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23.058 Botschaft zur Genehmigung des Vertrags zwischen der Schweiz und Panama über Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. August 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Vertrags vom 3. März 20231 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Panama über Rechtshilfe in Strafsachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Der Vertrag zwischen der Schweiz und Panama über Rechtshilfe in Strafsachen soll die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit Panama verbessern und einen Beitrag zur wirksamen Bekämpfung der transnationalen Kriminalität leisten.

Die Schweiz baut damit im Interesse der Stärkung der Sicherheit das weltweite Vertragsnetz im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen weiter aus.

Ausgangslage Die mit einer wirksamen Verbrechensbekämpfung verbundenen Herausforderungen vermag ein Staat immer weniger ohne Rechtshilfe anderer Staaten zu bewältigen.

Dies gilt insbesondere für Straftaten mit grenzüberschreitendem Bezug, die im Zuge der fortschreitenden Globalisierung stetig zunehmen. Für eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung ist die funktionierende Zusammenarbeit mit ausländischen Justizbehörden daher entscheidend. Der vorliegende Vertrag legt verbindliche Regeln für die Rechtshilfe in Strafsachen mit Panama fest.

Die Schweiz hat in der Vergangenheit bereits mit zahlreichen Staaten entsprechende Verträge abgeschlossen. Durch den Vertrag mit Panama kann sie ihr Vertragsnetz im Bereich der Strafrechtshilfe weiter ausbauen und so mit einem weiteren Staat bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität effizienter zusammenarbeiten.

Inhalt der Vorlage Der Rechtshilfevertrag mit Panama schafft ein Instrument des Völkerrechts für die Zusammenarbeit der Justizbehörden beider Staaten bei der Aufdeckung und Verfolgung strafbarer Handlungen. Er übernimmt die wichtigsten Grundsätze des schweizerischen Rechtshilfegesetzes und des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens und wird zusätzlich durch Bestimmungen weiterer rechtshilferelevanter Übereinkommen ergänzt. Er liegt damit auf der Linie der von der Schweiz bisher abgeschlossenen Rechtshilfeverträge.

Die Vertragsparteien verpflichten sich nach Massgabe des Vertrags zu einer möglichst weitgehenden Zusammenarbeit. Dazu führt der Vertrag die möglichen Unterstützungsmassnahmen auf und legt die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit sowie die Modalitäten der praktischen Durchführung fest. Er enthält des Weiteren die Anforderungen an ein Rechtshilfeersuchen sowie eine abschliessende Liste von Gründen, aufgrund derer die Zusammenarbeit abgelehnt werden kann. Um das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, schafft er unnötige Formerfordernisse ab
und bezeichnet in beiden Staaten eine zuständige Zentralbehörde. Der Vertrag sieht die Möglichkeit vor, gemeinsame Ermittlungsgruppen zu errichten. Sodann enthält er Bestimmungen über die Sperrung, Einziehung und Herausgabe von Vermögenswerten. Schliesslich erleichtert er, unter Wahrung des nationalen Rechts beider Staaten, die elektronische Übermittlung von Rechtshilfeersuchen, wenn die Vertragsparteien einen sicheren Kanal für die Kommunikation haben.

Der Vertrag erfordert keine Änderungen des geltenden Rechts.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Panama waren bisher vor allem im Wirtschafts- und Handelsbereich ausgeprägt, wie dies unter anderem das Freihandelsabkommen vom 24. Juni 20132 zwischen den EFTA-Staaten und den zentralamerikanischen Staaten oder das Abkommen vom 19. Oktober 19833 zwischen der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung der Republik Panama über die Förderung und den Schutz von Investitionen illustrieren. Die grossen grenzüberschreitenden Korruptionsfälle der letzten Jahre in Latein- und Zentralamerika haben jedoch die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen der Schweiz und den Finanzzentren dieser Region vor Augen geführt. Nun möchten die Schweiz und Panama ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität verstärken. Beide Staaten haben ein Interesse an einer effizienteren Zusammenarbeit in diesem Bereich. Dabei stehen namentlich der Kampf gegen Wirtschaftsdelikte, Geldwäscherei und Korruption im Vordergrund. Neben dem Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Verfolgung und Ahndung von Straftaten im Interesse verstärkter Sicherheit soll auch mit Blick auf die Bemühungen im Zusammenhang mit der Integrität des Finanzplatzes Schweiz verhindert werden, dass die schweizerischen Finanzinstitute für kriminelle Zwecke missbraucht werden können und die Reputation des Finanzplatzes Schaden nimmt.

Ein Bedürfnis für eine wirksamere zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich der Verbrechensbekämpfung besteht darüber hinaus aber generell für alle strafbaren Handlungen. Angesichts einer stetig voranschreitenden Globalisierung und immer modernerer Technologien, etwa im Bereich von Kommunikation und Datenübermittlung, sieht sich der einzelne Staat nämlich mehr und mehr mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten konfrontiert, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Um derartige Straftaten erfolgreich bekämpfen zu können, ist er daher oftmals auf die Unterstützung ausländischer Partnerbehörden angewiesen. Die entsprechenden rechtlichen Grundlagen erleichtern diese Zusammenarbeit; für gewisse Staaten sind sie notwendig.

Zwar existieren auf Ebene des Europarats Instrumente, welche die Strafrechtszusammenarbeit vereinfachen. Für die Schweiz sind dies namentlich das Europäische Übereinkommen vom 20. April
19594 über die Rechtshilfe in Strafsachen (Europäisches Rechtshilfeübereinkommen) und das Zweite Zusatzprotokoll vom 8. November 20015 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, die auch Nicht-Mitgliedstaaten des Europarats zur Ratifikation offenstehen. Bisher haben insgesamt 50 Staaten das Europäische Rechtshilfeübereinkommen ratifiziert, und auch 2 3 4 5

SR 0.632.312.851 SR 0.975.262.7 SR 0.351.1 SR 0.351.12

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dem Zweiten Zusatzprotokoll sind 43 Staaten beigetreten (Stand Juni 2023). Beide Instrumente sind für die Schweiz in Kraft, das Übereinkommen seit 1967 und das Zweite Zusatzprotokoll seit 2005. Panama ist jedoch nicht Vertragspartei dieser multilateralen Instrumente.

Im Juni 2021 signalisierte Panama der Schweiz gegenüber Interesse an der Aushandlung eines Rechtshilfevertrags. Da sich Panama nicht interessiert zeigte, den Instrumenten des Europarats beizutreten, für die Schweiz jedoch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Panama im Bereich der Rechtshilfe wichtig war, erwies sich ein bilaterales Abkommen als unerlässlich. Dieser neue Vertrag ermöglicht den beiden Staaten, ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen die Kriminalität zu verstärken. Eine effizientere Zusammenarbeit in diesem Bereich liegt im Interesse beider Staaten. In der Vergangenheit kam es bereits in mehreren Fällen zur Rechtshilfe zwischen der Schweiz und Panama, wobei meist Finanzdelikte und Korruption im Vordergrund standen. Darüber hinaus besteht das Bedürfnis für eine wirksame Zusammenarbeit generell für alle strafbaren Handlungen. Abgesehen davon, dass er Panama eine effizientere Zusammenarbeit in Strafsachen ermöglicht, war der Abschluss eines Rechtshilfevertrags auch mit Blick auf die bilateralen Beziehungen wünschenswert.

1.2

Geprüfte Alternativen

Das Rechtshilfegesetz vom 20. März 19816 (IRSG) ermöglicht der Schweiz zwar bereits heute auch ohne vertragliche Grundlage eine umfassende Zusammenarbeit mit anderen Staaten. So stützt sich die Zusammenarbeit mit Panama aktuell auf das jeweilige Landesrecht. Das innerstaatliche Recht begründet aber keine Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Damit die Schweiz auch als ersuchender Staat von einer umfassenden, den anderen Staat verpflichtenden Zusammenarbeit profitieren kann, war der Abschluss eines Vertrags notwendig.

1.3

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Im Oktober 2021 unterbreitete Panama der Schweiz einen Vertragsentwurf, der von dieser geprüft wurde. Daraufhin übermittelte die Schweiz im März 2022 einen Vertragsentwurf, der gewisse Elemente des panamaischen Entwurfs übernahm und sich auf das Europäische Rechtshilfeübereinkommen, dessen Zweites Zusatzprotokoll sowie die von der Schweiz bereits früher abgeschlossenen bilateralen Rechtshilfeverträge stützte. Wegen der Covid-19 Pandemie wurden ein erstes Treffen per Videokonferenz und Konsultationen schriftlich durchgeführt. Auf Einladung der Schweizer Behörden fand schliesslich vom 19. bis 21. September 2022 in Bern eine Verhandlungsrunde in sehr angenehmer und konstruktiver Atmosphäre statt. Von Anfang an trat dabei die grosse Bedeutung, die beide Parteien einem Rechtshilfevertrag beimessen, zu Tage. Das panamaische Rechtshilferecht ist mit demjenigen der Schweiz kom6

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patibel, und die von den beiden Staaten ratifizierten Abkommen basieren auf ähnlichen Grundlagen, was die Verhandlungen stark erleichterte. Die Delegationen beider Länder konnten sich daher im Rahmen der vorgenannten Verhandlungsrunde auf einen Vertragstext einigen. Die Geschwindigkeit, mit der die Verhandlungen abgeschlossen werden konnten, erklärt sich zweifelsohne auch mit dem Willen Panamas, gegen Finanzkriminalität zu kämpfen und den eigenen Finanzplatz zu einem stabilen Ort zu machen, der den von wichtigen internationalen Organisationen in diesem Bereich festgelegten Kriterien entspricht.

Der vorliegende Vertrag beruht auf den Grundsätzen des schweizerischen Rechtshilferechts und liegt auf der Linie der von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträge. Bereits bestehende Bestimmungen des IRSG konnten in den Vertrag übernommen werden, wodurch sie völkerrechtlichen Charakter erhalten und für beide Vertragsparteien gleichermassen gelten. Verschiedene Regelungen ermöglichen eine Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens. Mit dem Vertrag wird ein modernes und griffiges Instrument geschaffen, das den Bedürfnissen der Praxis Rechnung trägt und das Fundament für eine wirksamere Bekämpfung länderübergreifender Straftaten legt.

Der Bundesrat genehmigte den Vertrag am 25. Januar 2023. Am 3. März 2023 wurde er von der panamaischen Ministerin für auswärtige Angelegenheiten, Janaina Tewaney Mencomo, und vom Schweizer Botschafter in Panama, Gabriele Derighetti, in Panama-Stadt unterzeichnet.

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20207 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20208 über die Legislaturplanung 2019­2023 aufgeführt. Die Legislaturplanung 2019­2023 legt aber die wirksame Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus als Ziel fest.

Die Vorlage ist von der schweizerischen Politik getragen, das bilaterale Vertragsnetz auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen im Interesse der effizienteren Verbrechensbekämpfung weltweit gezielt auszubauen.9 Damit reiht sie sich ein in die Strategie des Bundesrates, durch vermehrte Kooperation Sicherheit zu gewährleisten (vgl. «Sicherheit durch Kooperation», Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 7. Juni 199910 über die Sicherheitspolitik der Schweiz [SIPOL B 2000]). Die vereinbarte engere Zusammenarbeit trägt somit zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität bei und soll verhindern, dass schweizerische Finanzinstitute für kriminelle Zwecke missbraucht werden. Die Vorlage unter-

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10

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 Vgl. Botschaft vom 23. Januar 2008 zur Legislaturplanung 2007­2011, BBl 2008 753, sowie Botschaft vom 25. Januar 2012 zur Legislaturplanung 2011­2015, BBl 2012 481, die beide die Intensivierung der grenzüberschreitenden Kooperation als Ziel festsetzen.

BBl 1999 7657

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stützt die vom Bundesrat unternommenen Anstrengungen zur Sicherstellung eines integren Finanzplatzes Schweiz.

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Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200511 (VlG) muss bei der Vorbereitung von völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung12 (BV) dem Referendum unterliegen, ein Vernehmlassungsverfahren stattfinden. Dies ist vorliegend der Fall.

Auf ein Vernehmlassungsverfahren kann nach Artikel 3a VlG verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist (Abs. 1 Bst. b).

Der Vertrag reiht sich in die langjährige bundesrätliche Politik ein, das Vertragsnetz im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen weltweit auszubauen. Sein Inhalt stimmt im Wesentlichen mit jenem Rechtshilfeverträge überein, welche die Schweiz bereits abgeschlossen hat. Die Bestimmung über gemeinsame Ermittlungsgruppen entspricht inhaltlich Artikel 20 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen, den Artikeln 80dter­80dduodecies IRSG sowie der Bestimmung über gemeinsame Ermittlungsgruppen im Rechtshilfevertrag mit Kosovo13. Neue Erkenntnisse sind somit von der Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens nicht zu erwarten, da die Positionen der interessierten Kreise bereits bekannt sind. Schliesslich wurde eine Bestimmung über die elektronische Kommunikation in neuer Form in diesen Vertrag aufgenommen. Die elektronische Kommunikation ist allerdings schon im Vierten Zusatzprotokoll vom 20. September 201214 zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vorgesehen. Da sie bereits dort Gegenstand eines Vernehmlassungsverfahrens war, kann angenommen werden, dass in einem Vernehmlassungsverfahren auch zu diesem Punkt keine neuen Erkenntnisse gewonnen würden, zumal es sich bei der Rechtshilfe in Strafsachen um eine weniger einschneidende Form der justiziellen Zusammenarbeit handelt.

Auf eine Vernehmlassung wurde daher gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG verzichtet.

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SR 172.061 SR 101 Vertrag vom 5. April 2022 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kosovo über Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.947.5).

SR 0.353.14

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Grundzüge des Vertrags

Der Rechtshilfevertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Panama bei der Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung strafbarer Handlungen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, einander in diesem Bereich weitestgehende Rechtshilfe zu leisten.

Der Rechtshilfevertrag orientiert sich am Europäischen Rechtshilfeübereinkommen und an dessen Zweiten Zusatzprotokoll sowie am IRSG, deren wichtigste Grundsätze er übernimmt. Wie die bisher von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträge listet der Vertrag die Massnahmen auf, die zur Unterstützung eines Strafverfahrens im anderen Staat ergriffen werden können. Er nennt die Voraussetzungen für die Leistung von Rechtshilfe, schreibt die Informationen vor, die ein Ersuchen enthalten muss, damit es vom ersuchten Staat behandelt werden kann, und regelt die Modalitäten im Zusammenhang mit der Durchführung des Ersuchens. Er statuiert für die Schweiz wichtige Grundsätze wie das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit oder das Spezialitätsprinzip, also die Beschränkung der Verwendung von Informationen oder Beweismitteln. Er legt abschliessend die Gründe fest, bei deren Vorliegen die Rechtshilfe abgelehnt oder aufgeschoben werden kann, wie etwa beim Vorliegen von ernsthaften Gründen zur Annahme, dass der strafrechtlich verfolgten Person wichtige Menschenrechtsgarantien nicht gewährleistet werden können, oder dass sie beispielsweise wegen ihrer politischen Ansichten verfolgt wird. Im Bereich des Datenschutzes (Art. 10) übernimmt der Vertrag die im Rechtshilfevertrag vom 4. Februar 201915 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indonesien neu aufgenommene Bestimmung. Die Bestimmung zur Verantwortlichkeit juristischer Personen (Art. 2 Abs. 2) und diejenige über gemeinsame Ermittlungsgruppen (Art. 25) wurden vom Rechtshilfevertrag in Strafsachen zwischen der Schweiz und Kosovo übernommen.

Schliesslich wurde die Bestimmung betreffend die Übermittlungswege angepasst, um künftig eine elektronische Übermittlung der Ersuchen zu ermöglichen, sofern ein gesicherter Kanal zwischen den beiden Staaten besteht und das Landesrecht der beiden Staaten eine solche Übermittlung zulässt.

Der Vertrag erfordert keine gesetzgeberische Umsetzung in der Schweiz. Er beruht auf den Grundsätzen des bestehenden schweizerischen Rechtshilferechts. Seine Bestimmungen
sind genügend detailliert formuliert und damit direkt anwendbar.

Der Vertrag wurde in französischer, englischer und spanischer Sprache abgeschlossen. Alle drei Sprachversionen sind gleichermassen verbindlich, wobei bei sich widersprechenden Auslegungen die englische Fassung massgeblich ist.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrags

Art. 1

Verpflichtung zur Rechtshilfe in Strafsachen

Der Vertrag begründet zwischen den Vertragsparteien eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen. Die Zusammenarbeit hat dabei im Einklang mit den vertraglich vorgesehenen Bestimmungen im grösstmöglichen 15

SR 0.351.942.7

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Umfang zu erfolgen. Einem Ersuchen um Rechtshilfe ist im Rahmen des Vertrags Folge zu leisten, soweit keine Ausschluss- oder Ablehnungsgründe nach den Artikeln 3 und 4 vorliegen und auch die sonstigen im Vertrag vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die doppelte Strafbarkeit im Falle der Durchführung von Unterstützungshandlungen, die Zwangsmassnahmen erfordern (Art. 6).

Art. 2

Umfang der Rechtshilfe

Absatz 1 führt die Rechtshilfemassnahmen auf, die zugunsten des anderen Staates ergriffen werden können. Es handelt sich dabei um gängige Massnahmen, die im schweizerischen Rechtshilferecht bereits bekannt sind. Eine Auffangklausel (Bst. k) sieht vor, dass auch andere als die ausdrücklich erwähnten Massnahmen angeordnet werden können. Voraussetzung dafür ist aber, dass die entsprechende Massnahme mit den Zielen des Vertrags und dem Recht des ersuchten Staates vereinbar ist. Die Bestimmung ermöglicht Flexibilität im Einzelfall und erlaubt, speziellen Bedürfnissen und künftigen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Absatz 2 erweitert den Anwendungsbereich des Vertrags auf Strafverfahren gegen juristische Personen. Die Tatsache, dass nach dem Recht des ersuchten Staates eine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen im Rahmen des Verwaltungsoder Strafrechts nicht vorgesehen ist, darf nicht als alleinige Begründung für die Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens geltend gemacht werden. Eine identische Regelung findet sich in Artikel 1 Absatz 4 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen.

Absatz 3 übernimmt die mit dem Rechtshilfevertrag mit Indonesien erstmals in einem bilateralen Rechtshilfevertrag eingefügte Verpflichtung, im Einklang mit dem jeweiligen innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates auch in Fiskalsachen eine möglichst weitgehende Rechtshilfe zu gewähren. Nach der Konzeption früherer Rechtshilfeverträge stellte das Vorliegen von Fiskaldelikten einen fakultativen Ablehnungsgrund dar. Weil für die Schweiz weiterhin das IRSG massgebend ist, kommt Absatz 3 in der Praxis für die Schweiz keine eigenständige Bedeutung zu, da er nicht über das hinausgeht, was aufgrund des IRSG zulässig ist (gemäss geltendem Recht Art. 3 Abs. 3 IRSG).

Absatz 4 statuiert einen dem schweizerischen Rechtshilferecht bekannten Grundsatz, wonach der Vertrag auch auf Ersuchen im Zusammenhang mit Straftaten angewendet werden kann, die vor seinem Inkrafttreten begangen worden sind. Explizit findet er sich bereits in den mit Kosovo (Art. 2 Abs. 4), Indonesien (Art. 2 Abs. 2), den USA16 und Australien17 abgeschlossenen Rechtshilfeverträgen. Auf bereits abgeschlossene Rechtshilfeverfahren beziehungsweise im konkreten Fall definitiv abgewiesene Rechtshilfeersuchen findet die Bestimmung aber keine Anwendung.

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Staatsvertrag vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.933.6); Art. 41 Abs. 2.

Rechtshilfevertrag in Strafsachen vom 25. November 1991 zwischen der Schweiz und Australien (SR 0.351.915.8); Art. 22 Abs. 2.

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Art. 3

Unanwendbarkeit

Der Vertrag mit Panama beschränkt sich, wie alle bisher von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträge, auf die akzessorische Rechtshilfe in Strafsachen. Die anderen Bereiche der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, namentlich die Fahndung nach, die Verhaftung und die Inhaftierung von Personen zum Zweck der Auslieferung, die Vollstreckung von Strafurteilen einschliesslich der Überstellung verurteilter Personen zur Verbüssung ihrer Strafe sowie die Übertragung der Strafverfolgung sind von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen.

Die in Artikel 22 vorgesehene Herausgabe von Vermögenswerten, die in der Regel gestützt auf ein Urteil des ersuchenden Staates erfolgt, stellt keinen vertraglich ausgeschlossenen Anwendungsfall von Buchstabe b dar.

Art. 4

Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub der Rechtshilfe

Absatz 1 enthält eine abschliessende Aufzählung von Gründen, bei deren Vorliegen die Rechtshilfe abgelehnt werden kann. Es handelt sich dabei um die für die Schweiz üblichen Ablehnungsgründe, wie sie bereits in den früheren Rechtshilfeverträgen aufgeführt sind. Sie betreffen politische und militärische Straftaten (Bst. a und b), Fälle, in denen die Ausführung des Ersuchens die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere Landesinteressen beeinträchtigen würde (Bst. c), gerichtlich bereits rechtskräftig beurteilte Handlungen (Bst. d) sowie verschiedene menschenrechtsrelevante Konstellationen (Bst. f und g). Die Verjährung der dem Ersuchen zugrundeliegenden Tat stellt einen weiteren möglichen Ablehnungsgrund dar (Bst. e).

Liegt in einem konkreten Fall ein Ablehnungsgrund nach Absatz 1 vor, so ist das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates massgeblich für den Entscheid, ob die Rechtshilfe zu verweigern ist. Für die Schweiz gelangen in diesem Zusammenhang vor allem die Artikel 1a, 2, 3 und 5 IRSG zur Anwendung. Bei Vorliegen eines dieser Gründe muss die Rechtshilfe abgelehnt werden. Der Begriff der «öffentlichen Ordnung» (vgl. Bst. c) schliesst nach schweizerischer Rechtsauffassung auch die Beachtung der Grundrechte ein. Dazu gehören insbesondere das Recht auf Leben, das Verbot der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie die grundlegenden Verfahrensgarantien, wie sie sich auf europäischer Ebene in der Konvention des Europarats vom 4. November 195018 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und auf universeller Ebene im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 196619 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) finden. Die explizite Nennung der menschenrechtsrelevanten Verweigerungsgründe (Bst. f und g) erhöht die Rechtssicherheit und verstärkt zusätzlich die Bedeutung, die der Beachtung der Menschenrechte zugemessen wird.

Bei der Anwendung des vorliegenden Vertrags sind die Vertragsparteien demnach an die jeweiligen Verpflichtungen aus den von ihnen unterzeichneten internationalen Menschenrechtsinstrumenten gebunden. Sowohl die Schweiz als auch Panama haben den UNO-Pakt II ratifiziert. Beide Vertragsparteien sind zudem einem regionalen

18 19

SR 0.101 SR 0.103.2

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Menschenrechtsinstrument beigetreten, die Schweiz der EMRK und Panama der Amerikanischen Menschenrechtskonvention vom 22. November 1969.

Absatz 2 räumt den Vertragsparteien die Möglichkeit ein, die Rechtshilfe zugunsten eines eigenen Strafverfahrens aufzuschieben. Werden zum Beispiel im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens Beweismittel verlangt, die der ersuchte Staat in einem eigenen Strafverfahren benötigt, so kann mit deren Herausgabe zugewartet werden, bis das Verfahren im ersuchten Staat abgeschlossen ist.

Absatz 3 regelt das Verfahren, das zu befolgen ist, bevor die Rechtshilfe abgelehnt oder aufgeschoben wird: In diesem Fall ist der ersuchende Staat über die Gründe, aus denen eine Ablehnung oder ein Aufschub in Erwägung gezogen wird, in Kenntnis zu setzen (Bst. a). Gleichzeitig hat der ersuchte Staat zu prüfen, ob er teilweise oder unter bestimmten Bedingungen trotzdem Rechtshilfe leisten kann. Eigentlich selbstredend ist der Zusatz, wonach die gestellten Bedingungen in der Folge im ersuchenden Staat eingehalten werden müssen (Bst. b).

Art. 5

Anwendbares Recht

Grundsätzlich ist für die Durchführung von Rechtshilfeersuchen das Recht des ersuchten Staates massgebend (Abs. 1). In der Schweiz sind dies das IRSG sowie ergänzend dazu namentlich die Strafprozessordnung (StPO)20.

Eine Abweichung von diesem Grundsatz ermöglicht Absatz 2. Auf ausdrücklichen Wunsch des ersuchenden Staates kann ein Verfahren nach dessen Bestimmungen durchgeführt werden, wenn das Recht des ersuchten Staates dem nicht entgegensteht.

Damit soll vermieden werden, dass die Verwendung rechtshilfeweise erhaltener Informationen als Beweismittel im ersuchenden Staat scheitert oder unverhältnismässig erschwert wird, weil sie im Ausland nicht nach dem Verfahren erhoben worden sind, wie es das Recht des ersuchenden Staates vorsieht. Ähnliche Regelungen finden sich in Artikel 65 IRSG und Artikel 8 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen.

Art. 6

Doppelte Strafbarkeit und Zwangsmassnahmen

Jede Vertragspartei kann ein Rechtshilfeersuchen ablehnen, wenn für die Ausführung Zwangsmassnahmen erforderlich sind und die Tat, die dem Rechtshilfeersuchen zu Grunde liegt, nicht in beiden Vertragsstaaten strafbar ist (Abs. 1). Ist die Schweiz ersuchter Staat, so darf sie in einem Rechtshilfeverfahren Zwangsmassnahmen nur dann anordnen, wenn der im Ersuchen aufgeführte Sachverhalt alle objektiven Merkmale eines schweizerischen Straftatbestands erkennen lässt. Dieses Erfordernis der sogenannten doppelten Strafbarkeit für die Anordnung von Zwangsmassnahmen ist ein wesentliches Element des schweizerischen Rechtshilferechts. Es ist in Artikel 64 IRSG und in der Erklärung der Schweiz zu Artikel 5 Absatz 1 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens verankert. Artikel 64 Absatz 2 IRSG führt zwei Ausnahmen auf, bei deren Vorliegen auch ohne beidseitige Strafbarkeit Zwangsmassnahmen angeordnet werden können. Dies betrifft Massnahmen zur Entlastung der verfolgten 20

SR 312.0

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Person sowie zur Verfolgung von Taten, bei denen es sich um sexuelle Handlungen mit Unmündigen handelt. Die neue Formulierung, wonach ein Staat Rechtshilfe ablehnen kann, wenn keine doppelte Strafbarkeit vorliegt, bedeutet eine Lockerung des Prinzips der doppelten Strafbarkeit zugunsten der Schweiz. Die Schweiz verlangt bei der Anordnung von Zwangsmassnahmen immer eine doppelte Strafbarkeit. Umgekehrt könnte Panama gestützt auf die neue Formulierung auch dann Zwangsmassnahmen anordnen, wenn die Schweiz Rechtshilfe für eine Tat beantragt, die in der Schweiz strafbar ist, nicht aber in Panama. Verlangt das panamaische Recht keine doppelte Strafbarkeit bei Rechtshilfeersuchen, die Panama erhält, könnte die Schweiz damit eine weitergehende Rechtshilfe erhalten als sie gewährt, falls Panama solche Ersuchen annimmt, ohne Gegenrecht zu verlangen.

Absatz 2 präzisiert das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit. Entscheidend ist dabei, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale einer in beiden Staaten strafbaren Handlung vorliegen. Nicht entscheidend ist hingegen die Übereinstimmung der Bezeichnung der betreffenden Tat oder die Zuordnung zu einer gleichen Kategorie von Straftaten.

Die Zwangsmassnahmen sind in Absatz 3 aufgeführt. Die Liste entspricht der schweizerischen Rechtsauffassung von Zwangsmassnahmen. Eine analoge Aufzählung findet sich bereits in früheren Rechtshilfeverträgen.21 Absatz 4 präzisiert, dass die doppelte Strafbarkeit nicht notwendig ist, wenn die Ausführung des Ersuchens keine Zwangsmassnahmen erfordert. Dies ist zum Beispiel bei einem Ersuchen um Zustellung von Verfahrensurkunden der Fall.

Art. 7

Vorläufige Massnahmen

Diese in der Praxis wichtige Bestimmung ermöglicht auf Verlangen des ersuchenden Staates die Anordnung vorläufiger Massnahmen zur Sicherung von Beweisen, zur Aufrechterhaltung eines bestehenden Zustands oder zum Schutz bedrohter rechtlicher Interessen (Abs. 1). Sie ist Artikel 18 Absatz 1 IRSG nachempfunden und findet sich als Grundsatz auch in Artikel 24 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen. Die zuständige Behörde des ersuchten Staates ordnet die entsprechenden Massnahmen wie etwa eine Kontensperre an, soweit keine offensichtlichen Gründe vorliegen, die im konkreten Fall gegen die Leistung von Rechtshilfe sprechen. Der ersuchte Staat kann die vorläufige Massnahme auch teilweise anordnen oder an Bedingungen knüpfen.

Ist Gefahr im Verzug, können vorläufige Massnahmen bereits vor Einreichung eines formellen Rechtshilfeersuchens angeordnet werden (Abs. 2). Es genügt, wenn das Ersuchen schriftlich angekündigt wird. Die Informationen des ersuchenden Staates müssen aber so beschaffen sein, dass der ersuchte Staat überprüfen kann, ob alle Voraussetzungen vorliegen, um die verlangte Massnahme anzuordnen. Der ersuchte Staat hat die Massnahme unter Wahrung der Verhältnismässigkeit zeitlich zu befristen. Zu diesem Zweck setzt er dem anderen Staat eine den Verhältnissen angepasste Frist für die Einreichung des formellen Ersuchens um Rechtshilfe. Nach unbenutztem Ablauf der Frist muss die Massnahme aufgehoben werden.

21

Vgl. etwa die Rechtshilfeverträge mit Kosovo (Art. 6 Abs. 3), Indonesien (Art. 6 Abs. 3) oder Kolumbien (SR 0.351.926.3; Art. 7 Abs 2).

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Art. 8

Beschränkte Verwendung von Auskünften, Schriftstücken und Gegenständen

Das für die Schweiz in der Rechtshilfe bedeutende Spezialitätsprinzip beschränkt die Verwendung der rechtshilfeweise übermittelten Informationen und Unterlagen durch den ersuchenden Staat. Will dieser die erhaltenen Informationen und Unterlagen für einen anderen Zweck als im Ersuchen aufgeführt verwenden, muss er die Zustimmung der Zentralbehörde des ersuchten Staates einholen (Abs. 1).

Absatz 2 definiert Ausnahmen, bei deren Vorliegen keine vorgängige Zustimmung der Zentralbehörde notwendig ist (Bst. a­c). Die in den Buchstaben a und b vorgesehenen Ausnahmen entsprechen denjenigen des Artikels 67 Absatz 2 IRSG. Die dritte Ausnahme betrifft Verfahren bezüglich der Leistung von Schadenersatz im Zusammenhang mit Verfahren, für die bereits Rechtshilfe gewährt wurde. Diesfalls ist keine zusätzliche Zustimmung notwendig.

Art. 9

Vertraulichkeit

Die Bestimmung zur Vertraulichkeit ist relativ neu in einem bilateralen Rechtshilfevertrag. Sie wurde bereits in den Vertrag mit Kosovo (Art. 9) aufgenommen. In bestimmten Fällen kann eine vorzeitige Bekanntgabe der strafrechtlichen Ermittlung diese gefährden. Unter solchen Umständen ist es unabdingbar, die Vertraulichkeit des Rechtshilfeersuchens zu bewahren und die Einsicht in Schriftstücke sowie die Mitwirkung am Verfahren zu beschränken. Die Vertraulichkeit und die Mitwirkungsbeschränkung bestimmen sich nach dem innerstaatlichen Recht der jeweiligen Vertragspartei. Für die Schweiz sieht Artikel 80 Absatz 2 IRSG die Beschränkung des Teilnahme- und des Akteneinsichtsrechts in bestimmten Fällen vor.

Art. 10

Personenbezogene Daten

Artikel 10 übernimmt die mit dem Rechtshilfevertrag mit Indonesien erstmals in einem bilateralen Rechtshilfevertrag eingefügte Bestimmung zum Schutz personenbezogener Daten, die aufgrund des Vertrags übermittelt werden (Art. 9). Die Aufnahme der Bestimmung war Folge der EU-Datenschutzgesetzgebung im Bereich der polizeilichen und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (vgl. Richtlinie [EU] 2016/68022). Die Schweiz hat sich auf der Grundlage des Schengen-Assoziierungsabkommens mit der EU23 grundsätzlich verpflichtet, Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands zu akzeptieren, umzusetzen und anzuwenden. Die Richtlinie (EU) 2016/680 entspricht einer solchen Weiterentwicklung. Sie verpflichtet die SchengenStaaten beziehungsweise die betroffenen Behörden dazu, personenbezogene Daten zu schützen, die zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung bearbeitet werden. Sie verankert auch 22

23

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2000/383/JI des Rates, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 89.

SR 0.362.31

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Grundsätze, welche die Schengen-Staaten mit Blick auf die Bearbeitung, Übermittlung und Verwendung personenbezogener Daten im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen zu berücksichtigen haben: So sind bei der Übermittlung personenbezogener Daten an Drittstaaten oder internationale Organisationen insbesondere die Grundsätze in Artikel 35 und 37 zu berücksichtigen. Artikel 11f IRSG setzt diese Vorgaben um. Er sieht etwa vor, dass ein angemessener Schutz der personenbezogenen Daten unter anderem durch einen internationalen Vertrag gewährleistet werden kann (Abs. 2 Bst. b). Entsprechend statuiert Artikel 10 allgemeine, auch für den Bereich der Strafrechtshilfe relevante Grundsätze und verpflichtet die Vertragsparteien zum Schutz der im Rahmen der Rechtshilfe bearbeiteten Daten sowie zur Gewährung der Rechte, die den von der Datenübermittlung betroffenen Personen im Zusammenhang mit ihren Daten zustehen. Die Bestimmungen gelten in der Schweiz bereits heute.24 In der vorliegenden vertraglichen Form dient die Bestimmung namentlich dazu, dass auch Panama den entsprechenden Grundsätzen nachkommt.

Im Einzelnen verdienen folgende Punkte besondere Erwähnung: Das in Absatz 1 statuierte Prinzip der Zweckgebundenheit stellt die datenschutzrechtliche Seite der in Artikel 8 festgelegten Verwendungsbeschränkung aus rechtshilfeimmanenten Gründen dar. Der ersuchte Staat kann die Verwendung der übermittelten Unterlagen an gewisse Bedingungen knüpfen. Diese müssen vom ersuchenden Staat eingehalten werden. Will der Empfängerstaat die Daten auch für andere Zwecke verwenden, muss er vorgängig die Genehmigung des übermittelnden Staates einholen. In den in Artikel 8 Absatz 2 Buchstaben a­c vorgesehenen Fällen ist dies nicht erforderlich. Dies ist eine notwendige Folge der entsprechenden Ausnahmen vom Spezialitätsprinzip: Im gleichen Rahmen, wie ein Staat die rechtshilfeweise übermittelten Informationen und Unterlagen ohne vorgängige Zustimmung des übermittelnden Staates für einen anderen Zweck als im Ersuchen aufgeführt verwenden darf, muss auch die datenschutzrechtliche Genehmigungspflicht entfallen. Aus diesem Grund ist die gleiche enge Auslegung der Ausnahmeregelung anzuwenden.

Nach Absatz 2 Buchstabe a werden auf dem Weg der Rechtshilfe nur Daten übermittelt, die einen Bezug zum Ersuchen haben. Auch andere
in Absatz 2 aufgestellte datenschutzrechtliche Grundsätze, beispielsweise die Berichtigung falscher Daten oder die Nachvollziehbarkeit der Datenübermittlung, die etwa durch eine entsprechende Dokumentierung im relevanten Geschäftsverwaltungssystem gewährleistet werden kann (Bst. d), entsprechen geltendem schweizerischem Recht. Da Panama die Daten nicht vernichten kann, ist bei unrichtiger Übermittlung eine Rücksendung der Daten an den übermittelnden Staat vorgesehen (Bst. c). Zudem gilt die Verpflichtung, die Daten vor Verlust, Vernichtung, Veränderung, unbefugtem Zugriff oder unbefugter

24

Vgl. u.a. die relevanten Bestimmungen des Schengen-Datenschutzgesetzes vom 28. September 2018 (SR 235.3), das per 1. September 2023 durch das Datenschutzgesetz vom 25. September 2020 aufgehoben wird, welches seinen Inhalt übernimmt, in Verbindung mit dem Ersten Teil, Kapitel 1b, IRSG; ferner der bereits früher bestehende Art. 11a IRSG betreffend das elektronische Personen-, Akten- und Geschäftsverwaltungssystem des BJ in Verbindung mit der gleichnamigen Verordnung vom 23. September 2016 (SR 351.12), Art. 80b IRSG (Teilnahme am Verfahren und Akteneinsicht) und Art. 80e ff. IRSG (Rechtsmittel).

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Nutzung zu schützen (Abs. 3), was namentlich durch technische Voreinstellungen sichergestellt wird.

Nach Absatz 4 müssen die Vertragsparteien die Rechte der von der Datenübermittlung betroffenen Personen hinsichtlich Auskunft, Berichtigung oder Rücksendung von Daten oder Einschränkung der Verarbeitung gewährleisten. Diese Rechte können unter gebührender Berücksichtigung der Grundrechte des Einzelnen eingeschränkt werden, oder ihre Geltendmachung kann aufgeschoben werden, wenn dies aus berechtigten Interessen, namentlich zum Schutz der öffentlichen und nationalen Sicherheit, im Interesse der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist (Abs. 5). Die Artikel 15 und 16 der Richtlinie (EU) 2016/680 sehen identische Gründe für die Einschränkung der Rechte der von der Datenübermittlung betroffenen Person vor. In der Schweiz sind die Artikel 11b, 11d und 80b IRSG massgebend, ergänzt durch die einschlägigen Bestimmungen betreffend das Rechtsmittelverfahren nach den Artikeln 80e­80l IRSG.

Art. 11

Anwesenheit von Personen, die am Verfahren teilnehmen

Die Bestimmung erlaubt Personen, die am ausländischen Verfahren beteiligt sind (z.B. Untersuchungsrichter, Staatsanwälte, Strafverteidiger), beim Vollzug des Rechtshilfeersuchens im ersuchten Staat anwesend zu sein, sofern der ersuchte Staat dem zustimmt. Eine analoge Bestimmung findet sich in Artikel 4 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens.

Ist die Schweiz ersuchter Staat, ist für die Umsetzung der Bestimmung Artikel 65a IRSG massgebend. Die Verfahrensleitung obliegt jederzeit der zuständigen schweizerischen Rechtshilfebehörde.

Art. 12

Zeugenaussagen im ersuchten Staat

Die Bestimmung umschreibt das Verfahren, wenn eine Person im ersuchten Staat als Zeugin oder Zeuge einvernommen werden muss. Die Einvernahme erfolgt nach dem Recht des ersuchten Staates. Mit Bezug auf das Zeugnisverweigerungsrecht kann sich die betroffene Person aber ebenfalls auf das Recht des ersuchenden Staates berufen (Abs. 1). Macht sie ein entsprechendes Zeugnisverweigerungsrecht geltend, müssen die Behörden des ersuchenden Staates dem ersuchten Staat mitteilen, ob die Aussageverweigerung gemäss dem Recht des ersuchenden Staates zulässig ist (Abs. 2). Die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht darf in keinem Fall rechtliche Sanktionen nach sich ziehen (Abs. 3).

Art. 13­15

Erscheinen von Zeuginnen, Zeugen und Sachverständigen im ersuchenden Staat

Diese Bestimmungen decken sich weitestgehend mit der Regelung im Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (Art. 8­10 und Art. 12). Aus Gründen, die mit dem panamaischen Recht zusammenhängen, wurde der Titel von Artikel 15 geändert. Inhaltlich wird in dieser Bestimmung das freie Geleit geregelt. Wie im Vertrag mit Kosovo (Art. 15 Abs. 4) gilt ­ dem Europäischen Rechtshilfeübereinkommen entsprechend ­ für vorgeladene Zeuginnen, Zeugen und Sachverständige betreffend vor der Abreise 14 / 24

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aus dem ersuchten Staat begangene Straftaten oder Verurteilungen eine 15-tägige Schutzfrist vor Verfolgung und Freiheitsbeschränkung. Für vorgeladene Angeschuldigte besteht eine entsprechende Schutzfrist mit Bezug auf nicht in der Vorladung aufgeführte Handlungen oder Verurteilungen (Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Abs. 4).

Art. 16

Umfang der Zeugenaussage im ersuchenden Staat

Artikel 16 verdeutlicht, dass eine als Zeugin oder Zeuge im ersuchenden Staat vorgeladene Person zu einer Zeugenaussage oder auch zur Herausgabe von Beweismitteln verpflichtet werden kann, sofern sie weder nach dem Recht des ersuchenden noch nach dem Recht des ersuchten Staates ein Zeugnisverweigerungsrecht hat (Abs. 1).

Macht sie ein entsprechendes Zeugnisverweigerungsrecht gestützt auf das Recht des ersuchten Staates geltend, müssen dessen Behörden dem ersuchenden Staat mitteilen, ob die Aussageverweigerung gemäss dem Recht des ersuchten Staates zulässig ist.

Die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht darf in keinem Fall rechtliche Sanktionen nach sich ziehen (Abs. 2).

Die Verwendung der durch die Zeugenaussage erlangten Informationen ist in Artikel 8 geregelt. Sie ist auf das Verfahren beschränkt, in dem die Zeugenaussage erhoben wurde. Eine andere Verwendung bedarf der Genehmigung des ersuchten Staates, mit Ausnahme der in Artikel 8 Absatz 2 ausdrücklich genannten Fälle. Die Vorschriften von Artikel 12 über die Zeugnisverweigerung finden ebenfalls Anwendung.

Art. 17

Vorübergehende Überführung inhaftierter Personen

Die Bestimmung ist Artikel 11 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens nachgebildet. Sie wird ergänzt durch Absatz 4, wonach die aus der Überführung in den ersuchenden Staat resultierende Haft an die Dauer der Freiheitsstrafe, welche die betroffene Person im ersuchten Staat zu verbüssen hat, angerechnet werden muss. Diese Bestimmung findet sich bereits in früheren Rechtshilfeverträgen.

Art. 18

Einvernahme per Videokonferenz

Die Bestimmung übernimmt die Grundsätze von Artikel 9 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen. Wie bereits in früheren Rechtshilfeverträgen regelt sie die Voraussetzungen und Modalitäten, unter denen eine Person im ersuchten Staat über eine direkte Videoverbindung als Zeugin, Zeuge oder sachverständige Person einvernommen werden kann, sich also nicht in den ersuchenden Staat begeben muss. Zum Tragen kommt die Bestimmung dann, wenn ein persönliches Erscheinen im ersuchenden Staat nicht geeignet oder nicht möglich ist (Abs. 1). Kriterien wie Alter und Gesundheitszustand der betroffenen Person können dabei ebenso für eine Einvernahme per Videokonferenz sprechen wie der Zeugenschutz oder die Flucht- oder Kollusionsgefahr. Weitere denkbare Anwendungsfälle sind etwa Situationen, in denen sich die betroffene Person ins Ausland abgesetzt hat, weil sie im ersuchenden Staat eine Strafverfolgung riskiert, oder Fälle, in denen ihre Anwesenheit im ersuchten Staat für ein anderes Verfahren notwendig ist oder in denen ein Auslieferungsverfahren zugunsten eines Drittstaates läuft. Gerade auch während

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der Covid-19 Pandemie hat sich die Einvernahme per Videokonferenz als wichtiges Instrument in der Rechtshilfezusammenarbeit erwiesen.

Sind die Voraussetzungen für die Durchführung einer Videokonferenz gegeben, ist sie vom ersuchten Staat zu bewilligen, wenn deren Einsatz seinen Grundprinzipien nicht zuwiderläuft (Abs. 2). Für die Schweiz bedeutet dies insbesondere, dass das Recht auf einen fairen Prozess gewährleistet sein muss. Die Einvernahme per Videokonferenz darf indessen nicht einzig mit der Begründung abgelehnt werden, das Recht des ersuchten Staates sehe dies nicht vor, oder gewisse Detailvoraussetzungen für die Einvernahme seien nach seinem innerstaatlichen Recht nicht gegeben. Eine fehlende technische Vorrichtung ist kein genügender Ablehnungsgrund, vorausgesetzt, der ersuchende Staat kann die erforderliche technische Ausrüstung zur Verfügung stellen.

Die innerstaatliche Grundlage für die Durchführung von Videokonferenzen findet sich in Artikel 144 Absatz 1 StPO.

Zu den wichtigsten Verfahrensregeln gehört, dass bei der Einvernahme, die von einer Vertreterin oder von einem Vertreter des ersuchenden Staates durchgeführt wird, die Einhaltung der Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates gewährleistet sein muss (Abs. 4 Bst. a). Ist die Schweiz ersuchter Staat, so hat die anwesende schweizerische Justizbehörde insbesondere dann einzuschreiten, wenn die ersuchende ausländische Justizbehörde während der Einvernahme zu unredlichen oder unkorrekten Mitteln zur Beeinflussung der Einvernahme greift. Es sind auch Massnahmen zum Schutz der einzuvernehmenden Person möglich (Bst. b), und wie bei einer klassischen Einvernahme kann ihr im Bedarfsfall eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden (Bst. d). Für das Zeugnisverweigerungsrecht gelten dieselben Regeln wie bei einer herkömmlichen Einvernahme (Bst. e). Das nach Absatz 5 vorgeschriebene Protokoll beschränkt sich auf die Umstände der Einvernahme (Ort, Datum, beteiligte Personen etc.). Der Wortlaut der Aussage muss nicht wiedergegeben werden.

Auch einer Straftat verdächtige oder beschuldigte Personen können grundsätzlich per Videokonferenz einvernommen werden, jedoch nur mit ihrer Einwilligung. Dem ersuchten Staat steht es frei, ob er einem solchen Ersuchen entsprechen will (Abs. 7).

Art. 19­21

Übermittlung von Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder Beweismitteln; Akten von Gerichten, Strafverfolgungsoder Untersuchungsbehörden; Strafregister und Austausch von Strafnachrichten

Artikel 19 befasst sich mit einem Hauptelement der Rechtshilfe, der Übermittlung von Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder Beweismitteln, die der ersuchende Staat für sein Strafverfahren verlangt hat. Die Modalitäten der Herausgabe entsprechen sinngemäss der Regelung von Artikel 74 IRSG. Artikel 20 präzisiert, dass auf Ersuchen hin auch Akten von Gerichten, Strafverfolgungs- und Untersuchungsbehörden herauszugeben sind, wenn sie für ein Gerichtsverfahren von Bedeutung sind. Diese müssen grundsätzlich ein abgeschlossenes Verfahren betreffen. Über die Herausgabe von Akten aus einem laufenden Verfahren entscheidet die zuständige Behörde des ersuchten Staates. Artikel 21 sieht nach Massgabe des jeweiligen nationalen Rechts auch die Herausgabe von Strafregisterauszügen vor. Grundlage dafür ist in der 16 / 24

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Schweiz die VOSTRA-Verordnung vom 19. Oktober 202225. Angesichts des umfassenden Umbaus des Strafregisters ermöglicht der Verweis auf das nationale Recht die erforderliche Flexibilität, um neue Entwicklungen zu berücksichtigen. Aktuell gilt für die Herausgabe der Standard von Artikel 13 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens, wie er bereits in früheren Rechtshilfeverträgen verankert ist.

Art. 22

Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten

Artikel 22 stellt einen weiteren wichtigen Pfeiler der Rechtshilfe dar, der die Übermittlung der Beweismittel nach den Artikeln 19­21 ergänzt und von grosser praktischer Bedeutung ist. Die Regelung steht im Einklang mit Artikel 74a IRSG.

Absatz 1 schafft die Grundlage dafür, dass beschlagnahmte Gegenstände oder Vermögenswerte, die aus einer strafbaren Handlung stammen, dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einziehung oder die Herausgabe an die berechtigte Person herausgegeben werden können. Die Bestimmung erfasst sowohl Tatwerkzeuge als auch den Ertrag einer Straftat, wozu auch allfällige Ersatzwerte gehören. Bevor die Herausgabe erfolgen kann, müssen allfällige Ansprüche gutgläubiger Drittpersonen befriedigt worden sein. In der Praxis wird es sich meist um Ersuchen um Rückgabe von Geldern handeln, die auf Ersuchen rechtshilfeweise beschlagnahmt worden sind.

Nach Absatz 2 ist für die Herausgabe im Regelfall ein rechtskräftiger Einziehungsentscheid des ersuchenden Staates notwendig. In Ausnahmefällen kann der ersuchte Staat von dieser Regelung abweichen und die Gegenstände oder Vermögenswerte bereits zu einem früheren Zeitpunkt herausgeben. Die vorzeitige Herausgabe kann zum Tragen kommen, wenn es klare Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte deliktisch erworben worden sind und einwandfrei einer bestimmten Person oder Personengruppe zugeordnet werden können. In einem solchen Fall ist es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht angezeigt, dass die Schweiz dem ersuchenden Staat das Deliktsgut bis zum Abschluss des Strafverfahrens vorenthält.26 Art. 23

Teilung eingezogener Vermögenswerte

Die Teilung eingezogener Vermögenswerte ist ein wichtiges Mittel, um die internationale Zusammenarbeit zu fördern. Dadurch, dass ein Staat, der durch seine Kooperation einen Beitrag zum Erfolg eines Einziehungsverfahrens leistet, finanziell an diesem Erfolg teilhaben kann, soll er ermutigt werden, auch künftig eine wirkungsvolle Zusammenarbeit sicherzustellen.

Absatz 1 statuiert den Grundsatz der Teilung eingezogener Vermögenswerte. Für den konkreten Einzelfall muss eine Teilungsvereinbarung abgeschlossen werden, worin sich die Vertragsparteien über die konkreten Modalitäten wie Voraussetzungen oder Verteilschlüssel einigen (Abs. 2). Ist die Schweiz einziehender Staat, ist das Bundesgesetz vom 19. März 200427 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte massgebend. Die Bestimmung über die Teilung eingezogener Vermögenswerte soll in ers25 26 27

SR 331 BGE 131 II 169 E. 6 (Rechtshilfe an Nigeria).

SR 312.4

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ter Linie die Reziprozität sicherstellen. Gestützt darauf kann auch die Schweiz eine Teilung erwirken, wenn Vermögenswerte in Panama eingezogen werden.

Art. 24

Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen

Diese Bestimmung deckt sich mit der Regelung von Artikel 7 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens.

Art. 25

Gemeinsame Ermittlungsgruppen

Artikel 25 übernimmt die Bestimmung zur Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen (GEG), die in den Vertrag mit Kosovo (Art. 26) aufgenommen wurde. In der Schweiz ist diese Rechtshilfemassnahme seit Juli 2021 in den Artikeln 80dter­ 80dduodecies IRSG geregelt. Die Vertragsbestimmung stellt auf dieser Grundlage Reziprozität sicher. Wie auch von Artikel 80dduodecies IRSG vorgesehen, sind das Ziel und die Bedingungen, unter denen eine GEG eingesetzt wird, von den zuständigen Behörden in einer spezifischen Vereinbarung festzulegen (Abs. 2).

Art. 26­32

Verfahren: Zentralbehörde; Form des Ersuchens und Übermittlungswege; Inhalt und Ausführung des Ersuchens; Beglaubigung; Sprache; Ausführungskosten

Die Regelung für das eigentliche Rechtshilfeverfahren entspricht weitestgehend derjenigen in den bisherigen Rechtshilfeverträgen. Sie geht auf Bestimmungen im Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (Art. 14­17 und 20) und in dessen Zweiten Zusatzprotokoll (Art. 4 und 5) zurück. Besondere Erwähnung verdienen folgende Bestimmungen: Art. 26 und 29 Zentralbehörde; Ausführung des Ersuchens Eine wichtige Funktion im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens kommt den Zentralbehörden zu, die als Anlaufstelle für die Übermittlung und Entgegennahme von Rechtshilfeersuchen dienen und fortan direkt miteinander verkehren (Art. 26 Abs. 2). Im Rahmen der Behandlung der Ersuchen sind sie für deren Vorprüfung und, soweit sie diese nach ihrem innerstaatlichen Recht nicht selber behandeln, für ihre Weiterleitung an die zuständigen nationalen Behörden zuständig, wobei sie die Koordination der Ausführung beibehalten (Art. 26 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 2). Ergibt sich aus der summarischen Vorprüfung, dass ein Ersuchen Mängel aufweist, verlangt die Zentralbehörde eine entsprechende Nachbesserung (Art. 29 Abs. 1). Nach dem Vollzug des Ersuchens durch die zuständige Rechtshilfebehörde kontrolliert die Zentralbehörde, ob das Ersuchen vollständig ist, bevor sie die rechtshilfeweise erhobenen Informationen und Beweismittel an die Zentralbehörde des ersuchenden Staates übermittelt (Art 29 Abs. 3). Generell nehmen die Zentralbehörden zudem eine Vermittlungsfunktion ein, wenn zwischen ersuchender und ersuchter Behörde Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit entstehen.

Schweizerische Zentralbehörde ist das Bundesamt für Justiz (BJ, Art. 26 Abs. 1), dem gemäss dem IRSG die erwähnten Prüfungs-, Übermittlungs- und Kontrollfunktionen zukommen (z.B. Art. 17 Abs. 2­4, 29, 78 und 79 IRSG). Während die Übertragung 18 / 24

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des Vollzugs ausländischer Rechtshilfeersuchen an die zuständigen kantonalen Staatsanwaltschaften oder Behörden des Bundes, etwa die Bundesanwaltschaft oder das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, dabei den Regelfall darstellt, kann das BJ im Rahmen von Artikel 79a IRSG in gewissen Fällen auch selber über die Ausführung eines Ersuchens entscheiden.

Art. 27

Form des Ersuchens und Übermittlungswege

Diese Bestimmung wurde im Vergleich zu früheren Verträgen vollständig geändert.

Sie sieht vor, dass Rechtshilfeersuchen, wie bis anhin, schriftlich übermittelt werden, erleichtert aber die elektronische Übermittlung, wenn sich die Vertragsparteien darauf einigen. Eine elektronische Übermittlung ist nur möglich, wenn ein sicherer Übermittlungskanal besteht und soweit das nationale Recht beider Staaten dies zulässt. Gestützt auf das Vierte Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen ist im Bereich der Auslieferung eine elektronische Übermittlung von Ersuchen bereits möglich. Die Covid-19 Pandemie hat aufgezeigt, dass die Möglichkeit, auf elektronischem Weg zu kommunizieren, zwischen den Staaten bei Rechtshilfeverfahren in Strafsachen wichtig ist. Eine entsprechende Bestimmung erlaubt, die Rechtshilfe unter Wahrung der innerstaatlichen Verpflichtungen der Schweiz zu beschleunigen.

Art. 28

Inhalt des Ersuchens

Diese Bestimmung führt die Angaben, die in einem Rechtshilfeersuchen enthalten sein müssen, detailliert auf. Im Interesse zusätzlicher Transparenz und Klarheit ist die Auflistung wie im Rechtshilfevertrag mit Indonesien (Art. 27) oder Kosovo (Art. 29) und im Vergleich zu früheren Rechtshilfeverträgen ausführlicher ausgefallen. Die Liste soll dazu beitragen, die zeitraubende Rückweisung von Ersuchen an den ersuchenden Staat zur Ergänzung oder Verbesserung möglichst zu vermeiden.

Art. 30

Befreiung von jeder Beglaubigung, Echtheitsbestätigung und anderen Formerfordernissen

Die Befreiung von der Beglaubigungspflicht, wie sie zwischen den Vertragsstaaten des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens schon lange selbstverständlich ist, stellt im Verkehr mit anderen Staaten einen wichtigen Fortschritt dar, da diese Länder prozessualen Formalitäten oftmals einen grossen Wert beimessen. Durch das BJ als Zentralstelle übermittelte Beweismittel werden in Panama ohne zusätzliche Erklärung oder Beglaubigungsnachweise zum Beweis zugelassen, was zur Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens beiträgt.

Art. 32

Ausführungskosten

Die ausgehandelte Kostenregelung entspricht dem, was auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe üblich ist: Rechtshilfe wird in der Regel unentgeltlich geleistet.

Ausnahmen sind nur in den ausdrücklich erwähnten Fällen möglich, wozu im Rechtshilfeverkehr mit Panama nach Absatz 1 Buchstabe e auch die Kosten im Zusammenhang mit verdeckten Überwachungsmassnahmen gehören, soweit diese angeordnet 19 / 24

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werden können (vgl. z.B. Art. 18a und 18b IRSG) und sofern nichts anderes vereinbart wird.

Art. 33

Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen und Beweismitteln

Im Laufe eigener Ermittlungen und Strafverfolgungen können die Behörden eines Staates zu Informationen gelangen, die möglicherweise auch für die Justizbehörden eines anderen Staates von Bedeutung sind. In solchen Fällen liegt es im Interesse der Strafverfolgung, dass die entsprechenden Informationen dem anderen Staat unter bestimmten Voraussetzungen und noch bevor ein Rechtshilfeersuchen gestellt wurde übergeben werden können. Ein frühzeitiger und rascher Informationsaustausch kann im Kampf gegen die Kriminalität nämlich eine entscheidende Rolle spielen.

Die Bestimmung lehnt sich an Artikel 11 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen an und findet sich bereits in früheren Rechtshilfeverträgen der Schweiz.28 Vorläufer für diese Regelung ist Artikel 10 des Übereinkommens vom 8. November 199029 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten.

Ziel einer solchen unaufgeforderten Übermittlung von Informationen und Beweismitteln ist, dass der andere Staat gestützt darauf ein Rechtshilfeersuchen stellen oder ein Strafverfahren einleiten kann oder dass die Durchführung einer laufenden Strafuntersuchung erleichtert wird (Abs. 1). Der Informationsaustausch muss über die Zentralbehörden und im Rahmen des innerstaatlichen Rechts erfolgen. Artikel 67a IRSG ist für den Fall massgebend, dass schweizerische Behörden auf diese Weise Informationen und Beweismittel an den anderen Staat übermitteln wollen. Da es sich um eine Kann-Vorschrift handelt, sind die Vertragsparteien jedoch nicht verpflichtet, die Bestimmung anzuwenden.

Die übermittelnde Behörde kann die Verwendung der Informationen und Beweismittel nach Massgabe ihres innerstaatlichen Rechts an Bedingungen knüpfen, die vom Empfängerstaat einzuhalten sind (Abs. 2).

Art. 34

Anzeigen zum Zweck der Strafverfolgung oder der Einziehung

Die Bestimmung deckt diejenigen Fälle ab, die im Vierten Teil des IRSG geregelt sind. Sie schafft die staatsvertragliche Grundlage, damit Straftaten, die eine Vertragspartei nicht selber verfolgen kann, nicht ohne Folge bleiben. Die Bestimmung ermöglicht es einer Vertragspartei, die andere Vertragspartei um Eröffnung eines Strafverfahrens zu ersuchen und ihr die entsprechenden Beweismittel zu liefern (Abs. 1).

Dieses Vorgehen drängt sich dann auf, wenn eine Vertragspartei konkrete Anhaltspunkte hat, dass eine Straftat verübt worden ist, und sie nicht in der Lage ist, ein Strafverfahren zu Ende zu führen. Dies kann der Fall sein, wenn eine Person, die im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei straffällig geworden ist, nach der Tat ins Hoheits28

29

Vgl. etwa die Verträge mit Brasilien (Art. 29), Mexiko (SR 0.351.956.3; Art. 30), Chile (Art. 32), Argentinien (Art. 30), Kolumbien (Art. 32) Indonesien (Art. 32) und Kosovo (Art. 34).

SR 0.311.53

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gebiet der anderen Vertragspartei flieht und anschliessend nicht ausgeliefert werden kann (z.B. wegen ihrer Staatsangehörigkeit). Denkbar ist auch, dass eine Vertragspartei konkrete Hinweise hat, dass gegen eine oder einen ihrer Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eine Straftat verübt worden ist und sie die Täterin oder den Täter nicht selber ins Recht fassen kann, weil eine Auslieferung nicht möglich ist.

Die Bestimmung ist auch anwendbar, wenn eine Vertragspartei Anhaltspunkte hat, dass sich im anderen Staat Vermögenswerte oder Gegenstände befinden, die aus einer strafbaren Handlung stammen. In dieser Situation kann die andere Vertragspartei um Einziehung des Deliktsguts ersucht werden.

Absatz 2 schafft für die Vertragspartei, die eine Anzeige nach dieser Bestimmung erhält, eine Informationspflicht. Ihre Zentralbehörde muss der anderen Vertragspartei mitteilen, welche Folge der Anzeige gegeben wurde. Im Bedarfsfall hat sie eine Kopie des Entscheids zuzustellen. Aus der Bestimmung kann indessen keine Verpflichtung zur Einleitung einer Strafverfolgung oder zur Einziehung abgeleitet werden.

Art. 35­39

Vereinbarkeit mit anderen Vereinbarungen und Formen der Zusammenarbeit; Meinungsaustausch; Beilegung von Streitigkeiten; Vertragsänderung; Inkrafttreten und Kündigung

Die Schlussbestimmungen enthalten die üblichen Klauseln. Artikel 35 klärt im Sinne des Günstigkeitsprinzips das Verhältnis zwischen dem Vertrag und anderen internationalen oder nationalen Rechtsvorschriften. Bei Fragen oder Schwierigkeiten bezüglich der Anwendung des Vertrags, seiner Umsetzung oder eines konkreten Einzelfalls erfolgt nach Artikel 36 ein Meinungsaustausch zwischen den Zentralbehörden. Können diese die entstandenen Streitigkeiten nicht beilegen, so ist nach Artikel 37 der diplomatische Weg zu beschreiten. Diese Kompromisslösung im Verhältnis zu Staaten, die kein Schiedsgericht als Streitschlichtungsorgan akzeptieren können oder wollen, findet sich in verschiedenen von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträgen.30 Artikel 38 beschreibt das Verfahren der Vertragsänderung, Artikel 39 dasjenige für das Inkrafttreten und die Kündigung des Vertrags.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle, personelle und andere Auswirkungen auf den Bund

Der Vertrag begründet für die Schweiz neue Verpflichtungen. Dies gilt in besonderem Mass für das BJ, das als Zentralbehörde den Rechtshilfeverkehr von und nach Panama sicherzustellen hat. Ebenfalls betroffen sind etwa die Bundesanwaltschaft sowie das Bundesamt für Polizei, das mit Vollzugshandlungen betraut werden kann.

Das Ausmass des Arbeitsanfalls, der zusätzlich auf die genannten Behörden zukommt, hängt von der Anzahl und der Komplexität der Rechtshilfefälle ab. Eine ge30

Vgl. etwa die Rechtshilfeverträge mit Indonesien (Art. 37) oder Kolumbien (Art. 35).

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naue Quantifizierung ist nicht möglich. Aufgrund der heutigen Einschätzung ist aber davon auszugehen, dass der Vertrag auf Bundesebene keinen finanziellen Mehraufwand oder zusätzlichen Personalbedarf zur Folge haben wird, zumal bereits heute gestützt auf das IRSG Rechtshilfe möglich ist und auch geleistet wird. Der Vertrag hat auch keine anderen Auswirkungen auf Bundesebene, etwa in organisatorischer Hinsicht oder mit Bezug auf die Informatik.

5.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Je nach Umfang der Ersuchen und dem mit deren Erledigung verbundenen Aufwand kann eine Mehrbelastung einzelner kantonaler Rechtshilfebehörden nicht ausgeschlossen werden. Wie bereits unter Ziffer 5.1 für die Bundesbehörden dargelegt, ist aber auch hier zu berücksichtigen, dass bereits heute Rechtshilfe gestützt auf das IRSG geleistet wird. Es ist daher keine Erhöhung der Arbeitsbelastung der kantonalen Behörden zu erwarten.

Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht vertieft untersucht.

5.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, die Gesellschaft, die Umwelt und andere Auswirkungen

In den Bereichen Volkswirtschaft, Gesellschaft oder Umwelt sind keine Auswirkungen zu erwarten; die entsprechenden Fragen wurden daher nicht geprüft.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund eines Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrags der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200231 [ParlG]; Art. 7a Abs. 1 des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199732). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

31 32

SR 171.10 SR 172.010

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6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist vereinbar mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz. In der Präambel und in Form von Verweigerungsgründen für die Zusammenarbeit (Art. 3 und 4) verschafft sie den Menschenrechten Nachachtung, darunter den grundlegenden Verfahrensgarantien, zu deren Einhaltung sich die Schweiz in internationalen Menschenrechtsübereinkommen wie der EMRK oder dem UNO-Pakt II verpflichtet hat.

Die in Artikel 1 vorgesehene Verpflichtung zur möglichst weitgehenden Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen widerspiegelt Verpflichtungen, welche die Schweiz im Rahmen internationaler Strafrechtsinstrumente wie etwa im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 200033 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität oder im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 200334 gegen Korruption eingegangen ist. Im Bereich des Datenschutzes trägt die Vorlage Vorgaben der EU Rechnung, die von der Schweiz aufgrund ihrer Assoziierung an Schengen gemäss der Richtlinie (EU) 2016/680 im Verhältnis zu Drittstaaten zu berücksichtigen sind.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Der vorliegende völkerrechtliche Vertrag enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Er begründet für die Vertragsparteien die Verpflichtung, einander möglichst umfassend Rechtshilfe zu gewähren. Diese Verpflichtung hat Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Einzelpersonen. Diese Bestimmungen sind als wichtig anzusehen, da sie ­ wenn sie auf nationaler Ebene erlassen würden ­ nach Artikel 164 Absatz 1 BV nur in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden könnten.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Vertrags ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

33 34

SR 0.311.54 SR 0.311.56

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