BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.048 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Datenaustausch, Risikoausgleich) vom 9. Juni 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung1.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2018

M 17.3311

Phantome aus dem Risikoausgleich entfernen (N 29.9.17, Brand; S 15.3.18)

2020

M 18.3765

Zeitgemässer elektronischer Datenaustausch zwischen Gemeinden und Krankenversicherern (N 14.12.18, Brand; S 10.3.20)

2020

M 18.4209

Wohnsitzfrage, Krankenkassenprämie und stationäre Anteile der Kantone. Weniger Bürokratie, weniger Fehler (N 22.3.19, Hess; S 10.3.20)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Juni 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

1

BBl 2023 1546

2023-1734

BBl 2023 1545

BBl 2023 1545

Übersicht Mit dieser Revision soll ein zusätzlicher Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern eingeführt werden, um die Aufgaben beider Seiten zu vereinfachen.

Des Weiteren sollen mit der Revision Versicherte, die im Ausland wohnen, in den Risikoausgleich einbezogen und diejenigen, die während einer bestimmten Zeit nicht mehr kontaktiert werden können, vom Risikoausgleich ausgenommen werden.

Ausgangslage Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern Für die Kontrolle der Einhaltung der Versicherungspflicht sind die Kantone zuständig. Dazu müssen sie Zugang zu aktuellen Daten über die Versicherten haben. Die Versicherer wiederum müssen über die genauen Kontaktinformationen der Versicherten verfügen, um ihnen insbesondere die ihrem Wohnsitz entsprechende Prämie in Rechnung stellen zu können. Nach geltendem Recht können die Versicherer nur unter den restriktiven Bedingungen der Amtshilfe auf schriftlich begründetes Gesuch hin Informationen bei den kantonalen Behörden einholen. Ausserdem müssen die Versicherer prüfen, ob Personen, die dem Asylrecht unterstehen, die Voraussetzungen erfüllen, um vom Risikoausgleich ausgenommen zu werden. Zu diesem Zweck ist auch ein Datenaustausch zwischen den Kantonen und den Versicherern vorgesehen.

Im Risikoausgleich berücksichtigte Versicherte Der Risikoausgleich schafft einen finanziellen Ausgleich zwischen Krankenversicherern, die unterschiedliche Risikostrukturen aufweisen. Versicherer, die mehr Personen mit einem erhöhten Krankheitsrisiko versichern als der Durchschnitt aller Versicherer, erhalten Ausgleichsbeiträge. Die anderen Versicherer bezahlen eine Risikoabgabe. Nach dem geltenden Recht werden im für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand grundsätzlich die in der Schweiz wohnhaften Versicherten ab 19 Jahren und nur ein sehr kleiner Teil der Versicherten, die im Ausland wohnen, berücksichtigt.

Es kommt vor, dass Versicherte umziehen, ohne ihre neue Adresse zu melden, sodass der Versicherer sie nicht mehr erreichen und somit keine Prämien mehr von ihnen einfordern kann. Diese Versicherten müssen im Bestand der Versicherer geführt werden, solange sie versicherungspflichtig sind. Die Versicherungspflicht endet erst, wenn die versicherte Person stirbt oder die Schweiz endgültig verlässt. Die Versicherer sind somit heute verpflichtet,
die Risikoabgabe für diese unerreichbaren Versicherten weiter zu entrichten, ohne entsprechende Prämien erheben zu können.

Inhalt der Vorlage Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern Mit der Änderung des Krankenversicherungsgesetzes soll ein elektronischer Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern nach einem einheitlichen Verfahren eingeführt werden, ähnlich wie er im Bereich der Prämienverbilligung bereits besteht.

2 / 28

BBl 2023 1545

Der Wohnsitz der Versicherten wird Teil der ausgetauschten Daten sein. Damit lässt sich leichter feststellen, welcher Kanton für den Versicherungsanschluss und die Übernahme des kantonalen Anteils bei Spitalbehandlungen zuständig ist. Mit diesem Datenaustausch sollen zudem Fälle von Doppelversicherung vermieden werden. Mit dieser Anpassung werden die beiden Motionen 18.3765 Brand «Zeitgemässer elektronischer Datenaustausch zwischen Gemeinden und Krankenversicherern» und 18.4209 Hess «Wohnsitzfrage, Krankenkassenprämie und stationäre Anteile der Kantone. Weniger Bürokratie, weniger Fehler» umgesetzt. Zudem wird im Risikoausgleich ein elektronischer Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern für die versicherten Personen eingeführt, die dem Asylrecht unterstehen.

Im Risikoausgleich berücksichtigte Versicherte Aktuell werden im Risikoausgleich grundsätzlich nur die in der Schweiz wohnhaften Versicherten berücksichtigt. Die Zahl der Versicherten mit Wohnsitz im Ausland steigt. Insbesondere der Anteil der Grenzgängerinnen und Grenzgänger hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen und nimmt weiterhin stetig zu. Viele dieser Versicherten nehmen aufgrund ihres Behandlungswahlrechts auch Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) in der Schweiz in Anspruch. Insofern befinden sich diese Versicherten in einer Lage, die mit derjenigen einer in der Schweiz wohnhaften versicherten Person vergleichbar ist. Folgerichtig sollen die im Ausland wohnhaften, in der OKP Versicherten in den Risikoausgleich einbezogen werden, jedoch nur mit dem Anteil der vom Versichertenbestand ihres Wohnsitzstaates in der Schweiz in Anspruch genommenen Leistungen. Damit werden künftig bis auf wenige Ausnahmen alle in der OKP Versicherten im Risikoausgleich berücksichtigt. Der Grundsatz der Solidarität wird dadurch gestärkt.

In Erfüllung der Motion 17.3311 Brand «Phantome aus dem Risikoausgleich entfernen» sollen neu Versicherte, die nicht mehr erreichbar sind und demzufolge auch keine Prämien mehr bezahlen, aus dem Bestand für den Risikoausgleich ausgenommen werden.

3 / 28

BBl 2023 1545

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes vom 18. März 19942 über die Krankenversicherung (KVG) sollen die Motion 18.3765 Brand «Zeitgemässer elektronischer Datenaustausch zwischen Gemeinden und Krankenversicherern», die Motion 18.4209 Hess «Wohnsitzfrage, Krankenkassenprämie und stationäre Anteile der Kantone. Weniger Bürokratie, weniger Fehler» sowie die Motion 17.3311 Brand «Phantome aus dem Risikoausgleich entfernen» umgesetzt werden. Zudem soll mit der Revision eine Anpassung beim für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand vorgenommen werden. Bis anhin werden grundsätzlich nur Versicherte mit Wohnsitz in der Schweiz im Risikoausgleich berücksichtigt. Neu sollen auch die Versicherten, die im Ausland wohnen, in die Versichertenbestände, die für die Berechnung des Risikoausgleichs massgebend sind, aufgenommen werden.

1.2

Verhältnis zur Legislaturplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

1.2.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20203 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20204 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Sie ist aber notwendig, um die Motionen 17.3311, 18.3765 und 18.4209 umzusetzen.

1.2.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Der Entwurf steht im Einklang mit der Strategie «Gesundheit2030»5, die der Bundesrat am 6. Dezember 2019 verabschiedet hat.

1.3

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Der Bundesrat beantragt, die folgenden parlamentarischen Vorstösse als erledigt abzuschreiben: 2 3 4 5

SR 832.10 BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 Die Strategie ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Strategie & Politik > Gesundheit2030 > Gesundheitspolitische Strategie des Bundesrats 2020­2030.

4 / 28

BBl 2023 1545

­

Motion 17.3311 Brand «Phantome aus dem Risikoausgleich entfernen»;

­

Motion 18.3765 Brand «Zeitgemässer elektronischer Datenaustausch zwischen Gemeinden und Krankenversicherern»;

­

Motion 18.4209 Hess «Wohnsitzfrage, Krankenkassenprämie und stationäre Anteile der Kantone. Weniger Bürokratie, weniger Fehler».

Mit dieser Vorlage werden die drei Motionen vollständig umgesetzt.

2

Vernehmlassungsergebnisse

Die Vernehmlassung dauerte vom 17. November 2021 bis zum 3. März 2022.6

2.1

Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern

Die Vernehmlassungsteilnehmer befürworteten im Grundsatz alle einen Datenaustausch. Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) schlug vor, dass die Kantone direkten Zugriff auf die Daten des vom Staatssekretariat für Migration (SEM) verwalteten Zentralen Migrationsinformationssystems (ZEMIS) erhalten, um die Kontrolle der Einhaltung der Versicherungspflicht von Grenzgängerinnen und Grenzgängern zu erleichtern. Zudem forderten zwei Kantone eine Übergangsfrist von drei Jahren für die Einführung des Datenaustauschs, um das gute Funktionieren des bestehenden Prämienverbilligungssystems im Zusammenhang mit dem Datenaustausch nicht zu gefährden. Mehrere Kantone regten an, die Formulierung von Artikel 65 Absatz 2 KVG zu übernehmen, um zu präzisieren, dass der Bundesrat nach Anhörung der Kantone und der Versicherer die Einzelheiten des einheitlichen Verfahrens festlegt.

Ausserdem verlangten Gemeindeverbände, Artikel 6b des Vorentwurfs zur Änderung des KVG zu ergänzen, indem in einem Absatz 2 präzisiert wird, dass der Datenaustausch im gleichen Masse für Gemeinden in Kantonen gilt, die die Kontrolle der Einhaltung der Versicherungspflicht an diese Gemeinden delegiert haben. Sie wiesen auch darauf hin, dass der nationale Adressdienst nutzlos ist, wenn die Aktualität der Daten nicht gewährleistet ist. Ein Versichererverband schlug vor, den Entwurf zu ergänzen, indem die Kantone verpflichtet werden, die Versicherer zu informieren, wenn sie feststellen, dass Versicherte bei mehreren Versicherern versichert sind. Ein Wirtschaftsakteur bedauerte zudem, dass der erläuternde Bericht nicht auf den Datenschutz eingeht. Seiner Meinung nach wäre es notwendig, diesen Punkt in der Botschaft anzusprechen.

6

Die Vernehmlassungsunterlagen und der Ergebnisbericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > EDI > Vernehmlassung 2021/79.

5 / 28

BBl 2023 1545

2.2

Im Risikoausgleich berücksichtigte Versicherte

Insgesamt begrüssten die Kantone die Vorlage. Ein Kanton schlug vor, die Rentnerinnen und Rentner im Ausland vom Risikoausgleich auszunehmen. Für einen anderen Kanton war nicht nachvollziehbar, weshalb die Personen, die gestützt auf das Übereinkommen vom 30. November 19797 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer (nachfolgend Rheinschiffer-Übereinkommen) der schweizerischen Versicherung unterstellt sind (Rheinschiffer), weiterhin vom Risikoausgleich ausgenommen sein sollen.

Die politischen Parteien stimmten der Vorlage grundsätzlich oder vollumfänglich zu, während eine Organisation der Wirtschaft die Änderung betreffend den Risikoausgleich ablehnte mit der Begründung, die Qualität der Daten der Versicherten im Ausland sei ungenügend.

Die teilnehmenden Versicherer und Versichererverbände begrüssten explizit die Herausnahme der «Phantome» aus dem Versichertenbestand für den Risikoausgleich.

Nicht einverstanden war ein Versichererverband mit weiteren in der Vorlage vorgesehenen Ausnahmen. Er schlug vor, die Rheinschiffer in den Risikoausgleich einzuschliessen, ebenso ­ nach einem vollständigen Kalenderjahr in der Schweiz ­ die Asylsuchenden, vorläufig Aufgenommenen und Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung. Der Bundesrat hält an der Regelung seines Vorentwurfs fest.

Unterschiedlich und teilweise kritisch beurteilten die Versicherer eines Versichererverbandes den Einbezug der im Ausland wohnhaften Versicherten in den Risikoausgleich. Ein anderer Versichererverband und zwei Versicherer lehnten den Einbezug dieser Versicherten und die im Vorentwurf für diese vorgeschlagene Berechnung ab.

Stattdessen schlug der Verband die Herausnahme der Versicherten in Drittstaaten und einen separaten Risikoausgleich für die in einem EU/EFTA-Staat oder im Vereinigten Königreich (UK) wohnhaften Versicherten (EU-Versicherte) vor; dabei sollten nur das Alter und das Geschlecht berücksichtigt werden.

Der Bundesrat nimmt einzelne Anpassungen am Vorentwurf vor. Die Versicherten, die im Ausland wohnen, sollen weiterhin in den Risikoausgleich einbezogen werden, jedoch soll nur der Anteil an den gesamten Leistungen des Versichertenbestands des betreffenden Wohnsitzstaats berücksichtigt werden, den dieser Versichertenbestand in der Schweiz in Anspruch genommen hat. Der Bundesrat soll die Einzelheiten zur
Bestimmung des Anteils festlegen können. Sodann sollen bei einer versicherten Person, die im Ausland wohnt, die vom Bundesrat festgelegten Indikatoren Aufenthalt im Spital oder Pflegeheim und pharmazeutische Kostengruppen (PCG) auf der Grundlage einer Referenzgruppe angewendet werden, die aus Versicherten in der Schweiz gebildet wird, die derselben Altersgruppe und demselben Geschlecht angehören. Eine Delegationsnorm ermächtigt den Bundesrat, die Kriterien zur Bestimmung der Referenzgruppe festzulegen. Damit werden gemäss der bestehenden Systematik nur die Grundsätze und die massgebenden Elemente für die Berechnung im KVG festgelegt, während die eigentliche Berechnung in der Verordnung vom 19. Oktober 20168 über den Risikoausgleich in der Krankenversicherung (VORA) geregelt wird.

7 8

SR 0.831.107 SR 832.112.1

6 / 28

BBl 2023 1545

3

Vergleich mit dem ausländischen, insbesondere europäischen Recht

Das Sozialversicherungsrecht der EU sieht keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedsländer können weitgehend selbst über die Struktur, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation ihrer Sozialversicherungssysteme bestimmen. Sie müssen aber die in den Verordnungen (EG) Nr. 883/20049 und Nr. 987/200910 vorgeschriebenen Grundsätze zur Koordinierung wie das Diskriminierungsverbot, die Berücksichtigung der Versicherungszeiträume und die Erbringung von grenzüberschreitenden Leistungen einhalten.

Die Krankenversicherungssysteme in Deutschland und den Niederlanden kennen ebenfalls das Instrument des Risikoausgleichs. In beiden Ländern werden die Versicherten, die im Ausland wohnen, mit den Versicherten, die im jeweiligen Land wohnen, ausgeglichen. Beide Länder kennen das Problem, dass bei den im Ausland wohnhaften Versicherten das erhöhte Krankheitsrisiko hinsichtlich des Aufenthalts in einem Spital oder Pflegeheim und PCG wegen unvollständiger Daten nicht korrekt berechnet werden kann. Würden bei den Versicherten, die im Ausland wohnen, diese Indikatoren nicht berücksichtigt, müssten die Versicherer für diese Versicherten zu viel in den Risikoausgleich einbezahlen. Um dies zu vermeiden, sehen die Niederlanden eine prozentuale Reduktion der Risikoausgleichsabgaben vor.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Ausgangslage

4.1.1

Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern

In den letzten Jahren wurden drei Motionen zum Thema elektronischer Datenaustausch zwischen den Kantonen und den Versicherern eingereicht. Diese Motionen gaben Anlass zum Entwurf von Artikel 6b des vorliegenden Entwurfs zur Änderung des KVG (E-KVG), der eine gesetzliche Grundlage für den Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern schafft.

Die Motion 16.3255 Brand «Krankenversicherung. Effizienter Datenaustausch statt teure Bürokratie» verlangte, dass die Überprüfung der Versicherungspflicht durch die kantonalen oder kommunalen Behörden sowie der Datenaustausch zwischen Einwoh9

10

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit; ABl. L 166 vom 30. April 2004, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit; ABl. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11.

7 / 28

BBl 2023 1545

nerdiensten und Versicherern administrativ erleichtert werden. Die SASIS AG hatte ein Online-Abfrage-System entwickelt, das von den Gemeinden genutzt wurde. Der Zugang zu diesem Dienst musste jedoch gesperrt werden, da es für die elektronische Adressabfrage aus datenschutzrechtlicher Sicht keine ausreichende Rechtsgrundlage gab. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Diese wurde im Jahr 2018 abgeschrieben.

Die Motion 18.3765 Brand «Zeitgemässer elektronischer Datenaustausch zwischen Gemeinden und Krankenversicherern» beauftragt den Bundesrat, die nötige Rechtsgrundlage für einen effizienten elektronischen Datenaustausch für die Überprüfung der Versicherungspflicht zu schaffen. Die Einwohnerdienste sollen die KVG-Pflicht durch einen erleichterten elektronischen Datenaustausch mit den Versicherern kontrollieren können. Die Weitergabe der Daten soll dabei nur in eine Richtung erfolgen: Nur die Einwohnerdienste können Informationen bei den Versicherern einholen. Die eidgenössischen Räte folgten dem Antrag des Bundesrates und nahmen die Motion an.

Auch die Motion 18.4209 Hess «Wohnsitzfrage, Krankenkassenprämie und stationäre Anteile der Kantone. Weniger Bürokratie, weniger Fehler» will den elektronischen Austausch zwischen den Kantonen und den Versicherern erleichtern. Sie legt fest, in welchen Bereichen der elektronische Austausch ermöglicht werden soll. Im Vordergrund steht die Frage des Wohnsitzes, der mit der Berechnung des kantonalen Anteils an stationären Behandlungen und der Prämienberechnung zusammenhängt. Darüber hinaus sollen durch den Datenaustausch Doppelversicherungen vermieden werden.

Schliesslich soll der hohe bürokratische Aufwand auf Seiten der Kantone und der Versicherer minimiert werden. Vorgesehen ist in diesem Fall ein gegenseitiger Datenaustausch zwischen den Kantonen und den Versicherern. Da ein solcher Datenaustausch bereits im Bereich der Prämienverbilligung besteht (Art. 65 Abs. 2 KVG), beantragte der Bundesrat die Annahme der Motion. Die eidgenössischen Räte folgten ihm und nahmen die Motion an.

Aktuell können die Versicherer nur unter den Voraussetzungen für die Gewährung der Amtshilfe, also auf schriftliches und begründetes Gesuch hin, Informationen bei den kantonalen Behörden einholen. Sie dürfen nur unter den restriktiven Bedingungen von Artikel 84a KVG
Daten an die Kantone und Gemeinden weitergeben. Dies erfüllt die heutigen Bedürfnisse nicht mehr.

Die öffentliche Hand führt Register über die Personen in ihrem Zuständigkeitsbereich.

Die Versicherer ihrerseits müssen über ihren Versichertenbestand Buch führen. Aufgrund der hohen Mobilität der Bevölkerung müssen diese Register und Bestände laufend aktualisiert werden. Die bei der öffentlichen Hand verfügbaren Informationen sind von Nutzen für die Versicherer und umgekehrt. Folglich soll ein erleichterter gegenseitiger Datenaustausch eingerichtet werden, damit beide Seiten über aktuelle Daten verfügen.

Im Dezember 2020 hat der Bundesrat zudem die Ergebnisse der Vernehmlassung zu einem neuen Adressdienstgesetz zur Kenntnis genommen.11 Er hat aufgrund der Ver11

Die Vernehmlassungsunterlagen und der Ergebnisbericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EDI > Vernehmlassung >2019/57.

8 / 28

BBl 2023 1545

nehmlassungsergebnisse entschieden, den Vorentwurf punktuell anzupassen und dazu erforderliche Abklärungen vorzunehmen. Für die Umsetzung des Adressdienstgesetzes ist das Bundesamt für Statistik zuständig. Mit dem nationalen Adressdienst sollen die öffentliche Verwaltung und zugriffsberechtigte Dritte, die einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen haben, auf aktuelle und ehemalige Wohnadressen der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz zugreifen können. Damit können administrative Prozesse vereinfacht und öffentliche Aufgaben effizienter wahrgenommen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach möglichen Synergieeffekten. Diese Frage sowie die Frage nach allenfalls notwendigen Anpassungen im KVG können jedoch erst geklärt werden, wenn die Botschaft verabschiedet ist und das Parlament den Entwurf zum Adressdienstgesetz behandelt hat.

Um festzustellen, ob dem Asylrecht unterstehende Personen (Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung) vom für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand ausgenommen sind, müssen die Versicherer derzeit eine schriftliche Anfrage an die Verwaltungsbehörden der Kantone und Gemeinden und in Ausnahmefällen des Bundes richten (Art. 105a Abs. 2 KVG). Bei der Vernehmlassung machte ein Versichererverband geltend, dass für diese Personen Informationen über den Bezug von Sozialhilfe schwer zu beschaffen sind. Der vorliegende Entwurf schafft hier Abhilfe, indem er einen Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern wie in Artikel 6b E-KVG einführt.

4.1.2

Im Risikoausgleich berücksichtigte Versicherte

Nach dem geltenden Recht besteht der für den Risikoausgleich massgebende Versichertenbestand vorwiegend aus den Versicherten mit Wohnsitz in der Schweiz, die das 18. Altersjahr vollendet haben. Die nicht berücksichtigten Versichertengruppen sind aktuell im KVG und in der VORA aufgeführt: Nach Artikel 16 Absatz 5 KVG sind Kinder vom massgebenden Versichertenbestand ausgenommen. Ebenfalls ausgenommen sind nach Artikel 105a Absatz 1 KVG Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung, die sich in der Schweiz aufhalten und Sozialhilfe beziehen. Sodann sind nach Artikel 9 Absatz 2 VORA unter anderem zusätzlich die Versicherten ausgenommen, die ihren Wohnort im Ausland haben. Um eine klare übersichtliche Regelung zu schaffen, soll neu der für den Risikoausgleich massgebende Versichertenbestand abschliessend auf Gesetzesstufe geregelt werden.

Mit der Revision sollen die Versicherten, die im Ausland wohnen, in den Risikoausgleich einbezogen werden, sodass grundsätzlich alle nach Artikel 3 KVG versicherungspflichtigen Personen, die am 31. Dezember des betreffenden Jahres 19 Jahre und älter sind, im Risikoausgleich berücksichtigt werden.

Das Abkommen vom 21. Juni 199912 zwischen der Schweiz einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, nachfolgend: FZA), das am 1. Juni 2002 in Kraft getreten

12

SR 0.142.112.681

9 / 28

BBl 2023 1545

ist, und das Übereinkommen vom 4. Januar 196013 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen) regeln die Koordinierung der sozialen Sicherheit. Damit hat die Schweiz die Koordinierungsbestimmungen der EU, die in den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 geregelt werden, gestützt auf Artikel 95a KVG übernommen. Gleichwertige Regeln wurden auch mit dem Vereinigten Königreich im Abkommen vom 9. September 202114 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich vereinbart, das seit dem 1. November 2021 vorläufig angewendet wird.

Mit diesem europäischen Koordinationsrecht wurden folgende EU-Versicherte in der Schweiz krankenversicherungspflichtig: die Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre Familienangehörigen, die Familienangehörigen von Niedergelassenen, von Aufenthalterinnen und Aufenthaltern und von Kurzaufenthalterinnen und Kurzaufenthalterin, die Bezügerinnen und Bezüger einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung und ihre Familienangehörigen sowie die Bezügerinnen und Bezüger einer schweizerischen Rente und ihre Familienangehörigen.

Bis Ende 2012 gehörten die Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre Familienangehörigen, die Entsandten und die Personen im öffentlichen Dienst mit Aufenthalt im Ausland und ihre Familienangehörigen nach den Artikeln 4 und 5 der Verordnung vom 27. Juni 199515 über die Krankenversicherung (KVV) und die gestützt auf das Rheinschiffer-Übereinkommen der schweizerischen Versicherung unterstellten Personen zu dem für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand.

Mit der auf den 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Revision vom 2. November 201116 der Verordnung vom 12. April 199517 über den Risikoausgleich in der Krankenversicherung wurden alle Versicherten, die im Ausland wohnen, vor allem aus den folgenden Gründen aus dem für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand ausgenommen:

13 14 15 16 17

­

Vor dieser Revision gehörten nur die Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre Familienangehörigen zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand. Dabei handelt es sich um eher gute Risiken. Die eher schlechten Risiken unter den EU-Versicherten, die Rentnerinnen und Rentner und ihre Familienangehörigen, wurden nicht in den Risikoausgleich einbezogen.

Das war unter anderem ein Grund, weshalb damals in mehreren EU-/EFTALändern im Vergleich zu den schweizerischen Prämien höhere Prämien erhoben werden mussten.

­

Die Rentnerinnen und Rentner und ihre Familienangehörigen wurden damals nicht im Risikoausgleich berücksichtigt, weil die Erstattungen für medizinische Behandlungen im Wohnland bei dieser Personengruppe nicht über effektive Kosten, sondern über Pauschalen erfolgten. Mit den neuen, in den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 geregelten KoordinieSR 0.632.31 SR 0.831.109.367.2 SR 832.102 AS 2011 5291 AS 1995 1371; 1998 1841; 2001 140; 2002 925; 2004 5079; 2005 5643; 2006 4705, 4739; 2007 4477; 2009 4761; 2010 6163; 2011 5291; 2013 789; 2014 3481

10 / 28

BBl 2023 1545

rungsbestimmungen, welche die Schweiz auf den 1. April 2012 im Rahmen des FZA bzw. seit dem 1. Januar 2016 im Rahmen des EFTA-Übereinkommens übernommen hat, wurde die Verrechnung über Pauschalen in den meisten Ländern abgeschafft. Seither erfolgen die Erstattungen bei den EU-Versicherten über die effektiven Kosten.

­

Auf den 1. Januar 2012 trat die Neuregelung des Risikoausgleichs (Änderung vom 21. Dezember 200718 des KVG), nach der Aufenthalte in einem Spital oder Pflegeheim in der Schweiz im Vorjahr als weiterer Ausgleichsfaktor in den Risikoausgleich einbezogen wurden, in Kraft. Das bedeutete, dass bei den Versicherten, die im Ausland wohnten und zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand gehörten, nur die Spitalaufenthalte in der Schweiz und nicht auch diejenigen in ihrem Wohnland berücksichtigt wurden.

­

Es handelte sich damals bei den EU-Versicherten um eine relativ kleine Personengruppe. Im Jahre 2010 umfasste sie rund 29 000 Versicherte.

Die folgenden Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die aktuelle Regelung geändert werden sollte, und zwar in dem Sinne, dass die Versicherten, die im Ausland wohnen, auch zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand zu zählen sind:

18 19

­

Die Anzahl der in der Schweiz versicherten Personen, die im Ausland wohnen, wächst kontinuierlich. Im Jahre 2020 gehörten rund 139 200 Personen zu dieser Versichertengruppe, davon waren rund 125 300 Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre nichterwerbstätigen Familienangehörigen und rund 13 900 Rentnerinnen und Rentner und ihre nichterwerbstätigen Familienangehörigen. Hinzu kommen rund 8300 ins Ausland entsandte Arbeitnehmende oder im öffentlichen Dienst stehende Personen und ihre Familienangehörigen.

­

Gestützt auf Artikel 25 Absatz 3 der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung vom 18. November 201519 decken die Prämien der EU-Versicherten (EU-Prämien) die Kosten, die dem Versicherer für die Versicherten der betroffenen Länder insgesamt entstehen, abzüglich eines Anteils an den Kapitalerträgen. Bei der Festlegung der Prämien für die einzelnen Länder beachtet der Versicherer die Kostenunterschiede zwischen den Ländern. Die Prämien hängen also vom Versichertenkreis ab, den ein Versicherer in diesen Ländern hat. Bei den EU-Versicherten handelt es sich um einen Versichertenbestand, der sich im Jahr 2022 auf 19 Versicherer aufteilte, wobei dieser Markt zu 90 Prozent von fünf Versicherern dominiert wird. Bei ihnen beträgt das Durchschnittsalter der EU-Versicherten 38 Jahre. Bei den übrigen Versicherern beträgt es 54 Jahre. Einige Versicherer haben fast ausschliesslich Rentnerinnen und Rentner und andere mehrheitlich Grenzgängerinnen und Grenzgänger versichert. Da die EU-Versicherten aktuell nicht in den Risikoausgleich einbezogen werden und somit der Wettbewerb zwischen den Versicherern nicht richtig funktioniert, hat das zur Folge, dass bei den EU-Prämien der Versicherer grosse Unterschiede bestehen.

AS 2009 4755 SR 832.121

11 / 28

BBl 2023 1545

­

Mit der Revision vom 30. September 201620 des KVG wurden die Kantone verpflichtet, auch bei den EU-Versicherten bei Spitalbehandlungen in der Schweiz den kantonalen Anteil (mind. 55 %) zu übernehmen, wie dies bei den in der Schweiz wohnhaften Versicherten der Fall ist (Art. 41 Abs. 2bis und 2ter und 49a Abs. 2 Bst. b und 3bis KVG). Diese Gesetzesänderung trat am 1. Januar 2019 in Kraft. Damit wurde das mit dem europäischen Koordinationsrecht übernommene Diskriminierungsverbot, das verlangt, dass die EUVersicherten gleich behandelt werden wie die in der Schweiz wohnhaften Versicherten, umgesetzt. Die Revision führte zu einer Senkung der EUPrämien. Heute sind diese Prämien nicht mehr generell höher als die schweizerischen Prämien, im Gegenteil: Vor allem in Deutschland und Frankreich, wo die meisten EU-Versicherten wohnen, sind die Prämien einiger Versicherer für das Jahr 2022 tiefer als die meisten schweizerischen Prämien. Die Durchschnittsprämie für Erwachsene in Deutschland mit der ordentlichen Franchise und mit Unfalldeckung beträgt 244 Franken pro Monat und die Durchschnittsprämie für Erwachsene in Frankreich mit der ordentlichen Franchise und mit Unfalldeckung beträgt 206 Franken pro Monat. Die Durchschnittsprämie für Erwachsene im Kanton Basel-Stadt mit der ordentlichen Franchise und mit Unfalldeckung ist mit Fr. 603.80 pro Monat deutlich höher, ebenso die Durchschnittsprämie für Erwachsene im Kanton Genf mit der ordentlichen Franchise und mit Unfalldeckung mit 599 Franken pro Monat. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich unter anderen die in Deutschland und Frankreich wohnhaften EU-Versicherten im Gegensatz zu den in der Schweiz wohnhaften Versicherten wahlweise sowohl im Wohnland als auch in der Schweiz medizinisch behandeln lassen können.

Schliesslich kommt es vor, dass Versicherte wegziehen, ohne den Behörden oder ihrem Versicherer ihre neue Adresse zu melden. Die Versicherer sind gezwungen, diese Personen im Versichertenbestand weiterzuführen und entsprechende Risikoabgaben zu entrichten, ohne Prämien einfordern zu können. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat das Parlament die Motion 17.3311 Brand «Phantome aus dem Risikoausgleich entfernen» überwiesen. Diese beauftragt den Bundesrat, eine Änderung des KVG vorzulegen, um sicherzustellen, dass KVG-Versicherte, die nach unbekannt verzogen sind und nicht mehr kontaktiert werden können, vom Risikoausgleich ausgenommen werden.

4.2

Beantragte Neuregelung

4.2.1

Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern

Mit dieser Vorlage soll ein elektronischer Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern nach einem einheitlichen Verfahren eingeführt werden, und zwar so, wie er im Bereich der Prämienverbilligung bereits besteht. Dieser Datenaustausch soll die Kontrolle der Einhaltung der Versicherungspflicht vereinfachen. Der Wohnort der 20

AS 2017 6717

12 / 28

BBl 2023 1545

Versicherten wird Teil der ausgetauschten Daten sein. Er ist massgebend für die Prämienberechnung und für die Bestimmung des Kantons, der für die Übernahme des kantonalen Anteils bei stationären Behandlungen zuständig ist.

Bei der Einführung des einheitlichen Datenaustauschverfahrens muss der Datenschutz sichergestellt werden. Gemäss Artikel 4 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199221 über den Datenschutz wie auch gemäss Artikel 6 Absatz 3 des Datenschutzgesetzes vom 25. September 202022, das am 1. September 2023 in Kraft treten wird, dürfen Personendaten nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Datenerhebung angegeben wurde oder gesetzlich vorgesehen oder aus den Umständen ersichtlich ist. Artikel 84 Buchstabe a KVG ermächtigt die mit dem Vollzug des KVG betrauten Organe, Personendaten zu bearbeiten oder bearbeiten zu lassen, die sie benötigen, um die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben zu erfüllen und namentlich für die Einhaltung der Versicherungspflicht zu sorgen. Zudem treffen die Versicherer gemäss Artikel 84b KVG die erforderlichen technischen und organisatorischen Massnahmen zur Sicherstellung des Datenschutzes.

4.2.2

Im Risikoausgleich berücksichtigte Versicherte

Mit dieser Revision sollen nahezu alle der OKP unterstellten Versicherten, die im Ausland wohnen, in den für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand aufgenommen und diejenigen, die von den Versicherern während einer bestimmten Zeit nicht mehr kontaktiert werden können, vom für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand ausgenommen werden.

In der OKP gilt das Solidaritätsprinzip, das unter anderem die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken gewährleistet. Alle Versicherten können ohne Vorbehalte aufgrund des Alters oder der Gesundheit den Versicherer wechseln und ab dem Alter von 26 Jahren bezahlen beim selben Versicherer in derselben Versicherungsform alle die gleiche Prämie. Für eine solche Solidarität braucht es auch die Solidarität zwischen den Versicherern. Diese wird mit dem Risikoausgleich erfüllt, indem Versicherer, die mehrheitlich Personen bei guter Gesundheit versichern, Risikoabgaben entrichten, und im Gegenzug Versicherer, die viele Personen mit einem höheren Krankheitsrisiko versichern, Ausgleichsbeiträge erhalten.

Die EU-Versicherten in der OKP haben alle einen engen Bezug («Anknüpfungspunkt») zur Schweiz, weil sie in der Schweiz erwerbstätig sind, für einen schweizerischen Arbeitgeber im Ausland arbeiten oder eine schweizerische Rente beziehen. Ein Grossteil dieser Versicherten hat ein Behandlungswahlrecht, das heisst sie können sich in ihrem Wohnland wie auch in der Schweiz zulasten der OKP medizinisch behandeln lassen. Nehmen sie Leistungen in der Schweiz in Anspruch, so befinden sie sich in einer Lage, die mit derjenigen einer in der Schweiz wohnhaften Person vergleichbar ist. Es ist deshalb angezeigt, diese Versicherten in Bezug auf die in der Schweiz in Anspruch genommenen Leistungen in den Risikoausgleich einzubeziehen.

Konkret soll der Anteil an den gesamten Leistungen des Versichertenbestands des 21 22

SR 235.1 AS 2022 491

13 / 28

BBl 2023 1545

betreffenden Wohnsitzstaats ­ sofern der Versichertenstand eine gewisse Grösse hat ­ berücksichtigt werden, den dieser Versichertenbestand in der Schweiz in Anspruch genommen hat. Ist der Versichertenbestand im Wohnsitzstaat klein, so kann der Anteil der in der Schweiz in Anspruch genommenen Leistungen für mehrere kleine Versichertenbestände gemeinsam bestimmt werden. Die Einzelheiten der Bestimmung des Anteils wird der Bundesrat in der Verordnung festlegen. Die Versicherer mit mehrheitlich schlechten Risiken im Ausland werden ebenso von der Solidarität der Versicherer mit mehrheitlich guten Risiken in der Schweiz (und im Ausland) profitieren.

Es wird vorgeschlagen, die im Ausland Versicherten in die 26 bestehenden Risikoausgleiche einzubeziehen. Zudem muss im Gesetz festgelegt werden, wie bei ihnen die vom Bundesrat festgelegten Indikatoren der Morbidität angewendet werden.

Gestützt auf das Rheinschiffer-Übereinkommen sind Rheinschiffer in der Schweiz krankenversicherungspflichtig. Dabei handelt es sich um eine relativ kleine Versichertengruppe. Im Jahr 2020 waren es rund 5000 Personen. In der Regel arbeiten sie nur für wenige Monate auf einem Rheinschiff und sind deshalb nur kurze Zeit in der Schweiz krankenversichert. Sie haben in der Regel keinen Bezug zur Schweiz, da sie nicht in der Schweiz wohnen und auch nicht in der Schweiz arbeiten. Lediglich ihr Arbeitgeber hat seinen Sitz in der Schweiz. Deshalb soll von dieser Versichertengruppe nicht verlangt werden, mit den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, solidarisch zu sein. Es erscheint gerechtfertigt, dass sie weiterhin nicht zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand gehören.

Für die Gruppierung der Daten und die Berechnung des Risikoausgleichs benötigt die gemeinsame Einrichtung (nachfolgend GE KVG) pro versicherte Person unter anderem folgende Daten: Wohnkanton, AHV-Nummer in pseudonymisierter Form, Geburtsjahr, Geschlecht, Anzahl Monate, während deren die Person beim Versicherer versichert ist. Die Integration der im Ausland wohnhaften Versicherten in den Risikoausgleich erfordert, dass die Versicherer auch bei diesen Versicherten alle notwendigen Daten systematisch und korrekt erheben und laufend aktualisieren. Dies gilt insbesondere für die Zuordnung zum richtigen Kanton.

Ausserdem müssen heute die Versicherer
Versicherte, die nach unbekannt verzogen sind, so lange in ihren Beständen führen, bis der Kanton über die Beendigung der Versicherungspflicht für diese Personen entschieden hat. Das bedeutet, dass die Versicherer weiterhin Risikoabgaben für diese Personen entrichten müssen, ohne entsprechende Prämien einfordern zu können. Mit der vorliegenden Revision soll dies korrigiert werden. Kann der Versicherer eine versicherte Person über einen bestimmten Zeitraum nicht mehr erreichen, wird diese im Risikoausgleich nicht mehr berücksichtigt.

5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 6b Diese Bestimmung führt einen Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern ein, in erster Linie, um die Einhaltung der Versicherungspflicht zu überprüfen (Art. 6b Bst. a E-KVG). Diese Aufgabe wird den Kantonen durch Artikel 6 Absatz 1 KVG übertragen. Diese können sie jedoch durch Erlass einer kantonalen Rechtsgrundlage 14 / 28

BBl 2023 1545

an die Gemeinden und deren Einwohnerkontrollstellen delegieren. Die Kantone müssen auch ihre Gesetzgebung ergänzen, um den Gemeinden den Zugang zur Datenaustauschplattform zu ermöglichen. Aufgrund der Systematik des KVG muss die Delegation an die Gemeinden im kantonalen Recht und nicht im Bundesgesetz erfolgen.

Um die Kontrolle der Einhaltung der Versicherungspflicht von Grenzgängerinnen und Grenzgängern zu vereinfachen, hat die GDK verlangt, dass die Kantone direkten Zugriff auf die ZEMIS-Datenbank des SEM erhalten. Allerdings muss die Mehrheit der Kantone diesen Zugriff benötigen, damit das Kriterium der Verhältnismässigkeit erfüllt ist. Die Kantone müssen sich also zunächst darüber einigen, welche Daten aus dem ZEMIS-Katalog für sie von Nutzen sind. Wenn sie diese Frage geklärt haben, können sie beim SEM einen Antrag auf Änderung der Gesetzgebung stellen, um Zugriff auf die ZEMIS-Datenbank zu erhalten. Daher wird dieser Vorschlag der GDK nicht im Rahmen der vorliegenden Revision behandelt.

Das zweite Ziel des Datenaustauschs ist, Fälle von Doppelversicherung zu vermeiden (Art. 6b Bst. b E-KVG). Es kommt vor, dass Versicherte gleichzeitig bei zwei Versicherern versichert sind. Gründe dafür gibt es viele: Am häufigsten wird die Kündigungsfrist (Art. 7 KVG) nicht eingehalten, oder Versicherte mit Zahlungsausständen, die gemäss Artikel 64a Absatz 6 KVG den Versicherer nicht wechseln dürfen, versichern sich trotzdem bei einem anderen Versicherer. Um dies in Zukunft zu vermeiden, muss das Datum des Versicherungsbeitritts im Einzelfall bekannt sein und geprüft werden, ob der Versichererwechsel unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt ist. Da die Kantone Mehrfachversicherungsfälle aufdecken, ist es sinnvoll, in Artikel 6b Absatz 2 E-KVG vorzusehen, dass sie diese Fälle den Versicherern melden müssen. Diese Information hat zum Ziel, die Dauer der Doppel- oder Mehrfachversicherung auf ein Minimum zu beschränken.

Ausserdem regelt Artikel 65 Absatz 2 KVG den Datenaustausch für die Prämienverbilligung und sieht vor, dass der Bundesrat die Einzelheiten nach Anhörung der Kantone und der Versicherer regelt. Es ist daher sinnvoll, dass der Bundesrat die Kantone und die Versicherer auch in Bezug auf den Datenaustausch nach Artikel 6b E-KVG anhört. Artikel 6b E-KVG ist somit um einen Absatz 3 zu
ergänzen. Für einen effizienten Datenaustausch ist es unerlässlich, dass diese Informationen immer auf dem neuesten Stand gehalten werden. Sofern die Aktualität der Daten gewährleistet ist, könnte die Nutzung des nationalen Adressdienstes für die Kantone und die Versicherer von Interesse sein.

Art. 16 Abs. 4 Der zweite Satz von Absatz 4 wird redaktionell leicht angepasst, damit deutlich wird, dass er sich auf «weitere geeignete Indikatoren der Morbidität» im ersten Satz bezieht.

Materiell ändert sich durch die Anpassung nichts.

Abs. 5 Der Inhalt des heutigen Absatzes 5 wird in den neuen Artikel 16a Absatz 1 Buchstabe a E-KVG überführt. Absatz 5 kann damit aufgehoben werden.

15 / 28

BBl 2023 1545

Art. 16a Im geltenden Recht legen verschiedene Bestimmungen fest, wer vom Risikoausgleich ausgenommen ist: Kinder (Art. 16 Abs. 5 KVG) sowie Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung (Art. 105a KVG).

Weitere Ausnahmen sind in Artikel 9 Absatz 2 VORA festgelegt. Mit dieser Revision werden alle Kategorien von Versicherten, die vom für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand ausgenommen sind, in einer einzigen Bestimmung im KVG zusammengefasst. Dadurch wird der für den Risikoausgleich massgebende Versichertenbestand bereits im KVG übersichtlich festgelegt und das KVG in seiner Systematik gestärkt.

Abs. 1 In Absatz 1 ist der Grundsatz festgehalten, wonach für die Berechnung des Risikoausgleichs alle Versicherten der OKP berücksichtigt werden. Wird die Versicherungspflicht sistiert, weil eine Person während mehr als 60 aufeinander folgenden Tagen dem Bundesgesetz vom 19. Juni 199223 über die Militärversicherung unterstellt ist (Art. 3 Abs. 4 KVG), so wird diese Person während des betreffenden Zeitraums im Risikoausgleich nicht berücksichtigt. Aus dieser Formulierung folgt, dass neu auch die Versicherten, die im Ausland wohnen, zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand zählen. In den Buchstaben a­d werden die Ausnahmen geregelt.

Bst. a Diese Bestimmung entspricht Artikel 16 Absatz 5 KVG. Sie stellt keine materielle Änderung gegenüber dem geltenden Recht dar: Kinder werden beim Risikoausgleich weiterhin nicht berücksichtigt.

Bst. b Diese Bestimmung entspricht Artikel 105a Absatz 1 KVG. Weiterhin sollen Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung, die sich in der Schweiz aufhalten und Sozialhilfe beziehen, vom Risikoausgleich ausgenommen sein.

Wenn Asylsuchende in die Schweiz einreisen, sind gewisse Indikatoren der Morbidität wie die PCG und der Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim im Vorjahr nicht bekannt. Ein erhöhtes Krankheitsrisiko kann daher im ersten Jahr nicht richtig bestimmt werden. Viele Asylsuchende sind junge Männer, was ein eher geringeres Krankheitsrisiko bedeutet. Aufgrund ihrer Lebensgeschichte (Krieg, mangelhaftes Gesundheitssystem im Herkunftsland) verursachen sie jedoch häufig höhere Kosten als andere Versicherte desselben Geschlechts und derselben Altersgruppe. Aus
diesen Gründen ist es gerechtfertigt, sie vom für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand auszunehmen. Das bedeutet, dass der Versicherer für diese Versicherten keine Risikoabgaben entrichten muss und der Prämienbetrag, abzüglich der Ver-

23

SR 833.1

16 / 28

BBl 2023 1545

waltungskosten, zur Deckung der Kosten für Leistungen der OKP zur Verfügung steht.

Bst. c Diese Gesetzesbestimmung übernimmt die aktuelle Regelung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e VORA.

Wie bisher sollen die Rheinschiffer nicht zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand zählen. Gestützt auf das Rheinschiffer-Übereinkommen sind Personen, die auf einem Schiff eines Unternehmens mit Sitz in der Schweiz, das auf dem Rhein verkehrt, arbeiten, in der Schweiz krankenversicherungspflichtig. In den meisten Fällen haben sie aber keinerlei Bezug zur Schweiz und es handelt sich um eine sehr kleine Personengruppe, was eine Nichtberücksichtigung im Risikoausgleich rechtfertigt.

Bst. d Nach Absatz 1 ist die Berücksichtigung im für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand an die Versicherungspflicht gebunden. Diese endet mit dem Tod der versicherten Person oder ihrem definitiven Wegzug aus der Schweiz.24 Die Kantone müssen dafür sorgen, dass die Versicherungspflicht eingehalten wird (Art. 6 Abs. 1 KVG). Entsprechend müssen sie auch verfügen, wann diese Pflicht endet.

Steht fest, dass eine Person ihren Wohnsitz in der Schweiz definitiv aufgegeben und einen neuen Wohnsitz im Ausland begründet hat, hat der Versicherer das Versicherungsverhältnis aufzulösen. Kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass eine Person die Schweiz tatsächlich verlassen hat, so verfügt der Kanton über die Beendigung der Versicherungspflicht. Der Kanton kann das Ende der Versicherungspflicht nur dann verfügen, wenn er diesbezüglich über ausreichende Informationen verfügt. Andernfalls bleibt die Person in der Schweiz versicherungspflichtig. Im Übrigen bleibt gemäss Artikel 24 Absatz 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB)25 der einmal begründete Wohnsitz einer Person in der Schweiz bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes im Ausland bestehen.

Die Versicherer müssen somit Versicherte, die nach unbekannt verzogen sind, so lange in ihren Beständen führen, bis der Kanton über die Beendigung der Versicherungspflicht dieser Personen verfügt hat. Wie oben bereits erwähnt, kann der Kanton das Ende der Versicherungspflicht jedoch nur dann verfügen, wenn er nachweisen kann, dass diese Personen definitiv aus der Schweiz weggezogen sind.

Die Versicherer führen in ihren Beständen Versicherte mit unbekanntem Wohnsitz, von denen sie
keine Prämien oder Kostenbeteiligungen einfordern können. Sie können keine Betreibung gegen sie einleiten und folglich keine Verlustscheine erwirken, die der Kanton gemäss Artikel 64a Absatz 4 KVG zu 85 Prozent übernimmt. Diese Versicherten schicken ihren Versicherern zwar keine Leistungsabrechnungen zu, aber die Versicherer müssen die Risikoabgabe für sie entrichten. Dies soll mit dieser Vorlage behoben werden. Demnach sollen nicht erreichbare Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr im Risikoausgleich berücksichtigt werden.

24 25

BGE 9C_268/2015 SR 210

17 / 28

BBl 2023 1545

Der Versicherer muss während eines bestimmten Zeitraums versuchen, mit den Versicherten in Kontakt zu treten. Er muss alles daransetzen, Versicherte, die umgezogen sind, ohne ihre neue Adresse zu melden, zu kontaktieren. Er wird sich zu diesem Zweck unter anderem an die kantonalen Behörden wenden. Der Versicherer muss insbesondere eine schriftliche Bestätigung der Einwohnerdienste am letzten bekannten Wohnsitz der Person vorlegen, aus der hervorgeht, dass diese nach unbekannt verzogen ist. Er muss nachweisen können, dass er eine bestimmte Person während des vorgesehenen Zeitraums nicht erreichen konnte. Taucht eine versicherte Person wieder auf oder erfährt der Versicherer auf irgendeine Weise, dass sie noch in der Schweiz lebt, nimmt sie der Versicherer unverzüglich wieder in den für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand auf.

Abs. 2 Dem Asylrecht unterstehende Personen (Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung) sind vom für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand ausgenommen, wenn sie sich in der Schweiz aufhalten und Sozialhilfe beziehen (Art. 16a Abs. 1 Bst. b E-KVG). Derzeit können die Versicherer eine schriftliche Anfrage an die Behörden der Kantone und Gemeinden und in Ausnahmefällen des Bundes richten, um die Daten zu erhalten, die notwendig sind, um festzustellen, ob eine Person zu dieser Kategorie von Versicherten gehört.

Bei der Vernehmlassung machte ein Versichererverband geltend, dass Informationen zur Sozialhilfe schwer zu überprüfen sind. Um dieses Problem zu beheben, wird wie in den Artikeln 6b, 49a Absatz 5 und 61 Absatz 5 E-KVG ein Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern eingeführt. Wie bei diesen drei Konstellationen ist es auch hier Sache des Bundesrates, die Einzelheiten nach Anhörung der Kantone und der Versicherer zu regeln.

Abs. 3 Dieser Absatz entspricht weitgehend Artikel 105a Absatz 2 KVG. Die Beibehaltung dieser Bestimmung ist notwendig, weil die in Artikel 32 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200026 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vorgesehene Amtshilfe den Versicherern erlaubt, bei den Verwaltungs- und Rechtspflegebehörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden Auskünfte einzuholen, allerdings nur zu vier bestimmten Zwecken: für die Festsetzung, Änderung
oder Rückforderung von Leistungen, für die Verhinderung ungerechtfertigter Bezüge, für die Festsetzung und den Bezug der Beiträge sowie für den Rückgriff auf haftpflichtige Dritte.

Bei Versicherten, die unter Artikel 16a Absatz 3 E-KVG fallen, wendet sich der Versicherer an eine der Behörden, um festzustellen, ob die betreffende Person vom Risikoausgleich ausgenommen werden soll. Da ein Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern eingeführt wird, damit Letztere ermitteln können, ob dem Asylrecht unterstehende Personen vom Risikoausgleich ausgenommen sind, werden die Kantone nicht mehr unter den Behörden aufgeführt, die den Versicherern auf schriftliche 26

SR 830.1

18 / 28

BBl 2023 1545

Anfrage Daten gemäss dieser Bestimmung liefern müssen. Als zuständige Organe der sozialen Krankenversicherung für die Ermittlung des für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestandes sind die Versicherer in der Bestimmung neu ausdrücklich erwähnt.

Abs. 4 Diese Bestimmung überträgt dem Bundesrat die Befugnis, die Zeitdauer zu bestimmen, während deren der Versicherer eine Kontaktaufnahme mit den in Absatz 1 Buchstabe d genannten Versicherten erfolglos versucht haben muss, bevor er sie aus dem für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand entfernen kann. Es wird eine genügend lange Zeitdauer vorzusehen sein. Heutzutage ist es nicht ungewöhnlich, dass Personen mehrere Monate von ihrem Wohnsitz abwesend sind, beispielsweise wegen Urlaub oder Geschäftsreisen.

Abs. 5 Mit der Übernahme des europäischen Koordinationsrechts für die Sozialversicherungen wurden Personen in der Schweiz krankenversicherungspflichtig, die in einem EU/EFTA-Staat oder in UK wohnen. Diese Versicherten lassen sich in vier verschiedene Gruppen einteilen: ­

Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre Familienangehörigen;

­

Familienangehörige von Niedergelassenen, von Aufenthalterinnen und Aufenthaltern und von Kurzaufenthalterinnen und Kurzaufenthaltern;

­

Bezügerinnen und Bezüger einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung und ihre Familienangehörigen;

­

Bezügerinnen und Bezüger einer schweizerischen Rente und ihre Familienangehörigen.

Zu den Versicherten, die im Ausland wohnen, gehören auch die Entsandten und die sie begleitenden Familienangehörigen nach Artikel 4 KVV und die Personen im öffentlichen Dienst mit Aufenthalt im Ausland und die sie begleitenden Familienangehörigen nach Artikel 5 KVV. Diese Personen wohnen entweder in einem EU-/EFTAStaat, in UK oder in einem Drittland. Bisher zählen nur diejenigen unter ihnen zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand, bei denen eine Prämie für Versicherte mit Wohnort in der Schweiz erhoben wird (Art. 9 Abs. 2 Bst. d VORA). Neu sollen alle oben erwähnten im Ausland wohnhaften Versicherten zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand zählen.

Würde ein separater Risikoausgleich für die in einem EU-/EFTA-Staat und in UK wohnhaften Versicherten (EU-Versicherten) eingeführt, müsste er analog zu den kantonalen Risikoausgleichen in der Schweiz je EU-/EFTA-Land und UK berechnet werden. Dies ist abgesehen von Deutschland und Frankreich mit einem Anteil von insgesamt über 90 Prozent der betroffenen Versicherten unrealistisch, denn die meisten Länder, wie Litauen, Island, Lettland, Estland, Norwegen, Irland, Malta, Zypern, Bulgarien, weisen nur Kleinstbestände auf. Viel einfacher durchzuführen und im Resultat

19 / 28

BBl 2023 1545

zufriedenstellender ist der Einbezug der im Ausland wohnhaften Versicherten in die 26 bestehenden kantonalen Risikoausgleiche.

Demnach müssen für die Berechnung des Risikoausgleichs auch die Versicherten mit Wohnort im Ausland einem Kanton zugeordnet werden (erster Satz). Dem Bundesrat wird die Befugnis übertragen, in der Verordnung die Kriterien festzulegen, nach welchen diese Versicherten einem Kanton zuzuordnen sind (zweiter Satz).

In mehreren anderen Bereichen der Krankenversicherung sind auch die Kantone für die Mehrheit der EU-Versicherten, insbesondere die Grenzgängerinnen und Grenzgänger, zuständig. Dazu gehören die Kontrolle der Versicherungspflicht, die Gewährung von Prämienverbilligungen und die Übernahme des kantonalen Anteils bei stationären Spitalbehandlungen in der Schweiz.

Es erscheint naheliegend, die Versicherten, die einen aktuellen Anknüpfungspunkt an einen Kanton haben, für den Risikoausgleich diesem Kanton zuzuordnen. Der Bundesrat wird sich beim Erlass der Verordnungsbestimmungen daran orientieren.

­

Bei den Grenzgängerinnen und Grenzgängern und ihren Familienangehörigen, den Familienangehörigen von Aufenthalterinnen und Aufenthaltern in der Schweiz und den Bezügerinnen und Bezügern einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung und ihren Familienangehörigen ist es der Kanton, zu dem sie einen aktuellen Anknüpfungspunkt haben. Bei den Grenzgängerinnen und Grenzgängern und ihren Familienangehörigen ist dies beispielsweise der Erwerbskanton.

­

Die Entsandten und die Personen im öffentlichen Dienst mit Aufenthalt im Ausland und ihre Familienangehörigen haben durch ihren letzten Wohnort in der Schweiz einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz.

Die Rentnerinnen und Rentner und ihre Familienangehörigen, die in einem EU-/EFTA-Land oder in UK wohnen, haben keinen aktuellen Anknüpfungspunkt mehr an die Schweiz. Bei der Kontrolle der Versicherungspflicht und der Gewährung von Prämienverbilligungen ist deshalb der Bund für diese Personen zuständig. Diese Aufgaben hat der Bund der GE KVG übertragen. Der Bundesrat wird sich für die Zuordnung der Rentnerinnen und Rentner und ihrer Familienangehörigen zu einem Kanton an der Regelung für die Übernahme des kantonalen Anteils bei stationären Spitalbehandlungen in der Schweiz orientieren. Für diese sieht Artikel 49a Absatz 3bis KVG vor, dass die Kantone gemeinsam den kantonalen Anteil übernehmen, wobei dieser auf die einzelnen Kantone im Verhältnis zu ihrer Wohnbevölkerung aufgeteilt wird. In der VORA wird eine Bestimmung vorsehen, dass die Versicherungsmonate, die diese Personen aufweisen, unter Berücksichtigung der Höhe ihres Krankheitsrisikos im Verhältnis zur Wohnbevölkerung auf die einzelnen Kantone aufgeteilt werden.

Da es sich bei dieser Versichertengruppe um einen kleinen Bestand handelt, wird sich ihr Einbezug in den Risikoausgleich nur marginal auf den Risikoausgleich der einzelnen Kantone auswirken.

Art. 16b Der bisherige Artikel 16a KVG, wird aufgrund des Einschubs von Artikel 16a E-KVG neu zu Artikel 16b E-KVG.

20 / 28

BBl 2023 1545

Art. 17 Abs. 4 Nach Artikel 16 Absatz 4 KVG wird das erhöhte Krankheitsrisiko durch das Alter, das Geschlecht sowie durch weitere geeignete Indikatoren der Morbidität abgebildet, die der Bundesrat festlegt. Mit dem Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim und den PCG hat der Bundesrat in Artikel 1 VORA zwei weitere Indikatoren festgelegt.

Die Berechnung dieser Morbiditätsindikatoren basiert auf Individualdaten und ist in der VORA geregelt.

Die Indikatoren Alter und Geschlecht können bei den Versicherten, die im Ausland wohnen, ohne Weiteres wie bei den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, angewendet werden. Anders sieht es bei den Indikatoren Aufenthalt im Spital oder Pflegeheim und PCG aus: Die EU-Versicherten haben im Gegensatz zu den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, das Behandlungswahlrecht, das heisst sie können sich wahlweise in ihrem Wohnland und in der Schweiz medizinisch behandeln lassen. Dieses Wahlrecht stützt sich auf das europäische Koordinationsrecht für die Sozialversicherungen. Auch die Entsandten und die Personen im öffentlichen Dienst mit Aufenthalt im Ausland und ihre Familienangehörigen können sich im Land, in dem sie erwerbstätig sind, und in der Schweiz medizinisch behandeln lassen (Art. 36 Abs. 4 KVV). Es wäre nicht richtig, bei den Versicherten im Ausland nur die Indikatoren Alter und Geschlecht zu berücksichtigen, denn dies würde bedeuten, dass alle als gesund erachtet werden, und die Versicherer müssten für die Versicherten, die im Ausland wohnen, zu viel in den Risikoausgleich einzahlen. Daraus folgt, dass die Berechnung der Aufenthalte und der PCG bei den Versicherten, die im Ausland wohnen, nicht auf Individualdaten basieren kann. Es braucht eine besondere Regelung, die im Grundsatz im KVG zu regeln ist.

In Absatz 4 wird vorgeschlagen, dass bei den Versicherten, die im Ausland wohnen, die vom Bundesrat festgelegten Morbiditätsindikatoren Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim und PCG auf der Grundlage einer Referenzgruppe angewendet werden, die aus Versicherten in der Schweiz gebildet wird, die derselben Altersgruppe und demselben Geschlecht angehören. Mit einer Delegationsnorm soll der Bundesrat ermächtigt werden, die Kriterien zur Bestimmung der Referenzgruppe festzulegen.

Diese Referenzgruppe könnte aus sämtlichen Versicherten, die in der Schweiz
wohnen, bestehen. Möglich wäre auch eine Unterscheidung nach Kantonen. Da die Versicherten, die im Ausland wohnen, grösstenteils Grenzgängerinnen und Grenzgänger sind, wäre auch denkbar, in der Referenzgruppe nur Personen ohne Unfalleinschluss einzubeziehen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird verschiedene Modelle prüfen und gegebenenfalls auch Erfahrungen anderer Länder bei der Bestimmung der Referenzgruppe berücksichtigen.

Mit einer solchen Regelung wird den Grenzgängerinnen und Grenzgängern und ihren Familienangehörigen, bei denen es sich um eher gute Risiken handelt, ein Solidaritätsbeitrag abverlangt. Die Versicherer müssen für diese Personen nun auch Risikoabgaben bezahlen. Dadurch werden jene Versicherer entlastet, die im Kanton, in dem diese Personen arbeiten, neben guten auch viele schlechte Risiken versichern.

21 / 28

BBl 2023 1545

Art. 17 Abs. 5 Wie bereits unter Absatz 4 ausgeführt, haben ein Grossteil der EU-Versicherten und die im Ausland wohnhaften Entsandten im Gegensatz zu den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, das Behandlungswahlrecht, das heisst sie können sich wahlweise in ihrem Wohnland und in der Schweiz medizinisch behandeln lassen. Das Wahlrecht der EU-Versicherten stützt sich auf das europäische Koordinationsrecht für die Sozialversicherungen. Dieses verlangt unter anderem auch die Gleichbehandlung der Versicherten mit Wohnort in einem EU-Staat, in Island, Norwegen oder in UK mit den Versicherten im Inland, das heisst in der Schweiz (sog. Diskriminierungsverbot). Nehmen versicherte Personen, die im Ausland wohnhaft sind, Leistungen in der Schweiz in Anspruch, so befinden sie sich in einer Lage, die mit einer in der Schweiz wohnhaften Person vergleichbar ist. In Bezug auf die in der Schweiz in Anspruch genommenen Leistungen können diese Versicherten in den Risikoausgleich einbezogen werden. Das BAG hat von den grössten EU-Versicherern Erfahrungszahlen aus den Jahren 2019 und 2020 erhalten. Gemäss diesen beziehen die in Deutschland wohnhaften Versicherten rund 35 Prozent ihrer Leistungen in der Schweiz. Bei den in Frankreich wohnhaften Versicherten beträgt der Anteil der medizinischen Behandlungen in der Schweiz rund 70 Prozent. Konkret soll bei der Berechnung des Risikoausgleichs der Anteil an den gesamten Leistungen des Versichertenbestands des betreffenden Wohnsitzstaats ­ sofern der Versichertenstand wie in Deutschland und in Frankreich eine gewisse Grösse hat ­ berücksichtigt werden, den dieser Versichertenbestand in der Schweiz in Anspruch genommen hat. Ist der Versichertenbestand im Wohnsitzstaat klein, so kann der Anteil der in der Schweiz in Anspruch genommenen Leistungen für mehrere kleine Versichertenbestände gemeinsam bestimmt werden. Aktuell geht der Bundesrat davon aus, dass die Versichertenbestände nur in Deutschland und in Frankreich genügend gross sind für eine separate Berechnung des Anteils. Die restlichen Länder wird er nach ihrem Versichertenbestand möglicherweise in Gruppen aufteilen und den Anteil für die entsprechenden Länder gemeinsam berechnen. Der Bundesrat wird ermächtigt, die Einzelheiten der Bestimmung des Anteils festzulegen.

Um grosse Schwankungen zu verhindern, wird der
Bundesrat den Anteil jeweils für eine Dauer von bis zu sechs Jahren festlegen. Auch soll er sich auf die Durchschnittswerte der vergangenen Jahre stützen und den Anteil pauschal festlegen können.

Die Revision wird insbesondere in den Kantonen Genf und Basel, in denen viele in der Schweiz versicherte Grenzgängerinnen und Grenzgänger arbeiten, zu einer Annäherung der EU-Prämien an die kantonalen Prämien führen.

Art. 17a Abs. 1 Wie nach dem geltenden Recht wird die GE KVG auch künftig innerhalb der einzelnen Kantone unter den Versicherern den Risikoausgleich durchführen. Sie führt 26 Risikoausgleiche durch, in jedem Kanton unter den Versicherern, die im Kanton tätig sind. Hingegen werden neu auch die Versicherten, die im Ausland wohnen, zum Versichertenbestand für den Risikoausgleich gehören. In Absatz 1 wird darum explizit der Bezug zum Versichertenbestand geschaffen.

22 / 28

BBl 2023 1545

Art. 49a Abs. 5 Die Kantone und die Versicherer müssen über den Wohnort der versicherten Person informiert sein, um den Kanton korrekt bestimmen zu können, der für die Übernahme des kantonalen Anteils bei stationären Behandlungen zuständig ist.

Wie in den Artikeln 6b Absatz 3, 16a Absatz 2 und 61 Absatz 5 E-KVG ist auch in Artikel 49a Absatz 5 E-KVG festzuhalten, dass der Bundesrat die Kantone und die Versicherer anhört, bevor er die Einzelheiten des einheitlichen Verfahrens regelt.

Art. 61 Abs. 5 Der Wohnort der Versicherten ist nach Artikel 61 Absatz 2 KVG massgebend für die Prämienfestsetzung. Diese Angabe ist zwingend, damit die Höhe der Prämien entsprechend der für die Berechnung massgebenden Prämienregion ermittelt werden kann.

Deshalb müssen die Kantone und die Versicherer diese zentrale Information austauschen können.

Die Bestimmung zur Anhörung der Kantone und der Versicherer in den Artikeln 6b Absatz 3, 16a Absatz 2 und 49a Absatz 5 E-KVG wird auch in Artikel 61 Absatz 5 zweiter Satz E-KVG aufgenommen. Es ist wichtig, dass das implementierte einheitliche Verfahren die Erfahrungen der Kantone und der Versicherer als Hauptbeteiligten am Datenaustausch berücksichtigt.

Art. 105a Der für den Risikoausgleich massgebende Versichertenbestand wird neu im Abschnitt «Risikoausgleich» in Artikel 16a E-KVG geregelt. Die heute in Artikel 105a Absatz 3 KVG verankerte Befugnis des BAG, Daten von den Versicherern zu verlangen, ist bereits in Artikel 35 Absatz 1 des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. September 201427 vorgesehen. Artikel 105a KVG kann somit aufgehoben werden (vgl.

Erläuterungen zu Art. 16a Abs. 1 Bst. b, 2 und 3 E-KVG).

Bedarf der Koordination mit einem anderen Revisionsprojekt Aufgrund der im Parlament hängigen Änderung des KVG zu einer einheitlichen Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich28 (EFAS) besteht Koordinationsbedarf.

Gemäss der EFAS-Revision (E-KVG-EFAS) ist bei Behandlung in der Schweiz für alle im Ausland wohnhaften Versicherten, die keinen Anknüpfungspunkt an einen Kanton haben (im Wesentlichen die Rentnerinnen und Rentner), neu ein Bundesbeitrag vorgesehen (Art. 60 Abs. 4 E-KVG-EFAS). Dort, wo ein Anknüpfungspunkt an einen Kanton besteht (z. B. bei Grenzgängerinnen und Grenzgängern), bezahlt weiterhin der Kanton den Beitrag
(Art. 60 Abs. 1 und 2 E-KVG-EFAS). Durch den Einbezug der im Ausland wohnhaften Versicherten in den Risikoausgleich muss neben dem Kantonsbeitrag auch der Bundesbeitrag vorgängig abgezogen werden. In Arti-

27 28

SR 832.12 BBl 2019 3535, Geschäftsnummer 09.528

23 / 28

BBl 2023 1545

kel 16 Absatz 3bis E-KVG-EFAS muss somit neben dem Kantonsbeitrag auch der Bundesbeitrag genannt werden.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Einführung des elektronischen Datenaustauschs wird Kosten verursachen, die zwischen den Kantonen und den Versicherern aufgeteilt werden.

Der Einbezug der im Ausland wohnhaften Versicherten in den Risikoausgleich wird dazu führen, dass die EU-Prämien in Staaten mit vielen Grenzgängerinnen und Grenzgängern tendenziell steigen und in Staaten mit vielen Rentnerinnen und Rentnern tendenziell sinken. Die Prämien in der Schweiz werden pro Monat durchschnittlich um rund Fr. 1.60 sinken. Insgesamt wird diese Änderung zu einer Senkung des Bundesbeitrags nach Artikel 66 KVG an die Kantone zur Verbilligung der Prämien um rund 10 Millionen Franken zur Folge haben. Hingegen ist mit einer geringen Erhöhung der Beiträge, die der Bund gestützt auf Artikel 66a KVG zur Prämienverbilligung für EUVersicherte gewährt, zu rechnen. Diese Erhöhung dürfte sich jedoch unter dem Wert von 10 Millionen Franken befinden. Der Bund wird somit Einsparungen machen können. Im Jahr 2021 betrugen die Beiträge 0,7 Millionen Franken.29 Ansonsten haben die Anpassungen von Bestimmungen zum Risikoausgleich keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund.

6.1.2

Auswirkungen auf den Personalbestand

Die Änderung der einzelnen Artikel betreffend den elektronischen Datenaustausch hat keine personellen Auswirkungen auf den Bund. Die Änderung betreffend den Risikoausgleich führt einmalig zu einem Mehraufwand beim BAG, der mit den bestehenden Ressourcen bewältigt werden kann.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Einführung des elektronischen Datenaustauschs wird Kosten verursachen, die zwischen den Kantonen und den Versicherern aufgeteilt werden.

Die neuen Bestimmungen, nach denen fast alle Versicherten, die im Ausland wohnen, in den Risikoausgleich einbezogen werden, werden keine nennenswerten finanziellen Auswirkungen auf die Prämienverbilligung durch die Kantone nach den Artikeln 65 und 65a KVG haben. Weitere finanzielle Auswirkungen auf die Kantone und auf die Gemeinden sind nicht zu erwarten.

29

Vgl. Geschäftsbericht 2021 der Gemeinsamen Einrichtung KVG, S. 7; abrufbar unter: www. kvg.org > Über uns > Unternehmen > Geschäftsbericht 2021.

24 / 28

BBl 2023 1545

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

6.3.1

Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern

Da sich der Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern auf das bestehende Modell im Bereich der Prämienverbilligung stützen kann, wird die Umsetzung kostengünstig erfolgen.

6.3.2

Im Risikoausgleich berücksichtigte Versicherte

Die Vorlage wird für die soziale Krankenversicherung zu keinen Mehr- oder Minderkosten führen. Denn die Risikoabgaben und die Ausgleichsbeiträge bleiben auch mit dem Einbezug der im Ausland wohnhaften Versicherten im Gleichgewicht. Hingegen wird mit der Gesetzesänderung der Aufwand der Versicherer und der GE KVG, die den Risikoausgleich unter den Versicherern durchführt, etwas grösser. Die GE KVG muss die Berechnung des Risikoausgleichs neu programmieren, was bei ihr einmalig zu höheren Kosten führt. Die Verwaltungskosten der Versicherer und der GE KVG werden jedoch nur marginal ansteigen. Die neuen Bestimmungen werden sich aber sowohl auf die schweizerischen Prämien als auch auf die EU-Prämien auswirken. Vor allem in Kantonen, in denen viele Grenzgängerinnen und Grenzgänger arbeiten, bei denen es sich um eher gute Risiken handelt, wird sich die Neuregelung positiv auf die kantonalen Prämien dieser Kantone auswirken. Die nachfolgenden Berechnungen wurden annäherungsweise mithilfe von Daten aus dem Jahr 2021 durchgeführt. Die tatsächlichen Änderungen hängen von dem vom Bundesrat definierten Referenzkollektiv und der tatsächlichen demografischen und gesundheitlichen Gegebenheiten der EU-Versicherten zum Zeitpunkt der Einführung ab. So würde diese Vorlage die kantonalen Durchschnittsprämien im Jahr 2023 in den Kantonen Basel-Stadt (604 Fr.)

und Genf (599 Fr.) um schätzungsweise 13 Franken (­2,1 %) bzw. 14 Franken (­ 2,3 %) verringern, während im Kanton Basel-Landschaft (535 Fr.) mit einer Reduktion von rund Fr. 4.50 (0,9 %) zu rechnen wäre. Im Kanton Tessin dürfte die Durchschnittsprämie unverändert bei 541 Franken bleiben. Bei Versicherern, die mehrheitlich Grenzgängerinnen und Grenzgänger versichern, werden die EU-Prämien tendenziell ansteigen. Umgekehrt werden bei Versicherern, deren EU-Versichertenbestand mehrheitlich aus Rentnerinnen und Rentnern zusammengesetzt ist, die EU-Prämien sinken. Geschätzt wurde weiter, dass die durchschnittliche Prämie im Jahr 2023 für in Deutschland wohnhafte Versicherte (250 Fr.) um rund 45 Franken (+18 %), diejenige für in Frankreich wohnhafte Versicherte (207 Fr.) um rund 129 Franken (+62 %) steigen würden. Diese Prämien dürften aber dennoch weiterhin weit unterhalb der durchschnittlichen Prämie in der Schweiz liegen.

25 / 28

BBl 2023 1545

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Kompetenz des Bundes, Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung zu erlassen, ergibt sich aus Artikel 117 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)30.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen dürfen den internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht widersprechen. Sie müssen insbesondere mit dem FZA und dem EFTA-Übereinkommen vereinbar sein. Anhang II zum FZA und Anhang K Anlage 2 zum EFTA-Übereinkommen führen dazu aus, dass in der Schweiz im Verhältnis zu den EU- oder EFTA-Staaten das europäische Koordinationsrecht betreffend die Systeme der sozialen Sicherheit, zum Beispiel die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009, gestützt auf Artikel 95a KVG, anwendbar ist.

Dieses Recht bezweckt keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Die «Etats parties» können über die konkrete Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation der Systeme der sozialen Sicherheit weitgehend frei bestimmen. Dabei müssen sie jedoch die Koordinationsgrundsätze wie zum Beispiel das Diskriminierungsverbot, die in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und in der entsprechenden Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 geregelt sind, beachten.

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen betreffen den Datenaustausch zwischen Versicherern und Kantonen, den Einbezug fast aller im Ausland wohnhaften Versicherten in den Risikoausgleich und den Ausschluss vom Risikoausgleich von Versicherten, mit denen die Versicherer während einer bestimmten Zeit keinen Kontakt aufnehmen konnten. Sie sind mit den international gültigen Bestimmungen vereinbar.

Wie in Ziffer 3 erläutert, sieht das auf die Schweiz anwendbare Recht der EU keine Normen in diesen Bereichen vor. Die Vorlage steht damit im Einklang mit dem von der Schweiz übernommenen Recht der EU.

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz kompatibel. Mit dem Einbezug der im Ausland wohnhaften Versicherten in den Risikoausgleich und der besonderen Bestimmung für die Berechnung der Risikoabgabe oder des Ausgleichsbeitrags bei einer versicherten Person, die im Ausland wohnt (Art. 16a Abs. 5 E-KVG), wird das Prinzip der Nichtdiskriminierung berücksichtigt.

7.3

Erlassform

Der Entwurf enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV, da er den Kantonen und den Versicherern neue Befugnisse einräumt. Er 30

SR 101

26 / 28

BBl 2023 1545

ist deshalb in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen, das dem Referendum unterstellt ist.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Gemäss Artikel 159 Absatz 3 BV müssen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, von der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte gutgeheissen werden. Mit dem Entwurf werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Der Entwurf ist somit nicht der Ausgabenbremse zu unterstellen.

7.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 96 KVG erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, Ausführungsbestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung zu erlassen. Nach Artikel 17a Absatz 2 KVG erlässt der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen zum Risikoausgleich. Zudem kann der Bundesrat nach Artikel 17 Absatz 3 KVG bei den Indikatoren der Morbidität Ausnahmen für die Berechnung des Risikoausgleichs vorsehen.

Der Entwurf ermächtigt den Bundesrat zum Erlass von Bestimmungen in folgenden Bereichen: ­

Der Bundesrat regelt die Einzelheiten des einheitlichen Datenaustauschverfahrens (Art. 6b Abs. 3, 16a Abs. 2, 49a Abs. 5 und 61 Abs. 5 E-KVG).

­

Es obliegt dem Bundesrat, in der Verordnung die Anzahl Monate festzulegen, die erreicht sein müssen, um Versicherte, die der Versicherer nach Absatz 1 Buchstabe d nicht mehr kontaktieren kann, aus dem Versichertenbestand für den Risikoausgleich zu entfernen (Art. 16a Abs. 4 E-KVG).

­

Der Bundesrat hat in der Verordnung festzulegen, wie die Versicherten, die im Ausland wohnen, für die Berechnung des Risikoausgleichs einem Kanton zuzuordnen sind (Art. 16a Abs. 5 E-KVG).

­

Bei einer versicherten Person, die im Ausland wohnt, werden die Indikatoren Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim und PCG auf der Grundlage einer Referenzgruppe angewendet, die aus Versicherten in der Schweiz gebildet wird, die derselben Altersgruppe und demselben Geschlecht angehören. Es obliegt dem Bundesrat, die Kriterien zur Bestimmung der Referenzgruppe festzulegen (Art. 17 Abs. 4 E-KVG).

­

Bei einer versicherten Person, die im Ausland wohnt, wird bei der Berechnung der Risikoabgabe oder des Ausgleichsbeitrags nur der Anteil an den gesamten Leistungen des Versichertenbestands des betreffenden Wohnsitzstaats berücksichtigt, den dieser Versichertenbestand in der Schweiz in Anspruch genommen hat. Ist der Versichertenbestand im Wohnsitzstaat klein, so kann der Anteil der in der Schweiz in Anspruch genommenen Leistungen für mehrere 27 / 28

BBl 2023 1545

kleine Versichertenbestände gemeinsam bestimmt werden. Der Bundesrat wird ermächtigt, in der Verordnung die Kriterien zur Bestimmung des Anteils festzulegen (Art. 17 Abs. 5 E-KVG).

7.6

Datenschutz

Bei der Bearbeitung von Personendaten im Rahmen des Datenaustauschverfahrens sind die Bestimmungen der Datenschutzgesetzgebung einzuhalten. Gemäss Artikel 8 Absatz 1 des Datenschutzgesetzes vom 25. September 202031, das am 1. September 2023 in Kraft treten wird, gewährleisten der Verantwortliche und der Auftragsbearbeiter durch geeignete technische und organisatorische Massnahmen eine dem Risiko angemessene Datensicherheit.

Für den Datenschutz ist keine zusätzliche Regelung notwendig, da die Versicherer auf der Grundlage der Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und von Artikel 84b KVG die erforderlichen technischen und organisatorischen Massnahmen zur Sicherstellung des Datenschutzes zu treffen haben.

31

AS 2022 491

28 / 28