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XXVI. Jahrgang. I.

Nr. 11.

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7. März 1874.

Bericht des

eidgenössischen politischen Departements an

den Bundesrath über die Protestationen und Rekurse betreffend die kirchlichen Konflikte im Bisthum Basel.

(Vom 24. Dezember 1873.)

Tit. !

Der Kampf zwischen der Staatsgewalt und der Kirche, welcher in verschiedeneu Gegenden des Bisthums Basel entstanden ist, hat zur Einreichung von Rekursen und Verwahrungen Veranlaßung gegeben und Ihre Dazwischenkunft ist zu wiederholten Malen angerufen worden. Da diesen verschiedenen Rekursen ein und dieselbe Ursache zu Grunde liegt, nämlich die auseinander gehenden Anpassungen der Kirche und des Staates in Betreff ihrer gegenseitigen Rechte und Flüchten, so machen wir Ihnen den Vorschlag, dieselben mit einander zu untersuchen und sieh darüber in einer einheitlichen Beschlußfassung auszusprechen. Mit diesem Vorsehlage kommen wir zugleich den ausdrücklilchen Wünschen mehrerer Rekurrenten entgegen. Ueberdiess wird der Bundesrath durch eine einheitliche Diskussion mit größerer Bestimmtheit den Standpunkt feststellen, den er einzunehmen gewillt ist, nnd seine Beschlüsse werden in gegenseitiger Vervollständigung Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. 1.

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und bei Vermeidung unnüzer Wiederholungen an Präzision gewinnen.

Dazu kommt, daß die Ereignisse, welche die eidgenössische Dazwischenkunft veranlaßt haben, in einer solchen Beziehung zu einander stehen, daß man durchaus nicht zu besorgen hat, irgend welche Verwirrung zu verursachen, indem man sie einer gemeinsamen Behandlung unterzieht. Man- kann sagen, daß sie ein einheitliches Ganzes, den kirchlichen Konflikt im Bisthum Basel, bilden, und daß sie vermöge ihrer gemeinschaftlichen Grundlage Eins unter sich sind.

Wir schlagen Ihnen also vor, die Rekurse und Verwahrungen, welche sich auf den kirchlichen Konflikt im Bisthum Basel beziehen, einer einheitlichen Prüfung zu unterstellen.

Darlegung der verschiedenen Rekurse und der Antwortschriften.

I.

Zu Anfang des Jahres 1872 ist dem Bundesrathe eine erste Beschwerde aus Anlaß der Mißhelligkeiten eingereicht worden,7 O o welche, zwischen der Staatsgewalt und der Kirche im Bisthum Basel zu Tage getreten sind. Hr. Peter Joseph, Bischof von Sitten, übersandte unterm 10. Februar 1872 dem Bundesrathe eine von den schweizerischen Bischöfen unterzeichnete ,,Denkschrift betreffend die Unterdrükung der katholischen Religion und Kirche durch die Staatsbehörden im Kanton Aargau.a Diese vom Januar 1872 dâtirte Denkschrift ist das Ergebniß der Berathungen einer Konferenz der schweizerischen Bischöfe und stüzt sich auf folgende Thatsachen: Auf den Vorschlag der Regierung hat sich am 27. September 1871 der Große Rath des Kantons Aargau grundsäzlich für Trennung von Kirche und Staat und für den Austritt des Kantons aus dem Basler Bisthumsverbande ausgesprochen. Am 28. November des gleichen Jahres beschloß sodann der Große Ra.th wirklich iie Trennung von Kirche und Staat, indem er die Punkte angab, in welchen diesem Beschlüsse zuerst Folge geleistet werden solle. Als eine der Reformen, deren sofortige Ausführung er verlangte, beschloß der Große Rath, daß in allen Schulen des Kantons der Religionsunterricht für die Jugend von jeder Konfession unabhängig ertheilt werden solle (Beschluß vom 28. November 1871, II, 8).

Die Verwahrung der schweizerischen Bischöfe ist gegen die Beschlüsse des Großen Käthes des Kantons Aargau gerichtet. Sie sezt auseinander, daß die Trennung von Kirche und Staat im Kanton Aargau nicht willkürlich durch den Beschluß des Staates voll-

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zogen werden dürfe ; denn diese Trennung laufe durch die Art und Weise, wie sie ins Werk gesezt worden sei, auf die Unterdrükung und Aufhebung der katholischen Religion und Kirche hinaus. Zudem ziehe die Aufhebung der gegenwärtigen Organisation der katholischen Kirche durch den Staat und ihre Ersezung durch eine Synodalorganisation die Vernichtung des Katholizismus im Kanton Aargau nach sich. Im Besonderu stehe die Einführung einer Staatsreligiou in den Schulen für die Katholiken im Widerspruche mit den unverlezlichen Grundlagen der katholischen Religion und sie sei auch im Widerspruche mit dem Grundsaze der Religionsfreiheit und mit der allgemeinen Wohlfahrt.

Die Denkschrift der schweizerischen Bischöfe schließt mit dem Gesach, es möge der Bundesrath, zur Abwendung so großen Unrechts wie zur WahrungO der Ehre des schweizerischen Vaterlandes,7 seine Dazwischenkunft in dem Sinne eintreten lassen, daß die Behörden des Kantons Aargau veranlaßt und angehalten werden: 1. Die großräthlichen Beschlüsse vom 27. September 1871 betreffend die Lostrennung Aargaus vom Bisthum Basel und vom 28. November gleichen Jahres betreffend die Trennung des Staates von der Kirche auf sich beruhen zu lassen.

2. Den feierlich geschlossenen und auf immerwährende Zeiten giltigen Bisthumsvertrag (vom 26. März und vom Dezember 1828) gebührend aufrecht zu erhalten 'und den in ihm stipulirten Verpflichtungen in allen Theilen getreu nachzukommen.

In Folge" Präsidial-Verfügung vom 25. März 1872 wurden die Denkschrift der schweizerischen Bischöfe und eine Abschrift des Begleitschreibens der aargauischen Regierung übersandt und es ist deren Antwort dem Bundesrathe am 9. Dezember 1872 zugegangen.

Die aargauische Regierung ist der Ansicht, es sei nicht ihre Sache, Schritt für Schritt der Beweisführung der schweizerischen Bischöfe zu folgen. Sie bestreitet diesen lezteren das Recht, sich in die Gesezgebung und Verwaltung des Kantons Aargau zu mischen, und beschränkt sich darauf, dem Bundesrathe die angegriffenen Beschlüsse und ihre Begründung mitzutheilen. Die aargauischen Behörden haben innerhalb ihrer Kompetenz gehandelt und es komme dem Bunde nicht zu, sich in die kirchliche Organisation eines Kantons zu mengen. Dieses Gebiet gehöre ausschließlich den Kantonen, mit Ausnahme der in Art. 44 der Bundesverfassung vorgesehenen Fälle. Nun
handle es sich im gegebenen Falle nicht darum, die freie Ausübung eines Gottesdienstes zu sichern, und die öffentliche Ordnung und der konfessionelle Friede seien durchaus nicht gestört worden.

372 Die aargauische Regierung sandte zugleich die Denkschrift der Bischöfe zurük, mit der Erklärung, sie überlasse es dem Bundesrathe, dieselbe in der ihm sachgemäß scheinenden Weise zu beantworten.

n.

Während dieser Vorgänge erhob sich in einem andern Kautone des Bisthums ein ähnlicher Streit zwischen Staat und Kirche über die Frage, ob der Staat oder die Kirche das Recht habe, den Kanton Thurgau bei der Diözesankonferenz zu vertreten.

Kraft eines Beschlusses, der von der Synode der katholischen Kirche des Kantons Thurgau im Dezember 1870 gefaßt worden war, theilte der Kirchenrath der Regierung mit, er beanspruche von nun an die Katholiken des Kantons bei der Diözesankonferenz zu vertreten. Am 12. Mai 1871 erklärte die Regierung, daß sie dieses Ansinnen des Bestimmtesten ablehne. Gleichwohl bestätigte am 3.

Juli 1871 die Synode den Beschluß des Kirchenrathes. Aber am 22. September 1871 erklärte die Regierung den Beschluß der Synode als aufgehoben und folgenlos und verfällte die Mitglieder des Kirchenrathes in eine Geldbuße. Ein Rekurs au den Großen Rath wurde am 19. März 1872 abgewiesen.

Der katholische Kirchenrath des Kantons Thurgau rekurrir nun heute an Sie und verlangt die Aufhebung der Beschlüsse der Regierung und des Großen Rathes. Obgleich dieser Rekurs mit einem andern gegen die Beschlüsse der Diözesankonferenz, durch welche die Absezung von Hrn. Lâchât ausgesprochen wurde, verbunden und Ihnen erst am 23. April dieses Jahres eingereicht worden ist, so erachten wir es dennoch für angemessen, ihn besonders zu behandeln und hier die Begründung anzuführen, bevor wir zur Prüfung der Rekurse gegen die Beschlüsse der Diözesankonferenz schreiten.

Die Rekurrenten begründen ihr vermeintliches Recht,i den KauO ton Thurgau bei der üiözesankonferenz zu vertreten, folgendermaßen : Der Art. 56 der thurgauischen VerfassungO seze grundsätzlich fest./ O o daß die evangelische und die katholische Landeskirche ihre KultusVerhältnisse selbstständig, in gemischt staatlich-kirchlichen Dingen jedoch unter Oberaufsicht und mit Vorbehalt der Genehmigung des Staaten ordnen. Daraus gehe hervor, daß Alles, was den Kultus und das innerlich kirchliche Leben betreffe, unbedingt der staatlichen Kon troie und Mitwirkung entzogen sei und ausschließlich durch die Kirche geregelt werden müsse. Die gemischt kirchlich-staatlichen Angelegenheiten seien nicht. der staatlichen Kontrole,i O O

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wohl aber der unmittelbaren Mitwirkung des Staates entrükt in dem Sinne, daß zwar die betreffende Konfession diese Angelegenheiten ordne, daß aber die Beschlüsse zu deren endlicher Giltigkeit der staatlichen Genehmigung bedürfen. Nun aber seien die Angelegenheiten, welche das Bisthum betreffen, meistens religiöser und kirchlicher Art und müssen an der Diözesankonferenz durch die katholische Behörde erledigt werden. G-esezt auch, sie wären gemischter Art, so würde es dieser Behörde nichtsdestoweniger zustehen, die Katholiken an der Konferenz direkt zu vertreten ; denn der Staat hätte in diesem Falle doch nur ein Oberaufsichtsrecht, d. h. er müßte für den Kanton die Beschlüsse der Konferenz genehmigen, welche sich auf Fragen gemischter Art bezögen.

Andererseits gebe § 19, c. 3., der katholischen Kirchenorganisation von Thurgau dem Kirchenrathe das Recht, für Heranbildung junger Geistlicher zu sorgen und gerade das sei eine Frage, welche der Diözesankonferenz unterstehe.

Ueberdieß haben nach Art. 56 der thurgauischen Verfassung die Konfessionen die Auslagen für Verwaltungs- und Kultusbedürfnisse zu deken. Der Art. 57 gewährleiste den Konfessionen die Unverlezlichkeit ihrer für fromme Zweke gewidmeten Güter und Stiftungen.

§ 19, b. 2 der katholischen Kirchenorganisation besage, daß der katholische Kirchenrath und mittelbar die Synode die Aufsicht und Verwaltung über und damit auch die Verantwortlichkeit für die der katholischen Konfession angehörenden Güter haben.

Aus diesen Bestimmungen gehe hervor, daß der zur Bestreitung der Ausgaben des Bisthums bestimmte Fonds in den Händen der Katholiken bleiben und vom Kirchenrath verwaltet werden solle.

Wenn nun der Staat an den Berathungen der Diözesankonferenz in Betreff dieses Vermögens Theil nehme, so verfüge er darüber, was mit der Verfassung und dem Geseze im Widerspruch sei.

Wenn der Staat die Verträge bezüglich des Eintritts des Kantons Thurgau in das Bisthum Basel abgeschlossen und wenn er bis jezt die Diözesankonferenz beschikt habe, so sei dies geschehen nach der alten Verfassung. Durch die gegenwärtige Verfassung von 1869 und durch die oben angeführten Bestimmungen sei das Recht, die katholische Bevölkerung des Kantons an der Konferenz zu vertreten, an die kirchlichen Behörden übergegangen; der Bisthumsvertrag aber verbleibe in Kraft und der
Stand Thurgau gehöre ihm auch ferner an als Vertragskontrahent nach außen.

Es zeigen auch mehrere frühere Vorfälle, daß nach der gegenwärtigen Verfassung das Recht, den Kanton in geistlichen Angelegenheiten zu vertreten, der kirchlichen Behörde zustehe.

374 Aus diesen Gründen verlangen die Rekurrenten die Aufhebung des Beschlusses des Regierungsrathes vom 22. September 1871 und des Großen Rathes vom 19. März 1872 betreffend das Recht der Beschulung der Diözesankonferenz.

Dieser Rekurs, welchen der katholische Kirchenrath des Kantons Thurgau nach einem Synodalbeschluss vom 10. Februar 1873 an den Bundesrath gerichtet hat, wurde am 20. Mai der thurgauischen Regierung mitgetheilt. Unterm 27. Juni antwortete Leztere wesentlich Folgendes: Das Recht, den Kanton Thurgau bei der Diözesankonferenz; zu vertreten, steht einzig dem Staate zu und nicht den kirchlichen Behörden. In allen Verträgen, welche zwischen dem heil. Stuhl und den Diözesanständen und zwischen diesen geschlossen wurden, sind thatsächlich die Stände allein die kontrahirenden Parteien und nicht die katholische Bevölkerung dieser Staude. Uebrigens geht aus den Verträgen, welche die Grundlage der Einrichtung des Bisthums bilden, und aus denjenigen, welche seither zwischen den Diözesanständen abgeschlossen wurden, aus der Formel, mit welcher diese leztere die Bullen des Papstes genehmigt haben, und aus der Eidesformel, welche der Bischof von Basel beschworen hat, hervor, daß die Vollmachten der Diözesankonferenz folgende sind : 1) Mitwirkung bei der Bischofswahl durch Ausübung des Eliminationsrechts ; 2) Abnahme des den Regierungen der Stände zu leistenden TreueEides und staatliche Einsezung des Bischofs; 3) Die Ausübung des Aufsichtsrechtes über das Priesterseminar; 4) Die Verhandlungen mit dem Bischof über staatlich-kirchliche Angelegenheiten ; 5) Die allgemeine "Wahrung der staatlichen Hoheitsrechte (jura sacra maiestatica).

Nur der Staat kann diese Befugnisse ausüben und eine dem Bischof untergeordnete kirchliche Behörde kann niemale diese Stellung einnehmen. Der Stand Thurgau kann mit Rüksicht auf die übrigen Vertragsstände unmöglich durch eine kirchliche Behörde an seiner Statt die Diözesankonferenz beschiken lassen; denn er bietet für die Erfüllung der zwischen den Diözesanständen eingegangenen Verpflichtungen Garantieen, welche eine kirchliche Behörde nicht zu bieten vermag. Diese Grundsäze sind übrigens durch die thurgauischen Geseze und die Verfassung gutgeheißen. So bestimmt der in voller Rechtskraft bestehende Art. 4 des Kirchenorganisationsgesezes vom 29. Februar 1851, daß Vertrage über allgemeine kirchliche und matrimonial-gerichtliche VerCD

375 / hältnisse des Kantons, sowie Konkordate über Diözesaneinrich tungen durch die Regierung unterhandelt und der Genehmigung des Großen Rahtes unterbreitet werden sollen. Der Art. 39 Ziff. 5 der Verfassung gieb dem Staate das Oberaufsichtsrecht über .die Kirche.

Nun übt gerade die Diözesankonferenz diese Oberaufsichtsrechte aus.

Was den Art. 56 der Verfassung betrifft, so handelt er von reinen Kultus- und von gemischt staatlich-kirchlichen Verhältnissen. Die Verhältnisse aber, welche in der Diözesankonferenz zur Austragung gelangen, sind weder kirchlicher, noch gemischter Natur, sie qualifiziren sich als reine Rechtsbefugnisse des Staats.

Was die von den Rekurrenten erwähnten Präcedenzfälle betrifft, so bestreitet die thurgauische Regierung die Richtigkeit der angeführten Thatsachen.

Aus diesen Gründen schließt sie auf Abweisung des Rekurses des katholischen Kirchenrathes des Kantons Thurgau.

in.

Weit folgenschwerere Ereignisse sind indessen zu Ende des vorigen und im Anfange dieses Jahres im Bisthum Basel eingetreten.

Wir sprechen von der Absezung des Hrn. Lâchât, Bischofs von Basel.

Dienstag den 19. November 1872 beschloß die in Solothurn unter dem Präsidium des Herrn Landammann Vigi versammelte Diözesankonferenz, den Bischof von Basel aufzufordern, sich bei der Konferenz über verschiedene Maßregeln, welche ihm zum Vorwurfe gemacht worden waren, inner einer Frist von drei Wochen zu rechtfertigen; inner der gleichen Frist habe er bedingungslos die von ihm gegen die Pfarrer Egli und Gschwind ausgesprochene Exkommmunikati und Amtsentsezung zurükzunehme ; ferner habe er seinen Kanzler Duvet zu entlassen. Die Diözesankonferenz sollte nach Ablauf der angesezten Frist wieder zusammentreten, um das Weitere zu beschließen.

Mit Schreiben vom 26. Dezember weigerte sich der Bischof von Basel, den Beschlüssen der Diözesankonferenz Folge zu leisten, worauf diese in einer neuen Zusammenkunft am 29. Januar 1873 folgenden Beschluß faßte : 1) Die dem hw. Bischof Eugenius Lâchât von Mervelier (Bern) unterm 30. November 1863 ertheilte Bewilligung zur Besizergreifung des bischöflichen Stuhls der Diözese Basel wird zurükgezogen und damit die Amtserledigung ausgesprochen.

2) Es wird dem Herrn Eugen Lâchât die Ausübung weiterer bischöflicher Funktionen in den Kantonen untersagt und es ist an,

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dieselben die Einladung zu erlassen, für einstweilen die bischöflichen Einkünfte nicht mehr auszurichten, beziehungsweise in den Kantonen, in denen die Diözesanfonds nicht mit dem Staatsgute vereinigt sind, die betreffenden Fundationen mit Sequester zu belegen.

3) Die Regierung von Solothurn wird eingeladen, dem Herrn Eugen Lâchât die Amtswohnung im bischöflichen Palaste mit einer entsprechenden Räumungsfrist zu künden und für Uebergabe des dem Bisthum Basel angehörigen Inventars besorgt zu sein.

4) Das Domkapitel wird eingeladen, nach Mitgabe des Grundvertrages zwischen den Diözesanständen über die Bisthumserrichtuug vom 28. März 1828 Art. 3 und des päpstlichen Exhortationsbreve* vom 15. September 1828, sowie des Konferenzbeschlusses vom 21.

Oktober 1830, innerhalb 14 Tagen, vom Tag der Mittheilung dieser Schlußnahme an, einen den Kantonen genehmen Bisthumsverweser ad intérim zu ernennen.

5) Die fünf Diözesanregierungen werden sofort Verhandlungen über Revision des Diözesanvertrages eröffnen, und dazu auch die hohen Regierungen der Kantone Zürich, Baselstadt, Schaffhausenj Tessin und Genf für ihre katholische Bevölkerung einladen.

6) Von diesen Beschlüssen ist dem hohen Bundesrath für sich und zur diplomatischen Eröffnung an den päpstlichen Stuhl Mittheilung zu machen.

7) Die Diözesankonferenz vertagt sich bis zum 14. Februar etc.

Das politische Departement bestätigt an dieser Stelle, daß die in § 6 hievor verlangte Mittheilung der Beschlüsse vom 29. Januar an den heil. Stuhl, am 1. Februar 1873, durch Zustellung kurzer Hand an den päpstlichen Geschäftsträger erfolgt ist. Die Uebergabe hat im Bundespalaste durch den Unterzeichneten stattgefunden.

A.

Mit Eingabe vom 8. Februar 1873 erklärte Herr Lâchât den Rekurs an den Bundesrath gegen die Beschlüsse der Diözesankonferenz vom 29. Januar 1873. Der Rekurrent legte der Eingabe auch die Protestation bei, welche er am 4. Februar 1873 an die Diözesanstände gerichtet hat und empfahl solche zur aufmerksamen Beachtung.

Der Rekurrent sezt vorerst auseinander, daß die gegen ihn erfolgten Schlußnahmen von inkompetenten Behörden gefaßt worden seien. Die Diözesankonferenz habe keinen autoritativen Charakter, noch das Recht, giltige Mehrheitbeschlüsse zu fassen. Abgesehen

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von einer Exklusionsbefugniß, hinsichtlich minder genehmer Kandidaten bei der Bischofswahl, welches Recht sie im Namen der Diözesaustände ausübe, habe die Konferenz nur civiladministrative Befugnisse. Selbst die Regierungen der Diözesanstände seien nicht befugt, die Absezung des Bischofs zu beschließen; denn das bischöfliche Amt werde nicht vom Staate verliehen, sondern von der Kirche und diese allein könne den Bischof absezen, oder seine Amtsdauer beschränken.

Das katholische Kirchenrecht kenne keine Erledigung eines bischöflichen Stuhles als durch den Tod seines Inhabers, den freiwilligen Verzicht, oder in Folge Abberufung durch den heil. Stuhl, nach vorangegangenem juridischem Verfahren, auf Grund schwerer Vergehen. (Conçu, v. Trient, Siz. XXIV., Kapitel 5. de Ref.) Nun bestimme die Bulle ,,Inter praecipua" vom 7. Mai 1828, mittels welcher der Papst Leo XII. das Bisthum Basel in neuer Umschreibung hergestellt habe und welche von den betreffenden Ständen angenommen und ratifizirt worden sei, unter Anderm : Der Bischof solle nach den Vorschriften des kanonischen Rechts das Bisthum verwalten, und die ihm zustehenden Rechte und Privilegien seien ihm gewährleistet. Die von den Diözesanständen geinachten Vorbehalte können nicht in dem Sinne aufgefaßt werden, als stünden sie mit dem Wortlaute des ratiflzirten Vertrages in Widerspruch.

Im Weitern ist Rekurrent der Ansicht, die Beschlüsse der Diözesankonferenz seien unvereinbar mit folgenden Bestimmungen der Verfassungen der Diözesanstände : Mit Art. 3 der solothurnischen Verfassung, welcher ,,der römischkatholischen Religion den Schuz des Staates Ogewährleistet.tt ö Mit Art. 80 der bernischen Verfassung: ,,Einer aus Katholiken zusarnmengesezten Kirchenkommission steht das Antrags- und Vorberathungsrecht in römisch-katholischen Kirchensachen zu, soweit diese in den Bereich der Staatsbehörden fallen.a Mit Art. 12 der aargauischen'Verfassung : ,,Die katholische und die evangelisch-reformirte Kirche sind gewährleistet. Die Verhältnisse der beiden Kirchen im Staate werden durch schüzende Geseze und überdieß kâtholischerseits durch die nothwendigen Konkordate bestimmt"1 ; Art. 44 : ,,Für die kirchlichen Angelegenheiten jeder der beiden christlichen Konfessionen wird ein Kirchenrath aufgestellttt ; und Art. 98 : ,,Den Präsidenten der Kirchenräthe liegt der
Ei-laß geschäftsieitender Verfügungen etc. ob. Für alle wichtigen Geschäfte und Kultusfragen sollen .sie die. Mitglieder beiziehen."*) *) Sollte heißen: §§ 44 und 98 des regierungsräthlichen Orgsnisationsgesezes (nicht der Verfassung).

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Mit Art. 17 der thurgauischen Verfassung: ,,Die Glaubens- und Kultusfreiheit ist gewährleistet. Jeder ist unbeschränkt in der häuslichen und öffentlichen Uebung seines religiösen Bekenntnisses, soweit dadurch nicht staatliche Verpflichtungen verlezt werden." Art. 56 : ,,Die katholische Landeskirche ordnet ihre Kultusverhältnisse selbstständig, in gemischt staatlich-kirchlichen Dingen jedoch unter der Oberaufsicht und mit Vorbehalt der Genehmigung des Staates."

Ferner mit dem Gesez über die ,,katholische Kirchenorganisation" Art l : ,,Die katholische Konfession des Kantons Thurgau ordnet ihre kirchlichen Angelegenheiten nach den Gesezen der katholischen Kirche und nach Maßgabe der thurgauischen Verfassung, Art. 2. Sie bedient sich zu diesem Zwek speziell folgender Organe: a. der Synode; b. des Kirchenrahtes; c. der Kirchgemeinden; d. der Kirchen vorsteherschaft und kirchlichen Angestellten."

Drittens beruft sich Rekurrent auf den Umstand, daß zwei Stände, Zug und Luzern, den Beschlüssen der Diözesankonferenz nicht beigestimmt haben, und folgert daraus ihre Nichtigkeit. Jedenfalls können diese Beschlüsse auf die beiden Stände, welche sich denselben widerse haben, keine Anwendung finden.

Viertens seien die Beschlüsse der Diözesankonferenz mit Verlezun dos Art. 53 der Bundesverfassung gefaßt worden. Sie gründen sich auf verschiedene Anklagen gegen den Rekurrenten, welchem man Verlezung von Verfassungsbestimmungen, Gesezen und Dekreten, selbst seines Eides vorwerfe. Bei solchen Umständen sei es nicht Sache der Ad ministrati vbehörden, ein Urtheil zu fällen, sondern es stehe dieß den Gerichten zu. Rekurrent sei also Beinern natürlichen Richter entzogen worden.

Fünftens müsse vermöge Art. 44 der Bundesverfassung der Bund einschreiten, indem die öffentliche Ordnung und der konfessionelle Friede gestört worden seien durch die Thatsache, daß die Entsezung des Bischofs von Basel von einer zum größern Theile aus Protestanten bestehenden Versammlung beschlossen worden sei.

Sechstens endlich, und besonders in Bezug auf den Kanton Bern, erachtet Rekurrent, das Vorgehen der bernischen Regierung sei unvereinbar mit Art. l der Vereinigungsurkunde vom 14. November 1815, welcher besage: ,,Die römisch-katholische Religion wird gewährleistet, um in ihrem jezigen Zustande gehandhabt und in allen Gemeinden des Bisthums
Basel, wo sie gegenwärtig besteht, als öffentlicher Gottesdienst frei ausgeübt zu werden. Der Diözesanbischof und die Pfarrer werden ungestört ihre ganze geistliche Gerichtsbarkeit nach den allgemein angenommenen staatsrechtlichen Verhältnissen zwischen

379 der weltlichen und geistlichen Macht genießen; sie werden ebenfalls ohne Hindernisse ihre Amtsverrichtungen erfüllen, namentlich der Bischof seine bischöflichen Visitationen und alle Katholiken ihre Religionshandluugen."' In Art. 35, 3 der bernischen Verfassung heiße es ferner: ,,Der neue Kantonstheil behält dem Grundsaze nach seine Gesezgebung.a Dieß sind die von Herrn Lâchât in seinem Rekurs vom 8. Februar angeführten Beweismittel.

Unterm 7. April vervollständigte er seinen ei'sten Rekurs und übermachte dem Bundesrathe eine zweite Denkschrift, worin er folgende Bemerkungen anbringt: 1) Laut der Urkunde des ,,Grundvertrags" zwischen den Ständen Solothurn, Bern, Luzern und Zug, vom 28. Mai 1828, habe beim Entstehen des Bisthums die katholische Bevölkerung von Luzern (100,000)'und Zug (14,000), da Bern nur 44,000 und Solothurn 48,000 zählte, über die Hälfte (15,000 mehr) der gesammten katholischen Bevölkerung des Bisthums ausgemacht. Da nun die Stände Aargau, Baselland omd Thurgau sich dem Vertrage einfach anschlössen, so konnten sie das Recht der Stände Luzern und Zug nicht zu Ungunsten Lezterer wenden. Daraus ergebe sich, daß die Stände Bern und Solothurn im Verein mit den nachträglich einverleibten drei Kantonen für sich allein dem Bisthum seinen gesezlichen Oberhirten nicht nehmen dürfen; höchstens könne es ihnen freistehen, ihn für i h r Gebiet nicht mehr anzuerkennen, so daß dem Beschwerde führenden Bischof jedenfalls alle seinem Amte als Bidchof inhärirenden Rechte und Attribute verbleiben, namentlich in Bezug auf die gemeinsamen Diözesanfonde.

2) Die Diözesankonferenz behaupte eine Behörde zu sein ; aber sie habe nicht bewiesen, daß die Kirche die Rechte, welche sie sich beigelegt, jemals anerkannt habe.

Gleichermaßen seien auch die Rechte, welche die Diözesanstäude sich vorbehalten und gegenseitig gewährleistet haben wollen, von der Kirche niemals anerkannt worden. Sie widersprechen dem mit dem heil. Stuhl abgeschlossenen Vertrage und können gegen den Beschwerde führenden Bischof nicht angerufen werden.

Absichtlich sei der sogenannte G r u n d v e r t r a g vom 28. und 29.

März 1828, in welchem die Stände sich diese Rechte vorbehalten (placetum, jus çavendi et inspiciendi in Bezug auf das Priesterseminar u. s. w.~), worden.

·s l niemals der Kirche mitgetheilt O Uebrigens habe Rekurrent, obgleich er nicht davon Kenntniß gehabt, nie gegen die Artikel des Vertrags gehandelt.

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3) Nach einer Verwahrung gegen die Beschuldigung, er habe sich kriminelle Handlungen zu Schulden kommen lassen (Linder'sche Legate), erklärt der Rekurrent, er sei unrechtmäßig seiner Einkünfte beraubt worden, und erhebt förmlich Beschwerde über den dahingehenden Beschluß der Diözesankouferenz Wenn man dem Staate das Recht zuerkenne, den Bischof von Basel zu eutsezen (Deplazetirungsrecht), so mache man es für alle Zeit unmöglich, den Bischofsstuhl von Basel mit einem unabhängigen, gewissenhaften Manne zu besezen.

Der Rekurrent schließt mit dem Gesuche, von verfassungsmäßigen Behörden nach verfassungsmäßigem Rechte gerichtet zu werden.

Unterm 9. April 1873 hat Herr Vigier, als Präsident und im Namen und Auftrag der in Solothuru am 4. und 5. April versammelten Diözesankonferenz; bestehend in den Abgeordneten der Kantone Solothurn, Aargau, Bern, Thurgau und Basellandschaft, den Rekurs des Herrn Lâchât vom 8. Februar 1873 in einer Denkschrift beantwortet, welcher wir die wichtigsten Punkte in Folgendem entheben: 1. Der Standpunkt, den man einnehmen muß, ist, daß keine zugleich von Kirche und Staat anerkannten Prinzipien bestehen, welche als Grundlage dienen könnten, um ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten abzugrenzen. Die Souveränität des Staates und die der Kirche können nicht nebeneinander bestehen, ein Dualismus ist durchaus unmöglich. Während im Mittelalter die Uebergeordnetheit der Kirche mehrmals geltend gemacht worden ist (Innocenz HL), anerkennt der moderne Staat nur eine Souveränität, nämlich die seinige.

2. Die Kantone, welche das Bisthum Basel bilden, haben dem kanonischen Rechte die Eigenschaften eines Landesrechtes, das als Staatsgesez Kraft und Geltung hätte, weder durch ihre Verfassungen, welche einfach der Kirche im Allgemeinen nnd in ihren Beziehungen zum Staate den bei Inkraftsezung der Verfassung geltenden Rechtszustand gewährleisten, noch durch das am 26. März 1828 mit dem heil. Stuhl abgeschlossene Konkordat, noch auch durch die Anerkennung der päpstlichen Bulle ,,Liter prajcipua" vom 7. Mai 1828 zugestanden. Diese Bulle spricht nur nebenbei vom kanonischen Rechte und ihre Genehmigung von Seite des Staates enthält durchaus keine Anerkennung des kanonischen Rechtes.

3. Die Stände des Bisthums Basel stellen sich auf den Boden alter Rechte (Pfaffenbrief, Stanzer v erkommniß, Tagsazungsabschied der Konferenz der katholischen Orte zu Luzern, vom 18. August llgV

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1567, über die Beschlüsse des Konziliums von Trient, die nur unter Vorbehalt angenommen wurden), welche Rechte stets aufrecht gehalten worden sind (Luzern im vorigen Jahrhundert, Balthasar, de Helvetiorum juribus circa sacra) und gegenwärtig noch bestehen (Vorverhandlungen über die Gründung des Bisthums Basel, Gewährleistungen und Vorbehalte, welche die Unterzeichnung der Verträge zur Zeit der Errichtung des Bisthums und die Genehmigung der Bullen des Papstes begleitet haben). Dieses Recht umfaßt die jura circa sacra maiestatica.

Die mit dem heil. Stuhl geschlossene Uebereinkunft war nur ein Waffenstillstand und kein wahrer Friede; denn der heil. Stuhl hat die jura circa sacra majestatica nicht anerkannt und die Kon·kordatsstände haben ihrerseits die Ansprüche des heil. Stuhles nicht zugegeben. Die Kantone haben sich ihre Rechte gegenseitig gewährleistet und sich diese vorbehalten, als sie der Bulle ,,Inter proecipuaa ihre Genehmigung ertheilten.

4. Der Beschwerde führende Bischof hat die Rechte des Staates besonders dadurch gefährdet, daß er die Lehren des Syllabus und das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes verkündete, das die Rechte des Staates im Allgemeinen und diejenigen, welche die Stände des Bisthums Basel sich vorbehalten haben im Besondern, .sowie die gewährleisteten Rechte des Bischofs leugnet. Die Diözesan.stände mögen ihre Rechte nach eigenem Ermessen wahren, nur müssen die kantonalen Verfassungen und die Bundesverfassung beobachtet werden. Sie haben im Besondern das Recht der Amtsentsezung des Bischofs (wofür geschichtliche Vorgänge angeführt werden), und dieß war das einzige wirksame Mittel, welches angewandt werden konnte.

5. Zur Kompetenzfrage übergehend, bestreitet die Antwortschrift zunächst die Anwendbarkeit von Art. 53 der Bundesverfassung, indem die Beschlüsse der Diözesankonferenz kein Urtheil seien und die Konferenz nicht als richterliche Behörde gehandelt hatte.

In Bezug auf die Kompetenz der Diözesankonferenz macht die Antwortschrift geltend, daß soweit die Diözesanstände gemeinschaftliche Rechte und gegenseitige Pflichten haben, die Diözesankonferenz ihre Befugnisse bewahre und daß ihre Aufgabe mit der Bischofswahl durchaus nicht erschöpft sei. Die Diözesankonferenz vertritt andererseits nicht nur die Diözesanstände, so daß nur die einzelnen Stände als Träger erscheinen
und sich weigern könnten, Mehrheitsbeschlüsse auszuführen, sondern sie ist eine Behörde, welche mit Stimmenmehrheit über alle Fragen, die in den Rahmen der zwischen den Ständen geschlossenen Vereinbarungen fallen, Beschlüsse

382 faßt (welche Ue'oung in den Protokollen ihre Bekräftigung liudet), und nur zu einer Aenderung des Vertragsverhältnisses bedarf es der einstimmigen Mil Wirkung aller Stände. Gesezt aber auch, es stünde jedem Kantone frei, den Beschlüssen der Majorität die Anerkennung zu venveigern, so würden nichtsdestoweniger die Beschlüsse der Diözesankonferenz für 5 Kantone Geltung haben.

Was die behauptete Verlezung mehrerer kantonalen Verfassungen anbelangt, so verweist die Schrift auf die Antworten der betreffenden Kantonsrcgierungen.

Sie schließt auf Abweisung des Rekurses.

Der Rekurs des Hrn. Ltvchat ist durch mehrere Besehwerdeund Denkschriften uaterstiizt worden, welche von katholischen Behörden und von der katholischen Bevölkerung einiger Kantone der Diözese Basel eingegangen sind.

B.

Zunächst liegt ein Rekurs des katholischen Kirchenrathes des Kantons Thurgau vom 23. April 1873 vor. Diese vom Präsidenten des Kirchenratlies, Hrn. Wild, im Namen der Synode der katholischen Kirche eingereichte Beschwerde ist mit dem eingangserwähnten Rekurse betreffend Beschikung der Diözesankonferenz von Seite des Kantons Thurgau verbunden und gegen die Sehlußnahmen des Regierungsrathes vom 31. Januar, 12. Februar und 1. März 1873, sowie des Großen Rathes vom 19. März gleichen Jahres gerichtet, betreffend a) die Absezung des hochw. Bischöfe Lâchât; b) das Verbot des amtlichen Verkehrs mit demselben ; c) das Verbot der Ausbezahlmig des bischöflichen Gehaltsantheües ; d) das Verbot der Abhaltung der Kirchgemeindeversainmlungen.

Der Regierungsrath des Kantons Thurgau hat wirklich in Ausführung der Beschlüsse der Diözesankonferenz am 31. Januar 1873 dem Kirchenrathe die Eritsezung des Bischofs Lâchât mitgetheilt und ihn eingeladen, der Geistlichkeit den amtlichen Verkehr mit dem Bischof zu untersagen und keine Zahlungen mehr an Hrn. Lâchât zu leisten. Am 12. Februar sodann hat er einen Beschluß der Synode, welche sich weigerte, den unterm 31. Januar erlassenen Weisungen sich zu unterziehen, aufgehoben und die Abhaltung der von der Synode auf den 16. Februar zur Abstimmung über die Frage der Amtsentsezung des Hrn. Lâchât angeordneten Kirchgemeinden untersagt. Am 1. März hat er seine Weisungen unmittelbar an die thurgauische katholische Geistlichkeit erlassen und am 19. März, endlich, hat der Große Rath die Schlußnahmen der Regierung gutgeheißen.

383.

Die Eingabe der Rekurrenten unterzieht diese verschiedenea Beschlüsse einer nähern Beurtheilung, in welcher Folgendes geltend gemacht wird : 1) Die Absezung des Hrn. Lâchât sei nicht von der dazu berechtigten Behörde ausgesprochen worden ; denn die Diözesankonferenz, als solche, sei keine Behörde und der Bischof, der sein Amt nur von der Kirche erhalte, könne desselben nicht vom Staate enthoben weïden. Die Absezung des Bischofs von Basel verleze da& Bisthumskonkordat, welches in die amtliche Gesezsammlung aufgenommen sei und folglich im Kanton Thurgau Gesezeskraft erlangt habe. Ueberdieß verleze sie den Art. 17 der Verfassung, welcher N bestimme: ,,Die Glaubens-und Kultusfreiheit ist gewährleistet. Jeder ist unbeschränkt in der häuslichen und öffentlichen Uebung seine* religiösen Bekenntnisses. Es darf Niemand zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden."· Sie widerstreite dem Art. l der ,,katholischen Kirchenorganisatioutt, welcher vorschreibe, daß diese Organisation in Uebereinstimmuiig mit den Gesezen der Kirche stehen soll. Nach diesen Gesezen aber könne der Bischof nicht vom Staate abgesezt werden.

Sodann sei die Absezung des Bischofs im Widerspruche mit Art. 56 der Verfassung, welcher der Kirche die selbstständige Ordnung ihrer Kultusverhältnisse gewährleiste. Allerdings berechtige der gleiche Artikel den Staat einzuschreiten und die geeigneten Maßnahmen zur Abhilfe gegen kirchliche Erlasse oder Verordnungen, sowie gegen Handlungen einzelner Geistlichen zu treffen, welche die Rechte der Bürger oder den Frieden unter den Konfessionen beeinträchtigen. Dieser Artikel aber habe nur Geltung für das Gebiet des Kantons Thurgau und keine der Handlungen, welche dem Hrn. Lâchât vorgehalten werden, wie beispielweise die Exkommunikation und Absezung des Pfarrers Gschwind, habe im Kanton sich ereignet.

2) Das an die thurgauische Geistlichkeit ergangene Verbot des amtlichen Verkehrs mit dem Bischof widerstreite dem Grundsaze der Freiheit des Gewissens.

3) Das Verbot der Ausbezahlung des Gehalts an den Bischof verleze den Art. 57 der Verfassung, welcher den anerkannten Kirchen die Unverlezlichkeit der für fromme Zweke gewidmeten.

Güter und Stiftungen gewährleiste.

4) Das staatliche Verbot, Kirchgemeindeversammlungen zur Abstimmung über die Frage der Absezung des Bischofs abzuhalten, sei ebenfalls den Gesezen und der Verfassung zuwider. Nach § 16 der Kirchenorganisation und nach Art. 56, Absaz 2 der Verfassung,

384

unterliegen allgemeine kirchliche Erlasse und Verordnungen gesezgeberischer Natur der Abstimmung der Angehörigen der betreuenden Kirche, müssen aber -- nach der Ansicht des Regierungsrathes -- vorerst der staatlichen Censur unterbreitet werden. Bei der von der katholischen Synode angeordneten Volksabstimmung habe es sich indessen einfach um einen Spezialerlaß gehandelt, durch welchen die Gesinnung des Volkes über die Frage der Verlezung verfassungsmäßiger Rechte durch die Beschlüsse der Regierung gehört und Vollmacht eingeholt werden sollte, Namens des Volkes beim Bunde Schuz zu suchen. Der Regierungsrath habe also diesen Beschluß nicht aufheben und die Abhaltung der Kirchgemeindeversammlungen nicht untersagen können. Uebrigens schließe die Verfassungsbestimmung, daß Erlasse gesezgeberischer Natur der Volksabstimmung unterstellt werden müssen, keineswegs aus, daß andere Beschlüsse nicht gesezgeberischer Art dem Volke unterbreitet werden dürfen.

Endlich erscheine der Staat um so weniger berechtigt, einer Volksabstimmung entgegenzutreten, als er gemeinschaftlich mit den übrigen Bisthumsständen in einer Proklamation an das katholische Volk des Bisthums sich gewendet habe.

Die thurgauische Regierung, welcher diese Eingabe Übermacht worden ist, hat sie unterm 27. Juni beantwortet und auf Abweisung des Rekurses aus folgenden Gründen angetragen : In der Hauptsache verweise sie auf die in Beantwortung deRekurses des Hrn. Lâchât dem Bundesrathe abgegebene Rechtfers tigungsschrift der Diözesankonferenz, und bezüglich der von den Rekurrenten aufgeworfenen, besonders den Kanton Thurgau berührenden Fragen auf ihre motivirten Sehlußnahmen, die auf Seite 38 --46 der gegnerischen Beschwerdeschrift abgedrukt seien.

Aus den Erwägungen zu diesen Sehlußnahmen, so weit sie auf die Absezung des Hrn. Lâchât Bezug haben, ergibt sich: Daß die Kompetenz des Staates in Art. 56 der Verfassung ihre Begründung finde, kraft dessen die Staatsbehörden gegen kirchliche Erlasse und Handlungen einzelner Geistlicher, welche die öffentliche Ordnung oder die Ruhe der Bürger oder den Frieden unter den Konfessionen beeinträchtigen, einschreiten können ; Daß durch die Entfernung eines widersezlichen Priesters von seinem Kirchenainte der Staat die Gewissensfreiheit nicht beeinträchtigt habe, indem diese Thatsache keine Glaubenssache sei.

Die Regierung sei ferner in ihrem Rechte gewesen bei dem Verbote der Abhaltung von Kirchgemeinden zur Abstimmung über

385 die Amtsentsezung des Hrn. Lâchât. Die Beschlüsse, welche in Anwendung von Art. 56 der Verfassung gefaßt worden, dürfen weder der Genehmigung der katholischen -Synode, noch derjenigen des Volkes unterworfen werden und ein'em solchen, selbst in geordneter Weise erfolgenden Volksentscheid wäre keinerlei staatsrechtliche Bedeutung und Werth beizulegen. Nach Art. 56 der Verfassung «ad Art. 16 des katholischen Kirchenorgänisationsgesezes dürfen nur Erlasse und Verordnungen gesezgebefischer Natur, nachdem sie vorausgehende die Genehmigung des Großen Rathes erlangt haben, der konfessionellen Volksabstimmung unterworfen werden.

C.

Inzwischen gelangten gegen die Beschlüsse der Diözesankonferenz und die darauf bezüglichen Anordnungen der Regierungen der Diözesanstände weitere Rekurse an den Bundesrath.

Der gewesene Generalanwalt der Eidgenossenschaft, Hr. Amiet, liât eine aus Solothurn, 22. Mai 1873, datirte Beschwerdeschrift in Begleit folgender Beilagen eingereicht : 1. Vollmacht der Versammhing der Delegirten der Katholiken
2. Protokoll einer in Erschwyl am 11. Mai 1873 abgehaltenen Volksversammlung. Die Versammlung pflichtet denn Rekurse des Hrn. Amiet bei.

3. Zustimmung des Katholikenvereins von Basel-Stadt, vom 13. Mai 1873.

4. Zustimmung des Centralkomités der Katholiken des Birsecks, vom 13. Mai 1873.

5. Zustimmung des Katholikenvereins von Bern, 14. Mai 1873.

Außerdem sind dem Bundesrath Zustimmuugserklärungeu zum ·Rekurse des Hrn. Amiet unmittelbar zugegangen : 6. Von einer zu Courrendlin am 25. Mai 1873 abgehaltenen Volksversammlung.

7. Von einer zu Saignelegier am 25. Mai 1873 abgehaltenen Volksversammlung.

8. Vom katholischen Kirchenrath des Kantons Thurgau unterm 28. Mai 1873.

9. Von einer zu Pruntrut am 22. Juni 1873 abgehaltenen Volksversammlung.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. I.

.

35

386

Der Rekurs des Herrn Amiet stellt in erster Linie den Saz auf ; I. Abgesehen von der Inkompetenz der Diözesaukonferenz und ·der Nichtigkeit der von ihr am 28. und 29. Januar \ 873 gefaßten Beschlüsse, sowohl vom formellen als vom staatsrechtlichen Standpunkte aus, ist die einseitig staatliche Absezung des Bischofs Lâchât nach den vom Staate anerkannnten und verfassungsmäßig gewährleisteten kirchenrechtlichen Grundsäzen unzuläßig ; sie veiiezt insbesondere die in der Diözese Basel zu Recht bestehenden Verträge, welche die Beziehungen zwischen Kirche und Staat regeln.

Die staatliche Absezung eines Bischofs verstößt gegen das Wesen der katholischen Religion, welche durch die Bundesverfassung und durch die kantonalen Verfassungen gewährleistet ist. Sie verlezt die unterm 26. März 1828 mit dem Papste abgeschlossene Uebereiukunft, sie steht geradezu im Widerspruch mit den Bullen des Papstes Leo XII., vom 7. Mai 1828, und des Papstes Pius VIII., vom 23. März 1830, mit dem apostolischen Breve vorn 15. September 1828 und mit den Statuten des Domkapitels Basel, vom 27. Februar 1866, welche Urkunden alle die staatliche Genehmigung erhalten haben. Die staatliche Absezung eines Bischofs ist aber auch mit dem kanonischen Rechte unvereinbar, welches, wie die Geschichte des Bisthums und der Diözesankonferenz bis zur Zeit der neuen Umschreibung des Bisthums lehrt, im Bisthum Basel zu Recht besteht. Wenn die Diözesanstände durch die unter sich zu Langenthal 1820 und 'zu Luzern 1828 (Grundvertrag) abgeschlossenen Vorkommnisse es versucht haben, die Kirche dem Staate unterzuordnen, so geht daraus keineswegs hervor, daß das kanonische Recht, die Rechte des katholischen Volkes und der katholischen Kirche, welche in der Verfassung und in Verträgen gewährleistet sind, nicht immer feierlich anerkannt wurden und es noch heute sind.

II. Dei1 zweite Saz des Rekurses des Herrn Amiet ist folgender : Vom rein staatsrechtlichen Standpunkte aus betrachtet, ist die Diözesankonferenz keine Behörde, welche zur Absezung des Bischofs irgend welche Kompetenz hatte, und eine Mehrzahl der Stände konnte eine Minderzahl durch keine Stiminemnajorität verpflichten.

Die Diözesankonferenz ist eigentlich nur eine interkantonale Kommission von Abgeordneten der Diözesanstände, welche Abgeordneten bald mit, bald ohne Vollmachten ihrer Regierungen zusammen kamen und ihre Vereinbarung in wichtigen Dingen den betreffenden Ständen zur Genehmigung vorlegten. An und für sich

387 hat die Konferenz mit Ausnahme ganz weniger, in den Bereich der Diözesanverwaltung fallender Punkte, sowie mit Ausnahme der Gratuitätserklärungen bei Bischofswahlen und der staatlichen Vertretung bei staatskirchlichen Feierlichkeiten durchaus keine Macht und Gewalt, am allerwenigsten richterliche Befugnisse. Um so weniger steht der Diözesankonferenz das Recht zu, den Diözesanvertrag zu ändern, was der Fall wäre, wenn sie heute die Befugniß hätte, von sich aus einen Bischof abzusezen. Das Recht, den Diözesanvertrag abzuändern, kommt heutzutage nicht einmal mehr den Regierungen der Kantone zu, welche das Bisthum Basel bilden.

Denn seit dem Abschlüsse dieses Vertrages haben die Verfassungen sich geändert und die Befugnisse der damals aristokratischen Regierungen sind heute auf das Volk übergegangen.

Ueberdieß sind die Befugnisse, welche die Konferenz sich anmaßt, in keinem einzigen Geseze, in keiner einzigen Verfassung festgestellt.

Endlich sind gegenüber der Kirche die Beschlüsse der Diözesankonferenz mit vollem Rechte null und nichtig. Sie sind ebenfalls nichtig gegenüber den Kantonen Zug und Luzern, welche sich ihnen nicht angeschlossen haben. Sie sind im Allgemeinen wegen Formmangels nichtig vermöge des Umstandes, daß die Stände Zug und Luzern für diese Konferenz nicht einmal eingeladen wurden.

Der Rekurs schließt mit dem Gesuche, es möge der Bundesrath, eventuell die Bundesversammlung : 1) die Schlußnahmen der Diözesankonferenz der Diözese Basel vom 19. November 1872, 28. und 29. Januar 1873, 14. und 15. Februar- 1873, in Sachen des Bischofs Lâchât von Basel, für null und nichtig erklären und aufheben.

2) Ebenso die von den Landesbehörden der Kantone Solothurnr Bern, Aargau, Basel-Landschaft und Thurgau ausgesprochenen Genehmigungen der Beschlüsse besagter Konferenz für null und nichtig erklären und aufheben.

3) Nach Art. 90, Ziff. 2 der Bundesverfassung dafür sorgen.,, daß die Verfassungen der Kantone der Diözese Basel und die zwischen ihnen geschlossenen Verträge von Seite der Behörden dieser Kantone beobachtet werden und zu diesem Zweke für die Zukunft die erforderlichen Verfügungen treffen.

In Folge der Antwort der Diözesankonferenz vom 9. April 1873, auf den Rekurs des Hrn. Lâchât, hat Hr. Amiet eine zweite Rechtsschrift, betitelt .,,die Staatsherrschaft über die Kirche in der Diözese Basel und die Freiheiten und Rechte der Eidgenossen in

388 Kirehensachena, gegeben Solothurn im August 1873, an den Bundesrath gerichtet, welche die in der Antwort der Diözesankoufereuz dargelegten Auffassungen folgendermaßen zu widerlegen sucht.

1) Es gibt einen von der Kirche und dem Staate anerkannten gemeinsamen Rechtsboden und dieser liegt in den Verfassungen; in den mit der Kirche geschlossenen Konkordaten und Verträgen; im kanonischen Rechte, denn die Beschlüsse des tridentinischeu Konzils sind nach der mit den Anschauungen der Kirche übereinstimmenden Anschauungsweise des überwiegend großem Theils der Katholiken in der Schweiz anerkannt. Indem der Staat mit der Kirche einen Vertrag geschlossen hat, erkannte er dieser eine außer ihm stehende Wesenheit zu und er stellte sich also keineswegs auf den Staudpunkt des Territorialrechts, welchen die Antwort der Diözesankonferenz einnimmt und nach welchem die Kirche lediglich das Recht einer Korporation und dieses keine andere Grundlage hätte, als das Recht des Staates. Ein Konkordat mit der Kirche, welches den Staat nicht bände, hätte jedenfalls keinen Sinn. Der einzige zuläßige Standpunkt ist also, Kirche und Staat als gleich berechtigte Rechtspersonen anzuerkennen, welche unter sich durch Verträge sich binden können. Anstände, welche zwischen ihnen erwachsen würden, müßten daher einer Konferenz, bestehend aus von beiden Theilen im gemeinsamen Einverständnis ernannten Vertrauensmännern, unterbreitet werden.

2) Die Beschlüsse des tridentinischen Konzils sind in der ganzen katholischen Schweiz unbedingt angenommen worden und die Rechte O O sind Freiheiten, welche die Kantone sich vorbehalten haben, sind Vorrechte und Zugeständnisse, welche ihnen vor Alters von den Päpsten und Kaisern verliehen worden sind.

3) Die von der Diözesankonferenz gegen Herrn Lâchât zur Rechtfertigung seiner Amtsentsezung angeführten Gründe sind that3ächlich nicht stichhaltig und Herr Lacha.t ist in keiner Weise den Rechten des Staates zu nahe getreten. Insbesondere sind dit; EneyIdika, der Syllabus und das Unfehlbarkeitsdogma keineswegs staatsgefährlich. Der Staat hat nicht darüber zu entscheiden, ob ein Dogma der Wahrheit gemäß oder entgegen sei. Uebrigens wirft mau mit Unrecht dem Herrn Lâchât vor, er habe sich gegen die Obrigkeit aufgelehnt und seinen dem Staate geleisteten Eidschwur gebrochen; er hat sich darauf beschränkt,
der Kirche Gehorsam /.u leisten, wozu er sich ebenfalls durch einen Eidschwur verpflichi'.'.t hatte. Der Staat kann sich endlich bezüglich der Aintsentsezuug nicht auf don Umstand berufen, daß er den Bischof bezahle; denn die durch das Konkordat gewährleistete ,,mensa episcopaUs1'- ist Kirchungut geworden und darf ihrem Zweke nicht entfremdet

389 werden. Herr Lâchât hat auf deren lebenslänglichen Genuß ein unbestreitbares Privatrecht erworben.

4) Das Beispiel, es seien früher schon Bischöfe von Staatswegen abgesezt worden, beweist nichts; denn eine Ungerechtigkeit kann nicht eine andere rechtfertigen.

5) Der Art. 53 der Bundesverfassung ist anwendbar, denn kein Gesez und keine Verfassung räumt der Diözesankonferenz bei Streitigkeiten zwischen Staat und Kirche die Gerichtsbarkeit ein; die Konferenz kann nicht gleichzeitig Richter und Partei sein. Der natürliche Richter ist der Papst, dessen Gerichtsbarkeit die Diözesanstände durch die Annahme der päpstlichen Bullen, welche dem Bischof seine Prärogative, Privilegien und Rechte gewährleisten, anerkannt haben. Wäre man aber auch mit der Diözesankonferenz darin einig, daß die Handlungen des Bischofs von Basel das ganze Staatswesen gefährdet haben, so hätte man sich an den Bundesrath wenden müssen, der nach Art. 90 für die äußere und innere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu sorgen hat.

6) Die Diözesankonferenz konnte mit einfacher Stimmenmehrheit keinen Beschluß fassen ; denn einerseits kann die Mehrheit der Stände ihren Willen der Minderheit nicht aufzwingen, andererseits kann, da das Bisthum ein untrennbares Ganzes ist und die einzelnen Stände integrirende Bestandtheile dieses Ganzen sind, keiner derselben ohne Einwilligung der Mitstände und der Kirche eine Sonderstellung einnehmen, welche den Bestand des Bisthums und die Stellung des Bischofs in Frage stellen würde.

Die Rekurse des Herrn Amiet wurden der Regierung von Solothurn übermittelt, welche darauf mit Schreiben vom 6. September unter Vei-weisung auf die Denkschrift der Diözesankonferenz und unter Beifügung folgender Erwägungen antwortete.

I. Wenn der Staat die Grundsäze des kanonischen Rechtes anerkennte, so müßten diese Grundsäze in einem von der verfassungsmäßigen Behörde erlassenen Geseze angenommen sein. Uebrigens hat der Staat seine Rechte ausdrüklich vorbehalten und da nur mit seiner ausdrüklichen Bewilligung der Bischof den bischöflichen Stuhl eingenommen hat, so steht ihm auch das Recht zu,, diese Bewilligung wieder zurükzuziehen.

II. Die Diözesankonferenz ist das Organ der Diözesanstände für alle Angelegenheiten des Bisthums.

Wenn übrigens eine Minderheit der Stände den Herrn Lâchât heute noch als ihren Bischof anerkennen will, so hat die Mehrheit kein Recht, sich dem zu widersezen und hat auch keinen Einspruch dagegen erhoben. Die Stände Zug und Luzern können hinwider

390 die Mehrheit nicht zwingen, einen Bischof anzuerkennen, von dem sie nichts wissen will, denn jeder Stand hat das Recht, sowohl einen Bischof zurükzuweisen, als auch vom Bisthumsvertrag zurükzutreten.

Die solothurnische Regierung schließt auf Abweisung des Rekurses des Herrn Amiet.

D.

Aus dem Kanton Solothurn ist noch ein Rekurs ganz besonderer Art eingelangt, sowohl aus Anlaß der Absezung des Bischofs Lâchât, als auch aus Anlaß eines frühern Vorfalles, nämlich der Absezung und Exkommunikation des Pfarrers Gschwind durch diesen Lezteru. Dieser Rekurs tritt unter folgenden Umständen auf: Den 26. Februar 1873 wendeten sich die Herren Haller und Tugginer, handelnd im Namen einer zu Fuleubach den 10. Februar 1873 abgehaltenen Volksversammlung und für 6310 Potenten, Bürger oder Einwohner des Kantons Solothurn, an Landaininann und Rcgierungsrath und an den Präsidenten des Kantons rathes des Kautons Solothurn mit dem Verlangen : 1. Es sei der h. Kantonsrath außerordentlicher Weise ohne Verzug einzuberufen, um von der Regierung über die Entsezung des Bischofs Lâchât und über den Bruch des Diözesan Vertrages Rechenschaft zu fordern, sodann das Vorgehen dei' Regierung, als einer nach § 32 a der Staatsverfassung inkompetenten Behörde, zu mißbilligen und zu annullimi und die Frage unter allen Umständen der Volksabstimmung zu unterbreiten.

2. Es sei der Beschluß des Kantonsrathes vom 27. November 1872 über die Inschuznahme des suspeudirten Pfarrers Gschwind gleichfalls der Volksabstimmung zu unterstellen.

Die Petition der Herren Haller und Tugginer wurde vom Kantonsrathe unterm 21. März 1873 abgewiesen.

Die Gründe dieser Abweisung sind in den Berichten der Regierung von Solothurn an den Kantonsrath, vom 10. März 1873, auseiuandergesezt und lassen sich in Folgendes zusammenfassen: I. Die Beschlüsse der Diözesankoufereuz betreffend die Absezung des Hochw. Herrn Lâchât können der Volksabstimmung des Kantons Solothum nicht unterbreitet werden, weil diese das gesammte Bisthum und nicht nur den Kanton Solothurn berührenden Beschlüsse nur durch die allein kompetente Diözesaukonferenz gefaßt werden konnten. Uebrigens hat die Diözesankonferenz den

391 Bischof Lâchât ermächtigt, den bischöflichen Siz einzunehmen; sie kann demnach diese Ermächtigung auch zurükziehen.

Zwar lautet § 32 b der solothurnischen Verfassung : ,,Wenn wenigstens 2000 Stimmberechtigte den Erlaß eines ,,neuen oder die Aufhebung oder Abänderung eines bestehendes ,,Gesezes oder endlich einen in die Kompetenz des Kantonsrathen ,,fallenden Beschluß verlangen, so ist derselbe gehalten, den eingereichten Vorschlag in Berathung zu ziehen und das Ergebniß ,,der Volksabstimmung zu unterbreiten.a Der Art. 30 der Verfassung abçr bestimmt die Obliegenheiten und Befugnisse des Kantonsrathes und speziell unter Ziff. 10 die Wahlbefugnisse desselben.

Nun gehört der Gegenstand der Petition der Herren Haller und Tugginer nicht zu den Obliegenheittn und Befugnissen des Kantonscathes und andererseits weist Art. 36 der Verfassung dem Regierungsrathe alle diejenigen Wahlbefugnisse zu, welche nicht andern Behörden übertragen sind. Das Gesuch der Petenten müßte, um zuläßig zu sein, dahin zielen, daß ein Gesez erlassen werde, wonach der Diözesanvertrag abgeändert und künftig dem Kantonsrathe und dem Volke die Mitwirkung bei der Wahl des Bischofs und die Ertheiluns; oder Entziehung der Bewilligung zur Besizergreifung des bischöflichen Stuhles zugesichert würde. Das Begehren ist für so lange 'unzuläßig, als der Vertrag nicht auf gesezlichem und verfassungsmäßigem Wege abgeändert worden ist.

Da übrigens der Bischof eea'en die Beschlüsse der Diözesankonferenz bei dem Bundesrathe rekurrirt hat, so kann diese beim Bund anhängige Frage nicht auch gleichzeitig vom SolothurnerVolke entschieden werden.

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II. Das zweite Gesuch der Petenten betrifft folgenden Beschluß des Kantonsrathes vom. 27. November 1872: 1) Der Bericht des Regierungsrathes und die vom Regierungsrath gefaßten Schlußnahmen, welche 'den Pfarrer Gschwiud als rechtmäßigen Pfarrer der Pfarrei Starrkirch - Dullikon anerkennen, werden genehmigt.

2) Der Regierungsrath wird beauftragt, in ähnlichen vorkommenden Fällen die Rechte des Staates in gleicher Weise zu wahren.

Der Regierungsrath von Solothurn findet, daß der Kantonsrath eigentlich keine Schlußnahme gefaßt, sondern sich darauf beschränkt hat, einen Bericht des Regierungsrathes zu genehmigen, so daß in diesem Falle vom Initiativrecht nicht Gebrauch gemacht werden kann. Die Beschlüsse des Regierungsrathes können dem Volke nicht unterbreitet \verden._ Es kann auch die Verfügung des Bischofs über die Absezung Gschwinds nicht vor das Volk gebracht werden, denn, vom Gesichtspunkt der Kompetenz aus, sieht weder ·^

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392

das Gesez noch die Verfassung eine Abstimmung dieser Art vor,, und was die Sache selbst betrifft, so steht die Wahl der Geistlichen der durch die Verfassung hiezu bezeichneten Behörde zu, welche daorts die Rechte der Pfarrgemeinden gewährleistet. Es ist demnach nicht das gesammte Volk des Kantons Solothurn berufen, über die Absezung eines Pfarrers sich auszusprechen.

Die Herren Haller und Tugginer rekurriren bei Ihnen im Namen der Fulenbacher - Versammlung mittelst Beschwerdeschrift, gegeben Solothurn den 17. Juni abhin, gegen die Schlußnahme des Kantonsrathes vom 21. März 1873.

Dieser Rekurs gründet sich auf folgende Motive : I. Die Abweisung des Gesuches der Rekurrenten betreffend die Absezung des Hochw. Herrn Lâchât widerspricht dem oben erwähnten Art. 32 b der solothurnischen Verfassung. Die Diözesankonferenz war nicht allein kompetent; das solothurnische Volk sollte berufen werden, über die Absezung des Hochw. Herrn Lâchât sich auszusprechen, denn der Kanton Solothurn konnte sich weigern, den Beschlüssen der Konferenz sich zu unterziehen, wie dieß von Seite der Kantone Zug und Luzern geschehen ist. Die Berechtigung jedes Kantons, die Beschlüsse der Konferenz zu verwerfen^ ist durch den Bundesrath anerkannt worden, als derselbe verfügt hat, daß der Bischof Lâchât, selbst nach seiner Absezung, dio Portofreiheit auf dem Gebiete der Kantone Zug und Luzern in Anspruch zu nehmen berechtigt sei. Abgesehen übrigens von diesem Rechte, stand es dem Kanton Solothurn frei, seine Anschauungsweise zu äußern. Anderseits haben die Großen Räthe mehrerer Diözesanstände über die Beschlüsse der Diözcsankonferenz verhandelt. Endlich war, im Allgemeinen, die Diözesankonferenz nicht kompetent.

Die vom Regierungsrath aus dem die Obliegenheiten und Pflichten des Kantonsrathes feststellenden Art. 30 der Verfassung gezogene Schlußfolgerung entbehrt der Grundlage; denn die Aufzählung dieser Obliegenheiten und Pflichten ist nur als beispielsweise zu betrachten. Die Art. 30, Ziff. 10 und 36, Ziff. 5, welche die Wahlbefugnisse des Kantonsrathes und diejenigen des Regierungsrathe» feststellen, sind auch auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, indem es sich nicht um eine Wahl handelt. Das Begehren der Petenten war demnach verfassungsgemäß nach Maßgabe des Art. 32 bt welcher oben angeführt ist, und des. Art. 32 a,
welcher Volksabstimmung vorschreibt über die Konkordate und die Verträge. Die Ab* sezung des Hochw. Herrn Lâchât enthält in Wirklichkeit eine Abweichung (dérogation) vom Diözesan-Vertrage.

393

Endlich-hätte das -Votum des Solothurner- Volkes dem Beschluß des Bundesrathes in keiner Weise vorgegriffen und troz des Rekurses des Hochw. Herrn Lâchât stattfinden können. ' II. Das Begehren der Potenten betreffend die Absezung des Pfarrers Gschwind stüzte sich auf den nämlichen Art. 32 b.

Die Rekurrenten schließen mit dem Gesuche, es möge der Bundesrath : Die Schlußnahme des Kantonsrathes des Kantons Solothurn vom 21. März 1873 annulliren und die Regierung des Kantons Solothurn einladen, geeignete Vorschläge an den Kantonsrath zu dem Zweke zu bringen, daß: 1) Ueber den Anschluß des Regierungsrathes an den Entscheid der Diözesankonfeienz vom 29. Januar 1873; 2) über den Beschluß des Kantonsrathes vom 27, November 1872 wegen Inschuznahme des Pfarrers Gschwind eine Volksabstimmung angeordnet werde.

Dieser Rekurs wurde der Regierung von Solothurn übermittelt, welche unterm 6. September unter Bezugnahme auf den von ihr den 10. März 1873 dem Kantonsrath erstatteten und hievor in seinen wesentlichen Motiven wiedergegebeuen Bericht mit dem Antrage antwortete, den Rekurs abzuweisen.$ E.

Im Laufe des Monats Juni abhin ist Ihnen im Weitern ein Rekurs zugekommen von Seite der A b g e o r d n e t e n der k a t h o l i s c h e n K i r c h g e m e i n d e n des Kantons Aargau gegen eine die Beschlüsse der Diözesankonferenz vom 29. Januar 1873 gutheißende Schlußnahme des Großen Rathes dieses Kantons vom 28.

Mai 1873.

Die Rekurrenten erklären ihren Anschluß an den von Herrn Amiet redigirten Rekurs, suchen aber im Weitern zu beweisen, daß die Beschlüsse der Diözesankonferenz den Art. 12 der aargauisehen Verfassung verlezen, welcher lautet wie folgt: ,,Die Gewissensfreiheit, ist unverlezlich. Die katholische und ,,die evangelisdi-refonnir.tu Kirche sind gewährleistet. Den Glaubensgenossen beider Kirchen ist die unbedingte Ausübung ihres Gottes^dienstes und den Kirchgemeinden die Wahl ihrer Seelsorger nach ,,Anleitung des Gesezes zugesichert.a

394

Diese Gewährleistung sichert jedem Katholiken die Befuguiß zu, die Lehren seiner Kirche za vernehmen und sein Leben darnach zu richten. ° Die Beschlüsse der Diözesankonferenz verlezen nun die gewährleistete Gewissensfreiheit, indem dieselben jeden Verkehr der Gläubigen mit ihrem Bischöfe untersagen.

Durch dessen Absezungo wird O O den Katholiken die Ausübung ihres Gottesdienstes verwehrt. Da es keine katholische Kirche gibt ohne Bischöfe, welche mit ihrem Kircheiioberhaupte in Verbindung stehen, so werden die der katholischen Kirche ertheilten Garantien verlezt. Und wenn behauptet wird, dass nach dem Syllabus und der Verkündung des Dogma's der Unfehlbarkeit die Kirche eine andere geworden sei, als wie sie die Verfassung garantirle, so wird geantwortet, daß das Recht der Kirche, über noch nicht dogmatisch Deßnirtes eine dogmatische Entscheidung zu geben, zum Wesen der Kirche gehört und mit ihr gewährleistet worden ist.

Endlich stehen die Beschlüsse der Diözesankonferenz im Widerspruch mit der garantirteli Vereinsfreiheit.

Die Rekurrenten verlangen demnach die Annullirung der Schlußualime des Großen Käthes vom 28. Mai 1873, welche die Beschlüsse der aargauischen Regierung und der Diözesankonfereuz gutheißt.

Der Regierungsrath des Kautons Aargau, welchem dieser Rekurs überwiesen wurde, antwortete unterm 13. September abhiu und schloß auf Abweisung des Rekurses unter Mittheilung an den Bundesrath : 1. Dos vom Regierungsrath dem Großen Rath unterm 8. Mai 1871 bei Anlaß des Austrittes des Kantons aus dem Verband des Bisthums Basel erstatteten Berichts; 2. Des vom 12. Mai 1873 datirteu Berichts des Herrn Dr. A.

Keller, Delegirten des Kantons Aargau an der Diözesankonfereuz, betreffend die Amtsenthebung des Herrn Lnchat. Dieser Bericht war durch den Regierungsrath genehmigt und dem Großen Rathe übermittelt worden.

Nach einer sehr einläßlichen Auseinandersezung der Thatsachen schließt sich der Bericht des Herrn Dr. A. Keller, welcher allein auf den Rekurs der katholischen Kirchgemeinden Bezug hat, den Motiven des Memorials der Diözesaiikonferenz an.

395 F.

Einen andern Rekurs richteten an den Bundesrath eine Anzahl M i t g l i e d e r d e s G r o ß e n R a t h e s d e s K a n t o n s B e r n , angeblich handelnd im Namen ihrer katholischen Wähler in den Bezirken Pruntrut, Delsberg, Freibergen, Münster und Laufen.

Dieser Rekurs ist aus dem bernischen Jura im Juni 1873 datirt. Eine in Pruntrut den 22. Juni abgehaltene Volksversammlung hat ihren Anschluß an die Begehren dieses Rekurses erklärt.

1. Die Rekurrenten erklären in erster Linie, die Amtsenthebung des Bischofs Lachat widerspreche, was den Kanton Bern im Besondern betrifft, der Wiener-Kongress-Akte vom 20. März 1815 und der Urkunde betreffend die Vereinigung des bernischen Jura mit dem Kanton Bern, vom 14. November 1815 (Art. l, angeführt auf Seite 378, und Art. 2 : ,,Auf den Fall, daß durch künftige Verfügungen ,,ein Bisthum Basel beibehalten würde, verpflichtet sich der Kanton ,,Bern, im Verhältniß der übrigen Länder, die in Zukunft unter der ,,geistlichen Verwaltung des Bischofs stehen werden, zu den für die ,,Erhaltung dieses Prälaten, seines Kapitels und seines Seminariums ,,nöthigen Summen beizutragen.") Die Eidgenossenschaft selbst hat nun dieses Uebereinkommen genehmigt und die darin enthaltenen Bestimmungen mit ihrer hohen Ratifikation versehen. Die Beschlüsse .

der Diözesankonferenz verunmöglichen die Ausübung; des kathoO lischen Gottesdienstes oder erschweren dieselbe wenigstens in ihren öffentlichen Kundgebungen auf die verlezendst Weise. In der katholischen Hierarchie ist nämlich der Bisehof ein nothwendige Glied, er vermittelt den Verkehr zwischen den Gläubigen, dem Klerus und dem heiligen Vater; er ist unerläßlich für die freie Ausübung des Gottesdienstes und der im Wesen der katholischen Religion selbst liegenden Verrichtung der religiösen Handlungen.

O O O Im Fernern führt die Absezung das Bischofs Lâchât zur Auflösung (désorganisation) der Diözese Basel.

2. Die Rekurrenten protestiren auch gegen das mit GroßrathsDekret vom 26. und 29. März bestätigte Dekret des RegierungsRathes vom 18. März 1873, durch welches die Besoldung .der 69 jurassischen Geistlichen zurükbehalten, dieselben überdieß in ihren priesterlichen und pfarramtlichen Funktionen eingestellt und vor den Appellations- und Kassationshof zur Abberufung gewiesen, durch welchen ferner die Civilstands-Register den Pfarrern des Juras entzogen und die Ci vil ehe und Scheidung in den katholischen Bezirken provisorisch eingeführt wurden.

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Die Maßregeln betreffend die Abberufung der Pfarrer des bernischen Jura widersprechen der Gewährleistung des katholischen Gottesdienstes im Kanton Bern, indem der Bevölkerung jeder geistliche Beistand entzogen werde. Wie keine Religion ohne Gottesdienst, so bestehe auch kein Gottesdienst ohne Geistlichkeit. Diese Maßregeln verlezen ferner eine ganz besondere Bestimmung der Vereinigungsurkunde, diejenige des Art. 6, nach welcher die Geistlichen durch den Bischof gewählt und der Regierung präsentirt werden, welche sie in den Genuß ihrer Temporalien zu sezen hat. Wenn der Staat die Geistlichen nicht ernennt, so hat er auch kein Recht, sie abzusezen.

Selbst vorübergehend dem katholischen Klerus die CivilstandsRegister entziehen heiße die verfassungsmäßige Gleichheit verlezen, da diese Maßregel nur auf den katholischen und nicht auf den alten ll Kantonstheil ihre Anwendung a finde.

Die -- wenn auch nur provisorische -- Einführung der Civilehe und der Möglichkeit der Ehe - Scheidung in den katholischen Bezirken bilde eine offenbare Verlezung der bernischen Ehe-Gesezgebung. Die Ehescheidung werde durch die katholischen Glaubenssäze (doctrines) verworfen und das Gesez, welches diese Institution in den Bezirken des Jura einführt, verseze die Richter bei der Anwendung desselben in die Lage, ihre Gewissensskrupel zu erstiken und den Lehren ihrer Religion untreu zu werden.

Die Rekurrenten schließen demnach: Es möchte der Bundesrath und eventuell die Bundesversammlung : I. Der Regierung des Kantons Bern die vorläufige Weisung ertheilen, die gegen die jurassische Geistlichkeit gemäß den Regierungsrathsbeschlüssen vom 18. März und 28. April 1873 ergriffenen und durch Großraths-Dekret vom 28. März genehmigten Zwangamaßregcln zurükzuziehen ; II. Demgemäß anordnen, daß der katholische Gottesdienst wie bisher als öffentlicher Cuitus in den katholischen Gemeinden des bernischen Jura ausgeübt werden solle; III. Aufheben und nichtig erklären : A. Das Dekret des Regierungsrathes vom 18. März 1873, durch welches 69 Pfarrer des katholischen Juras eingestellt und zur Abberufung vor den Appellations- und Kassationshof gewiesen werden ;

397 B. Das Dekret des bernischen Großen Käthes vom 26. März 1873, welches ratifizirt: 1. Die durch Beschluß der Konferenz der Diözesanstände vom 29. Januar 1873 ausgesprochene Amts - Enthebung des Bischofs Lâchât ; 2. Die Einstellung von 69 Pfarrern des katholischen Jura und ihre Ueberweisung an den Appellations- und Kassationshof; 3. Den Entzug der Führung der Civilstandsregister durch die Geistlichen des Jura und die Uebertragung derselben an weltliche Beamte.

C. Das Dekret des Großen Käthes vom 29. März 1873., welches, in den katholischen Bezirken des Jura allein, die Civilehe und die Ehescheidung provisorisch einfuhrt. Dieser Rekurs wurde der Regierung des Kantons Bern im Laufe des Monates Juli 1873 behufs Eingabe ihrer Bemerkungen überwiesen.

Die bernische Regierung antwortete mit Zuschrift vom 16. Dezember 1873 und widerlegt die Argumente der Rekurrenten in nachstehender Weise: 1. In Betreff der Absezung des Bischofs Lâchât beruft sich die Regierung auf das Memorial der Diözesankonferenz und weist ·nach, daß die Wiener-Kongreßakte und die Vereinigungs - Urkunde den Kanton Bern keineswegs hindern, den Beschlüssen der DiözesanKonferenz beizustimmen. Diese Beschlüsse sind nämlich gegenüber einer Person gefaßt und entbehren einer allgemeinen Tragweite, führen demnach nicht zur Auflösung des Bisthums Basel. Der Kanton Bern bleibt in Wirklichkeit im Bisthumsverband. Uebrigens verpflichtet weder die Wiener-Kongreßakte, noch die VereinigungsUrkunde den Kanton Bern, das Bisthum Basel beizubehalten, denn er ist in dasselbe freiwillig und keineswegs nach Maßgabe der erwähnten Kongreß-Akte (siehe deren Art. IV, Ziffer 6) eingetreten.

2. In Betreff der Einstellung der 69 jurassischen Geistlichen hat der Bundesrath bereits durch Schlußnahme vom 15. November anerkannt, daß die Bundesbehörde dießfalls nicht einschreiten könne.

Es lag im Weitern in der Verpflichtung der Regierung, die nöthigen Maßregeln zu ergreifen, damit die Führung der CivilstandsRcgister unter der Abberufung der jurassischen Pfarrer, welche eben mit derselben betraut waren, nicht leide. Zu diesem Zweke erließ die Regierung ihre Verordnung vom 20. März 1873, welche vom Großen Rathe untemi 26. gleichen Monats genehmigt wurde.

398 Diese Verordnung verlezt die verfassungsmäßige Gleichheit nicht, obschon sie nur die katholischen Bezirke betrifft, denn sie ist bloß provisorisch und durch den im Jura herrschenden Nothstand geboten. Nach § 27, Ziffer I, litt, a der Kantonsverfassung hat der Große Rath das Recht der Erlassuug, Erläuterung, Abänderung und Aufhebung von Gesezen. Endlich sieht ein dein bernischen Volk den 18. Januar 1874 zur Annahme oder Verwerfung vorzulegendes Gesez, die Uebertragung der Führung der Civilstandsregister au besondere Beamte im ganzen Kanton Bern vor.

3. Die provisorische Einführung der Civilehe und der Ehescheidung in den katholischen Gemeinden des Jura wurde durch den Umstand nothwendig, daß die Anwendung der bestehenden Geseze infolge des im Bisthum herrschenden Zustaudes unmöglich geworden war. Die geistliche Ehegerichtsbarkeit besteht in Wirklichkeit nicht mehr, indem kein Bischof mehr da ist, und die kirchliche Einsegnung der Ehe wird ebenfalls unmöglich, sobald keine Priester mehr vorhanden sind.

Die Verordnung vom 2. April 1873 betreffend die Einführung der Ehescheidung und der Civilehe ist ebenfalls provisorisch und ein vom Großen Rathe angenommenes und am 18. Januar der Volksabstimmung zu unterbreitendes Gesez wird die Materie in allgemeiner und endgültiger Weise ordnen.

Die Regierung des Kantons Bern stellt demnach den Antrag: .,Der Bundesrath möchte über die sämmtlichen Beschwerdepunkte zur Tagesordnung schreiten.a G.

Die lezte dem Bundesrathe zugekommene Protestation betreffend die Absezung des Hochw. Lâchât rührt von den schweizerischen Bischöfen her. Mit Schreiben vom 23. Juni hat nämlich S. Hochw.

Herr Peter-Joseph, Bischof von Sitten, eine ,,Die Kirchenverfolgung in der Schweiz, insbesondere in Genf und im Bisthum Basel" betitelte Broschüre übermittelt. Die in dieser Broschüre enthaltenen Behauptungen sind identisch mit denjenigen, welche die andern Rekurrenten aufgestellt haben und die schweizerischen Bischöfe gelangen nicht zu besondern Schlüssen.

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Prüfung der vorgelegten Rekurse.

I.

Wie ernster Natur die Ihnen dermalen vorgelegten Fragen auch sein mögen, so nehmen wir nichts desto weniger an, Sie werden den Standpunkt nicht aufgeben wollen, welchen Sie stets in derartigen Fällen eingenommen haben. Die eidgenössische Behörde intervenirt gegenüber Handlungen der kantonalen Gewalten nur dann, wenn dieselben den durch die Bundesverfassung und die kantonalen Verfassungen gewährleisteten Rechten widersprechen oder wenn sie die äußere oder innere Ruhe der Eidgenossenschaft gefährden. Dieses Verhalten ist der eidgenössischen Behörde durch die Verfassung vorgezeichnet und wir können in keinem Falle von demselben abweichen.

Die Eidgenossenschaft hat im Besondern nicht das Recht, sich in die Anwendung der kantonalen Geseze zu mischen; sie kann sich lediglich über deren Verfassungsmäßigkeit aussprechen. Auch nehmen wir an, Sie werden von vorneherein alle diejenigen Argumente der Rekurrenten zurükweisen, welche auf der Auslegung kantonaler Geseze beruhen, wenigstens so lange nicht verfassungsmäßige Rechte in Frage kommen.

Von diesen Grundsäzen ausgehend, werden wir die den religiösen Konflikt im Bisthum Basel betreffenden Protestationen und Rekurse prüfen.

Die schweizerischen Bischöfe rufen Ihre Intervention bei den aargauischen Behörden an, damit dieselben die Beschlüsse des Großen Rathes, w e l c h e die T r e n n u n g der K i r c h e vom S t a a t und den R ü k t r i t t des K a n t o n s A a r gO a u vom Bisthum Basel aussprechen, zurükziehen und damit sie den sogenannten Diözesanvertrag halten.

Wir denken, Sie werden Ihre Intervention verweigern, indem der Kanton Aargau ein souveräner Staat ist und es ihm als solchem O freisteht, sich die ihm zusagende kirchliche Organisation zu geben und im Besoudern die Trennung der Kirche vom Staate zu verfugen. Das alleinige Erforderniß ist, daß diese Maßregel keine durch die Bundesverfassung oder durch die kantonale Verfassung gewährleisteten Rechte verleze.

Der Beschluß des aargauischen Großen Rathes beeinträchtigt nun weder die durch diese Verfassungen gesicherte freie Ausübung des katholischen Gottesdienstes, noch die durch die aargauische Ver-

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fassung garantirte Gewissensfreiheit. Und was sodann den sogenannten Diözensanvertrag betrifft, so steht es nicht der Bundesbehörde zu, denselben auszulegen und zu sagen, der Kanton Aargau habe nach diesem Vertrage nicht das Recht, vom Bisthum Basel zurükzutreten, denn dieser Vertrag ist für die Bundesbehörde ,,res inter alio acta"; dieselbe hat bei dem Zustandekommen dieses Vertrages nicht mitgewirkt und ihn auch nicht gewährleistet. Wir stellen demnach den Antrag, dem Hochw. Bischof von Sitten die A n t w o r t der aargauischen Regierung auf das M e m o r i a l der s c h w e i z e r i s c h e n B i s c h ö f e mitzutheilen und diejenige Antwortsnote zugehen z u l a s s e n , welche Ihnen das Departement bereits unterm 26. Feb r u a r in V o r s c h l a g g e b r a c h t , welche Sie aber beschlossen haben, auf dem Kanzleitische des Bundesrathes zu belassen, bis Sie über die Rekurse in ihrer Gesammthei einen Entscheid zu fassen im Falle wären.

Der R e k u r s des k a t h o l i s c h e n Kirchenrath des K a n t o n s Thurgau betreffend die Beschikung der D i ö z e s a n - K o n f e r e n z von Seite dieses K a n t o n s stüzt sich auf verschiedene Bestimmungen der thurgauischen Verfassung. Die Rekurrenten behaupten, die Vertretung des Kantons Thurgau an der Konferenz sei Sache der katholischen Kirche, beziehungsweise der kirchlichen Behörde. Die thurgauische Verfassung anerkennt der katholischen Kirche das Recht, ihre Kultusverhältnisse selbstständig zu ordnen, und fügt bei, daß die staatliche Sanktion in gemischt staatlich-kirchlichen Dingen nothwendig sei.

Im Weitern hat der Staat das Oberaufsichtsrecht über das Kirchenwesen (Art. 39, Ziffer 5). Aus diesen Artikeln geht hervor, daß das der Kirche zugesicherte freie Organisationsrecht sich lediglich auf die Angelegenheiten rein geistlicher und religiöser Natur erstrekt, in welche der Staat nicht einzugreifen sich verpflichtet. Es geht aber keineswegs daraus hervor, daß der Staat gegenüber der Kirche eines Theils seiner Hoheitsrechte sich begeben habe. Diese Verzichtleistung könnte in keinem Falle blos vorausgesez werden, sondern müßte in bestimmten Ausdrüken stipulili sein. Die Rekurrenten bestreiten nun nicht und es ist unumstößlich festgestellt, daß die dem Bestehen des Bisthums Basel zu Grunde liegenden Verträge in Bezug auf den Kanton Thurgau
durch den Staat abgeschlossen worden sind und daß der Staat bis auf die heutige Zeit den Kauton an der Diözesankonferenz vertreten hat. Kraft seiner Oberhoheit hat der Staat gegenüber den mitkontrahirenden Gewalten Verpflichtungen übernommen und Rechte erworben; diese Mitkontrahenten kennen allein den Staat und stehen mit der ka-

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tholischen Bevölkerung und mit den geistlichen Behörden des Kantons Thurgau in keiner Rechtsverbindung.

Ohne die Obliegenheiten und Befugnisse der Diözesankonferenz prüfen zu wollen, können wir die Ansicht aussprechen, daß diese Konferenz unzweifelhaft nur eine Versammlung der Abgeordueten der kontrahirenden Stände sein kann, welche durch die auf die Errichtung und'Organisation des Bisthums Basel bezüglichen Verträge mit einander verbunden sind. Bei dieser Sachlage könnte die Berechtigung zur Vertretung des Kantons Thurgau an dieser Konferenz vom Staate auf die geistliche Behörde nur übergehen, entweder durch eine förmliche Delegation dieses Rechtes vom Staate an die Kirche oder durch Substitution des Staates durch diese leztere, welcher Akt sowohl von ersterm, als auch von den andern mitkontrahirenden Ständen genehmigt sein müßte. Die Rekurrenten haben Keines von Beiden nachgewiesen und aus dem von ihnen angerufenen Artikel der thurgauischen Verfassung kann nicht entnommen, ja nicht einmal die Vermuthung gezogen werden, daß in den Beziehungen des Kantons Thurgau mit den andern Diözesanständen eine Aenderung eingetreten sei oder daß der Staat der Kirche das Recht zur Vertretung des Kantons in den Diözesanangelegenheiten abgetreten habe. Denn mit der bloßen Thatsache der Beschulung der Konferenz durch den Staat wird die Kirche in der freien Ordnung ihrer Kultusverhältnisse, nicht gehemmt. Eine solche Beeinträchtigung würde erst dann eintreten, wenn die Regierung im Kanton Thurgau einen die Kirche in der freien Ordnung der Kultusverhältnisse hindernden Diözesanbeschluß vollziehen wollte. Die Rekurrenten haben nun keine derartigen Thatsachen angeführt. Und mit der Behauptung, daß, nachdem die thurgauische Verfassung jeder Konfession die Kosten ihres 'Kultus auferlegt und der Art. 57 den Kirchen die Unverlezlichkeit ihrer Güter und Stiftungen gewährleistet habe, der Staat folglich an den Verhandlungen der Diözesankonferenz betreffend die für die Bedürfnisse des Bisthums nothvvcndigen Gelder nicht theilnehmen könne, haben sie noch nicht nachgewiesen, daß es der kirchlichen Behörde zustehe, im Schöße der Konferenz; über alle die Verwaltung der Bisthumsgelder betreffenden Angelegenheiten zu verhandeln. Diese Artikel würden sie höchstens berechtigen, dagegen zu rekurriren, daß eine ihre Rechte verlezende
Verfügung der Konferenz im Kanton Thurgau vollzogen werde.

Aus vorstehenden Gründen finden wir, daß keine der von deu Rekurrenten angerufenen thurgauischen Verfassungsbestimmungen durch die Beschlüsse des Kegierungsrath.es des Kantons Thurgau vom 20. September 1871 und des Großen Rathes vom 19. März 1872 betreffend das Recht der Beschikung der Diözesankonferenz BundesWatt. Jahrg. XXYI. Bd.I.

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verlezt worden ist, und stellen demnach den Antrag: den Rekurs als unbegründet abzuweisen.

Wir gelangen zur Prüfung der auf die A m t s e n t h e b u n g des Bischofs L â c h â t Bezug habenden Rekurse.

Wir glauben, die Frage in ihrem Ganzen behandeln zu sollen, ohne die Argumente jedes einzelnen Rekurses zu beleuchten, da, dieselben meistens die gleichen sind. Eine solche Behandlung würde die Klarheit unserer Beweisführung beeinträchtigen und unnüze Wiederholungen veranlagen. Andererseits werden wir den Rekurs der Fulenbacher - Versammlung und einen der Schlüsse desjenigen des thurgauischen Kirchenrathes getrennt untersuchen, indem dieselben nur anläßlich und nicht wegen der Absezung des Hochw.

Lâchât angebracht werden. Die von denselben aufgeworfene Frage ist an und für sich unabhängig von der Thatsache der Amtsentsezung des Bischofs Lâchât, denn es handelt sich allein darum, ob, nach der Verfassung des Kantons Thurgau oder nach derjenigen des Kantons Solothurn, eine Abstimmung des ganzen Volkes oder des katholischen Volkes zuläßig sei für die Absezung eines Bischofs oder die Abberufung "s eines ' Priesters.

Die Organisation des Bisthums Basel beruht auf Verträgen, welche, sei es durch die diesem Bisthum angehörenden Ständeunter sich, sei es zwischen diesen Ständen und dem hl. Stuhl abgeschlossen worden sind. Die beiden hauptsächlichsten Verträge sind derjenige vom 26. März 1828, abgeschlossen zwischen den Ständen Luzern, Bern, Solothurn und Zug einerseits und dem hl. Stuhl andererseits, und der sogeheißene ,,Grundvertrag"-, vereinbart den 28. März 1828 unter den Ständen Luzern, Bern, Solothurn und Zug, mit Zusazartikel vom 29. März. Diesen Verträgen sind beigetreten: der Kanton Basel-Landschaft den 6. September 1829; der Kanton Aargau den 28. Oktober 1829 und der Kanton Thurgau den 13. November 1830. Im Weitem haben dieDiözesan-Stände die auf die Organisation des Bisthums bezüglichen Bullen: ,,Inter preecipua"1 vom 7. Mai 1828 und ,,De animarum salute11 vom 23. März 1830 ratifizirt. Dieses sind die allgemein unter der Benennung ,,Diözesanverträge" verstandenen Urkunden.

Da die Rekurrenten aus diesen Verträgen ihre hauptsächlichsten Argumente schöpfen, so ist es nothwendig, vor allem aus die Bedeutung klar festzustellen, welche diese Verträge in den Augen der Eidgenossenschaft haben können.

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Wie wir hievor, bei Anlaß des Rekurses der schweizerischen Bischöfe gegen die Trennung von Kirche und Staat im Kanton Aargau, bemerkt haben, sind diese Verträge für die Eidgenossenschaft bloße Vereinbarungen zwischen Dritten (res inter alios acta). Es entspricht in der That dem Wesen des Föderativstaates, daß die eine der Gewalten, die Bundesgewalt, ihre Thätigkeit auf den ihr durch die Verfassung ausdrüklich angewiesenen Wirkungskreis beschränke und daß es außerhalb dieses leztern den Kantonen, in ihrer Eigenschaft als souveräne Staaten, freistehe, nach ihrem Gutßnden sich einzurichten und zu verwalten.

Die Intervention des Bundes kann zur zwangsweisen Vollziehung eines unter Kantonen abgeschlossenen Vertrages nur dann angerufen werden, wenn dieser Vertrag der eidgenössischen Behörde zur Kenntniß gebracht worden ist und dieselbe erklärt hat, daß sie im Vertrage Nichts gefunden habe, was den Rechten des Bundes oder anderer Kantone widerspreche. Im Fernern kann die Intervention nur durch einen der kontrahirenden Stände verlangt werden (Art. 7 der Verfassung). Die auf die Errichtung und Organisation des Bisthums Basel bezüglichen Verträge sind nun aber durch die Diözesanstände unter der Herrschaft des Bundesvertrages vom 7. August 1815 abgeschlossen und durch die eidgenössische Behörde niemals gewährleistet worden. Im Weitern wird die Intervention der Eidgenossenschaft durch keinen der vertragschließenden Stände angerufen. Die durch Art. 7 der Bundesverfassung verlangten wesentlichen Erfordernisse, um die Bundesgewalt zu veranlaßen, die betreffenden Stände zur Vollziehung dieser Verträge zu zwingen, fehlen also hier vollständig. Was den durch die Diözesanstände mit dem hl. Stuhl, d. h. mit einer nicht schweizerischen Gewalt abgeschlossenen Vertrag betrifft, so hat die Eidgenossenschaft nach der bestehender Bundesverfassung keinen Beruf, denselben gutzuheißen; die Bundesbehörden können ihn daher nicht stillschweigend anerkennen, indem sie dessen Bestimmungen anwenden, noch ihn zur Grundlage ihrer Beschlüsse machen. Sie haben demnach nicht zu untersuchen, ob die Diözesankonferenz nach Maßgabe der Verträge zur Absezung eines Bischofs kompetent war, ob diese Verträge den Staat verpflichteten, in seinen Beschlüssen die Prinzipien des kanonischen Rechts zu beachten, ob dieselben durch den Staat verlezt
worden sind oder ob dieß von Seite des Bischofs geschehen ist. Die einzige Frage, über welche Sie zu entscheiden haben, ist diejenige, ob die Absezuug S. Hochw. des Herrn Lâchât irgend einer Bestimmung der Bundesverfassung widerspricht, oder den Bürgern gewährleistete verfassungsmäßige Rechte verlezt.

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Die Rekurrenten rufen zur Unterstüzung ihrer Schlüsse zwei Artikel der B u n d e s v e r f a s s u n g au.

Sie sagen vorerst, daß der Art. 53 dieser Verfassung durch die Beschlüsse der Diözesankonferenz verlezt worden sei. Diese Behörde sei nicht kompetent gewesen, die Amtsenthebung des Hochw. Hrn. Lâchât auszusprechen und lezterer sei demnach seinem natürlichen Richter entzogen worden. Die Handlung, durch welche der Staat die der Ernennung eines Bischofs ertheilte Genehmigung zrükzieht, demselben die fernere Ausübung seiner bischöflichen Funktionen untersagt, die bischöflichen Einkünfte entzieht und ihn zwingt, den Siz des Bisthums zu verlassen, diese Handlung, sagen wir, hat durchaus nicht den Charakter eines Strafurtheils. Dieselbe ist rein administrativer Art. Herr Lâchât ist vor keinen Richter citir worden und er kann also auch nicht seinem natürlichen Gerichtsstand entzogen worden sein. Im Fernern, wenn man auch annehmen wollte, daß die Konferenz sich richterliche Befugnisse angemaßt und ein Urtheil gefällt habe, so haben die Rekurrenten nicht festgestellt, wer unter den obwaltenden Umständen der natürliche Richter Hrn. Lachat's gewesen wäre; denn das von Herrn Amiet für die Lösung des Konflikts vorgeschlagene, aus Vertretern des Staates und solchen der Kirche zusammenzusezende Schiedsgericht oder die Gerichtsbarkeit des Papstes wird von der Verfassung keines der dem Bisthum Basel angehörenden Kantone anerkannt. Und wenn man das kanonische Recht und die Beschlüsse des Tridentinischen Conciliums anruft, um zu behaupten, daß der Papst allein die Macht besaß, die Amtsenthebung des Hrn. Lâchât zu beschließen, und daß er folglich der natürliche Richter in der Sache war, so werden wir später nachzuweisen den Anlaß haben, daß das kanonische Recht weder durch die Bundes Verfassung, noch durch die Verfassungen der Diözesanstände gewährleistet ist, so daß es nicht an der Bundesbehörde liegt, dasselbe auszulegen oder zur Anwendung zu bringen.

Die Rekurrenten sind ferner der Ansicht, daß der Bundesrath zu einer Schlußnahme im Konflikt zwischen dem Staate und dem Bischöfe kompetent sei gemäß Art. 90 der Bundesverfassung. Wir können der ausdehnenden Auslegung, welche sie diesem Artikel geben, nicht beistimmen. Denn unter der Herrschaft der gegenwärtigen Verfassung liegt Alles, was die Ordnung der
Kultusverhältnisse betrifft, in der Kompetenz der Kantone und die Bundesbehörde hat in die zwischen Staat und Kirche sich ergebenden Anstände nur dann einzugreifen, wenn bei Anlaß derselben verfassungsmäßige Rechte verlezt worden sind.

Dieses erste Motiv des Rekurses scheint uns daher nicht begründet.

405 Die Rekurrenten rufen auch den Art. 44 der Bundesverfassung an. Sie legen geringern Werth auf den erstem Theil dieses Artikels, welcher den anerkannten christlichen Konfessionen die freie Ausübung des Gottesdienstes gewährleistet, wahrscheinlich weil ihnen die hier anwendbaren Kantonsverfassungen ausgedehntere Garantien zu bieten scheinen. In der That kann es sich nicht darum handeln, die Absezung des Bischofs Lâchât als die freie Ausübung des Gottesdienstes einer der christlichen Konfessionen beeinträchtigend anzusehen. Denn durch diese Thatsache werden die Bürger im Bisthum Basel nicht gezwungen, einen andern Gottesdienst zu besuchen als denjenigen ihrer Konfession, und es bleibt ihnen freigestellt, denjenigen zu feiern, welchen sie für gut finden.

Aber der Beschluß der Diözesankonferenz hätte den Frieden unter den Konfessionen dadurch gestört, daß die Mehrheit, welche die Absezung des Bischofs Lâchât beschlossen hat, aus Protestanten bestand. Diese Behauptung beruht offenbar auf einer irrigen Auslegung des Art. 44, denn wenn der Bund befugt ist, für Handhabung der öffentlichen Ordnung und des Friedens unter den Konfessionen die geeigneten Maßnahmen zu treffen, so genügt nicht, um die Bundesintervention obligatorisch zu machen, daß ein Beschluß von einer Behörde unter solchen Umständen gefaßt worden sei, daß derselbe, möglicher Weise, Unruhen hervorrufen oder dea konfessionellen Frieden stören könnte. Es muß in der Thät mehr als eine bloße Eventualität vorliegen und der Bund wird nur dann einschreiten, wenn in Wirklichkeit materielle Unruhen ausbrechen oder wenn Unordnungen wenigstens wahrscheinlich sind.

Dieses ist nun in der vorliegenden Angelegenheit nicht der Fall.

Das Argument der Rekurrenten scheint übrigens, an und für sich selbst betrachtet, von keiner Tragweite zu sein. Die Diözesankonferenz war schon zur Zeit, als sie die Wahl des Hrn. Lâchât genehmigte,, in ihrer .Mehrheit aus Protestanten bestellt. Damals hat Niemand daran gedacht, zu behaupten, daß dieser Umstand der Art wäre, um den Frieden zwischen den Konfessionen zu stören. Es ist nicht einzusehen, warum dem anders sein sollte, wenn diese nämliche Konferenz ihre Genehmigung zurükzieht.

Der von den Rekurrenten aus dem Art. 44 der Bundesverfassung gezogene Schluß scheint uns sonach ebenfalls nicht richtig zu sein.

Es handelt
sich nunmehr darum, zu ermitteln, ob die Beschlüsse der Diözesankonferenz und die diese Beschlüsse genehmigenden und deren Vollziehung anordnenden Schlußnahmen der Regierungen und Großen Räthe der Diözesan-Kantone den durch die

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Rekurreiiten angerufenen Artikeln der K a n t o n a l v e r f a s s u n g e n widersprechen.

Die Rekurreiiten berufen sich auf deu Art. 3 der solothurnischen V e r f a s s u n g , welcher dem römisch katholischen Glaubensbekenntniß den besoudern Schuz des Staates zusichert. Es liegt, sagen sie, im Wesen der katholischen Religion, daß der Bischof seine Gewalt vom Papste und nicht vom Staate empfange uud nur durch erstem, in den durch das kanonische Recht vorgesehenen Fällen und den durch dasselbe vorgeschriebenen Formen, abgesezt werden könne. Mit Recht hält man dieser Folgerung entgegen, daß das kanonische Recht und die Beschlüsse des Tridentinischen Konzils, welche in der Schweiz in ihrer Gesammtheit nie anerkannt worden sind, nicht auf höhere Geltung als die Geseze des Staates Anspruch machen können. Der Bund kennt in der Schweiz außer seiner Souveränetät nur diejenige der Kantone. Wenn leztere es für angemessen erachten, ihre Gesezgebung über die Kirchenorganisation den Grundsäzen des kanonischen Rechts anzupassen, so thun sie es aus freiem eigenem Willen und in freier Ausübung ihrer Staatshoheit. Damit die Bundesbehörden berufen sein könnten, dieses Recht auszulegen und seine Anwendung zu sichern, müßte dasselbe, durch einen förmlichen und ausdrüklichen Beschluß der gesezgebenden Behörde, zum verfassungsmäßigen Recht eines schweizerischen Kantons geworden sein und die Bundesbehörden könnten es nur als solches zur Anwendung bringen. Indem der Staat im Kanton Solothurn der katholischen Kirche seinen besondern Schuz gewährleistet hat, hat derselbe damit keineswegs gesagt oder auch nur zu verstehen gegeben, daß er dem kanonischen Recht in der Weise Gesezeskraft verleihen wolle, daß er die Grundsäze desselben in seinen Beschlüssen zu befolgen habe. Der Staat hat sich darauf beschränkt, der katholischen Religion seinen besondern Schuz zuzusichern, d. h., er hat sich verpflichtet, alle diejenigen Handlungen zu verhindern, welche deu religiösen Glauben der Katholiken verlezen könnten. Aber die Frage, ob der Staat einem Bischof die der Ernennung desselben ertheilte Genehmigung zurükziehen und die Ausübung der bischöflichen Funktionen untersagen könne, ist nicht eine Glaubensfrage, sondern eine Frage der kirchlichen und politischen Organisation. Es können darüber, wie über jeden andern Grundsaz des
öffentlichen Rechts, sehr abweichende Ueberzeuguugen bestehen; die Frage verbleibt immerhin ganz außerhalb des Gebietes der Glaubensmeinungen. Sie berührt nicht das Wesen der katholischen Religion.

Wir können also nicht finden, daß der Art. 3 der solothurnischen Verfassungo durch die Beschlüsse der Diözesankonferenz verlezt worden sei.

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Die Rekurrenten erachten im Weitern, daß die Bestimmungen ·des Art. 12 der aargauischen Verfassung nicht beachtet worden .seien. Dieser Artikel gewährleistet vorab die Gewissensfreiheit.

Die aargauischen Katholiken können aber heute, wie vor der Absezung des Hrn. Lâchât, ihre religiösen Ueberzeugungen frei aus.sprechen, und es ist keine besondere Thatsache angeführt worden zum Beweise, daß einer derselben daran gehindert worden wäre.

Die Thatsache, daß Hr. Lâchât nicht mehr, wie früher, mit der 'Geistlichkeit amtliche Beziehungen unterhalten kann, berührt das Gewissen der Katholiken in keiner Weise, denn es steht ihnen frei, mit ihm in nicht amtlicher Weise zu verkehren, und zu glauben, was sie gutdünkt.

Der Art. 12 gewährleistet überdies die katholische Kirche.

Nun, behaupten die Rekurrenten, gibt es keine katholische Kirche ohne mit dem kirchlichen Oberhaupte im Verkehr stehende Bischöfe und die obige Gewährleistung ist demnach durch die Absezung des Bischofs Lâchât verlezt worden. Aber die Beschlüsse der DiözesanKonferenz haben keineswegs zur Folge, festzustellen, daß die katholische Kirche im Kanton Aargau fortan der Leitung eines mit dem heil. Stuhl im Verkehr stehenden Bischofs entbehren soll, sondern betreffen einzig und allein die Person des Hrn. Lâchât, welchem der Staat nicht mehr das Recht zuerkennt, bischöfliche Funktionen auszuüben. Im Fernern hindert, wie wir bereits oben nachgewiesen haben, die vom Staate der Kirche ertheilte Gewährleistung diesen erstem in keiner Weise, seine Beziehungen mit ihr, insoweit es ihre äußere Einrichtung betrifft, frei zu ordnen, vorausgesezt indessen, daß die Glaubenssäze dieser Konfession dadurch nicht betroffen werden. Die Absezung eines Bischofs durch den Staat zwingt die Katholiken nicht, ihren religiösen Glauben zu ändern^ Endlich gewährleistet dieser nämliche Art. 12 der evangelischreformirten und der katholischen Kirche die unbeschränkte Ausübung des Gottesdienstes. Es ist nicht richtig, wenn die Rekurrenten behaupten, daß die Katholiken im Kanton Aargau der Ausübung ihres Gottesdienstes entbehren. Zum Beweise dieser Behauptung ist keine Thatsache angeführt worden, mit Ausnahme der Absezung des Herrn Lâchât, welche an sich selbst in keiner Weise diese Folgen nach sich zieht. Und wenn die Rekurrenten im Fernern behaupten, daß die Absezung eines
Bischofs durch den Staat dem Vereinsrecht widerspreche, so muß darauf verzichtet werden, die logische Beziehung zwischen der ersten und der zweiten Thatsache zu suchen. Denn Nichts hindert die katholischen Bürger, welche die gegen Hrn. Lâchât getroffenen Maßregeln mißbilligen, unter sich zu einem ihnen gutdünkenden Zwek sich zu vereinigen.

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Die auf Art. 12 der aargauischen Verfassung sich s Mixenden Schlüsse der Rekurrenten scheinen uns demnach nicht begründet.

g Das Gleiche sagen wir von denjenigen, welche sich auf die Artikel 17 und 56 der t h u r g a u i s e li e n V e r f a s s u n g stüzen. Die Absezung des Bischofs Lâchât ist keineswegs der Glaubens- und Kultusfreiheit zuwider. Jeder Katholike kann auch heute noch seine religiöse Ueberzeugung öffentlich sowohl,Ï als zu O O o Hause, frei bekennen, und keiner unter ihnen wird gezwungen, an irgend einem Gottesdienst oder einer religiösen Feierlichkeit theilzunehmen. Im Fernern, wenn Art. 56 der katholischen Kirche die freie Regelung der Kultusverhältnisse gewährleistet, so behält derselbe immerhin die Rechte des Staates vor. Dieses Recht der freien Organisation kann sich demnach nur auf die innern Verhältnisse der Kirche, nicht aber auf die äußern Verhältnisse, bei welchen der Staat mitbetheiligt ist, beziehen. Wir erachten auch nicht den Beschluß der Regierung von Thurgau, durch welchen die weitere Verabfolgung der Besoldung an Hrn. Lâchât untersagt wird, als dein Art. 57 der Verfassung widersprechend, welcher den beiden Konfessionen die Unverlezlichkei der für fromme Zweke gewidmeten Güter und Stiftungen zusichert. Durch diesen Artikel gewährleistet der Staat, daß diese Güter ihrem Zweke nicht entfremdet werden dürfen ; aber es liegt darin keine Verpflichtung für den Staat, die der Kirche genehmen Geistlichen anzuerkennen, und kein Recht für die Kirche, mittelst der gewährleisteten Gelder vom Staate nicht anerkannte Geistliche zu unterhalten. Ueberdies haben die Rekurrenten keineswegs nachgwiesen, daß die sogenannten Diözesanfonds zu denjenigen Gütern gehören, deren Unverlezlichkeit gewährleistet worden ist. Aus den zwischen den Diözesanständen abgeschlossenen Verträgen geht hervor, daß jeder derselben die Verpflichtung übernommen hat, einen Antheil an die bischöflichen Tafelgelder und an die für den Unterhalt des Bisthums nöthigen Gelder zu bezahlen. (Vertrag mit dem heil.

Stuhl vom 26. März 1828, Art. 11 ; Art. 34 des Grundvertrags vom 28/29. März 1828, welchem der Kanton Thurgau beigetreten ist).

Nach Maßgabe dieser Verträge scheint es uns, daß wenn der Stand Thurgau verpflichtet ist, seinen Antheil zur Bezahlung der bischöflichen Tafelgelder beizutragen, er auch das Recht
hat, der thurgauischen Kirche zu untersagen, die Besoldung an einen abgesezten Bischof ferner zu bezahlen. Der Art. 57 der Verfassung wollte sicherlich diese Sachlage nicht ändern.

Die zur Unterstüzung des Rekurses angerufene bernische Verfassung gewährleistet die freie Ausübung des Gottesdienstes und die katholische Religion nur in allgemeiner Weise und in ähnlichen Ausdrüken, wie die Verfassungen der andern Diözesanstände. Sie

409 schließt demnach nicht die Anerkennung der Sazungen der Kirche und des kanonischen Rechts in sich und konnte die bernische Regierung an dem Beitritt zu den Beschlüssen der Diözesankonferenz nicht hindern.

Zwar finden die Rekurrenten, die Wiener-Kongreßakte und die Vereinigungsurkunde vom Jahre 1815 haben dem Kanton Bern eine ganz besondere Lage geschaffen, so daß die Regierung von Bern mehr als jeder andere Diözesanstand durch die sogenannten Bisthurnsverträge gebunden sei. Der Bundesrath hat aber, mit Beschluß vom 15. November 1873, es ausgesprochen, daß die Bestimmungen der Vereinigungsurkunde des bernischen Jura mit dem alten Kanton Bern unter der Herrschaft der Bundesverfassung vom 12. September 1848, zu Gunsten der Einwohner und der Geistlichkeit des bernischen Jura, weder ein besonderes Recht, noch eine Ausnahme vom öffentlichen eidgenössischen Rechte schaffen dürfen. Wir finden keinen Grund, diese Anschauungsweise zu ändern, und erachten demnach die auf die Bestimmungen der Vereinigungsurkunde sich stüzenden Schlüsse des Rekurses als unbegründet.

Wir gelangen folglich grundsäzlich zur Ansicht, daß die Beschlüsse der Diözesankonferenz betreffend die Absezung des Bischofs Lâchât weder der Bundesverfassung, noch den durch die Rekurrenten angerufenen Bestimmungen der Kantonsverfassungen zuwiderlaufen.

Es bleibt uns jedoch eine andere Seite der Frage zu untersuchen übrig.

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Die Amtsgewalt, welche der Diözesankonferenz zustehen mag, trifft für den Bund mit der Machtbefugniß der diese Konferenz bildenden Stände zusammen, denn die Eidgenossenschaft kennt nicht die Diözesankonferenz als solche, sondern souveräne Kantone, welche sich vereinigen und in ihrer Befugniß liegende Beschlüsse gemeinsam fassen können. Wenn nun Beschlüsse der Diözesankonferenz durch einen oder mehrere Kantone vollzogen werden und einen Rekurs bei den Bundesbehörden veranlaßen, so sollen leztere lediglich die Handlungen der kantonalen Behörden in Betracht ziehen.

410 Dieses festgestellt, so läßt sich nicht bestreiten, daß die eidgenössischen Behörden über die Frage nicht sich auszusprechen haben, ob die Beschlüsse der Diözesankonferenz mit vollem Rechte als null und nichtig zu betrachten seien, weil die Stände Zug und Luzern an derselben nicht theilgenommen und zu der Konferenz auch nicht einberufen worden sind. Denn erstens hat die Eidgenossenschaft die zwischen den Diözesan-Kantonen zu Staude gekommenen Verträge nicht gewährleistet und kann demnach nicht berufen sein zu entscheiden, ob nach den Bestimmungen dieser Verträge die Anwesenheit aller kontrahirenden Stände oder ihre Einberufung nothwendig war, damit die Konferenz einen gültigen Beschluß fassen könne. Und zweitens lag der Bundesbehörde einzig daran, zu ermitteln, ob die von jedem der bei der Absezung des Hrn. Lâchât betheiligten Stände vollzogenen Beschlüsse mit der Bundesverfassung und in jedem der betreffenden Kantone mit seiner Verfassung vereinbar seien. Sonach mag es vorkommen, daß diese Beschlüsse in dem einen Kanton ungiltig, in einem andern dagegen giltig wären.

Auf den nämlichen Standpunkt müßte man sich nach unserer Ansicht stellen, um bezüglich der Wirkungen der Beschlüsse der Diözesankonferenz außerhalb der Kantone, welche dieselben gefaßt haben, zu entscheiden. Diese durch die Eingaben der Rekurrenten und die Antworten der gegnerischen Kantonsregierungen aufgeworfene Frage liegt indessen nicht zum Entscheide vor. Dean einerseits haben die durch die Mehrheit der Diözesankonferenz vertretenen Kantone ihre Beschlüsse den Minderheits-Ständen, Zug und Luzern, nicht aufzudringen versucht und sie haben Ihre Unterstüzung zur Durchführung derselben außerhalb ihres Gebiets nicht angerufen.

Vielmehr hat die solothurnische Regierung in ihrer Antwort auf den Rekurs Amiet ausdrüklich erklärt, daß, wenn die Minderheit der Diözesanstände auf der fernem Anerkennung des Hrn. Lâchât als ihres Bischofs beharre, die Mehrheit sich diesem keineswegs widersezen werde. Und andererseits ist Ihnen von den Kantonen Zug und Luzern keine Reklamation zugekommen, welche Sie veranlaßen könnte, über diesen Punkt sich auszusprechen.

Umgekehrt haben Sie auch die Frage nicht zu untersuchen, ob die im Bisthum Basel die Minderheit bildenden Stände dem Vollzug der Diözesanbeschlüsse in den andern Bisthumskantonen sich zu widersezen berechtigt sind, denn die Kantone Zug und Luzern haben diesfalls keine Beschwerde erhoben.

411 Die Rekurrenten behaupten zwar, daß das Bisthum Basel ein Ganzes bilde, von welchem die dasselbe zusammensezenden Kantone blos integrirende Theile seien, so daß die das ganze Bisthum betreffenden Beschlüsse, wie derjenige über die Absezung des Bischofs, nur mit Zustimmung aller Diözesanstände gefaßt werden können.

Wenn Sie den Standpunkt billigen, welchen wir in dieser Frage eingenommen haben, so müssen Sie diese Beweisführung zurükweisen. Denn Sie werden gerade finden, daß für den Bund kein Bisthum Basel besteht, welches ein Ganzes bildet und die dasselbe zusammensezenden Kantone in sich aufgehen läßt.

Sie werden im Gegentheile sagen, daß Sie nur Kantone kennen, welche aus eigenem Willen eine unter der Benennung Bisthum Basel bekannte Verbindung bilden, in welcher sie nach Ihrer Anschauung nicht aufgehen, sondern mit ihrer vollen Souveränetät fortbestehen.

Aus diesen Gründen schlagen wir Ihnen vor, alle Rekurse und Protestationen, welche gegen die Beschlüsse der Diözesankonferenz und die in Vollziehung der leztern gefaßten Schlußnahmen der Regierungen und Großen Räthe der zum Bisthum Basel gehörenden Kantone an Sie gerichtet worden sind, als unbegründet abzuweisen.

Die Absezung des Bischofs Lâchât hat ganz eigeuthümliche Folgen im Kanton B e r n gehabt. Sie hat Maßregeln der Regierung veranlaßt, gegen welche vom bernischen Jura aus der Rekurs ergriffen worden ist; wir meinen die A b b e r u f u n g der 69 Geistlichen, die Uebertragung der F ü h r u n g der CivilstandRegister a n b e s o n d e r e B e a m t e u n d d i e E i n f ü h r u n g d e r Civilehe und der Ehescheidung in den katholischen Bezirken des Kantons.

Mit Ihrem Beschlüsse vom 15. November 1873 haben Sie sich bereits bezüglich der Abberufung der 69 Pfarrer des bernischen Jura ausgesprochen und den Rekurs abgewiesen. Wir haben sonach mit dieser Frage uns nicht mehr zu befassen.

Was die Einführung der Civilehe und der Ehescheidung in den Bezirken des bernischen Jura betrifft, so ist vor Allem aus zu beachten, daß diese Fragen durchaus in den Bereich der kantonalen Behörden gehören, die befugt sind, in Beziehung auf dieselben diejenigen Geseze zu erlassen, welche sie angemessen erachten.

Ebenso verhält es sich in Beziehung auf die Führung der Civilstandsregister.

412 Durch die Thatsache, daß die in dieser Hinsicht getroffenen Maßregeln nur auf den bernischen Jura anwendbar sind, wird die verfassungsmäßige Gleichheit nicht verlezt. Denn diese Maßregeln sind im Nothstande getroffen worden und haben einen bloß provisorischen Charakter. Sie entsprechen einer unbedingten Nothwendigkeit, die dermalen nur für den bernischen Jura besteht, und werden übrigens in der Folge und in definitiver Weise auf die Gesammtbevölkerung des Kantons ausgedehnt, wenn das vom Großen Käthe ausgearbeitete Gesez vom Volke angenommen sein wird. Endlich hindert die gewährleistete Gleichheit der Bürger vor dem Gesez eine Regierung keineswegs, die ihr geboten erscheinenden außerordentlichen Maßregeln zu treffen, wenn dringende Umstände und die Anforderungen der öffentlichen Ordnung es zwingend erheischen.

Aus diesen Gründen beantragen wir, die gegen die Schlußnahmen des Regierungsrathe und des Großen Rathes des Kantons Bern, betreffend die Führung der Civilstandsregister und die Einführung der Civile und der Ehescheidung im berni sehen Jura, gerichteten Rekurse als unbegründet abzuweisen.

Wir gelangen schließlich zur Prüfung der Rekurse, welche die Frage beschlagen, ob in den Kantonen Solothurn und Thurgau die V o l k s a b s t i m m u n g ü b e r gewisse, die konfessionellen Angelegenheiten berührende Handlungen der Regierungen v e r f a s s u n g s g e m ä ß sei.

Die Versammlung von Fulenbach behauptet, daß die solothurnischen Bürger, in der Zahl von mehr als 2000, welche ihren Beschlüssen beigetreten sind, auf dem Initiativwege berechtigt waren, nach Maßgabe von Art. 32 b der solothurnischen Verfassung, zu verlangen, daß der Beschluß des Kantonsrathes, welcher die Inschuznahme des Pfarrars Gschwind durch die Regierung, troz seiner Amtsentsezung durch den Bischof, gutheißt und dieselbe beauftragt, in ähnlichen vorkommenden Fällen die Rechte des Staates in gleicher Weise zu wahren, der Volksabstimmung zu unterbreiten sei.

Der angerufene Artikel gibt allerdings 2000 stimmfähigen Bürgern das Initiativrecht, wenn sie den Erlaß eines neuen, oder die Aufhebung oder Abänderung eines bestehenden Gesezes, oder endlich einen in die Kompetenz des Kantonsrathes fallenden Beschluß verlangen.

413 Nach der Ansicht der Rekurrenten würde es sich hier um einen in der Kompetenz des Kantonsrathes liegenden Beschluß handeln. Es ist nicht zu bestreiten, daß der Kantonsrath von Solothurn einen Beschluß gefaßt hat; aber in demselben beschränkt er sich darauf, das Vorgehen der in ihrer Kompetenz handelnden Regierung zu billigen, und er beauftragt dieselbe, auf diesem Wege fortzuschreiten. Die Rekurrenten haben nun nicht dargethan, daß diese Genehmigung nothwendig gewesen sei, um die Beschlüsse der Regierung giltig zu machen, und daß dieselbe eine andere, als eine moralische Wirkung habe ausüben können. Es geht im Gegentheil aus den Artikeln 30 und 36 der solothurnischeii Verfassung, welche die Befugnisse des Kantonsrathes und diejenigen des Regierungsrathes feststellen, hervor, daß die Belastung eines Pfarrers an seiner Stelle, troz seiner Absezung durch den Bischof, nicht eine der gesezgebenden Gewalt angehörende Handlung bildet. Dieselbe kann demnach nur in den Bereich der vollziehenden oder richterlichen Gewalt gehören. Man kann folglich nicht behaupten, daß der Kantonsrath in Beziehung auf diese Frage einen in seiner alleinigen Kompetenz liegenden Beschluß gefaßt habe, und wenn derselbe nicht in die Kompetenz des Kantonsrathes gehört, so kann er auch nicht der Volksabstimmung unterbreitet werden. Wenn aus der Thatsache, daß der Kantonsrath die Handlungen des Regierungsrathes genehmigt, der Schluß gezogen wird, daß diese Handlungen in die Kompetenz des Kantonsrathes gehören und der Volksabstimmung unterstellt werden können, so proklamirt man damit in Wirklichkeit das Initiativrecht in Verwaltungssachen. Denn es würde 2000 solothurnischen Bürgern freistehen, den Kantonsrath zu nöthigen, sich über einen beliebigen Akt der vollziehenden Gewalt auszusprechen und seinen Beschluß der Volksabstimmung zu unterbreiten. Es geht im Gegentheil aus dem Wortlaut des Art. 32 der solothurnischen Verfassung hervor, daß die vom Kantonsrathe nach Maßgabe seiner Befugnisse gefaßten Beschlüsse allein der Volksabstimmung unterworfen werden können. Folglich sind die in die Kompetenz der vollziehenden Gewalt fallenden Beschlüsse von dieser Abstimmung ausgeschlossen.

Wir erachten das Begehren der Rekurrenten in Bezug auf diese erste Frage nicht begründet.

Die Rekurrenten behaupten, daß sie, nach Maßgabe dieses
nämlichen Art. 32 b, das Recht hatten zu verlangen, daß der Kantonsrath über die Absezung des Hrn. Lâchât und den Bruch des Diözesanvertrages beschließe und die Frage unter allen Umständen der Volksabstimmung unterbreite.

414 Dieses Begehren könnte nur dann verfassungsgemäß sein, wenn die Absezung eines Bischofs zu den Obliegenheiten des Kantonsrathes gehörte. Der Art. 30 nun, welcher diese leztern feststellt, gibt dem Kantonsrathe keinerlei Kompetenz, selbst allgemeiner Natur, in welcher die Ernennung oder Absezung der Bischöfe Plaz.

fände. Die Rekurrenten behaupten indessen, die im Art. 30 enthaltene Aufzählung sei nur beispielsweise, uud es können auch andere, als in diesem Artikel vorgesehene Geschäfte, in die Kompetenz des Kantonsrathes gelegt werden. Es ist vor Allem aus zu bemerken, daß die Aufzählung der Obliegenheiten und Befugnisse einer Gewalt in der Verfassung nie beispielsweise gemeint sein kann, es sei denn, daß diese Absicht aus dem Wortlaut der Verfassung selbst mit Bestimmtheit hervorgehe. Denn die Bestimmungen dieser Art bezweken gerade, die Befugnisse jeder Gewalt genau zu begrenzen. Ueberdies, wenn auch die in Art. 30 enthaltene Aufzählung nur beispielsweise wäre, so müßte die Frage der Absezung eines Bischofs ihrer Natur nach zu den Befugnissen der gesezgebenden Gewalt gehören. Dieses ist nun nicht der Fall.

Eine derartige Maßregel trägt einen administrativen Charakter, welcher sie vielmehr der vollziehenden Gewalt zuweist.

Die Rekurrenten rufen ferner Art. 32 a der solothuroischeu Verfassung an, welcher die Volksabstimmung für die Konkordate und Verträge vorschreibt. Aber da die Verträge und Konkordate, welche das Bisthum Basel betreffen, durch den Bund nicht gewährleistet oder demselben fremd sind, so können wir nicht zugeben, daß es sich bei Absezung des Bischofs Lâchât darum handelte, über ein Konkordat oder einen Vertrag zu beschließen. Die Thatsache der Absezung des Hrn. Lâchât ist in unsern Augen unabhängig von jedem Konkordat oder Vertrag und kann nicht dem Bruch eines solchen gleichgestellt werden. Wir haben bei diesem Anlaß nicht die Anwendung des Art. 32 a der solothurnischen Verfassung zu wahren.

Wir beantragen demnach, die Rekurse der Fulenbacher-Versammlung als unbegründet abzuweisen.

Da der Regierungsrath des Kantons Thurgau dem katholischen Kirchenrath und der katholischen Synode untersagt hat, Kirchgemeindeversammlungen zur Abstimmung über die Frage der Absezung des Bischofs Lâchât abzuhalten, so haben wir zu untersuchen, ob diese durch den Großen Rath bestätigte Schlußnahme der Verfassung widerspreche.

415 Der durch die Rekurrenten angerufene Art. 56, zweites Alinea,, sezt fest, daß Erlasse und Verordnungen gesezgeberischer Natur der konfessionellen Volksabstimmung unterliegen. Es ist klar, daß dieser Artikel hier nicht zutrifft, und die Rekurrenten gestehen dies selbst ein. Aber sie finden, daß die Verfassung es nicht untersage,, auch andere Fragen vor das Volk zu bringen. Wenn dies auch richtig wäre, so ist nichts desto weniger gewiß, daß die Verfassung ein solches Recht nicht gewährleistet. Die Rekurrenten haben sonach keine Verfassungsbestimmung zur Begründung ihres Begehren» angeführt, welches wir daher abzuweisen beantragen.

Schlussanträge.

Aus den in diesem Berichte auseinandergesezten Gründen beehrt sich das Departement zu beantragen: I. Dem hochw. Bischof Peter Joseph in Sitten mit folgender Note zu antworten: ,,Der Bundesrath hat das Schreiben richtig erhalten, womit S. Hochwürden Herr Peter Joseph, Bischof von Sitten, ihm unterm 10. Februar 1872 eine Denkschrift der schweizerischen Bischöfe betreffend die Lage der katholischen Religion und Kirche im Kanton Aargau mittheilten. Diese, 'vom Januar 1872 datirte Denkschrift schließt mit dem Ansuchen, der Bundesrath möge zu Gunsten der katholischen Aargauer interveniren, um dasjenige, was die Denkschrift als eine große Ungerechtigkeit bezeichnet, zu verhüten und um die Ehre des schweizerischen Vaterlandes zu wahren. Die schweizerischen Bischöfe wünschen, daß der Bundesrath oder die Bundesversammlung bei der aargauischen Regierung einschreite, um dieselbe zu veranlaßen : ,,1. Die großräthlichen Beschlüsse vom 27. September 1871 betreffend die Lostrennung des Kantons vom Bisthum Basel und vom 28. November gì. J. betreffend die Trennung des Staates von der Kirche auf sich beruhen zu lassen.

,,2. Den feierlich geschlossenen und auf immerwährende Zeiten gültigen Bisthumsvertrag vom 26. März und vom Dezember 1828 aufrecht zu halten und den in ihm stipulirten Verpflichtungen in allen Theilen getreu nachzukommen.

,,Diese Denkschrift stüzt sich auf die Bestimmungen von Art. 44 der Bundesverfassung, welche den anerkannten christlichen Kon-

416 fessionen die freie Ausübung des Gottesdienstes im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft gewährleistet, um zu Gunsten der durch obenerwähnte Beschlüsse der aargauischen Behörden verlezte Rechte und gefährdeten Interessen der katholischen Bürger dieses Kantons den Schuz der Bundesbehörde anzurufen.

,,Der Bundesrath hat über diesen Rekurs nicht Beschluß fassen und denselben nicht beantworten wollen, ohne darüber die aargauische Regierung angehört zu haben. Er hat zu diesem Behufe dem Regierungsrath eine Abschrift des Schreibens Sr Hochw des Bischofs von Sitten, vom 10. Februar, sowie die damit eingegleitete Denkschrift übermittelt.

"Die Antwort auf diese Mittheilung ist seit Ende 1872 im Besiz des Bundesrathes. Ohne hier dun ganzen Inhalt derselben darstellen zu wollen, glaubt der Bundesrath in Kürze den Standpunkt angeben zu sollen, welchen die aargauische Regierung darin eingenommen hat. Dieselbe erachtet es nicht in ihrer Stellung, Schritt für Schritt den Ausführungen der ihrer Prüfung unterbreiteten Denkschrift zu folgen. Sie beschränkt sich darauf, dem Bundesrath den Wortlaut der angefochtenen Beschlüsse mitzutheilen und nachzuweisen, daß die aargauischen Behörden bei Ergreifung dieser Maßregeln nur von ihrem Rechte Gebrauch gemacht und eine in ihrer Machtvollkommenheit und ihrer Kompetenz liegende Handlung vollzogen haben.

,,Der Bundesrath will hiebei nicht ermangeln, den Grund anzugeben, warum er bis heute auf die Denkschrift der schweizerischen Bischöfe nicht geantwortet hat. In Folge der seit dem Jahr 1873 im Bisthum Basel vorgekommeneu Ereignisse und der zahlreichen Rekurse, welche dieselben veranlaßt haben, und in Anbetracht auch des ausdrüklichen Begehrens eines Theils der Rekurrenten hat der Bundesrath beschlossen, gleichzeitig alle anläßlich dieses Konflikts aufgeworfenen Fragen zu erledigen.

,,Der Bundesrath beehrt sich nunmehr, S. Hochw. Hm. Peter Joseph in Kenntniß zu sezen, dass er die in der Denkschrift und im Rekurse der schweizerischen Bischöfe erwähnten Beschlüsse des aargauischen Großen Rathes als in der ausschließlichen Kompetenz der kantonalen Behörden liegend anerkannt hat. Da übrigens diese gesezgeberischen Erlasse nichts enthalten, was dem Art. 44 der Bundesverfassung entgegen wäre, so glaubt der Bundesrath auf die den Gegenstand dieses Schreibens bildende Denkschrift
nicht weiter eintreten zu sollen, und muß er anerkennen, daß die durch dieselbe aufgeworfenen Fragen einem Gebiete angehören, welches, beim jezigen Stande der Dinge, außerhalb seines verfassungsmäßigen Wirkungskreises liegt.

417

,,Indem der Bundesrath Sr. Hoelrw. Hrn. Peter Joseph, Bischof von Sitten, Vorstehendes zur Keuntniß KU . bringen die E.luu: Ip'M,.

benu/.i er den Anlaß u. s. w.c.

.

.

.

;; h , II. A. Als unbegründet abzuweisen': '!'

1) Die Rekurse des hochw. Hrn. Lâchât, voin 8. Fubruin; und 7 . April 1873: , ' ' . ' . . . ' , ! ,,.., 2) die Rekurse des katholischen Kircbenrathe« des KantWns Tlau'r gau. vom 2:>. April 1873: l ,n : 3) die von Hrn. Amiet. im Namen der Abgeordneten der kätluVH"'' sehen Bevölkerung des Bislhums unterm 22. Mai und 13. Angusf ' 1873 verfaßten Rekurse und 'alii- diejenigen weitem Itfkuvse, welche den Schlüssen der e.rsteru bttipfliuhten: . ·'' 4j den Rekiu's des durch die Deleghien der katholischen Pfurrgemeinden des Aargaus ehigesczten Koniite's: 5) die Rekurse der Fulenbacher-Yersanimlung. vom 17. Juni 1873; , B) die Protestation und den Rekurs berniseher Großräthe, vom Juni 1873: 7) die, unterm 23. Juni 1873 eingelangle Protestation der Hchwo.iwrischen Bischöfe.

B. Diese Beschlüsse den betheiligten Regierungen und den Rekurrentcn mitzutheilen.

B e r n , den 24. Dezember 1873.

Eidg. politisches Departement.

Der Bundespräsident:

Ceresole.

In seiner Sizimg vom 13. Januar 1874 hat der Bundesrath, gestüzt auf die im vorstehendem Bericht entwikelten Gründe., die Antrüge des politischen Departements /um Beschlüsse erhoben.

BnndesWatt. Jahrg. XXVI. Bd. I.

37

418

# S T #

Bericht des

Schweiz. Konsuls in Algier (Hrn. Eugène Joly von Granges, Waadt) über das Jahr 1873.

(Vom 13. Februar 1874.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Allgemeine Lage.

Die vollständige Ruhe, deren sich Algier im Laufe des Jahres 1873 erfreute, hat es den Kolonisten möglich gemacht, ihre Lage zu verbessern, und Jenen, welche durch die Insurektion von 1871 gelitten hatten, ihre Verluste zum großen Theil wieder zu decken, obgleich eine außergewöhnliche. Dürre um ungefähr 50% den Ertrag der Erndte verminderte, welche beim Beginn der Saison so freudige Hoffnungen wach gerufen hatte.

Die hohen Preise für Getreide, Futter und Vieh haben jedoch in vielen Fällen den Ausfall an Quantität compensirt.

Wenn die Landwirthe glücklichen Ersatz fanden, so war dagegen dem nicht, so für die Kaufleute, welche alle mehr oder weniger unter der allgemeinen Unbehaglichkeit gelitten haben, die mau stets geneigt ist, von der politischen Lage abzuleiten, trotzdem sie vielleicht von vielfältigen unerkannten Ursachen abhängt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des eidgenössischen politischen Departements an den Bundesrath über die Protestationen und Rekurse betreffend die kirchlichen Konflikte im Bisthum Basel. (Vom 24. Dezember 1873.)

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1874

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11

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07.03.1874

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369-418

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