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19.456 Parlamentarische Initiative Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 31. August 2023

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Zivilgesetzsbuches1. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

31. August 2023

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Céline Amaudruz

1

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2023-2581

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Nationalrätin Daniela Schneeberger (FDP, BL) reichte am 26. Juni 2019 die parlamentarische Initiative 19.456 («Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen») ein. Diese verlangt eine dahingehende Ergänzung von Artikel 89a Absatz 8 des Zivilgesetzbuches (ZGB)2, dass patronale Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen3 auch Leistungen zur Prävention der finanziellen Risiken bei Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit (und nicht nur Leistungen zur Unterstützung einzelner Personen in einer Notlage) bzw. bei Alter, Tod und Invalidität ausrichten können.

In der Begründung der Initiative wird betont, dass die sozialpolitische Bedeutung der Wohlfahrtsfonds spätestens seit der Revision von Artikel 89a Absatz 6 ZGB, die am 1. April 2016 in Kraft getreten ist und mit der die Anzahl der für diese Fonds geltenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (BVG)4 verringert wurde, unbestritten ist. Die Leistungen dieser Fonds zur Prävention von finanziellen Problemen oder Arbeitslosigkeit führen jedoch regelmässig zu Diskussionen mit den Aufsichtsbehörden, da diese die einschlägigen Bestimmungen unterschiedlich auslegen. Vor diesem Hintergrund verlangt die parlamentarische Initiative eine Intervention des Gesetzgebers, damit auch die Leistungen der Wohlfahrtsfonds, die nicht im Rahmen der Altersvorsorge oder im Falle von Tod und Invalidität ausgerichtet werden, explizit im ZGB erwähnt sind. Die Präzisierung dieser Bestimmungen soll die erforderliche Klärung herbeiführen und den Stiftungsräten der Wohlfahrtsfonds mehr Handlungs- und Ermessensspielraum verschaffen. Dabei soll das AHV-Beitragssubstrat nicht beeinträchtigt werden.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) prüfte die Initiative an ihrer Sitzung vom 14. Januar 2021 vor und beschloss mit 15 zu 4 Stimmen bei 4 Enthaltungen, dieser Folge zu geben. Die Schwesterkommission des Ständerates (SGK-S) stimmte diesem Beschluss an ihrer Sitzung vom 10. November 2021 ohne Gegenstimme zu.

An ihrer Sitzung vom 19. Mai 2022 diskutierte die SGK-N über das weitere Vorgehen. Nach der Anhörung von Patronfonds, dem Dachverband der Wohlfahrtsfonds, sowie der Konferenz der kantonalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden
legte die SGK-N die Eckwerte der Vorlage fest, mit welcher die parlamentarische Initiative umgesetzt werden soll. Gestützt auf Artikel 112 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Bundesversammlung (ParlG)5 zog sie Sachverständige des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) und der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) bei.

Vor diesem Hintergrund beauftragte die Kommission die Verwaltung, eine Ergänzung

2 3 4 5

SR 210 Hiernach: Wohlfahrtsfonds SR 831.40 SR 171.10

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von Artikel 89a Absatz 8 ZGB auszuarbeiten. Zudem ersuchte sie diese, ihr die finanziellen und damit auch die steuerlichen Auswirkungen der Vorlage zu präsentieren.

Am 11. November 2022 prüfte die Kommission den Vorentwurf der Verwaltung und nahm an diesem gewisse Änderungen vor. So fügte sie im Gesetzestext die Begriffe «Arbeitslosigkeit» sowie «Aus- und Weiterbildung» ein.

An ihrer Sitzung vom 3. Februar 2023 stimmte sie dem Vorentwurf zu und verabschiedete diesen zusammen mit dem vorliegenden erläuternden Bericht in die Vernehmlassung.

An der Sitzung vom 31. August und 1. September 2023 nahm die Kommission von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis (siehe Ziff. 2.4). Sie ergänzte ihren Entwurf mit einer Übergangsbestimmung, die es bestehenden Wohlfahrtsfonds ermöglicht, die neuen Leistungen in ihre Stiftungsurkunde aufzunehmen. Ausserdem präzisierte sie im Kommentar zur Bestimmung, dass diese Fonds das vor Inkrafttreten der vorliegenden Änderung bereits vorhandene Vermögen für die Ausrichtung der neuen Leistungen verwenden dürfen. Die Kommission beschloss einstimmig, den Entwurf ihrem Rat zu unterbreiten und den Bundesrat zur Stellungnahme einzuladen.

2

Ausgangslage

2.1

Einleitung und Hintergrund

Die Geschichte der Wohlfahrtsfonds beginnt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, d. h. vor der Ausgestaltung der heutigen beruflichen Vorsorge.6 Diese Vorsorgeeinrichtungen sind nämlich vor dem Inkrafttreten des BVG im Jahr 1985 entstanden. Zu jener Zeit stützte sich die berufliche Vorsorge weitgehend auf diese Wohlfahrtsfonds, die einseitig und auf freiwilliger Basis vom Arbeitgeber finanziert werden. Zur Förderung dieser Fonds wurde Steuerfreiheit gewährt, sofern es sich um rechtlich vom Arbeitgeber verselbstständigte Fonds handelte.

Nach dem Inkrafttreten des BVG kam den Wohlfahrtsfonds eine Art «Auffangfunktion» zu, womit sie weiterhin einen wichtigen Aspekt der sozialen Verantwortung des Arbeitgebers darstellen. So helfen diese Fonds beispielsweise bei Not- und Härtefällen von Arbeitnehmenden, ehemaligen Arbeitnehmenden und Hinterbliebenen oder bei der Abfederung der Auswirkungen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens oder Restrukturierungen auf das Personal. Ausserdem können diese Fonds zur Sanierung der betriebseigenen Pensionskasse eingesetzt werden.

Seit den 1990er Jahren nimmt die Zahl der Wohlfahrtsfonds stetig ab. Während es 1992 noch mehr als 8000 Wohlfahrtsfonds gab, waren es 2002 noch deren 5000, 2010 deren 2631, 2015 deren 1763 und 2022 nur noch deren 1310. In der Publikation des BFS «Wohlfahrtsfonds in der Schweiz 2020» finden sich detaillierte Zahlen zu diesem Thema.

6

Vgl. Bundesamt für Statistik (BFS) «Wohlfahrtsfonds in der Schweiz 2020», 27. Oktober 2022; Bericht der SGK-N vom 26.5.2014 zur pa. Iv. 11.457 «Stärkung der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen» (www.parlament.ch > Suche Curia Vista > 11.457).

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Als mögliche Erklärungen für den kontinuierlichen Rückgang der Anzahl Wohlfahrtsfonds wurden oft die Vervielfachung der rechtlichen Vorgaben, der zunehmende Verwaltungsaufwand und das mangelnde Verständnis des Gesetzgebers für die Besonderheiten dieser Fonds angegeben. Vor diesem Hintergrund reichte der damalige Nationalrat Fulvio Pelli 2011 die parlamentarische Initiative 11.457 («Stärkung der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen»)7 ein mit dem Ziel, eine administrative Entlastung herbeizuführen. In Umsetzung dieser Initiative wurde eine Revision von Artikel 89a ZGB ausgearbeitet, die 2016 in Kraft trat und mit der die auf Wohlfahrtsfonds anwendbaren Bestimmungen präzisiert und gelockert wurden. Erklärtes Ziel dieser Revision war es, zum Fortbestand der Wohlfahrtsfonds beizutragen.

2.2

Rechtliche Grundlagen und aktuelle Situation

Die Wohlfahrtsfonds sind Teil des in der Bundesverfassung (BV) verankerten Dreisäulensystems. Laut Verfassung zielt die berufliche Vorsorge einzig auf die Absicherung der Risiken Alter, Tod und Invalidität ab (Art. 111 Abs. 1 BV; Art. 1, Abs. 1 BVG). Zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung soll die berufliche Vorsorge die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen (Art. 113 Abs. 2 Bst. a BV).

Als Einrichtungen der beruflichen Vorsorge erbringen Wohlfahrtsfonds heute ihrem Hauptzweck zufolge Leistungen zur Absicherung der drei Vorsorgerisiken Alter, Tod und Invalidität. In der Praxis anerkennen die Aufsichts- und Steuerbehörden auch, dass Wohlfahrtsfonds Leistungen erbringen, die nicht unter die enge Definition der beruflichen Vorsorge fallen, so beispielsweise Leistungen zur Unterstützung von Personen, die sich wegen Krankheit, Unfall, Invalidität oder Arbeitslosigkeit in einer Notlage befinden. Diese Leistungen, die einem «Nebenzweck» dienen, sind derzeit allerdings nur erlaubt, wenn sie zur Abfederung einer Notlage beitragen. Dies wurde von der Konferenz der kantonalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden in einem im April 2021 veröffentlichten Merkblatt über die Leistungen von Wohlfahrtsfonds bestätigt.8 Die von Wohlfahrtsfonds im Sinne von Artikel 89a Absatz 7 ZBG ausgerichteten Leistungen sind keine reglementarischen Leistungen, sondern lediglich Ermessensleistungen. Das heisst, dass diese Fonds keine Leistungen ausrichten, auf die eine versicherte Person gestützt auf reglementarische Bestimmungen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG)9 einen durchsetzbaren Anspruch erheben kann. Die Leistungen werden vielmehr im Einzelfall gestützt auf einen vom Stiftungsrat zu fällenden Ermessensentscheid gewährt. Sie müssen also von der Fondsleitung in bestimmten Notlagen und unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung potenziell begünstigter Personen, des Willkürverbots, der Wahrung der Verhältnismässigkeit und der Angemessenheit sowie nach dem Grundsatz von Treu und Glau7 8 9

www.parlament.ch > Suche Curia Vista > 11.457 https://www.konferenz-bvg-aufsicht-stiftungen.ch/ > Merkblätter und Formulare > Berufliche Vorsorge > Merkblatt Leistungen von Wohlfahrtsfonds SR 831.42

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ben frei gewährt werden können. Daher dürfen insbesondere Begünstigte, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, nicht unterschiedlich behandelt werden.

In steuerlicher Hinsicht sind Wohlfahrtsfonds gestützt auf Artikel 80 Absatz 2 BVG (in Verbindung mit Art. 1 BVG und Art. 89a Abs. 7 Ziff. 10 ZGB) von den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden befreit, soweit ihre Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich der beruflichen Vorsorge dienen. Die berufliche Vorsorge umfasst dabei Leistungen in Zusammenhang mit dem Hauptzweck des Fonds, d. h. Leistungen, die eng mit den Risiken Alter, Tod und Invalidität verbunden sind. In der heutigen Praxis anerkennen die Steuerbehörden, dass Wohlfahrtsfonds auch Leistungen ausrichten können, die einem «Nebenzweck» dienen, der nicht unter die enge Auslegung der beruflichen Vorsorge fällt. Dazu zählt insbesondere die Unterstützung in Notlagen, etwa bei Krankheit, Unfall, Invalidität oder Arbeitslosigkeit.

2.3

Handlungsbedarf und Ziele

Die Kommission anerkennt, dass Wohlfahrtsfonds eine wichtige gesellschaftliche Funktion haben. Neben den Leistungen, welche strikt an die berufliche Vorsorge gebunden sind und die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Tod und Invalidität abmildern, können Wohlfahrtsfonds in der Praxis bereits finanzielle Unterstützung leisten bei Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit. Diese Leistungen sind allerdings nur erlaubt, wenn sie die Abfederung einer Notlage der Empfängerin oder des Empfängers bezwecken.

Nach Ansicht der Kommission ist die aktuelle Praxis ­ insbesondere was die Beurteilung des Kriteriums der Notlage anbelangt ­ zu restriktiv und hängt in zu hohem Masse von der Auslegung der Aufsichtsbehörden ab. Die Kommission stellt nicht infrage, dass der Hauptzweck der Wohlfahrtsfonds die Verbesserung der beruflichen Vorsorge bleiben muss. Sie möchte aber im Rahmen der «Nebenzwecke» der Wohlfahrtsfonds rechtliche Klarheit schaffen und den Stiftungsräten grösseren Handlungsspielraum einräumen. So ist das Kriterium der Notlage grosszügig auszulegen, um den Wohlfahrtsfonds zu ermöglichen, in Notlagen wie auch in den Bereichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Gesundheit Präventionsleistungen auszurichten.

Es ist heute für einen Wohlfahrtsfonds beispielsweise nicht möglich, eine freiwillige Grippe- oder Zeckenimpfung zu finanzieren oder Leistungen bei Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit zu gewähren, ohne für jeden Einzelfall eine Notlage nachweisen zu müssen. Auch können diese Fonds nicht die Betreuung eines kranken Kindes oder von Angehörigen finanziell unterstützen oder Leistungen zur Vorbeugung von Härtefällen erbringen.

Wohlfahrtsfonds werden einseitig und auf freiwilliger Basis vom Arbeitgeber finanziert. Das Kapital der Wohlfahrtsfonds darf nicht zu den Fondsgründern zurückfliessen, sondern muss zur Erfüllung der in den Fondstatuten definierten Haupt- und Nebenzwecke aufgewendet werden. Mit einer in rechtlicher Hinsicht besseren Definition der im Rahmen der «Nebenzwecke» erlaubten Leistungen und einer leichten Ausweitung dieser Zwecke können Anreize dafür geschaffen werden, dass dieses Kapital für die Arbeitnehmenden, Rentenbeziehenden und Hinterbliebenen aufgewendet wird.

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In den Augen der Kommission kann mit dieser Änderung die Vielfalt der Wohlfahrtsfonds besser berücksichtigt werden, da den Stiftungsräten unbürokratisch klare Regeln und ein grösserer Handlungsspielraum gegeben werden, damit diese ihre Funktion der sozialen Unterstützung erfüllen können. Gleichzeitig wird dem kontinuierlichen Rückgang der Anzahl Wohlfahrtsfonds Einhalt geboten.

2.4

Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung fand vom 17. Februar bis zum 26. Mai 2023 statt. Die Kommission lud 96 Adressatinnen und Adressaten ein, zum Vorentwurf und zum erläuternden Bericht Stellung zu nehmen. Insgesamt gingen 55 schriftliche Antworten (darunter 7 spontane Stellungnahmen) ein. Diese werden im Folgenden zusammengefasst.10 Grundsätzlich unterstützt die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden die im Vorentwurf vorgeschlagene Änderung in ihrer Gesamtheit. Dies gilt für die vier politischen Parteien, die zum Vorentwurf Stellung nahmen (Die Mitte, FDP, SP und SVP), für die Wirtschaftsverbände (SGV, SAV, SGB und Travail.Suisse) sowie für die Mehrheit der anderen Organisationen und Vollzugsorgane. Zwei Organisationen sprechen sich ganz klar gegen diesen Vorentwurf aus (SSK und Konferenz der kantonalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden). Die Meinungen der Kantone gehen stärker auseinander: 12 Kantone unterstützen den Vorentwurf in seiner Gesamtheit, die Mehrheit der Kantone (14) äussert diesem gegenüber jedoch grosse Vorbehalte.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden, die den Vorentwurf begrüssen, heben die wichtige soziale Aufgabe von Wohlfahrtsfonds hervor. Die neue Gesetzesbestimmung kläre die rechtliche Situation und ermögliche es Wohlfahrtsfonds, im Rahmen der Nebenzwecke unbürokratisch umfangreiche Unterstützungsleistungen zu erbringen. Sie sind der Meinung, dass die Wohlfahrtsfonds so bei der Erfüllung ihrer sozialen Aufgabe gestärkt werden. Zudem weisen sie darauf hin, dass mit dieser Änderung mehr Ressourcen bereitgestellt werden können, um Notlagen vorzubeugen.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden, die sich gegen den Vorentwurf aussprechen, halten die vorgeschlagene Änderung des Zivilgesetzbuches für unnötig oder gar kontraproduktiv. In ihren Augen bringt der Vorentwurf keine grössere Rechtssicherheit für Wohlfahrtsfonds. Mehrere Teilnehmende weisen zudem darauf hin, dass Wohlfahrtsfonds bereits heute über eine grosse Auswahl an Möglichkeiten verfügen, Leistungen zu erbringen, die der beruflichen Vorsorge dienen. Zudem handle es sich nicht um eine geringfügige Erweiterung der Nebenzwecke, sondern um eine grundlegende Neudefinition der zulässigen Zwecke, die deutlich über den klassischen Vorsorgebegriff hinausgehe. Angesichts dieser Entfernung vom klassischen Vorsorgebegriff sind einige Teilnehmende der Auffassung, dass die Steuerbefreiung im Sinne der Artikel 80, 81 Absatz 1 und 83 BVG nicht zur Anwendung kommen sollte.

10

Vernehmlassungsbericht. Parlamentarische Initiative 19.456. Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen Abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > Parl. oder www.parlament.ch > Suche Curia Vista > 19.456 > Vernehmlassung.

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3

Grundzüge der Vorlage

Die Kommission hat beschlossen, die parlamentarische Initiative über eine Ergänzung von Artikel 89a Absatz 8 ZBG umzusetzen und dafür folgende Eckwerte festgelegt: Erstens möchte sie die aktuellen Bedürfnisse der Wohlfahrtsfonds berücksichtigen, indem ihre Vorlage für diese Fonds die Möglichkeit vorsieht, in Härtefällen und in den Bereichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Gesundheit Leistungen auszurichten. Die Begriffe «Arbeitslosigkeit» sowie «Aus- und Weiterbildung» sollen in die Bestimmung aufgenommen werden. Zweitens sind in den Augen der Kommission für die Ergänzung des betreffenden Artikels weder weitere rechtliche Anpassungen noch eine Änderung im Steuerrecht oder in einem anderen Bereich erforderlich.

Und drittens verzichtet die Kommission darauf, im Gesetz Massnahmen und Leistungskataloge aufzuführen, um eine gewisse Flexibilität der neuen Bestimmung sicherzustellen.

Was die steuerliche Behandlung der Wohlfahrtsfonds im Vergleich zur aktuellen Praxis der Steuerbehörden anbelangt, führt die Ergänzung von Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB mit den neuen Leistungen zu einer leichten Ausweitung der Nebenzwecke. Da diese Nebenzwecke nicht unter die enge Definition der beruflichen Vorsorge fallen, wird in der neuen Ziffer 4 von Artikel 89a Absatz 8 ZGB präzisiert, dass die Steuerbestimmungen der Artikel 80, 81 Absatz 1 und 83 BVG auch für die explizit im Gesetz erwähnten Nebenzwecke eines Wohlfahrtsfonds gelten. Damit gilt die Steuerbefreiung auch für die erweiterten Nebenzwecke.

4

Erläuterungen zu den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches

Art. 89a Abs. 8 Ziff. 4 In Erfüllung der parlamentarischen Initiative soll Absatz 8 in Artikel 89a ZGB durch eine neue Ziffer 4 ergänzt werden.

Ziffer 4 hält ausdrücklich fest, dass Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen zur Finanzierung anderer Personalfürsorgeeinrichtungen beitragen können. Diese Präzisierung wird vorgenommen, um der praktischen Bedeutung dieser Leistungen für die Wohlfahrtsfonds, deren Hauptzweck die Verbesserung der beruflichen Vorsorge darstellt, Rechnung zu tragen. Im Rahmen dieses Hauptzwecks ist es in der Praxis zulässig, dass der Stiftungsrat über eine Vielzahl von Leistungen entscheiden kann. Dazu zählen zum Beispiel die Finanzierung eines höheren Zinssatzes für die Verzinsung der Altersguthaben, die Finanzierung einer Teuerungszulage auf den Renten, die Finanzierung von Einkäufen (unter Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes), die Finanzierung von Ausgleichsmassnahmen bei einer Senkung des Umwandlungssatzes und die Abfederung der Folgen einer Senkung des technischen Zinssatzes. Zudem können Wohlfahrtsfonds die berufliche Vorsorge der versicherten Personen verbessern, indem sie beispielsweise für die Finanzierung der Behebung einer Unterdeckung aufkommen (durch Zahlungen des Wohlfahrtsfonds an die Vorsorgeeinrichtung).

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In der neuen Ziffer 4 ist ausserdem präzisiert, dass Wohlfahrtsfonds auch Leistungen in Notlagen, bei Krankheit, Unfall, Invalidität und Arbeitslosigkeit ausrichten können, wenn diese Situationen nicht durch die Sozialversicherungen gedeckt sind, und dass diese Fonds Massnahmen zur Aus- und Weiterbildung, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention finanzieren können. Diese Formulierung soll die in der parlamentarischen Initiative gewünschte Rechtssicherheit und Einheitlichkeit in der Rechtsauffassung herbeiführen. Bei diesen Leistungen handelt es sich um die Nebenzwecke der Wohlfahrtsfonds.

Präventionsleistungen dürfen nicht der einzige Zweck der Wohlfahrtsfonds sein, denn diese Fonds müssen weiterhin als Hauptzweck die Risiken Alter, Tod und Invalidität abdecken. Andernfalls würde es sich bei einem solchen Fonds definitionsgemäss nicht mehr um eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge handeln und sie würde nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 89a ZGB fallen.

Aus der Gesetzessystematik geht zudem hervor, dass es sich bei den Leistungen weiterhin um Ermessensleistungen und nicht um feste, gerichtlich durchsetzbare Ansprüche handelt. Die von Wohlfahrtsfonds im Sinne von Artikel 89a Absatz 7 ZGB ausgerichteten Leistungen sind keine reglementarischen Leistungen, sondern lediglich Ermessensleistungen. Das heisst, dass diese Fonds keine Leistungen ausrichten, auf die eine versicherte Person gestützt auf reglementarische Bestimmungen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 FZG einen durchsetzbaren Anspruch erheben kann. Die Leistungen werden im Einzelfall gestützt auf einen vom Stiftungsrat zu fällenden Ermessensentscheid erteilt. Sie müssen von der Fondsleitung in bestimmten Notlagen und unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung potenziell begünstigter Personen, des Willkürverbots, der Wahrung der Verhältnismässigkeit und der Angemessenheit sowie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben frei gewährt werden können. Dabei dürfen insbesondere Begünstigte, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, nicht unterschiedlich behandelt werden. Sobald ein Wohlfahrtsfonds den Begünstigten reglementarische Ansprüche einräumen würde, würde es sich nicht mehr um einen Wohlfahrtsfonds im Sinne von Artikel 89a Absätze 7 und 8 handeln.

Unterstützungsleistungen
bei Notlagen sind in der Praxis durchwegs anerkannt. Künftig sollen Wohlfahrtsfonds zusätzlich Unterstützungsleistungen in folgenden Fällen ausrichten können: bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Aus- und Weiterbildung, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention an Angehörige der versicherten Person, der rentenbeziehenden Person oder deren Hinterbliebene (Familienmitglieder, eingetragene Partner/innen oder Lebenspartner/innen). Dies ist eine abschliessende Aufzählung. Die einzelnen Leistungsarten können mit folgenden Beispielen illustriert werden: Leistungen in Notlagen: Leistungen können beispielsweise in Situationen ausgerichtet werden, in denen es sich nicht um einen Krankheitsfall, einen Unfall oder einen Invaliditätsfall handelt: ­

Beteiligung an den Beerdigungskosten;

­

Beteiligung an den Rettungskosten, die nicht von einer Versicherung getragen werden.

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Leistungen bei Krankheit, Unfall und Invalidität: Mit dieser neuen Bestimmung können beispielsweise folgende Leistungen bei Krankheit, Unfall und Invalidität erbracht werden, wenn diese nicht von den zuständigen Sozialversicherungen ausgerichtet werden: ­

Beteiligung an Heimkosten von Rentner/innen;

­

Kostenübernahme für Hörgeräte oder Augenoperationen;

­

Beteiligung an den Zahnarztkosten;

­

Finanzielle Beteiligung an verschiedenen Massnahmen zur Entlastung von pflegenden oder betreuenden Angehörigen, z. B. Kostenübernahmen für Hilfsmittel oder bauliche Anpassungen zugunsten von gesundheitlich beeinträchtigen Personen oder IV-Rentner/innen;

­

Übernahme von Auslagen für Spitex-Leistungen;

­

Beiträge an Reha- oder Kuraufenthalte.

Leistungen bei Arbeitslosigkeit: Im Falle von Arbeitslosigkeit müssen die Wohlfahrtsfonds bei Entlassungen, Sozialplänen und Massenentlassungen beispielsweise Präventionsmassnahmen wie Umschulungen oder Berufsausbildungen finanzieren können.

Bereits heute sehen Wohlfahrtsfonds in ihrem Gründungsakt Leistungen bei Arbeitslosigkeit vor. Die neue Bestimmung klärt somit die Rechtslage.

Leistungen für Massnahmen zur Aus- und Weiterbildung: Wohlfahrtsfonds müssen weiterhin Aus- und Weiterbildungsmassnahmen finanzieren können. Aus- und Weiterbildungen werden teilweise bereits als «Leistungen bei Arbeitslosigkeit» erfasst. Der Vollständigkeit halber muss für diese Leistungsart eine eigenständige Rechtsgrundlage vorgesehen werden.

Infrage kämen beispielsweise Leistungen für die Übernahme von Kosten der Arbeitssuche oder die Finanzierung von Massnahmen für eine berufliche Umorientierung, Umschulung oder Weiterbildung, insbesondere bei Entlassungen, Sozialplänen oder Massenentlassungen.

Leistungen für Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf können beispielsweise folgende Leistungen erbracht werden: ­

Unterstützungsleistungen an Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung im Falle erheblicher finanzieller oder organisatorischer Probleme;

­

Leistungen an Kinderbetreuungskosten oder an Kosten für den Schulunterricht des Kindes;

­

Leistungen im Rahmen des Elternurlaubs nach der Geburt oder Adoption eines Kindes;

­

Finanzielle Beteiligungen an der Ausbildung der Kinder von Mitarbeitenden im Tieflohnsegment.

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Leistungen für Massnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention: Gesundheitsspezifische Präventionsmassnahmen im beruflichen Bereich können beispielsweise folgende Leistungen umfassen: ­

Übernahme der Kosten für die Einrichtung einer externen Anlaufstelle im Unternehmen, an die sich Mitarbeitende bei finanziellen Schwierigkeiten oder psychischen Problemen wenden können;

­

Beteiligung an den Kosten für ein Case Management, d. h. einer spezifischen Begleitung zur Klärung komplexer Fragen in den Bereichen Sozialhilfe, Gesundheit und Versicherung;

­

Finanzierung von Massnahmen zur Förderung regelmässiger körperlicher Aktivitäten;

­

Übernahme der Kosten für Massnahmen zur Verbesserung der gesunden Ernährung von Mitarbeitenden;

­

Übernahme der Kosten für eine Impfkampagne.

Schlusstitel des Zivilgesetzbuches, Art. 6cbis Die Übergangsbestimmung soll es Personalfürsorgestiftungen, die vor Inkrafttreten von Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB errichtet wurden, ermöglichen, den Leistungskatalog nach Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB in ihre Stiftungsurkunde aufzunehmen. Durch die Aufnahme der neuen Leistungen braucht es eine Änderung des Stiftungszwecks.

Jedoch kann nach Artikel 86 Absatz 1 ZGB der Zweck der Stiftung nur geändert werden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Objektiv muss der ursprüngliche Zweck eine ganz andere Bedeutung oder Wirkung erhalten haben, subjektiv müssen die Aktivitäten der Stiftung dem Willen des Stifters entfremdet worden sein. Deshalb ist eine Zweckänderung nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Eine Zweckänderung auf Antrag des Stifters oder aufgrund von dessen Verfügung von Todes wegen im Sinne von Artikel 86a ZGB käme nur selten infrage. Sie wäre nur für Stiftungen umsetzbar, die nach dem 1. Januar 2006 errichtet wurden und in ihrer Stiftungsurkunde die Möglichkeit der Zweckänderung vorgesehen haben.

Mit der Übergangsbestimmung können bestehende Stiftungen ihren Zweck ändern, ohne die restriktiven Bedingungen der Artikel 86 und 86a ZGB erfüllen zu müssen, und das vor Inkrafttreten der vorliegenden Änderung bereits vorhandene Vermögen für die Ausrichtung von Leistungen nach Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB verwenden. Somit lässt sich das Ziel der Gesetzesänderung mit dieser Übergangsbestimmung erreichen.

Steuerrechtliche Erwägungen Im Vergleich zur aktuellen Praxis der Steuerbehörden führt die neue Bestimmung von Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB zu einer leichten Ausweitung der zulässigen Zwecke. Da diese erweiterten Nebenzwecke nicht unter die enge Definition der beruflichen Vorsorge fallen, wird in Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB ausdrücklich festgehalten, dass die steuerlichen Bestimmungen von Artikel 80, Artikel 81 Absatz

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1 und Artikel 83 BVG auch dann gelten, wenn ein patronaler Wohlfahrtsfonds die neu im Gesetz explizit erwähnten Nebenzwecke verfolgt.

Damit gelten für patronale Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen, welche die erwähnten Nebenzwecke verfolgen, die gleichen steuerlichen Bestimmungen, wie sie bislang für Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen galten (vgl. Art. 89a Abs. 7 Ziff. 10 ZGB). Mit dieser Klarstellung im Gesetzestext wird insbesondere verhindert, dass ein patronaler Wohlfahrtsfonds, der Nebenzwecke zur beruflichen Vorsorge im Sinne des neuen Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB verfolgt, seine Steuerbefreiung verliert, weil er nicht mehr nur im enger definierte Bereich der beruflichen Vorsorge tätig ist. Patronale Wohlfahrtsfonds, die Zwecke gemäss Artikel 89a Absatz 8 Ziffer 4 E-ZGB verfolgen, können daher von der Steuerbefreiung gemäss Artikel 80 Absatz 2 BVG ­ und aufgrund des materiell identischen Inhalts auch gemäss Artikel 56 Buchstabe e des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG)11 und Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe d des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG)12 ­ profitieren.

Ebenso stellen die Beiträge eines Arbeitgebers an den von ihm errichteten patronalen Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen weiterhin geschäftsmässig begründeter Aufwand dar (vgl. Art. 81 Abs. 1 BVG; ebenso Art. 27 Abs. 2 Bst. c DBG, Art. 59 Abs. 1 Bst. b DBG, Art. 10 Abs. 1 Bst. d StHG, Art. 25 Abs. 1 Bst. b StHG).

Auch an der steuerlichen Behandlung der Leistungen eines patronalen Wohlfahrtsfonds wird sich nichts ändern: Diese sind gemäss Artikel 83 BVG bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden in vollem Umfang als Einkommen steuerbar (vgl. ebenso Art. 22 DBG, Art. 7 Abs. 1 StHG). Rentenleistungen werden dabei zusammen mit dem übrigen Einkommen besteuert. Kapitalleistungen wiederum werden gesondert vom übrigen Einkommen besteuert (vgl. Art. 38 Abs. 1 DBG, Art. 11 Abs. 3 StHG). Ergänzend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht ausgeschlossen ist, dass die Leistung eines patronalen Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen als Unterstützungsleistungen im Sinne von Artikel 24 Buchstabe d DBG und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe f StHG ganz oder teilweise steuerfrei sind. Dies bedingt insbesondere, dass die leistungsempfangende Person bedürftig im Sinne dieser Artikel ist (vgl. BGE 137 II 328, E. 4, insb.

E. 4.3).

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Für steuerliche Belange sind die finanziellen Auswirkungen der Neuerung nicht quantifizierbar. Diese hängen insbesondere davon ab, in welchem Masse es zu Verhaltensänderungen der patronalen Wohlfahrtsfonds kommt. Hätte die geplante Gesetzesänderung einzig zur Folge, dass die patronalen Wohlfahrtsfonds vermehrt Ausschüttungen aus dem bereits bestehenden und steuerbefreiten Vermögen (bzw. den 11 12

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daraus erzielten Erträgen) vornehmen würden, so resultierten aufgrund der grundsätzlichen Steuerbarkeit der Leistungen leicht erhöhte Steuereinnahmen bei den Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinden. Würden jedoch aufgrund der Gesetzesänderung darüber hinaus in signifikantem Ausmass die Vermögen der patronalen Wohlfahrtsfonds durch die Arbeitgeber neu alimentiert oder neue patronale Wohlfahrtsfonds errichtet, entständen Mindereinnahmen bei den Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinden.

5.2

Personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat weder für den Bund, noch für die Kantone und Gemeinden oder für urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete personelle Auswirkungen.

5.3

Auswirkungen auf die übrigen Sozialversicherungen

Die Zweckerweiterung der Wohlfahrtsfonds führt nicht zu Beitragseinbussen für die Sozialversicherungen.

Ermessensleistungen von Wohlfahrtsfonds unterliegen ebenso wie Lohnzahlungen der Arbeitgebenden grundsätzlich der Beitragspflicht in der AHV, IV, EO und ALV (BGE 137 V 321). Eine Ausnahme gilt für Sozialleistungen, die der Bundesrat gestützt auf Art. 5 Abs. 4 AHVG von der Beitragspflicht ausgenommen hat. Darunter fallen u.a. ausserordentliche Unterstützungsleistungen zur Linderung einer finanziellen Notlage von Arbeitnehmenden (Art. 8quater AHVV) oder die Übernahme von medizinischen Leistungen, die nicht von der Krankenversicherung vergütet werden (Art. 8 Bst. d AHVV). Da diese Ausnahmen dem AHV-Recht unterliegen, werden sie von einer Erweiterung des Leistungskatalogs der Wohlfahrtsfonds im ZGB nicht tangiert.

Auch die Ergänzungsleistungen werden durch die Gesetzesänderung nicht tangiert, da sie sich an Bezügerinnen und Bezüger von AHV- und IV-Renten richten. Diese stehen meist in keinem Arbeitsverhältnis mehr und werden deshalb kaum von den neuen Leistungen profitieren können ­ trotz der grundsätzlich positiven Auswirkungen der Wohlfahrtsfonds auf das soziale Wohlergehen.

Die Gesetzesänderung hat auch keine Auswirkungen auf die anderen Sozialversicherungen, d. h. auf die Invalidenversicherung, die Erwerbsersatzordnung, die Familienzulagen, die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die Militärversicherung sowie die Mutterschaftsversicherung.

5.4

Andere Auswirkungen

Die im vorliegenden Bericht erläuterte Gesetzesänderung soll es Wohlfahrtsfonds ermöglichen, zusätzlich zu den bereits heute ausgerichteten Leistungen im Bereich Alters-, Hinterlassenen- und Invaliditätsvorsorge auch Leistungen in Notlagen, bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Aus- und Weiterbildung, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesundheitsprävention auszurichten. Sol12 / 14

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che sozial ausgerichteten Initiativen von Wohlfahrtsfonds sind zu fördern. Die Vorlage hat keine weiteren besonderen Auswirkungen, insbesondere nicht auf die Wirtschaft oder die Gesellschaft.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf stützt sich auf Artikel 113 und 122 der Bundesverfassung (BV)13 , die dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts zusprechen. Die vorgeschlagene Änderung ist verfassungskonform.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der vorliegende Entwurf könnte sich auf die Verpflichtungen auswirken, die die Schweiz einerseits im Rahmen des Abkommens zwischen der Schweiz und den USA über die Zusammenarbeit für eine erleichterte Umsetzung von FATCA14 und andererseits im Rahmen des globalen Standards über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten15 eingegangen ist. Im ungünstigsten Fall könnte patronalen Wohlfahrtsfonds die Einstufung als nicht meldepflichtige Finanzinstitute entzogen werden, wodurch sie dem automatischen Informationsaustausch unterworfen und den damit verbundenen Sorgfalts- und Meldepflichten unterstellt wären.

Der vorliegende Entwurf ist sodann hinsichtlich der Koordinierungsverordnungen16, die im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens mit der EU sowie des revidierten EFTA-Übereinkommens zur Anwendung gelangen, unproblematisch. Diese Verordnungen bezwecken die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme. Die Leistungen der patronalen Wohlfahrtsfonds sind jedoch keine Leistungen der sozialen Sicherheit im Sinne dieser Verordnungen. Es handelt sich um Ermessensleistungen, auf die kein Anspruch besteht.. Deshalb fallen sie nicht in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnungen.

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SR 101 SR 0.672.933.63 SR 0.653.1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30. April 2004, S. 1, in der für die Schweiz verbindlichen Fassung gemäss Anhang II FZA bzw.

Anlage 2 zu Anhang K EFTA. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1; Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 1, in der für die Schweiz verbindlichen Fassung gemäss Anhang II FZA bzw. Anlage 2 zu Anhang K EFTA. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11.

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BBl 2023 2077

6.3

Erlassform

Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Beim vorliegenden Entwurf handelt es sich um die Revision eines Artikels des schweizerischen Zivilgesetzbuches. Der Entwurf folgt daher dem üblichen Gesetzgebungsverfahren.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen, die einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue periodische Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen. Sie ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

6.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage enthält keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen.

6.6

Datenschutz

Die vorgeschlagenen Massnahmen stellen datenschutzrechtlich kein Problem dar.

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