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20.456 Parlamentarische Initiative Unnötige und schädliche Beschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes in Sachen Abbruch und Wiederaufbau von altrechtlichen Wohnungen aufheben Erläuternder Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 24. April 2023

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über Zweitwohnungen. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

24. April 2023

Im Namen der Kommission Der Präsident: Jacques Bourgeois

2023-1629

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Übersicht Die seit Inkrafttreten des Zweitwohnungsgesetzes gemachten Erfahrungen zeigen, dass dieses Gesetz und die dazu ergangene Rechtsprechung teilweise zu erheblichen Beschränkungen bei der Erneuerung von altrechtlichen Wohnungen führen. Ziel der Vorlage ist es, für solche Wohnungen zusätzliche Änderungs- und Erweiterungsmöglichkeiten zu schaffen. So soll es innerhalb der Bauzonen möglich sein, dass beim Abbruch und Wiederaufbau einer altrechtlichen Wohnung gleichzeitig eine Erweiterung der Hauptnutzfläche um maximal 30 Prozent vorgenommen werden kann. Bei der Erweiterung bestehender altrechtlicher Wohnungen wie auch beim Abbruch und Wiederaufbau altrechtlicher Wohnungen in diesem Rahmen sollen zudem zusätzliche Wohnungen und Gebäude geschaffen werden können, ohne dass zweitwohnungsrechtliche Nutzungsbeschränkungen auferlegt werden müssen. Soweit sich durch diese zusätzlichen Änderungs- und Erweiterungsmöglichkeiten Konflikte mit den Anliegen des Schutzes der siedlungsinternen Freiflächen, des Ortsbildes oder der Erstwohnungen ergeben können, steht den Kantonen und Gemeinden zu deren Vermeidung ein geeignetes planerisches Instrumentarium zur Verfügung.

Ausgangslage Nach dem geltenden Zweitwohnungsgesetz dürfen altrechtliche Wohnungen, d. h.

Wohnungen, die am 11. März 2012 rechtmässig bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren, wie folgt geändert werden: Sie dürfen abgebrochen und wieder aufgebaut werden. Die vorbestandene Hauptnutzfläche darf dabei aber nicht überschritten werden. Wird die Wohnung nicht abgebrochen, sondern erweitert, so ist dies bis zum Umfang von maximal 30 Prozent der vorbestandenen Hauptnutzfläche zulässig; eine neue Wohnung darf dabei nicht geschaffen werden. Wird die Wohnung um mehr als 30 Prozent der Hauptnutzfläche erweitert, ist dies nur zulässig, wenn eine zweitwohnungsrechtliche Nutzungsbeschränkung auferlegt wird.

Diese Beschränkungen erschweren teilweise die Erneuerung des Altwohnungsbestands. Mit einem Entscheid des Bundesgerichts vom 8. Mai 2020 wurde ferner bestätigt, dass nach geltendem Recht beim Abbruch und Wiederaufbau einer altrechtlichen Wohnung keine Erweiterung der Hauptnutzfläche möglich ist.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage sieht eine Anpassung des Zweitwohnungsgesetzes vor, mit der es ermöglicht werden soll, dass bei einem Abbruch und Wiederaufbau
einer altrechtlichen Wohnung eine Erweiterung der Hauptnutzfläche um maximal 30 Prozent, die Schaffung zusätzlicher Wohnungen und Gebäude sowie eine Standortverschiebung auf demselben Grundstück möglich sind. Zudem sollen bei der Erweiterung bestehender Wohnungen neu zusätzliche Wohnungen und Gebäude geschaffen werden können, sofern die vorbestehende Hauptnutzfläche nicht um mehr als 30 Prozent überschritten wird.

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Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Der Gesetzesentwurf des Bundesrats vom 19. Februar 2014 zum Zweitwohnungsgesetz sah vor, dass altrechtliche Wohnungen, also Wohnungen, die am 11. März 2012 rechtmässig bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren, nur erweitert werden dürfen, wenn sie als Erstwohnungen, den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen oder als touristisch bewirtschaftete Wohnung deklariert werden. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Erweiterung laufe dem Ziel des Verfassungsartikels zuwider, die durch Zweitwohnungen belegte Fläche zu begrenzen (Botschaft vom 19. Februar 2014 zum Zweitwohnungsgesetz, BBl 2014 2287 ff. [nachfolgend: Botschaft], S. 2309 f. zu Art. 12 E-ZWG). In den eidgenössischen Räten wurde die Möglichkeit, altrechtliche Wohnungen zu erweitern, jedoch befürwortet. Das Zweitwohnungsgesetz vom 20. März 2015 (ZWG; SR 702) sieht daher vor, dass Erweiterungen um 30 Prozent zulässig sind, ohne dass entsprechende Nutzungsauflagen verfügt werden müssen (Art. 11 Abs. 3 ZWG).

Weiter sieht Artikel 11 Absatz 2 ZWG vor, dass altrechtliche Wohnungen im Rahmen der vorbestandenen Hauptnutzfläche erneuert, umgebaut und wieder aufgebaut werden dürfen. Selbst wenn in diesem Rahmen zusätzliche Wohnungen geschaffen werden, so können diese bewilligt werden, ohne dass eine Nutzungsbeschränkung im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 ZWG auferlegt werden muss. Strittig war schon kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes, ob die Erweiterungen nach Absatz 3 auch in dem in Absatz 2 geregelten Fall eines Abbruchs und Wiederaufbaus realisiert werden dürfen.

Auf Beschwerde des Bundesamts für Raumentwicklung entschied das Bundesgericht am 8. Mai 2020, dass eine solche Erweiterung nicht zulässig ist. Andernfalls hätte die Einschränkung in Absatz 2, dass der Wiederaufbau «im Rahmen der vorbestandenen Hauptnutzfläche» zu erfolgen hat, keinen Sinn. Diese Auslegung werde durch Aussagen des Kommissionssprechers in der Beratung der Vorlage im Ständerat gestützt (Urteile des Bundesgerichts 1C_478/2019 und 1C_479/2019 vom 8. Mai 2020, Erw. 4.1 und 4.2).

Am 19. Juni 2020 reichte Nationalrat Martin Candinas die parlamentarische Initiative 20.456 «Unnötige und schädliche Beschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes in Sachen Abbruch und Wiederaufbau von altrechtlichen Wohnungen» ein. Er verlangte, dass das Zweitwohnungsgesetz so anzupassen sei, dass bei der
auf 30 Prozent der Hauptnutzfläche beschränkten Erweiterung von altrechtlichen Wohnungen gleichzeitig die Schaffung von neuen Wohnungen zulässig sei. Auch sollen bei einem Abbruch und Wiederaufbau einer solchen Wohnung eine Erweiterung der Hauptnutzfläche um 30 Prozent, die Schaffung zusätzlicher Wohnungen und eine Standortverschiebung auf demselben Grundstück möglich sein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die seit Inkrafttreten des Gesetzes gemachten Erfahrungen zeigten, dass das Zweitwohnungsgesetz und die Rechtsprechung dazu die Nutzung altrechtlicher Wohnungen übermässig einschränkten. Dies führe dazu, dass dringend notwendige Investitionen in Altliegenschaften nicht getätigt würden.

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Am 20. Mai 2021 gab die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N) der parlamentarischen Initiative 20.456 von Nationalrat Candinas Folge. Am 12. August 2021 stimmte auch die UREK-S der Initiative zu. Die UREK-N befasste sich in der Folge an drei Sitzungen mit der Ausarbeitung einer Vorlage zur Anpassung des ZWG. Am 3. November 2022 stimmte die UREK-N mit 14 zu 10 Stimmen einem Vorentwurf zu und schickte ihn in die Vernehmlassung. Nach einer Würdigung der Stellungnahmen aus der Vernehmlassung bestätigte die Kommissionsmehrheit ihre Anträge gemäss Vorentwurf. Zwei Minderheitsanträge übernahmen Vorschläge von Vernehmlassungsteilnehmenden. Die Kommission verabschiedete den Entwurf an der Sitzung vom 24. April 2023 mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Geprüft wurde die Frage, ob die mit der parlamentarischen Initiative 20.456 vorgesehenen zusätzlichen Änderungs- und Erweiterungsmöglichkeiten für altrechtliche Wohnungen in den Gemeinden mit einem Anteil von mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen generell anwendbar sein sollen oder ob der Anwendungsbereich der entsprechenden Bestimmung räumlich eingeschränkt werden soll. Denkbar wäre insbesondere, diese Möglichkeiten auf Gemeinden zu beschränken, die im kantonalen Richtplan ausdrücklich bezeichnet werden. Dies könnten zum Beispiel diejenigen Gemeinden sein, in denen von der vorgesehenen Bestimmung keine oder keine erheblichen Verdrängungswirkungen bei den Erstwohnungen zu erwarten sind. Im Richtplan könnten den betreffenden Gemeinden zudem noch spezielle Planungsaufträge erteilt werden (z. B. Vorsehen von Massnahmen zur Förderung preisgünstiger Erstwohnungen oder von Massnahmen zur Förderung einer besseren Auslastung der bestehenden Zweitwohnungen). Ergänzend dazu könnte verlangt werden, dass im Nutzungsplan die Anwendbarkeit der neuen Bestimmungen auf bestimmte ausdrücklich bezeichnete Gebiete beschränkt wird. Weiter könnten zusätzliche Massnahmen zum Erhalt der Erstwohnungen (z. B. Festlegen eines Erstwohnanteilplans) bzw. zum Erhalt und zur Verbesserung der Siedlungsqualität (z. B. Erhaltung von ortsbildrelevanten Freiräumen auf der Grundlage eines Freiraumkonzepts, Anordnung erhöhter Gestaltungsanforderungen) verlangt werden. Die UREK-N hat indes von solchen planerischen Lösungen abgesehen. Sie spricht sich dafür aus, dass die vorgeschlagene Anpassung von Artikel 11 Absätze 2 und 3 in sämtlichen Gemeinden mit einem Anteil von mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen anwendbar sein soll. Zwei Minderheiten beantragen, den Anwendungsbereich der Neuregelung räumlich einzuschränken.

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1.3

Parlamentarische Vorstösse mit ähnlicher Stossrichtung

a)

Motion von Nationalrat Candinas 18.3704 «Die Erweiterung altrechtlicher Bauten und die Schaffung zusätzlicher Wohnungen zulassen» vom 15. Juni 2018

Die Motion verlangte, dass das Zweitwohnungsgesetz so angepasst wird, «dass bei der auf 30 Prozent der Hauptnutzfläche beschränkten Erweiterung von altrechtlichen Wohnungen gleichzeitig die Schaffung von neuen Wohnungen zulässig ist. Ebenfalls soll das Gesetz künftig auch bei einem Abbruch und Wiederaufbau eines betroffenen Objekts eine Erweiterung der Hauptnutzfläche um 30 Prozent und die Schaffung zusätzlicher Wohnungen zulassen.» Der Bundesrat beantragte am 15. August 2018 die Ablehnung der Motion. Die Erfüllung der Motion hätte zur Folge, dass die in Artikel 11 ZWG mit Blick auf Artikel 75b BV festgelegten Grenzen bezüglich Wohnfläche bzw. bezüglich Wohnungsanzahl wegfallen würden. Artikel 11 Absatz 2 des Gesetzes trage den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung, indem bei einer Erhöhung der Wohnungszahl nicht auch noch die Fläche erweitert werden könne. Absatz 3 dagegen lasse zwar eine Flächenerweiterung zu, nicht aber eine Vergrösserung der Wohnungszahl. Bei der betreffenden Regelung handle es sich um einen politischen Kompromiss. Er gehe bereits an die Grenze dessen, was der Verfassungsartikel zulässt. Die Motion wurde am 19. Juni 2020 abgeschrieben, weil sie nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt wurde.

b)

Parlamentarische Initiative von Nationalrat Ruppen 20.500 «Erweiterungsmöglichkeit bei altrechtlichen Wohnungen. Mehr Flexibilität!» vom 17. Dezember 2020

Die parlamentarische Initiative verlangte, dass Artikel 11 Absatz 3 des Zweitwohnungsgesetzes so abzuändern sei, dass die 30 Prozent-Regel gestrichen wird. Bei altrechtlichen Wohnungen wirke die Beschränkung der Erweiterungsmöglichkeiten auf 30 Prozent stark einschränkend. Die Erfahrungen zeigten, dass damit die Nutzung der bestehenden altrechtlichen Liegenschaften übermässig eingeschränkt würde. Dringend notwendige Investitionen in Altliegenschaften würden oft nicht getätigt. Erhalt und Ausbau von bestehender, alter Bausubstanz mit einer zeitgemässen Infrastruktur müsse aber möglich sein. Die Initiative wurde am 3. Juni 2021 abgeschrieben, weil ihr Urheber aus dem Rat ausgeschieden war.

1.4

Ergebnisse aus dem Vernehmlassungsverfahren

Vom 3. November 2022 bis am 17. Februar 2023 konnten eingeladene Kreise und weitere Interessierte zum Vorentwurf im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens Stellung nehmen.1 Insgesamt gingen 97 Stellungnahmen ein. Die Vorlage wurde mehrheitlich positiv aufgenommen.

1

https://fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2022/70/cons_1

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Die Kantone stimmten überwiegend zu: 14 befürworteten die Vorlage vorbehaltlos, 4 begrüssten die generelle Stossrichtung, äusserten aber Vorbehalte, und 2 lehnten die Vorlage ab. 6 Kantone verzichteten auf eine Stellungnahme. Unter den in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien befürworteten Die Mitte, FDP-Die Liberalen und die SVP die Vorlage, dagegen positionierten sich GLP, GRÜNE und SP. Die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete sowie der Wirtschaft unterstützten die Vorlage. Ablehnend äusserten sich in erster Linie Organisationen aus den Bereichen Heimat-, Natur-, Landschaft- und Umweltschutz.

Grösstenteils beschränkten sich die Stellungnahmen auf generelle Ausführungen zur Vorlage. Nur wenige Teilnehmende nahmen punktuell zu einzelnen Bestimmungen des Vorentwurfs Stellung und brachten Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge ein.

Nach Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse sieht sich die Kommission darin bestätigt, eine mehrheitsfähige Vorlage ausgearbeitet zu haben. Die Kommission hält an ihrem Entwurf fest und unterbreitet diesen inhaltlich unverändert dem Rat.

Zwei Minderheiten innerhalb der Kommission beantragen, Änderungsvorschläge von Vernehmlassungsteilnehmenden aufzunehmen: einerseits in Bezug auf Standortverschiebungen beim Wiederaufbau, andererseits in Bezug auf die Frage, in welchen Gemeinden die Neuregelung anwendbar sein soll.

2

Grundzüge der Vorlage

Die Vorlage sieht eine Anpassung des Zweitwohnungsgesetzes vor, mit der es ermöglicht werden soll, dass bei einem Abbruch und Wiederaufbau einer altrechtlichen Wohnung eine Erweiterung der Hauptnutzfläche um maximal 30 Prozent, die Schaffung zusätzlicher Wohnungen und Gebäude sowie eine Standortverschiebung auf demselben Grundstück möglich ist. Zudem sollen bei der Erweiterung bestehender Wohnungen neu zusätzliche Wohnungen und Gebäude geschaffen werden können, sofern die vorbestehende Hauptnutzfläche nicht um mehr als 30 Prozent überschritten wird.

Bei der Vorlage handelt es sich um eine punktuelle Flexibilisierung des Zweitwohnungsgesetzes, die dazu beitragen soll, zeitgemässen Wohnraum für die ortsansässige Bevölkerung zu schaffen und die Entwicklung der Bergregionen zu fördern. Heute können altrechtliche Wohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent nur beschränkt modernisiert werden, wenn sie in der Art der Wohnnutzung frei bleiben sollen. Durch die zusätzlichen Handlungsoptionen ergeben sich auch neue Finanzierungschancen für energetische Sanierungen. Zudem unterstützt die Vorlage eine verdichtete Bauweise.

Eine Minderheit der Kommission beantragt Nichteintreten und ist der Auffassung, dass die vorgeschlagenen neuen Änderungsmöglichkeiten für altrechtliche Wohnungen (insbesondere die Möglichkeit, altrechtliche Wohnungen abzubrechen und mit einer Erweiterung der vorbestehenden Hauptnutzfläche um maximal 30 Prozent neu aufzubauen sowie die Möglichkeit, im Rahmen der Erweiterung einer altrechtlichen bestehenden Wohnung um maximal 30 Prozent der Hauptnutzfläche neue Wohneinheiten zu schaffen) gegen das Ziel der Verfassung verstossen, die Anzahl der Zweit6 / 16

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wohnungen und die von Zweitwohnungen belegten Flächen zu begrenzen (vgl. unten Kapitel 5.1). Die Minderheit weist darauf hin, dass insbesondere in den Hotspot-Gemeinden eine sehr grosse Nachfrage nach Zweitwohnungen besteht. Sie ist daher der Auffassung, dass die vorgeschlagene Regelung insbesondere in diesen Gemeinden zu einer unerwünschten Reduktion des Angebots an günstigen Erstwohnungen führen wird. Als Folge würde die ortsansässige Bevölkerung noch stärker als bisher aus Tourismusorten verdrängt. Weiter schaffe die Vorlage Anreize für Ersatzneubauten, was aus Klima- und Energiesicht nicht sinnvoll sei.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 11 Abs. 2 Die Bestimmung führt die beiden bisherigen Absätze 2 und 3 zusammen, da auf die bisher geltende Differenzierung zwischen der Erweiterung einer bestehenden altrechtlichen Wohnung und deren Abbruch und Wiederaufbau verzichtet werden soll. Neu soll in beiden Fällen innerhalb der Bauzonen eine Erweiterung der Hauptnutzfläche um maximal 30 Prozent zulässig sein. In diesem Rahmen dürfen zusätzliche Wohnungen ohne Nutzungsbeschränkung nach Absatz 7 Absatz 1 und zusätzliche Gebäude geschaffen werden. Vorbehalten bleiben strengere Bestimmungen des kantonalen Rechts beziehungsweise des kommunalen Nutzungsplans (siehe Abs. 4).

Die Möglichkeit, beim Wiederaufbau einer altrechtlichen Wohnung eine geringfügige Standortverschiebung vorzunehmen, besteht schon nach geltendem Recht, ohne dass dies im Gesetzestext ausdrücklich gesagt wird (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 31.8.2022 zur Interpellation 22.3761 von Nationalrat Thomas Rechsteiner vom 16.6.2022, Altrechtliche Wohnungen innerhalb des Baugebietes im Licht des Zweitwohnungsgesetzes). Diese Möglichkeit soll weiterhin erhalten bleiben. Aus Sicht der Kommission können dadurch Grundstücksflächen optimal genutzt und die Siedlungsentwicklung nach innen gestärkt werden.

Abs. 2 (Minderheitsantrag) Eine Minderheit verlangt hingegen, dass Standortverschiebungen nur zulässig sein sollen, wenn damit zu einer Verbesserung der Gesamtsituation und insbesondere des Ortsbildes beigetragen wird.

Abs. 3 Die Formulierung entspricht weitgehend dem bisherigen Absatz 4. Eine geringfügige Anpassung und Präzisierung erfolgt beim Einleitungssatz. Es soll klargestellt werden, dass sich Absatz 3 lediglich auf die Situation bezieht, dass eine bestehende altrechtliche Wohnung über den in Absatz 2 festgelegten Rahmen (Erweiterung um maximal 30 Prozent der vorbestehenden Hauptnutzfläche) hinaus erweitert werden soll.

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Abs. 3bis (Minderheitsantrag Clivaz Christophe, ...)

Mit dieser Bestimmung soll die Möglichkeit nach Absatz 2, dass altrechtliche Wohnungen umgebaut beziehungsweise abgebrochen und neu aufgebaut und dabei um maximal 30 Prozent der bestehenden Hauptnutzfläche erweitert werden dürfen, wobei in diesem Rahmen auch zusätzliche Wohnungen und zusätzliche Gebäude geschaffen werden können, beschränkt werden. Der letzte Teil der Bestimmung, dass in diesem Zusammenhang auch zusätzliche Wohnungen und Gebäude geschaffen werden können, soll nicht flächendeckend in allen Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von mehr als 20 Prozent anwendbar sein. Vielmehr soll den Kantonen die Aufgabe übertragen werden, durch das kantonale Recht (also beispielsweise auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe) die Gemeinden zu bezeichnen, in denen dies zulässig ist. Ziel der Bestimmung ist es, den Kantonen damit zu ermöglichen, ihren Besonderheiten und ihren spezifischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Die Kantone könnten somit die Möglichkeit, beim Umbau beziehungsweise beim Abbruch und Wiederaufbau altrechtlicher Wohnungen auch zusätzliche Wohnungen und Gebäude zu schaffen, beispielsweise auf diejenigen Gemeinden beschränken, in denen dies voraussichtlich nicht zu einer Verdrängung oder Verteuerung von Erstwohnungen führen wird.

Abs. 3bis (Minderheitsantrag Munz, ...)

Wie die obige Minderheit will diese Minderheit die vorgesehene Möglichkeit einschränken, bei einem Um- oder Wiederaufbau einer altrechtlichen Wohneinheit gleichzeitig die Fläche zu erweitern und zusätzliche Wohnungen und Gebäude zu schaffen. Die Optionen gemäss drittem Satz von Absatz 2 sollen nur in jenen Gemeinden anwendbar sein, die einen Erstwohnungsanteil von mehr als 50 Prozent aufweisen. Ohne eine solche Einschränkung riskiere man, dass die ortsansässige Bevölkerung keine bezahlbaren Wohnungen mehr finde. Denn wenn altrechtliche Wohnungen umgestaltet und als Zweitwohnungen verkauft werden, treibe das die Miet- und Kaufpreise für Erstwohnungen in die Höhe. Deshalb solle die Umwandlung von Erst- in Zweitwohnungen in Gemeinden mit bereits knappem Erstwohnungsangebot nicht zusätzlich begünstigt werden.

Abs. 4 Aus systematischen Gründen werden die beiden bisher in Absatz 2 und Absatz 3 enthaltenen Vorbehalte, dass die übrigen Voraussetzungen des Bundesrechts
und des kantonalen Rechts vorbehalten bleiben und dass ausserhalb der Bauzonen Erweiterungen im Rahmen der Vorschriften über das Bauen ausserhalb der Bauzonen zulässig sind, in einem eigenen Absatz zusammengeführt. Für Vorhaben ausserhalb der Bauzonen soll der Verweis auf die Raumplanungsgesetzgebung nicht nur im Falle von Erweiterungen gelten, sondern generell für bauliche und nutzungsmässige Änderungen altrechtlicher Wohnungen.

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4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf den Bund.

4.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

90% der Zweitwohnungen der Schweiz befinden sich in den Kantonen Wallis (31%), Graubünden (25%), Tessin (16%), Bern (9%) und Waadt (9%). Die Kantone Wallis und Graubünden sind deshalb sehr stark von der Gesetzesanpassung betroffen. Stark betroffen sind die Kantone Tessin, Bern und Waadt. Die übrigen Kantone mit Gemeinden, die einen Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent aufweisen (in absteigender Reihenfolge des Zweitwohnungsanteils) ­ St. Gallen, Luzern, Obwalden, Freiburg, Glarus, Schwyz, Uri, Jura, Nidwalden, Solothurn, Neuenburg, Thurgau und Genf ­ dürften von der Vorlage nur wenig betroffen sein.

Abbildung 1 Zweitwohnungsgemeinden der Schweiz gemäss Wohnungsinventar (Stand 31. März 2022)

Grau markiert sind die Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent.

Karten der Schweiz ­ Schweizerische Eidgenossenschaft ­ map.geo.admin.ch.

In den Zweitwohnungsgemeinden gibt es rund 426 000 altrechtliche Wohnungen. Der grösste Teil davon befindet sich in den Hotspot-Gemeinden (Tabelle 2). Zu den Hot-

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spot-Gemeinden2 gehören sehr grosse touristische Orte wie St. Moriz, Davos, Zermatt oder Gstaad. Im Kanton Graubünden finden sich 19 Hotspot-Gemeinden und im Kanton Tessin sind es deren 11. Sie finden sich auch in den Kantonen Bern (6), Wallis (5), Waadt (5), Luzern (2) und Obwalden (1).

Abbruch und Wiederaufbau mit Erweiterung lohnt sich bei altrechtlichen Wohnungen vor allem dann, wenn ein Sanierungsbedarf vorhanden ist oder die Wohnung inskünftig gewinnbringend respektive gewinnbringender als Zweitwohnung veräussert werden kann. Wohnungen aus der Bauperiode 1946­1980 dürften dazu am geeignetsten sein. Bei älteren Wohnungen stellen oft kleinräumigere Parzellenverhältnisse aber auch Unterschutzstellungen ein Hindernis für Nutzungserweiterungen dar. Bei neueren Wohnungen ist die Bausubstanz besser und ihre Wohnfläche ist auch grösser. Die höchsten Anteile an Wohnungen in der Bauperiode 1946­80 kommen in Gemeinden der Kantone Tessin und Wallis vor (Tabelle 1). Ob dieses Potenzial aber effektiv genutzt wird, hängt neben rechtlichen Rahmenbedingungen des Kantons und der Gemeinden auch vom Baudruck ab. Dieser ist in den Hotspots am grössten.

Tabelle 1 Gemeinden mit den höchsten Anteilen an altrechtlichen Wohnungen aus der Bauperiode 1946­1980, aufgeschlüsselt nach den Zweitwohnungs-Gemeindetypen Hotspots, Mittel und Peripher Hotspots

%1946­80

Mittel

%1946­80

Peripher

%1946­80

Crans-Montana (VS) 60%

Leukerbad (VS)

66%

Isone (TI)

70%

Ronco sopra Ascona 59% (TI)

Mörel-Filet (VS)

64%

Brusino Arsizio (TI)

69%

Lens (VS)

58%

Randa (VS)

59%

Zwischbergen (VS)

68%

Melide (TI)

54%

Grächen (VS)

57%

Novaggio (TI)

64%

Adelboden (BE)

52%

Bissone (TI)

57%

Bodio (TI)

62%

Engelberg (OW)

52%

Veysonnaz (VS)

55%

Icogne (VS)

59%

Muralto (TI)

52%

Vex (VS)

54%

Flühli (LU)

58%

Vaz/Obervaz (GR)

51%

Bedretto (TI)

54%

Lax (VS)

52%

Ascona (TI)

51%

Bettmeralp (VS)

53%

Oberiberg (SZ)

51%

Saas-Fee (VS)

51%

Zernez (GR)

53%

Vernate (TI)

49%

In mittleren Gemeinden und den Hotspots liegt der Anteil der als Erstwohnung genutzten Wohnungen noch bei 41 bzw. 43 Prozent, in den peripheren Gemeinden bei 60 Prozent. Mengenmässig befinden sich aber die meisten altrechtlichen Wohnungen der Bauperiode 1946­80 in den Hotspots. Je nachdem, ob die Nachfrage nach Woh2

Die verwendete Gemeindetypologie Hotspot-Gemeinden, mittlere und periphere Zweitwohnungsgemeinden wurde von Rütter Soceco 2020 entwickelt, um die Gemeinden nach der Bedeutung der Zweitwohnungen für ihren Wohnungsmarkt einzustufen (s. Wirkungsanalyse Zweitwohnungsgesetz, BR, 2021, S. 17).

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nungen auf mittlere oder periphere Gemeinden ausweicht, könnte die Vorlage zur Folge haben, dass in peripheren Gemeinden mit tieferen Immobilienpreisen vermehrt Umnutzungen stattfinden. Da in peripheren Gemeinden die Bevölkerung kleiner ist, verfügen sie über geringere finanzielle und organisatorische Mittel, um Massnahmen gegen die Umnutzungen von Erstwohnungen zu ergreifen. Sie sind deshalb besonders stark von den Auswirkungen der Vorlage betroffen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Kantone und Gemeinden gestützt auf Artikel 3 Absatz 2 ZWG strengere Regeln erlassen können, als das ZWG sie vorsieht. Im Extremfall könnte ein Kanton (je nach kantonalem Recht auch eine Gemeinde) vorsehen, dass in Abweichung von Artikel 11 Absatz 1 ZWG alle oder gewisse Erstwohnungen nicht umgenutzt werden dürfen.

Tabelle 2 Abschätzung des Umnutzungspotenzials von altrechtlichen Wohnungen ZW Gemeindetyp

Anzahl Gemeinden AW ­ davon als EW genutzt Anteil der als EW genutzten Wohnungen an den AW ­ davon Baujahr 1946­80

alle

Hotspot

Mittel

Peripher

346 426 000 204 000

49 162 000 71 000

102 132 000 54 000

195 132 000 79 000

48%

43%

41%

60%

79 000

31 000

20 000

28 000

Legende: AW = Altrechtliche Wohnung, EW = Erstwohnung, ZW = Zweitwohnung

Die Vorlage führt zu keinen organisatorischen Änderungen bei den Kantonen und Gemeinden. Sie kann aber in den stark betroffenen Kantonen und Gemeinden zu Anpassungen des kantonalen Richtplans und der kommunalen Nutzungspläne führen, da zur Vermeidung von negativen Auswirkungen insbesondere auf den Wohnungsmarkt, aber auch auf das Ortsbild und die siedlungsinternen Freiflächen, entsprechende Massnahmen notwendig sind.

4.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Der Wohnungsmarkt in der Schweiz ist teilweise angespannt. Betroffen sind viele Regionen der Schweiz, ganz besonders aber auch die touristischen. Die Gesetzesanpassung dürfte aber kaum zu neuen Erstwohnungen führen: Im Vergleich zu den neu gebauten Wohnungen (durchschnittliche Wohnfläche im Zeitraum 2011­21: 116 m2) weisen Wohnungen der Bauperiode 1946 bis 1980 mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 79 m2 einen bedeutend tieferen Wert auf. Selbst bei einer Erweiterung um 30 Prozent würden sie lediglich eine Wohnfläche von 103 m2 erreichen. Eine Erweiterung dürfte deshalb in den meisten Fällen einer Erhöhung des Wohnkomforts der bestehenden Wohnungen dienen. Ferner könnte eine Unterteilung in zwei Wohnungen attraktiv sein, um beispielsweise zwei Zweitwohnungen in der Grösse von rund 50 m2 zu schaffen.

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Gemäss einer Schätzung, wonach 10%­33% der in Frage kommenden altrechtlichen Wohnungen innerhalb der nächsten 10 Jahren abgebrochen und durch einen Neubau inkl. Erweiterung ersetzt werden, könnte im Wohnungsbau im Vergleich zur Periode 2011­2021 ein rund 45% grösseres Arbeitsvolumen entstehen (gerundeter Mittelwert von 20% und 67%). Davon würde die Bauwirtschaft, vor allem im Bereich Hochbau, erheblich profitieren.

Tabelle 3 Abschätzung der Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienbranche verglichen mit Periode 2011­21 Wohnungen Total

Wohnungen pro Jahr

Anzahl AW, als EW genutzt und Baujahr 1946­80

79 000

Annahme 1: In 10 Jahren werden zusätzliche 10% der AW abgebrochen, neu gebaut und erweitert

7 900

rund 800

Annahme 2: In 10 Jahren werden zusätzliche 33% der AW abgebrochen, neu gebaut und erweitert

26 000

2600

Gebaute Wohnungen in der Periode 2011 bis 2021

39 000

3'900

Wirkung auf die Bau- und Immobilienbranche (Annahme 1/ Annahme 2) im Vergleich zur Bautätigkeit 2011­2021

+ 20% bis +67%

Legende: AW = Altrechtliche Wohnung, EW = als Erstwohnung genutzt, ZW = als Zweitwohnung genutzt

Die im Zuge der Corona-Pandemie und der tiefen Zinsen kräftig gewachsene Nachfrage beim Mieten und beim Kauf von Wohnungen wird in Bezug auf die Wohnungspreise3 dazu führen, dass mit dem Abbruch und Neubau von altrechtlichen Wohnungen vor allem ältere preisgünstige Wohnungen insbesondere für die lokal ansässige Bevölkerung noch mehr unter Druck kommen. Wegen der höheren Preise4 für Zweitwohnungen ist davon auszugehen, dass vor allem Zweitwohnungen mit mehr Komfort entstehen oder aus grösseren Wohneinheiten mehrere kleinere Wohneinheiten für Zweitwohnungen geschaffen werden, die als Geldanlage eine höhere Attraktivität aufweisen.

Bei einem Zinsanstieg könnten aber auch Investitionen in andere Anlagen als Immobilien stärker nachgefragt werden. Damit würde sich der Druck etwas abschwächen.

Zudem könnte sich als Folge des vermehrt praktizierten Homeoffice auch die Nachfrage nach Erstwohnungen in Regionen erhöhen, die bereits über eine gute Infrastruktur verfügen.

3 4

Alleine in den Jahren 2020 und 2021 haben sich die Preise für Wohneigentum zwischen 13.4 und 16.9 Prozent erhöht. Immo-Monitoring 2022/2, wüestpartner. S. 68.

Immo-Monitoring 2022/2, wüestpartner. S. 72.

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4.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Es besteht ein gewisses Risiko, dass die Vorlage dazu führt, dass der Umnutzungsdruck auf bestehende, insbesondere ältere und preisgünstige Erstwohnungen zunimmt. Die zusätzlichen Änderungs- und Erweiterungsmöglichkeiten können den Abbruch und Wiederaufbau der Wohnungen und deren Verkauf als Zweitwohnungen noch lukrativer machen. Falls aus alten preisgünstigen Wohnungen dennoch neue erweiterte Erstwohnungen entstehen würden, stiegen auch in diesem Fall die Miet-, respektive Kaufpreise, unter gleichzeitiger Ausdehnung des Angebots an zeitgemässem Wohnraum.

4.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Der Abbruch und Wiederaufbau altrechtlicher Wohnungen findet auf den bereits überbauten Parzellen statt. Dabei ist infolge der Erweiterungen mit einer Reduktion der Freiflächen zu rechnen. Zudem verändern die Neubauten das bestehende Ortsbild.

Durch eine sorgfältige Planung eines Neubaus, der auf die bestehende Baustruktur Rücksicht nimmt, besteht jedoch auch die Chance, dass das Ortsbild aufgewertet wird und die neusten Baustandards effizient erfüllt werden können. Durch die neu geschaffene Möglichkeit, die Erweiterung um 30 Prozent der Hauptnutzfläche mit der Schaffung zusätzlicher Wohnungen zu kombinieren, ergeben sich zudem neue Möglichkeiten der Finanzierung energetischer Sanierungen. Der Abbruch und Wiederaufbau stellt allerdings aus energetischen Gründen und aus Gründen des Klimaschutzes im Vergleich zu Renovation und Umbau meist nicht die umweltfreundlichste Option dar: Ein Neubau schliesst in Bezug auf den Energiebedarf und den CO2-Ausstoss bedeutend schlechter ab als eine energietechnische Sanierung.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Artikel 75b Absatz 1 BV beschränkt den Anteil der Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20 Prozent. In Gemeinden mit Anteilen von über 20 Prozent Zweitwohnungen dürfen deshalb grundsätzlich nicht nur keine neuen Zweitwohnungen mehr gebaut, sondern auch keine zusätzlichen Flächen für eine Zweitwohnungsnutzung erstellt werden. Für altrechtliche Wohnungen bedeutet dies, dass sie aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben weder in mehrere Wohnungen unterteilt noch flächenmässig erweitert werden dürfen. Dies gilt jedenfalls insoweit, als solche Wohnungen als Zweitwohnungen genutzt sind. Jede Entwicklung, die zu zusätzlichen Zweitwohnungen oder zu einer Vergrösserung der von Zweitwohnungen belegten Flächen führt, läuft letztlich dem Ziel des Verfassungsartikels entgegen, solche Nutzungen zu begrenzen.

Trotz dieser Ausgangslage sieht das geltende Zweiwohnungsgesetz vor, dass zusätzliche Wohnungen nur im Rahmen der vorbestandenen Hauptnutzfläche geschaffen 13 / 16

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werden dürfen (Art. 11 Abs. 2). Erweiterungen um maximal 30 Prozent der Hauptnutzfläche sind demgegenüber nur zulässig, wenn dabei keine zusätzlichen Wohnungen geschaffen werden (Abs. 3). Mit der heute geltenden gesetzlichen Regelung wird also immer nur eine der beiden verfassungsmässigen Vorgaben tangiert (Anzahl Wohnungen oder Zweitwohnungsfläche), nie aber beide gleichzeitig.

Mit der hier vorgeschlagenen Regelung würden nun aber gleichzeitige Änderungen bei beiden Kriterien möglich. Anzumerken ist, dass mit der vorgeschlagenen Regelung die Interpretation des Bundesgerichts (die sich nicht aus dem Text des ZWG ergibt), wonach die beiden Rechtswohltaten «Erweiterung» sowie «Abbruch und Wiederaufbau» nicht gleichzeitig ausgeübt werden dürfen, korrigiert wird. Hinzuweisen ist auch auf den Umstand, dass das geltende Recht nicht ausschliesst, ein altrechtliches Haus zuerst zu erweitern und später ein weiteres Gesuch um Abbruch und Wiederaufbau zu stellen.

Die Kommissionsminderheit, die Nichteintreten beantragt, weist darauf hin, dass sich die verfassungsrechtliche Problematik der vorgeschlagenen Regelung (vgl. oben Kapitel 2) damit beheben liesse, dass ein neuer Absatz 1bis mit folgendem Wortlaut in Artikel 75b BV eingefügt würde: Artikel 75b Absatz 1bis BV Das Gesetz kann vorsehen, dass innerhalb der Bauzonen bei Erneuerung, Um- und Wiederaufbau von Wohneinheiten, die am 11. März 2012 rechtmässig bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren, ohne Nutzungsbeschränkung die Hauptnutzfläche erweitert und die Anzahl Wohneinheiten erhöht werden darf.

1bis

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage tangiert keine internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

5.3

Erlassform

Die vorgeschlagene Änderung bezieht sich auf Artikel 11 des Zweitwohnungsgesetzes. Es sind keine Delegationsnormen (Aufträge an Bundesrat für Änderung der Verordnung) vorgesehen.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen geschaffen, noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen.

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5.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Vorlage tangiert die Aufgabenteilung oder die Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone nicht.

5.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Vorlage entspricht den Vorgaben des Subventionsgesetzes.

5.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorliegende Gesetzesänderung führt keine neue Delegationsnorm zum Erlass von selbstständigem Verordnungsrecht des Bundesrates ein.

5.8

Datenschutz

Die Vorlage ist aus Sicht des Datenschutzes ohne Relevanz.

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