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zu 19.464 Parlamentarische Initiative Beseitigung und Verhinderung der Inländerinnenund Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 22. Juni 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 23. August 2023

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 22. Juni 20231 betreffend die oben genannte parlamentarische Initiative nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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2023-2458

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die parlamentarische Initiative 19.464 «Beseitigung und Verhinderung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug» wurde am 21. Juni 2019 von Nationalrat Angelo Barrile (S, ZH) eingereicht.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) beschloss am 13. August 2020 mit 13 zu 11 Stimmen, der Initiative Folge zu geben. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) stellte sich an ihrer Sitzung vom 9. November 2020 zunächst mit 7 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung diesem Beschluss der SPK-N entgegen.

Am 18. Februar 2021 beschloss die SPK-N mit 14 zu 9 Stimmen, an ihrem Beschluss festzuhalten und dem Nationalrat zu beantragen, der Initiative Folge zu geben. Am 8. Juni 2021 folgte der Nationalrat seiner Kommission mit 137 zu 54 Stimmen bei 1 Enthaltung. Am 25. Juni 2021 nahm die SPK-S vom Beschluss des Nationalrates Kenntnis und stimmte diesem zu, ohne dass ein anderer Antrag gestellt worden wäre.

Am 1. September 2022 verabschiedete die SPK-N mit 17 zu 7 Stimmen den Vorentwurf zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 16. Dezember 2005 (AIG)2 und schickte ihn vom 9. September bis am 9. Dezember 2022 in die Vernehmlassung.

Die Gesetzesvorlage hebt die Bestimmung des AIG auf, wonach die aus Drittstaaten stammenden Familienangehörigen in aufsteigender Linie und diejenigen in absteigender Linie unter 21 Jahren für den Nachzug zu Schweizerinnen und Schweizern im Besitz einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sein müssen (Art. 42 Abs. 2 AIG). Ausserdem wird die Bestimmung von Artikel 42 Absatz 1 AIG aufgehoben, wonach ausländische Ehegatten und ihre Kinder unter 18 Jahren mit der nachziehenden Schweizerin oder dem nachziehenden Schweizer zusammenwohnen müssen, wenn sie nicht im Besitz einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung eines EU/EFTA-Mitgliedstaats sind. Gemäss dem Abkommen vom 21. Juni 19993 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) sowie dem Abkommen vom 21. Juni 20014 zur Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen) muss eine «bedarfsgerechte Wohnung» vorhanden sein. Analog
zum FZA und zum EFTAÜbereinkommen werden die Fristen für den Nachzug von ausländischen Familienangehörigen zu einer Schweizerin oder einem Schweizer aufgehoben. Die Artikel 47 und 49 AIG werden folglich ebenfalls geändert.

Insgesamt sind 37 Stellungnahmen eingegangen: 24 Kantone, 5 politische Parteien, 2 Dachverbände der Wirtschaft, 5 weitere interessierte Kreise und eine Privatperson haben sich zum Vorentwurf geäussert. Von den 19 Kantonen, die sich zustimmend 2 3 4

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SR 142.20 SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

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geäussert haben, unterstützen 13 den Entwurf in dieser Form (AG, AI, BL, BS, FR, GE, GR, JU, NE, SG, SZ, TI, VD), während 6 (AR, BE, OW, SH, TG, UR) Vorbehalte oder Änderungsvorschläge anbringen. 4 politische Parteien stehen der Vorlage positiv gegenüber (SP und die Mitte vorbehaltlos, die GRÜNEN und FDP mit Vorbehalt). 2 Dachverbände (SGB, SSV), 5 interessierte Organisationen (Caritas Schweiz, CSP VD, HEKS, FIZ, SBAA) und eine Privatperson begrüssen den Entwurf in dieser Form.

Nur eine Minderheit der Kantone (GL, LU, NW, SO, ZG) und eine politische Partei (SVP) lehnen den Vorentwurf ab.

Die Befürworter gehen davon aus, dass mit den vorgeschlagenen Zulassungsvoraussetzungen das Ziel der parlamentarischen Initiative erreicht werden kann. Einige Kantone stehen der Vorlage positiv gegenüber, halten aber fest, dass ein erweiterter Kreis der Anspruchsberechtigten und gelockerte Zulassungsvoraussetzungen einen Anstieg der Gesuche um Familiennachzug und der Sozialhilfekosten mit sich bringen können.

Die Gegner sind der Ansicht, dass die vorgeschlagene Änderung weder nötig noch zielführend sei. Sie stehe im Widerspruch zu Artikel 121a Absatz 2 der Bundesverfassung (BV) (ZG, SVP) und bringe neben schwerwiegenden finanziellen Konsequenzen einen zu grossen Mehraufwand für die zuständigen Migrationsbehörden mit sich. Deshalb sei die geltende Regelung beizubehalten.

Am 11. Mai 2023 nahm die SPK-N die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Kenntnis und führte die Detailberatung durch. Eine Minderheit beantragt Nichteintreten auf die Vorlage, da es nicht nötig sei, den Familiennachzug ohne Grund auf andere Personengruppen auszuweiten. Ausserdem stehe der Entwurf im Widerspruch zu Artikel 121a Absatz 2 BV. Die Mehrheit ist jedoch der Ansicht, dass mit dem Entwurf das Ziel der Initiative erreicht werden kann.

Um das Risiko der Sozialhilfeabhängigkeit der nachzugsberechtigten Familienangehörigen von Schweizerinnen und Schweizern zu begrenzen, hat die Mehrheit der Kommission beschlossen, dass die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für Familienangehörige einer Schweizerin oder eines Schweizers künftig vom Abschluss einer Integrationsvereinbarung abhängig gemacht werden kann, wenn ein besonderer Integrationsbedarf gemäss den Kriterien nach Artikel 58a AIG besteht (Art. 42 Abs. 2 E-AIG
i. V. m. Art. 58b Abs. 4 E-AIG). Eine Minderheit lehnt diese Möglichkeit ab, da sie eine neue Ungleichbehandlung zwischen Schweizer Staatsangehörigen und EU/EFTA-Staatsangehörigen beim Familiennachzug mit sich bringe.

Ausserdem hat eine Minderheit der Kommission vorgeschlagen, auf die Anforderung einer «bedarfsgerechten Wohnung» für nachzugsberechtigte Familienangehörige zu verzichten. Gemäss dem Vorschlag einer anderen Minderheit soll der Nachzug von Verwandten in auf- und absteigender Linie an die Bedingung geknüpft werden, dass deren Lebensunterhalt nachweislich und dauerhaft gesichert ist.

An ihrer Sitzung vom 22. Juni 2023 hat die Kommission die genannten Änderungen definitiv genehmigt. Sie hat die Vorlage zuhanden des Nationalrates verabschiedet und gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat steht dem Anliegen der parlamentarischen Initiative wohlwollend gegenüber, Schweizerinnen und Schweizer beim Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen (Art. 42 AIG) Angehörigen der EU- und EFTA-Staaten gleichzustellen (Art. 3 Anhang I FZA, Art. 3 Anhang K Anlage 1 EFTA-Übereinkommen). Die Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf der SPK-N hat gezeigt, dass dieses Anliegen auch von einer deutlichen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer grundsätzlich geteilt wird. Teilweise wird befürchtet, dass die vorgeschlagene Regelung zu einem Mehraufwand bei den Behörden und zu einer zusätzlichen Belastung der Sozialhilfe führen könnte.

Eine solche Gleichbehandlung war bereits das Ziel der Botschaft des Bundesrates zum AIG.5 Demnach sollte die im FZA geltende Regelung beim Familiennachzug grundsätzlich auch für Schweizerinnen und Schweizer mit ausländischen Familienangehörigen gelten, da sie andernfalls gegenüber den Angehörigen der EU- und der EFTAStaaten diskriminiert wären.6 Die heute bestehenden unterschiedlichen Regelungen ergaben sich aus späteren Grundsatzentscheiden des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Personenfreizügigkeit und in der Folge auch des Bundesgerichts zum FZA.

Wie im Bericht der SPK-N ausgeführt, wurde diese komplexe Rechtsentwicklung nicht umfassend in die Regelung des AIG zum Familiennachzug von Schweizerinnen und Schweizern übernommen. Frühere parlamentarische Vorstösse zur Lösung dieses Problems lehnte der Bundesrat ab, insbesondere mit dem Hinweis darauf, dass hier noch die Möglichkeit für eine selbstständige Steuerung der Migration bestehe und dass mit der Erweiterung des Familiennachzugs auch ein Anstieg der Einwanderung und der Kosten im Sozialbereich zu erwarten sei.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit dem Gesetzesentwurf der SPK-N die angestrebte Gleichbehandlung beim Familiennachzug erreicht werden kann. Die vorgesehenen Erleichterungen ergänzen die geltende Regelung des Nachzugs der Verwandten in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird, sowie der Verwandten in absteigender Linie von 18 bis 21 Jahren oder denen Unterhalt gewährt wird. Neu müssen diese nicht mehr bereits im Besitz einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung eines Staates sein, mit dem ein Freizügigkeitsabkommen abgeschlossen wurde. Zudem wird die bestehende Frist für den Nachzug
aufgehoben und die Pflicht zum Zusammenwohnen der Familienangehörigen wird durch die Voraussetzung einer bedarfsgerechten Wohnung abgelöst. Dieser Begriff verfolgt das gleiche Ziel wie der im FZA und im EFTA-Übereinkommen verwendete Begriff einer «Wohnung, die im jeweiligen Gebiet den für die inländischen Arbeitnehmer geltenden normalen Anforderungen entspricht». Der Bundesrat schliesst sich daher dem Antrag der Kommissionsmehrheit an.

Ob den Verwandten in auf- und absteigender Linie Unterhalt gewährt wird, muss dabei im Einzelfall abgeklärt werden. Der Unterhalt muss bereits im Herkunftsland gewährt worden sein, und für die Unterhaltsgewährung in der Schweiz müssen die 5 6

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Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer; BBl 2002 3709.

Siehe Ziff. 1.3.7.2 der Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 3752.

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notwendigen finanziellen Mittel nachgewiesen werden können. Da diese Voraussetzung auch für den Familiennachzug zu EU/EFTA-Staatsangehörigen gilt,7 schliesst sich der Bundesrat dem Antrag der Mehrheit an.

Im Gesetzesentwurf der SPK-N wird zusätzlich vorgeschlagen, dass die Erteilung und die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit dem Abschluss einer Integrationsvereinbarung verbunden werden kann, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a AIG besteht. Bei Nichteinhaltung der Integrationsvereinbarung ohne entschuldbaren Grund kann die Aufenthaltsbewilligung widerrufen oder nicht verlängert werden (Art. 33 Abs. 3 AIG und Art. 62 Abs. 1 Bst. g AIG), wobei die Verhältnismässigkeit zu wahren ist (Art. 96 AIG). Nach geltenden Recht sind solche Integrationsvereinbarungen beim Familiennachzug durch Schweizerinnen und Schweizer ausgeschlossen (Art. 42 i. V. m. Art. 58b Abs. 4 AIG). Die vorgeschlagene Regelung führt zu einer neuen Ungleichbehandlung von Schweizerinnen und Schweizern gegenüber Angehörigen der EU- und EFTA-Mitgliedstaaten beim Familiennachzug, denn das FZA und das EFTA-Übereinkommen schliessen den Abschluss von Integrationsvereinbarungen aus (Art. 3 Anhang I FZA, Art. 3 Anhang K Anlage 1 EFTA-Übereinkommen). Im Hinblick auf die im Gesetzesentwurf der SPK-N vorgesehene deutliche Erweiterung des Familiennachzugs durch Schweizerinnen und Schweizer und die damit verbundenen möglichen Zusatzkosten im Bereich der Sozialversicherungen und der Sozialhilfe kann die vorgeschlagene Regelung jedoch sinnvoll sein. Der Abschluss von Integrationsvereinbarungen ermöglicht es den betroffenen Personen und den zuständigen Behörden, gemeinsam einen Weg zu finden, um die wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erreichen oder zu erhalten und damit Kosten im Sozialbereich zu vermeiden.

Mit einer Angleichung der schweizerischen Gesetzgebung an die Bestimmungen des FZA würde der Kreis der Familienangehörigen von Schweizerinnen und Schweizern, die im Familiennachzug in die Schweiz kommen können, erweitert.

Gemäss dem Bericht der SPK-N kann die Zahl der vom Gesetzesentwurf betroffenen Personen nicht beziffert werden. Denn dazu müsste bekannt sein, wie viele Schweizerinnen und Schweizer, die ausländische Familienangehörige haben oder in Zukunft haben werden, einen Familiennachzug
anstreben. In der nachfolgenden Tabelle werden die von den kantonalen Behörden bewilligten Anträge um Familiennachzug zahlenmässig aufgelistet (2002 bis 2022). Die Zahlen zum Familiennachzug zu Schweizer Staatsangehörigen beziehen sich hauptsächlich auf die Ehegatten. Ein Teil dieser Ehegatten wird tatsächlich von der in diesem Entwurf vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen und einen Familiennachzug für Verwandte in aufsteigender Linie beantragen. Die Anzahl solcher Anträge ist schwer vorherzusagen, da die jeweiligen Familiensituationen und Abhängigkeitsverhältnisse nicht bekannt sind.

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Vgl. die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 3 Abs. 1, Anhang I FZA in BGE 135 II 369 E. 3.1 und die Urteile 2C 688/2017 vom 29. Oktober 2018 E. 3.4­3.6 mit weiteren Hinweisen.

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Total Fam ilennachzug (A + B + C) Total 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022

Fam iliennachzug zu Schw eizer/innen (A)

Total 43'209 40'229 38'836 36'965 37'601 45'160 48'486 43'011 42'675 44'470 44'831 49'431 45'716 46'595 44'836 42'415 42'636 40'197 38'278 40'054 43'026

von EU/EFTA

12'777 12'170 11'708 10'877 10'499 10'601 9'964 9'617 9'791 9'568 9'083 9'060 8'690 9'017 9'074 8'471 8'412 8'001 7'168 7'554 7'088

2'752 2'105 2'413 2'105 1'987 2'042 1'887 1'747 1'794 1'706 1'558 1'651 1'581 1'658 1'626 1'364 1'445 1'214 1'376 1'176 1'007

Fam iliennachzug zu EU/EFTA (B)

von Total Drittstaaten 10'025 10'065 9'295 8'772 8'512 8'559 8'077 7'870 7'997 7'862 7'525 7'409 7'109 7'359 7'448 7'107 6'967 6'787 5'792 6'378 6'081

14'472 14'986 16'467 15'969 17'330 23'662 24'971 20'285 19'862 21'626 23'162 27'071 24'627 24'300 22'328 20'484 20'478 19'484 19'739 19'048 20'872

von EU/EFTA n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

24'602 19'978 19'706 21'432 23'003 26'943 24'487 24'158 22'175 20'481 20'476 19'484 19'737 18'665 20'872

von Drittstaaten n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

369 307 156 194 159 128 140 142 153 3 2 0 2 383 0

Fam iliennachzug zu Drittstaaten (C)

von EU/EFTA

Total 15'960 13'073 10'661 10'119 9'772 10'897 13'551 13'109 13'022 13'276 12'586 13'300 12'399 13'278 13'434 13'460 13'746 12'712 11'371 13'452 15'066

von Drittstaaten

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

3'636 3'347 3'716 3'838 3'717 4'269 3'992 4'641 4'842 5'175 5'473 5'492 5'001 5'719 6'453

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

n.v.

9'915 9'762 9'306 9'438 8'869 9'031 8'407 8'637 8'592 8'285 8'273 7'220 6'370 7'733 8'613

Quelle: A usländerstatistik (SEM ) n.v. bedeutet, dass Daten die nicht verfügbar sind.

Die kantonalen Migrationsbehörden sind für die Erteilung und die Verweigerung von Aufenthaltsbewilligungen für den Familiennachzug zuständig. Das EJPD hat keine Statistiken über die von den kantonalen Behörden abgelehnten Gesuche von Schweizerinnen und Schweizern für den Familiennachzug.

Der Bundesrat fordert das Parlament auf, für die Beratung des Gesetzesentwurfs die massgebenden Statistiken im Bereich des Familiennachzugs beizuziehen. Dabei ist insbesondere die Zahl der durch die kantonalen Behörden abgelehnten Gesuche von Schweizerinnen und Schweizern für den Familiennachzug zu berücksichtigen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die aufgrund fehlender Perspektiven nicht gestellten Anträge nicht beziffert werden können. Zudem muss damit gerechnet werden, dass diese Anträge erst später, als Nachholeffekt, besonders während der ersten Jahre nach Inkrafttreten des erweiterten Familiennachzugs gestellt werden.

Artikel 121a Absatz 2 BV verpflichtet den Gesetzgeber, die Zuwanderung zu steuern, indem er die Zahl der erteilten Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern, die in die Schweiz einwandern, durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt. Die Höchstzahlen gelten für alle ausländerrechtlichen Bewilligungen für einen längerfristigen Aufenthalt, unabhängig vom Zulassungsgrund. Der Bundesrat hat einen Gesetzesentwurf mit entsprechenden Begrenzungen vorgelegt.8 Das Parlament hat den Verfassungsartikel mit einer Stellenmeldepflicht umgesetzt und auf eine vollständige Kontingentierung der Zuwanderung, insbesondere beim Familiennachzug, explizit verzichtet.

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Botschaft vom 4. März 2016 zur Änderung des Ausländergesetzes, BBl 2016 3007.

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Vor diesem Hintergrund scheint die vorgeschlagene Gesetzesänderung sinnvoll zu sein, denn sie regelt den Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen zu Schweizerinnen und Schweizern mit dem Ziel, eine Ungleichbehandlung zu beseitigen, ohne Höchstzahlen zu schaffen. Sie ist insbesondere mit den bisherigen Entscheiden des Parlaments vereinbar. Denn bei der Umsetzung von Artikel 121a BV hat das Parlament in vielen anderen, weitaus umfassenderen Bereichen auf die Einführung von Höchstzahlen und Kontingenten verzichtet. So etwa im Asylbereich oder bei der Zulassung ohne Erwerbstätigkeit. Ein Paradigmenwechsel liegt somit nicht vor.

Die Frage der Verfassungsmässigkeit des vorgeschlagenen Gesetzes, insbesondere in Bezug auf Artikel 121a BV und weiteren relevanten Verfassungsbestimmungen, sind bei der Prüfung der Vorlage abzuklären.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten und lädt das Parlament ein, die statistischen Daten zu ergänzen und die Verfassungsmässigkeit der Vorlage zu prüfen, um in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden zu können.

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