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Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee Bericht des Bundesrates gemäss Artikel 149b des Militärgesetzes vom 2. Juni 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Bericht des Bundesrates gemäss Artikel 149b des Militärgesetzes. Mit diesem Bericht informieren wir Sie über das Resultat der Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. Juni 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-1665

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Übersicht Ausgangslage Das Militärgesetz sieht in Artikel 149b «Politisches Controlling» vor, dass der Bundesrat periodisch überprüft, ob die der Armee gesetzten Ziele erreicht werden. Darüber ist der Bundesversammlung Bericht zu erstatten.

Der vorliegende Bericht orientiert sich an der bisherigen Berichterstattung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zur Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee (WEA). In diesem Rahmen hat das VBS den eidgenössischen Räten im Sommer 2019 einen Zwischenbericht zum Umsetzungsstand der WEA überwiesen. Der vorliegende Bericht des Bundesrates beschliesst die Berichterstattung zur Umsetzung der WEA an die Bundesversammlung.

Kernpunkte der WEA Die WEA wurde 2016 vom Parlament beschlossen und vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2022 von der Armee umgesetzt. Sie zielte darauf ab, die Bereitschaft, die Kaderausbildung sowie die Ausrüstung zu verbessern und die regionale Verankerung der Armee zu stärken.

Seit Beginn der WEA hat die Armee ihre Bereitschaft schrittweise erhöht. Sie hat neue Mobilmachungsabläufe geschaffen und die Mobilmachung wiedereingeführt. Parallel dazu leistete die Armee während der Umsetzungsphase der WEA sämtliche geforderten Einsätze. Dazu gehörten unter anderem die Assistenzdiensteinsätze zur Unterstützung der zivilen Behörden bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie.

Die Kaderausbildung konnte mit der WEA wirksamer gestaltet werden, indem angehende Kader ihre Funktion wieder in einer gesamten Rekrutenschule abverdienen.

Zudem wurde die militärische Ausbildung attraktiver gemacht; beispielsweise mit der Einführung einer Ausbildungsgutschrift für Milizkader, oder indem die Anerkennung der militärischen Ausbildung in der zivilen Bildungslandschaft ausgeweitet wurde.

Das Ziel der vollständigen Ausrüstung konnte nicht wie vorgesehen erreicht werden.

So bestehen trotz eingeleiteter Massnahmen zur Verbesserung der Ausrüstung der Truppe weiterhin Ausrüstungslücken. Nach Abschluss der WEA verfügt die Armee zwar über genügend Systeme, um wahrscheinliche Einsätze kurz- und mittelfristig zu leisten. Langfristig gilt es jedoch, die Armee so auszurüsten, dass sie ihre Verteidigungsfähigkeit nachhaltig stärken kann.

Um die regionale Verankerung zu verbessern, wurden mit der WEA die Territorialdivisionen
durch unterstellte Truppenkörper verstärkt. Auch die regionale Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Partnern konnte gestärkt werden.

Unterstützende Elemente der WEA Für die WEA relevant waren auch die Entwicklungen bei der Alimentierung der Armee, der Aufbau von Cyberkapazitäten, die zur Verfügung stehenden Finanzen, die Struktur und das Stationierungskonzept.

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Die Alimentierung der Bestände ist für die Armee stets eine Herausforderung ­ insbesondere bei der Miliz, aber auch beim zivilen und militärischen Berufspersonal.

Während der Umsetzung der WEA hat die Armee Massnahmen ergriffen, um die Alimentierung zu verbessern. Bei der Miliz umfassten diese unter anderem die verbesserte Vereinbarkeit von Militärdienst und Privatleben, die Flexibilisierung von Rekrutierung und Beginn des Militärdienstes oder eine verbesserte Kommunikation und Information. Beim zivilen und militärischen Berufspersonal hat die Armee beispielsweise ihre Marketingaktivitäten verstärkt, Personalrekrutierungsprozesse optimiert oder die fachliche Entwicklung der Mitarbeitenden gefördert. Abgänge aus der Armee ­ insbesondere in den Zivildienst ­ gesellschaftliche Veränderungen, sowie Schwierigkeiten ausreichend qualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten zu rekrutieren, führen dennoch dazu, dass die Alimentierungsproblematik auch nach der WEA weiter bestehen bleibt.

Mit der WEA haben sich Strukturen, Organisation und Prozesse in der Armee und in der Militärverwaltung grundlegend geändert. Dies hatte zur Folge, dass insbesondere das Militärgesetz revidiert und die Verordnung der Bundesversammlung über die Armeeorganisation angepasst wurden. Dieser Schritt wurde per 1. Januar 2023 vollzogen.

Im Umsetzungszeitraum der WEA gewann die Thematik Cyber an Bedeutung. Um die Fähigkeit zur Cyberabwehr kontinuierlich auszubauen, führte die Armee einen eigenen Cyberlehrgang ein, begann mit dem Aufbau eines Kommandos Cyber und bildete ein Cyberbataillon.

In Bezug auf die Finanzen will die Armee die Betriebsausgaben bei rund 60 Prozent des Armeebudgets stabilisieren, um dadurch Mittel für die Modernisierung und Erneuerung der Systeme sowie für Investitionen in Immobilien zu schaffen. Weiter sollen mit der von Bundesrat und Parlament beschlossenen Erhöhung des Armeebudgets in den kommenden Jahren die bestehenden Ausrüstungslücken rascher als bisher geplant geschlossen und einsatzrelevante Fähigkeiten weiterentwickelt werden können.

Parallel zur Umsetzung der WEA wurde damit begonnen, das Stationierungskonzept der Armee umzusetzen. Dieses sieht unter anderem vor, verschiedene Armee-Standorte zu schliessen und die Nutzung an den verbleibenden Standorten zu konzentrieren.

Die Umsetzung des
Stationierungskonzepts dauert länger als der Umsetzungszeitraum der WEA. Zudem wird es laufend an die sicherheitspolitischen Bedürfnisse angepasst, um auch künftigen Anforderungen zu entsprechen.

Ausblick Insgesamt hat sich die WEA bewährt. Es gilt jedoch, den Herausforderungen in den Bereichen Ausrüstung und Alimentierung in den kommenden Jahren weiterhin wirksam zu begegnen. Die Armee hat entsprechende Arbeiten aufgenommen.

Künftig wird die Ausrüstung der Armee auf einem fähigkeitsorientierten Ansatz aufbauen. Dabei werden die Rüstungsprogramme und Beschaffungen von Armeematerial aus den Fähigkeiten abgeleitet, welche die Armee erhalten oder aufbauen muss, um den gemäss dem Sicherheitspolitischen Bericht vielseitigen Bedrohungen und Gefahren angemessen begegnen zu können.

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Im Bereich der Alimentierung zeigen die getroffenen Massnahmen erste positive Effekte; ohne weiterführende Massnahmen wird die Alimentierung jedoch bis spätestens Ende der 2020er-Jahre nicht mehr im notwendigen Umfang gewährleistet sein. Vor diesem Hintergrund hat die Armee Vorschläge erarbeitet, wie die Alimentierung mittelfristig verbessert werden kann. Dazu gehören mittelfristige Optionen wie eine weiter verbesserte Vereinbarkeit von Militärdienst und Zivilleben, eine höhere Bindung von Militärdienstpflichtigen an die Armee, die Ausdehnung von Spezialfunktionen innerhalb der Armee oder die Flexibilisierung der Dienstpflichterfüllung. Aus heutiger Sicht werden diese Massnahmen jedoch nicht ausreichen, um den Bestand an Armeeangehörigen zu sichern. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat das VBS beauftragt, gemeinsam mit dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) bis Ende 2024 mögliche Optionen betreffend Dienstpflichtmodell zu evaluieren.

Um den künftigen geopolitischen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen und Herausforderungen gerecht zu werden, wird sich die Armee auch nach Abschluss der WEA kontinuierlich und vorausschauend weiterentwickeln. Diese Entwicklungen werden nicht mehr wie bis anhin mittels Armeereformen auf einen bestimmten Zeitpunkt hin umgesetzt, sondern schrittweise und über fähigkeitsbasierte Armeebotschaften sowie Gesetzesrevisionen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Veranlassung 1.2 Fokus der Berichterstattung 1.3 Abgrenzung zu anderen Themen

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Bedrohungslage

9

3

Umsetzung der WEA 3.1 Höhere Bereitschaft 3.1.1 Ausgangslage 3.1.2 Mobilmachung 3.1.3 Leistungserbringung 3.2 Effektivere Kaderausbildung 3.2.1 Ausgangslage 3.2.2 Militärische Ausbildung 3.2.3 Anerkennung der militärischen Ausbildung in Zusammenarbeit mit der zivilen Bildungslandschaft 3.2.4 Kadernachwuchs 3.3 Vollständige Ausrüstung 3.3.1 Ausgangslage 3.3.2 Grundsatz 3.3.3 Umsetzung während der WEA 3.3.4 Weitere Verbesserungen nach Abschluss der WEA 3.4 Regionale Verankerung 3.4.1 Ausgangslage 3.4.2 Regionale Ansprechpartner 3.4.3 Dezentralisierung von Material

9 10 10 10 11 12 12 12

Weitere Berichtspunkte 4.1 Alimentierung 4.1.1 Angehörige der Armee (Miliz) 4.1.1.1 Angepasste Rekrutierung und differenzierte Zuteilung 4.1.1.2 Reduktion der medizinisch bedingten Abgänge während der Rekrutenschule 4.1.1.3 Vereinbarkeit von Privatleben, ziviler Ausbildung und Militärdienst 4.1.1.4 Kommunikation und Information 4.1.1.5 Nutzung des Potenzials von Frauen in der Armee 4.1.2 Militärisches Berufspersonal 4.1.3 Ziviles Personal 4.2 Aufbau von Cyberkapazitäten

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4.3 4.4 4.5

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4.2.1 Cyberlehrgang der Armee 4.2.2 Kommando Cyber 4.2.3 Cyber-Miliz Finanzen Struktur Stationierungskonzept 4.5.1 Ausgangslage 4.5.2 Stand der Umsetzung 4.5.3 Entwicklung nach Abschluss der WEA

Ausblick 5.1 Zielbild und Strategie Schweizer Armee der Zukunft 5.2 Entwicklung von Fähigkeiten 5.2.1 Fähigkeitserhalt und -aufbau 5.2.2 Fähigkeitsorientierte Streitkräfteentwicklung 5.3 Alimentierung 5.3.1 Optionen zur mittelfristigen Verbesserung der Alimentierung 5.3.1.1 Anerkennung der militärischen Ausbildung 5.3.1.2 Rekrutierung und Bindung von Militärdienstpflichtigen 5.3.1.3 Neue Soldatengruppe mit Sonderfunktion 5.3.1.4 Flexibilisierung bei Grundausbildung und Ausbildungsdiensten 5.3.1.5 Weitere Massnahmen 5.3.2 Zukunftsgerichtete Verbesserungen Fazit 44

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28 28 29 29 30 31 31 31 32 33 33 34 34 36 36 37 37 37 40 41 42 43

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Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Veranlassung

Das Militärgesetz vom 3. Februar 19951 (MG) sieht in Artikel 149b «Politisches Controlling» unter Absatz 1 vor, dass der Bundesrat periodisch überprüft, ob die der Armee gesetzten Ziele erreicht werden, und dass er der Bundesversammlung darüber Bericht erstattet. Die zuständigen parlamentarischen Kommissionen bestimmen Form und Gegenstand der Berichterstattung.

Der erste Bericht gemäss Artikel 149b Absatz 1 MG wurde dem Parlament am 13. Februar 20082 unterbreitet. In der Legislaturperiode 2012­2015 verzichtete der Bundesrat auf eine separate Berichterstattung, weil mit dem Armeebericht vom 1. Oktober 20103 und den nachfolgenden Zusatzberichten das Parlament ausreichend mit Informationen zur Auftragserfüllung der Armee bedient war und dem Zweck von Artikel 149b MG dadurch entsprochen wurde. Zusätzlich wurden mit der Botschaft vom 3. September 20144 zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Weiterentwicklung der Armee aus Sicht des Bundesrates die inhaltlichen Anforderungen einer Berichterstattung im Sinne von Artikel 149b Absatz 1 MG erfüllt. Die Präsidenten der Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte wurden jeweils mit Schreiben des Bundesrates über den Verzicht auf eine zusätzliche Berichterstattung informiert.

Im Jahr 2016 beschloss das Parlament die Weiterentwicklung der Armee (WEA). Am 7. Juni 2019 überwies der Bundesrat den eidgenössischen Räten eine erste Berichterstattung gemäss Artikel 149b Absatz 1 MG zum Zwischenstand der Umsetzung der WEA.5 Die Umsetzung der WEA wurde am 31. Dezember 2022 abgeschlossen. Der vorliegende Schlussbericht wird vom Bundesrat gemäss Artikel 149b Absatz 1 MG an die eidgenössischen Räte überwiesen.

1.2

Fokus der Berichterstattung

Die Umsetzung der WEA begann am 1. Januar 2018 und dauerte bis zum 31. Dezember 2022. In den jährlichen Zwischenberichten orientierte die Gruppe Verteidigung die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte über den Stand der Umsetzung in den vier Kernpunkten höhere Bereitschaft, effektivere Kaderausbildung, vollständige Ausrüstung und regionale Verankerung. Für diese vier Kernpunkte wurden mit sogenannten Standbildern die jährlichen Ziele der Umsetzung definiert. Die Standbilder zeigten das Vorgehen zur Umsetzung der WEA im Zeitraum 2018­2022 und be1 2 3 4 5

SR 510.10 BBl 2008 2413 BBl 2010 8871 BBl 2014 6955 BBl 2019 4961

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schrieben die jeweils auf Ende der einzelnen Jahre zu erreichenden Zwischenziele.

Ebenfalls Bestandteil der Berichterstattungen waren weitere relevante Entwicklungen hinsichtlich der Alimentierung, des Aufbaus von Cyberkapazitäten, den zur Verfügung stehenden Finanzen und der Struktur. Für diese Bereiche wurden keine jährlichen Ziele festgelegt, da diese nicht massgebend waren, um den Umsetzungsstand der WEA zu beurteilen. Gleichwohl umfassen sie wichtige Aspekte die als unterstützende Faktoren für die Umsetzung der WEA von Relevanz waren.

Mit der WEA hat die Armee ihr Leistungsprofil wie auch ihre Strukturen, ihre Bereitschaft und ihre Ausrüstung angepasst. Dies wirkte sich auf die Stationierung aus, weshalb ein neues Stationierungskonzept erarbeitet wurde. Auf Empfehlung der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) wurde in den Jahresberichten zu den Standbildern 2020 und 2021 auf die Umsetzung des Stationierungskonzeptes der Armee eingegangen. Eine entsprechende Berichterstattung erfolgt auch mit dem vorliegenden WEA Schlussbericht.

Der WEA-Schlussbericht baut auf dem Zwischenbericht auf, der dem Parlament 2019 vorgelegt wurde. Zusätzlich informiert der Bundesrat bei dieser Gelegenheit die eidgenössischen Räte über das Zielbild und Strategie Schweizer Armee der Zukunft, über die Entwicklung von Fähigkeiten sowie ausführlich über die vorgesehenen Massnahmen im Bereich der Alimentierung (wie im ersten und zweiten Teil des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz vom 30. Juni 20216 bzw. 4. März 20227 in Aussicht gestellt).

1.3

Abgrenzung zu anderen Themen

Der vorliegende Bericht fokussiert auf die Umsetzung der WEA. Parallel zur Umsetzung der WEA bearbeitete das VBS drei weitere Vorhaben: die Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums, die Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Bodentruppen und die Gesamtkonzeption Cyber. Diese stimmen mit der Stossrichtung der WEA überein. Sie werden im vorliegenden Bericht nicht behandelt, bei Abhängigkeiten jedoch erwähnt.

Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Armee sind im WEASchlussbericht nicht explizit enthalten. Dazu hat das VBS die sicherheitspolitischen Folgen des Krieges in Form eines Zusatzberichts zum Sicherheitspolitischen Bericht (Sipol-B) 20218 aufgearbeitet, der die Auswirkungen des Kriegs gemessen an den Kernaussagen des Sipol-B 20219 beurteilt. Der WEA-Schlussbericht berücksichtigt diese Beurteilung.

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BBl 2021 1555 BBl 2022 665 BBl 2022 2357 BBl 2021 2895

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2

Bedrohungslage

Mit dem Angriff auf die Ukraine hat Russland die Grundlagen für eine regelbasierte Friedensordnung in Europa untergraben. Dieser Krieg ist ein einschneidendes Ereignis mit nachhaltigen Folgen für die Sicherheit Europas und damit auch der Schweiz.

Es ist davon auszugehen, dass sich das sicherheitspolitische Umfeld der Schweiz als Folge des Krieges auf lange Sicht verschlechtert und volatil bleibt.

Europäische Streitkräfte richten sich wieder stärker auf die Abschreckung und Abwehr eines militärischen Angriffs aus, was sich auch auf ihre Rüstungsvorhaben auswirkt. Der Krieg in der Ukraine hat auch eine neue Dynamik für eine intensivierte sicherheits- und verteidigungspolitische Kooperation in Europa ausgelöst.

Die sicherheitspolitischen Grundlagen, Ziele und Prioritäten der Schweiz gemäss Sipol-B und Zusatzbericht zum Sipol-B liegen vor. Die darin enthaltenen Stossrichtungen sind auch mit Blick auf den Krieg zutreffend. Der Handlungsbedarf ist aber noch dringlicher als zuvor. Dies trifft für viele Bereiche zu, auf strategischer Stufe betrifft dies insbesondere den Kernbereich der Sicherheitspolitik: die Verteidigung und die Abwehr eines bewaffneten Angriffs. Die Armee hat dazu mit der WEA den Grundstein für die weiteren Arbeiten gelegt.

3

Umsetzung der WEA

Die WEA hatte zum Ziel, die Armee zu befähigen, ihre Aufträge gemäss Artikel 1 MG und dem in der Botschaft zur WEA10 beschriebenen Leistungsprofil zu erfüllen; das heisst die Kriegsverhinderung, die Verteidigung von Land und Bevölkerung, die Wahrung der Lufthoheit, die Unterstützung der zivilen Behörden und die militärische Friedensförderung im internationalen Rahmen. Dabei ging es darum, die Bereitschaft zu erhöhen, die Ausbildung insbesondere für Kader zu verbessern, die Armee wieder stärker regional zu verankern und die Formationen so auszurüsten, dass diese ihre Leistungen erbringen können. Die WEA wurde von einer Revision des MG sowie der Armeeorganisation vom 18. März 201611 (AO) begleitet und hat die Armee in diversen Bereichen verändert.

Seit Beginn der WEA wurde die Bereitschaft der Armee schrittweise verbessert. Diese Arbeiten haben sich bewährt, müssen aber nach Abschluss der WEA weitergeführt werden. Die verbesserte Kaderausbildung und die regionale Verankerung haben den mit der WEA angestrebten Stand erreicht. Die Lücken bei der Ausrüstung konnten jedoch nicht vollumfänglich geschlossen werden. In diesem Bereich wie auch bei der Alimentierung bestehen nach Abschluss der WEA weiterhin diverse Herausforderungen. Der vorliegende Bericht gibt einen Ausblick, wie die Armee damit in Zukunft umgehen wird. Dabei werden auch die bereits eingeleiteten Massnahmen und deren Wirkung aufgezeigt.

Nachfolgend werden jene Bereiche beurteilt, für die in den Standbildern zur WEA Zwischenziele vorgegeben waren. Dabei wird darauf eingegangen was erreicht wurde 10 11

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und in welchen Themenbereichen nach Abschluss der WEA weiterhin Handlungsbedarf besteht. Die Zielerreichung wird analysiert und Erfolge sowie nicht erreichte Punkte werden ausgewiesen. Dargelegt werden ferner die weiteren für die WEA relevanten Bereiche Alimentierung und Aufbau von Cyberkapazitäten sowie die zur Verfügung stehenden Finanzen und Struktur, obschon für diese keine Ziele formuliert wurden. Abschliessend wird im Ausblick die Alimentierung beleuchtet, auf die fähigkeitsorientierte Streitkräfteentwicklung eingegangen und dargestellt, wie sich die Schweizer Armee der Zukunft auf künftige Gefahren und Bedrohungsszenarien ausrichten wird.

3.1

Höhere Bereitschaft

3.1.1

Ausgangslage

Eine höhere Bereitschaft soll die Armee befähigen, die in ihrem Leistungsprofil geforderten Aufgaben zu erfüllen. Die Umsetzung der WEA zielte darauf ab, die Grundlagen dazu zu etablieren. Durch ein abgestuftes Bereitschaftssystem soll die Armee auch bei einem unerwarteten Ereignis rasch grosse Truppenteile aufbieten, ausrüsten und in den Einsatz bringen können. Damit soll sie nicht nur in der Lage sein, ihre planbaren Einsätze (bspw. subsidiäre Einsätze bei Konferenzen) durchzuführen. Sie soll auch unvorhersehbare Einsätze aus dem Stand leisten können ­ beispielsweise zur Unterstützung ziviler Behörden bei der Bewältigung von Naturkatastrophen oder bei Terrorbedrohungen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Mobilmachung zuerst mit den Milizformationen mit hoher Bereitschaft (MmhB) und ab 2020 auch mit den übrigen Formationen praktisch geübt. Dadurch sollte mit Abschluss der WEA in der gesamten Armee ein Mobilmachungssystem eingeführt sein. Parallel zur Umsetzungsphase der WEA sollte die Armee alle vorhersehbaren und nicht vorhersehbaren Einsätze leisten.

3.1.2

Mobilmachung

Mit der Umsetzung der WEA wurde die Mobilmachung in Form eines Systems der abgestuften Bereitschaft wiedereingeführt. Mit eAlarm wurde ein elektronisches Aufgebotsmittel etabliert, mit dem die Angehörigen der MmhB im Ereignisfall entweder per SMS, Telefonanruf oder E-Mail rasch aufgeboten werden können. Wer eine solche Nachricht erhält, muss diese quittieren und einrücken. Dadurch können in den ersten 24 bis 96 Stunden mehrere Tausend und ergänzend innerhalb von zehn Tagen mittels Marschbefehl bis zu 35 000 Armeeangehörige aufgeboten werden.

Wie geplant wurden Mobilmachungsübungen zunächst mit den MmhB durchgeführt.

Mit regelmässigen Test- und Ausbildungsalarmen wurden die Erreichbarkeit und das richtige Verhalten von Armeeangehörigen im Falle einer Mobilmachung trainiert. Die Übungen waren so ausgelegt, dass die Prozesse der Mobilmachung möglichst realitätsnah geschult werden konnten. Die Erfahrungen aus diesen ersten Mobilmachungsübungen zeigten, dass das Konzept praxistauglich ist und es keine Anpassungen bei den grundsätzlichen Prozessen braucht.

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Nach den erfolgreichen Mobilmachungsübungen für die MmhB sollten diese ab 2020 auch mit den übrigen Formationen der Stufe Bataillon bzw. Abteilung trainiert werden. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Assistenzdiensteinsätze wurden jedoch zahlreiche Wiederholungskurse ausgesetzt, wodurch auch die Mehrheit der vorgesehenen Mobilmachungsübungen entfiel. Ganz allgemein standen in den Jahren 2020­2022 die Assistenzdiensteinsätze zur Bewältigung der Covid-19Pandemie im Fokus der Armee. Die Prozesse der Mobilmachung wurden dadurch während der Umsetzungsphase bereits einer ersten Bewährungsprobe unterzogen: Die Armeeangehörigen wurden wie vorgesehen jeweils per eAlarm aufgeboten, ausgerüstet, einsatzorientiert ausgebildet und innert weniger Tage nach dem Einrücken eingesetzt. Diese Mobilmachung hat gezeigt, dass die Prozesse funktionieren und durchschnittlich über 80 Prozent der aufgebotenen Armeeangehörigen zur vorgegebenen Zeit einrückten.

Die erwähnten Mobilmachungsübungen wie auch die Mobilmachungen während der Covid-19-Pandemie zeigen, dass die Mobilmachung mit der WEA wieder erfolgreich etabliert worden ist. Zudem wurde die Wichtigkeit der Ausbildung in diesem Bereich verdeutlicht. Solchen Übungen kommt daher weiterhin ein hoher Stellenwert zu. Die Mobilmachungsorganisation wie auch die dazugehörenden Prozesse werden über die WEA hinaus verfeinert und erkannter Optimierungsbedarf wird laufend umgesetzt.

3.1.3

Leistungserbringung

Parallel zur Umsetzung der WEA hat die Armee verschiedene vorhersehbare sowie nicht vorhersehbare Einsätze geleistet. Von 2018 bis 2020 sowie im Jahr 2022 hat sie jeweils subsidiäre Einsätze im Rahmen des World Economic Forum (WEF) absolviert.12 Hinzu kamen weitere subsidiäre Einsätze im Bereich Konferenzschutz zugunsten mehrerer Kantone. In der militärischen Friedensförderung unterstützte die Armee diverse UNO-Missionen und führte die beiden Kontingentseinsätze zugunsten der Kosovo Force der NATO (KFOR) und der EU-Friedensmission EUFOR ALTHEA in Bosnien- und Herzegowina weiter. Zudem unterstützte die Armee das Grenzwachtkorps und erbrachte Leistungen im Rahmen der Unterstützung ziviler Tätigkeiten. Dazu gehörten zum Beispiel Grossveranstaltungen von nationaler und internationaler Bedeutung, wie das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2019 und 2022 oder die jährlich stattfindenden Skirennen im Berner Oberland.

Nebst den vorhersehbaren Einsätzen wurde die Armee auch bei überraschend eintretenden Ereignissen eingesetzt, um die zivilen Behörden zu unterstützen.

So leistete die Armee in der Zeitspanne der Umsetzung der WEA militärische Katastrophenhilfe bei der Waldbrandbekämpfung im In- und Ausland, unterstützte 2018 das Schweizerische Korps für humanitäre Hilfe (SKH) nach dem Erdbeben in Indonesien beim Transport von Fachleuten und Hilfsgütern, stand 2021 bei Überschwemmungen im Kanton Neuenburg im Einsatz und führte im Hitzesommer 2022 in mehreren Kantonen Wassertransporte zu Alpbetrieben durch. Parallel dazu leistete die Armee im Zeitraum von 2020 bis 2022 drei Assistenzdiensteinsätze zur Unterstützung 12

2021 wurde das WEF aufgrund der Covid-19-Pandemie ausgesetzt.

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der zivilen Behörden bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie; insgesamt wurden dabei rund 380 000 Diensttage geleistet.

Zeitgleich, jedoch unabhängig von der Umsetzung der WEA, wurde ein permanenter Luftpolizeidienst eingeführt: Bis 2015 konnte die Luftwaffe bei Verletzungen der Lufthoheit nur tagsüber intervenieren. Diese Einschränkung wurde in den vergangenen Jahren in Teilschritten behoben, so dass der Luftpolizeidienst Ende 2020 eine durchgehende Bereitschaft erreichte. Seither können Kampfflugzeuge im Luftraum das ganze Jahr über rund um die Uhr intervenieren.

3.2

Effektivere Kaderausbildung

3.2.1

Ausgangslage

Ein Ziel der WEA war es, die Kaderausbildung generell zu verbessern. Es galt, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, um den Nachwuchsbedarf an höheren Kadern aller Stufen für die Formationen bis Ende 2022 schrittweise zu decken.

Künftigen militärischen Kadern sollte dazu ermöglicht werden, frühzeitig wichtige Führungserfahrung zu erlangen. Zudem sollte eine Ausbildungsgutschrift für Milizkader eingeführt und die Anerkennung der militärischen Ausbildung in der zivilen Bildungslandschaft ausgeweitet werden.

3.2.2

Militärische Ausbildung

Mit der Umsetzung der WEA wurde eingeführt, dass angehende Kader wieder eine gesamte Rekrutenschule absolvieren. Anschliessend absolvieren sie die Ausbildung13 zum Unteroffizier, höheren Unteroffizier oder Offizier und verdienen den neuen Grad im praktischen Dienst während weiteren 18 Wochen ab. Bei den seit 2018 abverdienenden Kadern ist dadurch eine deutliche Qualitätssteigerung im Vergleich zur Armee XXI feststellbar: Die militärischen Kader können aufgrund des neu eingeführten Ausbildungsmodells wieder vermehrt Ausbildungs- und Führungsverantwortung übernehmen und entsprechend mehr Führungserfahrung sammeln. Dies wirkt sich positiv auf ihren Lernerfolg, ihre Motivation und somit auf den Kadernachwuchs insgesamt aus. Diese positiven Effekte für alle Kaderstufen wurden von den jungen Milizkadern wie auch vom militärischen Berufspersonal bestätigt.

3.2.3

Anerkennung der militärischen Ausbildung in Zusammenarbeit mit der zivilen Bildungslandschaft

Bereits vor der WEA hatte die Armee Massnahmen eingeleitet, um die Anerkennung der praxisbezogenen militärischen Führungsausbildung im zivilen Umfeld zu verbessern. Beispielsweise erhielten Absolventinnen und Absolventen von Ausbildungen an der Höheren Kaderausbildung der Armee (HKA) Zertifikate sowie Bildungs- und 13

www.vtg.admin.ch/de/karriere/milizkarriere.html

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Kompetenznachweise, die sie für ihre zivile Laufbahn nutzen können. Mit der WEA wurde dies auf weitere militärische Ausbildungen ausgedehnt. Zudem anerkennen mehrere Institutionen der tertiären Bildungsstufe die militärische Kaderausbildung, indem sie für Kaderlehrgänge ECTS14-Punkte an Studiengänge und Nachdiplomstudien anrechnen.

Mit der WEA wurde eine Ausbildungsgutschrift für Kader eingeführt. Diese wird abhängig von Dienstgrad und Ausbildungsdauer gewährt und kann für eine zivile, beruflich orientierte Aus- oder Weiterbildung genutzt werden. Die Aus- oder Weiterbildung, für die eine Gutschrift beantragt wird, muss nicht zwingend zu einem kantonal oder eidgenössisch anerkannten Abschluss führen. Die Gutschrift kann auch für Kurse, Seminare, Konferenzen oder Privatunterricht verwendet werden. Bedingung ist, dass es sich beim jeweiligen Anbieter um eine Schweizer Bildungsinstitution handelt oder dass die Ausbildung von einer solchen organisiert wird. Seit ihrer Einführung steigt das Interesse an der Ausbildungsgutschrift stetig. So wurden zwischen 2018 und 2022 rund 4500 Anträge bearbeitet. Die meisten Gesuche bezogen sich auf den Dienstgrad des Leutnants (60 %) und hauptsächlich auf eine Ausbildung, die zu einem Bachelor-Abschluss führt (56 %). Seit 2020 können auch Personen im Dienstgrad eines Wachtmeisters die Ausbildungsgutschrift beziehen. Bei Abschluss der WEA machten diese bereits 20 Prozent aller Gesuche aus. Seit der Einführung der Ausbildungsgutschrift hat sich die Anzahl der eingereichten Gesuche praktisch jedes Jahr verdoppelt, und auch die Zahl der Anspruchsberechtigten ist konstant gestiegen.

Dass sich die Gewährung einer Ausbildungsgutschrift förderlich auf die Kadergewinnung auswirkt, hat sich anhand der positiven Entwicklungen bestätigt.

Weiter hat die Armee ihre Partnerschaften und Kooperationen mit Schweizer Bildungsinstitutionen während der Umsetzung der WEA kontinuierlich ausgebaut. So wurden beispielsweise neue Kooperationsvereinbarungen mit Bildungsinstitutionen unterzeichnet oder langjährige Kooperationen durch neue Weiterbildungsangebote ergänzt, beispielsweise durch die beiden Certificates of Advanced Studies (CAS) Strategy with Impact und Decisive Leadership. Milizkader können so ihre militärische Führungsausbildung mit der akademischen Ausbildung verknüpfen.
Die Resonanz auf die bisher eingegangenen Partnerschaften und Kooperationen mit zivilen Bildungsinstitutionen ist sehr positiv. Die Armee wird diese daher auch in Zukunft weiter ausbauen und stärken.

3.2.4

Kadernachwuchs

Während der Umsetzungsphase der WEA ist es der Armee gelungen, die Kaderfunktionen mehrheitlich im geforderten Umfang zu alimentieren. Bei den höheren Unteroffizieren wurden die Vorgaben teilweise sogar übertroffen, was sich positiv auf den Schul- und Dienstbetrieb in den Schulen sowie die Gewinnung von Berufsmilitärs auswirkte.

14

ECTS = European Credit Transfer System zum Anrechnen von Studienleistungen

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Auf der Stufe Einheitskommandant wurde der Bedarf über die Jahre 2018­2022 gedeckt. Der Herausforderung, dass für diese Funktion ein praktischer Dienst in der Länge einer Rekrutenschule geleistet werden muss, wird mit der dadurch gewonnenen Führungserfahrung aufgewogen.

Bei den Funktionen auf Stufe Truppenkörper (Bataillone und Abteilungen) konnten während der Umsetzung der WEA mehr Kader gewonnen werden als gefordert.

Dadurch konnte die Armee seit längerem bestehende personelle Lücken in den Stäben der Truppenkörper verkleinern. Die Alimentierung ist weitgehend sichergestellt, dennoch ist es möglich, dass einzelne Formationen weiterhin unteralimentiert sind.

Bei den Funktionen auf Stufe Grosser Verband (Brigade und Division) konnte der erforderliche Nachwuchsbedarf hingegen nicht gedeckt werden. Um die geforderten Bestände langfristig sicherzustellen, muss die Nachwuchsförderung zur Besetzung von Kaderstellen auf dieser Stufe weiter vorangetrieben werden.

Um den Herausforderungen bei der Gewinnung künftiger Kader zu begegnen, prüft die Armee neue Modelle des praktischen Dienstes. Bereits heute können Kader, die ihr Studium direkt nach dem praktischen Dienst beginnen wollen, vier Wochen vor Ende der regulären Rekrutenschule entlassen werden (siehe dazu auch Ziff. 4.1.1.4).

In der Laufbahnplanung können somit Lösungen vorgeschlagen werden, die es ermöglichen, Milizdienst und zivile Laufbahn besser zu vereinbaren.

3.3

Vollständige Ausrüstung

3.3.1

Ausgangslage

Das mit der WEA angestrebte Ziel der vollständigen Ausrüstung war es, die Armee so auszurüsten, dass sie die geforderten Leistungen im gesamten Einsatzspektrum erbringen kann. Das Material für die Mittel der ersten Stunde sowie für die MmhB sollte dabei vom Material der übrigen Formationen getrennt eingelagert werden, damit es jederzeit zur Verfügung steht. Weiter galt es, für die Schulen und Kurse ausreichend Material bereitzustellen, damit die Ausbildungsziele erreicht werden können.

3.3.2

Grundsatz

Die Armee ist mit der WEA so ausgerüstet, dass sie die absehbaren Aufgaben kurzbis mittelfristig erfüllen, die geforderten Leistungen gemäss Leistungsprofil erbringen und die dazu notwendige Bereitschaft sicherstellen kann. Dafür ist es nicht erforderlich, dass sämtliches Material gleichzeitig allen Truppenkörpern und für die Grundausbildung umfassend und permanent zur Verfügung steht. Der Begriff der «vollständigen Ausrüstung» ist daher als eine Maximalvariante zu verstehen, die während der Umsetzung der WEA nicht erreicht werden konnte. Eine adäquate Ausrüstung ist dennoch Grundvoraussetzung für die Einsatzfähigkeit und Bereitschaft der Armee. Die Armee hat deshalb für die WEA Ausrüstungsgrundsätze festgelegt, die eine zweckmässige Materialzuteilung auf Einsatzformationen ermöglichen. Sie ist dadurch aktuell in der Lage, wahrscheinliche Einsätze kurz- und mittelfristig leisten und gleichzei14 / 44

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tig die Ausbildung in den Schulen und Kursen sicherzustellen. Langfristig und aufgrund der aktuellen geopolitischen Lageentwicklung gilt es jedoch, die Armee so auszurüsten und die Bevorratung so zu erweitern, dass sie künftig im Sinne der Verteidigungsfähigkeit zur Abwehr eines militärischen Angriffs fähig ist.

Ausrüstungslücken sollen in erster Linie beim Nutzungsende von Systemen durch Ersatz- und Neubeschaffungen geschlossen werden und nur wo technisch noch sinnvoll durch Nachbeschaffungen. So kann die Armee ihre zur Verfügung stehenden Mittel priorisieren und in neues, dem aktuellen Stand der Technik entsprechendes Material investieren. Bei einer Ersatzbeschaffung wird dabei eine Fähigkeit erhalten, indem bisherige Systeme durch andersartige ersetzt werden; etwa dann, wenn ein System nicht mehr produziert wird. Bei einer Neubeschaffung wird eine Fähigkeit erhalten, indem bisherige Systeme durch vergleichbare ersetzt werden; etwa dann, wenn ein zu ersetzendes System technisch weiterentwickelt wurde. Bei einer Nachbeschaffung wird eine Fähigkeit erhalten, indem bisherige Systeme durch identische ersetzt werden; dies kann zur Deckung eines durch Verbrauch, Verschleiss oder Verlust entstandenen Mehrbedarfs notwendig sein.

3.3.3

Umsetzung während der WEA

Die mit der WEA eingeleiteten Massnahmen zur Verbesserung der Ausrüstung der Truppe werden gewisse Fähigkeitsbereiche der Armee ­ beispielsweise die Panzerabwehr im Nah- und Nächstbereich, die indirekte Feuerunterstützung auf kurze Distanz oder die taktische Nachrichtenbeschaffung ­ verbessern. In anderen Bereichen bestehen aber nach wie vor Lücken, die teilweise kritisch sind. Kritisch sind Ausrüstungslücken dann, wenn die Armee die geforderten Leistungen nicht mehr erbringen und die notwendige Bereitschaft nicht mehr sicherstellen kann. Jedoch konnte die Armee auch in diesen Bereichen, namentlich bei der geschützten Mobilität, Aufklärung und Übermittlung, im Zuge der WEA diverse Beschaffungsvorhaben realisieren und unter den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen prioritäre Lücken schliessen bzw.

deren Schliessung initiieren. So können mit den Rüstungsprogrammen der vergangenen Jahre unter anderem Fähigkeiten der Bodentruppen erhalten werden. Sie werden mit modernen Telekommunikationsmitteln (im Rahmen des Programms FITANIA), einem taktischen Aufklärungssystem (Tasys), Bogenschusswaffen (8,1-cm-Mörser) und neuen ABC-Schutzanzügen15 ausgerüstet. Die Beschaffung von weiterem Armeematerial ist in Vorbereitung, wie etwa der 12-cm-Mörser (Bogenschusswaffe).

Die Systeme werden aber erst nach Abschluss der WEA bei der Truppe eingeführt.

Die Verfügbarkeit und Einlagerung des Materials wurde auf die Bedürfnisse der Einsatzformationen angepasst. Die Mittel der ersten Stunde und die MmhB können heute innert kürzester Zeit ausgerüstet und befähigt werden, ihre vorgegebenen Leistungen zu erfüllen. Dazu wurde wo möglich auch das Material separat eingelagert. Für den regulären Betrieb in den Schulen und Wiederholungskursen ist armeeübergreifend genügend Material vorhanden, damit die Ausbildungsziele erreicht werden können. Bis die entsprechenden Ausrüstungslücken geschlossen sind, greift die Armee in den Aus15

ABC steht für: atomar, biologisch und chemisch.

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bildungsdiensten übergangsweise auf das Material von Einsatzformationen zurück, beispielsweise bei den mechanisierten Formationen.

3.3.4

Weitere Verbesserungen nach Abschluss der WEA

Der Ausrüstungsgrad der Truppe muss auch nach Abschluss der WEA fortlaufend verbessert werden. 2022 hat das Parlament zwei Motionen angenommen, die eine schrittweise Erhöhung des Armeebudgets auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) bis 2030 fordern. Der Bundesrat unterstützt die schrittweise Erhöhung Armeeausgaben, wird deren Entwicklung aber laufend mit Blick auf die Gesamtausgaben des Bundeshaushalts beurteilen. So hat der Bundesrat aufgrund der drohenden Defizite im Bundeshaushalt ab 2024 am 25. Januar 2023 bereits beschlossen, dass das Ziel, die Armeeausgaben auf 1 Prozent des BIP anwachsen zu lassen, bis 2035 erreicht werden soll. Auch mit der verzögerten Erhöhung der Armeeausgaben können ­ vorbehaltlich möglicher Kürzungen ­ geplante Vorhaben vorgezogen werden, bestehende Lücken werden jedoch weniger rasch geschlossen. Kurz- bis mittelfristig sollen die Truppen beispielsweise mit neuen geschützten Führungsfahrzeugen ausgestattet werden, welche die über 60-jährigen Schützenpanzer M113 ersetzen. Die Panzersappeur-Formationen erhalten eine zweite Tranche von geschützten Radfahrzeugen, und mit der Beschaffung von zusätzlicher Munition (Ergänzung des Munitionsvorrats, Beschaffung neuer Munitionstypen und Erneuerung vorhandener Munition) soll die Durchhaltefähigkeit der eingesetzten Truppen verbessert werden.

Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg und angesichts des vom Bundesrat und Parlament beschlossenen Wachstums des Armeebudgets aktualisierte die Armee in der ersten Jahreshälfte 2022 die Planung für Investitionen in den kommenden Jahren. Unter der Prämisse, dass das Armeebudget bis 2030 auf ein Prozent des BIP erhöht wird, zeigt die am 7. September 2022 veröffentlichte Investitionsplanung der Armee 2023 bis 203516 die geplanten Investitionen der Armee in den kommenden Jahren auf.

Wie das Fähigkeitsprofil der Armee künftig ausgestaltet sein wird, ist unter Ziffer 5.2 skizziert und wird in der fähigkeitsorientierten Armeebotschaft 2024 ausführlich behandelt werden.

3.4

Regionale Verankerung

3.4.1

Ausgangslage

Um die Armee regional besser zu verankern, wurden mit der WEA die vier Territorialdivisionen durch direkt unterstellte Truppenkörper verstärkt, und zwar durch je ein Stabsbataillon, vier Infanteriebataillone (im Fall der Territorialdivision 1 sind es aufgrund der geografischen Ausdehnung deren fünf), ein Geniebataillon und ein Rettungsbataillon. Durch diese Massnahme können die Territorialdivisionen die zivilen 16

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Behörden bei Unterstützungseinsätzen oder Katastrophenhilfen rasch und flexibel unterstützen. Ausserdem soll dadurch die zivil-militärische Zusammenarbeit vertieft werden.

Während der Umsetzung der WEA galt es, die den Territorialdivisionen neu unterstellten Formationen zu integrieren. Das bedeutet, dass die Formationen ihre Ausbildungsdienste und teilweise auch Einsätze seither in den neuen Strukturen leisten.

Ebenfalls Teil der regionalen Verankerung war die Dezentralisierung des Materials.

Das heisst jeder Verband übernimmt seine Ausrüstung zu Beginn eines Wiederholungskurses wie auch bei einer Mobilmachung in dem ihm zugewiesenen Armeelogistikcenter. Die Zusammenarbeit zwischen Territorialdivisionen, Formationen und Armeelogistikcentern wurde jährlich überprüft und gemeinsam trainiert. Dabei wurde das Ziel verfolgt, dass die jeweiligen Ansprechpartner wie auch die örtlichen Verhältnisse bekannt sind und die Abläufe eingespielt werden.

3.4.2

Regionale Ansprechpartner

Wie mit der Umsetzung der WEA geplant, wurden im Jahr 2018 die vorgesehenen Truppenkörper neu den Territorialdivisionen unterstellt. Auch die mit dem Stationierungskonzept für 2018 vorgesehenen Wechsel von Kommandostandorten und Rekrutierungszentren wurden vollzogen. Die neuen Rekrutierungsstandorte haben den Betrieb erfolgreich aufgenommen und die ersten Ausbildungsdienste der Formationen sowie Übungen in den Regionen wurden wie geplant durchgeführt. Die Zusammenarbeit zwischen den Territorialdivisionen, Armeelogistikcentern und medizinischen Zentren der Regionen wurde gestärkt. Dies bewährte sich bereits im Rahmen der Bewältigung der Covid-19-Pandemie. Auch diverse während der WEA umgesetzte oder initialisierte Immobilienprojekte haben zur regionalen Verankerung beigetragen.

3.4.3

Dezentralisierung von Material

Mit der Umsetzung der WEA ist seit 2018 jeder Truppenkörper einem der fünf Armeelogistikcenter in Grolley, Hinwil, Monteceneri, Othmarsingen und Thun zugeteilt.

So übernimmt jeder Verband die entsprechende Ausrüstung zu Beginn eines Wiederholungskurses oder bei einer Mobilmachung immer am selben Ort. Diese Neuerung wurde sowohl von Rekruten- und Kaderschulen als auch bei Wiederholungskursen positiv beurteilt. Allerdings konnte das Material während der Umsetzung der WEA wegen der beschriebenen Ausrüstungslücken nicht vollständig dezentralisiert werden.

Das führte dazu, dass einrückende Formationen aller Truppengattungen teilweise weiterhin grosse Distanzen zurücklegen müssen, um die Ausrüstung in den Armeelogistikcentern zu übernehmen bzw. abzugeben.

Die Dezentralisierung des Materials bleibt auch über den Umsetzungszeitraum der WEA hinaus eine Herausforderung. Die weitere Dezentralisierung ist vom vorhandenen Material wie auch von der Infrastruktur abhängig.

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4

Weitere Berichtspunkte

4.1

Alimentierung

Die Alimentierung der Armee mit genügend Personal ist eine wesentliche Voraussetzung, damit die Armee ihre Leistungen erbringen kann. Dies gilt schwergewichtig für die Miliz (Soldempfänger) ­ aber auch für das militärische und zivile Berufspersonal der Gruppe Verteidigung (Lohnempfänger). Während der Umsetzungsphase der WEA führten Abgänge aus der Armee ­ insbesondere in den Zivildienst ­, gesellschaftliche Veränderungen sowie Schwierigkeiten ausreichend qualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten zu rekrutieren, dazu, dass die Alimentierungsproblematik auch nach der WEA bestehen bleibt.

Die Armee muss über einen Sollbestand von 100 000 Militärdienstpflichtigen verfügen, damit sie ihre Aufgaben gemäss Leistungsprofil erfüllen kann. Da in einer Milizarmee nie sämtliche Armeeangehörige für einen Einsatz verfügbar sind, wurde mit der WEA ein Effektivbestand von 140 000 Militärdienstpflichtigen festgelegt. Damit ist sichergestellt, dass im Einsatz genügend Personal zur Verfügung steht (durchschnittliche Ausfall- und Dispensationsquote miteinberechnet). Der Sollbestand bildet dabei die relevante Definitionsgrösse des Armeebestandes. Jede Formation der Armee hat einen Sollbestand, das heisst einen Bestand, der nötig ist, damit die geforderte Leistung in einem Einsatz gemäss den übergeordneten Prinzipien und Einsatzverfahren erbracht wird. Der Sollbestand der Armee ist dabei die Summe aller Sollbestände der Formationen. Der Effektivbestand umfasst dahingegen die Gesamtheit der in den Stäben und Formationen der Armee eingeteilten Armeeangehörigen. Weil erfahrungsgemäss nicht alle eingeteilten Armeeangehörigen zu Einsätzen und Ausbildungsdiensten einrücken, muss der Effektivbestand um einen Faktor von rund 1,4 höher angesetzt werden als der Sollbestand.

Am 1. Januar 2023 betrug der Sollbestand rund 99 000 und der Effektivbestand rund 147 000 Armeeangehörige. Diese Zahlen lassen annehmen, dass die Armee über genügend Personal verfüge und die Bestände gesichert seien. Die Überschreitung des Effektivbestandes ist aber eine Folge der Übergangsbestimmungen der Verordnung vom 22. November 201717 über die Militärdienstpflicht. Diese gaben vor, die Dauer der Militärdienstpflicht von Unteroffizieren, Gefreiten und Soldaten, die vor Beginn der Umsetzung der WEA ihren Militärdienst begonnen hatten, auf das im MG
festgeschriebene Maximum von zwölf Jahren zu legen. Der Bundesrat wollte damit den Bestand im Hinblick auf besondere Lagen um zwei zusätzliche Jahrgänge erhöhen.

Da die Übergangsbestimmung ab 2018 auf fünf Jahre begrenzt war, wird die Armee die ursprünglich für 2028 und 2029 vorgesehene Entlassung der Armeeangehörigen aus der Militärdienstpflicht von je zwei Jahrgängen vorziehen. Dadurch wird die rechtliche Vorgabe des Effektivbestandes eingehalten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Armee bei gleichbleibenden Rekrutierungs- und Abgangswerten langfristig nicht in der Lage sein wird, den Effektivbestand von 140 000 Armeeangehörigen zu halten.

Eine weitere Problematik sind die zu tiefen Bestände in den Wiederholungskursen, was keinen Zusammenhang mit dem Effektivbestand hat. Ein Grund dafür ist die hohe 17

SR 512.21

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Zahl an Armeeangehörigen, die zwar noch militärdienstpflichtig sind, ihre Ausbildungsdienstpflicht aber bereits absolviert haben. Zudem bedeutet die mit der WEA eingeführte Änderung des Ausbildungsmodells (sechs Wiederholungskurse in zehn Jahren, kürzere Rekrutenschule, weniger Diensttage), dass die Armeeangehörigen nicht jedes Jahr in Wiederholungskurse einrücken müssen, um ihre Dienstpflicht zu erfüllen.

Aktuell verlassen deutlich mehr Armeeangehörige vorzeitig die Armee, als zu Beginn der WEA angenommen wurde. Gründe sind Abgänge in den Zivildienst, medizinische Ausfälle, Dienstbefreiung (bspw. Angehörige der Polizei, Pflegefachleute oder Seelsorger) oder Ausschluss wegen Untragbarkeit. Im Jahr 2022 haben beispielsweise von allen für tauglich befundenen Stellungspflichtigen rund 18 Prozent die Armee bereits vor dem Eintritt in die Rekrutenschule verlassen; eine grosse Mehrheit wechselte in den Zivildienst. Die Zulassungszahlen zum Zivildienst werden in den grösseren Zusammenhang mit der Zahl endgültig als militärdiensttauglich beurteilter Stellungspflichtiger gestellt. Die Militärdiensttauglichkeit ist eine Voraussetzung, um zum Zivildienst zugelassen werden zu können. Wenn bei der Rekrutierung in einem Kalenderjahr mehr Stellungspflichtige als militärdiensttauglich beurteilt werden, kann sich dies bei den Zulassungszahlen zum Zivildienst auf die Kategorie von Personen auswirken, die ihr Gesuch um Zulassung vor der Rekrutenschule eingereicht haben.

Zu dieser Kategorie «Zulassung mit Gesuch vor Beginn Rekrutenschule» werden jedoch auch jene Personen gezählt, die in einem früheren Jahr als militärdiensttauglich rekrutiert wurden, die Rekrutenschule aber verschoben haben und vor ihrem Beginn der Rekrutenschule ein Zivildienstgesuch einreichten. Die Anzahl Zulassungen vor Beginn der Rekrutenschule kann somit nicht in einen direkten Zusammenhang mit den als militärdiensttauglich beurteilten Stellungspflichtiger desselben Kalenderjahres gestellt werden.

Die Abgänge in den Zivildienst haben sich auf einem hohen Niveau stabilisiert. Sie sind für die Armee problematisch, da sich in den letzten sieben Jahren, mit Ausnahme des Covid-19-Jahres 2020, jährlich über 6000 militärdiensttaugliche Schweizer Bürgerinnen und Bürger vor, während oder nach der Rekrutenschule entscheiden, in den Zivildienst zu
wechseln. Besonders bedauerlich für die Armee sind die Abgänge nach abgeschlossenem Grundausbildungsdienst, denn damit verliert sie ausgebildete und einsatzbereite Armeeangehörige. Darüber hinaus verursacht die Ausbildung eines jeden einzelnen Armeeangehörigen Kosten von rund 30 000 Franken (Soldaten) bis rund 84 000 Franken (Offiziere). Im Jahr 2021 traten knapp 2000 Armeeangehörige nach der Rekrutenschule in den Zivildienst über.18 Dieser Übertritt verursacht finanzielle Kosten, die für das Jahr 2021 auf rund 69 Millionen Franken geschätzt werden.

Unter den folgenden Ziffern wird der aktuelle Stand der Alimentierung beschrieben und aufgezeigt, welche Massnahmen seit Beginn der Umsetzung der WEA ergriffen wurden und wie diese wirken. Allgemein lässt sich festhalten, dass der Armeebestand über drei Elemente gesteuert werden kann: die Anzahl der zur Verfügung stehenden Personen, die Länge der Dienstzeit und die Anzahl der Abgänge. Bis anhin hat die 18

Vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 18. Mai 2022 zur Interpellation 22.3171 Hurter vom 16.03.2022, Auswirkungen einer Wiedereinführung der Gewissensprüfung nach der Rekrutenschule.

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Armee primär Massnahmen zur Reduktion der Abgänge ergriffen. Zusammenfassend zeigt sich, dass die Rekrutierung durch die differenzierte Beurteilung der Tauglichkeit und einen individualisierten Prozess zeitgemässer ausgestaltet und flexibler organisiert werden konnte.

4.1.1

Angehörige der Armee (Miliz)

Die Armee will den Militärdienst attraktiver gestalten. Seit Umsetzungsbeginn der WEA hat sie deshalb verschiedene Massnahmen in den Bereichen Kommunikation, Rekrutierung, Bindung und Beratung ergriffen. Weitere Massnahmen richteten sich an dienstleistende Personen mit dem Ziel, Entlassungen aus medizinischen Gründen zu reduzieren und das Privatleben der Armeeangehörigen mit dem militärischen Alltag besser zu vereinen. Die in Teil 1 des Berichts Alimentierung von Armee und Zivilschutz vom 30. Juni 2021 ausgeführten und während der Umsetzung der WEA ergriffenen Massnahmen sowie die daraus gewonnenen Lehren werden im Folgenden erläutert.

4.1.1.1

Angepasste Rekrutierung und differenzierte Zuteilung

Eine im Rahmen der WEA umgesetzte Massnahme war, die Zeit zwischen der Rekrutierung und dem Beginn der Rekrutenschule möglichst kurz zu halten. Gemäss einer Studie der Universität Zürich19 können sich die körperlichen Fähigkeiten bei den Stellungspflichtigen in relativ kurzer Zeit ändern. Verstreicht zwischen der Rekrutierung und dem effektiven Eintritt in die Rekrutenschule zu viel Zeit, kann es passieren, dass die Einteilung nicht mehr den körperlichen Fähigkeiten der Militärdienstpflichtigen entspricht, was sich für die betroffenen Rekrutinnen oder Rekruten und die Armee als Nachteil herausstellen kann.

Ausserdem wurden die Grundlagen für die Rekrutierung periodisch überarbeitet mit dem Ziel, dass die Armee für möglichst viele junge Menschen zugänglich ist. Mit der «differenzierten Zuteilung» ist es möglich, auch Stellungspflichtige und Angehörige der Armee bei der Truppe einzuteilen, die eine medizinische Einschränkung haben ­ beispielsweise beim Tragen, Heben oder Marschieren, oder wenn sie aus medizinischen Gründen nicht schiessen können. Die «differenzierte Zuteilung» wurde mit der Armeereform 1995 eingeführt und seither stets weiterentwickelt. Heute sind auch Kombinationsentscheide möglich: Personen, die mehr als eine medizinische Einschränkung haben, können ebenfalls eingeteilt werden. Dazu wurden die Anforderungsprofile der Funktionen in der Armee angepasst. Nicht nur, aber auch dank der «differenzierten Zuteilung» und der Anpassung von Anforderungsprofilen konnte die Quote der als militärdiensttauglich beurteilten Stellungspflichtigen gesteigert werden.

Ende 2022 lag sie bei 72,4 Prozent (zum Vergleich: 68,4 %im Jahr 2017).

19

Studie: Dr. J. Floris et al., (2016) Analyse möglicher Ursachen für die kantonalen Unterschiede in den Militärtauglichkeitsraten, Institut für Evolutionäre Medizin, Universität Zürich.

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Diese Zahlen werden jedoch durch die Tatsache relativiert, dass in den vergangenen Jahren durchschnittlich rund ein Fünftel der auf dieser Basis eingeteilten Personen ein Zivildienstgesuch eingereicht hat. Obschon die «differenzierte Zuteilung» zu einem Anstieg der Quote militärdiensttauglicher Personen geführt hat, ist davon auszugehen, dass mittlerweile das Maximum erreicht wurde. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Diensttauglichkeitsrate mit dieser Massnahme in den nächsten Jahren noch weiter verbessert werden kann. Ferner gilt es zu beachten, dass bei einer hohen Militärdiensttauglichkeitsrate weniger Personen für den Zivilschutz zur Verfügung stehen.

Dadurch wird die Alimentierungsproblematik des Zivilschutzes zunehmend verschärft. Dies ist darauf zurückzuführen, dass nach dem derzeitigen System nur Militärdienstuntaugliche für den Zivilschutz rekrutiert werden können. Das Problem der Alimentierung wird damit auf eine andere Sicherheitsorganisation verlagert, aber nicht gelöst.

4.1.1.2

Reduktion der medizinisch bedingten Abgänge während der Rekrutenschule

Mit der WEA wurden Massnahmen eingeführt, die den jungen Rekrutinnen und Rekruten den Einstieg in den militärischen Alltag erleichtern sollten. Dazu gehören beispielsweise eine längere Eingewöhnungszeit in der Rekrutenschule, die schrittweise Erhöhung der körperlichen Belastung beziehungsweise ein besser abgestimmtes Sportprogramm (angelehnt an die Studie Progress20) und mehr Erholungsmöglichkeiten (z. B. Ausgang ab der ersten Woche der Rekrutenschule, tagsüber freie Zeit zur Verfügung, genügend Schlaf usw.). Auch die gezielte Sensibilisierung und Ausbildung des Kaders sowie die direkte Orientierung der Rekrutinnen und Rekruten über die Dienstleistungen der Armee im sozialen Bereich, wie die Armeeseelsorge, den psychologisch-pädagogischen Dienst oder den Sozialdienst der Armee, waren Teil des erleichterten Einstiegs in die Armee.

Die medizinischen Abgänge aus den Rekrutenschulen konnten dank der schrittweisen Erhöhung der körperlichen Belastung während des Grundausbildungsdienstes um fast die Hälfte reduziert werden. Diese Massnahme, die ihren Ursprung bereits im Jahr 2012 hat, ist daher als Erfolg zu werten: Im Jahr 2012 betrugen die medizinisch bedingten Abgänge aus der Armee während der Rekrutenschule 3505 Personen beziehungsweise 13,8 Prozent des Einrückungsbestandes. Bis 2017 konnte diese Zahl deutlich auf 1681 reduziert werden. Seit Umsetzungsbeginn der WEA verzeichnete die Armee eine weitere Reduktion der medizinisch bedingten Abgänge auf 1511 Rekrutinnen und Rekruten im Jahr 2022 (7,6 % des Einrückungsbestandes).

20

Studie Progress: Dr. Wyss et al., (2013), Einfluss von progressiv aufgebauter körperlicher Belastung, Sport und Führungsstil auf Fitness, Verletzungen, Austritte, militärische Leistungsfähigkeit, Stress und Motivation bei Schweizer Rekruten.

Interner Forschungsbericht, Bern; Birmensdorf.

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4.1.1.3

Vereinbarkeit von Privatleben, ziviler Ausbildung und Militärdienst

Flexibler Beginn der Rekrutenschule Im Rahmen der WEA hat die Armee den flexiblen Beginn der Rekrutenschule eingeführt. Die Stellungspflichtigen können sich frühestens ab Beginn ihres 19. Lebensjahres und spätestens bis Ende ihres 24. Lebensjahres rekrutieren lassen. Diese Flexibilisierung zielte zum einen darauf ab, den Stellungspflichtigen eine Funktion zuweisen zu können, die möglichst lebensnah ihren Fähigkeiten entspricht. Zum anderen sollte den Stellungspflichtigen eine bessere Koordination zwischen einer zivilen Aus- oder Weiterbildung und der Rekrutenschule ermöglicht werden.

Ein erheblicher Teil der Stellungspflichtigen hat diese Möglichkeit genutzt. Hatten 2019 nur 1,4 Prozent der Stellungspflichtigen bei ihrer Rekrutierung das 24. Lebensjahr erreicht, waren es 2022 bereits 3,5 Prozent. Der flexible Beginn der Rekrutenschule hat aber auch Nachteile: Aufgrund dieser Massnahme konnte die Armee weniger Stellungspflichtige rekrutieren. Die Zahl der Stellungspflichtigen, die aufgrund der Überschreitung der Altersgrenze aus der Militärdienstpflicht entlassen wurden, hat sich von rund 400 im Jahr 2018 auf 528 im Jahr 2022 erhöht. Zudem ist bekannt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Untauglichkeitsentscheides zunimmt, je später die Rekrutierung erfolgt. So wurden im Jahr 2022 von den 1191 Stellungspflichtigen, die das 24. Lebensjahr erreicht hatten, 612 als militärdienstuntauglich beurteilt. Davon konnten noch 193 (rund ein Drittel) als schutzdiensttauglich beurteilt werden.

Armeeangehörige in Ausbildung In Erfüllung der Motion von Ständerat Ettlin21 beginnt seit 2020 die Sommerrekrutenschule eine Woche später. Dies kommt insbesondere Stellungspflichtigen entgegen, die nach dem alten Modell zu Beginn der Rekrutenschule noch Abschlussprüfungen zu absolvieren gehabt hätten. Persönliche Urlaube für ausstehende Maturitätsoder Lehrabschlussprüfungen sind im Einzelfall weiterhin möglich, aber nicht mehr im gleichen Mass notwendig wie früher.

Wie unter Ziffer 3.2.4 ausgeführt, hat die Armee Massnahmen ergriffen, um die militärische Kaderlaufbahn besser auf zivile Ausbildungen abzustimmen. Seit 2018 ist es in diesem Rahmen für Kader, die direkt nach dem Abverdienen ein Studium beginnen möchten möglich, vier Wochen vor dem Ende der regulären Rekrutenschule entlassen zu werden. Die infolge der vorzeitigen
Entlassung nicht geleisteten Diensttage, werden im Rahmen der Wiederholungskurse geleistet. Zusätzlich erhalten die Kader für die Vorbereitung auf ein Studium bis zu fünf freie Tage, die sie nach eigenem Ermessen beziehen können.

Die eingeführte bessere Vereinbarkeit von ziviler Ausbildung und Militärdienst zeigte bei Abschluss der WEA positive Effekte. Die Möglichkeit für Kader, die Rekrutenschule um vier Wochen zu verkürzen, wird zunehmend genutzt: Jährlich machen rund 150 Kader davon Gebrauch, was durchschnittlich acht Prozent des Kaderbestandes im Grundausbildungsdienst entspricht. Dank der Flexibilisierung müssen Rekrutinnen 21

Motion 18.4280 Ettlin vom 13. Dezember 2018, «Den Beginn der Rekrutenschule auf den Berufslehrabschluss abstimmen».

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und Rekruten zudem nur noch vereinzelt Urlaubsgesuche einreichen, wenn sich Lehrabschlussprüfungen und Rekrutenschule überschneiden.

Zeit zur persönlichen Verfügung der Armeeangehörigen Als weitere Massnahme führte die Armee ab 2020 während des Grundausbildungsdienstes den regelmässigen Beginn des Wochenendurlaubes am Freitag ein. Seither kann jede Rekrutin und jeder Rekrut mindestens acht Mal am Freitag anstatt am Samstag abtreten. Ebenfalls eingeführt wurde die Möglichkeit für Rekrutinnen und Rekruten, Soldatinnen und Soldaten sowie Kader während der Rekrutenschule zusätzlich zwei frei wählbare Urlaubstage (sog. Jokertage) beziehen zu können, die sie nicht begründen müssen.

Mit Abschluss der WEA lässt sich festhalten, dass die Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Privatleben und Militärdienst zu einer höheren Zufriedenheit bei den Militärdienstpflichtigen führten. Dies haben regelmässig durchgeführte Umfragen in Rekrutenschulen gezeigt.

4.1.1.4

Kommunikation und Information

Die von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) veröffentlichte Studienreihe Sicherheit22 zeigt, dass die Schweizer Gesellschaft relativ gering über die Armee und ihre Aufgaben informiert ist. Wie diese Wahrnehmung in der Gesellschaft verbessert werden kann, zeigte die im Frühjahr 2021 veröffentlichte Studie der Militärakademie der ETH Zürich über die Präsenz der Armee in den sozialen Medien.23 Deren wichtigste Schlussfolgerung ist, dass die Präsenz der Armee in den sozialen Medien einer Entfremdung zwischen Armee und Gesellschaft entgegenwirkt und die Identifikation der Bevölkerung, insbesondere der Jugendlichen, mit der Schweizer Armee erhöht. Weiter zeigte die Studie, dass die sozialen Medien das effektivste Kommunikationsinstrument sind, um junge Menschen zu erreichen.

Aufgrund dieser Erkenntnisse baute die Armee ihre Kommunikationskanäle aus. Sie definierte, welche Botschaften sie über soziale Medien verbreiten will und welche Zielgruppen über welche Plattformen erreicht werden sollen. In der Folge produzierte und publizierte sie Videos, wie beispielsweise Join #teamarmee oder Kurzvideos, die verschiedene Funktionen in der Armee vorstellen. Diese Kurzfilme geben einen realitätsnahen Einblick in den Armeealltag und zeigen vor allem die Chancen und Möglichkeiten für junge Menschen in der Armee besser auf. Weiter können sich Stellungspflichtige mit Apps wie etwa Get ready for #teamarmee oder SwissRookie auf die Rekrutierung vorbereiten. Die Jugendlichen werden auch an Informationsanlässen in Gymnasien und Berufsschulen über die Armee informiert. Weiter war die Armee an diversen Berufs- und Ausbildungsmessen präsent, bei denen die Jugendlichen jeweils von jungen Milizkadern beraten und informiert wurden. Um die Stellungspflichtigen besser auf den obligatorischen Orientierungstag vorzubereiten, gestaltete die Armee 22 23

css.ethz.ch/publikationen/studie-sicherheit.html Buch: Moehlecke, E., et al. (2020), Social Media and the Armed Forces. Springer International Publishing.

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die entsprechenden Informationen interaktiver als zuvor. Die Armee vereinfachte dabei die Vorstellung der militärischen Funktionen, indem sie diese um die vier Grundaufträge der Armee gruppierte: helfen, schützen, retten und kämpfen.

Seit 2021 gibt es zudem das Pilotprojekt Sicherheitswoche, das bei Kantonsschulen der Sekundarstufe II durchgeführt wird. Dabei beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler von Gymnasien und Berufsschulen während einer Woche mit dem Thema Sicherheit. In Gruppen erarbeiten sie mit Hilfe militärischer Methoden Lösungen, um eine Stromknappheit zu bewältigen. Ihre Lösungen präsentieren sie im Anschluss ranghohen Armeeangehörigen sowie Mitgliedern des Regierungsrates, der Sicherheitsdirektion und des kantonalen Führungsstabes. Ziel dieses Pilotprojektes ist es, das Interesse der Jugendlichen am Thema Sicherheit zu wecken und ihr Wissen darüber zu vertiefen. Ausserdem vermittelt es frühzeitig ein Verständnis für das Milizsystem und dessen Bedeutung im gesellschaftlichen Leben der Schweiz.

Bis zum Abschluss der WEA wurden insgesamt drei Ausgaben der Sicherheitswoche durchgeführt und erste Erkenntnisse sowie Optimierungen abgeleitet. Im Frühling 2023 schloss eine weitere Durchführung an einer Kantonsschule die Pilotphase ab.

Eine mögliche Weiterführung des Projekts wird von der Armee geprüft.

Die Kommunikations- und Informationsmassnahmen haben sich als wirksam erwiesen. So war die Armee nach Abschluss der WEA stärker in den sozialen Medien präsent als zu Beginn der Umsetzung. Im Rahmen der Studie Sicherheit 2022 der ETH Zürich gaben 48 Prozent der befragten Personen an, dass die Armee eine zentrale Rolle in der Schweizer Gesellschaft spiele und sie diese begrüssen würden. Vor der Einführung der WEA hatten weniger als 44 Prozent der Befragten dieser Aussage zugestimmt.

4.1.1.5

Nutzung des Potenzials von Frauen in der Armee

Seit 2020 verfolgt die Armee das Ziel, den Frauenanteil von damals 0,8 Prozent bis 2030 auf zehn Prozent zu erhöhen. Dabei gilt es hervorzuheben, dass ein höherer Frauenanteil in der Armee kein Mittel zur Verbesserung der Alimentierung bildet. Vielmehr geht es darum, für die Sicherheit der Schweiz die geeignetsten Personen zu rekrutieren. Nach dem Prinzip der Chancengleichheit sollen künftig auch Frauen von den Chancen und wertvollen Lebenserfahrungen profitieren können, welche die Armee bietet.

Um Frauen besser über den Militärdienst zu informieren und ihr Interesse zu wecken, hat die Armee verschiedene Massnahmen ergriffen. Bis zum Abschluss der WEA wurden folgende umgesetzt: Orientierungstage für Frauen Die meisten Kantone organisieren freiwillige Orientierungstage eigens für Frauen.

Der Tag wird als ein offizieller Amtstermin gehandhabt und ist somit entlohnt. An diesen Orientierungstagen informieren hauptsächlich Frauen, die selber Militärdienst leisten, über Ausbildungs-, Einsatz- und Karrieremöglichkeiten in der Armee. Im Jahr 2017 nahmen 889 Frauen teil, wovon sich in der Folge die Hälfte für die Teilnahme 24 / 44

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an der Rekrutierung entschied. Davon absolvierten letztlich 253 die Rekrutenschule.

Seither nimmt die Teilnahme an den Orientierungstagen stetig zu; 2022 waren es bereits 1527 Frauen. Zudem entschieden sich 2022 insgesamt 793 Frauen zur Teilnahme an der Rekrutierung ­ 596 Frauen rückten danach in die Rekrutenschule ein.

Kommunikation und Information Die Kommunikation mit der Zielgruppe Frauen wurde grundsätzlich überarbeitet. Es wurden eine Webseite zu Frauen in der Armee aufgeschaltet sowie Kurzvideos publiziert, in denen Frauen diverse Funktionen in der Armee vorstellen. Weiter startete die Armee 2021 die Informationskampagne Sicherheit ist auch weiblich. Die Kampagne richtet sich explizit an junge Frauen mit dem Ziel, dass diese sich verstärkt für den Militärdienst interessieren und sich letztlich dafür entscheiden. Inwiefern sich die ergriffenen Massnahmen im Bereich der Kommunikation und Information auf den effektiven Frauenanteil in der Armee auswirken, ist schwierig zu messen. Bis zum Abschluss der WEA ist das Thema «Frauen in der Armee» jedoch grundsätzlich sichtbarer und präsenter geworden.

Freiwillige Einteilung in die Armee nach militärischem Friedensförderungsdienst Bei der freiwilligen militärischen Friedensförderung der Schweizer Armee ist der Frauenanteil mit durchschnittlich 15 Prozent bereits seit einigen Jahren relativ hoch.

Um das Potenzial auch nach einem solchen Einsatz auszuschöpfen, hat die Armee im Juli 2020 ein Pilotprojekt initiiert. Dieses evaluierte, in welchem Umfang Frauen, die einen militärischen Friedensförderungsdienst, jedoch keine Rekrutenschule absolviert haben, freiwillig in die Armee eingeteilt oder direkt eine militärische Kaderausbildung beginnen können. Seit dem Start dieser Testphase wurden bis Ende 2022 insgesamt 42 Frauen in die Milizarmee eingeteilt, die entweder bei der NATO-Mission KFOR in Kosovo oder der EU-Friedensmission EUFOR ALTHEA in Bosnien und Herzegowina einen militärischen Friedensförderungseinsatz absolviert hatten. Die Quote der positiven Rückmeldungen betrug rund 50 Prozent. Dieses Ergebnis liegt weit über der ursprünglich erwarteten Quote von 20 Prozent. Die meisten Bewerberinnen entschieden sich für eine Einteilung im Grad eines Fachoffiziers. Bei jedem Kontingent der Friedensförderungseinsätze meldeten sich aber auch Frauen, die
eine Offizierslaufbahn beginnen wollten. Die Testphase dauerte bis Ende April 2023. Die Resultate aus der Evaluation sind bis Ende 2023 zu erwarten.

Die Massnahmen, um den Frauenanteil in der Armee zu erhöhen, haben Wirkung gezeigt. Der Frauenanteil in der Armee war noch nie so hoch wie nach Abschluss der WEA und die Tendenz bleibt steigend: In den Sommer-Rekrutenschulen 2022 machten Frauen 4,1 Prozent aller 8159 Rekrutierten und 2500 Kader aus. Anfang 2023 waren 2048 Frauen in der Armee eingeteilt, was 1,4 Prozent des Effektivbestandes entspricht. Der Frauenanteil hat sich damit im Vergleich zum Zeitpunkt vor Umsetzung der WEA (2017: 0,7 %) verdoppelt.

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4.1.2

Militärisches Berufspersonal

Als militärische Expertinnen und Experten befähigen die Angehörigen des militärischen Berufspersonals mit ihren spezifischen Fähigkeiten und Kenntnissen die Miliz und schaffen die Grundlage für die Ausbildung und Auftragserfüllung der Armee. Für den militärischen Ausbildungsbetrieb und somit für das Milizsystem sind ihre Fähigkeiten wesentlich.

Die Bestände des militärischen Berufspersonals haben sich seit dem Zwischenbericht aus dem Jahr 2019 nicht nennenswert verändert. So waren bei den Berufsoffizieren im Jahr 2022 rund zehn Prozent der zu besetzenden Stellen vakant, bei den Berufsunteroffizieren acht Prozent und bei den Fachberufsmilitärs fünf Prozent. Die nicht besetzten Stellen führten zu einer deutlich höheren Arbeitsbelastung des bestehenden militärischen Berufspersonals.

Um die Situation des militärischen Berufspersonals zu verbessern und die Personallücken kurz- bis mittelfristig zu reduzieren, verstärkt die Armee ihre Marketingaktivitäten. Dazu gehören zum Beispiel die Teilnahme an Berufsmessen, die professionelle Nutzung der Social-Media-Kanäle und ein aktives Stakeholdermanagement bei potenziellen Interessentinnen und Interessenten. Längerfristig hat zudem das Projekt Berufsmilitär 4.0 den Auftrag, die Berufsfelder der Berufsmilitärs entlang den Bedürfnissen der Milizarmee, der Arbeitswelt 4.0, des gesellschaftlichen Wandels sowie der Digitalisierung weiterzuentwickeln. Im Bereich der Unternehmenskultur verfolgt das Projekt einerseits das Ziel, das Berufsbild mittel- und langfristig dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und digitalen Wandel anzupassen. Andererseits sind Lösungen im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der mobilen Arbeitsformen, der Arbeitszeitmodelle, der Lockerung des Laufbahnzwangs und der Durchlässigkeit zwischen zivilen und militärischen Laufbahnen vorzuschlagen. Das Projekt soll per 1. Januar 2030 abgeschlossen sein.

4.1.3

Ziviles Personal

Vakante Stellen beim zivilen Personal zu besetzen, gestaltete sich auch nach Abschluss der Umsetzung der WEA weiterhin als herausfordernd ­ insbesondere bei hochqualifizierten Stellen (z. B. Ärztinnen und Ärzte, Ingenieurinnen und Ingenieure, Informatikerinnen und Informatiker sowie weiteres spezialisiertes Fachpersonal).

Hinzu kommt, dass der aktuelle Altersdurchschnitt in der Gruppe Verteidigung 47 Jahre beträgt. In den nächsten rund 10 bis 15 Jahren ist deshalb mit altersbedingten Abgängen von rund der Hälfte des Personals zu rechnen.

Der gesellschaftliche Wandel und der damit einhergehende Werte- und Kulturwandel sind weitere Herausforderungen im Hinblick auf die Gewinnung von Fachkräften. Die Gruppe Verteidigung engagiert sich aktiv in den Bereichen Personalmarketing, Personalrekrutierung, Integration und Weiterentwicklung der Mitarbeitenden, um auch in Zukunft eine attraktive und konkurrenzfähige Arbeitgeberin zu sein. So hat sie beispielsweise verschiedene Massnahmen zur Optimierung des Personalrekrutierungs-

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prozesses und des Candidate Journey24 eingeleitet, um Zielgruppen besser zu erreichen und Fachkräfte zu gewinnen. Darüber hinaus wird die Arbeitgeberattraktivität und -bekanntheit in der Bevölkerung gesteigert. Es werden gezielt Programme im Bereich Nachwuchsförderung und Personalentwicklung umgesetzt, um lebenslanges Lernen sicherzustellen.

Eine abschliessende Beurteilung dieser Massnahmen ist erst in den nächsten Jahren möglich und wird im Rahmen der Personalbefragung der Bundesverwaltung im Jahr 2023 durchgeführt.

4.2

Aufbau von Cyberkapazitäten

Seit 2012 verfügt die Schweiz über eine Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken (NCS), um mit den Chancen und Herausforderungen im Cyberraum umzugehen. Die NCS hält unter anderem fest, dass alle Akteure für ihren eigenen Schutz die Verantwortung tragen und in der Lage sein müssen, sich möglichst selbstständig vor Risiken und gegen Bedrohungen im Cyberraum zu schützen. Auch die Armee will ihre eigenen Systeme und Infrastrukturen mit einem ausgeprägten Eigenschutz und in Übereinstimmung mit der NCS schützen, damit sie ihre Leistungen jederzeit erbringen kann. Zu diesem Zweck wurde 2017 der Aktionsplan Cyberdefence VBS (APCD) lanciert mit dem Ziel, die Mittel und Fähigkeiten des VBS im Umgang mit Cyberrisiken auszubauen und zu verstärken. Zusätzliche Unterstützung fand das Vorhaben im Parlament. In Erfüllung der Motion 17.3507 Dittli25 wurden die im APCD vorgeschlagenen Schritte zur Cyberdefence weiter ausgebaut. Bis Ende 2020 konnten sowohl die Massnahmen des APCD als auch der Motion mehrheitlich umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem die Vorbereitungen für die Weiterentwicklung der Führungsunterstützungsbasis der Armee (FUB) zu einem Kommando Cyber per 1. Januar 2024. Weiter startete im Jahr 2018 der neue Cyberlehrgang der Armee und seit 2019 erbringt der neu geschaffene Cyberdefence Campus der armasuisse Wissenschaft und Technologie zusätzliche Leistungen im Rahmen der NCS.

Der APCD und die zusätzliche Unterstützung durch das Parlament haben eine Umgestaltung des VBS im Bereich Cyber eingeleitet und zu massgeblichen Verbesserungen geführt. Sie legten den Grundstein für den weiteren Auf- und Ausbau von Cyberkapazitäten in der Gruppe Verteidigung sowie für die Strategie Cyber VBS für die Jahre 2021­2024. Die nicht erreichten Ziele des APCD und die Erkenntnisse für Verbesserungsmassnahmen wurden im Schlussbericht des APCD ausgewiesen und sind in die Strategie Cyber VBS eingeflossen.

24

25

Als Candidate Journey bezeichnet man den Weg, den Kandidatinnen und Kandidaten vom ersten Kontaktpunkt mit einem Unternehmen bis hin zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens zurücklegen.

Motion 17.3507 Dittli vom 15. Juni 2017, «Ein Cyberdefence-Kommando mit Cybertruppen für die Schweizer Armee».

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4.2.1

Cyberlehrgang der Armee

Im Cyberlehrgang bildet die Armee seit 2018 ihre eigenen Cybersoldatinnen und -soldaten aus. Bereits während des Lehrgangs unterstützen sie die Armee im täglichen Einsatz gegen Cyberbedrohungen. Ausgewählte Armeeangehörige absolvieren zudem einen Teil ihrer Ausbildung im Rahmen eines freiwilligen Praktikums bei einem Betreiber einer kritischen Infrastruktur oder einem Polizeikorps. Die erlernten Fähigkeiten lassen sich dadurch vertiefen und anschliessend in der Armee einsetzen.

Nach Abschluss des Lehrgangs haben die Absolventinnen und Absolventen verschiedene Möglichkeiten: Sie können beispielsweise die Berufsprüfung zum Cyber Security Specialist mit eidgenössischem Fachausweis ablegen. Mit dem Abschluss des Lehrgangs werden ihnen ausserdem an diversen Hochschulen ECTS-Punkte entweder an ein Studium oder ein Sur-Dossier-Verfahren26 angerechnet. Weiter haben sie die Möglichkeit, das eidgenössische Diplom ICT Security Expert abzuschliessen.

Bis zum Ende der Umsetzung der WEA haben rund 150 Cybersoldatinnen und -soldaten den Lehrgang erfolgreich abgeschlossen. Die Resonanz zu diesem Lehrgang ist sowohl in der Armee als auch seitens der Absolventinnen und Absolventen sehr positiv: Zum einen kann er ein Türöffner für die berufliche Zukunft sein ­ zum anderen verstärkt er die Kapazitäten in der Cyberabwehr der Armee. Um die Alimentierung der Cybertruppen sicherzustellen, wird die Anzahl Absolventinnen und Absolventen schrittweise auf rund 80 pro Jahr erhöht.

Um die Cyberausbildung der Armee auch in Zukunft laufend weiterzuentwickeln, startete im Herbst 2021 der Pilot zur vordienstlichen Cyberausbildung «SPARC». Ziel dieser Ausbildung ist es, Cybertalente im Alter von 16 bis 20 Jahren für das Thema Cyber im Allgemeinen und für den Cyberlehrgang im Besonderen zu begeistern und sie so bereits vor ihrer Rekrutierung für die Armee zu gewinnen.

4.2.2

Kommando Cyber

Die Digitalisierung und die damit einhergehende Modernisierung und Vernetzung sämtlicher Systeme der Armee schreiten rasch voran. Diese Entwicklung stellt hohe Anforderungen, insbesondere im Bereich Cyberschutz. Um diesen Anforderungen künftig besser gerecht zu werden, wurden 2021 die Arbeiten aufgenommen, um die FUB von einer breit gefächerten Unterstützungsorganisation in ein einsatzorientiertes Kommando Cyber weiterzuentwickeln. Das Kommando Cyber soll ab dem 1. Januar 2024 etabliert sein und künftig über Fähigkeiten verfügen in den Bereichen militärisches Lagebild, Cyberabwehr, IKT-Leistungen, Führungsunterstützung, Kryptologie und elektronische Kriegsführung. Die Cyberaktivitäten der Armee haben sich bisher auf den Schutz militärischer Kommunikationskanäle und Einrichtungen konzentriert.

In Zukunft soll die Armee zusätzlich Betreiber kritischer Infrastrukturen und private

26

Aufgrund eines individuellen Aufnahmeverfahrens kann qualifizierten Personen, welche die formalen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen, mit einer Prüfung der erforderlichen Kompetenzen (Sur-Dossier-Verfahren) die Zulassung erteilt werden.

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Firmen (bspw. Stromkonzerne, das Finanzsystem oder Telekommunikationsfirmen) bei der Abwehr von Cyberattacken subsidiär unterstützen können.

4.2.3

Cyber-Miliz

Das per 1. Januar 2022 gebildete Cyberbataillon unterstützt bei der Überwachung der Cyberlage, der Aktionsplanung und bei der Ereignisbewältigung im Cyberraum sowie in der Kryptologie. Weiter erhöht es die Durchhaltefähigkeit der Berufsorganisation in der Leistungserbringung. Zudem unterstützt ein Cyberfachstab die Durchhaltefähigkeit des Stabes des Kommandos Cyber.

Um ihre Auftragserfüllung im Cyberraum langfristig zu stärken, hat die Armee den Sollbestand in der Miliz im Cyberbereich von 206 auf 575 Armeeangehörige erhöht.

Der Grossteil des Cyberbataillons soll aus Absolventinnen und Absolventen des Cyberlehrgangs der Armee bestehen ­ aber auch ein militärischer Quereinstieg ist möglich. Dies bietet sich insbesondere für Personen an, die aufgrund ihrer zivilen beruflichen oder akademischen Tätigkeit bereits über Cybererfahrung verfügen. Das Cyberbataillon bietet ausserdem die Möglichkeit, eine militärische Karriere im Cyberbereich zu absolvieren.

Das Konzept der Cybergrundausbildung hat sich bewährt und stösst auch bei anderen Streitkräften in Europa auf Interesse. Die Armee wird den Cyberlehrgang laufend weiterentwickeln und baut ab 2023 die vordienstliche Cyberausbildung weiter aus.

4.3

Finanzen

Mit der Änderung der Rechtsgrundlagen zur WEA haben die eidgenössischen Räte 2016 erstmals einen vierjährigen Zahlungsrahmen für die Armee beschlossen. Für die Periode 2017­2020 betrug dieser 19 Milliarden Franken, für die Jahre 2021­2024 liegt er bei 21,1 Milliarden Franken. Von einem jährlichen Finanzbedarf der Armee von rund 5 Milliarden Franken wurden rund 3 Milliarden Franken für Betriebsausgaben und rund 2 Milliarden Franken für Rüstungsausgaben vorgesehen. Unter Letztere fallen Mittel zur Umsetzung von Rüstungs- und Immobilienprogrammen VBS, Kredite für den Ausrüstungs- und Erneuerungsbedarf (AEB), für Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung (PEB) sowie für Ausbildungsmunition und Munitionsbewirtschaftung (AMB).

Mit der WEA war die Stabilisierung der jährlichen Betriebsausgaben auf rund 60 Prozent des Armeebudgets vorgesehen, um mit den verbleibenden 40 Prozent in die Erneuerung der Systeme und in die Immobilien investieren zu können. In den letzten Jahren bewegte sich der investive Anteil zwischen 35 und 40 Prozent. Die Stabilisierung der Betriebsausgaben birgt jedoch Herausforderungen: Ein Hauptgrund sind die komplexeren Systeme mit immer höheren Anteilen an Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und ihr kostenintensiver Unterhalt. Ältere Systeme müssen zudem in kürzeren Abständen gewartet werden, was ebenfalls Mehrausgaben verursacht.

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Mit den verfügbaren Rüstungskrediten konnte die Gruppe Verteidigung während der Umsetzung der WEA die Voraussetzungen für eine fähigkeitsbasierte Streitkräfteentwicklung schaffen. Dies war notwendig, da neben den Mitteln für den Schutz des Luftraums in den nächsten Jahren eine Reihe von Hauptsystemen der Armee ihr Nutzungsende erreichen und erneuert werden müssen. Der Bundesrat hat deshalb am 8. November 2017 beschlossen, das Budget der Armee ab 2021 mit einer realen Wachstumsrate von 1,4 Prozent pro Jahr zu erhöhen. Diese Erhöhung der Finanzmittel soll es ermöglichen, neben der Neubeschaffung von Kampfflugzeugen und einem System zur bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite auch die übrigen Fähigkeiten angemessen weiterzuentwickeln, bestehende Ausrüstungslücken zu schliessen und zu verhindern, dass grössere Fähigkeitslücken entstehen.

2022 hat das Parlament zwei Motionen angenommen, die eine schrittweise Erhöhung des Armeebudgets auf ein Prozent des BIP bis 2030 fordern. Der Bundesrat unterstützt die schrittweise Erhöhung Armeeausgaben, wird deren Entwicklung aber laufend mit Blick auf die Gesamtausgaben des Bundeshaushalts beurteilen. Aufgrund der drohenden Defizite im Bundeshaushalt ab 2024 hat der Bundesrat beschlossen, dass das Ziel, die Armeeausgaben auf 1 Prozent des BIP anwachsen zu lassen, bis 2035 erreicht werden soll.

4.4

Struktur

Mit der WEA haben sich Strukturen, Organisation und Prozesse in der Armee und in der Gruppe Verteidigung grundlegend geändert. Seit Beginn ihrer Umsetzung zeigte sich in gewissen Bereichen zusätzlicher Anpassungsbedarf ­ teilweise auch bei den rechtlichen Grundlagen; namentlich beim MG sowie der AO. Dies wurde in die Revisionsvorlage der Rechtsgrundlagen aufgenommen und am 18. März 2022 von den eidgenössischen Räten gutgeheissen. Am 1. Januar 2023 ist die revidierte Gesetzesgrundlage in Kraft getreten. Inhaltlich behandelt die Revision die Schaffung eines Kommandos Cyber und einer Militärluftfahrtbehörde (Military Aviation Authority; MAA) sowie die Beibehaltung der Logistikbasis der Armee (LBA) und der FUB. Auf die zu Beginn der WEA projektierte Zusammenlegung der FUB und der LBA zu einem Kommando Unterstützung wurde verzichtet, nachdem die eidgenössischen Räte in der Sommersession 2020 die Motion 19.3427 der Fraktion SVP vom 7. Mai 2019, «Verzicht auf die unnötige Bildung eines Unterstützungskommandos in der Armee», angenommen hatten. Weiter regelt die Revision die Unterstützung ziviler Anlässe durch die Armee in beschränktem Ausmass auch ohne direkten Ausbildungsnutzen, die Bestimmungen zum Einsatz der Armee im Assistenzdienst im Bereich der Mobilmachung analog dem Aktivdienst, die Präzisierung der Rechte und Pflichten von Armeeangehörigen und die Anpassung des militärischen Gesundheitswesens an zivile Standards.

Ebenfalls angepasst werden mussten die Rechtsgrundlagen für die Bearbeitung von Personendaten in den Informationssystemen des VBS sowie ausserhalb der Armee und der Militärverwaltung. Denn mit der WEA ergaben sich in diesen Bereichen neue Bedürfnisse, die den Grundsätzen der gegenwärtigen datenschutzrechtlichen Vorga-

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ben nicht mehr genügten. Die eidgenössischen Räte haben am 17. Juni 202227 diverse Änderungen des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 200828 über die militärischen Informationssysteme beschlossen (neu: Bundesgesetz über militärische und andere Informationssysteme im VBS) und der Bundesrat legte deren Inkraftsetzung auf den 1.

April 2023 fest. Dadurch wurden die datenschutzrechtlich notwendigen Rechtsgrundlagen für diverse Informationssysteme des VBS, in denen Personendaten bearbeitet werden, aktualisiert oder neu geschaffen.

4.5

Stationierungskonzept

4.5.1

Ausgangslage

Das Stationierungskonzept enthält die Immobilieninfrastruktur, welche die Armee für die Erfüllung ihrer Aufgaben gemäss dem Leistungsprofil benötigt. Die Botschaft zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die WEA vom 3. September 2014 beinhaltete das Stationierungskonzept 2013. Das Ziel lautete, den Kernbestand der Immobilien der Armee wertmässig um etwa einen Drittel zu senken. Dabei sollte ursprünglich der Wiederbeschaffungswert der bestehenden Infrastruktur von 24,2 auf 15,5 Milliarden Franken gesenkt werden.

Bei der Wahl der künftigen Standorte berücksichtigte die Armee sowohl betriebswirtschaftliche Kriterien als auch regionale Auswirkungen. Im Vordergrund stand die Frage, welche Immobilien für Einsatz und Ausbildung notwendig sind, aber auch, wie die Armee die Instandhaltungs- und Mietkosten ihrer Immobilien senken und den anstehenden Erneuerungsbedarf decken kann. Konkret sollte auf die Flugplätze Sitten, Buochs und Dübendorf, sowie auf diverse Führungsanlagen, Luftwaffennachrichtenzentralen, Schutzbauten und Kampfinfrastruktur verzichtet werden. Weiter sollten die Ausbildungsinfrastruktur wertmässig um 14 Prozent verringert, fünf Waffenplätze (St-Maurice-Lavey, Genf, Freiburg, Lyss, Moudon) geschlossen, drei Waffenplätze (Walenstadt, Mels und St. Luzisteig) organisatorisch zusammengelegt und auf Unterkünfte und Schiessplätze verzichtet werden. Um Synergien zu nutzen, sollten gleiche oder ähnliche Ausbildungsplätze zusammengeführt werden.

4.5.2

Stand der Umsetzung

Während der Umsetzung der WEA wurden die Waffenplätze Genf und St-MauriceLavey planmässig aufgegeben. Der Waffenplatz Freiburg wird nach dem notwendigen Ausbau des Waffenplatzes Drognens im Jahr 2023 aufgegeben. Um auch die Waffenplätze Lyss und Moudon sowie die Stadtkaserne Frauenfeld aufgeben zu können, befanden sich Ende 2022 die dafür notwendigen Vorhaben auf den Waffenplätzen Thun, Chamblon und Frauenfeld in Umsetzung. Der ursprünglich zum Verzicht geplante Schiessplatz Glaubenberg wurde aufgrund neuer Bedürfnisse wieder in den Kernbestand der Immobilien aufgenommen.

27 28

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Weiter wurden die Militärflugplätze Sitten, Buochs und Dübendorf entweder aufgegeben oder auf ihre Kernfunktionen reduziert. So dienen beispielsweise der Flugplatz Sitten als Ausweichflugplatz und der Flugplatz Dübendorf als militärische Bundesbasis. Die geplanten Reduktionen in den Bereichen Führungsanlagen, Luftwaffennachrichtenzentralen, Schutzbauten und Kampfinfrastruktur wurden umgesetzt. Insbesondere wurde der gesamte Bestand der Festungsartillerie in den Dispositionsbestand29 der Immobilien verschoben.

Vorhaben zur Umnutzung von Waffenplätzen oder für Ersatzbauten auf anderen Waffenplätzen wurden jeweils dem Parlament beantragt.

4.5.3

Entwicklung nach Abschluss der WEA

Die Umsetzung des Stationierungskonzeptes der Armee dauert mehrere Jahre und ist mit dem Abschluss der Umsetzung WEA nicht beendet. Dabei werden auch externe Einflussfaktoren berücksichtigt, wie beispielsweise die Energiestrategie 2050 des Bundesrates: Um die Treibhausgasemissionen der Bundesverwaltung stärker zu senken, hat der Bundesrat im Juli 2019 das Klimapaket Bundesverwaltung verabschiedet.

Dieses gibt die Stossrichtung für Massnahmen vor, um die CO2-Emissionen unter anderem auch im Gebäudebereich weiter zu reduzieren. Dazu gehören etwa der Bau von Photovoltaikanlagen, das Einhalten von Minergie-Standards bei Neubauten, Autarkiebestrebungen im Energiebereich oder die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Diese Massnahmen werden in den laufenden und geplanten Bauvorhaben berücksichtigt. Der Gesamtwert des Immobilienportfolios wird dadurch wieder anwachsen, was die Mietkosten der Armee wiederum erhöhen wird.

Die EFK hat beim VBS eine Prüfung mit dem Schwerpunkt Umsetzung des Stationierungskonzeptes 2013 durchgeführt und ihre Erkenntnisse im Januar 2021 in einem Bericht veröffentlicht.30 Laut diesem Bericht wird die Armee das ursprüngliche Ziel, den Wiederbeschaffungswert der Immobilien um einen Drittel zu senken, langfristig nicht erreichen können. Die Gründe sind unterschiedlich. Nicht selten führen Standortschliessungen zu Neuinvestitionen oder zu Sanierungen an anderen Standorten, wodurch der Neuwert des Immobilienportfolios wieder steigt. Bundesrichtlinien, langwierige Planungs- und Bewilligungsverfahren und regionale Anliegen können Prozesse verzögern, was wiederum die Umsetzung in die Länge zieht. Hinzu kommt, dass im Immobilienbereich die Nutzeranforderungen höher werden, zum Beispiel der Platzbedarf für persönliche Ausrüstung, die Digitalisierung oder neue Sicherheitsanforderungen an die Munitionslagerung, wonach unter anderem Risiken auf mehrere Objekte verteilt werden müssen. Weiter erhöhen zivile Standards den Sanierungs-

29

30

Der Dispositionsbestand umfasst Immobilien des VBS, die aus strategischen Überlegungen für den Bund weiterhin von Interesse sind und daher nicht veräussert werden. Er setzt sich zum grössten Teil aus Spezialbauten wie Bunker, Unterstände, Barrikaden, Waffenstellungen, Kavernen oder unterirdische Munitionsmagazine zusammen.

Siehe Bericht EFK-20418 vom 12. Januar 2021, Prüfung der Umsetzung des Stationierungskonzeptes 2013.

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druck auf bestehende Bauten und Infrastrukturen ­ etwa zu Brandschutz, Domotik31 oder Hygiene. Als Folge steigt auch deren Wert nach Abschluss der Sanierung.

Die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben aufgezeigt, dass die bestehende Infrastruktur der Armee für die Bewältigung solcher Ereignisse nicht genügt.

Die Handlungsfreiheit kann nicht gewährleistet werden beispielsweise, weil das Stationierungskonzept zu einer weiteren Konzentration von Schulen und Kursen auf den Waffenplätzen führt. Das Immobilienportfolio der Armee wird deshalb aktuell überprüft und wo angezeigt wird das Stationierungskonzept angepasst.

5

Ausblick

Um der aktuellen geopolitischen Lage gerecht zu werden und den künftigen Gefahren sowie Bedrohungen begegnen zu können, soll die Armee ihre Fähigkeiten konsequent auf die Verteidigungsfähigkeit ausrichten. Dazu muss sie die weiterhin bestehenden Herausforderungen in den Bereichen Ausrüstung und Alimentierung angehen. In den folgenden Kapiteln wird dargelegt, wie die Armee diesen Herausforderungen begegnen will und wie sich ihre Fähigkeiten in Zukunft entwickeln sollen.

5.1

Zielbild und Strategie Schweizer Armee der Zukunft

Die Welt wird zunehmend unbeständiger, unsicherer, komplexer und vieldeutiger.

Die Abhängigkeit der vernetzten Gesellschaft von kritischen Infrastrukturen nimmt zu, und auch der Prozess der Digitalisierung in Gesellschaft und Wirtschaft schreitet rasch voran. Damit die Armee die Sicherheit der Schweiz auch in den kommenden Jahrzehnten gewährleisten kann, muss sie sich kontinuierlich und vorausschauend weiterentwickeln. Massgebend werden dabei auch die vom Bundesrat dem Parlament vorgelegten Sicherheitspolitischen Berichte sein. Weiterentwicklungen werden jedoch nicht mehr wie bis anhin mittels einer Armeereform auf einen bestimmten Zeitpunkt hin umgesetzt. Vielmehr werden die entsprechenden Massnahmen schrittweise und über Gesetzesrevisionen32 realisiert.

Die Armee veröffentlichte 2021 die Vision Die Schweizer Armee im Jahr 2030. Diese Vision enthält sieben verschiedene Bereiche, denen sich die Armee und die Gruppe Verteidigung in den Jahren nach Abschluss der WEA vertieft widmen wollen: Sicherheit, Auftrag, Menschen, Leadership, Bedrohung, Digitalisierung und Gesamtsystem.

Für diese Bereiche wurden Zielzustände definiert, die durch die Umsetzung der Vision bis 2030 erreicht werden sollen. Vier strategische Grundsätze geben den Weg zur Vision vor und beschreiben erste Ansätze einer Umsetzungsstrategie: Denken und Handeln auf den Einsatz ausrichten, Miliz befähigen, Potenzial der Schweiz nutzen und Innovation und Digitalisierung fördern und integrieren.

31 32

Domotik steht für die Gesamtheit von Überwachungs-, Steuer-, Regel- und Optimierungseinrichtungen in einem Gebäude.

Revisionen des MG sind für die Jahre 2026, 2029 und 2032 geplant.

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Seit 2022 erarbeitet die Armee unter dem Titel Zielbild und Strategie Schweizer Armee der Zukunft ein Zielbild der künftigen Schweizer Armee, das sich in Umsetzung der Vision insbesondere auf die geopolitischen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen und Herausforderungen ausrichtet. Das Zielbild wird zum einen das politisch festgelegte Ambitionsniveau und damit die generelle, langfristige Ausrichtung der künftigen Schweizer Armee beschreiben. Zum anderen wird dargelegt, was die Armee macht, um dieses angestrebte Ambitionsniveau zu erreichen. Die Armee plant, die Öffentlichkeit im Herbst 2023 über die konkreten Inhalte des Zielbildes und Strategie Schweizer Armee der Zukunft zu informieren.

5.2

Entwicklung von Fähigkeiten

5.2.1

Fähigkeitserhalt und -aufbau

Die künftige Weiterentwicklung der Armee wird sich an den Fähigkeiten orientieren, welche die Armee als Gesamtsystem erhalten oder aufbauen soll. Als Grundlagen dienen die Berichte Luftverteidigung der Zukunft (2017)33, Zukunft der Bodentruppen (2019)34 und Gesamtkonzeption Cyber (2022)35.

Wie im Bericht Luftverteidigung der Zukunft festgehalten, benötigt die Schweiz sowohl neue Kampfflugzeuge als auch neue Mittel für die bodengestützte Luftverteidigung. Mit der 2022 vom Parlament genehmigten Beschaffung von 36 Flugzeugen des Typs F-35A und den fünf Feuereinheiten des Typs Patriot wird sich die Schweiz gegen eine Vielzahl von Bedrohungen aus der Luft schützen können. Neben der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite muss gegen Ende der 2020er-Jahre auch die Fähigkeit zur bodengestützten Luftverteidigung kurzer und mittlerer Reichweite erneuert werden. In diesen Bereichen werden neben tieffliegenden Kampfflugzeugen und Kampfhelikoptern auch Marschflugkörper, Lenkwaffen und Drohnen bekämpft. Die bestehenden Systeme der Schweizer Armee entsprechen den zeitgemässen Bedrohungen nicht mehr und werden in den nächsten Jahren ihr Nutzungsende erreichen.

Überdies soll in den nächsten Jahren die Fähigkeit zur Luftlagedarstellung erhalten und weiterentwickelt werden. Ein umfassendes Luftlagebild ist eine wichtige Voraussetzung für den Schutz des Luftraums. Zu diesem Zweck sollen die vorhandenen Aktivradare durch sogenannte passive Sensoren ergänzt werden. Passivradare können das Luftlagebild verdichten und auch schwer detektierbare Ziele erfassen.

Gestützt auf den Bericht Zukunft der Bodentruppen hat sich der Bundesrat dafür ausgesprochen, die Bodentruppen künftig mit leichteren, mobileren und vielseitig einsetzbaren Systemen auszurüsten. Schwere Raupenfahrzeuge werden wo immer mög33

34

35

www.vbs.admin.ch/de/sicherheit/armee/air2030.detail.document.html/vbs-internet/de/documents/verteidigung/sicherheitluftraum/Bericht-Luftverteidigung-der-Zukunftd.pdf.html www.vbs.admin.ch/de/sicherheit/armee/bodentruppen.detail.document.html/vbs-internet/de/documents/verteidigung/bodentruppen/Grundlagenbericht-Zukunft-Bodentruppend.pdf.html www.vbs.admin.ch/de/sicherheit/cybersicherheit.html

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lich durch leichtere Radfahrzeuge ersetzt. Die Abwehr eines konventionellen bewaffneten Angriffs bleibt auch in Zukunft die Kernkompetenz der Bodentruppen.

Für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit konnten in den vergangenen Jahren nicht alle Rüstungsvorhaben in einem Umfang realisiert werden, wie sie für die Abwehr eines bewaffneten Angriffs erforderlich wären. Die finanziellen Mittel der Armee wurden vor allem dazu eingesetzt, um auf die wahrscheinlichen Einsätze vorbereitet zu sein und weitere Ausrüstungslücken zu vermeiden. Infolgedessen bestehen heute auch Defizite bei der Durchhaltefähigkeit, wozu ausreichend Vorräte an Munition, Material und Betriebsstoffen gehören. Die Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg haben die erkannten Defizite bestätigt. In den kommenden Jahren werden daher auch Rüstungsvorhaben und Armeematerial beantragt, welche diese Fähigkeitslücken schrittweise beseitigen sollen.

Wesentlich bleibt für die Armee nach wie vor die Fähigkeit, dass die Bodentruppen gegnerische Ziele mit indirektem Feuer über unterschiedliche Distanzen bekämpfen können. Die sogenannten Bogenschusswaffen werden vor allem gegen Ziele eingesetzt, die sich aufgrund von Topografie, Überbauung oder Distanz nicht mit direkt schiessenden Waffen bekämpfen lassen. Mit den Rüstungsprogrammen 2016 und 2022 wurden dazu 12-cm-Mörser beschafft. Auch die Panzerhaubitze M-109 soll in den nächsten Jahren durch ein neues radgestütztes Artilleriesystem ersetzt werden.

Dies ist jedoch nur eines von zahlreichen Hauptsystemen der Bodentruppen, die in den nächsten Jahren das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen. Ausserdem werden die Bodentruppen durch die geplante Beschaffung einer Panzerabwehrlenkwaffe die Fähigkeit wiedererlangen, bewegliche gepanzerte Ziele auf Distanz zu bekämpfen.

Die Armee prüft des Weiteren Möglichkeiten, um die Fähigkeit zur Führung von operativem Feuer zu erlangen, also die Kombination von weitreichendem, boden- oder luftgestütztem Feuer über grössere Distanzen. Dazu eignen sich beispielsweise bewaffnete Drohnen, Luft-Boden-Waffen, ferngesteuerte Präzisionsmunition (engl. loitering munition) oder Raketenartillerie. Damit werden Schlüsselziele bekämpft, Sensoren ausgeschaltet oder herannahende Verbände aufgehalten.

Mit der Gesamtkonzeption Cyber liegen seit Neuestem auch wichtige Grundlagen für
die Digitalisierung der Truppe und den Eigenschutz im Cyber- und elektromagnetischen Raum vor. Im Bereich Cyber soll die Armee jederzeit und in allen Lagen Angriffe erkennen und abwehren können, während im elektromagnetischen Raum der Eigenschutz im Zentrum steht. Dazu braucht es moderne Systeme für die Sprachkommunikation und die Datenübermittlung, aber auch genügend Personal. Mit der Alimentierung des Cyberbataillons und der Schaffung des Kommandos Cyber ist die Armee auf Kurs. Ausserdem plant sie zusätzliche Kompetenzen im Bereich der elektronischen Kriegsführung und prüft einen Fähigkeitsaufbau im Zusammenhang mit der militärischen Nutzung des Weltraums.

Militärische Einsätze in der Luft, am Boden, im Informationsraum, im Weltraum sowie im Cyber- und elektromagnetischen Raum müssen aufeinander abgestimmt sein.

Dafür ist ein durchgängiger Informationsaustausch zwischen allen Partnern (militärisch und zivil) unerlässlich. Die dazu erforderlichen Informatik- und Telekommunikationssysteme sollen entsprechend ausgebaut werden.

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Um den vielseitigen Bedrohungen sowie Gefahren angemessen begegnen zu können und um ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken, muss die Armee die beschriebenen Fähigkeiten aufbauen oder erhalten. Die künftigen Rüstungsprogramme und die Beschaffung von Armeematerial werden sich daran orientieren.

5.2.2

Fähigkeitsorientierte Streitkräfteentwicklung

Die künftige Weiterentwicklung der Armee versteht sich als ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Die Armee als Gesamtsystem soll damit flexibel und ohne Zeitverzug auf relevante sicherheitspolitische, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder technologische Entwicklungen reagieren können.

Die Armee setzt dazu auf eine fähigkeitsorientierte Streitkräfteentwicklung. Diese fokussiert nicht mehr wie früher auf einzelne Systeme, die es am Ende ihrer Nutzungsdauer zu ersetzen gilt, sondern auf Fähigkeiten, die generisch beschreiben, was die Armee können muss. Hergeleitet werden sie aus den Erkenntnissen einer Kontextund Lageverfolgung. In einem weiteren Schritt wird konkretisiert, mit welchen Mitteln, Formationen oder Verfahren die Fähigkeiten erlangt werden sollen. Mit diesem Vorgehen kann die Armee aktiv auf Veränderungen der internationalen Sicherheitslage reagieren, wie dies beispielsweise der Beginn des Ukraine-Krieges bewirkt hat.

Die Armee hat mit der fähigkeitsorientierten Streitkräfteentwicklung im Jahr 2016 begonnen. Seither sammelt sie Erfahrungen, um den Prozess laufend zu verbessern.

Die ersten Ergebnisse werden den eidgenössischen Räten mit der Armeebotschaft 2024 präsentiert. Diese wird die erforderlichen militärischen Fähigkeiten mit einem Zeithorizont von zwölf Jahren beschreiben und auch die geplanten Investitionsausgaben aufführen. Dazu wird der armeeinterne Prozess auf die Legislaturperioden ausgerichtet.

5.3

Alimentierung

Die Alimentierung bleibt auch nach Abschluss der WEA herausfordernd. Trotz der bereits ergriffenen und umgesetzten Massnahmen zur Verbesserung der Alimentierung blieben die Abgänge aus der Armee auf einem hohen Niveau.

Pro Jahr verlassen rund 11 000 Militärdienstpflichtige die Armee, noch bevor sie ihre Militärdienstpflicht erfüllt haben; im Jahr 2022 waren dies gesamthaft 11 290 Abgänge vor, während und nach der Rekrutenschule. Dabei machen die Abgänge zum Zivildienst rund 60 Prozent aus, gefolgt von Abgängen aus medizinischen Gründen (rund 30 %).

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5.3.1

Optionen zur mittelfristigen Verbesserung der Alimentierung

Der Bundesrat hat das VBS am 28. Juni 2017 beauftragt, die Alimentierung von Armee und Zivilschutz in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Department für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zu analysieren. Der erste Teil des Berichts Alimentierung von Armee und Zivilschutz wurde 2021 veröffentlicht und enthält kurzund mittelfristige Massnahmen, um hauptsächlich die Bestände des Zivilschutzes zu verbessern. Der zweite Teil erschien 2022 und befasste sich mit den langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten des Dienstpflichtsystems. Im Rahmen dieser Berichte beauftragte der Bundesrat das VBS, im Schlussbericht zur Umsetzung der WEA Vorschläge zur mittelfristigen Verbesserung der Alimentierung vorzulegen. Die Armee hat dazu verschiedene mittelfristige Optionen geprüft, die nachfolgend ausgeführt werden.

5.3.1.1

Anerkennung der militärischen Ausbildung

Die Armee konsolidiert ihre bisherige Zusammenarbeit mit den Schweizer Bildungsinstitutionen und will diese weiter ausbauen ­ insbesondere auf Sekundär- und Tertiärstufe. Das Ziel ist es, in der Schweizer Bildungslandschaft als bedeutende Ausbildungsstätte für Führungskräfte anerkannt zu sein. In der Armee erworbene Erfahrungen sollen demnach an zivile Ausbildungen angerechnet werden, beispielsweise durch ECTS-Punkte oder Äquivalenzdiplome.

Die Armee verstärkt ausserdem ihr Engagement bezüglich transformationaler Führung. Das bedeutet, dass sie moderne und zukunftsorientierte Führungsmethoden anwendet, die den Armeeangehörigen auch Vorteile im Zivilleben bringen. Es gilt, künftig noch besser aufzuzeigen, welche Kompetenzen der Militärdienst vermittelt und wie diese im Alltag oder im Beruf konkret genutzt werden können.

Eine höhere Anerkennung der militärischen Ausbildung steigert die Attraktivität des Militärdienstes, wenn die Armeeangehörigen den direkten Mehrwert dieser Ausbildung für die zivile Laufbahn erkennen. Wichtig ist auch, dass dieser Mehrwert den Arbeitgebenden vermittelt wird, damit sie die militärisch bedingte Abwesenheit ihrer Mitarbeitenden unterstützen.

5.3.1.2

Rekrutierung und Bindung von Militärdienstpflichtigen

Verbesserung der Kommunikation Während der Umsetzung der WEA hat die Armee ihre Kommunikation verbessert und aktiver informiert; insbesondere in den sozialen Medien ist die Armee präsenter als vor der WEA. Auch nach Abschluss der WEA will die Armee die Kommunikation mit den Zielgruppen (z. B. Jugendliche, Frauen oder Auslandschweizer) bzw. deren Information kontinuierlich anpassen, ausbauen und verbessern. Dabei sollen alle mög-

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lichen Kanäle genutzt werden ­ vom direkten Personenkontakt bis hin zu den sozialen Medien.

Die Armee prüft auch Möglichkeiten, weitere Social-Media-Kanäle zu erschliessen und vermehrt in die Moderation von Diskussionen und in das Beantworten von Fragen auf diesen Plattformen zu investieren. Weiter plant die Armee Pilotversuche, um neue Methoden zu testen: beispielsweise, um Stellungspflichtige von der Rekrutierung bis zur vollständigen Erfüllung der Militärdienstpflicht zu begleiten, oder um Frauen zu ermutigen, sich freiwillig für die Sicherheit der Schweiz zu engagieren.

Sicherheitspolitisches Verständnis Die Sicherheit der Schweiz sowie die Schweizer Sicherheitspolitik sollen in der Gesellschaft künftig möglichst früh thematisiert werden. Dadurch sollen Jugendliche bereits vor der Rekrutierung ein gewisses sicherheitspolitisches Verständnis aufbauen, um den Sinn des Militärdienstes besser nachvollziehen zu können. Die Armee plant deshalb, ab Anfang 2024 Lehrmittel für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I und II zur Verfügung zu stellen. Neben dem sicherheitspolitischen Verständnis sollen die Jugendlichen damit bereits ab der Sekundarstufe I besser über die Schweizer Sicherheitsinstitutionen (Armee, Zivilschutz, Polizei, Feuerwehr usw.) informiert werden.

Digitalisierung der Milizarmee Anfang 2022 wurde das Programm zur Digitalisierung der Milizarmee (DIMILAR) gestartet, das schrittweise den Informations- und Kommunikationsfluss zwischen der Verwaltung und der Armee digitalisiert. Dadurch können diverse Prozesse sowie der Zugang zu relevanten Informationen und deren Austausch erheblich vereinfacht werden. Mit DIMILAR kommt die Armee den Forderungen der Milizangehörigen nach, den auf den Militärdienst bezogenen administrativen Aufwand zu reduzieren und den Zugriff auf armeespezifische IT-Tools zu erleichtern.

Orientierungs- und Rekrutierungstage Die Armee hat ihr Konzept zu den Orientierungs- und Rekrutierungstagen überarbeitet und wird dieses bis 2024 in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen schrittweise umsetzen. Neu sollen Stellungspflichtige am Orientierungstag zum Dialog angeregt werden, anstatt wie bis anhin nur einseitig Informationen zu erhalten ­ beispielsweise, indem die Stellungspflichtigen den Orientierungstag in kleinen Gruppen von ca.

12 Personen absolvieren. Dadurch
erhalten die Stellungspflichtigen die Vorteile des Militärdienstes individuell erklärt und es kann besser auf spezifische Fragen eingegangen werden. Ziel ist es, ihnen ein differenziertes und realitätsnahes Bild des Militärdienstes zu vermitteln und so ihre Motivation für den Militärdienst zu steigern.

Ausserdem liegt der Schwerpunkt des Orientierungstages nicht mehr auf spezifischen Funktionen, sondern auf Teams36 innerhalb der Armee, die anhand der persönlichen Fähigkeiten und Interessen sowie der beruflichen oder schulischen Ausbildung der Stellungspflichtigen zusammengesetzt werden. Die militärischen Funktionen werden dazu nicht mehr einzeln vorgestellt, sondern in vier Funktionsgruppen zusammenge36

www.miljobs.ch

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fasst: Kämpfer/in, Techniker/in, Helfer/in und Unterstützer/in. Die Stellungspflichtigen erfahren dadurch, dass die Armee vielseitig ist, aus unterschiedlichen Kulturen besteht, und dass sie die Möglichkeit bietet etwas Neues zu erlernen, das auch im Zivilleben nützlich ist.

Am Orientierungstag werden die Stellungspflichtigen zudem aufgefordert, die am besten zu ihren Wünschen oder Bedürfnissen passende Funktionsgruppe zu finden.

So können ihnen Funktionen vorgeschlagen werden, die möglichst auf sie zugeschnitten sind. Diesen Schritt unterstützt die App SwissRookie: Sie ermöglicht den direkten Zugriff auf weiterführende Informationen und gibt mit Multimedia-Inhalten einen ersten Einblick in das mögliche militärische Umfeld.

Ziel dieses neuen Konzepts ist es, jeder und jedem Stellungspflichtigen eine für sie oder ihn passende Funktion aufzuzeigen. Diese wird später bei der Rekrutierung soweit möglich berücksichtigt. Es wird aber auch in Zukunft nicht möglich sein, allen Funktionswünschen der Stellungspflichtigen nachzukommen, da der Bedarf der Armee im Vordergrund steht.

Freiwilliger Dienst Soldaten und Unteroffiziere haben aufgrund der aktuellen Gesetzgebung keine Möglichkeit, ihren Einsatz nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze freiwillig zu verlängern.37 Die Armee prüft derzeit die Möglichkeit, einen freiwilligen Einsatz über das Ende der obligatorischen Ausbildungsdienste hinaus zu ermöglichen. Dies könnte dazu beitragen, den Mangel an Armeeangehörigen in den Formationen während der Wiederholungskurse zu verringern.

Verbesserungen beim Durchdienermodell Die EFK hat im Jahr 2021 einen Bericht mit Empfehlungen zum Durchdienermodell erstellt.38 Für deren Umsetzung wird die Armee ab 2023 periodisch den Motivationsgrad der Durchdienerinnen und Durchdiener mittels eines anonymen und wiederkehrenden Fragebogens analysieren. Aufgrund der Analyse dieser Ergebnisse wird die Armee ihr Ausbildungsprogramm anpassen mit dem Ziel, das Motivationsniveau der Durchdienerinnen und Durchdiener bis zum Ende der Dienstleistung so hoch wie möglich zu halten. Weiter prüft die Armee im Rahmen der MG-Revision 2026 die Empfehlung, eine mögliche Flexibilisierung des Anteils der Militärdienstpflichtigen im Durchdienermodell zu evaluieren.

Frauen in der Armee und Diversität Am 6. Dezember 2019 beauftragte die
Chefin VBS das Interne Audit des VBS zu prüfen, welche Stellen sich mit der Förderung von Frauen in der Armee befassen ­ von der Rekrutierung bis zur Entlassung. Dabei wurden die diesbezüglichen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sowie die bisher getroffenen Massnahmen gesammelt und im Prüfbericht Zuständigkeiten bezüglich Frauenförderung in 37 38

Für höhere Unteroffiziere, Offiziere sowie Spezialistinnen und Spezialisten besteht diese Möglichkeit seit der MG-Revision per 1. Januar 2023.

Siehe Bericht EFK-18541 vom 31. März 2021, Evaluation des Durchdienermodells in der Schweizer Armee.

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der Armee39 zusammengefasst. Im Hinblick auf einen besseren Einbezug aller Personengruppen wurde die Armee im Anschluss gemeinsam mit der Arbeitsgruppe «Frauen in der Armee» beauftragt, eine Gender-Perspektive für die Schweizer Armee auszuarbeiten. Bei Abschluss der Umsetzungsphase der WEA befand sich diese Perspektive noch in Erarbeitung. Sie wird, sobald finalisiert, vom VBS kommuniziert werden.

5.3.1.3

Neue Soldatengruppe mit Sonderfunktion

Gemäss dem Grundsatz Eine Armee für alle will die Armee einen bei Bedarf angepassten Militärdienst ermöglichen und inklusiver werden. Im Fokus stehen dabei Toleranz, Diversität und Chancengleichheit beziehungsweise Chancennutzung zugunsten einer sicheren Schweiz ­ stets unter der Prämisse, dass die vorgesehene Dienstleistung weder die eigene Gesundheit noch jene der Kameradinnen und Kameraden gefährdet. Die Armee hat dazu bereits Massnahmen ergriffen, namentlich die «differenzierte Zuteilung», die «Zuweisung zur Armee»40 und das «Diversity Management»41.

Personen, welche die Anforderungen an die ordentliche militärische Grundausbildung nicht erfüllen, sollen in der Armee auch einen Platz finden. Beispielsweise können sie mit ihren zivil erlangten Fähigkeiten die Armee im Bereich Cyber oder als Bürospezialistin bzw. Bürospezialist unterstützen. Dies ist teilweise bereits heute möglich, soll jedoch weiter ausgebaut werden.

Eine Möglichkeit dazu ist die Einführung der Funktion «Systemsoldatin» und «Systemsoldat»: Personen in dieser Funktion absolvieren die Grundausbildung und den Ausbildungsdienst der Formationen abweichend vom Gros der Armeeangehörigen, mit Fokus auf die Unterstützung und den Betrieb der Armee. Diese Armeeangehörigen in unterstützenden Funktionen (z. B. Funktionen der Logistiktruppen, Betriebssoldatinnen und Betriebssoldaten oder Truppenköchinnen und Truppenköche) sollen ihren Dienst individuell und nach den Bedürfnissen der Armee leisten können. So könnte beispielsweise ein Stellungspflichtiger aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen als Koch von einem Teil der Fachausbildung in der Armee befreit werden.

Dadurch könnte diese Person rascher eingesetzt werden, um Rekrutenschulen, Waffenplätze oder WK-Formationen mit Unterbeständen zu unterstützen. Betriebssoldatin oder Betriebssoldat kann nur eine Person mit medizinischen Einschränkungen wer39 40

41

Siehe Abklärung A 2020-02 vom 12. März 2020 der Internen Revision VBS, Prüfbericht, Zuständigkeiten bezüglich Frauenförderung in der Armee.

Der Bundesrat hat aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 30. April 2009 entschieden, militärdienst- und schutzdienst-untauglichen Personen als Alternative zur Wehrpflichtersatzabgabe das Leisten eines angepassten Militärdienstes zu ermöglichen, sofern sie dies ausdrücklich wollen. Art. 6 Abs. 1 Bst. c MG stellt die formell-gesetzliche Grundlage für diese seit dem 1. Januar 2013 mögliche Art von Militärdienst dar.

Seit April 2019 steht allen Milizangehörigen die Fachstelle Diversity Schweizer Armee (ab 1. Januar 2022 Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity) offen und bietet Beratung und Fachinformationen für alle Belange zum Thema Umgang mit Diversität und Minderheiten innerhalb der Armee.

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den. Armeeangehörige in dieser Funktion können in allen Truppengattungen zur Erledigung von Instandhaltungs-, Wartungs- und Pflegearbeiten sowie zur Bereitstellung und zum Betrieb von Infrastruktur- und Ausbildungsanlagen eingesetzt werden.

Um diese Möglichkeit umsetzen zu können, wird im Rahmen der MG-Revision 2026 eine Präzisierung in Bezug auf die Dauer der Rekrutenschule geprüft: Neu soll die Dauer auf «maximal 18 Wochen» festgelegt werden (für Spezialfunktionen bleiben Ausnahmen möglich). Dadurch soll es künftig für bestimmte unterstützende Funktionen möglich sein, eine bedarfsorientierte kürzere Rekrutenschule leisten zu können; die Gesamtzahl der zu leistenden Diensttage bleibt dabei unverändert. Es ist aber nicht vorgesehen, die Dauer der Grundausbildung individuell für alle Militärdienstpflichtigen anzupassen: Die Rekrutenschule dauert für die Mehrheit der Rekrutinnen und Rekruten auch künftig 18 Wochen.

5.3.1.4

Flexibilisierung bei Grundausbildung und Ausbildungsdiensten

Die Armee hat die Attraktivität des Ausbildungsdienstes mit verschiedenen Massnahmen bereits erhöht (z. B. progressive Leistungssteigerung, zwei Jokertage für persönlichen Urlaub usw.). Diese führten jedoch noch nicht zur erhofften Entschärfung der Alimentierungsproblematik. Insbesondere die Herausforderung betreffend Vereinbarkeit des Militärdienstes mit dem Berufs- und Privatleben bleibt bestehen. Aus diesem Grund sollen der Militärdienst im Rahmen des Möglichen attraktiver gestaltet und das Dienstmodell für die Militärdienstpflichtigen bestmöglich flexibilisiert werden. Dabei steht aber jederzeit die Erfüllung des Leistungsprofils der Armee im Vordergrund.

Die für die Flexibilisierung des Ausbildungsbetriebs notwendigen rechtlichen Grundlagen sollen im Rahmen der MG-Revision per 1. Januar 2026 geschaffen werden.

Optimierung des Ausbildungsbetriebs Die Armee hat erkannt, dass sie ihr Ausbildungsmodell modernisieren muss, um den gewandelten gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden. Deshalb erarbeitet sie derzeit mehrere Varianten eines neuen Dienstleistungs- bzw. Ausbildungsmodells.

Dies mit dem Ziel, die Ausbildungsinhalte in den Schulen und Kursen konsequent auf Einsätze auszurichten und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Formationen als Ganzes in der Lage sind, diese erfolgreich zu bewältigen. Die Szenarien sind in erster Linie auf robuste Verteidigungsmissionen ausgerichtet.

Damit die Ausbildung einen Mehrwert sowohl für die Armeeangehörigen als auch für die Armee generiert, sollen die Fähigkeiten und die Kompetenzentwicklung der Armeeangehörigen künftig über die gesamte Dauer der Einteilung erfasst und gezielt gefördert werden. Aktuell werden die Fähigkeiten der Stellungspflichtigen noch zu wenig berücksichtigt, zum Beispiel ihre zivile Aus- und Weiterbildung.

Durchführung von Pilotprojekten Die Armee sieht betreffend Ausbildung eine Reihe von Pilotprojekten vor. Getestet wird dabei beispielsweise, inwiefern Ausbildungssequenzen und Tagesabläufe individualisiert werden können. Zum einen wird dadurch die Ausbildung besser auf das 41 / 44

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individuelle Potenzial abgestimmt ­ zum anderen fördert dies die Eigenverantwortung der Armeeangehörigen. Als möglichen zusätzlichen Anreiz erhalten jene Personen, die ihre Lernziele rascher als vorgegeben erreichen, mehr Freizeit oder können sich in anderen Bereichen weiterbilden. Ergänzende Massnahmen werden in verschiedenen Kombinationen und im Rahmen bewährter Trainingsmethoden ebenfalls erprobt, beispielsweise individuelle Trainingstage zu Hause oder individuell zugeschnittene Lern- und Trainingsmethoden.

Ziel dieser Pilotprojekte ist es, die besten Ideen zu identifizieren, auf deren Basis das künftige Ausbildungsmodell der Armee entwickelt wird. Dadurch soll die angestrebte Flexibilisierung zugunsten der Armeeangehörigen ohne Leistungseinbussen erreicht werden.

5.3.1.5

Weitere Massnahmen

Modernisierung von Ausrüstung und Systemen Die Armee modernisiert mit dem Modularen Bekleidungs- und Ausrüstungssystem (MBAS) in den kommenden Jahren die persönliche Ausrüstung der Armeeangehörigen. Die neue Ausrüstung wird funktionaler und erstmals auch explizit auf weibliche Armeeangehörige abgestimmt sein. Entlang der fähigkeitsorientierten Streitkräfteentwicklung (siehe Ziff. 5.2) werden auch die Systeme der Armee in den nächsten Jahren modernisiert. Dadurch stehen den Armeeangehörigen auch in Zukunft die notwendigen Mittel für die Auftragserfüllung zur Verfügung.

Kann die Armee ihren Angehörigen weder eine moderne Ausrüstung noch auf die aktuelle Bedrohung ausgerichtete Systeme zur Verfügung stellen, wirkt sich dies negativ auf ihre Attraktivität aus. Insbesondere, da die Armeeangehörigen im Milizdienst Leistungen erfüllen müssten, für die sie nicht die adäquaten Mittel zur Verfügung haben. Entsprechend sind Investitionen in Ausrüstung und Systeme auch im Zusammenhang mit der Alimentierung wichtig und notwendig.

Finanzielle Anreize Mehrere Studien42 haben untersucht, ob die Attraktivität des Militärdienstes durch finanzielle Anreize gesteigert werden könne. Ihre Ergebnisse zeigen, dass finanzielle Anreize für junge Menschen nicht vorrangig sind. Der finanzielle Aspekt spielt zwar eine Rolle, aber er ist weitaus weniger wichtig als andere Faktoren, beispielsweise eine bessere Vereinbarkeit der Militärdienstpflicht mit dem Privatleben oder die Sinnhaftigkeit der militärischen Aufgaben. Die meisten Stellungspflichtigen entscheiden sich in erster Linie für eine militärische Laufbahn, um Erfahrungen zu sammeln; sei es im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen, der persönlichen Entwicklung oder der in der Armee erworbenen Führungserfahrung. Es ist daher nicht angezeigt, den Militärdienst durch rein finanzielle Massnahmen attraktiver gestalten zu wollen.

42

Studie: Prof. Dr. Müller, C. et al. (2022), Capstone 2022 ­ Schweizer Armee.

Universität St. Gallen.

Studie: Geisseler, L. (2021) Wie stärken wir die Bereitschaft der jungen Menschen, in der Schweiz zum öffentlichen Gut Verteidigung beizutragen. FehrAdvice & Partners AG.

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Ausgleich der Bestände zwischen Formationen Um der Alimentierungsproblematik von Formationen in Wiederholungskursen entgegenzuwirken, soll mittelfristig ein Ausgleich der Bestände über alle Formationen hinweg erreicht werden. Dazu hat die Armee ab Januar 2023 die Sollbestände verschiedener Bataillone neu festgelegt. Konkret wurden gemäss den Vorgaben zur Leistungserbringung einige Bataillone verkleinert, um andere personell zu verstärken.

Auch bei den Durchdienerformationen soll geprüft werden, ob ein Ausgleich die Bestandessituation für wahrscheinliche Einsätze der Armee verbessern könnte.

5.3.2

Zukunftsgerichtete Verbesserungen

Die Armee strebt an, ihre Attraktivität weiter zu erhöhen. Jedoch ist die Anzahl der Abgänge aus der Armee unverändert hoch, was dieses Vorhaben erschwert. Obschon die Armee bereits Massnahmen ergriffen hat und weitere mittelfristige Lösungsansätze vorsieht, um der Alimentierungsproblematik bestmöglich entgegenzuwirken, wird es langfristig sehr schwierig sein, diese Herausforderung eigenständig zu bewältigen. Hinzu kommt, dass erfolgreiche Massnahmen der Armee meist gleichzeitig die Personalsituation im Zivilschutz verschlechtern. Die beiden Systeme sind eng miteinander verbunden, da ausschliesslich Personen, die für den Militärdienst als untauglich eingestuft werden, Dienst im Zivilschutz leisten können.

Neben möglichen Anpassungen am Dienstpflichtsystem wären noch zwei weitere Möglichkeiten denkbar, um die Alimentierung zu sichern. Die erste Möglichkeit bestünde darin, die Zahl der Abgänge drastisch zu verringern, beispielsweise durch strengere Zulassungsbedingungen für den Zivildienst. Die zweite Möglichkeit wäre, die Dauer der Militärdienstpflicht und die Anzahl Diensttage für Militärdienstpflichtige zu erhöhen bei gleichbleibendem Sollbestand. Auf diese Weise wäre der Bestand mathematisch gesichert und die Bestände der Formationen in den Wiederholungskursen wären genügend alimentiert. Dies müssten jedoch allein die aktuell eingeteilten Militärdienstpflichtigen tragen. Da derzeit nur 37 Prozent der Militärdienstpflichtigen einer Altersgruppe alle ihre Diensttage absolvieren, müsste diese Minderheit von Bürgerinnen und Bürgern, die bereits heute ihre Pflicht vollständig erfüllt, noch mehr für die Allgemeinheit leisten.

Der zweite Teil des Berichts über die Alimentierung von Armee und Zivilschutz enthält bereits Überlegungen zu grundlegenden, langfristigen Anpassungen des Dienstpflichtsystems. Der Bundesrat hat die im Bericht vorgestellten vier Varianten geprüft.

Daraus abgeleitet hat er das VBS beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem WBF die Varianten «Sicherheitsdienstpflicht» und «bedarfsorientierte Dienstpflicht» bis Ende 2024 vertieft zu prüfen. Die Verpflichtung von Frauen zur Teilnahme am Orientierungstag der Armee ist aus Sicht des Bundesrates zudem ein möglicher Schritt, um den Frauenanteil in der Armee zu erhöhen. Aus diesem Grund soll auch dies vertieft geprüft werden. Diese Arbeiten
sind für die künftige Alimentierung der Armee zentral, da aus heutiger Sicht die armeeinternen Möglichkeiten mit den aktuellen Rahmenbedingungen nicht ausreichen werden, um diese sicherzustellen.

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6

Fazit

Mit dem Abschluss der WEA endet die vorerst letzte grössere Armeereform. Die Armee hatte mit der WEA zum Ziel, sich modern und flexibel auf die Zukunft auszurichten. Dies hat sie in vielerlei Hinsicht erreicht ­ etwa mit der erhöhten Bereitschaft, der verbesserten Kaderausbildung, der regionalen Verankerung oder im Cyberbereich. Gewisse Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Alimentierung und Ausrüstung, bleiben jedoch auch nach der WEA bestehen. Die diesbezüglich von der Armee eingeleiteten Massnahmen werden weitergeführt und laufend umgesetzt.

Der Abschluss der WEA bildet gleichzeitig die Grundlage für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Armee. Künftige Entwicklungen werden nicht mehr wie bis anhin mittels einer Armeereform auf einen bestimmten Zeitpunkt hin umgesetzt, sondern schrittweise und über Gesetzesrevisionen. Die künftige Weiterentwicklung der Armee wird sich laufend nach den globalen Entwicklungen und Herausforderungen ausrichten. Erfolgen wird dies neu (ab Armeebotschaft 2024) im Rahmen eines fähigkeitsorientierten Ansatzes. Die Armee als Gesamtsystem soll dadurch flexibel und möglichst ohne Zeitverzug auf relevante sicherheitspolitische, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder technologische Entwicklungen reagieren können.

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