05.036 Botschaft zum Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Rahmen der schweizerischen Informationssysteme für Fingerabdrücke und DNA-Profile vom 13. April 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 15. Dezember 2004 unterzeichneten Vertrags zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Rahmen der schweizerischen Informationssysteme für Fingerabdrücke und DNA-Profile.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. April 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-2799

2911

Übersicht Im Rahmen der traditionell engen Beziehung zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein arbeiten die beiden Länder auch im Bereich der Polizeiarbeit vertieft zusammen. Diese Zusammenarbeit stützt sich auf den Vertrag vom 27. April 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden, der am 1. Juli 2001 in Kraft getreten ist. Sie umfasst bedürfnisgerechte direkte Kontakte auf nationalem Niveau sowie verschiedene Massnahmen auf regionaler Ebene.

Seit der Aufnahme des Probebetriebs des DNA-Profil-Informationssystems im August 2000 durch das Bundesamt für Polizei ist das Fürstentum Liechtenstein auch an diesem Projekt beteiligt. In der Datenbank werden DNA-Profile abgespeichert und Abgleiche vorgenommen, insbesondere von verdächtigen und verurteilten Personen sowie Spuren. Da sich der Betrieb des DNA-Profil-Informationssystems aus der Sicht der Strafverfolgungsbehörden bewährt hat, wünscht das Fürstentum Liechtenstein, weiterhin daran beteiligt zu sein.

Am 1. Januar 2005 wurde der Betrieb dieses Informationssystems mit dem Inkrafttreten des DNA-Profil-Gesetzes auf eine neue gesetzliche Basis gestellt und in den regulären Betrieb übergeführt. Zusätzlich zur im DNA-Profil-Gesetz geregelten internationalen Zusammenarbeit ist es angebracht, im Falle der engen Kooperation mit dem Fürstentum Liechtenstein diese in einem Staatsvertrag zu konkretisieren.

Im gleichen Vertrag konnte auch die bestehende Zusammenarbeit im Bereich des automatisierten Fingerabdruck-Identifikationssystems präzisiert werden, insbesondere in Bezug auf die Kostenbeteiligung und die Haftung.

Mit dem Vertrag übernimmt das Fürstentum Liechtenstein die in einer Anlage aufgeführten Bestimmungen der schweizerischen Bundesgesetzgebung in sein Landesrecht.

Der Vertrag regelt die Verantwortlichkeiten bei der Zusammenarbeit, die Bedingungen der Datenerhebung und der Datenbearbeitung in den Informationssystemen und garantiert einen hohen Datenschutzstandard. Zudem werden die Kostenbeteiligung des Fürstentums Liechtenstein sowie die Haftung geregelt.

2912

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Seit der Aufnahme des Probebetriebs des DNA-Profil-Informationssystems im August 20001 ist das Fürstentum Liechtenstein an dieser Datenbank wie ein Schweizer Kanton beteiligt, da es nicht über eine eigene Datenbank in diesem Bereich verfügt. In der Datenbank werden DNA-Profile von verdächtigen, verurteilten oder vermissten Personen, von Spuren sowie von nicht identifizierten lebenden und toten Personen gespeichert. Durch Vergleich der Profile wird die Beweisführung unterstützt, was zu einer effizienteren Strafverfolgung beiträgt. In der Praxis hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein aus polizeilicher Sicht bewährt und verläuft auf der technischen Ebene problemlos. Der provisorische Betrieb wurde mit dem Inkrafttreten des DNA-Profil-Gesetzes2 und der DNA-Profil-Verordnung3 am 1. Januar 2005 auf eine neue rechtliche Basis gestellt und in den regulären Betrieb überführt. Artikel 13 des DNA-Profil-Gesetzes erlaubt die internationale Zusammenarbeit im Rahmen von Interpol und im Einzelfallverfahren. Auch wenn bei der Kooperation mit dem Fürstentum Liechtenstein kein Online-Zugriff auf das DNA-Profil-Informationssystem gewährt wird und der Ablauf bei der Behandlung von Ersuchen nur teilweise automatisiert ist, erfolgt die Datenübermittlung systematisch und mit Hilfe eines neuen Systems zur elektronischen Datenverarbeitung, an das auch die Kantone angeschlossen sind. Aus diesem Grund ist es angebracht, diese enge Zusammenarbeit in einem Staatsvertrag zu regeln.

Auf dieses Datenverarbeitungssystem stützt sich seit 1. Januar 2005 auch das automatisierte Fingerabdruck-Identifikationssystem (AFIS). Es dient der Registrierung und Auswertung von Finger- und Handballenabdrücken sowie Tatortspuren. Die seit 1984 bestehende Zusammenarbeit mit dem Fürstentum Liechtenstein in diesem Bereich stützt sich auf Artikel 351septies Absätze 1 und 2 des Strafgesetzbuchs4. Auf Grund des Anschlusses des Fürstentums Liechtenstein an dieses Übermittlungssystem wird die Zusammenarbeit optimiert, und es drängt sich zudem eine Regelung der Kostenbeteiligung und der Haftungsfrage auf. Deshalb war es angebracht, diesen Bereich im gleichen Vertrag zu regeln.

1.2

Ablauf der Verhandlungen

Am 3. Mai 2004 trafen sich Experten der beiden Staaten in der Schweiz und einigten sich auf die Eckpunkte eines Vertrags. Auf der Basis eines von beiden Staaten vorbereiteten Entwurfs fanden die Verhandlungen am 19. und 20. Juli 2004 in Vaduz statt und konnten in einer Verhandlungsrunde abgeschlossen werden.

1 2 3 4

Gestützt auf die Verordnung über das DNA-Profil-Informationssystem (EDNA-Verordnung, SR 361.1).

DNA-Profil-Gesetz vom 20. Juni 2003 (SR 363).

DNA-Profil-Verordnung vom 3. Dezember 2004 (SR 363.1).

SR 311.0

2913

Der Bundesrat stimmte dem Vertrag in seiner Sitzung vom 10. November 2004 zu.

Der Vertrag wurde am 15. Dezember 2004 in Vaduz vom Direktor des Bundesamtes für Polizei, Jean-Luc Vez, und vom Chef der Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein, Adrian Hasler, unterzeichnet.

2

Besonderer Teil

2.1

Systematik

In der Präambel des Vertrags wird zuerst auf die traditionell enge Freundschaft zwischen der Schweiz und Liechtenstein hingewiesen und die Absicht bekräftigt, zur Wahrung gemeinsamer Sicherheitsinteressen zusammenzuarbeiten. Unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 27. April 19995 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden bekräftigen die beiden Staaten ihre Absicht, die Zusammenarbeit im Sinne dieses Vertrags weiterzuentwickeln, insbesondere im Bereich der polizeilichen Informationssysteme.

Kapitel I enthält die allgemeinen Bestimmungen. Der Vertrag ist nach dem Prinzip aufgebaut, wie es insbesondere im Zollvertrag6 zur Anwendung gelangt. Dieses in Artikel 2 festgelegte Vertragsprinzip hält fest, dass das Fürstentum Liechtenstein verpflichtet ist, die in der Anlage des Vertrags aufgelisteten Bestimmungen der schweizerischen Bundesgesetzgebung in sein Landesrecht zu übernehmen. Damit wird gewährleistet, dass das Fürstentum Liechtenstein den gleichen vom schweizerischen Gesetzgeber erlassenen Bestimmungen unterliegt wie ein Schweizer Kanton, soweit dies in einem zwischenstaatlichen Verhältnis möglich und erwünscht ist.

Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es bei Änderungen der schweizerischen Erlasse keiner Vertragsänderung mit Neuverhandlungen, sondern lediglich einer Anpassung der Anlage des Vertrags auf diplomatischem Weg bedarf. Dadurch brauchen im Vertrag selbst nur Aspekte geregelt zu werden, die entweder von besonderer Wichtigkeit sind oder auf Grund des zwischenstaatlichen Charakters der Zusammenarbeit zusätzlich geregelt oder präzisiert werden müssen.

Kapitel II enthält die besonderen Bestimmungen, die für die Bereiche DNA und Fingerabdrücke separat geregelt werden müssen und vom Fürstentum Liechtenstein nicht materiell übernommen, sondern nur in den Fällen spezifisch angewandt werden, in denen auch tatsächlich Daten zur Bearbeitung in die Schweiz übermittelt werden. Sie betreffen die Bedingungen der DNA-Probenahme und der Abnahme von Fingerabdrücken im Asylbereich.

Kapitel III enthält die Schlussbestimmungen in Bezug auf die formellen Erfordernisse der Inkraftsetzung sowie der Kündigung.

5 6

SR 0.360.163.1 Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (SR 0.631.112.514).

2914

2.2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.2.1

Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen

Gegenstand und Zweck des Vertrags (Art. 1) Gemäss Artikel 1 regelt der Vertrag die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein in den Bereichen des AFIS und des DNA-ProfilInformationssystems. Auch wenn von dieser Zusammenarbeit in erster Linie die liechtensteinischen Behörden durch die Benützung der schweizerischen Datenbanken profitieren, erwächst auch den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden dank der grösseren zur Verfügung stehenden Informationsmenge ein Nutzen.

Laut Artikel 1 Absatz 2 bezweckt der Vertrag eine effizientere Strafverfolgung unter Wahrung des Datenschutzes und dient im Besonderen der Erkennung von Tatzusammenhängen sowie der Identifizierung von lebenden, toten und vermissten Personen. Identifizierung bedeutet beispielsweise, dass eine im Zusammenhang mit einer Straftat erhobene Spur mittels DNA-Analyse einer verdächtigen Person zugeordnet werden kann. Die Zuordnung einer DNA-Spur zu einer Person hat seit der Inbetriebnahme des DNA-Profil-Informationssystems kontinuierlich zugenommen. Von Oktober 2003 bis Oktober 2004 waren 2684 solche Zuordnungen zu verzeichnen, was etwa einem Treffer alle drei Stunden entspricht. Die Erkennung von Tatzusammenhängen kann erleichtert werden, wenn an mehreren Tatorten Spuren mit dem gleichen DNA-Profil gefunden werden oder wenn an einem Tatort mehrere Spuren dasselbe DNA-Profil aufweisen.

In einem weiteren Schritt dient der Abgleich von DNA-Profilen auch der Unterstützung der Beweisführung, indem die Spur an einem Tatort mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zeigt, dass sich eine bestimmte Person dort aufgehalten hat.

Vertragsprinzip (Art. 2) Wie bereits erwähnt, übernimmt Liechtenstein nach Artikel 2 Absatz 1 die in der Anlage aufgelisteten Bestimmungen der Bundesgesetzgebung in sein Landesrecht.

Zudem beachten die zuständigen Behörden des Fürstentums die von den Bundesbehörden erlassenen Weisungen und Reglemente, zum Beispiel im Bereich der Informatik.

Artikel 2 Absatz 2 legt fest, dass die Anlage einen integrierenden Bestandteil des Vertrags bildet und auf diplomatischem Weg geändert werden kann. In Absatz 3 verpflichtet sich die Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein geplante Änderungen des Rechtes bezüglich der Bestimmungen in der Anlage rechtzeitig mitzuteilen. Die materielle Zuständigkeit für allfällige Änderungen
liegt beim Bundesamt für Polizei und bei der Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein, die sich diesbezüglich bei Bedarf absprechen (Art. 4). Der Schriftwechsel auf diplomatischem Weg erfolgt nach der inhaltlichen Bereinigung zwischen der Direktion für Völkerrecht des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten des Fürstentums Liechtenstein.

2915

Ausgewählte Bestimmungen der Anlage Die Anlage des Vertrags legt fest, welche Bestimmungen des DNA-Profil-Gesetzes, der DNA-Verordnung und für den Bereich der Finger- und Handballenabdrücke der Verordnung vom 21. November 20017 über die Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten im Fürstentum Liechtenstein anwendbar sind. Im Folgenden sollen ausgewählte Bestimmungen kurz erläutert werden.

Im Bereich der Finger- und Handballenabdrücke enthalten die vom Fürstentum Liechtenstein übernommenen Artikel eine Begriffsbestimmung (Art. 2) und legen die Art der ins System aufzunehmenden Daten fest (Art. 8). So dürfen nur Fingerund Handballenabdrücke ins AFIS aufgenommen werden, die zur Feststellung der Identität in einem gerichtspolizeilichen Verfahren, bei der Abklärung einer strafbaren Handlung oder im Rahmen einer administrativen Untersuchung abgenommen wurden. Zudem ist die Abspeicherung von an Tatorten gefundenen Fingerabdrücken sowie von unbekannten oder unter falscher Identität bekannten Personen zulässig.

Ferner enthält Artikel 13 Absatz 1 eine Aufzählung der Daten, die das Bundesamt für Polizei bei der Mitteilung des Ergebnisses bekannt geben darf. Schliesslich übernimmt Liechtenstein die Bestimmungen zur Löschung der Daten (Art. 15, 16 und 17 Abs. 2).

Für die Abspeicherung von Fingerabdrücken von Ausländerinnen und Ausländern gilt Artikel 8 Buchstabe e der Verordnung über die Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten. Diese Bestimmung zählt abschliessend auf, in welchen Fällen solche Daten ins AFIS aufgenommen werden. So sieht sie unter anderem vor, dass ein Abdruck nach den Regeln der schweizerischen Ausländergesetzgebung abzunehmen ist. Liechtenstein wendet das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern (ANAG)8 bereits heute auf seinem Hoheitsgebiet an, weshalb Artikel 8 Buchstabe e (und damit der darin enthaltene Verweis auf das ANAG) ohne weiteres als von Liechtenstein zu übernehmende Bestimmung in der Anlage des Staatsvertrags aufgenommen werden kann.

Anders verhält es sich bei Fingerabdrücken von Asylsuchenden. Liechtenstein verfügt in diesem Bereich über eine eigene Gesetzgebung. Nach dem Willen der beiden Vertragsparteien soll jedoch die Abnahme von Fingerabdrücken, die zum Abgleich in die Schweiz übermittelt und ins AFIS aufgenommen werden, schweizerischem Recht unterstellt
werden. Das liechtensteinische Recht gilt in diesem bestimmten Regelungsbereich nicht. Da Artikel 8 Buchstabe d der Verordnung über die Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten einen direkten Verweis auf schweizerisches Recht enthält (und somit schweizerisches Recht liechtensteinisches Recht direkt derogieren würde), wurde auf eine Aufnahme der Bestimmung in die Anlage verzichtet. Stattdessen wurde mit Artikel 14 eine entsprechende Regelung in den Vertragstext aufgenommen, welche die Abnahme von Fingerabdrücken bei Asylsuchenden und Schutzbedürftigen ausdrücklich schweizerischem Recht unterstellt, sofern die Daten zur Bearbeitung in die Schweiz übermittelt werden (vgl. Ziff. 2.2.2).

Damit wird die Unterstellung unter schweizerisches Recht auf der Ebene des Vertragstextes geregelt.

7 8

SR 361.3 SR 142.20. Das ANAG ist zurzeit unter der Bezeichnung «Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG)» in Totalrevision und durchläuft das parlamentarische Genehmigungsverfahren. Siehe auch Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (BBl 2002 3709).

2916

Im Bereich der DNA-Profile ist die Regelungsdichte für die Abnahme von Proben und die Bearbeitung der Daten in den Informationssystemen höher als bei den Finger- und Handballenabdrücken. Die wichtigsten vom Fürstentum Liechtenstein übernommenen Bestimmungen regeln die DNA-Probenahme, die Erstellung eines DNA-Profils durch ein spezialisiertes Labor, die Bearbeitung der Daten in den Informationssystemen sowie deren Löschung9.

Die Bestimmungen zur DNA-Probenahme (Art. 3­7 und 23 Abs. 3 des DNA-ProfilGesetzes) greifen ins Strafprozessrecht ein und werden deshalb vom Fürstentum Liechtenstein nur insoweit übernommen, als die erstellten Profile auch tatsächlich in die Schweiz übermittelt werden. Im Vertragstext wird deshalb zusätzlich in Artikel 13 auf diese Einschränkung hingewiesen (vgl. Ziff. 2.2.2).

Nach Artikel 8 des DNA-Profil-Gesetzes wird ein DNA-Profil aus dem erhobenen DNA-Material (z.B. Wangenschleimhautabstrich) von einem durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bestimmten Labor erstellt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird dieser Vorgang anonymisiert, indem die DNA-Probe mit einer Prozesskontrollnummer versehen und von den dazugehörigen Personen- und Tatortangaben getrennt wird10. Dem Labor werden lediglich die DNA-Probe, die Prozesskontrollnummer und die für die Erstellung des DNA-Profils nötigen Informationen weitergeleitet. Artikel 14 des DNA-Profil-Gesetzes legt weiter fest, dass die an das Bundesamt für Polizei weitergeleiteten Personen- und Tatortangaben und die DNA-Profile in getrennten Informationssystemen abgespeichert werden. Eine Verknüpfung der DNA-Profile mit den Personen- oder Tatortangaben kann nur vom Bundesamt für Polizei mittels der Prozesskontrollnummer vorgenommen werden.

Artikel 11 des DNA-Profil-Gesetzes regelt die Aufnahme eines Profils in das DNAProfil-Informationssystem. Ein effektiver Grundrechtsschutz und die Unschuldsvermutung fordern eine restriktive Aufnahme und eine begrenzte Bearbeitungsdauer.

Artikel 11 Absätze 1­3 nennt abschliessend die DNA-Profile, die in das DNA-ProfilInformationssystem aufgenommen werden. Der Artikel bestimmt jedoch auch in Absatz 4 die wichtigsten Kategorien von Profilen, die nicht aufgenommen werden dürfen. Dies gilt insbesondere für identifizierte Opfer, Tatortberechtigte und Personen, die in einer Massenuntersuchung
als Täter ausgeschlossen wurden. Diese Profile können im Labor in einem Direktvergleich mit DNA-Profilen der tatortrelevanten Spuren bearbeitet werden.

Die in den Artikeln 16­19 des DNA-Profil-Gesetzes formulierten Löschungsvorschriften sind in Anlehnung an diejenigen des AFIS konzipiert. Sie berücksichtigen jedoch die seitherige Entwicklung im Grundrechtsschutz, das heisst, die Löschungsansprüche werden erweitert und die Löschung erfolgt von Amtes wegen.

Grundsatz der Zusammenarbeit (Art. 3) In Artikel 3 wird festgehalten, dass bei der Zusammenarbeit im Rahmen dieses Vertrags den zuständigen Behörden des Fürstentums Liechtenstein die gleichen Rechte und Pflichten zukommen wie den entsprechenden kantonalen Behörden, sofern im Vertrag selbst nichts anderes bestimmt ist. Die Rechte und Pflichten beziehen sich in erster Linie auf die in Bezug auf die Prozessabläufe formulierten Verantwortlichkeiten. Das Fürstentum Liechtenstein ist dabei verantwortlich für die 9 10

Vgl. auch Botschaft zum DNA-Profil-Gesetz (BBl 2001 29).

Das gleiche Verfahren wird bei den Fingerabdrücken angewandt.

2917

rechtmässige Erhebung der Daten und für deren Übermittlung an die zuständige Behörde. Da die Übermittlung in der Regel auf elektronischem Weg erfolgt, ist die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein mit der gleichen Datenerhebungs- und Datenübermittlungsinfrastruktur ausgerüstet wie eine Schweizer Kantonspolizei.

Das Bundesamt für Polizei speichert die Daten in den entsprechenden Informationssystemen und führt den elektronischen Abgleich durch. Das Resultat des Abgleichs wird mit Hilfe eines elektronischen Datenverarbeitungssystems an die datenerhebende Behörde nach einer manuellen Verifizierung durch einen Mitarbeiter des Bundesamtes für Polizei weitergeleitet. Die liechtensteinischen Polizeibehörden haben somit keinen direkten Zugriff auf die entsprechenden Datenbanken, profitieren jedoch von der Datenbankinfrastruktur, den darin enthaltenen Informationen und den Dienstleistungen des Bundesamtes für Polizei.

Zuständige Behörden (Art. 4) Zuständig für den Vollzug dieses Vertrags sind nach Artikel 4 im Fürstentum Liechtenstein die Landespolizei und in der Schweiz das Bundesamt für Polizei. Die Polizeihoheit der Kantone wird durch diese Zusammenarbeit nicht tangiert. Artikel 4 legt auch fest, dass das Bundesamt für Polizei und die Landespolizei für eine allfällige Bereinigung der Anlage materiell zuständig sind.

Gemischte Kommission (Art. 5) Gemäss Artikel 5 setzen die beiden Vertragsstaaten eine Gemischte Kommission ein, die mit der Auslegung und der Anwendung des Vertrags zusammenhängende Fragen behandelt. Die Mitglieder dieser Kommission handeln im gegenseitigen Einvernehmen. Die Delegationen waren sich einig, dass sich eine Streitschlichtungsklausel erübrigt. Diskussionsgegenstand der Gemischten Kommission könnte eine allfällige Divergenz bei der Übernahme neuer oder der Änderung bestehender rechtlicher Bestimmungen sein oder eine allfällige Anpassung der finanziellen Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein auf Grund der Kostenentwicklung.

Datenschutz (Art. 6­9) Beim Umgang mit DNA-Profilen und Fingerabdrücken ist ein funktionierender Datenschutz unabdingbar, da ungeachtet der Unschuldsvermutung Personen, die Ziel polizeilicher Ermittlungen waren, in der Öffentlichkeit als Täter gesehen werden können. Im Rahmen dieses Vertrags sind wichtige Bereiche des Datenschutzes bereits durch die
vom Fürstentum Liechtenstein übernommenen Bestimmungen in der Anlage abgedeckt: Bestimmungen zur Anonymisierung des Datenmaterials, zur Datenerhebung und zur Datenbearbeitung in den Informationssystemen. Zusätzlich stellen sich in datenschutzrechtlicher Hinsicht Fragen der Weitergabe von Daten an Drittstaaten, der Rechte betroffener Personen, der Datenbearbeitung in anderen Informationssystemen und der Datensicherheit.

Artikel 7 hält fest, dass Daten nur mit schriftlicher Zustimmung des Vertragsstaats, der die Daten erhoben und übermittelt hat, an Drittstaaten weitergegeben werden dürfen. Diese im Bereich des polizeilichen Informationsaustausches auf zwischenstaatlicher Ebene übliche Regelung soll verhindern, dass unter Umständen Personendaten ohne das Einverständnis des datenerhebenden Staates weitergeleitet werden.

2918

Die Rechte der betroffenen Personen sind einerseits im schweizerischen Datenschutzgesetz11, andererseits im Vertrag selbst und in dessen Anlage geregelt. Nach Artikel 7 Absatz 2 des DNA-Profil-Gesetzes ist die Polizei verpflichtet, bei einer Probenahme die betroffene Person über ihr Recht zu informieren, die Probenahme bei einer Strafuntersuchungsbehörde anzufechten. Im Falle einer Anfechtung wird die Probe nur entnommen, wenn die Strafuntersuchungsbehörde den Entscheid bestätigt. Zudem ist die Behörde, die eine DNA-Probenahme anordnet, gemäss Artikel 15 Absatz 1 des DNA-Profil-Gesetzes verpflichtet, die betroffene Person vor der Probenahme über die Aufnahme des DNA-Profils in das Informationssystem, über ihre Auskunftsrechte und über die Voraussetzungen der Löschung zu informieren.

Das Recht auf Auskunft lehnt sich an die Regelung des schweizerischen Datenschutzgesetzes an (Art. 8 und 9) und wird in Artikel 8 des Vertrags geregelt. Artikel 8 Absatz 1 legt das allgemeine Recht jeder Person fest, darüber Auskunft zu verlangen, ob unter ihrem Namen ein DNA-Profil oder ein Finger- oder Handballenabdruck in den Informationssystemen gespeichert ist. Absatz 2 legt als Verfahrenbestimmung fest, dass an das Fürstentum Liechtenstein gerichtete Ersuchen an das Bundesamt für Polizei weitergeleitet werden, da dieses über die nötigen Informationen zur Beantwortung der Ersuchen verfügt. Gemäss Absatz 3 beantwortet das Bundesamt für Polizei Ersuchen von Gesuchstellern, deren Daten von liechtensteinischen Behörden erhoben wurden, in der Regel schriftlich und kostenlos nach vorgängiger Rücksprache mit dem Fürstentum Liechtenstein. Dabei hat das Fürstentum als souveräner Staat in Analogie zum schweizerischen Datenschutzgesetz die Möglichkeit, die Auskunftserteilung unter gewissen Umständen zu verhindern, einzuschränken oder aufzuschieben. Ob ausnahmsweise aus Rücksicht auf ein Verfahren oder aus anderen überwiegenden öffentlichen Interessen eine Einschränkung der Auskunftspflicht notwendig ist, muss das Fürstentum Liechtenstein für die in seinem Hoheitsgebiet erhobenen Daten selbst beurteilen.

Artikel 9 regelt die Möglichkeit der Datenbearbeitung im Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem (IPAS), im automatisierten Personenregistratursystem (AUPER) und im Zentralen Ausländerregister (ZAR). Wie
bereits erwähnt, ist die datenerhebende Behörde aus datenschutzrechtlichen Überlegungen verpflichtet, die Personen- und Tatortangaben vom DNA-Material und von den Fingerabdrücken zu trennen und mittels einer Prozesskontrollnummer zu anonymisieren. Diese Personen- und Tatortangaben werden von der datenerhebenden Behörde zusammen mit der Prozesskontrollnummer nur an die für das Informationssystem zuständige Behörde weitergeleitet. In der Regel handelt es sich um polizeilich relevante Fälle, für die die AFIS Services im Bundesamt für Polizei zuständig sind. Die AFIS Services bearbeiten die Personen- und Tatortangaben im Informationssystem IPAS, das vom DNA-Profil-Informationssystem und vom AFIS strikte getrennt ist. Betreffen die übermittelten Daten asyl- oder ausländerrechtlich relevante Fälle, so ist das Bundesamt für Migration als für das AUPER beziehungsweise das ZAR zuständige Behörde verantwortlich. Die Verknüpfung von DNA-Profilen oder Fingerabdrücken mit den weiteren Personen- und Spurendaten erfolgt mittels der Prozesskontrollnummer und wird ausschliesslich von der für das Informationssystem verantwortlichen Bundesbehörde vorgenommen.

11

SR 235.1

2919

Artikel 6 als Generalklausel besagt, dass die jeweiligen nationalen Datenschutzbestimmungen Anwendung finden, wenn im Vertrag selbst nichts anderes vereinbart ist. Dies deckt zum Beispiel den Bereich der Datensicherheit ab.

Archivierung von Daten (Art. 10) Nach Artikel 6 des Archivierungsgesetzes vom 26. Juni 199812 sind die Stellen der Bundesverwaltung dazu verpflichtet, alle Unterlagen, die sie nicht mehr ständig benötigen, dem Bundesarchiv zur Übernahme anzubieten. Mit Artikel 10 wird gewährleistet, dass Daten, die von liechtensteinischen Behörden erhoben und übermittelt wurden, nur mit vorgängiger Genehmigung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein dem Bundesarchiv angeboten und abgeliefert werden können.

Haftung (Art. 11) Obwohl sowohl schweizerische wie auch liechtensteinische Behörden strengen Datenschutzregelungen unterworfen sind, kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass einer Person aufgrund der Zusammenarbeit im Rahmen dieses Vertrags widerrechtlich ein Schaden zugefügt wird. So ist denkbar, dass eine Person aufgrund mangelhafter Daten fälschlicherweise in Untersuchungshaft genommen wird. Der Mangel kann die unrechtmässige Datenbeschaffung oder -weitergabe oder die Unrichtigkeit der Information als solche betreffen. Artikel 11 Absatz 1 legt fest, dass die Vertragsstaaten in diesem Fall nach ihrem nationalen Recht haften. Dies bedeutet, dass der Betroffene seinen Schaden grundsätzlich gegenüber jenem Vertragsstaat geltend zu machen hätte, in dessen Bereich die Rechtswidrigkeit unterlaufen ist.

Erbringt einer der Vertragsstaaten Ersatzleistungen, obwohl der andere eine konkurrierende Rechtswidrigkeit zu vertreten hat, so ist er nach Artikel 11 Absatz 2 berechtigt, auf den anderen Vertragsstaat Regress zu nehmen.

Kosten (Art. 12) Nach Artikel 12 verpflichtet sich das Fürstentum Liechtenstein, der Schweiz eine Jahrespauschale von 30 000 Franken zu bezahlen. Diese Pauschale beinhaltet die Bereitstellung der Infrastruktur, des Personals, der Datenübermittlung, der Organisation von Aus- und Weiterbildung, die Gewährleistung des Unterhalts und des Supports des AFIS und des DNA-Profil-Informationssystems sowie den administrativen Aufwand bei der Bearbeitung von Schriftverkehr. Die Berechnung der Pauschale basiert auf einer Kostenschätzung, die proportional auf die Einwohnerzahl
umgerechnet wurde. Bei einer Änderung der Kostenentwicklung kann die Pauschale auf diplomatischem Weg angepasst werden.

Absatz 2 hält fest, dass weitere Kosten für Leistungen anderer Dienstleister nicht Gegenstand des Vertrags sind. Darunter fallen zum Beispiel Zahlungen des Fürstentums Liechtenstein an Unternehmen, die für die Wartung des Systems verantwortlich sind, oder die an die Labors zu entrichtenden Beiträge für die Erstellung von DNA-Profilen.

12

SR 152.1

2920

2.2.2

Kapitel II: Besondere Bestimmungen

A. DNA-Profile: Probenahme, Übermittlung und Bearbeitung (Art. 13) In diesem Kapitel werden Aspekte geregelt, die für die beiden Bereiche Fingerabdrücke und DNA separat im Vertrag behandelt werden müssen. Die Artikel 3­7 des DNA-Profil-Gesetzes regeln die Bedingungen der DNA-Probenahme und der Erstellung von DNA-Analysen in Bezug auf die betroffenen Personen und die zuständigen Behörden. Sie greifen materiell in das Strafprozessrecht ein. Artikel 7 des DNA-Profil-Gesetzes bestimmt beispielsweise, welche Behörden Probenahmen und die Erstellung eines DNA-Profils anordnen können. Absatz 2 des Artikels hält fest, dass eine Probenahme durch die Polizei von der betroffenen Person angefochten werden kann und dass die Person vor der Probenahme über dieses Recht informiert werden muss. Im Fall der Anfechtung wird die Probenahme nur vorgenommen, wenn eine Strafuntersuchungsbehörde den Entscheid bestätigt.

Mit der Aufnahme der Artikel 3­7 und des Artikels 23 Absatz 3 in die Anlage des Vertrags gehen diese Bestimmungen im umschriebenen Anwendungsbereich liechtensteinischem Recht vor (vgl. Ziff. 2.2.1). In Artikel 13 des Vertragstextes wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die genannten Regelungen für Liechtenstein nur dann anwendbar sind, wenn ein DNA-Profil auch tatsächlich zum Abgleich in die Schweiz übermittelt wird. Für DNA-Profile, die nicht in die Schweiz übermittelt werden, gelten die Bestimmungen des liechtensteinischen Rechts.

B. Fingerabdrücke (AFIS): Abnahme, Übermittlung und Bearbeitung im Asylwesen (Art. 14) Gestützt auf Artikel 8 der Verordnung über die Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten und unter Verweis auf die Asyl- und Ausländergesetzgebung sind die Behörden befugt, Fingerabdruck-Daten von Asylsuchenden sowie Ausländerinnen und Ausländern im AFIS abzuspeichern. Damit Fingerabdrücke von Ausländern im AFIS aufgenommen werden können, müssen sie nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) abgenommen worden sein (Bst. e). Aus der Übernahme von Buchstabe e durch das Fürstentum Liechtenstein ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten, da es das ANAG bereits heute anwendet (vgl. Ziff. 2.2.1). Im Asylbereich verfügt Liechtenstein jedoch über eine eigene Gesetzgebung. Mit Artikel 14 wird deshalb auf staatsvertraglicher Ebene vereinbart,
dass die Abnahme von Fingerabdrücken bei Asylsuchenden und Schutzbedürftigen, in Abweichung von liechtensteinischem Recht, nach schweizerischem Asylrecht erfolgen muss, sofern die Daten zum Abgleich in die Schweiz übermittelt werden sollen. Die Wichtigkeit einer solchen Vereinbarung (liechtensteinische Behörden werden damit verpflichtet, in diesem eng begrenzten Bereich vom eigenen Landesrecht abzuweichen) rechtfertigt eine ausdrückliche Aufnahme in den Staatsvertrag selbst. Da Artikel 14 allgemein formuliert ist, braucht es bei einer Änderung des schweizerischen Rechts keine Vertragsänderung.

2921

2.2.3

Kapitel III: Schlussbestimmungen

Inkrafttreten und Kündigung (Art. 15) Der Vertrag bedarf der Ratifikation. Er tritt am Tag nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft, in denen sich die Vertragsstaaten mitteilen, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. Der auf unbestimmte Zeit geschlossene Vertrag kann jederzeit auf sechs Monate gekündigt werden. Die Schweiz verpflichtet sich, die Registrierung des Vertrags beim UNOGeneralsekretariat nach Artikel 102 der UNO-Charta13 vorzunehmen.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund und die Kantone

Der Vollzug dieses Vertrags führt zu keiner personellen oder finanziellen Mehrbelastung für den Bund oder die Kantone. Gemäss Artikel 12 wird das Fürstentum Liechtenstein verpflichtet, der Schweiz neu eine Jahrespauschale von 30 000 Franken zu entrichten.

4

Legislaturplanung

Das Geschäft ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­200714 nicht angekündigt. Der vorliegende Vertrag musste wegen der Inkraftsetzung des DNA-ProfilGesetzes auf den 1. Januar 2005 erarbeitet werden. Auch wenn bei der Kooperation mit dem Fürstentum Liechtenstein kein Online-Zugriff auf das DNA-ProfilInformationssystem gewährt wird und der Ablauf bei der Behandlung von Ersuchen nur teilweise automatisiert ist, erfolgt die Datenübermittlung systematisch und mit Hilfe eines neuen Systems zur elektronischen Verarbeitung der Daten. Aus diesem Grund ist es angebracht, diese enge Zusammenarbeit in einem Staatsvertrag zu regeln.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Der Vertrag berührt die vertraglichen Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union in ihrer jetzigen Ausgestaltung nicht. Eine Kooperation der Schweiz mit dem Europäischen Polizeiamt (Europol)15 und eine Assoziation bei den Verträgen von Schengen und Dublin beeinflussen die Regelungsinhalte des vorliegenden Vertrags und die entsprechende Zusammenarbeit nicht.

13 14 15

SR 0.120 BBl 2004 1149 Vgl. Botschaft vom 26. Januar 2005 über das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Europäischen Polizeiamt (BBl 2005 983).

2922

6

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

6.1

Kompetenzen des Bundes

Der vorliegende Vertrag stützt sich auf Artikel 54 der Bundesverfassung (BV), der den Bund zum Abschluss von Staatsverträgen mit dem Ausland ermächtigt. Der Bund ist indes verpflichtet, auf die Zuständigkeiten der Kantone Rücksicht zu nehmen und deren Interessen zu wahren (Art. 54 Abs. 3). Die Bestimmungen des Vertrags regeln ausschliesslich die Zusammenarbeit beim Datenaustausch zwischen den Zentralstellen der beiden Staaten. Die Zuständigkeiten der Kantone werden dadurch nicht berührt.

Eine selbständige Vertragsabschlusskompetenz des Bundesrates nach Artikel 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199716 liegt nicht vor, da der Vertrag nicht als Vertrag mit beschränkter Tragweite bezeichnet werden kann. Er unterliegt deshalb gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV der Genehmigung durch die eidgenössischen Räte.

6.2

Fakultatives Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten (Ziff. 3 erster Teilsatz) oder wenn ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3 zweiter Teilsatz).

Gestützt auf Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200217 gilt eine Bestimmung dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig ist eine solche Norm dann, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht in Analogie zu Artikel 164 Absatz 1 BV auf formellgesetzlicher Stufe normiert werden müsste. Das Kriterium der wichtigen rechtsetzenden Bestimmung ist beim Vertrag mit dem Fürstentum Liechtenstein erfüllt, da der Vertrag auf verbindliche Weise den schweizerischen Behörden Pflichten im Bereich des Datenaustausches auferlegt. Zudem ist dieser Regelungsgegenstand im Landesrecht auf formellgesetzlicher Stufe geregelt. Somit untersteht der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Vertrags dem fakultativen Referendum.

16 17

SR 172.010 SR 171.10

2923

2924