den restlichen Verhandlungsthemen wurden Leitlinien für die Fortsetzung der Verhandlungen verabschiedet.

Schliesslich wurde entschieden, die nächste reguläre WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2005 in Hong Kong abzuhalten.

Obwohl es sich bei diesem Treffen nicht um eine eigentliche Ministerkonferenz, sondern um eine Sitzung des Generalrates der WTO handelte, nahmen angesichts der Tragweite der anstehenden Entscheide hochrangige Vertreter daran teil, unter anderem die nun aus der Kommission geschiedenen EU-Kommissare Lamy und Fischler, der Handelsbeauftragte der USA, Zoellick, die Aussen- bzw. Handelsminister Brasiliens, Indiens, Japans, Kanadas sowie Neuseelands. Die Schweiz war durch den Vorsteher des EVD vertreten.

Nach dem Scheitern der Ministerkonferenz von Cancún war dieser Erfolg aus mehreren Gründen von Bedeutung: Zum einen stellte die Tagung wichtige Weichen für die weiteren Verhandlungen in den Bereichen Landwirtschaft, Industrieprodukte und Handelserleichterungen. Zum anderen lieferte sie den Beweis dafür, dass das multilaterale Handelssystem trotz mittlerweile 148 Mitgliedern funktioniert. Schliesslich wurde damit signalisiert, dass die WTO sich gegenüber der Proliferation von regionalen Abkommen zu behaupten und den Herausforderungen der Globalisierung zu stellen vermag.

3.2.2

Landwirtschaft

Die Schweiz spielte dank ihrer Koordination der «Gruppe der zehn Nettoimportländer von Agrarerzeugnissen (G-10)» eine wichtige Rolle in den Agrarverhandlungen.

Dieser Tatsache verdanken die G-10 und die Schweiz Verbesserungen im Beschluss des Generalrats vom 1. August gegenüber früheren Texten. Der Detaillierungsgrad ist höher und es verbleiben weniger Unsicherheiten, was die künftige Richtung der Verhandlungen anbelangt.

Der Verhandlungsrahmen für die Landwirtschaft kann wie folgt zusammengefasst werden: Marktzutritt: Es ist ein substanzieller und harmonisierender Zollabbau vorgesehen, wobei die höchsten Zölle stärker reduziert werden sollen als die niedrigeren. Es ist wenig wahrscheinlich, dass das Konzept der Höchstzölle (capping) beibehalten wird. Gleichzeitig sollte es möglich sein, die Zölle für sensible Produkte weniger stark zu senken, als dies gemäss der allgemeinen Senkungsformel der Fall sein müsste. Im Gegenzug wird insbesondere eine gewisse Ausweitung der Zollkontingente verlangt. Daher wird der Marktzutritt Ländern wie der Schweiz voraussichtlich stärkere Anpassungen abverlangen. Über die Umwandlung aller Gewichtszölle auf Agrarprodukten in Wertzölle wurde nichts entschieden.

Interne Stützung: Der Beschluss sieht eine Senkung der produktgebundenen Stützung vor, wobei jene Länder umfangreichere Reduktionen vorzunehmen haben, deren Stützungsniveau am höchsten ist. Wie für den Marktzutritt ist auch hier eine substantielle und harmonisierende Senkung der produktgebundenen Stützung pro Produkt vorgesehen. Wie diese Senkung im Einzelnen aussehen wird, muss allerdings noch festgelegt werden. Für die Schweiz ergibt sich in diesem Punkt ein geringerer Anpassungsbedarf, da die verschiedenen Etappen der Agrarreform schon zu einer 1169

beträchtlichen Reduktion dieser Form von Stützung geführt haben. Die produktungebundene Stützung der Green Box zur Abgeltung multifunktionaler Leistungen (z.B. Direktzahlungen) wird nicht beschränkt.

Exportsubventionen: Vorgesehen ist die Beseitigung sämtlicher Formen von Exporthilfen (Exportsubventionen, Exportkredite mit einer Laufzeit von über 180 Tagen, bestimmte Praktiken von Staatshandelsunternehmen sowie bestimmte Arten von Nahrungsmittelhilfe). Zu erwarten ist eine Übergangsperiode von fünf bis zehn Jahren. Das Ende der Exporthilfen, welche die Schweiz für bestimmte Grunderzeugnisse (insbesondere Milchpulver) und verarbeitete Produkte («Schoggigesetz») gewährt, wird sich auf die Preise und die Marktanteile der einheimischen Landwirtschaft auswirken.

3.2.3

Industrieprodukte

Die am 1. August vom Generalrat verabschiedete Rahmenvereinbarung konkretisiert bis zu einem gewissen Grad das Doha-Mandat und umreisst die Stossrichtung zur Ausarbeitung der Verhandlungsmodalitäten.

Den zentralen Punkt bilden die Zollreduktionen mittels einer nicht-linearen Formel, wonach höhere Zollsätze stärker zu reduzieren sind als niedrige, was eine harmonisierende Wirkung zeitigt. Die Formel muss auf alle WTO-Mitglieder ­ mit Ausnahme der ärmsten ­ angewendet werden. Für Entwicklungsländer sind allerdings Ausnahmen und Sonderbehandlungen vorgesehen. Falls es den Mitgliedern gelingt, sich auf eine strikte Formel und auf eine eng beschränkte Anzahl von Ausnahmen zu einigen, kann davon ausgegangen werden, dass eine substanzielle Reduktion der Importzölle erreicht wird. Eine wichtige Errungenschaft der Rahmenvereinbarung ist zudem die Verpflichtung aller Mitglieder, sämtliche Zollsätze zu konsolidieren (die ärmsten Entwicklungsländer werden allerdings dazu nur «eingeladen»). Die Konsolidierung bedeutet, dass die Grenzzölle die in den WTO-Konzessionslisten enthaltenen Zollsätze nicht übersteigen dürfen. Dies dient der Verbesserung der Transparenz und der Rechtssicherheit. Eine der zahlreichen technischen Fragen, die es zu lösen gilt, betrifft schliesslich die Methode zur Umwandlung der Gewichtszölle in Wertzölle. Die Bindung der Zölle auf Industrieprodukten in Form von Wertzöllen am Ende der Doha-Runde ist in der Rahmenvereinbarung bereits vorgesehen.

Da die Formel nicht bei allen Mitgliedern zu einem genügenden Abbau der Zölle führen wird, sollen die Zollsätze durch Sektorinitiativen auf ein sehr tiefes Niveau gebracht bzw. ganz abgeschafft werden. Das Konzept der Sektorinitiativen wurde bereits während der Uruguay-Runde entwickelt (z.B. bei Pharmaprodukten, chemischen Erzeugnissen, wissenschaftlichen Instrumenten und medizinischen Ausrüstungen). Es wird nun darum gehen, einerseits die bestehenden Sektorinitiativen durch den Beitritt neuer Mitglieder oder den Einschluss zusätzlicher Produkte auszuweiten und andererseits neue Sektorinitiativen zu lancieren. Die Hauptschwierigkeit bildet dabei die Weigerung der Entwicklungsländer, sich an solchen Initiativen zu beteiligen. Der Formelansatz und die Sektorinitiativen stehen jedoch in einem engen Zusammenhang: Je ehrgeiziger die Formel die Zölle herabsetzt, desto weniger werden Sektorinitiativen notwendig.

1170

Die Rahmenvereinbarung sieht ferner den Abbau von nicht-tarifarischen Handelshemmnissen vor. Die entsprechenden Verhandlungen dürften produkt- oder sektorspezifisch geführt werden. Die Mitglieder haben diesbezüglich bereits eine Vielzahl von Verhandlungswünschen deponiert.

3.2.4

Dienstleistungen (GATS)

Der Entscheid des WTO-Generalrates vom 1. August gab das Signal, die Dienstleistungsverhandlungen fortzusetzen. Im Mai 2005 sollen die WTO-Mitglieder eine neue (zweite), qualitativ hochstehende Offerte über Verbesserungen beim Marktzugang und bei der Nichtdiskriminierung im Handel mit Dienstleistungen vorlegen. An diesen Verbesserungen hat die Schweiz ein wesentliches Interesse. Sie wird deshalb im Mai 2005 ebenfalls ihre zweite Offerte vorlegen, dies unter Berücksichtigung ihrer Interessenlage, besonders im Hinblick auf die Unterstützung der Dienstleistungsexporte, der Steigerung der Standortattraktivität sowie den Rechtsrahmen für den Service public.

3.2.5

Weitere Verhandlungsgebiete

Die Regelverhandlungen sind nicht sehr weit gediehen. Die Antidumping-Diskussionen finden immer noch auf Basis schriftlicher Eingaben auf sehr technischem Niveau statt und beschränken sich auf eine Auslegeordnung der zu verbessernden Abkommensteile. In den Verhandlungen über Regionalabkommen hat sich bisher keine konkrete Stossrichtung über mögliche Verbesserungsschritte herauskristallisiert.

Die Schweiz zählt mit der EU und Norwegen zu den klarsten Befürwortern von Umweltanliegen in der WTO. Das für die Schweiz zentrale Anliegen in den DohaVerhandlungen ist die Klärung des Verhältnisses zwischen den WTO-Regeln und jenen von Umweltabkommen. Weitere Prioritäten sind der schrittweise Abbau von tarifarischen und nichttarifarischen Handelshemmnissen bei Umweltgütern sowie Fragen im Zusammenhang mit Umwelt-Labels. In den laufenden Diskussionen zeichnet sich ein möglicher Weg ab, wie die Verhandlung weitergehen könnte. Die Delegationen sind jedenfalls bestrebt, bis zur nächsten Ministerkonferenz in Hong Kong zumindest mit einem bescheidenen Ergebnis aufzuwarten. Dieses dürfte am ehesten in einer bevorzugten Behandlung der Umweltgüter bestehen.

3.2.6

Handel und Entwicklung

Die Arbeiten im Bereich Handel und Entwicklung waren vor allem auf die Vorbereitung des Entscheids vom 1. August ausgerichtet. Brasilien und Indien als Vertreter der G-20 (einer Gruppe von Entwicklungsländern, die zusammen mehr als 50 % der Weltbevölkerung ausmachen) bereiteten gemeinsam mit den USA, der EU und Australien (als Vertreter der Cairns-Gruppe) das Agrar-Rahmenabkommen massgeblich vor. Auch die in der G-90 vereinigten wirtschaftlich schwachen Entwicklungsländer waren aktiv an der Ausarbeitung des Entscheids beteiligt. Damit konnten Entwicklungsaspekte eine prominente Rolle einnehmen.

1171

Als wichtige, in den weiteren Verhandlungen speziell zu berücksichtigende Themen wurden im August-Entscheid u.a. die Nahrungsmittelsicherheit und die Lage der ländlichen Bevölkerung angesichts der Marktöffnung aufgeführt, ferner die Zollpräferenz-Erosion sowie die Rohstofffrage. Hier werden Möglichkeiten diskutiert, um die Abhängigkeit vieler Entwicklungsländer von sehr volatilen Märkten mit langfristig tendenziell sinkenden Preisen zu mindern. Die Schweiz reichte hierzu Verfahrensvorschläge ein.

Die westafrikanischen Länder, welche kurz vor der Ministerkonferenz von Cancún die Baumwollinitiative eingereicht hatten (vgl. Ziff. 4.2.7 des Berichts 2003), erhielten das Zugeständnis, eine neue Verhandlungsgruppe zu gründen, die sich speziell mit Fragen der Subventionierung und des Marktzugangs für Baumwolle befassen soll. Was die Unterstützung dieser Staaten für eine bessere Vertretung ihrer Interessen in den WTO-Gremien betrifft, wird diese durch mehrere europäische Geberländer einschliesslich der Schweiz weitergeführt.

Bei den beiden Doha-Themen «Vorzugsbehandlung von Entwicklungsländern» (Special and Differential Treatment) und «Umsetzung von WTO-Abkommen» sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Die im August-Entscheid neu gesetzten Fristen zur Lösung der offenen Fragen bis Mitte 2005 dürften angesichts der grundsätzlichen Divergenzen unter den WTO-Mitgliedern schwierig einzuhalten sein. Auf der Suche nach neuen Wegen hat die Schweiz eine in Genf angesiedelte NGO beauftragt, die Frage des Special and Differential Treatment in der WTO mittels eines Dialogprozesses mit ausgewählten Delegationen, aber auch mit Drittparteien, neu auszuloten und damit vielleicht die Basis für einen späteren Kompromiss zu legen.

Diese Fragen wurden auch im Rahmen des Handelsauschusses der OECD (vgl.

Ziff. 3.1.2.4) diskutiert.

Der von der Schweiz favorisierte Weg, in der Vorzugsbehandlung der Entwicklungsländer eine objektive, detaillierte Differenzierung dieser Länder nach ihrem Entwicklungsstand vorzunehmen, scheint nach wie vor bei vielen Entwicklungsländern politisch nicht akzeptabel zu sein. So wurden bereits Ansätze zu einer Differenzierung der Zollreduktionen von Agrar- und Industriegütern nach der Leistungsfähigkeit der betroffenen Wirtschaftsbranchen wieder aus den ersten Entwürfen des August-Entscheids gestrichen.

3.2.7

Streitbeilegungsfälle

Während des Berichtsjahres wurden knapp 20 neue Anträge um Aufnahme von Konsultationen im Rahmen des WTO-Streitbeilegungsverfahrens gestellt. Wie in den Vorjahren konnte die überwiegende Zahl der Streitfälle ohne Einberufung einer Sondergruppe (Panel) in gegenseitigem Einvernehmen beigelegt werden. Die Schweiz war 2004 in kein Verfahren involviert und hat sich auch in keinem Fall als Drittpartei beteiligt.

Panels und das Berufungsorgan (Appellate Body) waren im Berichtsjahr aufgerufen, in einigen politisch höchst umstrittenen Bereichen WTO-Recht auszulegen. Sie haben mit ihren Entscheiden wichtige Wegmarken gesetzt, welche zum Teil auch die laufenden Verhandlungen beeinflussen werden. Die folgenden Streitfälle verdienen besondere Erwähnung: Zunächst einmal zwei Fälle, welche die Subventionierung der einheimischen Baumwollproduktion durch die Vereinigten Staaten sowie 1172

die Subventionierung von Zucker in der EU betreffen. Beide Fälle wurden unter dem Abkommen über die Landwirtschaft (SR 0.632.20, Anhang 1A.3) behandelt. In beiden Fällen obsiegte die klägerische Partei, Brasilien (im zweiten Fall zusammen mit Thailand und Australien), vor den Panels und erreichte, dass die Vereinigten Staaten und die EU ihre Subventionsregime in diesen Bereichen reformieren und substanziell einschränken müssen. In beiden Fällen haben die unterlegenen Parteien jedoch angekündigt, die Entscheide an die Appellationsinstanz weiterzuziehen, deren Urteile im Frühjahr 2005 erwartet werden.

In einem weiteren Streitfall setzte sich ein Panel erstmals mit dem Telekommunikationsrecht unter dem GATS auseinander. Das Panel hiess eine Klage der Vereinigten Staaten gestützt auf die Verpflichtungsliste Mexikos und den Anhang über Telekommunikationsdienstleistungen des GATS (SR 0.632.20, Anhang I.B) gut, wonach die mexikanische Gesetzgebung es den in den USA niedergelassenen Telekommunikationsanbietern verunmöglicht, Verbindungen für ihr grenzüberschreitendes Geschäft zu ­ im Verhältnis zu den Kosten ­ angemessenen Preisen und Bedingungen zu erhalten. Gegen diesen Entscheid wurde nicht appelliert.

In einem viel beachteten Fall stand das Allgemeine Präferenzsystem für Entwicklungsländer zur Debatte; danach sind die WTO-Mitglieder befugt, Entwicklungsländern einseitig Zollpräferenzen zu gewähren (SR 0.632.21, Teil IV). Indien hatte die EG eingeklagt, weil sie gewisse Entwicklungsländer, die dem Drogenanbau und -handel entgegenwirkten, bei der Gewährung von Zollpräferenzen bevorzugte. Die Appellationsinstanz entschied, dass das WTO-Regelwerk zwar eine gewisse Differenzierung zwischen Entwicklungsländern bei der Gewährung von Zollpräferenzen zulasse, dass die EG aber bei der Auswahl der wegen Drogenbekämpfung begünstigten Länder nicht nach objektiven und transparenten Kriterien vorgegangen sei.

Die EG wird ihr System der Handelspräferenzen für Entwicklungsländer entsprechend anpassen müssen.

Im März 2004 hat die EG als Nachtrag zum gewonnenen Streitfall über Beihilfen für Exportunternehmen (diese können über Foreign Sales Corporations steuerbegünstigt Ausfuhrgeschäfte abwickeln), von denen in erster Linie grosse amerikanische Exportfirmen profitierten, Handelssanktionen im Umfang von rund 315
Millionen US-Dollar gegen die USA erlassen. Die EG war von der WTO zur Verhängung von Strafzöllen ermächtigt worden, da die Vereinigten Staaten das für sie negative Urteil der Appellationsinstanz nicht fristgerecht umgesetzt hatten. Die EG hat die Aufhebung der Strafzölle per Ende 2004 angekündigt, nachdem die Vereinigten Staaten die Gesetzgebung in der Zwischenzeit geändert hatten.

In einem weiteren Fall wurden die obsiegenden Parteien, nämlich die EG, Brasilien, Chile, Indien, Japan, Kanada, Mexiko und Südkorea, ermächtigt, gegen die Vereinigten Staaten Strafzölle zu erheben. Der Fall drehte sich um den Continued Dumping and Subsidy Offset Act (CDSOA, auch Byrd Amendment genannt). Das Gesetz sieht vor, dass Strafzahlungen, die ausländischen Unternehmen aufgrund von Dumping auferlegt wurden, an die benachteiligten Konkurrenten transferiert werden. Das Berufungsorgan erklärte dieses Gesetz 2002 als nicht regelkonform, da es eine illegale Subvention an amerikanische Unternehmen darstelle. Die USA sind seither nicht bereit, das Gesetz aufzuheben oder zu ändern.

1173

3.2.8

Öffentliches Beschaffungswesen

Seit dem 1. Januar 1996 ist das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen in Kraft (SR 0.632.231.422). Es unterstellt Bund und Kantone sowie öffentliche Unternehmen der Wasser-, Verkehrs- und Elektrizitätsversorgung den WTO-Regeln über die Ausschreibung und die Vergabe von Aufträgen, sofern diese vom Volumen her gewisse Schwellenwerte überschreiten. Zurzeit wird das WTOÜbereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen revidiert.

Das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68) erweitert den Geltungsbereich des WTO-Beschaffungsabkommens auf die Sektoren Telekommunikation, Schienenverkehr und übrige Energieversorgung sowie auf Gemeinden und konzessionierte private Unternehmen, die aufgrund eines besonderen oder ausschliesslichen Rechts in den genannten Bereichen tätig sind.

Das Abkommen mit der EU sieht die Möglichkeit vor, Beschaffungen in Sektoren, in denen nachweislich Wettbewerb herrscht, von den Bestimmungen des Vertrages auszunehmen, da in diesem Fall gewährleistet ist, dass sie nach wirtschaftlichen Kriterien erfolgen. Aus diesem Grund haben die Schweiz und die EU Verfahren eingeleitet, um den Ausschluss des Telekommunikationssektors vom Abkommen formell zu finalisieren (vgl. Ziff. 2.1.1.2). Das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen wurde an die Erweiterung der EU angepasst.

3.2.9

Beitrittsverfahren

Mit den Beitritten Kambodschas und Nepals anlässlich der Ministerkonferenz in Cancún zählt die WTO nunmehr 148 Mitglieder. Beitrittsverhandlungen werden zurzeit mit 25 Ländern geführt (darunter mit Algerien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Kasachstan, dem Libanon, Russland, Saudi-Arabien, Serbien und Montenegro, Ukraine, Vietnam und Weissrussland). Russland hat den bilateralen Teil der Beitrittsverhandlungen mit der EU und China abgeschlossen, während eine bilaterale Einigung mit Handelspartnern wie den USA, Kanada, Japan und der Schweiz noch ausstehen. Vanuatu hat seinen Beitritt noch nicht ratifiziert.

3.2.10

Überprüfung der Schweizer Handelspolitik

Die WTO hat zum vierten Mal nach 1991, 1996 und 2000 die Handelspolitik der Schweiz überprüft und einen Bericht veröffentlicht, der auch Liechtenstein einschliesst, da die Mitglieder von Zoll- oder Währungsunionen gemeinsam behandelt werden. Nach der Überprüfung werden an das betreffende Land jeweils Empfehlungen gerichtet, die allerdings nicht verpflichtend sind ­ im Unterschied zu anderen WTO-Instrumenten, die dem Schiedsgericht der WTO unterbreitet werden können.

Solche Prüfungen beabsichtigen vielmehr, die Handelspolitik des jeweiligen Landes anhand eines offenen und kritischen Dialogs zwischen den Mitgliedern zu durchleuchten, was einen positiven Beitrag zur Stärkung des multilateralen Systems leistet. Aufgrund der Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse ergibt sich für das untersuchte Land ein gewisser politischer Druck, die anstehenden Reformen einzuleiten.

1174

Bei der Überprüfung der Handelspolitik der Schweiz im Jahre 2004 wurde u.a. die Notwendigkeit hervorgehoben, Strukturreformen zu beschleunigen, um das Schweizer Wirtschaftswachstum zu verstärken. Des Weiteren wurde empfohlen, die Kohärenz zwischen den multilateralen Verpflichtungen und den Beziehungen mit der EU zu verbessern sowie den Zusammenhang zwischen der Schweizer Landwirtschaftspolitik mit ihren Besonderheiten und dem Handel deutlicher aufzuzeigen. Weitere Empfehlungspunkte betrafen tarifarische und nicht-tarifarische Aspekte, die Harmonisierung der technischen Regelungen und Normen (insbesondere mit jenen der EU), die Dienstleistungen, das geistige Eigentum sowie das öffentliche Beschaffungswesen.

3.3

Vereinte Nationen (UNO)

3.3.1

UNCTAD

Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wurde 1964 gegründet und hat zum Ziel, die Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft zu integrieren. Sie ist innerhalb des UNO-Systems die wichtigste Institution für die integrierte Behandlung von Handels-, Investitions- und Technologiefragen. Die Schweiz ist Gründungsmitglied der UNCTAD. Die UNCTAD zählt 192 Mitgliedstaaten.

Im Zentrum der elften UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD XI) vom 13. bis zum 18. Juni in São Paulo stand die Verbesserung der Kohärenz zwischen der wirtschaftlichen Globalisierung und den Bedürfnissen der Dritten Welt.

Mit dem «Konsens von São Paulo» wurde ein politisches Dokument verabschiedet, das den vier Jahre zuvor an der UNCTAD X in Bangkok lancierten Aktionsplan ergänzt. Für die kommenden vier Jahre werden der UNCTAD werden darin für die kommenden vier Jahre Leitlinien vorgegeben für entwicklungsstrategische Analysen, für die Stärkung der Produktionskapazitäten der KMU in der Dritten Welt und für die Begleitung von Verhandlungen im multilateralen Handelssystem. Die UNCTAD wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass das Welthandelssystem die Interessen der Entwicklungsländer gebührend berücksichtigt und ein von allen Mitgliedern getragenes Regelwerk entstehen kann. Als wichtigstes Ergebnis von São Paulo ist die Neulancierung des Konzepts für einen verstärkten «Süd-Süd-Handel», namentlich durch eine Reform des Zollpräferenzensystems unter Entwicklungsländern, zu erwähnen.

Die Schweiz setzte sich an der Konferenz dafür ein, dass sich die UNCTAD auf ihre Kernkompetenzen konzentriert und dabei im Rahmen des internationalen Handels die Umwelt- und Sozialfragen stärker berücksichtigt. Sie nutzte die Gelegenheit, die wichtigsten der gemeinsam mit der UNCTAD geführten Projekte in der technischen Entwicklungszusammenarbeit vorzustellen und dabei aufzuzeigen, wie die an der Konferenz diskutierten Themen umgesetzt werden können.

Im Berichtsjahr hat die Schweiz im Handelsbereich zwei neue UNCTAD-Initiativen unterstützt: zum einen ein regionales Programm zur Stärkung der Institutionen in den Bereichen Wettbewerbspolitik und Konsumentenschutz in fünf Staaten Latein1175

amerikas, zum anderen die Ausdehnung der erfolgreichen Biotrade-Initiative, welche Produkte fördert, deren nachhaltige Bewirtschaftung zur biologischen Vielfalt beiträgt. Ferner unterstützt die Schweiz die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern.

Der seit 1995 amtierende Generalsekretär Rubens Ricupero (Brasilien) gab in São Paulo, wo gleichzeitig das Jubiläum zum 40jährigen Bestehen der UNCTAD begangen wurde, seinen Rücktritt zum Herbst 2004 bekannt. Der nächste UNCTADGeneralsekretär soll turnusgemäss aus Asien stammen.

3.3.2

UNIDO

Die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) wurde 1966 gegründet und hat ihren Sitz in Wien. Ihr Ziel ist die Förderung der nachhaltigen industriellen Entwicklung in Entwicklungs- und Transitionsländern. Ferner gehört die UNIDO zu den Umsetzungsorganisationen für das Montrealprotokoll zum Schutz der Ozonschicht und für die Globale Umweltfazilität. Die Schweiz ist seit Beginn Mitglied der UNIDO und hat einen Sitz im Steuerungsausschuss, dem Industrial Development Board.

Das Industrial Development Board (IDB) verabschiedete im Berichtsjahr Massnahmen zur Steigerung der Effizienz der Organisation. Die UNIDO ihrerseits unterbreitete Vorschläge, welche die Koordination der mit der wirtschaftlichen Entwicklung beauftragten UN-Institutionen verbessern sollen; auch wird eine engere Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) angestrebt.

Ferner soll neben der Entwicklung von gemeinsamen Programmen künftig auch UNIDO-Personal innerhalb der UNDP-Vertretungsbüros eingesetzt und damit die Präsenz vor Ort erhöht werden.

Die Schweiz hat mit der UNIDO eine Partnerschaft zur Förderung von umwelteffizienten und sozial nachhaltigen Produktionsweisen durch die Errichtung von Umwelttechnologiezentren (Cleaner Production Centers, CPC) aufgebaut. Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durch die Einführung von ressourcenschonenden Produktionsweisen und durch die Einhaltung von Sozialnormen zu erhöhen. Die KMU aus den Partnerländern werden damit befähigt, als Zulieferbetriebe Teil von internationalen Handelsketten zu werden. Die Schweiz hat mittlerweile zehn solche Zentren aufgebaut; insgesamt umfasst dieses UNIDO-Programm 36 Umwelttechnologiezentren und bildet ein weltweites Netzwerk. In Zukunft sollen die Förderung des Umwelttechnologietransfers und die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor vermehrt im Zentrum stehen. Mit Schweizer Importeuren konnten erste Kontakte geknüpft werden, um lokale KMU mit der CPC-Beratung als Zulieferfirmen zu qualifizieren. Neben den CPC unterstützt die Schweiz Projekte, welche KMU in den Partnerländern den Zutritt zu den Märkten der Industrieländer erleichtern.

1176

3.3.3

Folgeprozess von Rio und Johannesburg

An der 1992 in Rio de Janeiro abgehaltenen UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung wurden der Aktionsplan von Rio («Agenda 21») verabschiedet und die Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) ins Leben gerufen. Auch das Übereinkommen über die biologische Vielfalt sowie die Deklaration zu den Prinzipien einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung gehen auf diese Konferenz zurück. Anlässlich des Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung vom September 2002 in Johannesburg hat sich die internationale Gemeinschaft zu Massnahmen für eine stärkere Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet.

Auf multilateraler Ebene ist die CSD für den Folgeprozess von Rio und Johannesburg zuständig. Die 12. Sitzung vom April bildete den Auftakt für ein mehrjähriges, nach thematischen Schwerpunkten gegliedertes Arbeitsprogramm. Als erster Schwerpunkt wurden die Themen Wasser, Siedlungshygiene und Siedlungswesen bestimmt. Experten von 190 Staaten sowie Nichtregierungsvertreter haben eine Bestandesaufnahme in Bezug auf die Erreichung der von der internationalen Gemeinschaft gesetzten Ziele vorgenommen. Aufbauend auf dieser Evaluation sollen 2005 spezifische Politikempfehlungen ausgearbeitet werden.

Russland hat das Kyoto-Protokoll (BBl 2002 6438) im Oktober ratifiziert und damit die Voraussetzungen für dessen Inkrafttreten am 16. Februar 2005 geschaffen. Das Protokoll verpflichtet die Industriestaaten zur konkreten Reduktion ihrer Treibhausgas-Emissionen. Im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 soll erreicht werden, dass der Ausstoss von Treibhausgasen in den Industriestaaten gegenüber 1990 um 5,2 Prozent geringer sein soll. Anlässlich der zehnten Vertragsparteienkonferenz des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (SR 0.814.01; Klimakonvention) vom Dezember in Buenos Aires wurde eine Weiterentwicklung des Protokolls über 2012 hinaus erstmals thematisiert.

Nachdem das Biosicherheitsprotokoll der Biodiversitätskonvention (Protokoll von Cartagena, SR 0.451.431) im Herbst 2003 in Kraft getreten ist, trafen sich im Frühjahr 87 Vertragsstaaten zu einer ersten Konferenz. Das Protokoll regelt insbesondere den grenzüberschreitenden Transport von gentechnisch-veränderten Organismen.

Die Konferenz wurde genutzt, um wichtige Fragen in den Bereichen Informationsaustausch, Verpackung und Kennzeichnung
anzugehen. In der Schweiz wird die Verordnung über den grenzüberschreitenden Verkehr mit gentechnisch veränderten Organismen (AS 2004 4801) am 1. Januar 2005 in Kraft treten.

Gemäss dem bundesrätlichen Auftrag vom Dezember 2003 ist die Funktionsweise des «Interdepartementalen Ausschusses Rio (IDARio)» überprüft und angepasst worden. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) übernimmt permanent den Vorsitz des neu als Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE) bezeichneten Koordinationsorgans. BAG, BUWAL, DEZA und seco übernehmen jährlich abwechselnd die Vize-Präsidentschaft.

Im Rahmen des Schweizer Pilotprogramms zu Joint-Implementation wurde das Monitoring für zwei Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen in Rumänien weitergeführt.

Zudem wurde für Sanierungsmassnahmen in einem Fernwärmenetz in Bukarest ein Joint-Implementation-Projektabkommen ausgehandelt.

1177

3.3.4

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) ist eine Sonderorganisation der UNO mit Sitz in Genf. In ihren Gremien sind ausser den Regierungen der Mitgliedstaaten stets die Sozialpartner (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen) vertreten. Zu den Aufgaben der IAO zählt in erster Linie die weltweite Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen durch die Ausarbeitung internationaler Arbeitsnormen und die Überwachung ihrer Einhaltung. Die Bemühungen um eine weltweite Anwendung der grundlegenden Arbeitsnormen gehört zu den IAO-Haupttätigkeiten für menschenwürdige Arbeit.

In einer globalisierten Wirtschaft ist die Stärkung der sozialen Dimension von grosser Bedeutung. Wirtschaftliche Entwicklung und sozialer Fortschritt müssen weltweit besser miteinander in Einklang gebracht werden. In der Verfolgung ihrer Aufgaben kommt der IAO auch die zentrale Funktion zu, den Frieden durch soziale Gerechtigkeit weltweit zu fördern.

Für die Arbeit der IAO und ihre zentrale Aufgabenstellung sind die Schlussfolgerungen und Zielsetzungen der grossen UNO-Konferenzen richtungweisend. Die Förderung der sozialen Dimension der wirtschaftlichen Globalisierung stellt auch für die Schweiz eine wichtige Aufgabe dar, die sich in die Folgearbeiten zum Weltsozialgipfel von Kopenhagen sowie zum Millenniumsgipfel einreiht. So hat die Schweiz mit grossem Interesse vom Bericht «Eine faire Globalisierung ­ Chancen für alle schaffen» Kenntnis genommen. Diesen Bericht veröffentlichte die von der IAO eingesetzte «Weltkommission zur sozialen Dimension der Globalisierung» im Februar 2004. Er zeigt Mittel und Wege auf, wie der Globalisierungsprozess stärker genutzt werden kann, um Armut und Arbeitslosigkeit zu vermindern sowie Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die Schweiz unterstützt eine nähere Prüfung bezüglich der Umsetzung folgender Empfehlungen: (1) die schrittweise Entwicklung integrierter grundsatzpolitischer Vorschläge, namentlich im Rahmen der einschlägigen UN-Gremien, der Weltbank, des IWF, der WTO und der IAO, die Wirtschafts-, Sozial- und Umweltbelange behandeln, (2) die Organisation eines politischen Forums zur Globalisierungspolitik und (3) die Publikation regelmässiger Berichte über den Stand der Globalisierung durch die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen. Die soziale Dimension
der Globalisierung stellt auch eine Priorität der Schweiz im Rahmen der 59. UNO-Generalversammlung dar.

Die Umsetzung des IAO-Aktionsplans zur Abschaffung der Zwangsarbeit in Myanmar (ehemals Burma) wird durch die anhaltend schwierige politische Situation ­ Hausarrest von Daw Hung San Suu Kyi, Generalsekretärin der National League for Democracy (NLD) sowie zahlreicher NLD-Mitglieder ­ behindert. Der Aktionsplan, der vom Verbindungsoffizier der IAO in Rangun mit der Zustimmung der burmesischen Behörden ausgearbeitet worden war, sieht u.a. die Einsetzung eines Mediators vor, der die Aufgabe hat, Beschwerden über Zwangsarbeit entgegenzunehmen.

Zudem wird das Verhältnis zwischen Myanmar und der IAO durch fortbestehende Unklarheiten in Bezug auf Verurteilungen burmesischer Staatsbürger zu mehrjährigen Gefängnisstrafen wegen Kontakten mit der IAO getrübt. Die vom Bundesrat im Oktober 2000 gegen Myanmar verhängten Sanktionen wurden mit Wirkung vom 1178

16. Oktober 2003 verschärft; die Ausnahmemöglichkeiten vom Einreiseverbot in die Schweiz im Hinblick auf einen politischen Dialog über Myanmar wurden indessen aufrecht erhalten (Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Myanmar; SR 946.208.2; AS 2003 3755).

Auf bilateraler Ebene ging das im Juni 2003 geographisch und qualitativ erweiterte IAO-Projekt zur technischen Zusammenarbeit mit dem südlichen Afrika zur Stärkung des sozialen Dialogs und des Arbeitsfriedens in eine weitere Umsetzungsphase. So wurden vom Frühling 2004 an KMU im Textil- und Bekleidungssektor der Region KwaZulu-Natal (Südafrika) in Fragen der Einhaltung fundamentaler Sozialnormen beraten und geschult. Das im Rahmen des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg unterzeichnete Zusammenarbeitsabkommen der Schweiz mit der IAO, der UNIDO und dem United Nations Environment Program (UNEP) wird gegenwärtig in Lateinamerika, Vietnam und Indien in Zusammenarbeit mit der IAO umgesetzt. Mit diesem Projekt werden Produktionszentren finanziert, welche die Einhaltung von sozialen und Umweltnormen fördern. Die Einhaltung dieser Normen soll in den genannten Ländern den Unternehmen die Beteiligung an den globalen Produktionsketten erleichtern und ihre Wettbewerbschancen auf dem Weltmarkt erhöhen. Das 2001 begonnene Projekt zur Entwicklung der Humanressourcen und der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in zwei chinesischen Wirtschaftsförderungszonen läuft Ende 2004 aus. Über eine neue Projektzusammenarbeit mit der IAO in China werden gegenwärtig Gespräche geführt. Die Schweiz leistet durch diese technischen Zusammenarbeitsprojekte auch einen Beitrag zur raschen und konkreten Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele und zur Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen im Rahmen der im Global Compact des Generalsekretärs der Vereinten Nationen festgelegten Prinzipien.

3.4

Sektorale multilaterale Zusammenarbeit im Energiebereich

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) ist eine selbständige Institution innerhalb der OECD und zählt 26 Staaten als Mitglieder. Ihre Hauptziele sind die Sicherstellung der Energieversorgung mit Erdöl sowie die Bekämpfung von Versorgungskrisen. Im Laufe ihres dreissigjährigen Bestehens wurde die Thematik der Versorgungssicherheit im Erdölbereich im Sinne einer Diversifizierung der Energieträger und der Förderung höherer Energieeffizienz erweitert. Der am 16. April 1998 in Kraft getretene Energiecharta-Vertrag bildet den rechtlichen Rahmen zu einer langfristigen gesamteuropäischen und euroasiatischen Zusammenarbeit im Energiesektor.

Die Internationale Energie-Agentur feierte im April auf Einladung der Türkei in Istanbul ihr 30-jähriges Bestehen. Der türkische Energieminister wies in seiner Willkommensrede insbesondere auf die wichtige geopolitische Lage seines Landes im Öl- und Gastransit hin. Die Delegationen der Mitgliedsländer werden in den kommenden Jahren mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert werden, so mit der Versorgungssicherheit in liberalisierten Energiemärkten, den politischen Rahmenbedingungen zur Garantie der kurz- und langfristig notwendigen Investitionen 1179

im Energiebereich, der Globalisierung der Energieindustrie und der wachsenden Rolle von Nichtmitgliedstaaten der IEA, mit dem bedrohlich werdenden Klimawandel durch den zunehmenden Verbrauch fossiler Energieträger sowie mit der Entwicklung, Förderung und dem Einsatz neuer Technologien.

Die steigenden Erdölpreise haben zu keinem Versorgungsengpass geführt. Die IEA führt die hohen Preise auf die andauernde politische Instabilität im Nahen Osten und in anderen erdölreichen Regionen, auf die steigende Nachfrage in China und Indien, auf rückgängige Reservemargen sowohl bei der Produktion als auch vereinzelt im Raffineriesektor sowie auf Spekulationsgewinne zurück.

Die periodische Evaluation der Energiecharta (SR 0.730.0) hatte die strategische Ausrichtung in den nächsten fünf Jahren zum Gegenstand. Dabei stehen zwei Ziele im Vordergrund: Erstens müssen die Investitionen im Energiesektor durch Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für ausländische Investoren gefördert werden, damit die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet werden kann. Aufgrund der rasant steigenden Nachfrage nach Energie im eurasiatischen Raum wird der diesbezügliche Investitionsbedarf für die nächsten 20 Jahre auf mehrere tausend Milliarden Dollar geschätzt. Zweitens gilt es, der steigenden Umweltbeeinträchtigung durch den Energiesektor der Transitionsländer mittels Steigerung der Energieeffizienz entgegenzuwirken. Die Energieeffizienz dieser Länder soll schrittweise das Niveau der OECD-Staaten erreichen. Auf Grund der Prioritäten in den Bereichen Investitionen und Umwelt dürften andere Aktivitäten und Aufgaben der Energiecharta (z.B. in den Bereichen Transit und Handel) in den nächsten Jahren tendenziell zurückgestellt werden.

4

Internationales Finanzsystem Im Kontext eines starken globalen Wirtschaftswachstums verlief die Entwicklung auf den internationalen Kapitalmärkten wie schon im Vorjahr insgesamt ruhig.

Dies widerspiegelte sich auch in der Neukreditzusage des Internationalen Währungsfonds (IWF), welche sich gegenüber dem Vorjahr halbierte. Trotzdem sind noch immer rund 70 Prozent der ausstehenden Ressourcen des IWF in drei Ländern gebunden. Während in den beiden grössten Programmländern Brasilien und der Türkei die Entwicklung mit Blick auf einen möglichst raschen Ausstieg aus der Abhängigkeit von IWF-Krediten eher positiv bewertet werden darf, gibt Argentinien weiterhin zu Sorgen Anlass.

Ein Schwerpunkt der IWF-Diskussionen war die Definition der Rolle des IWF in den ärmeren Ländern. Ferner bestätigte die Überprüfung der Überwachungstätigkeit des IWF die grossen Fortschritte bei der Verfeinerung des Instrumentariums für die Krisenprävention, zeigte aber gleichzeitig die Notwendigkeit einer Konsolidierung dieser Instrumente auf, um ihre Wirksamkeit weiter zu erhöhen.

Mit dem Ziel, Risiken für die Finanzsysteme zu verringern, die Solvenz der Finanzintermediäre zu stärken und Missbräuche zu verhindern, haben schliesslich die internationalen Aufsichtsgremien sektorspezifische Standards weiterentwickelt sowie neue Grundsätze und Richtlinien erarbeitet.

1180

4.1

Internationaler Währungsfonds

4.1.1

Lage der Weltwirtschaft

Der breit abgestützte weltwirtschaftliche Aufschwung wird sich gemäss IWF fortsetzen. Für das Jahr 2005 erwartet er ein anhaltend starkes globales Wirtschaftswachstum von 4,3 Prozent, nachdem das Weltwirtschaftswachstum 2004 mit rund 4,9 Prozent den höchsten Wert seit knapp drei Jahrzehnten erreicht hat. Getrieben wird der Aufschwung weiterhin von der Wirtschaftsdynamik in den USA, unterstützt durch die Entwicklung in China und Japan. Die aufstrebenden Volkswirtschaften tragen zunehmend zum Weltwachstum bei. Risiken, die diesen Aufschwung kurzfristig dämpfen könnten, sind der hohe Ölpreis, anhaltende makroökonomische Ungleichgewichte zwischen den bedeutenden Industrieländern sowie geopolitische Ungewissheiten. In längerfristiger Hinsicht mahnt der IWF, dass sich die nationalen Institutionen insbesondere in Industrieländern noch sehr viel stärker auf den anstehenden demographischen Wandel einstellen müssen.

Die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tragen zu einer momentanen Entschärfung der Situation in den drei grössten Schuldnerländern des IWF ­ Argentinien, Brasilien, der Türkei ­ bei. Durch die zügige Implementierung notwendiger Reformen konnten die beiden letzteren die Aussicht auf eine langfristig nachhaltige Verminderung der Schuldenlast verbessern. Im Gegensatz zu Argentinien, das seine fundamentalen Probleme weiterhin nur in ungenügender Weise angeht, eröffnet sich somit Brasilien und der Türkei die Möglichkeit des raschen Ausstiegs aus der Abhängigkeit von IWF-Programmen.

4.1.2

Wichtige Geschäfte im IWF

Die wichtigste Tätigkeit des IWF aus Sicht der Schweiz ist die wirtschaftspolitische Überwachung, weil stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Finanzsektorpolitiken der einzelnen Länder das beste Mittel zur Verhinderung von Krisen darstellen. An der Jahrestagung von IWF und Weltbank war sich der internationale Finanz- und Währungsausschuss (IMFC) einig, dass in diesem Bereich in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte erzielt worden sind, was auch die jährlich zweimal stattfindende Überwachungsprüfung bestätigte. Diese hat ferner festgehalten, dass die etablierten Instrumente der Überwachung sorgfältig konsolidiert und noch besser auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten abgestimmt werden müssen.

Wenig fortgeschritten ist nach wie vor die Diskussion darüber, wie die wirtschaftspolitische Überwachung des IWF ärmeren Ländern und Schwellenländern helfen kann, den Märkten, den offiziellen Gläubigern und den Gebern klare Signale über die Güte ihrer Wirtschaftspolitik zu senden. Im Moment geschieht dies entweder über eine reine Überwachungsbeziehung oder ein formales IWF-Kreditprogramm mit Finanzierung. Weitverbreitet ist die Ansicht, dass zwischen diesen beiden Formen der Beziehung zum IWF eine Lücke klafft. Diese Lücke soll nun mit dem vorgeschlagenen Politikmonitoring-Abkommen (Policy Monitoring Arrangement, PMA), einem IWF-Programm ohne finanzielle Verpflichtungen, geschlossen werden. Fraglich ist, ob es wirklich Länder gibt, die ein PMA in der vorgeschlagenen Form in Anspruch nehmen würden. Die Schweiz begrüsst deshalb, dass der IWF weiter untersucht, in welcher Form er das gewünschte Gütesiegel geben könnte.

1181

Nach der Abschaffung der vorsorglichen Kreditlinie (Contingent Credit Line) 2003 bleibt die Frage umstritten, ob vorsorgliche Kreditvereinbarungen mit ausserordentlichem Zugang zu IWF-Mitteln zur Unterstützung eines wirtschaftlichen Reformprogramms möglich sein sollen. Die Schweiz stellt sich nicht grundsätzlich gegen vorsorgliche Abkommen, sie wendet sich jedoch entschlossen gegen die Verwendung erheblicher Ressourcen für präventive Massnahmen, weil sich diese voraussichtlich negativ auf die finanzielle Situation des IWF auswirken würden, ohne einen Mehrwert zu bieten.

Auch wenn der IWF keine Entwicklungsbank ist, hat die Frage der Armutsbekämpfung in dieser globalen Organisation doch eine zentrale Bedeutung. In Bezug auf die Rolle des IWF in den ärmeren Ländern begrüsst die Schweiz die klare Ausrichtung der Instrumente des IWF auf die Unterstützung der makroökonomischen Stabilisierung und die Schaffung von Fundamenten für nachhaltiges Wachstum. Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um sog. innovative Mechanismen zur Entwicklungshilfefinanzierung ist die Schweiz bereit, solche Mechanismen zu prüfen.

Die Vorschläge für eine Besteuerung von Devisentransaktionen und für die Schaffung einer sog. International Finance Facility (IFF) lehnt sie jedoch aus ökonomischen Gründen und Machbarkeitserwägungen ab.

Argentinien hatte vor seiner tiefen Krise 2001 bereits seit Jahren unter der Aufsicht von IWF-Programmen gestanden: Aus diesem Grund durchleuchtete die unabhängige Evaluationsinstanz des IWF (Independent Evaluation Office, IEO) in einem Bericht die Instrumente und Organisationsabläufe des IWF im Fall Argentinien 1991­2001. Der Bericht stellt fest, dass das Instrumentarium des IWF zwar grundsätzlich zweckmässig sei, im Fall Argentiniens aber die Anwendung der Instrumente und die Umsetzung vorgesehener Verfahren mangelhaft gewesen wären. Der Bericht hob die Wichtigkeit der Einhaltung der IWF-Grundsätze hervor; dies bestätigt der Schweiz die Richtigkeit ihrer Grundhaltung im Exekutivrat.

Die Fortschritte bei der Verbesserung des Krisenlösungsinstrumentariums waren 2004 leider äusserst bescheiden. Begrüssenswert ist die seit 2003 anhaltende rasche Verbreitung von Kollektivklauseln (CACs)15 in Anleihensverträgen bei Schuldemissionen fast aller bedeutender aufstrebender Länder. In Bezug auf die
Schaffung eines Rahmens für die ordentliche Lösung von Schuldenkrisen gab es jedoch keine Fortschritte. Gleichzeitig macht der Fall Argentinien immer deutlicher, wie schädlich das Fehlen eines derartigen Rahmens für alle Beteiligten sein kann.

4.1.3

Finanzielle Verpflichtungen der Schweiz gegenüber dem IWF

Der IWF funktioniert ähnlich wie eine Kreditgenossenschaft. Die Mitgliedstaaten stellen im Verhältnis zu ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Beiträge zur Verfügung (sog. Länderquoten) und erwerben im Gegenzug das Anrecht, bei Zahlungsbilanzproblemen unter Auflagen Finanzmittel zu erhalten. Die genutzten Beiträge werden mit einem Abschlag verzinst, während auf die vom IWF bezogenen Kredite

15

Diese Klauseln erlauben einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger, die Zahlungsbedingungen in einem Schuldvertrag zu ändern, wodurch im Bedarfsfall eine Umschuldung erleichtert wird.

1182

bei normalem Zugang zu IWF-Ressourcen ein Zinsaufschlag erhoben wird. Seine Tätigkeiten finanziert der IWF aus der resultierenden Zinsdifferenz.

Die gesamte Quotensumme im IWF betrug per Ende August 2004 umgerechnet rund 393 Milliarden Franken. Der Anteil der Schweiz an der Quotensumme entspricht ihrem Stimmrechtsanteil von 1,63 Prozent (rund 6,4 Mrd. Fr.). Von der Schweizer Einlage nahm der IWF per Ende August rund 2,34 Milliarden in Anspruch, also rund 37 Prozent der gesamten Schweizer Quote. Dieser Betrag wird in Sonderziehungsrechten (SZR ­ Korbwährung des IWF) einbezahlt und verzinst. Den Beitrag der Schweiz an das Kapital des IWF leistet die Schweizerische Nationalbank (SNB), basierend auf einer Garantie des Bundes.

Die rückzahlbaren Beiträge der Schweiz an den IWF sind in der ersten untenstehenden Tabelle (Kreditverpflichtungen der Schweiz gegenüber dem IWF per Ende August 2004) aufgelistet. Nebst den ordentlichen Mitteln kann der IWF für den Fall aussergewöhnlicher Krisensituationen zusätzliche Gelder über die Allgemeinen Kreditvereinbarungen (AKV) und die Neuen Kreditvereinbarungen (NKV) aufnehmen. An diesen Kreditvereinbarungen beteiligt sich die SNB mit umgerechnet 1,87 Milliarden respektive 983 Millionen Franken. Zudem hat sich die SNB gegenüber dem IWF verpflichtet, bis zu einer vereinbarten Höchstlimite von 400 Millionen SZR (740 Mio. Fr.) die Korbwährung des IWF in Devisen zu tauschen.

Für die aktive Beteiligung des IWF an der Reduktion der weltweiten Armut wurde eine Reihe von Spezialfonds beim IWF eingerichtet, die auch die Schweiz unterstützt. Sie beteiligte sich 1995 mit einem Darlehen der SNB von umgerechnet rund 281 Millionen Franken an der Armutsbekämpfungs- und Wachstumsfazilität (PRGF) und 2001 am Kapitalkonto des PRGF-HIPC-Treuhandfonds (InterimsPRGF) mit umgerechnet rund 462 Millionen Franken. Der Bund garantiert der SNB die Rückzahlung und Verzinsung dieser Darlehen.

Tabelle 4.1 Kreditverpflichtungen der Schweiz gegenüber dem IWF per Ende August 2004 Beansprucht

Noch beanspruchbar

Total beanspruchbar

in Mio. Fr., gerundet

Reserveposition beim IWF AKV und NKV Internationale Zahlungsmittel Armutsverringerungs- und Wachstums-fazilität (PRGF, inkl.

PRGF-HIPC)

2339 ­ 13 357

4058 2849 727 386

6 397 2 849 740 743

Total Kreditbeiträge

2709

8020

10 729

Quelle: SNB

Nebst diesen Darlehen hat die Schweiz in den letzten Jahren folgende à fonds perduZahlungen an die Zinsverbilligung der PRGF und die Entschuldungsinitiative zugunsten hochverschuldeter armer Länder (HIPC) geleistet.

1183

Tabelle 4.2 Zahlungen an PRGF- und PRGF-HIPC-Fonds (in Fr.)

Auszahlungsjahr

PRGF

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

7 492 979 7 436 328 8 260 880 8 505 378 8 288 904 8 204 403 8 514 518 8 170 791 7 782 392 7 575 114

Total

80 231 687

PRGF-HIPC

­ ­ ­ ­ ­

Total

7 000 000 7 179 016 6 456 703 6 046 720 5 859 360

7 492 979 7 436 328 8 260 880 8 505 378 8 288 904 15 204 403 15 693 534 14 627 494 13 829 112 13 434 474

32 541 799

112 773 486

Da sich der PRGF-Treuhandfonds ab 2005 selbst finanzieren wird, endete die Zahlungsverpflichtung der Schweiz mit der diesjährigen Zahlung. Die PRGF-HIPCZahlungen zu je 3,2 Millionen SZR erfolgen insgesamt während zehn Jahren (bis 2009). Schliesslich hat sich die Schweiz 2002 durch eine einmalige «à fonds perdu»Zahlung von einer Million US-Dollar an einem IWF-Zinsverbilligungsfonds für von Konflikten heimgesuchte Länder beteiligt.

4.1.4

Internationale Währungszusammenarbeit und die Schweiz

Per 1. Oktober 2004 sind das Währungshilfegesetz (SR 941.13) und der Währungshilfebeschluss (BBl 2004 4981) in Kraft getreten. Damit verfügt die Schweiz über eine klare gesetzliche Grundlage für die Finanzierungsverpflichtungen, welche sie im Rahmen der internationalen Währungszusammenarbeit eingeht. Die entsprechende Botschaft wurde im Mai 2003 verabschiedet (BBl 2003 4775).

Die einzige zurzeit ausstehende Währungshilfe betrifft einen 2000 vereinbarten Kredit an Bulgarien in Höhe von umgerechnet rund 22 Millionen Franken mit einer Laufzeit bis 2007.

4.2

Die Zehnergruppe (G10)

Zentrales Traktandum der Tagung der G10-Minister und -Zentralbankgouverneure war die Diskussion des Berichts über die Finanzposition des IWF. Anlass für diesen Bericht gab das längerfristige Klumpenrisiko, das sich vom Jahr 2000 an rasch aufgebaut hatte: Mehr als 70 Prozent der ausstehenden regulären Ressourcen des IWF sind per Ende 2004 in Argentinien, Brasilien und der Türkei gebunden. Auf Initiative der vier kleinen G10-Länder (Belgien, Niederlande, Schweden und 1184

Schweiz) wurde eine G10-Arbeitsgruppe damit beauftragt, die Finanzposition des IWF zu analysieren, potenzielle Risiken zu identifizieren und allfällige Massnahmen zu empfehlen. Der Bericht wurde an der Jahrestagung von Ministern und Gouverneuren verabschiedet. Diese kamen zum Schluss, dass die Finanzrisiken des IWF im Prinzip handhabbar sind, ihre Entwicklung vom IWF aber genau beobachtet werden muss. Die G10 soll von Zeit zu Zeit auf die Frage zurückkommen. Anliegen der Schweiz ist es, dass die Finanzrisiken aufmerksam verfolgt werden. Gleichzeitig muss der IWF sich klar an seine Regeln und Prinzipien halten, damit er nicht nur finanziell gesund, sondern auch glaubwürdig und berechenbar bleibt.

4.3

Internationale Aufsichtsgremien

4.3.1

Basler Ausschuss für Bankenaufsicht

Im Mittelpunkt der Tätigkeit des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht stand weiterhin die bereits 1999 begonnene Revision seiner Eigenkapitalvereinbarung aus dem Jahre 1988 (Basel I). Mit der Publikation der nunmehr revidierten Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) im Juni 2004 hat dieses grosse Reformprojekt den wichtigsten Meilenstein erreicht; als abgeschlossen kann es jedoch noch nicht gelten.

Weiterhin finden im Kontext von Basel II internationale Sitzungen von Basler Arbeitsgruppen statt, um Mindeststandards für jene Aspekte zu erarbeiten, die in der Juni-Publikation zum Teil bewusst offen gelassen wurden oder unklar geregelt sind.

Dies betrifft insbesondere die im Handelsbuch geführten Transaktionen. Die diesbezüglich federführende Arbeitsgruppe setzt sich aus Vertretern sowohl des Basler Ausschusses als auch der Internationalen Organisation der Effektenhandelsaufseher (IOSCO) zusammen. Ungeachtet der noch in Finalisierung befindlichen Teilbereiche kann das verabschiedete Regelwerk aber wie folgt charakterisiert werden: Im Vergleich zu Basel I zeichnet sich Basel II durch eine differenziertere Regulierung in Form von mehreren zur Wahl stehenden Verfahren zur Bestimmung der Mindestkapitalanforderungen für Kreditrisiken und neu auch für operationelle Risiken aus.

Je nach Verfahren geht damit bisweilen auch ein wesentlich höherer Detaillierungsgrad einher. Neben den Mindestkapitalanforderungen (Säule 1) umfasst Basel II im Vergleich zu Basel I neu auch explizit das individualisierte Aufsichtsverfahren (Säule 2) und die Marktdisziplin durch Offenlegungspflichten (Säule 3).

Neben «Basel II» standen grundlegende Fragen im Zusammenhang mit internationalen Rechnungslegungsvorschriften im Mittelpunkt. Eine wichtige Fragestellung war, inwieweit das aus internationalen Rechnungslegungsvorschriften resultierende Eigenkapital als Basis für die Bestimmung des regulatorischen Eigenkapitals gemäss Bankenregulierung dienen kann.

4.3.2

Internationale Organisation der Effektenhandelsaufseher (IOSCO)

Das 2002 verabschiedete Verständigungsprotokoll über die Zusammenarbeit und den weltweiten Informationsaustausch zwischen Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO Multilateral Memorandum of Understanding, IOSCO MoU) können nur jene IOSCO-Mitglieder unterzeichnen, die sämtliche im MoU gestellten Anforderungen erfüllen. Der Implementierungsprozess des Memorandums soll zudem jene 1185

Mitglieder, welche die Anforderungen noch nicht erfüllen, dazu bringen, ihre jeweiligen nationalen Rechtsgrundlagen anzugleichen. In diesem Sinne besteht die Möglichkeit, eine Zusage abzugeben, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die bestehenden gesetzlichen und regulatorischen Lücken zu schliessen. Nach Abschluss eines speziellen Prüfverfahrens wurde die Schweiz in den Anhang B des MoU aufgenommen, weil sie die Einleitung der erforderlichen Gesetzesanpassungen überzeugend belegen konnte. Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) unterzog sich dem Prüfverfahren im Bewusstsein, dass die mit Blick auf das MoU bestehenden Lücken keinen Anspruch erlauben, das MoU als Vollmitglied zu unterzeichnen. Es war ihr aber wichtig zu wissen, wie die IOSCO die Schweizer Vorschriften beurteilt, um in voller Kenntnis der Sachlage die erforderlichen Änderungen der gesetzlichen Bestimmungen über die internationale Amtshilfe vorzuschlagen.

Das Technical Committee (TC) der Organisation setzte im Februar 2004 eine spezielle Chairmen's Task Force ein für die Organisation und Koordination der Antwort der IOSCO auf die jüngsten skandalösen Vorkommnisse von betrügerischem Markmissbrauch. Neben einer Darstellung der Vorkommnisse im Umfeld des Parmalat-Falls werden die im Lichte der verschiedenen Skandale der jüngeren Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse weiter vertieft mit dem Ziel, Empfehlungen für eine strengere Umsetzung bestehender oder für die Erarbeitung neuer Regulierungsgrundsätze zu erlassen. Eine weitere Task Force des TC erarbeitete den Entwurf eines Verhaltenskodexes für Rating-Agenturen. Nach Abschluss eines Vernehmlassungsverfahrens (u.a. bei Rating-Agenturen und dem Basler Ausschuss) erfolgte eine öffentliche Konsultation bei interessierten Dritten. Der vorgeschlagene Kodex beinhaltet im Wesentlichen Vorgaben in Bezug auf die Qualität und Integrität des Rating-Prozesses, auf die gebotene Unabhängigkeit der Agenturen, auf die Vermeidung von Interessenkonflikten sowie auf den Umgang mit vertraulichen Informationen.

4.3.3

Joint Forum

Das Joint Forum ist ein zu gleichen Teilen aus Vertretern der Banken-, Effektenhandels- und Versicherungsaufsicht zusammengesetztes Gremium, in dem für die Schweiz die EBK Einsitz nimmt. Das Forum befasst sich mit Aspekten der Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten und auf technischer Ebene mit Fragen aus allen drei Aufsichtsbereichen. Im Oktober veröffentlichte das Joint Forum einen Bericht zum Transfer von Kreditrisiken in den jeweiligen Sektoren und über die Sektorgrenzen hinweg. Der Bericht enthält Beispiele und Vorschläge an Aufsichtsbehörden hinsichtlich des Umgangs mit dem Kreditrisikotransfer und kommt zum Schluss, dass aus der Aktivität gegenwärtig keine systemischen Risiken erwachsen.

4.3.4

Internationaler Verband der Versicherungsaufsichtsbehörden (IAIS)

Weltweit sind im IAIS mehr als 100 Versicherungsaufsichtsorgane und rund 60 Beobachter aus der Privatwirtschaft zusammengeschlossen. Im Jahr 2004 hat die IAIS bei ihren Mitgliedern ein neues Rahmenwerk für die Versicherungsaufsicht in die Vernehmlassung gegeben, das die zahlreichen bestehenden Standards verbinden 1186

und für die Vorbereitung neuer Standards richtungweisend sein soll. Im Zentrum des angestrebten Systems steht die Solvabilität der Versicherer. Das Rahmenwerk umreisst alle mit dem Versicherungswesen verbundenen Risiken. Es ist auch mit den Risikoüberwachungssystemen kompatibel, welche der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden bei ihrer Arbeit anwenden. Die IAIS hat zudem weitere technische Standards, Grundsätze und Richtlinien verabschiedet.

Vor dem Hintergrund der Befürchtungen über mögliche globale Risiken bei der Rückversicherung hat die IAIS ein Kontrollsystem geschaffen, mit dem eine globale Statistik des Rückversicherungswesens erstellt werden kann. Die Schweizer Rückversicherer sowie das Bundesamt für Privatversicherungen haben diese Bemühungen aktiv unterstützt.

4.3.5

Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Financial Action Task Force on Money Laundering, FATF)

Die im Juni 2003 verabschiedeten revidierten 40 Empfehlungen der FATF bilden die internationalen Standards für die Bekämpfung der Geldwäscherei. Sie werden durch die im Oktober 2001 beschlossenen acht Spezialempfehlungen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ergänzt, welche im Oktober durch eine zusätzliche Empfehlung erweitert wurden. Diese neue Massnahme zielt auf Geldkuriere (cash couriers) ab. Sie ruft die Staaten auf, grenzüberschreitende Bewegungen von Bargeld oder Inhaberpapieren, die der Geldwäscherei oder der Terrorismusfinanzierung dienen, aufzudecken und zu blockieren.

Die Schweizer Gesetzgebung ist weitgehend kompatibel mit diesen revidierten Empfehlungen der FATF. Einige Anpassungen werden jedoch notwendig sein.

Die FATF hat in Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank eine gemeinsame Methode entwickelt, um die weltweite Umsetzung ihrer Standards auf einheitliche Weise zu überprüfen. Sie dient künftig als gemeinsame Leitlinie für Länderprüfungen durch die FATF, FATF-ähnliche regionale Gremien, den IWF und die Weltbank. Das Netz der FATF-ähnlichen regionalen Gremien wurde im Berichtsjahr weiter verstärkt. Neu besteht ein solches für eurasische Länder unter dem Präsidium Russlands. Die FATF-ähnlichen regionalen Gremien überprüfen ihre Mitglieder ebenfalls nach der neuen Evaluationsmethode. Die 33 FATF-Mitgliedsländer haben das Mandat der FATF um weitere acht Jahre verlängert.

1187

5

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit Zentrales Anliegen der wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen zugunsten der Entwicklungs- und Transitionsländer ist die Bekämpfung der Armut. Zur Erreichung dieses Zieles werden nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Marktwirtschaft gefördert sowie die Integration der Partnerstaaten in die regionale Wirtschaft und die Weltwirtschaft unterstützt. Zu den Prioritäten zählen die Förderung der guten Regierungsführung, die Mobilisierung von privaten Mitteln und eine starke Stellung der Schweiz in den multilateralen Entwicklungsbanken.

Die «Strategie 2006» der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ist in die internationale Entwicklungs-Agenda eingebettet. Die realisierten Massnahmen stellen für die Partnerländer einen wichtigen Beitrag dar, die durch die Globalisierung entstehenden Chancen zu nutzen und die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Die Schweizer Unterstützung auf bilateraler und multilateraler Ebene leistet nicht nur einen Beitrag zur internationalen Stabilität und Sicherheit, sondern ermöglicht so auch Kontakt- und Geschäftsmöglichkeiten für Schweizer Firmen; längerfristig wird dadurch die Heranbildung von neuen Wirtschafts- und Handelspartnern gefördert.

5.1

Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Entwicklungs- und Transitionsländern

2004 hat sich die Schweiz im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit mit 166 Millionen Franken in ausgewählten Entwicklungsländern und mit 96 Millionen Franken in Transitionsländern engagiert, welche sich zu wirtschaftlichen Reformen verpflichten und die Marktkräfte in den Dienst der Verminderung der Armut stellen. Die Massnahmen des für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständigen Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) ergänzen und verstärken die Instrumente der technischen Zusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) im EDA.

Angesichts der Grösse der Herausforderungen und der beschränkten internationalen Entwicklungshilfebudgets ist es umso nötiger, dass private Geldflüsse und vor allem Handel und Investitionen zusätzliche Beiträge zur Förderung der Entwicklung leisten. Den bewährten Instrumenten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit kommt dabei eine wichtige Katalysator- und Multiplikatorrolle zu. Neben der internationalen Koordination, der geographischen Konzentration und dem politischen Dialog mit den Partnerländern ist die Wirksamkeit der Hilfe zentral.

1188

5.1.1

Entwicklungsländer

In verschiedenen Entwicklungsländern, insbesondere in den Schwellenländern, hat sich die Dynamik der Globalisierung positiv auf das Wirtschaftswachstum und die Reduktion der Armut ausgewirkt. Der Grossteil der Entwicklungsländer sieht sich aber nach wie vor grossen Herausforderungen gegenüber. Über 1,2 Milliarden Menschen leben weiterhin unter der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag.

Zur Verminderung der Armut setzt die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit insbesondere auf die Förderung der Marktwirtschaft und auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in den Partnerländern. Zentral ist zudem die bessere Integration dieser Staaten in die regionale Wirtschaft und die Weltwirtschaft. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit trägt dazu bei, Investitionen und Handel zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, das günstige Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum bietet. Sie soll auch eine bessere Verteilung des BIP-Zuwachses ermöglichen.

Kriterien für die Auswahl der Partnerländer der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit sind der Grad der Armut, die Qualität der Regierungsführung sowie die Bereitschaft zu tiefgreifenden Wirtschafts- und Strukturreformen. Hinzu kommen das wirtschaftliche Interesse der Schweiz und die politische Bedeutung des künftigen Partnerlandes. Die Anzahl der Schwerpunktländer im Süden wurde in den letzten Jahren kontinuierlich auf heute 15 reduziert. Parallel zu der erhöhten Länderkonzentration werden weiterhin regionale und multinationale Initiativen unterstützt, insbesondere im Bereich der Handels- und Investitionsförderung.

Im Berichtsjahr hat die Schweiz der internationalen Koordination, der Mobilisierung von Mitteln des Privatsektors und einer grösseren Wirksamkeit der Hilfe ein besonderes Augenmerk gewidmet. Dabei kommt auch der Harmonisierung der Praktiken der einzelnen Geberländer eine wesentliche Rolle zu. In dieser Hinsicht hat die Schweiz insbesondere im Bereich der Budgethilfe Pionierarbeit geleistet: 2004 wurden Budgethilfen an Burkina Faso (8 Mio. Fr.), Ghana (9 Mio. Fr.), Mosambik (10 Mio. Fr.), Nicaragua (9 Mio. Fr.) und Tansania (6 Mio. Fr.) gewährt. Um die Hebelwirkung dieser Beiträge zur Finanzierung der wirtschaftlichen Reformprogramme gemäss den nationalen Armutsbekämpfungsstrategien zu erhöhen, erfolgt die Unterstützung
jeweils im Verbund mit anderen Geberstaaten, aber auch in zunehmend engerer Abstimmung mit den Programmen der Weltbank und des Währungsfonds.

Auch im Finanzsektor trägt die Schweiz dazu bei, die in der Vergangenheit oft isoliert vorgenommenen Unterstützungsmassnahmen einzelner Geberländer stärker zu bündeln. Der 2002 zusammen mit der Weltbank, dem IWF, Grossbritannien, Holland, Kanada und Schweden errichtete Fonds FIRST (Financial Reform and Strengthening Initiative) konnte im Berichtsjahr Dutzende von wichtigen Projekten über die ganze Palette von Finanzsektormassnahmen (z.B. Aufbau eines modernen Zahlungssystems, Bekämpfung der Geldwäscherei) realisieren. Das Programm hat die Erwartungen erfüllt, den Partnerländern rasch und unbürokratisch Zugang zu Expertise und Ausbildungsprogrammen im Finanzsektor zu verschaffen.

Im Handelsbereich standen die Umsetzung des WTO-Doha-Arbeitsprogrammes, die Erleichterung des Marktzugangs für Produkte aus den ärmsten Entwicklungsländern und die Förderung von Nischenprodukten im Zentrum. Eines der wichtigsten Instrumente zur Integration der ärmsten Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft ist 1189

das Integrated Framework Program. Es wird von der Weltbank, der WTO, UNDP, IWF, UNCTAD, ITC und weiteren Gebern unterstützt und zielt darauf ab, kohärente Länderstrategien für den Handel und die Armutsreduktion auszuarbeiten. Auch hier hat die Schweiz im Berichtsjahr die Koordination der Geberländer wahrgenommen.

Dabei ist mit der Umsetzung der in zehn Ländern erstellten Analysen begonnen worden. Im Rahmen der Stärkung der Entwicklungsländer in ihrer Verhandlungsposition bei der WTO wurde gemeinsam mit anderen europäischen Gebern ein Projekt zugunsten von vier afrikanischen Baumwollproduzenten (Benin, Burkina Faso, Mali, Tschad) unterstützt. Damit konnte eine erstmalige Einbindung dieser Staaten ins multilaterale Handelssystem erreicht werden.

Beim Handel mit nachhaltig bewirtschafteten Rohstoffen nahm die Schweiz auch aktiv an verschiedenen Programmen teil, die den illegalen Holzschlag und -handel eindämmen sollen sowie an den Neuverhandlungen des Internationalen Tropenholzabkommens. Auf nationaler Ebene ermöglichte die Vermittlung des seco ein freiwilliges Abkommen des Verbandes Schweizerischer Türenhersteller mit dem WWF und Greenpeace, das auf die Beschaffung von Tropenholz aus nachhaltiger Produktion abzielt.

Auch im Bereich der Investitionsförderung werden im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit Partnerschaften zwischen Schweizer Unternehmen und Unternehmen aus Entwicklungsländern gefördert, insbesondere über die Swiss Organisation for Facilitating Investments (SOFI). Hauptsächlich sind die Aktivitäten jedoch auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und die Förderung der KMU in den Partnerländern ausgerichtet. Dazu hat die Schweiz beispielsweise ihre Unterstützung für das von der Weltbank und der OECD gemeinsam lancierte Global Corporate Governance Forum erneuert. Das Engagement im Bereich der Finanzierung für KMU konnte mit der offiziellen Lancierung des ASEAN China Investment Funds durch den Bundespräsidenten in Bangkok unterstrichen werden. Mit einer Beteiligung von sechs Millionen Franken am Fonds EuroMéditerranéen d'Investissement und einer Kapitalerhöhung bei einem Equity Fund in Ghana wurden die Beteiligungen an bewährten Risikokapitalfonds für KMU weiter vertieft. Um die künftige Strategie für die Finanzierung von Unternehmen in Entwicklungsländern
umzusetzen, will das seco die Betreuung seines Portfolios optimieren. Wie in der Botschaft zum 6. Rahmenkredit vom November 2002 (BBl 2003 191) angekündigt, wurden dazu im Berichtsjahr die Vorarbeiten für die Schaffung des Swissfund vorangetrieben. Die Erfahrungen und Lehren aus dem Scheitern der Swiss Development Finance Corporation (SDFC) wurden bei der Ausarbeitung dieser Lösung, die sich an den Modellen anderer OECD-Staaten orientiert, voll berücksichtigt.

Auch der Einsatz der Mischfinanzierungen wurde während der letzten Jahre konzentriert und noch stärker auf die entwicklungspolitische Zielsetzung ausgerichtet.

Das Instrument ist auf kommerziell nicht tragfähige Projekte vor allem in den Bereichen Gesundheit und Umwelt beschränkt, für welche sich eine konzessionelle Finanzierung rechtfertigt. Wichtige und neu ausgerichtete Linien bestehen mit Vietnam, China, Ägypten, Jordanien und Tunesien. Bezüglich der drei letztgenannten Länder kommt den Mischfinanzierungslinien eine spezielle aussenwirtschaftliche Bedeutung zu, da sie Teil eines Programms zur Begleitung des Abschlusses von Freihandelsabkommen sind.

1190

Neben den Mischfinanzierungen kommen bei Infrastrukturfinanzierungen auch nicht-rückzahlbare Finanzierungszuschüsse zum Einsatz. Mit ihnen sollen vor allem in ärmeren Entwicklungsländern öffentlich-private Partnerschaften gefördert werden. In El Alto in Bolivien wird das Netz des privat betriebenen Wasserwerkes mit Beiträgen der Schweiz auf ärmere Quartiere ausgeweitet. Mit Blick auf einen noch stärkeren Einbezug des Privatsektors in Infrastrukturprojekte hat das seco gemeinsam mit Swiss Re und der DEZA die Ausarbeitung einer Richtlinie für öffentlichprivate Partnerschaften im Bereich der Wasserversorgung lanciert. Das Ziel ist, damit auch international ein Referenzpapier für die Umsetzung solcher Projekte zu schaffen.

5.1.2

Osteuropa und die GUS

Die Zusammenarbeit mit Osteuropa und der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) konzentriert sich weiterhin auf die Staaten Südosteuropas sowie die Länder Zentralasiens. Diese Länder weisen nach wie vor einen grossen Unterstützungsbedarf auf. Sie bilden zudem noch immer gewisse Unruhe- und Konfliktherde; daher kommt ihrer Unterstützung auch aus sicherheits- und migrationspolitischen Gründen grosse Bedeutung zu. Serbien und Montenegro, Aserbaidschan und die Länder Zentralasiens sind zudem Mitglieder der Schweizer Stimmrechtsgruppen bei den Bretton-Woods-Instititionen sowie ­ mit Ausnahme von Tadschikistan ­ auch bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Über die letzten Jahre fragten die Partnerländer neben der Infrastrukturfinanzierung vermehrt auch die Instrumente der Investitions- und Handelsförderung nach. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, widerspiegelt er doch die grosse Bedeutung, welche der Förderung des Privatsektors für den Erfolg der Transition zukommt.

Die nach zehn Jahren Ostzusammenarbeit 2004 durchgeführte externe Evaluation, die neben den wirtschaftlichen Massnahmen des seco auch die technische Zusammenarbeit der DEZA umfasste, stellt der Ostzusammenarbeit grundsätzlich gute Noten aus und bestätigt die Zielrichtung der Unterstützung. Die Empfehlungen aus dieser Untersuchung wie auch aus den einzelnen Projektevaluationen werden nun in den Programmen umgesetzt.

Das umfang- und bedeutungsmässig wichtigste Instrument der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS ist die Infrastrukturfinanzierung. Mit der Sanierung und Modernisierung der elementaren Infrastruktur werden die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessert und zugleich die Voraussetzungen für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum geschaffen. Die Unterstützung konzentriert sich auf die Sektoren Energie (Elektrizität und Fernwärme), Wasser (Trinkwasseraufbereitung und Abwasserreinigung) sowie öffentlicher Transport. Daneben werden auch ausgewählte Projekte im Katasterwesen umgesetzt. Die Unterstützung ist in einen politischen Dialog eingebettet und wird von Massnahmen zur Verbesserung der institutionellen Strukturen begleitet. Zunehmende Bedeutung gewinnen Projekte, für die eine Beteiligung des Privatsektors angestrebt wird. Wichtige neue Programme sind die Unterstützung der
Elektrizitätsverteilung in Kirgisistan, welche mit umfassenden sektorellen Reformen einhergeht, sowie die Verbesserung der Trinkwasserversorgung von Khoushand in Tadschikistan. In Südosteuropa ist die Finanzierung einer Elektrizitäts-Dispatch-Zentrale in Belgrad zu erwähnen ­ eine wesentliche Voraussetzung für den angestrebten Anschluss der Region ans europäi1191

sche Transmissionsnetz (UCT) und die Schaffung eines funktionierenden Elektrizitätsmarktes. In Bulgarien unterstützt die Schweiz die Erstellung von Verbrennungsanlagen für infektiösen Spitalabfall und in Kosovo die Erschliessung und Aufbereitung von Trinkwasser. Im Bereich der Infrastrukturfinanzierung werden grundsätzlich Schweizer Produkte (schweizerischer Wertschöpfungsanteil von 50 %, der in der Praxis oft überschritten wird) eingesetzt, womit die Schweizer Industrie unmittelbar beteiligt ist.

Im Bereich der makroökonomischen Unterstützung wurde im Berichtsjahr das umfassende Programm zur Verbesserung der Schuldenverwaltung in Aserbaidschan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan fortgesetzt. In all diesen Ländern liegt das Schwergewicht auf der externen Schuld. Einerseits soll dadurch eine fiskalpolitische Stabilität gewährleistet werden; andererseits dient diese Unterstützung dem Aufbau nationaler Kapitalmärkte. Fortgeführt wurden die Projekte zum Aufbau einer verbesserten Geldpolitik in Aserbaidschan. Daneben wurden Analysen zur Unterstützung des Finanzsektors in Aserbaidschan und Bulgarien durchgeführt; mit diesen Ländern soll die Kooperation in diesem Sektor nach Möglichkeit intensiviert werden.

Bei den Investitionen setzte die Schweiz ihre Unterstützung für das im Rahmen des Stabilitätspaktes lancierte Programm zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Förderung ausländischer Investitionen in Südosteuropa, den sogenannten Investment Compact, fort. Das Programm wurde im Berichtsjahr evaluiert. Die Resultate waren sehr positiv und bestätigten den bedeutenden Einfluss des Investment Compact auf das Investitionsklima und die Erhöhung der ausländischen Investitionen in Südosteuropa. Weitergeführt wurde ebenfalls die Unterstützung des Foreign Investment Advisory Service (FIAS), ein Programm der Weltbank, das Regierungen bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für Investitionen berät.

In der Ukraine und in Russland lancierte die Schweiz in Zusammenarbeit mit der International Finance Corporation ein Programm zur Verbesserung der Corporate Governance im Bankensektor. Das Programm umfasst die Beratung ausgewählter Banken, Ausbildungskurse für Verwaltungsräte und Manager von Finanzinstituten sowie die Stärkung von Verbänden und Aufsichtsbehörden. In Aserbaidschan konnte ebenfalls ein
Projekt zur Verbesserung der Corporate Governance lanciert werden.

Mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) wurde ein Programm zur Reform der Gesetzgebung im Bereich Sicherheiten im Geschäftsverkehr und Gläubigerrechte in Südosteuropa und den GUS-Ländern initiiert. Bei den Finanzierungen für KMU wurde das Engagement mit einer Beteiligung am South Balkan Fund weiter ausgebaut. Die bestehenden Kreditlinien für KMU in Zentralasien schliesslich erfreuen sich einer regen Nachfrage.

Der finanzielle Umfang der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Osteuropa und den Staaten der GUS war im Berichtsjahr mit 96 Millionen Franken gleich hoch wie 2003. Das Budget für 2005 wird im Rahmen des Entlastungsprogramms um 12,2 Prozent zurückgehen. Verschiedene erfolgreiche Projekte, für welche ursprünglich eine zweite Phase vorgesehen war, werden voraussichtlich nicht oder nur redimensioniert weitergeführt werden können. Da die Projekte der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit typischerweise lange Realisierungszeiten haben (oft fünf bis sechs Jahre, insbesondere im Infrastrukturbereich), bestehen bereits zahlreiche Verpflichtungen für die nächsten Jahre. Dies engt den Spielraum für neue Projekte zusätzlich ein. Offen ist zudem noch, in welchem Umfang im Rahmen des

1192

Beitrags an die Kohäsion der EU Kompensationen erfolgen, die zu Lasten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS gehen.

5.2

Multilaterale Finanzierungsinstitutionen

Im Berichtsjahr standen die Wiederauffüllungsverhandlungen der Internationalen Entwicklungsagentur (IDA), des Asiatischen Entwicklungsfonds (AsDF) sowie des Afrikanischen Entwicklungsfonds (AfDF) im Vordergrund. Der auf den Millenniums-Entwicklungszielen beruhende wachsende Finanzbedarf der multilateralen Organisationen sowie die damit verbundenen internationalen Vorschläge zur Einführung neuer Finanzierungsmechanismen wie etwa globaler Steuern verlangt eine klare Positionierung der Schweiz.

2004 wurden die Strategie der Schweiz für die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit sowie Leitlinien für die Zusammenarbeit mit den einzelnen multilateralen Entwicklungsbanken verabschiedet. Die Zusammenarbeit mit den multilateralen Finanzinstitutionen wurde sowohl auf operationeller wie auch strategischer Ebene intensiviert16.

5.2.1

Weltbankgruppe

Das Berichtsjahr stand im Zeichen der Überwachung der Fortschritte hinsichtlich der Ergebnisse des Konsenses von Monterrey. Weitere wichtige Geschäfte der Weltbankgruppe betrafen die Entschuldung und die nachhaltige Finanzierung der ärmsten Entwicklungsländer, die 14. Wiederauffüllung der IDA, die Erörterung der Rolle der Weltbank in den Rohstoffsektoren sowie die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Schwellen- und Entwicklungsländern.

16

Eine Aufstellung des finanziellen Engagements der Schweiz in den multilateralen Entwicklungsbanken befindet sich in der Beilage, Ziff. 8.1.2.

1193

5.2.1.1

Überwachung des Fortschritts unter dem Konsens von Monterrey

Mit dem Global Monitoring Report 2004 der Weltbank und des IWF ist ein erster Bericht zur Überwachung der Fortschritte unter dem in Monterrey erzielten Konsens17 veröffentlicht worden. Der Bericht zeigt, dass in jenen Ländern, die eine solide Leistung in der Wirtschaftspolitik aufweisen und die den Grundsätzen der guten Regierungsführung folgen, Entwicklungshilfe wirksamer ist und einen wichtigen Beitrag zur Armutsreduktion leistet. Aus dem Bericht geht aber auch klar hervor, dass noch viel zu tun bleibt. Insbesondere müssen die Handels- und Entwicklungspolitik kohärenter ausgestaltet, die Entwicklungshilfe rascher erhöht und besser koordiniert und die Eigenverantwortung der Empfängerländer verstärkt werden.

Die Schweiz begrüsste die Bemühungen der Weltbank, die Fortschritte der Ergebnisse im Rahmen des Konsenses von Monterrey zu messen. Sie verlangte, dass die Entwicklungsländer aufzeigen, dass sie in der Lage sind, mehr Entwicklungshilfe auch besser zu nutzen. Ebenso wies sie auf die Notwendigkeit hin, die Resultate des genannten Berichts einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um die politische Unterstützung für den darin identifizierten Handlungsbedarf zu gewinnen.

5.2.1.2

Entschuldung und adäquate Aussenfinanzierung der ärmsten Länder

Die Schweiz war eine treibende Kraft bei der Lancierung der globalen Entschuldungsinitiative für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Initiative) im Jahre 1996.

Seither hat das EVD 140 Millionen Franken für die Finanzierung der HIPCInitiative bereitgestellt. 2004 wurde die Verlängerung der Initiative bis Ende 2006 beschlossen. Die Schweiz unterstützte diesen Vorschlag. Er ermöglicht es auch Ländern der Schweizer Stimmrechtsgruppe (Kirgisische Republik, Tadschikistan), von einem Schuldenerlass zu profitieren.

Während die HIPC-Initiative die Entschuldung von Schuldenüberhängen zum Ziel hat, verfolgt ein von den Bretton-Woods-Institutionen entwickeltes neues Schuldenanalysekonzept (Debt Sustainability Framework) einen vorwärtsgerichteten Ansatz zur Beurteilung der Aussenverschuldung. Ausgehend von diesem Konzept soll in Zukunft entschieden werden, in welchem Umfang ein Land zinsverbilligte Kredite bzw. Zuschüsse erhalten soll. Die Schweiz unterstützt dieses Konzept zur Beurteilung der Schuldennachhaltigkeit, da es die Voraussetzungen dafür schafft, ein erneutes Abgleiten in die Überschuldung zu vermeiden. Sie fordert, dass auch die Binnenschulden systematisch in die Schuldenanalyse einbezogen werden. Die politischen wie finanziellen Implikationen dieses Konzepts müssen noch im Detail analysiert werden.

17

Der Konsens von Monterrey (2002) definiert die zur Erreichung der MillenniumsEntwicklungsziele notwendige Entwicklungspartnerschaft zwischen den Entwicklungsund Industrieländern. Dabei verpflichten sich die Entwicklungsländer, ihre Reformbemühungen zu verstärken und eine nachhaltige Wirtschafts- und Entwicklungspolitik zu betreiben. Die Industrieländer ihrerseits verpflichten sich zu mehr Entwicklungshilfe und einer Öffnung ihrer Märkte gegenüber den Entwicklungsländern. Der Konsens von Monterrey enthält noch weitere Schwerpunktthemen wie Finanzsektor, Investitionen, Schuldenmanagement und Geldpolitik.

1194

5.2.1.3

Internationale Entwicklungsagentur (IDA)

2004 fanden die Verhandlungen über die 14. Wiederauffüllung der Internationalen Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA) statt (IDA14). Die Weltbank beantragte eine Wiederauffüllung in Höhe von 20 Milliarden USDollar, was einer Zunahme von 30 Prozent gegenüber IDA-13 entspricht. Aus budgetären Überlegungen und um ihren Lastenanteil beibehalten zu können, setzte sich die Schweiz zusammen mit einer Reihe anderer Länder für eine geringere Wiederauffüllung ein. Demgegenüber forderten vor allem einige europäische Länder eine höhere Aufstockung mit der Begründung, dass bedeutend mehr Mittel notwendig seien, um die Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 zu erreichen.

Ein wichtiges Thema bei der 14. Aufstockung ist die Vergabe von Zuschüssen anstelle von zinsvergünstigten Darlehen an die am stärksten verschuldeten armen Länder. Mit der Vergabe von Zuschüssen werden allerdings die Rückflüsse der IDA kleiner. Dies könnte in einigen Jahren zu einem höheren Finanzbedarf führen oder das Kreditvolumen der IDA verkleinern, falls die Geberländer nicht in der Lage sind, mehr Mittel zu mobilisieren. Die Schweiz unterstrich, dass die finanzielle Integrität der IDA nicht untergraben werden dürfe und verlangte, nach einer systemischen Lösung für die Finanzierung der Zuschüsse zu suchen.

5.2.1.4

Das Engagement der Weltbank in Rohstoffprojekten

Vor drei Jahren lancierte die Weltbank eine umfangreiche Prüfung ihres Engagements in den Öl-, Gas- und Bergbausektoren. Studien belegen, dass die Beteiligung der Weltbank an Rohstoffprojekten grundsätzlich positive wirtschaftliche Ergebnisse in Bezug auf Steuereinnahmen, Arbeitsplatzbeschaffung und Technologietransfer zeitigen und dass sie die Einführung von Umwelt- und Sozialstandards vorantreibt.

In einigen Entwicklungsländern bestehen jedoch Defizite hinsichtlich der Transparenz der Einkünfte, des Einbezugs der betroffenen Bevölkerungsschichten und der guten Regierungsführung. Die Forderung nach einem vollständigen Ausstieg der Weltbank aus Öl- und Gasprojekten bis 2008 war besonders umstritten.

Schliesslich beschloss der Verwaltungsrat, dass die Bank weiterhin in Öl- und Gasförderungsprojekte investieren kann. Die Schweiz vertrat die Meinung, dass solche Rohstoffprojekte zur Armutsreduktion beitragen können, falls es der Bank dadurch gelingt, eine bessere Regierungsführung, den Aufbau von ordnungspolitischen Kapazitäten, die Überwachung einer umweltfreundlichen und sozial verträglichen Projektausführung und Transparenz bei den Einkünften zu erreichen. Die Schweiz begrüsste insbesondere den Vorschlag für ein grösseres Engagement der Bank zur Förderung von erneuerbaren Energien.

5.3

Privatsektoraktivitäten der Weltbankgruppe

Die Internationale Finanzgesellschaft (IFC), der Privatsektorzweig der Weltbankgruppe, vermochte ihr Engagement zugunsten des Privatsektors in den Entwicklungsländern weiter zu stärken. Die Übernahme der Umwelt- und Sozialstandards der IFC für Projektfinanzierungen durch mittlerweile 27 internationale Finanzinsti1195

tute bestätigt deren Vorreiterrolle in Fragen der Nachhaltigkeit. Die Schweiz hat über ihre bilateralen Kofinanzierungsaktivitäten wesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen.

Grosse Aufmerksamkeit erzielte der zweite Doing Business-Bericht der Weltbank.

Er zeigt anhand von quantitativen Indikatoren die regulatorischen Hürden auf, denen Unternehmen in 145 Ländern gegenüberstehen. In Bezug auf die Qualität ihrer unternehmerischen Rahmenbedingungen liegt die Schweiz auf dem elften Rang.

5.3.1

Regionale Entwicklungsbanken

Zu den wichtigsten Aufgaben der Afrikanischen, der Asiatischen und der Interamerikanischen Entwicklungsbank gehören die Minderung der Armut sowie die Förderung der interregionalen Zusammenarbeit und der regionalen Integration.

Diese drei Banken sind für viele Länder eine wichtige Finanzierungsquelle. Im Berichtsjahr standen die Wiederauffüllungsverhandlungen des Asiatischen und Afrikanischen Entwicklungsfonds im Vordergrund.

5.3.1.1

Afrikanische Entwicklungsbank

«Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) steht an einem Scheideweg» ­ so lautet die Schlussfolgerung einer unabhängigen Evaluation über die Bank- und Fondstätigkeit. Diese stellt fest, dass die AfDB im vergangenen Jahrzehnt eine tiefgreifende Restrukturierung durchgemacht hat und nun in institutioneller und finanzieller Hinsicht soweit gefestigt ist, dass sie die führende Rolle in der Entwicklungsfinanzierung Afrikas übernehmen kann. Doch dazu muss die AfDB die laufende Reform-Agenda zu Ende führen und ihre Operationen massiv ausbauen. Die Schweiz unterstützt diese Bemühungen.

Im Februar 2004 wurde die zehnte Auffüllung des Afrikanischen Entwicklungsfonds (AfDF) in Genf lanciert. Der AfDF ist das konzessive Kreditfenster der Bank, das subventionierte Darlehen sowie Zuschüsse an die ärmsten Länder Afrikas vergibt.

Die Schweiz ist grundsätzlich bereit, einer substanziellen Wiederauffüllung zuzustimmen. Aufgrund der Budgetrestriktionen ist jedoch nicht sicher, ob die Schweiz ihren bisherigen Lastenanteil von drei Prozent aufrechterhalten kann.

5.3.1.2

Asiatische Entwicklungsbank

Im Mai des Berichtsjahres wurden die Verhandlungen zur 9. Auffüllung des Asiatischen Entwicklungsfonds (AsDF-9) abgeschlossen. Der AsDF ist das konzessive Kreditfenster der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB), das den ärmsten Ländern Asiens und des pazifischen Raums langfristige Darlehen zu Vorzugsbedingungen gewährt. Die Geberstaaten willigten in eine substanzielle Aufstockung der Mittel (7 Mrd. US-$) ein. Die Schweiz will sich mit einem Betrag in der Höhe von 53,02 Millionen Franken beteiligen, was ihrem bisherigen Lastenanteil von 1,23 Prozent entspricht.

1196

5.3.1.3

Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB)

Die Diskussionen in der Interamerikanischen Entwicklungsbank (Inter-American Development Bank, IDB) wurden von der Frage dominiert, wie die Bank ihre Unterstützung für den Privatsektor Lateinamerikas und der Karibik wirksamer gestalten kann. Eine unabhängige Expertenkommission empfiehlt, die verschiedenen Einheiten innerhalb der IDB-Gruppe in eine neue Organisation zusammenzuführen. Diese Empfehlung hat für heftige Debatten im Verwaltungsrat gesorgt. Die Schweiz setzt sich für eine pragmatische Vorgehensweise ein und unterstützt eine bessere Koordination und Abstimmung auf informeller Basis.

Parallel zu diesen Diskussionen laufen die Verhandlungen zur Wiederauffüllung des Multilateralen Investitionsfonds (MIF). Die Schweiz hat bisher auf der bilateralen Ebene eng mit dem MIF zusammengearbeitet. Der Ruf des Fonds als innovatives Instrument für die Privatsektorförderung einerseits sowie die Komplementarität der Programme andererseits haben die Schweiz nun dazu bewogen, über die nächsten zehn Jahre einen Beitrag von 7,5 Millionen US-Dollar an die Wiederauffüllung des MIF zu leisten.

5.3.2

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (European Bank for Reconstruction and Development, EBRD) ist die führende Investorin in den Ländern Zentral- und Osteuropas sowie in der GUS. Heute ist die Bank mit der Frage konfrontiert, wie sie sich in den Transitionsländern, die sich in einer wenig fortgeschrittenen Transitionsphase befinden, besser positionieren kann und welche Rolle sie in den Ländern, deren Transformationsphase fortgeschritten ist, einnehmen soll.

In den letzten Jahren verzeichnete die Bank einen Rückgang des Geschäftsvolumens zugunsten der Länder, die sich in einer frühen Transitionsphase befinden (sog. Early Transition Countries, ETC18) Vor diesem Hintergrund arbeitete die EBRD im Berichtsjahr einen Aktionsplan aus, der auf drei Pfeilern basiert. Erstens ist die EBRD bereit, höhere Risiken als in ihrem angestammten Geschäft einzugehen.

Zweitens stellt die Bank in Zukunft grössere Budget- und Humanressourcen zur Verfügung, um ihre Programme vor Ort intensiver begleiten zu können. Drittens sind auch die Geber aufgerufen, die Initiative mit nichtrückzahlbaren Geldern zu unterstützen. Die Schweiz begrüsst die Neuausrichtung der Bank, weist aber auf die Notwendigkeit hin, die Armutsdimension stärker zu berücksichtigen und eine engere Zusammenarbeit mit den Geberländern anzustreben. Mit ihrem Beitrag von einer Million Euro an den neugeschaffenen Multi Donor Fund zugunsten der ETC bekräftigt die Schweiz ihre Unterstützung für die Länder Zentralasiens und des Kaukasus.

Der Beitritt von acht Einsatzländern der EBRD zur EU im Frühling 2004 verlangt nach einer Neuausrichtung der Aktivitäten der Bank in den fortgeschrittenen Transitionsländern. Der Verwaltungsrat der EBRD zeigt sich jedoch derzeit in dieser Hinsicht gespalten. Während sich die einen Aktionärsländer für ein fortgesetztes 18

Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kirgisische Republik, Moldawien, Tadschikistan, Usbekistan.

1197

Engagement der EBRD in der bisherigen Grössenordnung von rund 30 Prozent der Geschäftstätigkeit pro Jahr einsetzen, verlangen andere den mittelfristigen Rückzug der Bank aus diesen Ländern. Entsprechend stellen letztere die Funktion der Bank bei Projektbewilligungen zunehmend in Frage. Die Schweiz nimmt nicht zuletzt aufgrund ihres geplanten Engagements in den Kohäsionsländern eine gemässigte Haltung ein. Sie engagiert sich für eine selektive, langsam abnehmende Tätigkeit der EBRD in den fortgeschrittenen Transitionsländern.

Die Schweiz beteiligt sich aktiv an der Finanzierung der unter der Schirmherrschaft der EBRD durchgeführten Projekte im Bereich der nuklearen Sicherheit. Die Arbeiten im Zusammenhang mit den Schliessungen dreier Kernkraftwerke in Bulgarien (Kozloduy), Litauen (Ignalina) und der Slowakei (Bohunice) verlaufen planmässig.

Bei Projekten innerhalb des Fonds für die Verbesserung der Sicherheit von Kernkraftwerken in Osteuropa und Russland führen dagegen technische Probleme zu Verzögerungen und machen möglicherweise auch weitere Finanzierungsmittel erforderlich. Schliesslich verfolgt die Schweiz die Fortschritte bei den Arbeiten zur Errichtung eines Sarkophags um das 1986 explodierte Atomkraftwerk Tschernobyl, insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten und die Finanzierung.

6

Bilaterale Beziehungen Die Besuche mehrerer Staatspräsidenten, Regierungschefs und Regierungsmitglieder in der Schweiz boten Gelegenheit zur Erörterung von Wirtschaftsfragen.

Der Vertiefung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen dienten auch die Entsendung von Wirtschaftsmissionen nach Grossbritannien, Japan, Mexiko, Rumänien, Slowenien und Thailand. Der Wiederaufbau der Länder Südosteuropas wird von der Schweiz weiterhin im Rahmen des «Stabilitätspakts für Südosteuropa» unterstützt. In Südafrika wurde ein Netzwerk zur Erschliessung des Wirtschaftspotenzials im südlichen Afrika gestartet. Mit Algerien, der Dominikanischen Republik, Lesotho, Oman und Tansania wurden Investitionsschutzabkommen abgeschlossen.

6.1

Westeuropa

Intensive bilaterale Kontakte auf Regierungsebene dienten in den ersten Monaten vornehmlich dazu, den Abschluss der «Bilateralen II» mit der EU, die am 25. Juni paraphiert wurden, zu unterstützen. Darüber hinaus konnte der Vorsteher des EVD mit seinen Amtskollegen aus Deutschland und Österreich anlässlich des jährlichen Dreier-Treffens bilaterale Fragen erörtern. Im Präsidialjahr traf sich der Vorsteher des EVD u.a. mit dem deutschen Bundeskanzler und dem französischen Staatspräsidenten sowie trilateral mit dem deutschen und dem österreichischen Bundespräsidenten. Die Gespräche mit Bundeskanzler Schröder bewirkten eine Normalisierung der verschärften Grenzkontrollen, die zu Beginn des Jahres von deutscher Seite ergriffenen worden waren. Diese hätten zu langen Wartezeiten und zu Behinderungen für die Grenzgänger beider Länder und den grenzüberschreitenden Handel 1198

geführt. Die Tagung des Regierungsausschusses für Wirtschaftsfragen DeutschlandSchweiz (SR 0.946.291.361) befasste sich mit bilateralen Handelsfragen, von denen etliche gelöst werden konnten. Eine grosse Delegation mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung unternahm unter der Leitung des Staatssekretärs für Wirtschaft, des Staatssekretärs für Wissenschaft und des Direktors des Bundesamtes für Bildung und Technologie im Mai eine Mission nach Grossbritannien mit dem Ziel, in den Bereichen der Bio- und der Nanotechnologie mögliche Gebiete der Zusammenarbeit zu eruieren.

6.2

Mitteleuropa und die GUS

Der Beitritt von acht Ländern Mitteleuropas zur EU am 1. Mai 200419 führte zur Ablösung der bisherigen bilateralen Handels- und Wirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und diesen Ländern. Der Handel mit den Ländern dieser Region entwickelte sich dynamisch, wenn auch je nach Land in unterschiedlicher Intensität.

Im bilateralen Rahmen fanden verschiedene Besuche statt. Der polnische Staatspräsident Kwasniewski kam im September zu einem Staatsbesuch in die Schweiz. Im November reiste der Bundespräsident zu einem offiziellen Arbeitsbesuch nach Prag.

Im Juli weilte der estnische Staatspräsident Arnold Rüütel zu einem offiziellen Arbeitsbesuch in der Schweiz. Nach erfolgter Ratifizierung durch das estnische Parlament trat das im Jahre 2002 unterzeichnete bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen in Kraft (BBl 2002 7036).

Der bilaterale Handel mit den wirtschaftlich stärksten GUS-Mitgliedern nahm bei den Ausfuhren gegenüber 2003 erneut kräftig zu. Die WTO-Beitrittsverhandlungen Russlands sind weit fortgeschritten. Dasselbe gilt für die Ukraine, mit der die Schweiz die WTO-Verhandlungen auf bilateraler Ebene abgeschlossen hat. Mit Belarus und Kasachstan dürfte der WTO-Beitrittsprozess noch längere Zeit dauern.

Im März trat die Gemischte Wirtschaftskommission Schweiz­Ukraine in Bern zu ihrer 5. Tagung zusammen. Im Mai führte die Direktion für Standortförderung erstmals in Moskau ein Seminar zur Gewinnung russischer Investoren durch.

6.3

Südosteuropa

In Südosteuropa zeichnet sich eine disparitäre wirtschaftliche Entwicklung ab. Die EU-Beitrittskandidaten Bulgarien, Kroatien und Rumänien erholen sich deutlich rascher als die anderen Länder der Region.

Der Aufbau von bilateralen vertraglichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den Ländern Südosteuropas wird zielstrebig weitergeführt. Mit Bosnien und Herzegowina ist das Investitionsschutzabkommen in Kraft getreten. Die Verhandlungen mit Serbien und Montenegro über ein Doppelbesteuerungsabkommen wurden abgeschlossen, jene über ein Investitionsschutzabkommen werden weitergeführt.

19

Am 1. Mai 2004 traten die Tschechische Republik, die Slowakische Republik, Polen, Ungarn, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen der EU bei.

1199

Der Wiederaufbau der Länder Südosteuropas wird von der Schweiz weiterhin im Rahmen des «Stabilitätspakts für Südosteuropa» unterstützt. Wichtige wirtschaftliche Initiativen des Stabilitätspakts sind der Investment Compact und die Trade Initiative, an denen die Schweiz massgeblich beteiligt ist.

Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Serbien und Montenegro sowie Kosovo werden noch für längere Zeit auf grössere internationale Unterstützung angewiesen sein. Sie sind zusammen mit Bulgarien und Rumänien Schwerpunktländer des Swiss Import Promotion Program und der Swiss Organisation for Facilitating Investments.

Serbien und Montenegro kann mittlerweile eine Reihe wichtiger wirtschaftstruktureller Reformfortschritte vorweisen. Die Schweiz unterstützt Serbien und Montenegro beim Beitrittsprozess zur WTO und bei der Annäherung an die EFTA.

Im Juni reiste der Bundespräsident mit einer Wirtschaftsdelegation nach Slowenien.

Im gleichen Monat stattete eine vom seco geleitete Wirtschaftsmission Rumänien einen Besuch ab. Die Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina besuchte die Schweiz im Oktober.

6.4

Nordamerika

Das Berichtsjahr war durch eine weitere Verstärkung der Sicherheitsmassnahmen an den Grenzen der Vereinigten Staaten gekennzeichnet. Die Programme zum Kampf gegen den Bioterrorismus (Importanforderungen der USA im Nahrungsmittelbereich), die Container-Sicherheitsinitiative (24 Stunden für die Vorankündigung von Seefracht) sowie neue Verfahren, die bei der Einreise in die Vereinigten Staaten zur Anwendung gelangen, wirkten sich auch auf die Schweiz aus. Schwierigkeiten ergaben sich daraus bei Lebensmittelsendungen sowie bei der Behandlung von vertraulichen Informationen, die von den Frachtschiffen übermittelt werden. Die Schweiz erarbeitete ihrerseits ein Pilotprojekt zur Einführung von biometrischen Daten in Reisepässen. Auf internationaler Ebene kooperierte die Schweiz eng im Kampf gegen die Finanzierung des Terrorismus. Ebenso verfolgt die Schweiz mit grossem Interesse die Diskussion in den Vereinigten Staaten über Parallelimporte von Medikamenten und die möglichen Auswirkungen auf die Medikamentenpreise sowie auf die Forschung im pharmazeutischen Bereich.

Auf institutioneller Ebene wurden diese Themen im Rahmen des vierten Treffens der Gemischten Wirtschaftskommission am 12. November in Washington besprochen. Dabei wurde die Notwendigkeit zu einer verstärkten Zusammenarbeit bekräftigt. Regelmässige und intensivierte Kontakte mit dem zweitwichtigsten Handelspartner der Schweiz (11 % der Exporte) und dem wichtigsten Zielland schweizerischer Direktinvestitionen sind unabdingbar. Zudem haben die Vereinigten Staaten und die EFTA-Länder Gespräche über eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit aufgenommen. Zu den Optionen gehört die Aushandlung eines Freihandelsabkommens.

Mit Kanada konnten keine Fortschritte erzielt werden, um die im Jahr 1998 begonnenen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zu deblockieren. Das Hauptproblem bleibt die Zollbehandlung im Schiffbausektor.

1200

Mit Mexiko haben sich die Handelsbeziehungen intensiviert. Enge Kontakte ergaben sich auch aus dem Besuch von Präsident Vicente Fox in Bern und dem Besuch des Schweizer Bundespräsidenten in Mexiko in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation.

Diese Besuche sind Ausdruck des Willens, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf bilateraler und multilateraler Ebene weiter zu stärken.

6.5

Zentral- und Südamerika

Lateinamerika hat im Berichtsjahr wieder auf den wirtschaftlichen Wachstumspfad zurückgefunden. Dies hat sich in einem Wachstum der Schweizer Exporte von mehr als zehn Prozent niedergeschlagen. Brasilien behauptete angesichts seines Potenzials seine Position als wichtigster lateinamerikanischer Wirtschaftspartner der Schweiz.

Die Hauptanliegen der Schweizer Wirtschaft betreffen den Schutz des geistigen Eigentums, die Doppelbesteuerung sowie den Marktzugang in verschiedenen Bereichen. Der Swiss Business Hub in São Paulo soll Schweizer KMU neue Perspektiven eröffnen, insbesondere durch die Suche von lokalen Partnern.

Argentinien ist zu starkem Wachstum zurückgekehrt. Auf der Zukunft des Landes lasten allerdings Hypotheken wie das einseitige Moratorium auf den Aussenschulden der Privatgläubiger (etwa 100 Mrd. US-$), die provisorische Suspendierung des IWF-Programms sowie die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der notwendigen strukturellen Reformen, insbesondere im Fiskalbereich. Venezuela ist auf dem Weg, seine schwere wirtschaftliche und politische Krise zu überwinden und dank des Anstiegs des Ölpreises zum Wirtschaftswachstum zurückzufinden; die angespannte politische Situation wird allerdings auch in den kommenden Jahren private Investitionen beeinträchtigen. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Chile, Peru sowie Kolumbien profitierten ebenfalls vom anhaltenden Wirtschaftswachstum. Kolumbien hat grosse Anstrengungen unternommen, um die innere Sicherheit zu erhöhen.

Die Länder Zentralamerikas ihrerseits sahen sich auch weiterhin grossen Schwierigkeiten bei der Verbesserung des Lebensstandards ihrer Bevölkerung gegenüber.

Fünf von ihnen haben ihre Beziehungen zu den Vereinigten Staaten durch ein Freihandelsabkommen19 gestärkt.

Was die institutionellen Beziehungen betrifft, haben die Schweiz und ihre EFTAPartner mit grosser Aufmerksamkeit die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen dem Mercosur20 und der Europäischen Union verfolgt. Um den Anbietern aus den EFTA-Ländern gleichwertige Wettbewerbsbedingungen wie den Konkurrenten aus der EU zu gewährleisten, werden die EFTA-Staaten mit dem Mercosur ein Abkommen zur Liberalisierung des Handels von ähnlicher Tragweite aushandeln müssen. Kolumbien und Peru haben ihrerseits Interesse an der Schaffung von Freihandelsbeziehungen mit den
EFTA-Staaten signalisiert. Das Freihandelsabkommen zwischen Chile und den EFTA-Ländern wird nach dem Abschluss der Ratifizierungsverfahren in Kraft treten. Die Schweiz wird somit auch in den kommenden Jahren sehr aktiv sein müssen, um ihre Wirtschaftsinteressen in Lateinamerika zu verteidigen. Im Januar 2004 wurde mit der Dominikanischen Republik ein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen.

19

20

Es handelt sich um CAFTA (US-Central American Free Trade Agreement) mit Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua; dieses Abkommen muss noch von den jeweiligen Parteien ratifiziert werden.

Die Mitglieder des Mercosur sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

1201

6.6

Asien/Ozeanien

Die rekordverdächtigen Wachstumsraten der wichtigsten Wirtschaftspartner der Schweiz in Asien widerspiegeln sich in einer äusserst positiven Entwicklung der bilateralen Handelsbeziehungen. Dabei ist insbesondere der markante Anstieg der Schweizer Güterexporte nach Asien bemerkenswert: In den ersten drei Quartalen haben die Schweizer Ausfuhren nach Malaysia um 50 Prozent, nach China und Indien um über 30 Prozent, nach Südkorea und Australien um rund 25 Prozent zugenommen.

Im Oktober hat der Bundespräsident in Begleitung des Präsidenten von economiesuisse und des Vorsitzenden der Schweizerischen Bankiervereinigung Japan einen offiziellen Arbeitsbesuch abgestattet. Die zahlreichen offiziellen Gespräche brachten neben einer generellen Standortbestimmung der bilateralen Beziehungen und Informationen aus erster Hand vor allem Fortschritte in vier Schlüsseldossiers: Eintreten Japans auf eine Revision des Doppelbesteuerungsabkommens von 1971, Massnahmen zur Förderung der gegenseitigen Direktinvestitionen (u.a. Seminare, On the Job Training), Fortführung der Machbarkeitsstudie auf Verwaltungsebene über ein Freihandelsabkommen sowie Aufnahme von Verhandlungen über ein Forschungsund Technologieabkommen.

Die stetig wachsende Bedeutung Chinas für die Schweizer Wirtschaft zeigt sich regelmässig in verschiedenen hochrangigen Kontakten mit den chinesischen Behörden. So hat der Bundespräsident im Juni den chinesischen Vizepremierminister Zeng Peiyan empfangen. Dabei wurde u.a. ein Tourismus-Abkommen (ADS) zwischen den beiden Ländern unterzeichnet (vgl. Ziff. 7.5). Die Tagung der Gemischten Kommission im Oktober in Bern bot Gelegenheit zur Diskussion über bilaterale Angelegenheiten wie dem Schutz des geistigen Eigentums. Darüber hinaus machte die Kommission eine Bestandesaufnahme über die Anstrengungen Chinas hinsichtlich der Verpflichtungen, die es beim WTO-Beitritt eingegangen war. Ferner thematisierte sie die Möglichkeiten für die Vereinfachung von gegenseitigen Direktinvestitionen.

Bemerkenswert ist, dass das bilaterale Handelsvolumen mit China während der vergangenen Jahre kontinuierlich zugenommen hat; seit 2003 fällt die Handelsbilanz sogar zugunsten der Schweiz aus.

Im Februar hat der Staatssekretär des seco Taipeh einen informellen Besuch abgestattet.

Im Rahmen der bilateralen Beziehungen mit den
ASEAN-Ländern war der offizielle Besuch des Bundespräsidenten in Thailand im März von grosser Bedeutung. Er diente der Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem zweitwichtigsten Handelspartner der Schweiz in Südostasien. Das wichtigste Ergebnis ist die erklärte Absicht Thailands, Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EFTA aufzunehmen. Nach einem ersten informellen Treffen zwischen den Verhandlungsleitern beider Seiten im Sommer soll nun im Laufe der ersten Hälfte 2005 formell mit den Verhandlungen begonnen werden. Ausserdem organisierte das seco zusammen mit der Schweizerisch-Südostasiatischen Handelskammer (SEA) im Oktober eine KMU-Mission nach Thailand und Malaysia.

1202

Im Anschluss an die Wirtschaftsmission in Südkorea, die der Vorsteher des EVD im November 2003 durchgeführt hatte, setzten die EFTA-Staaten und die Republik Korea eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein, um eine Machbarkeitsstudie über ein umfassendes Freihandelsabkommen EFTA­Korea zu erstellen. Aufgrund der positiven Schlussfolgerung der Arbeitsgruppe ist nun die Aufnahme von Verhandlungen für ein solches Abkommen für Januar 2005 geplant.

Im Dezember tagte in Delhi die neunte Gemischte Kommission mit Indien. Die Gespräche mit Vertretern des Handelsministeriums boten der Schweizer Delegation Gelegenheit, sich ein Bild der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung zu verschaffen sowie konkrete Probleme, insbesondere den Schutz des geistigen Eigentums und die Zolltarife, zu erörtern. Im Anschluss daran folgte eine durch die SchweizerischIndische Handelskammer organisierte Geschäftsmission nach Bangalore

6.7

Mittlerer Osten

Im Berichtsjahr haben drei Ereignisse die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Beziehungen der Schweiz mit dem Mittleren Osten besonders beeinflusst: Die Einfrierung des Friedensprozesses bzw. die Zuspitzung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern, die Eskalation des Kriegszustands im Irak, welche u.a.

zur Erhöhung der Erdölpreise beigetragen hat, und schliesslich das Ausbleiben einer Vereinbarung zwischen dem Iran und der IAEA (International Atomic Energy Agency) über das iranische Atomprogramm. Ersteres hat die Frage der territorialen Anwendung des Freihandelsabkommens EFTA­Israel bzw. EFTA-PLO/PA wieder in den Vordergrund gestellt. Die technische Vereinbarung, die von der EU und der israelischen Regierung im Rahmen des Assoziationsabkommens erreicht wurde, sollte auch zu einer ähnlichen Lösung im Falle des Freihandelsabkommens EFTA­ Israel führen.

Die intensiven Wirtschaftsbeziehungen zum Iran haben ihren Niederschlag in einer erneuten Zunahme (um ca. 13 %) des bilateralen Handelsverkehrs gefunden. Damit behauptete sich der Iran nach Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten als drittwichtigster Handelspartner der Schweiz in der Golfregion. Mit dem Inkrafttreten des Doppelbesteuerungsabkommens am 1. Januar 2004 (SR 0.672.943.61) konnten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter verbessert werden. Der offizielle Besuch des iranischen Staatspräsidenten im Januar 2004 brachte die guten bilateralen Beziehungen zum Ausdruck. Bei dieser Gelegenheit wurde der Iran ermuntert, die Zusammenarbeit mit der IAEA zu vertiefen.

Eine Intensivierung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit Syrien ergab sich aus dem offiziellen Besuch des syrischen Wirtschafts- und Handelsministers Mitte August. Sowohl im Gespräch mit dem Bundespräsidenten als auch mit dem Staatssekretär für Wirtschaft äusserte er den Standpunkt, dass die EFTA und Syrien die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen baldmöglichst aufnehmen sollten.

Dank dieses Besuchs konnten Fortschritte in den Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen verzeichnet werden. Der syrische Minister bekundete auch das Interesse seiner Regierung an einem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz. Ferner ersuchte er die Schweiz um Unterstützung des syrischen Antrags zum WTO-Beitritt, was vom Bundespräsidenten und vom Staatssekretär für Wirtschaft zugesichert wurde.

1203

Die gefährliche Sicherheitslage im Irak verhinderte die Wiederaufnahme von normalen bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen. Das seco leistete Unterstützung und beschaffte regelmässig Informationen über die Rahmenbedingungen im Irak für Schweizer Firmen, die Geschäftsbeziehungen mit diesem Land herzustellen versuchen. Ausserdem beteiligte sich die Schweiz an den Verhandlungen im Pariser Klub über die Restrukturierung der irakischen Aussenschuld (vgl. Ziff. 7.2.4).

Mit Oman ist im August in Bern ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet worden.

6.8

Afrika

Im Berichtsjahr war eine anhaltende Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz zum afrikanischen Kontinent zu verzeichnen. Afrika konnte dank gestiegener Ausfuhren und insbesondere höherer Einnahmen aus dem Erdölsektor wieder an Wachstum zulegen, was sich auch positiv auf die Schweizer Exporte in diese Region (+10 %) niederschlug. Südafrika behauptete erneut seine Stellung als wichtigster Wirtschafts- und Handelspartner der Schweiz in Afrika mit einem bilateralen Handelsvolumen von über einer Milliarde Franken. Am 26. April wurde in Anwesenheit der Bundeskanzlerin das Trade and Investment Network Switzerland Southern Africa (TINSSA), ein Netzwerk zwischen schweizerischen und afrikanischen Handels- und Wirtschaftsförderungsorganisationen gestartet. Damit wird den Wirtschaftsakteuren und insbesondere den KMU in Zukunft ein wichtiges neues Instrument zur Erschliessung des wirtschaftlichen Potentials im südlichen Afrika zur Verfügung stehen. Die Schweizer Wirtschaftskreise verfolgen vor allem die Entwicklungen in Südafrika im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums, der Umsetzung der Bestimmungen des Black Economic Empowerment (BEE) sowie des Marktzutritts. Die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der South African Customs Union (SACU)21 wurden vorangetrieben.

Die Beziehungen mit Libyen, einem der wichtigsten Schweizer Erdöllieferanten, wurden intensiviert. Das Investitionsschutzabkommen ist am 28. Mai in Kraft getreten. Der Leiter des Bereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen des seco besuchte Ende April Libyen mit einer Wirtschaftsdelegation. Die Wirtschaftsreformen, die Modernisierung des Bankensektors, die ausstehenden Forderungen in Libyen sowie die Investitionsmöglichkeiten waren die Hauptgesprächsthemen. Der steigende Bedarf Libyens an westlichen Importgütern und Dienstleistungen sowie an ausländischen Investitionen eröffnet gute Geschäftschancen für Schweizer Firmen.

Ende November stattete der algerische Präsident Bouteflika der Schweiz einen offiziellen Besuch ab. Gesprächsthemen waren die bilateralen Beziehungen, u.a. die Kooperation im Mittelmeerraum, sowie die Zusammenarbeit mit den EFTA-Staaten im Hinblick auf die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen. Anlässlich des Besuchs wurde mit Algerien ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet.

Investitionsschutzabkommen wurden am 8. April in Dar es Salaam mit Tansania und am 16. Juni am Rande der UNCTAD XI mit Lesotho abgeschlossen.

21

Mitglieder der SACU sind: Botswana, Lesotho, Namibia; Südafrika, Swaziland.

1204

7

Autonome Aussenwirtschaftspolitik Die Resolution 1540 des UNO-Sicherheitsrats vom 28. April verpflichtet die Staaten, wirksame Exportkontrollen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen einzuführen. Mit der Safeguard-Verordnung vom 18. August wurde die Grundlage für die Anwendung von verstärkten Sicherungsmassnahmen im Rahmen des Atomsperrvertrages geschaffen.

Auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie wurden Neugarantien für Exportaufträge im Gesamtwert von zwei Milliarden Franken erteilt; der Bundesvorschuss konnte 2004 vollständig zurückbezahlt werden. Für die Osec gilt seit dem 1. Januar 2004 ein neuer Leistungsauftrag des seco. Im Bereich Tourismus wurde zwischen der Schweiz und China eine Vereinbarung abgeschlossen, die der Schweiz den Status einer für chinesische Gruppenreisen zugelassenen Destination einräumt.

7.1

Exportkontroll- und Embargomassnahmen

7.1.1

Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungsund konventionellen Waffen

Mit der am 28. April 2004 vom UNO-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 1540 wurden alle Staaten verpflichtet, wirksame Exportkontrollen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen, insbesondere an nichtstaatliche Akteure, einzuführen. Die Schweiz setzt aufgrund ihrer Mitgliedschaft in den völkerrechtlich nicht verbindlichen Exportkontrollregimes bereits seit Jahren solche Massnahmen um. Die Beziehungen Libyens mit der internationalen Staatengemeinschaft haben sich seit der Ankündigung von Staatschef Gaddhafi im Dezember 2003, auf sämtliche Massenvernichtungswaffenprogramme zu verzichten, merklich verbessert. Demgegenüber sind in den Auseinandersetzungen um das iranische bzw. nordkoreanische Nuklearprogramm vorerst keine Lösungen absehbar. Die weltweiten Ermittlungen zur Aufdeckung des geheimen Nuklearnetzwerks um den Pakistaner A.Q. Khan haben gezeigt, dass auch Personen und Firmen in der Schweiz daran beteiligt waren. Aufgrund der Ergebnisse einer von seco und fedpol durchgeführten Vorabklärung wurde Anzeige bei der Bundesanwaltschaft erstattet. Die Schweizer Behörden arbeiten in dieser Angelegenheit eng mit anderen beteiligten Staaten sowie der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) zusammen.

1205

7.1.1.1

Güterkontrollverordnung

Die Güterkontrollverordnung vom 25. Juni 1997 (GKV, SR 946.202.1) enthält im Anhang eine detaillierte Auflistung jener Güter, welche durch die vier Exportkontrollregimes (Australiengruppe, Gruppe der Nuklearlieferländer, Raketentechnologie-Kontrollregime, Wassenaar Vereinbarung) kontrolliert werden. Vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2004 wurden aufgrund der GKV die nachfolgend aufgeführten Ausfuhrgesuche bewilligt:22 Anzahl Gesuche

Wert in Mio. Fr.

Nuklearbereich: Eigentliche Nukleargüter Dual-Use-Güter Dual-Use-Güter im Chemie- und Biologiewaffenbereich Dual-Use-Güter im Raketenbereich

69 246

8,2 90,8

176 28

28,8 63,0

294 256 125 36

86,6 139,0 0,7 2,1

1230

419,2

Bereich konventionelle Waffen: Dual-Use-Güter Besondere militärische Güter Waffen (gemäss Anhang 5 GKV)23 Sprengstoff (gemäss Anhang 5 GKV)24 Total

Wie üblich ist bei dieser Aufstellung zu berücksichtigen, dass der grösste Teil der Exporte von kontrollierten Gütern nicht aufgrund von Einzelbewilligungen, sondern im Rahmen von Generalausfuhrbewilligungen erfolgt. Die effektiven Exporte von kontrollierten Gütern sind daher auf ein Mehrfaches der in obiger Tabelle aufgeführten Werte zu veranschlagen. Per 30. September waren 209 Firmen im Besitz von Ordentlichen Generalausfuhrbewilligungen (OGB). Mit einer OGB kann während zwei Jahren unbeschränkt nach den in Anhang 4 der GKV genannten 27 Ländern ­ es handelt sich dabei um die wichtigsten Absatzmärkte der Schweiz ­ exportiert werden. Darüber hinaus verfügten per 30. September 14 Firmen über eine Ausserordentliche Generalausfuhrbewilligung (AGB), die meisten davon für die Ausfuhr von Verschlüsselungsgeräten. Mit einer AGB können kontrollierte Güter in Länder geliefert werden, welche nicht zu dem in Anhang 4 der GKV aufgeführten Staatenkreis gehören. Zur Erlangung einer AGB müssen die beantragenden Unternehmen eine zuverlässige firmeninterne Kontrolle über die Ausfuhr dieser Güter gewährleisten.

22 23 24

Gewisse Bewilligungen werden doppelt aufgeführt, da sie von zwei Exportkontrollregimes erfasst sind.

Waffen, deren Ausfuhr nur national (Waffengesetz vom 20. Juni 1997, SR 514.54), aber nicht international kontrolliert ist.

Sprengstoff, dessen Ausfuhr nur national (Sprengstoffgesetz vom 25. März 1977, SR 941.41), aber nicht international kontrolliert ist.

1206

Drei Ausfuhranträge für Dual-Use-Güter im Nuklear-, Biologiewaffen- bzw. Raketenbereich im Wert von insgesamt 1,1 Millionen Franken wurden abgelehnt. Vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2004 musste das seco aufgrund von Widerhandlungen gegen das GKG in fünf Fällen (Vorjahr: zwei Fälle) Anzeige bei der Bundesanwaltschaft erstatten.

In 44 Fällen haben Exporteure dem seco die geplante Ausfuhr von nicht in den Anhängen der GKV aufgeführten Gütern gemeldet, die aber gleichwohl für Massenvernichtungswaffen oder deren Trägersysteme «bestimmt sind oder bestimmt sein könnten» (Art. 4 GKV). In 31 Fällen bewilligte das seco die Ausfuhr, in sechs Fällen wurde der Export untersagt. Der Entscheid zu den restlichen Meldungen war zum Berichtszeitpunkt noch offen.

7.1.1.2

Chemikalienkontrollverordnung

SR 946.202.21) wird das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) in der Schweiz umgesetzt. Dieses Abkommen wurde bis zum 30. September von 165 Staaten ratifiziert. Libyen trat dem CWÜ im Februar bei, doch zählen nach wie vor etliche Staaten des Nahen Ostens wie auch Nordkorea weiterhin nicht zu den Mitgliedern. Die Schweiz unterstützt die Bemühungen, möglichst bald Universalität in der Mitgliedschaft im CWÜ zu erreichen.

Vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2004 wurden auf der Grundlage der ChKV 21 Ausfuhrgesuche für Chemikalien im Wert von 4,9 Millionen Franken bewilligt. Zurzeit besitzen zwölf Firmen eine Generalausfuhrbewilligung (GAB) für Endverwender mit Sitz in einem Vertragsstaat des CWÜ. In der Schweiz unterliegen rund 45 Unternehmen den Inspektionen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag, wovon neun Unternehmen sowie das Labor Spiez regelmässig kontrolliert werden. Bis 31. Oktober fanden in der Schweiz fünf solche Inspektionen statt. Von den Meldepflichten gemäss CWÜ bezüglich Produktion, Lagerung, Verarbeitung, Import und Export sind in der Schweiz rund 50 Firmen betroffen.

7.1.1.3

Safeguard-Verordnung

Der Bundesrat hat am 18. August die Safeguard-Verordnung verabschiedet (SR 732.010) und damit die rechtliche Grundlage für die Ratifikation des Zusatzprotokolls zum Abkommen über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen zwischen der Schweiz und der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) geschaffen (SR 0.515.031). Die Safeguard-Verordnung stützt sich auf das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (BBl 2003 3665), das Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 (SR 814.50) sowie das Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 1996 (SR 946.202). Das Zusatzprotokoll erlaubt der IAEO, ihre Kontrolltätigkeit im Rahmen des Atomsperrvertrages wesentlich auszuweiten. Damit sollen künftig illegale Atomwaffenprogramme frühzeitig aufgedeckt werden können. Die Schweizer Kernanlagen werden durch das Zusatzprotokoll verstärkten Kontrollen durch die IAEO unterworfen. Ausserdem muss die Schweiz die Herstellung sowie die Ausfuhr bestimmter Ausrüstungsgüter für Nuklearanlagen periodisch der IAEO melden. Die

1207

IAEO kann Firmen, die solche Güter herstellen, durch Inspektionen überprüfen. Die Safeguard-Verordnung tritt voraussichtlich am 1. Februar 2005 in Kraft.

7.1.2

Embargomassnahmen

Der Bundesrat hat am 18. Mai die Verordnung über die Einziehung eingefrorener irakischer Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und deren Überweisung an den Development Fund for Iraq erlassen. Das EVD wurde mit der Durchführung des Einziehungsverfahrens beauftragt. Ebenfalls am 18. Mai hat der Bundesrat eine Ausweitung der Finanzsanktionen gegenüber dem Irak und Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung «Al-Qaïda» oder den Taliban beschlossen. Neu sind Vermögenswerte jeglicher Art (bisher nur Gelder) des sanktionierten Personenkreises gesperrt. Zur Untersuchung von Unregelmässigkeiten bei der Abwicklung des Oil-for-FoodProgramms im Zusammenhang mit dem Sanktionsregime gegenüber dem Irak hat der UNO-Sicherheitsrat eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt. Die Schweiz wird mit dieser Kommission so eng wie möglich zusammenarbeiten. Die übrigen Sanktionsmassnahmen wurden weitergeführt und wo nötig angepasst.

7.1.2.1

Embargomassnahmen der UNO

Der Bundesrat hat am 18. Mai die Verordnung über die Einziehung eingefrorener irakischer Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und deren Überweisung an den Development Fund for Iraq (SR 946.206.1) erlassen. Mit dieser auf Artikel 184 Absatz 3 der Bundesverfassung abgestützten Verordnung wurde die Rechtsgrundlage für die vollständige Umsetzung der Resolution 1483 (2003) des UNOSicherheitsrates geschaffen. Es obliegt dem EVD, die Einziehungen mittels Verfügungen vorzunehmen. Diese können beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Damit wird den betroffenen Personen und Unternehmen die Möglichkeit gewährt, die Einziehung von einer richterlichen Behörde überprüfen zu lassen. Mit der Einräumung eines solchen Rechtsweges kommt die Schweiz ihren Verpflichtungen aus der UNO-Charta unter Einhaltung der Garantien des schweizerischen, europäischen und internationalen Grundrechtschutzes nach.

Die Verordnung ist am 1. Juli in Kraft getreten. Von der Einziehung betroffen sind die dem seco gemeldeten Gelder in der Höhe von rund 180 Millionen Franken. Die ersten Einziehungsverfahren wurden im Herbst eröffnet.

In Übereinstimmung mit den entsprechenden UNO-Sicherheitsratsresolutionen hat der Bundesrat ebenfalls am 18. Mai eine Änderung der Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Republik Irak (SR 946.206) sowie der Verordnung über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung «Al-Qaïda» oder den Taliban (SR 946.203) beschlossen. Sie sieht vor, dass nicht nur Gelder, sondern auch wirtschaftliche Ressourcen gesperrt sind. Als wirtschaftliche Ressourcen gelten Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbe1208

weglich sind, insbesondere Immobilien und Luxusgüter (AS 2004 2579, AS 2004 2581). Von dieser materiellen Ausweitung der Sperre sind die in den Anhängen zu den beiden Verordnungen aufgeführten Personen und Unternehmen/Organisationen betroffen. Diese Anhänge wurden in der Berichtsperiode mehrmals gemäss den Vorgaben der zuständigen UNO-Sanktionskomitees nachgeführt.

Ferner beschloss der Bundesrat am 18. Mai, dass Gelder, die öffentliche irakische Unternehmen oder Körperschaften nach dem 22. Mai 2003 in der Schweiz angelegt haben, nicht von der Sperre betroffen sind. Damit soll diesen Unternehmen ermöglicht werden, die im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Iraks notwendigen Finanzgeschäfte zu tätigen.

Zur Verbesserung der humanitären Lage im Irak hatte der UNO-Sicherheitsrat im April 1995 das Oil-for-Food-Programm verabschiedet. Dieses bis November 2003 laufende Programm sah vor, dass die Erträge aus dem Verkauf irakischen Erdöls für den vom Sanktionskomitee bewilligten Kauf von humanitären Gütern wie Nahrungsmittel und Medikamente zu verwenden sind. Im Rahmen dieses Hilfsprogramms soll das irakische Regime systematisch Erdölschmuggel betrieben, UNOMitarbeiter und ausländische Firmen bestochen sowie Schmiergelder von jenen Unternehmen verlangt haben, die mit irakischem Erdöl handeln oder humanitäre Güter in den Irak liefern wollten. Zur Aufdeckung dieser Unregelmässigkeiten rief der UNO-Sicherheitsrat im April eine unabhängige Untersuchungskommission («Independent Inquiry Committee») ins Leben. Die Schweiz wird so eng wie möglich mit dieser Kommission zusammenarbeiten. Unabhängig davon hat das Staatssekretariat für Wirtschaft im August den Inhaber einer Genfer Ölhandelsfirma aufgrund einer während des Irak-Embargos verbotenen Geldüberweisung an den Irak zur Bezahlung einer Busse von 50 000 Franken verurteilt.

Der Kompensationsfonds der UNO (United Nations Compensation Commission, UNCC) für Entschädigungen an Personen und Firmen, welche durch die irakische Invasion in Kuwait zu Schaden gekommen waren, hat im Berichtsjahr die letzten Zahlungen an Schweizer Firmen vorgenommen. Insgesamt hatten Schweizer Unternehmen und die Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie (ERG) bei der UNCC 47 Schadenersatzforderungen im Umfang von rund 270,6 Millionen Dollar eingereicht. Davon wurden Forderungen im
Umfang von rund 22,6 Millionen Dollar (dies entspricht gut 8 % der Gesamtforderungen) von der UNCC gutgeheissen und den Schweizer Firmen vergütet.

Anhang 2 der Verordnung vom 8. Dezember 1997 über Massnahmen gegenüber Sierra Leone (SR 946.209), der die Namen der von Reisesanktionen betroffenen Personen enthält, wurde zweimal gemäss den Vorgaben des zuständigen UNOSanktionskomitees nachgeführt (AS 2004 1785, AS 2004 4555).

Die Verordnung vom 27. Juni 2001 über Massnahmen gegenüber Liberia (SR 946.208.1) wurde unverändert weitergeführt.

1209

7.1.2.2

Embargomassnahmen der EU

Anhang 2 zur Verordnung vom 19. März 2002 über Massnahmen gegenüber Simbabwe (SR 946.209.2) wurde am 31. März angepasst. Er enthält die Liste der Personen, gegen welche sich die Finanzsanktionen und die Ein- und Durchreisesperre richten.

Die in der Verordnung vom 23. Juni 1999 über Massnahmen gegenüber der Bundesrepublik Jugoslawien (SR 946.207) und in der Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Myanmar (SR 946.208.2) aufgeführten Sanktionsmassnahmen wurden unverändert weitergeführt.

7.1.3

Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

Gemäss der Verordnung vom 29. November 2002 über den internationalen Handel mit Rohdiamanten (Diamantenverordnung, SR 946.231.11) sind seit dem 1. Januar 2003 Import, Export sowie Ein- und Auslagerung aus Zolllagern von Rohdiamanten nur gestattet, wenn diese von einem fälschungssicheren Zertifikat begleitet sind. Der Handel mit Rohdiamanten ist nur noch mit Ländern möglich, die sich ebenfalls am Zertifizierungssystem des sog. Kimberley-Prozesses beteiligen. Mit diesem Zertifizierungssystem soll verhindert werden, dass so genannte Konfliktdiamanten (Rohdiamanten, welche Rebellengruppen als Finanzquelle dienen) auf die legalen Märkte gelangen. Bis am 31. Oktober sind 67 Staaten dem internationalen Zertifizierungssystem für Rohdiamanten beigetreten. Per 15. Juli wurde die Republik Kongo vom Zertifizierungssystem ausgeschlossen, weil sie sich nicht an dessen Bestimmungen gehalten hatte (AS 2004 3449). Die verschiedenen nationalen Kontrollsysteme zur Implementierung des Zertifizierungssystems werden im Rahmen eines sog. Peer Review-Systems überprüft. In diesem Rahmen unterzog sich im November auch die Schweiz einer Inspektion.

Die Schweiz hat zwischen dem 1. Oktober 2003 und dem 30. September 2004 1118 Zertifikate für Rohdiamanten ausgestellt. Vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2004 wurden Rohdiamanten im Wert von 944 Millionen Franken (16 Mio. Karat) importiert bzw. in Zolllager eingelagert und Rohdiamanten im Wert von 1732 Millionen Franken (15 Mio. Karat) exportiert bzw. aus Zolllagern ausgelagert.

7.2

ERG, IRG, Exportfinanzierung, Umschuldung

Die Exportrisikogarantie (ERG) hat Neugarantien für Exportaufträge im Gesamtbetrag von rund zwei Milliarden Franken erteilt; das Gesamtengagement erreicht 9,2 Milliarden Franken. Die grösste Nachfrage bestand für Lieferungen in die Türkei, in den Iran und nach Indien. Der Bundesrat hat am 24. September die Botschaft und das Gesetz über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) im Rahmen der Revision der Exportrisikogarantie (ERG) zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die ERG hat den verbleibenden Bundesvorschuss vollständig zurückbezahlt.

1210

7.2.1

Exportrisikogarantie

Die Nachfrage nach Garantien hat sich im Vergleich zum Vorjahr reduziert. Insgesamt wurden Neugarantien für Exportaufträge von rund zwei Milliarden Franken (Vorjahr: 2,2 Mrd. Fr.) genehmigt. Die grösste Nachfrage bestand für Lieferungen in die Türkei, in den Iran sowie nach Indien. Auf diese drei Länder entfielen volumenmässig insgesamt 36 Prozent aller Neugarantien. Die höchsten Garantien wurden 2004 für Grossprojekte im Energiebereich nach Indien im Lieferwert von 110 Millionen Franken bzw. in den Iran im Lieferwert von 60 Millionen Franken gewährt.

Das Gesamtengagement hat sich gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht und erreichte insgesamt rund 9,2 Milliarden Franken. Etwa die Hälfte des Engagements entfiel auf die fünf Importländer Türkei, Iran, Bahrain, China und Mexiko.

Im Berichtsjahr hat die ERG Entschädigungen im Umfang von rund neun Millionen Franken an Exporteure oder Banken ausbezahlt. Davon beziehen sich rund sechs Millionen Franken auf Auszahlungen unter den bilateralen Umschuldungsabkommen mit Indonesien und Pakistan. Im Rahmen dieser Abkommen werden die ausbezahlten Mittel wieder an die ERG zurückfliessen und bis dahin verzinst. Die ERG hat dem Bund im Berichtsjahr den verbleibenden Bundesvorschuss von 175 Millionen Franken vollständig zurückzahlen können und steht nun schuldenfrei da.

2004 hat die Schweiz zwei weitere Rückversicherungsrahmenverträge abgeschlossen, je eines mit der niederländischen Exportkreditversicherung Atradius und der polnischen KUKE (vgl. Beilage, Ziff. 8.2.2). Die Schweiz hat bisher mit sieben Ländern (Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Schweden, Tschechische Republik) Rückversicherungsabkommen unterzeichnet. Diese erlauben es dem Exporteur, auch die ausländischen Zulieferungen aus dem jeweiligen Land bei seiner Exportrisikoagentur zu versichern; sie regeln die Zusammenarbeit zwischen Erstversicherer und Rückversicherer sowie zwischen Exporteur und Zulieferer und erleichtern die Finanzierung der Projekte. Seit 2001 wurden auf der Basis der bestehenden Rückversicherungsabkommen 17 Transaktionen mit Deutschland (10), Frankreich (3), Österreich (3) und Italien (1) abgeschlossen.

Im Rahmen der laufenden Totalrevision des ERG-Gesetzes wurde Ende März 2004 die Vernehmlassung abgeschlossen. Botschaft und Gesetz über die Schweizerische
Exportrisikoversicherung (SERV) wurden am 24. September vom Bundesrat zuhanden des Parlaments verabschiedet (BBl 2004 5795). Kernelemente der Gesetzesrevision sind die Einführung der Versicherung des privaten Käuferrisikos sowie die institutionelle Neuausrichtung der Exportrisikoversicherung als öffentlich-rechtliche Anstalt.

7.2.2

Investitionsrisikogarantie

Im Berichtsjahr wurden keine neue Investitionsgarantien erteilt. Es besteht noch eine laufende Garantie für eine Investition in Ghana. Das Gesamtengagement beläuft sich auf 2,8 Millionen Franken; das Fondsvermögen beträgt 31,8 Millionen Franken.

1211

7.2.3

Exportfinanzierung

Nachdem in den Jahren 2002 und 2003 das Exportkredit-Arrangement der OECD ohne inhaltliche Veränderungen neu formuliert und geordnet wurde, um es für Nicht-OECD-Länder transparenter zu gestalten, bestanden die Arbeiten im Berichtsjahr darin, das Arrangement den jetzigen Marktgegebenheiten anzupassen, inhaltliche Mängel zu bereinigen und Lücken zu schliessen. Dazu gehören u.a. die Anzahlung und die lokalen Kosten, die gewichtete durchschnittliche Laufzeit eines Kredites sowie die Finanzierung der Prämie. Diese Themen werden auch 2005 auf der Traktandenliste stehen, wobei die Mitglieder des Arrangements aus Ressourcengründen eine Auswahl der wichtigsten zu lösenden Punkte treffen dürften. Weiter wurde die Mindestprämiengestaltung, insbesondere für die privaten Käuferrisiken, evaluiert.

Zunehmende Wichtigkeit erlangt die Frage nach der Zusammenarbeit mit Nichtmitgliedern, wobei Öffnungstendenzen festzustellen sind. So fand eine informelle Aussprache mit dem Nichtmitglied Brasilien statt, das die Teilnehmer um eine Diskussion im Zusammenhang mit dem Flugzeug-Sektorabkommen gebeten hatte.

2004 verabschiedeten die Mitglieder des Arrangements einen Vorgehensleitfaden zum Informationsaustausch mit Nichtmitgliedern.

Im Rahmen der Exportkreditgruppe der OECD wurden die Diskussionen zum Thema Best Practices in der Korruptionsbekämpfung weitergeführt. Verschiedene Länder stellten dabei ihre nationalen Regeln und Verfahren im Bereich Exportrisikoagentur und Korruption vor. Die Schweiz hat in diesem Zusammenhang ein Diskussionspapier, das ein Stufenverfahren für die Begutachtung von Anträgen vorsieht, erarbeitet und in der Exportkreditgruppe präsentiert.

7.2.4

Umschuldungen

Die Schweiz war von den multilateralen Umschuldungen, die im Rahmen des Pariser Klubs vereinbart worden sind, in den nachfolgend beschriebenen Fällen betroffen.

Die in die Umschuldung mit Kenia fallenden öffentlichen Guthaben der Schweiz liegen unter dem Schwellenwert von einer Million Sonderziehungsrechten («de minimis»-Klausel); daher nahm die Schweiz lediglich als Beobachter an der multilateralen Umschuldungsverhandlung mit Kenia teil. Die unter der zweiten bilateralen Umschuldung fälligen Zahlungen müssen von Kenia weiterhin nach den normalen Bedingungen bedient werden. Der Betrag, den die Gläubigerländer Kenias insgesamt umschuldeten, belief sich auf 353 Millionen US-Dollar.

Nachdem Honduras (HIPC-Land) das vom Internationalen Währungsfonds und von der Weltbank implementierte Programm zur Entschuldung hochverschuldeter armer Länder erfolgreich abgeschlossen hat, vereinbarte der Pariser Klub im April mit Honduras ein neues Umschuldungsabkommen. Die gesamte Schuldenreduktion erreicht nun 90 Prozent. Die Umschuldungsmasse belief sich insgesamt auf 360 Millionen US-Dollar, wovon der Anteil der Schweiz etwa eine Million Franken ausmacht.

1212

Auf der Basis eines vom Internationalen Währungsfonds gewährten Unterstützungsprogramms handelte der Pariser Klub im Juni mit Gabun ein multilaterales Umschuldungsprotokoll über 717 Millionen Euro aus. Die darin enthaltenen Schulden gegenüber der Schweiz belaufen sich auf 6,7 Millionen Franken, die im Rahmen eines bilateralen Abkommens geregelt werden.

Madagaskar hat das HIPC-Programm ebenfalls erfolgreich durchlaufen und konnte mit dem Pariser Klub ein weiteres Umschuldungsabkommen mit einer Gesamtschuldenreduktion von 90 Prozent vereinbaren. Die Schweiz wird Madagaskar die gesamten noch verbleibenden Schulden im Umfang von zirka zehn Millionen Franken erlassen. Diese hatte der Bund im Zuge des 1991 im Rahmen der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft initiierten Entschuldungsprogramms der ERG abgekauft.

Am 21. November vereinbarten die Gläubigerländer des Pariser Klubs, dem Irak einen Schuldenerlass von 80 Prozent zu gewähren. Dieser soll phasenweise erfolgen und an die Fortschritte unter dem Programm des IWF gebunden sein. In einem ersten Schritt soll ein Grossteil der Verzugszinsen erlassen werden. Die Restschuld soll restrukturiert und über 23 Jahre mit einer Karenzfrist von sechs Jahren zurückgezahlt werden. Die Gesamtschuld Iraks von 38,9 Milliarden Dollar gegenüber den Gläubigerländern des Pariser Klubs wird sich damit auf 7,8 Milliarden Dollar reduzieren. Mit diesem Schuldenerlass soll erreicht werden, dass der Irak zu einer nachhaltigen Schuldensituation gelangt und Mittel für den Wiederaufbau freigestellt werden. Die Forderungen der Schweiz gegenüber dem Irak belaufen sich auf rund 330 Millionen Franken, deren Regelung in einem bilateralen Abkommen erfolgen wird.

Die im Jahre 2003 im Pariser Klub unter der Bezeichnung «Evian Approach» eingeführten Restrukturierungsgrundsätze kamen im Berichtsjahr erstmals zur Anwendung. So wurde die Nachhaltigkeit der Aussenverschuldung Kenias auf der Basis einer vom Internationalen Währungsfonds ausgearbeiteten Schuldennachhaltigkeitsanalyse evaluiert, und die Bedingungen des multilateralen Umschuldungsprotokolls wurden entsprechend festgelegt. Im Fall von Kenia war keine Schuldenreduktion nötig, da die Nachhaltigkeit der Schuldensituation über die gewährte Umschuldung geregelt werden konnte.

7.3

Exportförderung

Seit 1. Januar 2004 gilt für das Business Network Switzerland (Osec) ein neuer Leistungsauftrag des seco. Schwerpunkte bilden die Kundenorientierung, die Subsidiarität gegenüber privaten Leistungsanbietern, die Netzwerkkoordinationsfunktion der Osec sowie Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten des seco gegenüber der Osec.

Gemäss Bundesbeschluss vom 25. September 2003 über die Finanzierung der Exportförderung für die Jahre 2004 bis 2007 (BBl 2003 6901) hat das Parlament den Exportförderungskredit vorerst bis Ende 2005 befristet und gleichzeitig den Bundesrat beauftragt, die Umsetzung des am 1. März 2001 in Kraft getretenen Exportförderungsgesetzes (SR 946.14) einer Evaluation zu unterziehen und mindestens drei

1213

alternative Strategiemodelle zu erarbeiten. Mit der Evaluation der Exportförderung wurde die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) beauftragt.

Wesentliche Verbesserungen in der Ausgestaltung der Schweizer Exportförderung konnten bereits mit dem neuen, seit 1. Januar 2004 gültigen Leistungsauftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft an die Osec erreicht werden. Schwerpunkte bilden die Kundenorientierung, die Subsidiarität gegenüber privaten Leistungsanbietern und die Netzwerkkoordination bei der Mandatsausübung der Osec sowie die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten des seco gegenüber der Osec.

Eine weitere durch die Parlamentsdebatte im Vorjahr ausgelöste Veränderung im Dienstleistungsangebot der Osec betraf ihr privatwirtschaftliches Ausbildungsangebot. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips hat der Osec-Aufsichtsrat die Osec School for International Business im Dezember 2003 in die Privatwirtschaft ausgelagert.

Damit erbringt die Osec keine nennenswerten privatwirtschaftlichen Dienstleistungen mehr.

Im ersten Semester des Berichtsjahres fand zusätzlich ein Führungswechsel bei der Osec statt. Der neu zusammengesetzte Aufsichtsrat und der neue CEO orientieren sich noch konsequenter an den Kundenbedürfnissen sowohl in der Beratung als auch im Messebereich und Informationswesen, dies in strikter Einhaltung des gesetzlich verankerten Subsidiaritätsprinzips. Auch werden die anderen privaten und staatlichen Dienstleistungen auf dem Gebiet der Export- und Aussenwirtschaftsförderung besser in die Leistungserbringung der Osec einbezogen.

Höhepunkt des Berichtsjahres war das im November in Zürich durchgeführte vierte Forum der Schweizer Aussenwirtschaft, das die Osec mit der Unterstützung von SOFI (Swiss Organisation for Facilitating Investments), ERG (Exportrisikogarantie), SIPPO (Swiss Import Promotion Program), SIHK (Schweizerischen Industrieund Handelskammern) und SwissCham organisiert hat.

Parallel dazu lancierte das seco das Projekt Business Network Switzerland. Ziele dieses Projekts sind eine Vereinfachung des Zugangs zu den Aussenwirtschaftsförderungsinstrumenten für die KMU sowie die Nutzung von Synergiepotenzialen durch eine bessere Koordination dieser Instrumente. Ein erster Erfolg des Projekts war die im Herbst 2004 erfolgte Eröffnung eines gemeinsamen Service Centers von Osec, ERG, SOFI und SIPPO als wichtige Anlaufstelle für Internationalisierungsfragen von KMU.

7.4

Standortpromotion

«Standort: Schweiz», die Standortpromotion des Bundes, bietet potenziellen Investoren aktuelle Informationen über den Unternehmensstandort Schweiz und organisiert Plattformen für Kontakte mit den kantonalen und überkantonalen Stellen für Wirtschaftsförderung. «Standort: Schweiz» ist in den Schwerpunktmärkten Europa und Nordamerika sowie in Japan mit je einer Aussenstelle aktiv. Im Berichtsjahr wurden insgesamt 26 Investorenanlässe, 10 Messebeteiligungen, drei Journalistenreisen und drei Promotionsveranstaltungen organisiert. Weitere Meilensteine waren die Gründung einer offenen Projektplattform für die Koordination der Marktbearbeitung in China und die Lancierung einer zweiten Branchenplattform auf dem Internet (www.swiss-medtech.org).

1214

Von den Kantonen wurden für 2003 insgesamt 446 Niederlassungen gemeldet, womit 2091 neue Stellen geschaffen wurden, zu denen die Standortpromotion wesentlich beigetragen hat. Diese Zahlen werden auch für 2004 erhoben werden.

Die gesetzliche Grundlage von «Standort: Schweiz» ist der Bundesbeschluss vom 6. Oktober 1995 zur Förderung der Informationen über den Unternehmensstandort Schweiz (SR 951.972). Dieser ist am 1. März 1996 in Kraft getreten, auf zehn Jahre befristet und läuft Ende Februar 2006 aus.

Der Bundesrat hat am 17. November die Botschaft zum Bundesgesetz zur Förderung der Information zum Unternehmensstandort Schweiz (BBl 2004 7235) verabschiedet. Er beantragt die Weiterführung und Stärkung von «Standort: Schweiz» mit einem jährlichen Zahlungsrahmen von 4,9 Millionen Franken für 2006 und 2007.

Damit sollen die bisher geleistete Aufbauarbeit weitergeführt, die Bearbeitung angestammter Märkte gezielt gestärkt, wichtige Zukunftsmärkte neu bearbeitet, ein elektronisches Projektmanagement und ein Qualitätsmanagement eingeführt, die Marktbeobachtung intensiviert und die Wirkungsmessung weiterentwickelt werden.

Die Finanzierung des Programms ist auf die zwei Jahre 2006 und 2007 begrenzt.

Damit soll ein Vorgreifen auf eine allfällige Neuausrichtung der Landeswerbung vermieden werden. Diese hat der Bundesrat durch die Annahme von zwei parlamentarischen Postulaten (04.3199 WAK-S «Koordination der Landeswerbung»; 04.3434 WAK-N «Konzept für eine koordinierte Landeswerbung der Schweiz») eingeleitet.

7.5

Tourismus

Der internationale Tourismus verzeichnete im Berichtsjahr eine zweistellige Wachstumsrate. Er fand zum langjährigen Wachstumstrend zurück, der aufgrund einer einmaligen Folge exogener Ereignisse, wie die Terroranschläge vom 11. September 2001, unterbrochen worden war. Trotz gestiegener Volatilität der Nachfrage brachte 2004 auch für die Schweiz als Tourismusland die Wende. Der Aufschwung wurde von der exportorientierten Schweizer Beherbergungswirtschaft herbeigeführt. Die Übernachtungen der ausländischen Hotelgäste nahmen um beachtliche sieben Prozent zu. Bei der Binnennachfrage war demgegenüber nur ein geringfügiges Wachstum von rund einem halben Prozent zu verzeichnen. Der konjunkturelle Aufschwung im In- und Ausland belebte den Geschäfts-, Messe- und Konferenztourismus nachhaltig. Beim Ferientourismus sorgte vor allem die Nachfrage aus Übersee für Impulse. Es wird allerdings noch beträchtliche Anstrengungen erfordern, um die grossen Verluste der letzten Jahre wettzumachen.

Die wichtigste aussenwirtschaftliche Aufgabe der Tourismuspolitik des Bundes bestand in der Sicherstellung der Finanzierung von Schweiz Tourismus. Diese Organisation hat die gesetzliche Aufgabe, Gäste für die Schweiz als Reise- und Tourismusland anzuziehen. Der Bundesrat hatte mit der Botschaft vom 12. März 2004 eine Finanzhilfe von 200 Millionen Franken für fünf Jahre beantragt (BBl 2004 1585).

Die Bundesversammlung bewilligte 138 Millionen Franken lediglich für drei Jahre (BBl 2004 5517). Sie verlangte ein neues Konzept für eine bessere Koordination des schweizerischen Auftritts im Ausland. Dabei soll in erster Linie abgeklärt werden, wie die imagewirksamen Tätigkeiten der verschiedenen Promotionsinstrumente des Bundes noch besser gebündelt und allfällige Doppelspurigkeiten abgebaut werden können. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat als federführendes Amt die Vorar1215

beiten begonnen. Es ist vorgesehen, dem Bundesrat bis Mitte 2005 ein neues Konzept für die Landeswerbung vorzuschlagen und anschliessend so rasch als möglich eine Vorlage an die eidgenössischen Räte vorzubereiten.

Im bilateralen Bereich wurde am 15. Juni 2004 im Beisein des chinesischen VizePremierministers und des Bundespräsidenten eine Tourismusvereinbarung zwischen der Volksrepublik China und der Schweiz abgeschlossen (SR 0.935.222.49; AS 2004 4237). Mit der Vereinbarung erhält die Schweiz den Status einer für chinesische Gruppenreisen zugelassenen Destination (ADS). Bisher konnten nur Geschäftsreisende die Schweiz besuchen. Diese Vereinbarung erleichtert insbesondere die Visaerteilung. Aufgrund des guten Rufs der Schweiz als Tourismusland ist damit zu rechnen, dass die heute noch bescheidene Anzahl von rund 62 000 Besuchern mit der Gewährung des ADS signifikant zunehmen wird.

Im multilateralen Bereich führte die Schweiz 2004 den Vorsitz der Europakommission der Weltorganisation für Tourismus und des Tourismuskomitees der OECD.

Sie organisierte für die Weltorganisation, die Anfang 2004 in eine Spezialorganisation des UN-System umgewandelt wurde, eine Veranstaltung über die Zukunft traditioneller Destinationen in entwickelten Ländern. Die OECD veröffentlichte eine Studie über die Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Innovationsförderung, die von der Schweiz initiiert und unterstützt wurde.

1216

8

Beilagen

8.1

Beilagen 8.1.1­8.1.3 Teil I:

8.1.1

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 1 des Aussenwirtschaftsgesetzes (zur Kenntnisnahme)

Anhänge zu «Strategische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik» (Ziff. 1 des Berichts)

Anhänge: Anhang 1:

Querbezüge der Aussenwirtschaftspolitik

Anhang 2:

Die aussenwirtschaftliche Verflechtung der Schweiz im Internationalen Vergleich

1217

Anhang 1

Querbezüge der Aussenwirtschaftspolitik zur Aussenpolitik, zur Sicherheitspolitik und zur Politik der Nachhaltigkeit Die Transformation der mittel- und osteuropäischen Länder zu Staaten mit demokratisch legitimierten Regierungen und einem marktwirtschaftlichen System, aber auch die generelle Entwicklung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehens in den neunziger Jahren ­ die Globalisierung nicht nur in ihrer wirtschaftlichen, sondern auch in ihrer gesellschaftlichen, ökologischen und politischen Dimension ­ haben den Bundesrat in zwei Berichten zu grundlegenden Standortbestimmungen in der Aussen- und Sicherheitspolitik veranlasst. Zudem wurde eine Strategie zur nachhaltigen Entwicklung erarbeitet.

Aussenpolitischer Bericht 2000 Im Aussenpolitischen Bericht des Jahres 200025 wird festgehalten, dass Aussenpolitik als Teil der Gesamtpolitik auch Interessenpolitik ist, die bezweckt, die politische und wirtschaftliche Stellung der Schweiz in der Welt zu sichern und zu stärken.

Dabei ist davon auszugehen, dass die drängenden Probleme unserer Zeit zunehmend globaler Natur sind und immer weniger von einem einzelnen Staat bewältigt werden können. Ihren Beitrag zur Lösung globaler Probleme kann die Schweiz folglich nur im engen Zusammenwirken mit anderen Staaten leisten. Aussenpolitik besteht deshalb auch in der Übernahme von Verantwortung für globale Herausforderungen auf der Basis ethischer Grundsätze. Der Einsatz für die Weiterentwicklung und die Durchsetzung des Völkerrechts ist folglich eine Konstante der Schweizer Aussenpolitik.

Bereits im Aussenpolitischen Bericht 199326 hat der Bundesrat die folgenden fünf Ziele der Aussenpolitik definiert: ­

Wahrung und Förderung von Sicherheit und Frieden

­

Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat

­

Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen

­

Förderung der Wohlfahrt

­

Abbau sozialer Gegensätze.

Die Aussenwirtschaftspolitik beeinflusst vor allem das Ziel der Wohlfahrtsförderung. Eine enge wirtschaftliche Verflechtung herbeizuführen ist ­ denkt man etwa an den Prozess der europäischen Integration ­ aber auch eine Maxime bei der Wahrung und Förderung von Frieden. Mit Massnahmen in den Bereichen der Streitverhinderung und der Streitschlichtung, der Proliferationsbekämpfung und der Embargopolitik ist die Aussenwirtschaftspolitik zudem unmittelbar in die Wahrung und Förderung von Sicherheit und Stabilität involviert. Und mit ihrer entwicklungspolitischen Dimension trägt sie zum Abbau sozialer Gegensätze bei. Die Aussenwirtschaftspolitik beachtet auch die Ansprüche, die sich durch die Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat sowie durch den nötigen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für den wirtschaftlichen Austausch ergeben.

25 26

BBl 2001 824 BBl 1994 I 153

1218

Sicherheitspolitischer Bericht 2000 Im Sicherheitspolitischen Bericht vom 7. Juni 199927 hat der Bundesrat die Strategie der Sicherheitspolitik der Schweiz dargelegt. Einen Pfeiler der Sicherheitspolitik bildet die Wirtschafts- und Aussenwirtschaftspolitik. Im Rahmen der Sicherheitspolitik ­ deren Zweck die Prävention und Bewältigung von Gewalt strategischen Ausmasses ist ­ müssen die Wirtschafts- und Aussenwirtschaftspolitik vor allem die folgenden Ziele verfolgen: ­

Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es, in erster Linie durch die Erhaltung einer hohen Beschäftigung und durch die Sicherstellung des sozialen Ausgleichs zum Wohlstand und zur politischen Stabilität des Landes beizutragen.

­

Die Aussenwirtschaftspolitik soll über die Öffnung der Märkte für eine Diversifikation bei der Herkunft und Destination der Exporte und Importe sorgen und so eine günstige Voraussetzung für die Versorgung in ausserordentlichen Lagen schaffen.

Das erste Instrument einer Aussenwirtschaftspolitik, die der Sicherheitspolitik einen hohen Stellenwert einräumt, ist die Unterstützung internationaler Vereinbarungen und Institutionen, um die Eskalation von Streitigkeiten wirtschaftlicher Natur zu vermeiden. Das zweite Instrument sind harmonisierte Exportkontrollen für zivil und militärisch verwendbare Güter als wichtiges Mittel im Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Als drittes Instrument einer sicherheitspolitisch geprägten Aussenwirtschaftspolitik dient der wirtschaftliche Austausch, umgekehrt aber auch dessen Unterbindung mit einer Embargopolitik, die politische und gesellschaftliche Vorstellungen gegenüber anderen Staaten durchzusetzen versucht. Dabei ist es für einen Kleinstaat zentral, dass dieses Instrument dem Handeln der Staatengemeinschaft insgesamt dient und nicht den Interessen einzelner Staaten. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben die sicherheitspolitischen Elemente der Aussenwirtschaftspolitik noch eine grössere Bedeutung erhalten. Wichtig ist, ein Gleichgewicht zwischen berechtigten sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Anliegen zu finden, damit handelspolitische Erleichterungen nicht durch ein Übermass an Sicherheitskontrollen im Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr sowie beim Zugang zu Wissen beeinträchtigt werden.

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 Ausgelöst durch das zunehmende internationale Bewusstsein für die globalen Probleme im Umwelt- und Entwicklungsbereich kam es 1992 zur Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro. Verabschiedet wurden die Erklärung von Rio mit 27 universell gültigen Prinzipien und die Agenda 21, ein umfassendes Arbeitsprogramm für das 21. Jahrhundert. Sie erhoben den Gedanken der Nachhaltigkeit zu einer internationalen politischen Maxime. Danach gilt eine Entwicklung als nachhaltig, wenn die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen. Aus der Konferenz für Umwelt und Entwicklung gingen auch drei völkerrechtlich verbindliche Übereinkommen hervor:

27

BBl 1999 7657

1219

die Konvention über die biologische Vielfalt28, die Rahmenkonvention über Klimaveränderungen29 und die Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation30.

Wie in der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 des Bundesrates31 ­ einer Weiterentwicklung der ersten Strategie von 1997 im Hinblick auf die Folgekonferenz in Johannesburg ­ festgehalten ist, muss die Politik ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den drei Aspekten der Nachhaltigkeit, nämlich von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, herstellen. Der Erhalt der natürlichen und menschlichen Ressourcen verbessert langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und das Wirtschaftswachstum, was wiederum eine unerlässliche Voraussetzung für die Finanzierbarkeit von Umweltschutz- und sozialen Massnahmen ist.

­

Häufig wird Nachhaltigkeit vor allem im ökologischen Sinne verstanden, was bedeutet, dass der heutige Gebrauch natürlicher Ressourcen nicht auf Kosten zukünftiger Generationen gehen soll. Dies ist besonders bei globalen Umweltproblemen wie der möglichen Klimaveränderung eine Herausforderung. Sich für kohärente und wirkungsvolle internationale Umweltregeln und -programme einzusetzen, ist eine Priorität des Bundesrates.

­

In der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit geht es zunächst um innenpolitische Themen, namentlich um die langfristige Sicherung der Finanzierung der Sozialwerke. Herausforderungen bringt vor allem der demographische Wandel mit sich. Diesem muss sowohl in der Altersvorsorge als auch in der Krankenversicherung, die allen in der Schweiz lebenden Personen den Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung zu gewährleisten hat, begegnet werden. Die aussenwirtschaftliche Verflechtung mildert diese Herausforderungen über ihren Beitrag zum Wirtschaftswachstum. Soweit die Immigration zum Wirtschaftswachstum beiträgt, sind geeignete Massnahmen zur Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses zwischen der Schweizer und der ausländischen Bevölkerung zu treffen.

­

Im vorliegenden Kontext ist die wirtschaftliche Dimension der Nachhaltigkeit von besonderer Bedeutung. Dabei beinhaltet der ökonomische Aspekt der Nachhaltigkeit nicht nur den Gedanken, dass es dank einer Wachstumspolitik zu einer Steigerung des Wohlergehens in der Schweiz heute und in Zukunft kommen soll. Die ökonomische Nachhaltigkeit bemisst sich auch daran, ob die Bedürfnisse der heutigen Generationen befriedigt sind. Dies ist für elementare Bedürfnisse in zahlreichen Weltgegenden nach wie vor nicht der Fall, was eine entsprechenden Entwicklungspolitik notwendig macht. Sie ist ein wesentlicher Teil der Politik der Nachhaltigkeit in ihrer wirtschaftlichen Dimension.

Das Ziel der Armutsbekämpfung wandelt sich mit fortschreitender Entwicklung zum Ziel der Wohlstandsförderung und der weiteren Integration der betreffenden Länder in die Weltwirtschaft. Entsprechend ist die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit nicht nur durch die Strategie in der Dimension «Rahmenbedingungen in den Partnerländern» geleitet, sondern auch durch die Strategie in der Dimension «Marktzugang im Ausland und internationales Regelwerk».

28 29 30 31

SR 0.451.43 SR 0.814.01 SR 0.311.42 BBl 2002 3946

1220

Anhang 2

Die aussenwirtschaftliche Verflechtung der Schweiz im internationalen Vergleich Die Schweiz ist traditionell ein Land mit enger aussenwirtschaftlicher Verflechtung.

Nachfolgend wird die internationale Stellung der Schweiz zuerst für einzelne wirtschaftliche Kategorien ­ Waren und Dienstleistungen sowie Direktinvestitionen ­ dargestellt. Die Zusammenhänge zwischen diesen Kategorien werden anschliessend mit einem Blick auf die Positionen der Schweizer Zahlungsbilanz beschrieben.

Waren und Dienstleistungen Im Jahr 2003 exportierte die Schweiz Waren im Wert von rund einem Drittel des Bruttoinlandprodukts und Dienstleistungen im Wert von rund 12 Prozent des BIP (rund 54 Mrd. Fr.). Die Stellung der Schweiz als Handelspartnerin wird durch einen Blick auf die Rangliste der weltweit bedeutendsten Exporteure und Importeure im Jahr 2003 deutlich (s. Abb. A1): Im Warenhandel gehörte die Schweiz zu den 20 wichtigsten Exporteuren und Importeuren. Betrachtet man die EU-15 als einen einzigen Handelspartner, rückt die Schweiz um weitere 7 Plätze nach vorne. Im Handel mit Dienstleistungen ist die Schweiz deutlich wichtiger als Exporteurin denn als Importeurin.

Abbildung A1 Position der Schweiz in der Rangliste der weltweit bedeutendesten Handelspartner (2003) Waren

Weltrang Anteil am gesamten Welthandel (in Prozent) Rang wenn EU-15 ein Partner

Dienstleistungen

Exporte

Importe

Exporte

Importe

19 1,3

18 1,2

16 1,8

24 1,1

12

11

7

14

Quelle: WTO, International Trade Statistics 2004

Für ein besseres Verständnis der Wichtigkeit des Aussenhandels für die Schweiz muss das gesamte Handelsvolumen im Verhältnis mit der Wertschöpfung der Schweiz betrachtet werden. Eine gebräuchliche Kennzahl ist die sogenannte Aussenhandelsverflechtung. Sie ist das Verhältnis zwischen der Summe der Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen einerseits und dem Bruttoinlandprodukt andererseits. Die Aussenhandelsverflechtung kleiner Länder ist tendenziell höher als jene grosser. Mit einem Index von nicht ganz 40 Prozent lag die Schweiz im Jahr 2003 im Mittelfeld der Länder vergleichbarer Grösse (vgl. Abbildung A2). Beispielsweise war die Aussenhandelsverflechtung der Schweiz höher als in Finnland, Norwegen oder Portugal, jedoch niedriger als in Schweden, Dänemark oder Österreich und deutlich geringer als in Irland und in den Benelux-Staaten.

1221

Abbildung A2 Aussenhandelsverflechtung 2003 im internationalen Vergleich (Exporte + Importe von Waren und Dienstleistungen)/2*BIP) 1.4 1.2 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2

Luxemburg

Irland

Belgien

Niederlande

Südkorea

Österreich

Schweden

Dänemark

Island

Schweiz

Kanada

Finnland

Norwegen

Portugal

Deutschland

Mexiko

Neuseeland

Türkei

Spanien

Grossbritannien

Italien

Frankreich

Griechenland

USA

Australien

Japan

0.0

Quelle: OECD, Economic Outlook

Seit 1960 hat die Aussenhandelsverflechtung der meisten OECD-Länder zugenommen (vgl. Abb. A3). In der Schweiz stieg die Verflechtung zwischen 1960 und 2003 um 50 Prozent. Besonders auffällig ist der starke Anstieg der Kennzahl in grossen Ländern wie der Türkei, den USA, Mexiko, Frankreich oder Kanada. Unter den kleineren Ländern wiesen besonders Irland, Österreich oder Belgien höhere Zunahmen auf als die Schweiz. In den EFTA-Partnern Norwegen und Island sank die Verflechtung während diesen Jahrzehnten um rund 10 Prozent.

1222

Abbildung A3 Verhältnis zwischen der Aussenhandelsverflechtung 2003 und 1960 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Türkei Spanien USA Mexiko Südkorea Irland Frankreich Österreich Kanada Belgien Italien Portugal Schweden

5.5 3.8 2.6 2.3 2.2 (1970) 2.2 2.1 (1964) 2.1 2.0 (1961) 2.0 2.0 1.8 1.8

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Deutschland Griechenland Luxemburg Finnland Neuseeland Schweiz Australien Grossbritannien Niederlande Dänemark Japan Norwegen Island

1.7 (1968) 1.6 1.6 1.6 1.5 (1972) 1.5 1.4 1.3 1.3 1.2 1.0 0.9 0.9

Quelle: OECD, Economic Outlook

In der Schweiz entfielen 2003 gut ein Viertel des Aussenhandels (Mittel aus Exporten und Importen) auf Dienstleistungen und knapp drei Viertel auf Waren. Die Aussenhandelsverflechtung kann auch für Waren und Dienstleistungen getrennt betrachtet werden: Zwischen 1960 und 2003 verdoppelte sie sich für Dienstleistungen, für Waren nahm sie um rund 40 Prozent zu. Dies zeigt, dass sich der Dienstleistungshandel dynamischer entwickelt und dadurch an Bedeutung gewonnen hat.

Direktinvestitionen Das steigende Volumen von grenzüberschreitenden Direkt- und Finanzinvestitionen ist ein zentrales Merkmal der Globalisierung der Weltwirtschaft. In der Zunahme der Direktinvestitionen widerspiegelt sich einerseits die allgemein vergrösserte Mobilität der Unternehmen in ihrer Standortwahl. Anderseits zeigt dies jedoch auch die erhöhte Bedeutung der Dienstleistungserbringung im Ausland, die mehrheitlich über eine Niederlassung im Ausland stattfindet.

Schweizer Unternehmen haben rasch das Potenzial von Investitionen im Ausland erkannt. Gemessen am absoluten Wert der Direktinvestitionen gehört die Schweiz weltweit zu den 20 wichtigsten Ursprungs- und Zielländern. Dies gilt für die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse wie auch für den im Ausland akkumulierten Kapitalstock aus Direktinvestitionen (Abb. A4). Die Schweiz ist jedoch bedeutend wichtiger als Ursprungsland von Direktinvestitionen denn als Zielland.

1223

Abbildung A4 Position der Schweiz in der weltweiten Rangliste der Direktinvestitionen Kapitalflüsse (Durchschnitt 1994­2003)

Kapitalstock (2003)

Exporte

Importe

Exporte

Importe

18 1%

6 4%

15 2%

8

3

8

Weltrang der Schweiz 11 Anteil am weltweiten 3% Investitionsvolumen Rang wenn EU-15 ein Partner 6 Quelle: UNCTAD, World Investment Report 2004

Setzt man den Kapitalstock aus Direktinvestitionen (im Inland und im Ausland) ins Verhältnis zum BIP, nimmt die Schweiz hinter Hong Kong und Singapur einen Spitzenplatz ein (Abb. A5; Hong Kong ist nicht abgebildet). Auch in dieser Abbildung wird jedoch deutlich, dass die Rolle der Schweiz als Direktinvestorin im Ausland weitaus bedeutender ist als ihre Rolle als Gastland von Direktinvestitionen.

Abbildung A5 Kapitalstock aus Direktinvestitionen relativ zum BIP (2003, in %)

im Inland

im Ausland

250

200

150

100

50

1224

Singapur

Irland

Schweiz

Schweden

Niederlande

Dänemark

Grossbritannien

Kanada

Finnland

Portugal

Frankreich

Neuseeland

Spanien

Quelle: UNCTAD, World Investment Report 2004

Australien

Deutschland

Israel

Österreich

USA

Norwegen

Mexiko

Island

Italien

Südkorea

Griechenland

Japan

Türkei

0

Die nachstehende Tabelle (Abb. A6) zeigt die Dynamik der Anlagen aus Direktinvestitionen (relativ zum BIP) im internationalen Vergleich. In der Schweiz war der Kapitalstock aus ausländischen Direktinvestitionen relativ zum BIP im Jahr 2003 6,3 mal so hoch wie 1980. Damit liegt die Schweiz im Vergleich mit den anderen OECD-Ländern weit vorne. Betrachtet man den Kapitalstock aus Schweizer Direktinvestitionen im Ausland relativ zum BIP, so hat sich dieses Verhältnis für die Schweiz deutlich weniger dynamisch entwickelt.

Abbildung A6 Kapitalstock aus Direktinvestitionen relativ zum BIP: Verhältnis 2003 und 1980 FDI-Stock im Inland

Finnland Schweden Island Spanien Mexiko Japan Frankreich Schweiz Niederlande Italien Österreich Dänemark Deutschland Neuseeland USA Australien Südkorea Grossbritannien Portugal Norwegen Kanada Griechenland Irland

27,7 21,5 13,6 (1981) 11,9 7,3 6,8 6,5 6,3 6,1 6,0 6,0 5,9 5,8 4,7 4,7 4,3 3,7 3,2 3,0 2,0 1,6 1,1 0,9

FDI-Stock im Ausland

Mexiko Irland Österreich Finnland Spanien Südkorea Schweden Norwegen Australien Portugal Dänemark Frankreich Italien Island Deutschland Schweiz Neuseeland Japan Grossbritannien Kanada Niederlande USA Griechenland

158,2 50,3 (1984) 34,9 30,1 28,5 27,9 22,6 20,8 16,9 15,2 12,1 10,3 10,0 7,5 (1981) 5,6 5,6 4,9 4,3 4,2 4,0 3,2 2,4 1.0

Quelle: UNCTAD, World Investment Report 2004; FDI = foreign direct investment

1225

Komponenten der Schweizer Zahlungsbilanz Die Zahlungsbilanz listet auf, welche Geldflüsse zwischen inländischen und ausländischen Wirtschaftsakteuren transferiert werden. Die Zahlungsbilanz wird nach dem Prinzip der doppelten Buchhaltung geführt, und daher ist ihr Saldo per Definition immer ausgeglichen. Die Zahlungsbilanz gliedert sich in vier Teile: die Ertragsbilanz, die Vermögensübertragungen, die Kapitalverkehrsbilanz und in Restposten.

In der Ertragsbilanz erscheinen die Zahlungen für ins Ausland gelieferte oder vom Ausland bezogene Waren und Dienstleistungen, die Arbeitseinkommen (Bruttolöhne von in- und ausländischen Grenzgängern), die Kapitaleinkommen (Einkommen aus Kapitalanlagen, z.B. Dividenden oder Erträge aus Direktinvestitionen) sowie die laufenden Übertragungen (z.B. Transferzahlungen von Emigranten).

Zu den Vermögensübertragungen zählen Schuldenerlasse oder Finanzhilfegeschenke.

In der Kapitalverkehrsbilanz erscheinen die grenzüberschreitenden Direktinvestitionen (z.B. Unternehmensbeteiligungen), Portfolioinvestitionen (z.B. Anlagen in Aktien oder Obligationen) sowie übrige Investitionen (z.B. Kredite).

Die Position Restposten ist die Differenz zwischen allen aus dem Ausland erhaltenen Einnahmen und den ans Ausland geleisteten Ausgaben. Eine solche buchhalterische Differenz entsteht, wenn gewisse Transaktionen nicht oder nicht vollständig erfasst wurden oder aufgrund von statistischen Fehlern.

Die Schweizer Ertragsbilanz wies zwischen 1947 und 2003 in 46 Jahren einen Überschuss aus und schloss in zehn Jahren mit einem Defizit (s. Abb. A7). Über den gesamten Zeitraum wies die Schweizer Ertragsbilanz tendenziell einen steigenden Überschuss auf. Bis zu Beginn der achtziger Jahre wurde der Ertragsbilanzsaldo im Wesentlichen durch die Schwankungen des Saldos der Waren- und Dienstleistungsbilanz bestimmt. Zu Beginn der sechziger und siebziger Jahre führten hohe Wachstumsraten des BIP ­ Phasen der konjunkturellen Überhitzung ­ zu Importüberschüssen in der Waren- und Dienstleistungsbilanz. Diese Bilanz war umgekehrt meist ausgeglichen oder positiv, wenn sich das Wachstum verlangsamte oder gar negativ wurde.

Über den Zeitraum 1950­1990 war die Waren- und Dienstleistungsbilanz im Durchschnitt ausgeglichen. Seit den neunziger Jahren ist sie immer positiv, im Wesentlichen bedingt durch
den positiven Dienstleistungssaldo. Auch in Phasen stärkeren Wachstums im Inland wies der Waren- und Dienstleistungshandel einen verhältnismässig hohen Überschuss aus. Dies dürfte teilweise durch die unterschiedliche Entwicklung von Export- und Importpreisen erklärt werden: In den neunziger Jahren erhöhten sich die Exportpreise deutlich stärker als die Importpreise.

1226

Abbildung A7 Schweizer Ertragsbilanz: Komponenten und Gesamtsaldo Mrd. CHF 70 60

Kapitaleinkommen

50

Dienstleistungen

40

Arbeitseinkommen

30

Waren 20

Übertragungen 10

Ertragsbilanzsaldo 0 -10

2001

1998

1995

1992

1989

1986

1983

1980

1977

1974

1971

1968

1965

1962

1959

1956

1953

1950

1947

-20

Der Saldo der Ertragsbilanz wurde ausserdem seit Mitte der siebziger Jahre zunehmend stärker durch die Überschüsse der Kapitaleinkommensbilanz beeinflusst.

Zwischen 1950 und 2000 stiegen die Nettokapitaleinkommen praktisch ununterbrochen. Grund für diese stete Zunahme war das Wachstum des Schweizer Nettoauslandvermögens.

Betrachtet man den Ertragsbilanzsaldo ohne Saldo der Kapitaleinkommen, verschwindet der steigende Trend im Ertragsbilanzsaldo (s. Abb. A8). Ohne die Kapitaleinkommen war der Ertragsbilanzsaldo während den achtziger Jahren sogar dauerhaft negativ, in den neunziger Jahren aber wiederum positiv.

1227

Abbildung A8 Bedeutung der Kapitaleinkommen in der Ertragsbilanz Mrd. CHF

Ertragsbilanzsaldo 60

Ertragsbilanzsaldo - Saldo Kapitaleinkommen

50

40

30

20

10

0

1228

2003

2001

1999

1997

1995

1993

1991

1989

1987

1985

1983

1981

1979

1977

1975

1973

1971

1969

1967

1965

1963

1961

1959

1957

1955

1953

1951

1949

1947

-10

8.1.2

Finanzielles Engagement der Schweiz 2004 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken

Finanzielles Engagement der Schweiz in der Weltbank (in Millionen Franken) 2003

2004

Institutionelle Verpflichtungen IBRD-Kapitalanteil IFC-Kapitalanteil MIGA-Kapitalanteil IDA-Beiträge

123,0 0 0 0 123,0

147,0 0 0 0 135,8

Spezielle Initiativen und Kofinanzierungen Global Environment Facility Global Fund for Aids, Tuberculosis and Malaria Highly Indebted Poor Countries Initiative World Bank Institute Kofinanzierung anderer Programme Konsulentenfonds und Secondments IFC-Partnerschaften

109,5 15,8 3,8 8,2 1,7 61,0 0,0 19,1

102,7 24,8 5,9 5,3 2,0 57,5 0,3 6,8

Gesamtengagement der Schweiz

232,5

249,7

Finanzielles Engagement der Schweiz in der Afrikanischen Entwicklungsbank (in Millionen Franken)

Institutionelle Verpflichtungen AfDB-Kapitalanteil AfDF-Beiträge Spezielle Initiativen und Kofinanzierungen Partnerschaften und Kofinanzierungen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtengagement der Schweiz

2003

2004

52,7 1,8 50,9

46,7 1,7 45,0

0,0 0,0 0,0

0,5 0,0 0,5

52,7

47,2

1229

Finanzielles Engagement der Schweiz in der Asiatischen Entwicklungsbank (in Millionen Franken)

Institutionelle Verpflichtungen ADB-Kapitalanteil ADF-Beiträge Spezielle Initiativen und Kofinanzierungen Partnerschaften und Kofinanzierungen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtengagement der Schweiz

2003

2004

19,0 0,4 18,6

17,8 0,4 17,3

0,0 0,0 0,0

0,0 0,0 0,0

19,0

17,8

Finanzielles Engagement der Schweiz in der Interamerikanischen Entwicklungsbank (in Millionen Franken) 2003

2004

Institutionelle Verpflichtungen IDB-Kapitalanteil IIC-Kapitalanteil FSO-Beiträge

5,9 1,2 1,3 3,4

5,2 0,5 1,2 3,4

Spezielle Initiativen und Kofinanzierungen Beiträge an den MIF Partnerschaften und Kofinanzierungen Konsulentenfonds und Secondments

0,9 0,0 0,0 0,9

0,0 0,0 0,0 0,0

Gesamtengagement der Schweiz

6,8

5,2

Finanzielles Engagement der Schweiz in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (in Millionen Franken) 2003

2004

Institutionelle Verpflichtungen EBRD-Kapitalanteil

9,6 9,6

9,6 9,6

Spezielle Initiativen und Kofinanzierungen Partnerschaften und Kofinanzierungen Konsulentenfonds und Secondments

7,4 5,7 1,7

19,9 18 1,9

17,0

29,5

Gesamtengagement der Schweiz

1230

8.1.3

Bewilligungspflichtige Versandkontrollen in der Schweiz im Auftrag ausländischer Staaten

Die im Zusammenhang mit dem WTO-Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand (SR 0.632.20, Anhang 1A.10) erlassene Verordnung vom 17. Mai 1995 über die Durchführung von Versandkontrollen (SR 946.202.8) regelt die Zulassung, Durchführung und Überwachung solcher Kontrollen (v.a. Überprüfung der Qualität, der Menge und des Preises) im Auftrag ausländischer Staaten durch spezialisierte Versandkontrollgesellschaften in der Schweiz. Solche Gesellschaften benötigen pro Auftragsland eine Bewilligung des EVD.

Nach Artikel 15 der Verordnung ist jährlich eine Liste zu veröffentlichen, in welcher die Versandkontrollstellen, die über eine Bewilligung zur Vornahme von Versandkontrollen in der Schweiz verfügen, sowie die Länder, auf die sich die Bewilligung bezieht, aufgeführt sind.

Zurzeit verfügen fünf Kontrollgesellschaften über solche Bewilligungen. Es sind dies die Société Générale de Surveillance S.A. in Genf (SGS), die Cotecna Inspection S.A. in Genf (Cotecna), das Bureau Véritas/BIVAC (Switzerland) AG in Weiningen (Véritas), die Inspectorate (Suisse) S.A. in Prilly (Inspectorate) sowie die Intertek Testing Services Switzerland Ltd in Attiswil (ITS). Die entsprechenden Bewilligungen beziehen sich auf 38 Staaten, von denen vier nicht der WTO angehören. Nachfolgend sind die betreffenden Staaten und Versandkontrollstellen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet32; das Stichdatum ist der 1. Dezember 200433.

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Angola Bangladesh Benin Bolivien Burkina Faso

Véritas ITS Véritas Inspectorate SGS Cotecna

28.

7.

21.

1.

1.

10.

Burundi Côte d'Ivoire

SGS Cotecna Véritas

1. 9.1996 15. 9.2000 15. 3.2000

Djibouti Ecuador

Cotecna SGS Cotecna Véritas ITS

15.

1.

1.

1.

27.

32 33

2.2002 6.2000 6.2000 9.1996 9.1996 8.2004

8.1996 9.1996 9.1996 9.1996 3.2001

Auf der Liste können auch Bewilligungen aufgeführt sein für Kontrollmandate, die sistiert, aber nicht beendet sind, und somit wieder operabel werden können.

Diese Liste findet sich auch auf Internetseite: (http://www.seco.admin.ch/imperia/md/content/aussenwirtschaft/grundlagen/ versandkontroll_laenderliste.pdf).

1231

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Georgien Guinea Haiti Indonesien Iran (*)

ITS SGS SGS SGS SGS Véritas ITS

15. 2.2001 1. 9.1996 12. 9.2003 9. 4.2003 1. 3.2000 6. 3.2001 2.12.2002

Kambodscha Kamerun Kenia Komoren (*) Kongo (Brazzaville) Kongo (Kinshasa) Liberia (*) Madagaskar Malawi Mali Mauretanien Moldau Mosambik Niger Nigeria Rwanda Senegal Tansania (ohne Sansibar) Tansania (nur Sansibar) Togo Tschad Uganda Usbekistan (*)

SGS SGS Véritas Cotecna Véritas SGS Véritas SGS ITS Cotecna SGS SGS ITS Cotecna SGS ITS Cotecna Cotecna SGS Cotecna Véritas ITS ITS SGS

28. 9.2000 1. 9.1996 22. 8.2003 15. 8.1996 21. 6.2000 8.12.1997 8.12.1997 16. 4.2003 22. 8.2003 3.10.2003 1. 9.1996 2.11.2000 27. 3.2001 8.12.1997 1. 9.1999 2.12.2002 22. 8.2001 18. 2.1999 1. 4.1999 1. 9.1996 2. 1.2004 27. 3.2001 7. 6.2000 10. 4.2001

Venezuela

SGS Cotecna Véritas ITS

3.

12.

12.

19.

Zentralafrikanische Republik

Véritas

1232

9.2003 9.2003 9.2003 9.2003

2. 1.2004

8.2

Beilagen 8.2.1­8.2.2 Teil II:

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 3 des Aussenwirtschaftsgesetzes (zur Genehmigung)

1233

1234