BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.059 Botschaft zur Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik sowie über die Genehmigung der Zusatzvereinbarung über die Beteiligung der Schweiz an diesem Instrument (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) vom 23. August 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik sowie über die Genehmigung der Zusatzvereinbarung über die Beteiligung der Schweiz an diesem Instrument (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-2474

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Übersicht Der Bundesversammlung wird der Notenaustausch zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zur Genehmigung unterbreitet.

Mit der Übernahme dieser Verordnung beteiligt sich die Schweiz am Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (BMVI-Fonds).

Beantragt wird ferner die Genehmigung der Zusatzvereinbarung über die Beteiligung der Schweiz an diesem Fonds.

Ausgangslage Mit der Verordnung (EU) 2021/1148 wird der BMVI-Fonds für den Zeitraum 2021­ 2027 geschaffen. Er ist das Nachfolgeinstrument des Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Aussengrenzen und Visa (ISF-Grenze), an dem sich die Schweiz ab August 2018 offiziell beteiligte und der Ende 2020 auslief. Der neue BMVI-Fonds ist Teil des Fonds für integrierte Grenzverwaltung (IBMF) und dient der Weiterentwicklung der gemeinsamen Visumpolitik und der Sicherstellung einer integrierten europäischen Grenzverwaltung an den Schengen-Aussengrenzen. Am 8. Juli 2021 hat die EU der Schweiz diese Schengen-Weiterentwicklung notifiziert. Der Bundesrat hat deren Übernahme am 11. August 2021 genehmigt, vorbehältlich der Zustimmung der Eidgenössischen Räte. Für die Übernahme dieser Verordnung verfügt die Schweiz grundsätzlich über eine Frist von höchstens zwei Jahren ab der Notifikation der EU, einschliesslich einer allfälligen Referendumsabstimmung.

Die Teilnahme der Schweiz am BMVI-Fonds erfordert den Abschluss einer Zusatzvereinbarung zwischen der Schweiz und der EU. Die Zusatzvereinbarung regelt insbesondere die finanzielle Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds. Sie basiert grösstenteils auf der Zusatzvereinbarung, welche die Schweiz für ihre Beteiligung am Vorgängerfonds abgeschlossen hat. Die Übernahme der Verordnung und die Zusatzvereinbarung sollen der Bundesversammlung gleichzeitig als Paket zur Genehmigung unterbreitet werden.

Inhalt der Vorlage Wie beim ISF-Grenze handelt es sich auch beim BMVI-Fonds um einen Solidaritätsfonds zur Unterstützung jener Schengen-Staaten, die aufgrund ihrer ausgedehnten Land- oder Seeaussengrenzen sowie bedeutenden internationalen Flughäfen hohe Kosten für den Schutz der Schengen-Aussengrenzen tragen. Der BMVI-Fonds soll zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Visumpolitik
und zur Umsetzung der integrierten europäischen Grenzverwaltung durch die Schengen-Staaten beitragen, um so irreguläre Migration zu bekämpfen und legale Reisen zu erleichtern. Die SchengenStaaten werden mit Geldern aus dem BMVI-Fonds unterstützt, um ihre Kapazitäten in diesen Bereichen aufzubauen und zu stärken und die Zusammenarbeit, insbesondere mit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, zu stärken.

Ebenso soll der BMVI-Fonds der EU ermöglichen, rasch und wirksam auf sicherheitsbezogene Krisen, die das Funktionieren des Schengen-Systems in Frage stellen könnten, zu reagieren.

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Die Finanzausstattung für die Durchführung der Massnahmen im Rahmen des BMVIFonds beträgt 6,241 Milliarden Euro. Die Finanzbeiträge der an Schengen assoziierten Staaten (Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein) sind darin nicht enthalten; sie werden die Mittel für den Fonds entsprechend erhöhen. Über die sieben Jahre Laufzeit des Fonds wird sich die Schweiz voraussichtlich mit rund 300 Millionen Franken (300 Mio. Euro) daran beteiligen. Als Grundlage für die Berechnung der Beitragszahlungen der Schweiz sowie der anderen assoziierten Staaten dient der SchengenSchlüssel gemäss Schengen-Assoziierungsabkommen. Wie die anderen SchengenStaaten wird auch die Schweiz Zuweisungen für nationale Massnahmen aus dem Fonds erhalten. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Schweiz über den Fonds Basiszuweisungen in der Höhe von rund 50 Millionen Franken (50 Mio. Euro) erhalten wird; diese sollen insbesondere für Projekte im Bereich der gemeinsamen Visumpolitik und des Aussengrenzmanagements eingesetzt werden und damit den legalen Reiseverkehr erleichtern und Migrations- und Sicherheitsrisiken vorbeugen. Zusätzlich zu diesem Betrag können später noch zweckgebundene Zuweisungen erfolgen.

Aufgrund ihrer geografischen Lage wird die Schweiz von den Auswirkungen der Massnahmen der Schengen-Staaten an der Schengen-Aussengrenze profitieren. Die unter dem Fonds zu ergreifenden Massnahmen werden dazu beitragen, die Migrationsbewegungen durch die Schweiz zu steuern, die irreguläre Einwanderung zu verringern und die Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums zu verbessern.

Da der Fonds eine Einrichtung der EU und die Schweiz nicht Mitglied derselben ist, müssen die notwendigen Regeln für die Beteiligung der Schweiz an diesem Fonds zwingend in einer Zusatzvereinbarung festgelegt werden. Diese enthält insbesondere die Höhe der finanziellen Beteiligung der Schweiz sowie die Regelung zu den Überschüssen aus dem Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystem. Es handelt sich um eine Zusatzvereinbarung, wie sie die Schweiz bereits im Hinblick auf ihre Beteiligung am ISF-Grenze oder an dessen Vorgängerfonds, dem Aussengrenzenfonds, abgeschlossen hat. Im Rahmen der Übernahme der Rechtsgrundlagen zum ISF-Grenze hat das Parlament gewünscht, dass zukünftig sämtliche Rechtsgrundlagen zu den Nachfolgefonds aus Gründen der
Transparenz als Gesamtpaket übernommen werden.

Die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 erfordert weder eine Änderung der schweizerischen Gesetzgebung noch steht sie mit einer Regelung des nationalen Rechts im Widerspruch.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis 1.2.1 Verordnung (EU) 2021/1148 1.2.2 Zusatzvereinbarung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

6 6 8 8 8

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren, und Haltung des Bundesrates 2.1 Vernehmlassungsverfahren 2.2 Haltung des Bundesrates

10 10 13

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Konsultation parlamentarischer Kommissionen

15

4

Grundzüge der Verordnung (EU) 2021/1148

15

5

Erläuterungen zu den Artikeln der Verordnung (EU) 2021/1148 5.1 Gliederung 5.2 Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen 5.3 Kapitel II: Finanz- und Durchführungsrahmen 5.4 Kapitel III: Übergangs- und Schlussbestimmungen 5.5 Anhänge I­VIII

17 17 17 19 27 28

6

Grundzüge der Zusatzvereinbarung

30

7

Erläuterungen zu den Artikeln der Zusatzvereinbarung

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8

Auswirkungen 8.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 8.1.1 Beginn der Schweizer Zahlungen an den Fonds 8.1.2 Programmplanung 8.1.3 Verwaltungs- und Kontrollsystem 8.1.4 Technische Unterstützungsleistung 8.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 8.3 Auswirkungen in weiteren Bereichen

38 38 39 40 40 41 41 41

9

Rechtliche Aspekte 9.1 Verfassungsmässigkeit 9.1.1 Verordnung (EU) 2021/1148 9.1.2 Zusatzvereinbarung 9.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz 9.3 Verhältnis zum europäischen Recht

41 41 42 42

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9

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9.4 9.5 9.6

Erlassform Unterstellung unter die Ausgabenbremse Umsetzung ins nationale Recht

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik sowie über die Genehmigung der Zusatzvereinbarung über die Beteiligung der Schweiz an diesem Instrument (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) (Entwurf) BBl 2023 2108 Notenaustausch vom 11. August 2021 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik im Rahmen des Fonds für integrierte Grenzverwaltung (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) BBl 2023 2109

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Im Rahmen des Abkommens vom 26. Oktober 20041 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (SAA) hat sich die Schweiz grundsätzlich zur Übernahme und Umsetzung aller Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands verpflichtet (Art. 2 Abs. 3 und Art. 7 SAA).

Für die Übernahme und Umsetzung von Schengen-Weiterentwicklungen ist in Artikel 7 SAA folgendes Verfahren vorgesehen: Die EU notifiziert der Schweiz unverzüglich die Annahme der Rechtsakte, die eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellen. Die Schweiz entscheidet, ob sie deren Inhalt akzeptiert und in ihre innerstaatliche Rechtsordnung umsetzt. Der diesbezügliche Beschluss wird der EU innerhalb von 30 Tagen nach Annahme der betreffenden Rechtsakte notifiziert.

Die Notifizierung eines Rechtsakts durch die EU und die Antwortnote der Schweiz bilden einen Notenaustausch, der aus Sicht der Schweiz einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Für die Genehmigung dieses Vertrags ist je nach Inhalt des zur Übernahme anstehenden EU-Rechtsakts der Bundesrat oder das Parlament (und das Volk im Rahmen des fakultativen Referendums) zuständig.

Ist die Bundesversammlung zuständig oder sind zur Umsetzung Gesetzesanpassungen notwendig, so setzt der Bundesrat die EU in seiner Antwortnote darüber in Kenntnis, dass die Übernahme der Weiterentwicklung für die Schweiz erst nach Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtsverbindlich werden kann (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA). In diesem Fall verfügt die Schweiz für die parlamentarische Genehmigung, einschliesslich eines allfälligen Referendums, über eine Frist von maximal zwei Jahren. Der Fristenlauf beginnt mit der Notifikation der Weiterentwicklung durch die EU. Sind alle verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, teilt die Schweiz dies dem Rat der EU und der Europäischen Kommission mit. Sofern kein Referendum ergriffen wird, erfolgt diese Mitteilung direkt nach Ablauf der Referendumsfrist. Der Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung tritt zum Zeitpunkt der Übermittlung dieser Mitteilung in Kraft, die der Ratifizierung des Notenaustauschs gleichkommt.

Am 8. Juli notifizierte die EU der Schweiz die Verordnung
(EU) 2021/11482 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (BMVI-Fonds). Der BMVI-Fonds dient der Weiterentwicklung der ge1 2

SR 0.362.31 Verordnung (EU) 2021/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2021 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik im Rahmen des Fonds für integrierte Grenzverwaltung, ABl. L 251 vom 15. Juli 2021, S. 48.

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meinsamen Visumpolitik und der Sicherstellung einer integrierten europäischen Grenzverwaltung an den Schengen-Aussengrenzen. Der Bundesrat beschloss am 11. August 2021, die Verordnung unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsmässigen Voraussetzungen zu übernehmen, und notifizierte der EU seinen Beschluss am selben Tag. Die Übernahmefrist für die Verordnung dauerte theoretisch bis am 7. Juli 2023. Da diese Weiterentwicklung jedoch notwendigerweise mit einer Zusatzvereinbarung angewendet werden muss und das Übernahmeverfahren erst nach der Paraphierung der Zusatzvereinbarung weitergeführt werden konnte, konnte die Zweijahresfrist nicht eingehalten werden. Die EU ist sich dieser Ausnahmesituation bewusst, weshalb die Verzögerung die Umsetzung des SAA nicht beeinträchtigt.

Eine allfällige Nichtübernahme einer Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands würde im äussersten Fall die Beendigung der Zusammenarbeit von Schengen insgesamt, und demzufolge auch von Dublin, nach sich ziehen (Art. 7 Abs. 4 SAA i. V. m.

Art. 14 Abs. 2 des Abkommens vom 26. Oktober 20043 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags).4 Der BMVI-Fonds ist ein Instrument der EU, weshalb seine Verwaltung den Bestimmungen der EU unterliegt. Da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, müssen die spezifischen Modalitäten der Beteiligung in einer Zusatzvereinbarung zwischen der Schweiz und der EU geregelt werden. Die anderen drei an Schengen assoziierten Staaten (Norwegen, Island, Liechtenstein) werden ebenfalls eine Zusatzvereinbarung mit der EU abschliessen. Die rechtliche Grundlage für den Abschluss einer solchen Zusatzvereinbarung ist Artikel 7 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2021/1148. In dieser Vereinbarung werden insbesondere die Höhe und Verwendung der finanziellen Beiträge der Schweiz, die Übernahme der für die Umsetzung des BMVI-Fonds notwendigen Bestimmungen der Verordnung (EU) 2021/10605 (Dachverordnung) und der Verordnung (EU, Euratom) 2018/10466 (Haushaltsordnung), die Durchführung von Überprüfungsverfahren sowie eine Beteiligung an allfälligen Überschüssen aus den Gebühreneinnahmen im Zusammenhang mit dem Europäischen Reiseinformationsund
-genehmigungssystem (ETIAS) geregelt. Es handelt sich um eine Zusatzvereinbarung wie jene, welche die Schweiz seinerzeit im Hinblick auf ihre Beteiligung am 3 4

5

6

SR 0.142.392.68 Vgl. Botschaft vom 1. Oktober 2004 zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen («Bilaterale II»), BBl 2004 5965 Ziff. 2.6.7.5.

Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik, ABl. L 231 vom 30. Juni 2021, S. 159.

Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012, ABl. L 193 vom 30. Juli 2018, S. 1.

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Aussengrenzenfonds (AGF)7 und am Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Aussengrenzen und Visa (ISF-Grenze)8 abgeschlossen hat. Angesichts der Pflichten, welche die Schweiz durch diese Zusatzvereinbarung eingeht, insbesondere angesichts der Höhe des von der Schweiz zu leistenden Finanzbeitrags, muss ­ wie im Fall der Vorgängerfonds ­ auch die BMVI-Zusatzvereinbarung von der Bundesversammlung genehmigt werden. Die Übernahme der Verordnung und die Zusatzvereinbarung sollen der Bundesversammlung gleichzeitig als Paket zur Genehmigung unterbreitet werden.

1.2

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

1.2.1

Verordnung (EU) 2021/1148

Gestützt auf Artikel 4 SAA ist die Schweiz im Rahmen ihres Mitspracherechts berechtigt, im Schengen-Bereich in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates der EU mitzuwirken. Sie kann Stellung nehmen und Anregungen anbringen.

Über die Verordnung (EU) 2021/1148 wurden während rund drei Jahren Beratungen in Brüssel geführt. Ziel war es, vor den europäischen Wahlen eine Einigung zwischen dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament zu erreichen. Die Beratungen wurden in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates, in der Arbeitsgruppe «Ad hoc Working Party on JHA Financial Instruments (AMF)» sowie zwischen den Beraterinnen und Beratern im Bereich Justiz und Inneres (JHA-Counsellors), auf Botschafterstufe (Comité des représentants permanents) und im Rat der Justiz- und Innenministerinnen und -minister geführt. Diese Gremien tagten als gemischter Ausschuss, das heisst im Beisein der Vertreterinnen und Vertreter der Schengen-assoziierten Staaten. Die Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone konnten ihre Haltung zum Verordnungsentwurf im Rahmen dieser Sitzungen aktiv einbringen. Der Ministerrat verabschiedete die Verordnung am 14. Juni 2021, das Europäische Parlament am 6. Juli 2021. Die Unterzeichnung erfolgte am 7. Juli 2021. Die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 erfordert keine Änderung der schweizerischen Gesetzgebung; sie steht mit keiner Regelung des nationalen Rechts im Widerspruch.

1.2.2

Zusatzvereinbarung

Die Schweizer Delegation stand unter der Leitung des Staatssekretariats für Migration (SEM). Sie setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Staatssekretariats des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) (Ko-Leitung), 7

8

Vereinbarung vom 19. März 2010 zwischen der Europäischen Gemeinschaft sowie der Republik Island, dem Königreich Norwegen, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über zusätzliche Regeln im Zusammenhang mit dem Aussengrenzenfonds für den Zeitraum 2007­2013; SR 0.362.312.

Abkommen vom 15. März 2018 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union über zusätzliche Regeln in Bezug auf das Instrument für die finanzielle Unterstützung für Aussengrenzen und Visa im Rahmen des Fonds für die innere Sicherheit für den Zeitraum von 2014 bis 2020; SR 0.362.314.

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der Direktion für Völkerrecht des EDA, des Bundesamtes für Justiz und der Schweizer Mission in Brüssel zusammen. Im Januar 2023 einigten sich die Europäische Kommission und die Schweiz auf einen Vertragsentwurf, der im Rahmen des Schweizer Verhandlungsmandats lag. Zuvor wurden zwischen September 2019 und Dezember 2022 in mehreren exploratorischen Gesprächen das Vorgehen und der zu regelnde Inhalt der Zusatzvereinbarung vorbesprochen. Dabei stand insbesondere die Regelung der Übernahme der Artikel der Dachverordnung und der anderen Bestimmungen, die nicht als Schengen-Besitzstand eingestuft, aber für die Umsetzung des Fonds erforderlich sind, im Zentrum. Die Schweiz konnte sich mit der EU darauf einigen, dass alle für den BMVI-Fonds relevanten Änderungen der Dachverordnung und weitere nicht Schengen-relevante EU-Bestimmungen, die für die Umsetzung des BMVIFonds erforderlich sind, statisch durch Verweis übernommen werden. Die Übernahme der nötigen Weiterentwicklungen der Dachverordnung lehnt sich an das Verfahren des SAA an. Die Übernahme allfälliger Weiterentwicklungen der Haushaltsordnung im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der Zusatzvereinbarung erfolgt nach einem besonderen Verfahren zur Änderung der Zusatzvereinbarung.

Um der Bundesversammlung die Verordnung (EU) 2021/1148 und die dazugehörige Zusatzvereinbarung als Paket vorlegen zu können, wurden erstens die informellen Gespräche frühzeitig aufgenommen und wird zweitens der Bundesversammlung in der vorliegenden Botschaft ein am 14. Februar 2023 paraphierter Vertragsentwurf vorgelegt. Die Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung wird vor der parlamentarischen Schlussabstimmung erfolgen.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20209 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 und im Bundesbeschluss vom 21. September 202010 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Es handelt sich um eine Schengen-Weiterentwicklung, die im Rahmen von Ziel 13 fristgerecht zu übernehmen ist. Gemäss diesem Ziel steuert die Schweiz die Migration, nutzt deren wirtschaftliches und soziales Potenzial und setzt sich für die internationale Zusammenarbeit ein. Dies ist auch Ziel der aussenpolitischen Strategie des Bundesrates 2020­202311. Die für die Schweizer Beteiligung nötigen Mittel sind im Voranschlag 2024 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2025­2027 eingestellt.

9 10 11

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Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren, und Haltung des Bundesrates

2.1

Vernehmlassungsverfahren

Da es sich beim Notenaustausch zur Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 um einen völkerrechtlichen Vertrag mit wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen handelt, der gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung (BV) 12 dem fakultativen Referendum unterstellt ist, wurde gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 (VlG)13 zwischen dem 11. August 2021 und dem 18. November 2021 ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt.

Zur Stellungnahme eingeladen wurden die Kantone, die politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände und weitere interessierte Kreise. Für die detaillierten Ergebnisse der Vernehmlassung sei auf den Ergebnisbericht verwiesen.14 Zur Vorlage sind 45 Rückmeldungen eingegangen: Insgesamt haben sich 26 Kantone, vier politische Parteien (FDP, Mitte, SP und Grüne), drei Dachverbände, das Bundesgericht (BGer) und das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) sowie weitere zehn interessierte Kreise zur Vorlage geäussert. Davon haben fünf Kantone (GR, LU, OW, SZ und ZH), das BGer, das BVGer sowie vier weitere Vernehmlassungsteilnehmer (Flughafen Zürich, Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, Schweizerischer Arbeitgeberverband und Schweizerischer Städteverband) ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.

Einige der Vernehmlassungsteilnehmer ­ BL, BS, FR, GE, JU, NE, SO, TI, VD, Grüne, Mitte, FDP, SP, Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB), Centre Patronal, Fédération des Entreprises Romandes (FER), Flughafen Genf, Young European Swiss (Yes) und Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden (VKM) ­ haben Bemerkungen anzubringen.

Bis auf AsyLex, die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz (DJS) und Solidarité sans frontières (Sosf) begrüssen alle Vernehmlassungsteilnehmer, die sich im Rahmen der Vernehmlassung inhaltlich geäussert haben, die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands und sprechen sich grundsätzlich für die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 aus. Sie sind der Ansicht, dass die Verantwortung für die Stärkung der Aussengrenzen von allen Schengen-Staaten gemeinsam getragen werden sollte. Die Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds wird nicht nur aus Solidaritätsgründen als richtig erachtet, sondern auch, weil die Schweiz aufgrund ihrer Assoziierung an
Schengen grundsätzlich dazu verpflichtet ist.

Sämtliche Kantone, die sich im Rahmen der Vernehmlassung geäussert haben, unterstützen die Übernahme der vorliegenden Schengen-Weiterentwicklung; dies unter anderem auch, weil die Vorlage weder personelle noch finanzielle Auswirkungen auf 12 13 14

SR 101 SR 172.061 www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > EJPD

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sie hat. Der Kanton Tessin weist darauf hin, dass neben dem grundlegenden Prinzip der Solidarität mit den Schengen-Staaten auch auf die Sicherheit unseres Landes geachtet werden müsse. Er erachtet es als unerlässlich, einen Teil der Zuweisungen für die Verbesserung der Grenzübergänge im Süden unseres Landes zu verwenden, da die dortige Region bekanntermassen durch Migrationsströme stark belastet werde. Weiter hält der Kanton Tessin fest, dass beim Abschluss der Zusatzvereinbarung darauf zu achten sei, dass sämtliche finanziellen Beträge detailliert festgelegt werden. Dem Kanton Genf ist es ein Anliegen, eine Reihe von Sicherheitslücken an den SchengenAussengrenzen zu schliessen. In diesem Zusammenhang betont der Kanton Genf die Bedeutung einer Grenzverwaltungspolitik, die sich an sich verändernde Situationen anpassen könne. Zudem ist der Kanton der Ansicht, dass die eingesetzten Fondsmittel in den Bereichen Asyl, legale Migration und Bekämpfung der irregulären Migration von Vorteil seien, denn dies führe zu einer besseren Förderung der Integration von Flüchtlingen und gewährleiste gleichzeitig die Achtung der Grundrechte. Die Mittel müssten jedoch auch zu einer gerechten Verteilung der Aufnahme von Flüchtlingen innerhalb der EU führen. Der Kanton Basel-Stadt erwartet vom Bund, dass er sich für die ausnahmslose Einhaltung der Grundrechte bei allen Einsätzen der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) einsetzt. Für den Kanton Freiburg steht der finanzielle Beitrag zur Verbesserung und Verstärkung der Aussengrenzen des Schengen-Raums in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen, die der Schweiz aus dieser Schengen-Weiterentwicklung erwachsen würden. Der Kanton Solothurn weist darauf hin, dass die Vorteile der Beteiligung der Schweiz am BMVIFonds die deutlich höheren Beitragszahlungen der Schweiz überwiegen würden, da die Kosten für Ausreisen beziehungsweise für Rückführungen oder für die Nothilfe gesenkt werden könnten.

Sämtliche Parteien mit Ausnahme der Grünen sprechen sich für die Übernahme der Verordnung aus. Nach Ansicht der FDP profitiert die Schweiz als Land im Herzen Europas stark vom freien Personen- und Warenverkehr. Die Weiterentwicklung und der Schutz des Schengen-Systems würden daher im Interesse der Schweiz liegen. Die SP unterstützt eine Beteiligung der
Schweiz am BMVI-Fonds, weil eine effiziente und korrekte Kontrolle an den Schengen-Aussengrenzen zur Sicherheit in Europa beitrage und weil Europa Teil einer vernetzten Welt sei, in der die internationale Mobilität weiter zunehmen werde. Zudem macht sie humanitäre Gründe für die Beteiligung der Schweiz am Fonds geltend. Die Mitte ist überzeugt, dass die Herausforderungen im Zusammenhang mit den globalen Migrationsströmen auch in Zukunft nicht abnehmen. Folglich sei nachvollziehbar, dass sich die Finanzausstattung des BMVI-Fonds und somit auch die Beitragszahlungen der Schweiz erhöhen. Die Mitte hätte es begrüsst, wenn im erläuternden Bericht die Ergebnisse der Evaluation des ISF-Grenze dargelegt worden wären; so hätte besser beurteilt werden können, ob die Gelder auch den erwünschten Effekt erzielt haben. Auch die SP fordert, dass sich die Schweiz dafür einsetzt, dass eine Untersuchung zum genauen Einsatz der Gelder des ISF-Grenze lanciert wird. Dabei solle insbesondere abgeklärt werden, ob Zahlungen der Schweiz an Institutionen flossen, die für Menschenrechtsverletzungen wie illegale Zurückweisungen an den Schengen-Aussengrenzen (Pushbacks) verantwortlich sind. Die Aussenpolitischen Kommissionen seien über die Ergebnisse dieser Untersuchung zu informieren. Die SP hält fest, dass die Mittel des BMVI-Fonds für die Verbesserung eines raschen Zugangs zu rechtsstaatlichen Asylverfahren in den Ankunftsländern 11 / 44

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eingesetzt werden sollten. Die Zuweisungen dürften unter keinen Umständen an Staaten ausbezahlt werden, die systematisch Pushbacks durchführen. Zudem fordert die SP, dass die Mittel aus dem BMVI-Fonds nur für Projekte und Massnahmen verwendet werden, bei denen Artikel 4 der Verordnung (EU) 2021/1148 (Nichtdiskriminierung und Achtung der Grundrechte) sowie sämtliche weiteren internationalen Verpflichtungen, insbesondere auch die Genfer Flüchtlingskonvention, eingehalten werden. Zudem appelliert die SP an den Bundesrat, sich im Rahmen der Verhandlungen zu einer Zusatzvereinbarung zum BMVI-Fonds für eine unabhängige Compliance-Struktur einzusetzen, die Zweckentfremdungen der Gelder feststellen und entsprechende Massnahmen zu deren Verhinderung vorschlagen kann. Ebenfalls fordert die SP, dass sich der Bundesrat für ein europaweites Verteilsystem für Flüchtlinge und eine entsprechende Dublin-Reform einsetzt. Die Grünen stehen der Vorlage kritisch gegenüber und unterstützen diese nur bedingt, da die Achtung der Menschenrechte an den Schengen-Aussengrenzen nicht gesichert sei. Die Rechenschaftspflicht der Grenzpolizeien müsse gewährleistet sein. Für die Grünen sind die Stärkung der Menschenrechte und die Verbesserung des Grenzschutzmanagements zwingende Bedingungen für die Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds. Der Bundesrat und weitere Schweizer Vertretungen in den Gremien müssten sich noch stärker für mehr Transparenz, für Mechanismen zur Rechenschaftspflicht und für die Achtung der Menschenrechte an den Grenzen einsetzen. Im Weiteren machen die Grünen geltend, dass die Schweiz sich im Rahmen der Verhandlungen zur Zusatzvereinbarung für die Rechte von Migrantinnen und Migranten durch bessere Qualität und Rechenschaftspflicht der Grenzschutzbehörden einsetzen, die Ausbildung der Grenzschutzbehörden in Sachen Menschenrechtskompetenz vertiefen und die Such- und Rettungseinsätze unterstützen müsse.

Der SGB hat sich als einziger gesamtschweizerischer Dachverband zur Vernehmlassungsvorlage geäussert. Er steht dem immer härter werdenden Vorgehen gegen irreguläre Migration kritisch gegenüber und fordert die Schweiz auf, dafür zu sorgen, dass die Rechte von Migrantinnen und Migranten respektiert werden. Ebenfalls solle die Schweiz der EU Vorschläge zur Schaffung von Mechanismen für eine stärkere Solidarität
zwischen den Schengen-Staaten unterbreiten.

Für Yes geniesst die vollständige und reibungslose Teilnahme der Schweiz am Schengen-Raum oberste Priorität. Die VKM und die FER weisen darauf hin, dass die Schweiz, die lediglich an den internationalen Flughäfen eine Schengen-Aussengrenze habe, von den Überwachungsmassnahmen der anderen Schengen-Staaten unmittelbar profitiere. Laut dem Centre Patronal sollte die Schweiz ihre Zusammenarbeit mit der EU fortsetzen, da sie die Kontrollen an ihren eigenen Grenzen abgeschafft beziehungsweise reduziert habe. Es ist zudem der Ansicht, dass die höher ausfallenden Beitragszahlungen an den BMVI-Fonds im Vergleich zum ISF-Grenze akzeptiert werden können, da sich der Schengen-Schlüssel zwischen den Staaten nicht geändert habe. Die FER äussert ihre tiefe Besorgnis über den Zustand der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Sie fordert den Bundesrat auf, die Situation so schnell wie möglich zu klären und wieder stabile und konstruktive Beziehungen zur EU aufzubauen. AsyLex lehnt die Vorlage ab, weil es gegen eine weitere massive Aufrüstung der Grenzschutzbehörden in Europa sei. Die Grenzschutzeinheiten an der Aussengrenze, die direkt durch den ISF-Grenze finanziert oder zumindest unterstützt wurden, hätten Völkerrechtsverletzungen verübt. Dieses Vorgehen sei auch beim BMVI12 / 44

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Fonds zu erwarten. Die Schweiz müsse sich im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit der EU für einen ausreichenden Grundrechts- und Datenschutz einsetzen. Zudem müsse eine unabhängige Kontroll- und Beschwerdeinstanz geschaffen werden, um die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte an den Grenzen zu überprüfen und sicherzustellen. Die DJS und Sosf lehnen die Vorlage ab, weil sie weder mit dem Ausbau des Schengen-Systems noch mit der dafür erforderlichen Erweiterung des Finanzrahmens einverstanden seien. Die Gelder aus dem BMVI-Fonds würden in erster Linie für die Militarisierung des Schutzes der EU-Aussengrenzen und für massive Eingriffe in die Grundrechte der persönlichen Freiheit ausgegeben werden.

2.2

Haltung des Bundesrates

Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach die Grundrechte im Rahmen der Umsetzung des BMVI-Fonds uneingeschränkt einzuhalten sind. Dies ist auch in der diesbezüglichen EU-Verordnung explizit so geregelt. Die Überwachung der Einhaltung der Grundrechte ist Aufgabe der Europäischen Kommission. So müssen die Mitgliedstaaten insbesondere jährliche Leistungsbilanzen einreichen, die auch Informationen zur Einhaltung der Grundrechte enthalten. Die Schweiz wird von der EU in die Durchführung von Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds eingebunden und bei der Formulierung von Massnahmen, die über den BMVI-Fonds direkt von der EU durchgeführt werden, konsultiert. Die Schweiz setzt sich in diesem Rahmen dafür ein, dass die Grundrechte uneingeschränkt eingehalten und insbesondere das Diskriminierungsverbot und der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) beachtet werden. Die Schweiz nutzt ihre bilateralen Kontakte zu anderen europäischen Staaten und in den europäischen Gremien, um alle im Grenzschutz tätigen Akteure zur Einhaltung der Menschenrechte, der Genfer Flüchtlingskonvention und des Non-Refoulement-Prinzips aufzurufen und, im Fall von Verdachtsmomenten, lückenlose Untersuchungen einzufordern.

Hinsichtlich der Vorbehalte zur Höhe des Schweizer Beitrags kann festgehalten werden, dass dieser, wie bereits beim ISF-Grenze und vorgängig beim AGF, analog zu der in Artikel 11 Absatz 3 SAA vorgesehenen Formel berechnet wird (sog. SchengenSchlüssel). Die Berechnung entspricht somit den bisherigen Beteiligungen, ist transparent und kann von den zuständigen Schweizer Behörden im Detail überprüft werden.

Um die Zuweisungen aus dem Fonds zu erhalten, legt jeder Mitgliedstaat der Europäischen Kommission ein nationales Programm zur Genehmigung vor. Die Schweiz entscheidet in Abstimmung mit der EU, welche Projekte in dieses Programm aufgenommen und mit Mitteln aus dem BMVI-Fonds unterstützt werden sollen. Die anderen Schengen-Staaten verfahren in gleicher Weise.

Der rechtmässige Einsatz der Mittel aus den Europäischen Fonds wird in den teilnehmenden Staaten durch unabhängige Kontrollbehörden überprüft (im Fall der Schweiz durch die Eidgenössische Finanzkontrolle [EFK]). Die jährlichen Förderbeiträge werden von der EU erst ausbezahlt, wenn die Kontrollbehörden die korrekte Umsetzung der Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds bestätigt haben.

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Seitens der Europäischen Kommission ist nach Ende der Laufzeit des ISF-Grenze die Durchführung einer Ex-post-Evaluation geplant, die unter anderem die Wirkung der unterstützten Massnahmen untersuchen wird. Die Schweiz wird einbezogen und über die Ergebnisse informiert werden. Im Rahmen des BMVI-Fonds werden sowohl die Europäische Kommission als auch die Verwaltungsbehörde eine Halbzeitevaluierung und eine Ex-post-Evaluierung durchführen.

Die Rückmeldungen zur Reform des Dublin-Systems, zur Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU und zum raschen Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren gehen über den Anwendungsbereich des BMVI-Fonds hinaus. Die Schweiz unterstützt den im September 2020 im Migrations- und Asylpaket vorgeschlagenen Ansatz der Europäischen Kommission, der auf die Entwicklung eines gerechten und krisenfesten europäischen Asylsystems abzielt. Insbesondere in der Frage der Solidarität hat sich die Schweiz stets für eine gerechte Aufteilung der Verantwortung zwischen den Schengen-Staaten im Rahmen eines vorhersehbaren und nachhaltigen Mechanismus ausgesprochen.

Bezüglich der Arbeit von Frontex kann festgehalten werden, dass durch die Verordnung (EU) 2016/162415 ein Beschwerdemechanismus eingerichtet wurde. Alle Beschwerden werden von der oder vom Frontex-Grundrechtsbeauftragten bearbeitet, einer unabhängigen Expertin oder einem unabhängigen Experten, die oder der die Grundrechte innerhalb von Frontex überwacht und fördert. Die Einreichung einer Beschwerde ist kostenlos und beeinträchtigt nicht andere Verfahren, wie zum Beispiel einen Asylantrag. Frontex ist verpflichtet, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union16, die Konvention vom 4. November 195017 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und relevante internationale Menschenrechtsinstrumente, einschliesslich des Abkommens vom 28. Juli 195118 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und des Protokolls vom 31. Januar 196719 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, strikt einzuhalten. Die Schweiz beteiligte sich aktiv an der Arbeitsgruppe zur Untersuchung der Pushback-Vorwürfe gegen Frontex und setzte sich im Verwaltungsrat von Frontex gleichzeitig dafür ein, dass die Grundrechte bei allen Einsätzen eingehalten werden. Zudem entsendet die Schweiz zwei Grundrechtsexpertinnen oder -experten in das Büro der
oder des Frontex-Grundrechtsbeauftragten. Wie der Bundesrat in seinem Bericht vom 6. April 202220 über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2021 festgehalten hat, muss die Agentur den Vorwürfen konsequenter nachgehen und entsprechende Reformen einleiten.

15

16 17 18 19 20

Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung des Rates 2005/267/EG, aufgehoben durch Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1052/2013 und (EU) 2016/162, ABl. L 295 vom 14. November 2019, S. 1.

ABl. C 326 vom 26. Oktober 2012, S. 391 (rechtlich nicht verbindlich für die Schweiz).

SR 0.101 SR 0.142.30 SR 0.142.301 BBl 2022 971

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3

Konsultation parlamentarischer Kommissionen

Mit Beschluss vom 11. August 2021 hat der Bundesrat der Eröffnung von Verhandlungen über eine Zusatzvereinbarung zum BMVI-Fonds zwischen der EU und der Schweiz zugestimmt. Die Aussenpolitischen Kommissionen des National- und Ständerates wurden gemäss Artikel 152 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG)21 konsultiert.

Das Verhandlungsmandat ist offen formuliert, orientiert sich aber an der Zusatzvereinbarung zum ISF-Grenze. Die Schweiz verfolgte das Ziel, dass wiederum der Schengen-Schlüssel nach Artikel 11 Absatz 3 SAA zur Berechnung der finanziellen Beteiligung der Schweiz zur Anwendung kommt. Zudem hat sie angestrebt, dass ihre Beiträge an den Fonds erst nach Abschluss des innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens fällig werden. Darüber hinaus wird unter anderem auch die Übernahme der für die Umsetzung des Fonds nötigen Bestimmungen der Dachverordnung sowie weiterer nicht Schengen-relevanter Rechtsakte in der Zusatzvereinbarung mittels statischer Verweise geregelt. Die Übernahme der nötigen Weiterentwicklungen der Dachverordnung lehnt sich an das Verfahren des SAA an; die Übernahme der Weiterentwicklungen der anderen nicht Schengen-relevanten Rechtsakte erfolgt durch eine Änderung der Zusatzvereinbarung mittels statischer Verweise.

Weiter war es der Schweiz ein Anliegen, dass sie an allfälligen Überschüssen aus den ETIAS-Gebühreneinnahmen anteilsmässig beteiligt wird. Da der BMVI-Fonds und damit auch die Zusatzvereinbarung zeitlich befristet sind, ist es nicht möglich, das Vorgehen bei Überschüssen über 2027 hinaus zu regeln. Sobald ETIAS in Betrieb ist, wird die Problematik möglicher Gebührenüberschüsse besser abschätzbar sein.

Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats wurde am 16. August 2021 und die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats am 31. August 2021 konsultiert.

Beide Kommissionen haben dem Verhandlungsmandat zugestimmt.

4

Grundzüge der Verordnung (EU) 2021/1148

Mit der vorliegenden Verordnung wird das Nachfolgeinstrument des ISF-Grenze geschaffen, an dem sich die Schweiz ab dem 1. August 2018 offiziell beteiligte und der Ende 2020 auslief. Wie der ISF-Grenze und der AGF, ist auch der BMVI-Fonds ein Solidaritätsfonds zur Unterstützung insbesondere jener Schengen-Staaten, die aufgrund ihrer ausgedehnten See- oder Landaussengrenzen oder bedeutenden internationalen Flughäfen hohe Kosten für den Schutz der Schengen-Aussengrenzen tragen.

Der BMVI-Fonds soll dazu beitragen, legale Einreisen zu erleichtern, die Effizienz der Kontrollen und damit den Schutz der Schengen-Aussengrenzen zu verbessern sowie eine wirksame Steuerung der Migrationsströme zu gewährleisten. Der BMVI-Fonds ist zudem besser auf andere Instrumente und Initiativen der EU abgestimmt.

21

SR 171.10

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Anlässlich der Diskussionen über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2021­2027 unterbreitete die Europäische Kommission dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament im Juni 2018 Vorschläge für die Finanzierung im Bereich Inneres. Die Kommission vertrat die Ansicht, dass vor dem Hintergrund der Migrationskrise 2015/2016 die Migration und die Grenzverwaltung auch in den kommenden Jahren eine Herausforderung bleiben werden und die Mittel zur Bewältigung unvorhergesehener Migrationsströme und zum Schutz der Grenzen im neuen EU-Haushaltsrahmen erheblich erhöht werden sollen. Infolgedessen werden für den nächsten Siebenjahreszeitraum rund 25,7 Milliarden Euro für die Bereiche Grenzverwaltung und Migration zur Verfügung stehen. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass sowohl die Grenzverwaltung als auch die innere Sicherheit zu immer höheren Prioritäten geworden sind. Die Mittel sollen insbesondere über den Asyl- und Migrationsfonds (AMF) und den neuen Fonds für integrierte Grenzverwaltung (IBMF) bereitgestellt werden. Der AMF ist das Nachfolgeinstrument des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF). Die EU hat ihn als nicht Schengen-relevant bezeichnet, weshalb sich die Schweiz nicht daran beteiligen wird. Der IBMF setzt sich aus den Teilinstrumenten Zollkontrollausrüstung sowie Grenzverwaltung und Visumpolitik (BMVI-Fonds) zusammen. Der BMVI-Fonds wurde von der EU als Schengenrelevant qualifiziert. Demnach ist die Schweiz als an Schengen assoziierter Staat grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands am BMVI-Fonds teilzunehmen.

Die Finanzausstattung für die Durchführung der Massnahmen im Rahmen des BMVIFonds beträgt 6,241 Milliarden Euro. Die Schweiz wird sich wiederum anteilsmässig an der Äufnung des neuen Fonds beteiligen. Als Grundlage für die Berechnung der Beitragszahlungen der Schweiz dient der Schengen-Schlüssel nach Artikel 11 Absatz 3 SAA. Die definitiven Kosten der Beteiligung der Schweiz am Fonds können zum jetzigen Zeitpunkt nicht endgültig beziffert werden. Es kann jedoch von rund 300 Millionen Franken für die gesamte Laufzeit des Fonds ausgegangen werden. Dies entspricht zum aktuellen Wechselkurs für den Voranschlag 2024 300 Millionen Euro.

Im Gegenzug zu ihren finanziellen Leistungen an den Fonds wird die Schweiz
Zuweisungen für nationale Massnahmen aus dem Fonds erhalten. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Schweiz über den Fonds Basiszuweisungen in der Höhe von rund 50 Millionen Euro erhalten wird. Zusätzlich zu diesem Betrag können später noch zweckgebundene Zuweisungen erfolgen. Die Position der Schweiz als Nettozahlerin rührt daher, dass sich ihre einzigen Schengen-Aussengrenzen an den Flughäfen mit internationalem Flugverkehr befinden.

Mit den Zuweisungen aus dem Fonds können diverse nationale Massnahmen gefördert werden, die zur Unterstützung der integrierten Grenzverwaltung und einer gemeinsamen Visumpolitik beitragen. Dazu gehören beispielsweise die Weiterentwicklung der IT-Grosssysteme im Schengen-Bereich, die bereits von der Bundesversammlung genehmigt wurden ­ insbesondere das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II), das ETIAS, das Einreise- und Ausreisesystem (EES), Eurodac und das VISA-Informationssystem ­ oder die Entsendung von Verbindungsbeamtinnen und -beamten wie Immigration Liaison Officers, welche die Instrumente der schweizerischen Migrationsaussenpolitik umsetzen, oder Airline Liaison Officers, die Fluggesellschaften bei der Dokumentenkontrolle im Ausland beraten und schulen.

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Die Dachverordnung ist Teil eines Pakets, das aus spezifischen EU-Verordnungen besteht und den Rechtsrahmen für sieben Fonds (Kohäsionsfonds, Europäischer Meeres- und Fischereifonds, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Europäischer Sozialfonds Plus, AMIF, BMVI-Fonds und Fonds für die innere Sicherheit) bildet.

Sie legt den Rahmen für einen gemeinsamen Ansatz bei der Durchführung der Massnahmen im Rahmen dieser Fonds fest und gewährleistet damit eine einheitliche Behandlung der Mitgliedstaaten, die eine finanzielle Unterstützung aus den Fonds erhalten. Darüber hinaus enthält sie unter anderem Vorschriften über die Aufgabenfinanzierung, die Programmplanung, die Fondsverwaltung und -kontrolle sowie den Rechnungsabschluss. Sie beinhaltet somit die Durchführungsbestimmungen zu sämtlichen Fonds. Infolgedessen verweist die Verordnung (EU) 2021/1148 an mehreren Stellen auf die Dachverordnung. Da von den sieben Fonds lediglich der BMVI-Fonds eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellt, hat die EU die Dachverordnung als nicht Schengen-relevant eingestuft. Da einige Bestimmungen der Dachverordnung für die korrekte Durchführung der Massnahmen im Rahmen des BMVIFonds notwendig sind, werden diese in die Zusatzvereinbarung zum BMVI-Fonds aufgenommen und damit für die Schweiz als anwendbar erklärt (vgl. Kap. 7).

5

Erläuterungen zu den Artikeln der Verordnung (EU) 2021/1148

5.1

Gliederung

Die Verordnung (EU) 2021/1148 umfasst neben der Präambel 34 Artikel und acht Anhänge, die integraler Bestandteil der Verordnung sind. Die Artikel sind in drei Kapitel gegliedert. In Kapitel I «Allgemeine Bestimmungen» werden Gegenstand und Geltungsbereich der Verordnung festgelegt, die zentralen Begriffe bestimmt und die Ziele der Verordnung dargelegt. In Kapitel II «Finanz- und Durchführungsrahmen» werden die allgemeinen Grundsätze für die Unterstützung definiert. Es werden zudem die Modalitäten für die Mittelverwaltung der geförderten Massnahmen festgelegt: geteilte, direkte und indirekte Mittelverwaltung. Das Kapitel III «Übergangs- und Schlussbestimmungen» umfasst die Bestimmungen, die für die Übertragung bestimmter Befugnisse an die Europäische Kommission zum Erlass von delegierten und Durchführungsrechtsakten erforderlich sind. In diesem Kapitel ist auch festgehalten, dass die Verordnung ab dem 1. Januar 2021 gelten wird. Aufgrund des innerstaatlichen Übernahmeverfahrens kann sich die Schweiz voraussichtlich erst ab dem Jahr 2024 am Fonds beteiligen.

5.2 Art. 1

Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen Gegenstand

Die Bestimmung legt den Gegenstand der Verordnung fest: die Einrichtung des BMVI-Fonds im Rahmen des IBMF, die politischen und spezifischen Ziele des Fonds, seine Mittelausstattung für den Zeitraum 2021­2027 und seine Finanzierung.

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Art. 2

Begriffsbestimmungen

Die Bestimmung erläutert die zentralen Begriffe der Verordnung.

Art. 3

Ziele des Instruments

Das politische Ziel des Fonds ist es, die Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums zu gewährleisten und gleichzeitig den freien Personenverkehr unter uneingeschränkter Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der EU und der Mitgliedstaaten zu wahren.

Im Rahmen dieses politischen Ziels soll der Fonds zu den folgenden spezifischen Zielen beitragen: ­

Unterstützung einer wirksamen europäischen integrierten Grenzverwaltung durch die Europäische Grenz- und Küstenwache in geteilter Verantwortung zwischen Frontex und den für die Grenzverwaltung zuständigen nationalen Behörden, um insbesondere legale Grenzübertritte zu erleichtern, illegale Einwanderung und die grenzüberschreitende Kriminalität zu verhindern und aufzudecken und die Migrationsströme wirksam zu steuern;

­

Unterstützung der gemeinsamen Visumpolitik zur Gewährleistung eines harmonisierten Vorgehens bei der Ausstellung von Visa, um insbesondere den legalen Reiseverkehr zu erleichtern und den Migrations- und Sicherheitsrisiken entgegenzuwirken.

Art. 4

Nichtdiskriminierung und Achtung der Grundrechte

Diese Bestimmung hält fest, dass die aus dem BMVI-Fonds finanzierten Massnahmen unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte durchgeführt werden, wobei insbesondere die Einhaltung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Nichtzurückweisung gewährleistet wird.

Art. 5

Gegenstand der Unterstützung

Die Ziele nach Artikel 3 sollen mit der Unterstützung verschiedener Massnahmen erreicht werden, die in Anhang III der Verordnung aufgeführt sind. Dazu gehören unter anderem Schulungen, Investitionen in Infrastrukturen oder Betriebsausrüstungen oder Studien sowie Massnahmen zur Entwicklung oder zum Einsatz neuer Technologien.

Um auf unvorhergesehene oder neue Gegebenheiten reagieren zu können, kann die Europäische Kommission delegierte Rechtsakte gestützt auf Artikel 31 erlassen, um die in Anhang III aufgeführten Massnahmen zu ändern.

Zur Verwirklichung der Ziele können gegebenenfalls auch Massnahmen in Drittstaaten oder mit Bezug zu Drittstaaten unterstützt werden.

Nicht förderfähig sind insbesondere Massnahmen an Binnengrenzen, an denen Kontrollen noch nicht aufgehoben wurden, Massnahmen im Zusammenhang mit der vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen sowie Massnahmen, deren Hauptzweck Zollkontrollen sind.

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5.3

Kapitel II: Finanz- und Durchführungsrahmen

Abschnitt 1: Gemeinsame Bestimmungen Art. 6

Allgemeine Grundsätze

Die Förderung von Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds dient der Kofinanzierung von Projekten, die auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene umgesetzt werden und zur Erreichung der Ziele des BMVI-Fonds beitragen. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die aus dem BMVI-Fonds geleistete Unterstützung mit den entsprechenden Massnahmen, Politiken und Prioritäten der EU im Einklang steht. Die Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds werden in direkter, geteilter oder indirekter Mittelverwaltung durchgeführt. Die Schweiz wird diese Massnahmen in geteilter Mittelverwaltung durchführen. Geteilte Mittelverwaltung bedeutet, dass die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission für die Verwaltung und Kontrolle der Mittel zuständig sind.

Art. 7

Mittelausstattung

Absatz 1 regelt, dass die Finanzausstattung für die Durchführung der Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds für den Zeitraum 2021­2027 insgesamt 5,241 Milliarden Euro zu jeweiligen Preisen beträgt; dies ohne Berücksichtigung der Beiträge der assoziierten Staaten. 3,668 Milliarden Euro sollen für die Programme der Mitgliedstaaten verwendet werden, davon 200,568 Millionen Euro für die in Artikel 17 genannte Unterstützung der Transit-Sonderregelung Litauens. 1,573 Milliarden Euro werden der in Artikel 8 genannten thematischen Fazilität zugewiesen.

Aufgrund der in Artikel 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/209322 vorgesehenen spezifischen Anpassung wird der Gesamtbetrag von 5,241 Milliarden Euro um eine zusätzliche Milliarde Euro zu konstanten Preisen von 2018 gemäss Anhang II der genannten Verordnung erhöht und ebenfalls der thematischen Fazilität zugewiesen (Abs. 2 und 4). Auf Initiative der Kommission werden höchstens 0,52 Prozent des Fondsvolumens der technischen Hilfe für die Durchführung der Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds zugewiesen.

Absatz 6 hält fest, dass die assoziierten Staaten, also auch die Schweiz, sich ebenfalls am BMVI-Fonds beteiligen und Zusatzvereinbarungen über ihre Finanzbeiträge und die für eine solche Beteiligung erforderlichen Modalitäten mit der EU abschliessen.

Die Finanzbeiträge der assoziierten Staaten werden den Mitteln nach Absatz 1 hinzugerechnet. Sobald sich ein assoziierter Staat bereit erklärt, die Verordnung (EU) 2021/1148 zu übernehmen und im nationalen Recht umzusetzen (unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen), legt die Europäische Kommission dem Rat unverzüglich eine Empfehlung zur Aufnahme der Verhandlungen über diese Regelungen vor. Nach Eingang der Empfehlung beschliesst der Rat unverzüglich, die Aufnahme dieser Verhandlungen zu genehmigen. Dieser Zusatz wurde auf Wunsch der Schweiz in Zusammenarbeit mit den weiteren assoziierten Staaten 22

Verordnung (EU, Euratom) 2020/2093 des Rates vom 17. Dezember 2020 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027, ABl. L 433I vom 22. Dezember 2020, S. 11.

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eingefügt. Die Zusatzvereinbarung bezieht sich bei der Berechnung des Schweizer Beitrags also auf diesen Absatz.

Art. 8

Allgemeine Bestimmungen zur Durchführung der thematischen Fazilität

Die thematische Fazilität dient vor allem der internen Politik der EU, welche die spezifischen Ziele nach Artikel 3 verfolgt. Die der thematischen Fazilität zugewiesenen Mittel (1,573 Mrd. Euro) werden für die Finanzierung von spezifischen Massnahmen (Art. 15), Unionsmassnahmen (Art. 21) und Soforthilfen (Art. 25) verwendet. Auf Initiative der Europäischen Kommission können zudem Gelder aus der thematischen Fazilität dem Bereich der technischen Hilfe zugeteilt werden, sofern dies einen hohen Mehrwert für die Union mit sich bringt oder zur Deckung eines dringenden Bedarfs benötigt wird. Für die Auswahl der zu ergreifenden Massnahmen sind die vereinbarten Unionsprioritäten nach Anhang II ausschlaggebend. Die Europäische Kommission legt den Gesamtbetrag fest, der für die thematische Fazilität aus den jährlichen Mitteln des EU-Haushalts zur Verfügung gestellt wird, und erlässt die Finanzierungsbeschlüsse im Rahmen von Durchführungsrechtsakten.

Abschnitt 2: Unterstützung und Durchführung in geteilter Mittelverwaltung Art. 9

Anwendungsbereich

Diese Bestimmung hält fest, dass die für die nationalen Programme vorgesehenen Mittel (3,668 Mrd. Euro) im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung eingesetzt werden. Geteilte Mittelverwaltung bedeutet, dass die Verantwortung für die Verwaltung des Fonds sowohl bei der Kommission als auch bei den Mitgliedstaaten liegt. Sobald Einvernehmen über die Programme besteht, sind die Mitgliedstaaten für die Durchführung der geplanten Massnahmen verantwortlich; dies schliesst die Auswahl konkreter Projekte für eine Finanzierung und die Bezahlung der Projektträger ein. Die Kommission überwacht die Durchführung, erstattet die Ausgaben und trägt die Letztverantwortung für den Haushalt.

Art. 10

Haushaltsmittel

Die für die nationalen Programme vorgesehenen 3,668 Milliarden Euro werden den Mitgliedstaaten wie folgt zugewiesen: Die Mittelzuweisung wird genau auf den Bedarf der Schengen-Staaten abgestimmt.

Grundsätzlich erhält jeder Mitgliedstaat zu Beginn einen Pauschalbetrag in der Höhe von 8 Millionen Euro. Zypern, Malta und Griechenland hingegen erhalten einen Pauschalbetrag von 28 Millionen Euro. Zusätzlich erfolgt eine weitere Zuweisung gemäss folgendem Verteilschlüssel: Landaussengrenzen (30 %), Seeaussengrenzen (35 %), Flughäfen (20 %) und Konsularstellen (15 %) (vgl. Anhang I). Die Verteilung innerhalb dieser Bereiche erfolgt gestützt auf eine Berechnung der Belastung, des Drucks und der Bedrohungslage an der Schengen-Aussengrenze. Die Berechnung erfolgt auf der Grundlage der statistischen Daten, die vom statistischen Amt der Europäischen Union Eurostat, von Frontex und von den Mitgliedstaaten in den Jahren 2018­2020 erhoben wurden. Die Schweiz profitiert dabei von den Bereichen Flughäfen und Kon20 / 44

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sularstellen. Diese Bewertung wird im Jahr 2024 (Halbzeitüberprüfung, vgl. Art. 14) wiederholt, wobei die restlichen 611 Millionen Euro im Jahr 2025 gestützt auf die neuesten verfügbaren statistischen Daten unter den Mitgliedstaaten verteilt werden können. Sollte dieser Betrag nicht den Mitgliedstaaten zugewiesen werden, wird er der thematischen Fazilität zugeteilt. Da die Schweiz gemäss Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b SAA zwei Jahre Zeit für die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 hat, wird sie sich formell erst später am BMVI-Fonds beteiligen können. In der Zusatzvereinbarung wurde eine entsprechende Regelung aufgenommen, dass der Schweiz daraus kein Nachteil erwachsen darf (Art. 14 Abs. 3 der Zusatzvereinbarung).

Die Mitgliedstaaten werden während des Programmplanungszeitraums zusätzlich gezielte Mittel für thematische Prioritäten oder für die Reaktion auf dringende Erfordernisse erhalten. Diese Mittel werden aus der thematischen Fazilität bereitgestellt.

Art. 11

Vorfinanzierung

Diese Bestimmung regelt den prozentualen Anteil (3­5 %) für die Vorfinanzierung der Programme für die Jahre 2021­2026. Wird ein Programm eines Mitgliedstaats nach dem 1. Juli 2021 angenommen, werden die Raten für die Jahre vor seiner Annahme im Jahr der Annahme gezahlt.

Art. 12

Kofinanzierungssätze

Bei der finanziellen Unterstützung aus dem BMVI-Fonds handelt es sich um eine Kofinanzierung. Der jeweilige Mitgliedstaat hat daher einen gewissen Anteil der anfallenden Projektkosten selbst zu tragen. Grundsätzlich beträgt die Förderquote aus dem BMVI-Fonds höchstens 75 Prozent der förderfähigen Gesamtausgaben eines Projekts.

Im Falle spezifischer Massnahmen (Art. 15) kann sie jedoch bis auf 90 Prozent erhöht werden. Die Massnahmen, die für eine höhere Kofinanzierung in Betracht kommen, sind in Anhang IV festgehalten. Für die Betriebskostenunterstützung (Art. 16), die Transit-Sonderregelung (Art. 17) und die Soforthilfe (Art. 25) kann der Beitrag auf 100 Prozent der förderfähigen Ausgaben erhöht werden. Ebenfalls kann der Beitrag an die technische Hilfe auf 100 Prozent der förderfähigen Gesamtausgaben angehoben werden.

Im Kommissionsbeschluss zur Genehmigung eines Programms eines Mitgliedstaats werden der Kofinanzierungssatz und der Höchstbetrag für die Unterstützung aus dem BMVI-Fonds festgelegt.

Art. 13

Programme der Mitgliedstaaten

Bei der Erstellung der nationalen Programme, die von der Europäischen Kommission zu prüfen und zu genehmigen sind, berücksichtigen die Mitgliedstaaten, dass die Mittel aus dem BMVI-Fonds einen Beitrag zu den spezifischen Zielen nach Artikel 3 Absatz 2 leisten.

Es sollen insbesondere die folgenden Massnahmen gefördert werden: ­

Massnahmen zur Verbesserung der Grenzkontrolle durch die Stärkung der Kapazitäten für Kontrollen und die Überwachung an den Aussengrenzen, 21 / 44

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durch technische und operative Massnahmen sowie durch die Durchführung von Risikoanalysen; ­

Massnahmen zur Verbesserung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene;

­

Einrichtung, Betrieb und Wartung der IT-Grosssysteme im Bereich der Grenzverwaltung und im Bereich Visa, einschliesslich der Interoperabilität dieser IT-Grosssysteme und ihrer Kommunikationsinfrastruktur;

­

Unterstützung von Such- und Rettungseinsätzen, um Personen in Seenot Hilfe zu leisten;

­

Bereitstellung effizienter und kundenfreundlicher Dienstleistungen für Visumantragstellende;

­

Unterstützung der Schengen-Staaten bei der Erteilung von Visa.

Um die geplanten Massnahmen der Mitgliedstaaten zur Kontrolle und Überwachung der Aussengrenzen zu optimieren und damit Kohärenz und Kosteneffizienz zu gewährleisten, konsultiert die Europäische Kommission Frontex zu den Entwürfen der nationalen Programme. Die Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (EU-LISA) wird zu den Massnahmen, die unter die operative Unterstützung fallen, konsultiert, sofern dies erforderlich erscheint.

Die Mitgliedstaaten legen in ihren Programmen den Schwerpunkt auf die in Anhang IV aufgeführten Massnahmen. Um auf unvorhergesehene oder neue Gegebenheiten reagieren zu können und eine effektive Finanzierung sicherzustellen, ist die Europäische Kommission befugt, gestützt auf Artikel 31 delegierte Rechtsakte zur Änderung der Liste der für höhere Kofinanzierungssätze in Betracht kommenden Massnahmen nach Anhang IV zu erlassen.

Art. 14

Halbzeitüberprüfung

Nach der Hälfte der Laufzeit des BMVI-Fonds, das heisst im Jahr 2024, lässt die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten den Zusatzbetrag von 611 Millionen Euro zukommen, um neuen oder zusätzlichen Belastungen Rechnung zu tragen. Die Mittelzuweisung wird genau auf den Bedarf der Mitgliedstaaten abgestimmt (vgl. Anhang I Ziff. 1 Bst. c und 2­10). Um in den Genuss zusätzlicher Mittel zu kommen, muss ein Mitgliedstaat einen Antrag auf Zahlung gestellt haben (Abs. 2). Werden die 611 Millionen Euro nicht vollständig den Mitgliedstaaten zugewiesen, so kann der verbleibende Betrag der thematischen Fazilität zugeteilt werden (Art. 10 Abs. 2).

Art. 15

Spezifische Massnahmen

Die Mitgliedstaaten können für die Durchführung von spezifischen Massnahmen (transnationale oder nationale Projekte mit europäischem Mehrwert) einen Zusatzbetrag erhalten, sofern diese Mittel in ihren Programmen ausgewiesen sind und zur Umsetzung der Ziele des BMVI-Fonds beitragen. Diese Mittel dürfen in hinreichend begründeten Fällen für andere im Programm vorgesehene Massnahmen verwendet

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werden, sofern die Europäische Kommission eine derartige Anpassung des Programms genehmigt.

Ein Beispiel für eine spezifische Massnahme ist unter anderem die Unterstützung der gemeinsamen Visumpolitik zur Gewährleistung eines harmonisierten Vorgehens bei der Ausstellung von Visa, um den legalen Reiseverkehr zu erleichtern und Migrations- und Sicherheitsrisiken entgegenzuwirken.

Art. 16

Betriebskostenunterstützung

Die Mitgliedstaaten können bis zu 33 Prozent des aus dem BMVI-Fonds für sie bereitgestellten Betrags für die Betriebskostenunterstützung der Behörden verwenden.

Darunter fallen beispielsweise Kosten für den Betrieb von IT-Systemen, Personalkosten sowie Kosten für die Wartung oder Instandsetzung von Ausrüstung und Infrastruktur (vgl. Anhang VII). Die Mitgliedstaaten müssen in den jährlichen Leistungsbilanzen festhalten, wie die Betriebskostenunterstützung zur Verwirklichung der Ziele beigetragen hat.

Um auf unvorhergesehene oder neue Gegebenheiten reagieren zu können oder um eine effektive Finanzierung sicherzustellen, ist die Europäische Kommission befugt, gestützt auf Artikel 31 delegierte Rechtsakte zur Änderung der Liste der als Betriebskostenunterstützung förderfähigen Ausgaben nach Anhang VII zu erlassen.

Art. 17

Betriebskostenunterstützung für die Transit-Sonderregelung

Gemäss Protokoll 5 zur Beitrittsakte Litauens trägt die EU die zusätzlichen Kosten für die Durchführung der Verordnungen (EG) Nr. 693/200323 und (EG) Nr. 694/200324 über das Dokument für den erleichterten Transit (FTD) und das Dokument für den erleichterten Transit im Eisenbahnverkehr (FRTD). Damit kompensiert die EU Litauen mit 200,568 Millionen Euro aus dem BMVI-Fonds dafür, dass es bei der Ausgabe der betreffenden Dokumente an russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die über die EU in die und aus der Region Kaliningrad reisen, keine Gebühren erhebt. Die Anwendung dieser Bestimmung wird durch die Europäische Kommission und Litauen bei allfälligen Änderungen überprüft.

Art. 18

Verwaltungsüberprüfungen und Prüfungen der von internationalen Organisationen durchgeführten Projekte

Diese Bestimmung regelt die Verwaltungsüberprüfungen und Prüfungen, sofern bei einem Projekt die Begünstigte eine internationale Organisation ist.

23

24

Verordnung (EG) Nr. 693/2003 des Rates vom 14. April 2003 zur Einführung eines Dokuments für den erleichterten Transit (FTD) und eines Dokuments für den erleichterten Transit im Eisenbahnverkehr (FRTD) sowie zur Änderung der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion und des Gemeinsamen Handbuchs, ABl. L 99 vom 17. April 2003, S. 8.

Verordnung (EG) Nr. 694/2003 des Rates vom 14. April 2003 über einheitliche Formate von Dokumenten für den erleichterten Transit (FTD) und Dokumenten für den erleichterten Transit im Eisenbahnverkehr (FRTD) gemäss der Verordnung (EG) Nr. 693/2003, ABl. L 99 vom 17. April 2003, S. 15.

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Abschnitt 3: Unterstützung und Durchführung im Wege der direkten oder indirekten Mittelverwaltung Art. 19

Anwendungsbereich

Die Unterstützung erfolgt entweder direkt durch die Europäische Kommission oder indirekt, das heisst Vollzugsaufgaben werden zum Beispiel auf Drittstaaten oder internationale Organisationen (einschliesslich deren Agenturen) übertragen (Art. 62 Abs. 1 Bst. a und c der Haushaltsordnung).

Art. 20

Förderfähige Stellen

Diese Bestimmung nennt die förderfähigen Stellen. Zu diesen gehören juristische Personen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, Drittstaaten, die im Arbeitsprogramm aufgeführt sind, sowie internationale Organisation, die für die Zwecke des BMVI-Fonds von Bedeutung sind. Weiter wird festgehalten, dass sich diese juristischen Personen als Teil von Konsortien mit mindestens zwei unabhängigen Stellen beteiligen müssen.

Natürliche Personen sind nicht förderfähig.

Art. 21

Unionsmassnahmen

Bei Unionsmassnahmen handelt es sich um transnationale Projekte oder Projekte von besonderem Interesse für die EU, die gemäss den Zielen des BMVI-Fonds durchgeführt werden. Auf Initiative der Europäischen Kommission können aus dem BMVIFonds Gelder für Unionsmassnahmen verwendet werden, die der Unterstützung der spezifischen Ziele nach Artikel 3 dienen.

Mit dem BMVI-Fonds wird insbesondere Folgendes gefördert (vgl. Anhang III): ­

Infrastruktur, Gebäude, Systeme und Dienstleistungen, die für die Grenzüberwachung an Grenzübergangsstellen, für die Bearbeitung von Visumanträgen, für die konsularische Zusammenarbeit oder für das Hosting von IT-Grosssystemen benötigt werden;

­

Betriebsausrüstung, die für wirksame und sichere Grenzkontrollen oder für die Bearbeitung von Visumanträgen und die konsularische Zusammenarbeit benötigt wird;

­

Schulungen, die die integrierte Grenzverwaltung oder das konsularische Personal, das an der gemeinsamen Visumpolitik und an der konsularischen Zusammenarbeit beteiligt ist, betreffen oder die in Bezug zu IT-Grosssystemen stehen;

­

Entwicklung und Modernisierung der IT-Grosssysteme;

­

Entsendung von Verbindungsbeamtinnen und -beamten für Zuwanderungsfragen, Grenzschutzbeamtinnen und -beamten sowie anderen Sachverständigen in Drittstaaten;

­

Austausch von bewährten Verfahren und von Fachwissen, Studien, Pilotprojekten und sonstigen einschlägigen Massnahmen zur Umsetzung oder Ent-

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wicklung einer integrierten Grenzverwaltung sowie zur Implementierung von IT-Grosssystemen; ­

Art. 22

Massnahmen zur Verbesserung der Datenqualität der in den IT-Systemen gespeicherten Daten.

Technische Hilfe auf Initiative der Kommission

Auf Initiative oder im Auftrag der Europäischen Kommission können bis zu 0,52 Prozent des Volumens des BMVI-Fonds für die technische Hilfe, das heisst für Ausgaben, die aufgrund der Umsetzung der Massnahmen im Rahmen des Fonds entstehen, aufgewendet werden. Diese Massnahmen können entweder zu einem Teil oder zu 100 Prozent finanziert werden.

Die Schweiz und die anderen an Schengen assoziierten Staaten haben mit der EU vereinbart, dass sie anstelle der 0,52 Prozent bis zu 0,75 Prozent aus dem Fonds für die technische Hilfe aufwenden dürfen (Art. 10 Abs. 2 der Zusatzvereinbarung).

Art. 23

Prüfungen

Diese Bestimmung hält fest, dass die Prüfungsergebnisse hinsichtlich der Verwendung des Unionsbeitrags die Grundlage für die Feststellung der allgemeinen Zuverlässigkeit gemäss Artikel 127 der Haushaltsordnung bilden.

Art. 24

Information, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Die Empfänger von Unionsmitteln sind verpflichtet, die Medien und die Öffentlichkeit über die erhaltenen Gelder aus dem BMVI-Fonds zu informieren. Diese Mitteilungen müssen zwingend das Emblem der Union tragen und die finanzielle Unterstützung der Union ausdrücklich erwähnen. Die Transparenz ist zu gewährleisten, und sämtliche Informationen zur Unionsförderung sind bereitzustellen. Ausgenommen davon sind hinreichend begründete Fälle, in denen eine öffentliche Bekanntmachung nicht möglich, nicht angemessen oder aus Gründen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der strafrechtlichen Ermittlung oder wegen des Schutzes personenbezogener Daten eingeschränkt ist. Die Europäische Kommission ihrerseits wird ebenfalls Massnahmen zur Information und Kommunikation über den BMVI-Fonds ergreifen.

Abschnitt 4: Unterstützung und Durchführung im Wege der geteilten, direkten oder indirekten Mittelverwaltung Art. 25

Soforthilfe

Diese Bestimmung sieht vor, dass im Fall einer Notlage finanzielle Unterstützung aus dem BMVI-Fonds gewährt wird. Die Nothilfe kann dabei in Form von Finanzhilfen direkt den dezentralen Agenturen (z. B. Frontex oder Asylagentur der Europäischen Union EUAA) gewährt werden. Auch für die Mitgliedstaaten kann zusätzlich zu der nach Artikel 10 Absatz 1 berechneten Mittelzuweisung für die Programme Soforthilfe bereitgestellt werden, sofern diese im Programm des Mitgliedstaats als solche ausgewiesen wird. In Fällen äusserster Dringlichkeit kann die Europäische Kommission 25 / 44

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einen Finanzierungsbeschluss für Soforthilfe im Rahmen eines sofort geltenden Durchführungsrechtsakts erlassen. Ein solcher Rechtsakt bleibt für höchstens 18 Monate in Kraft.

Art. 26

Kumulierte und alternative Finanzierung

Förderfähige Massnahmen können zusätzlich einen Beitrag aus anderen EU-Programmen erhalten, wobei die kumulierte Finanzierung die förderfähigen Gesamtkosten der Massnahme nicht übersteigen darf und die Beiträge nicht dieselben Kosten betreffen sollten. In Absatz 2 wird darauf hingewiesen, dass der Europäische Fonds für regionale Entwicklung oder der Europäische Sozialfonds Plus ebenfalls Massnahmen unterstützen kann. Da diese zwei Fonds nicht Schengen-relevant sind, ist dieser Absatz für die Schweiz nicht anwendbar.

Abschnitt 5: Überwachung, Berichterstattung und Evaluierung Unterabschnitt 1: Gemeinsame Bestimmungen Art. 27

Überwachung und Berichterstattung

Diese Bestimmung verpflichtet die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat über den Verlauf der Umsetzung der Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds zu informieren und ihnen die Leistungsindikatoren nach Anhang V vorzulegen. Die Europäische Kommission wird ermächtigt, gestützt auf Artikel 31 delegierte Rechtsakte zur Änderung der Liste der zentralen Leistungsindikatoren nach Anhang V zu erlassen. Ebenfalls wird die Europäische Kommission befugt, delegierte Rechtsakte zur Änderung von Anhang VIII zu erlassen, um die Indikatoren überarbeiten oder ergänzen zu können, falls dies als notwendig erachtet wird. Eine solche Änderung gilt nur für Projekte, die nach Inkrafttreten dieser Änderung ausgewählt werden.

Art. 28

Evaluierung

Die Bestimmung beauftragt die Europäische Kommission, bis zum 31. Dezember 2024 eine Halbzeitevaluierung und eine rückblickende Evaluierung der Verordnung, einschliesslich der Massnahmen, die im Rahmen des BMVI-Fonds durchgeführt wurden, vorzunehmen. Die Europäische Kommission hat dabei sicherzustellen, dass die darin enthaltenen Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden. In hinreichend begründeten Fällen, beispielsweise zur Gewährleistung der Sicherheit der Aussengrenzen, kann auf die Veröffentlichung verzichtet werden.

Unterabschnitt 2: Vorschriften über die geteilte Mittelverwaltung Art. 29

Jährliche Leistungsbilanzen

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, der Europäischen Kommission bis zum 15. Februar 2023 und bis zum gleichen Tag jedes Folgejahres bis einschliesslich 2031 eine jährliche Leistungsbilanz zu übermitteln. Äussert sich die Europäische Kommission nicht innerhalb von zwei Monaten, so gilt der Bericht als angenommen.

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Art. 30

Überwachung und Berichterstattung im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung

Diese Bestimmung hält fest, dass für die Überwachung und die Berichterstattung die Codes für die Vorhaben nach Anhang VI zur Anwendung gelangen. Um auf unvorhergesehene oder neue Gegebenheiten reagieren zu können und eine wirksame Finanzierung sicherzustellen, wird der Europäischen Kommission die Befugnis übertragen, gestützt auf Artikel 31 delegierte Rechtsakte zur Änderung von Anhang VI zu erlassen.

5.4

Kapitel III: Übergangs- und Schlussbestimmungen

Art. 31

Ausübung der Befugnisübertragung

Diese Bestimmung ermächtigt die Europäische Kommission, bis zum 31. Dezember 2027 delegierte Rechtsakte zu erlassen. Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts durch die Europäische Kommission hat diese die durch die Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen zu konsultieren. Ein von der Europäischen Kommission erlassener delegierter Rechtsakt wird dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig übermittelt. Der delegierte Rechtsakt tritt in Kraft, sofern weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt dieses Rechtsakts Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der Europäischen Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Die Übertragung der Befugnis zum Erlass von delegierten Rechtsakten kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Ein solcher Beschluss wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der EU oder zu einem im Beschluss genannten späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird vom Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

Art. 32

Ausschussverfahren

Die Europäische Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Gibt dieser Ausschuss keine Stellungnahme ab, so erlässt die Europäische Kommission den Durchführungsrechtsakt nicht, und Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/201125 findet Anwendung.

Gestützt auf die Artikel 2 und 3 der Vereinbarung vom 22. September 201126 zwischen der Europäischen Union sowie der Republik Island, dem Fürstentum Liechten25

26

Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. L 55 vom 28. Februar 2011, S. 13.

SR 0.362.11

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stein, dem Königreich Norwegen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Beteiligung dieser Staaten an der Arbeit der Ausschüsse, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse in Bezug auf die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands unterstützen, ist die Schweiz als assoziierter Staat berechtigt, hinsichtlich sämtlicher Fragen, die Schengen-Angelegenheiten betreffen, in den Ausschüssen, welche die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse unterstützen (sog. Komitologie-Ausschüsse), mitzuwirken. Sie könnte insbesondere Stellung nehmen und Anregungen anbringen.

Art. 33

Übergangsbestimmungen

Die vorliegende Verordnung hat keine Auswirkungen auf Massnahmen, die gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 515/201427 eingeleitet wurden. Die erwähnte Verordnung gilt für diese Massnahmen bis zu deren Abschluss weiterhin. Die Finanzausstattung des BMVI-Fonds kann auch zur Deckung der Ausgaben für technische und administrative Hilfe verwendet werden, die für den Übergang vom ISF-Grenze zum BMVI-Fonds erforderlich sind.

Art. 34

Inkrafttreten und Geltungsbeginn

Die Verordnung ist am 15. Juli 2021 in Kraft getreten und gilt seit dem 1. Januar 2021.

5.5

Anhänge I­VIII

Die vorliegende Verordnung enthält insgesamt acht Anhänge.

Anhang I

Kriterien für die Zuweisung von Mitteln für die Programme der Mitgliedstaaten

Anhang I definiert die Kriterien für die Zuweisung von Mitteln, welche die Mitgliedstaaten für die Finanzierung ihrer nationalen Programme aus dem BMVI-Fonds erhalten werden. Zu Beginn des Programmplanungszeitraums erhält jeder Mitgliedstaat einen Pauschalbetrag von 8 Millionen Euro (mit Ausnahme von Zypern, Griechenland und Malta, die einen Pauschalbetrag von 28 Mio. Euro erhalten). Ein einmaliger Betrag von 200,568 Millionen Euro wird Litauen zu Beginn des Programmplanungszeitraums für die Transit-Sonderregelung zugewiesen. Die übrigen Mittel werden je nach Arbeitsbelastung, Druck und Bedrohungslage an den Landaussengrenzen (30 %), den Seeaussengrenzen (35 %), den Flughäfen (20 %) und in den Konsularstellen (15 %) zu Beginn der Laufzeit und nach der Halbzeitüberprüfung verteilt.

27

Verordnung (EU) Nr. 515/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Schaffung eines Instruments für die finanzielle Unterstützung für Aussengrenzen und Visa im Rahmen des Fonds für die innere Sicherheit und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 574/2007/EG, ABl. L 150 vom 20. Mai 2014, S. 143; zuletzt geändert durch Delegierte Verordnung (EU) 2020/446, ABl. L 94 vom 27. März 2020, S. 3.

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Anhang II

Durchführungsmassnahmen

Anhang II beinhaltet die Durchführungsmassnahmen zur Verwirklichung der in Artikel 3 Absatz 2 genannten spezifischen Ziele. Dazu zählen insbesondere die Verbesserung der Grenzkontrolle, der Aufbau der Europäischen Grenz- und Küstenwache sowie die Einrichtung, der Betrieb und die Wartung der IT-Grosssysteme im Bereich Grenzverwaltung, insbesondere des Schengener Informationssystems (SIS), des ETIAS, des EES und von Eurodac für die Zwecke der Grenzverwaltung, einschliesslich der Interoperabilität dieser IT-Grosssysteme, sowie die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Erteilung von Visa und die Bereitstellung effizienter und kundenfreundlicher Dienstleistungen für Visumantragstellende.

Anhang III

Gegenstand der Unterstützung

Anhang III nimmt Bezug auf die spezifischen Ziele nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a und regelt, was Gegenstand der Unterstützung durch den BMVI-Fonds sein kann, um diese spezifischen Ziele zu erreichen. Beispiele dafür sind Schulungen, Infrastrukturen und Betriebsausrüstungen.

Anhang IV

Massnahmen, die für höhere Kofinanzierungssätze gemäss Artikel 12 Absatz 3 und Artikel 13 Absatz 17 in Betracht kommen

Anhang IV nimmt Bezug auf die Förderquote. Grundsätzlich beträgt die Förderquote aus dem Fonds gemäss Artikel 11 Absatz 1 höchstens 75 Prozent der förderfähigen Gesamtausgaben eines Projekts. Die Förderquote kann jedoch gestützt auf Artikel 12 Absatz 3 und Artikel 13 Absatz 17 unter bestimmten Umständen erhöht werden; Anhang IV listet die Massnahmen auf, bei welchen die Erhöhung in Betracht kommt.

Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Massnahmen zur Unterstützung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und einem benachbarten Drittstaat, mit dem die EU eine gemeinsame Land- oder Seegrenze hat, ergriffen oder Verbindungsbeamtinnen oder -beamte für Einwanderungsfragen gemeinsam entsandt werden.

Anhang V

Zentrale Leistungsindikatoren im Sinne des Artikels 27 Absatz 1

Anhang V legt die zentralen Leistungsindikatoren fest, anhand derer die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Fortschritte bei der Umsetzung des BMVI-Fonds zur Erreichung der spezifischen Ziele gemäss Artikel 3 Absatz 2 Bericht erstattet (Art. 27 Abs. 1). Indikatoren sind beispielsweise die Zahl der Grenzübertritte durch automatisierte Grenzkontrollsysteme und E-Gates oder die durchschnittliche Entscheidungsdauer im Visumverfahren.

Anhang VI

Vorhaben

Anhang VI enthält vier Tabellen mit verschiedenen Codes: Die erste Tabelle beinhaltet die Codes für die verschiedenen Interventionsbereiche, die zweite die Codes für die verschiedenen Massnahmenarten, die dritte die Codes für die Durchführung und die vierte die Codes für die Dimension besonderer Themen.

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Anhang VII

Ausgaben, die für die Betriebskostenunterstützung in Betracht kommen

Anhang VII hält die Ausgaben fest, die für die Betriebskostenunterstützung gemäss Artikel 16 in Betracht kommen. Die Betriebskostenunterstützung deckt die Ausgaben ab, die zur Erreichung der spezifischen Ziele nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a und b anfallen. Darunter fallen beispielsweise Personalkosten, Kosten für Dienstleistungen oder Kosten für die Wartung von IT-Grosssystemen. Die unter Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a aufgeführten Ausgaben kommen nur in Betracht, sofern sie nicht bereits von Frontex im Rahmen ihrer operativen Tätigkeit abgedeckt werden.

Anhang VIII

Output- und Ergebnisindikatoren gemäss Artikel 27 Absatz 3

Anhang VIII legt die Output- und Ergebnisindikatoren fest, die den auf den BMVIFonds zurückzuführenden Fortschritt bei der Erreichung der spezifischen Ziele aufzeigen und somit für die Berichterstattung (Art. 27 Abs. 3) genutzt werden. Ein Indikator für den Fortschritt bei der Erreichung des spezifischen Ziels einer wirksamen integrierten europäischen Grenzverwaltung (Art. 3 Abs. 2 Bst. a) ist beispielsweise die Zahl der durch den BMVI-Fonds unterstützten spezialisierten Stellen in Drittstaaten. Als Indikator für die Erreichung des Ziels der Unterstützung der gemeinsamen Visumpolitik (Art. 3 Abs. 2 Bst. b) dient zum Beispiel die Zahl der IT-Funktionen, die mit Unterstützung des BMVI-Fonds entwickelt wurden.

6

Grundzüge der Zusatzvereinbarung

Da der Fonds eine Einrichtung der EU und die Schweiz nicht Mitglied derselben ist, müssen die Regeln für die Beteiligung der assoziierten Staaten am BMVI-Fonds ­ und also auch der Schweiz ­ in je einer Zusatzvereinbarung festgelegt werden. Zu regeln sind insbesondere die Berechnungsmethode für die finanzielle Beteiligung der assoziierten Staaten am Fonds und die Modalitäten der Beitragszahlungen sowie die Zuständigkeiten der europäischen Institutionen in den Bereichen Finanzkontrolle und Korruptionsbekämpfung mit Bezug auf die den assoziierten Staaten ausbezahlten Fondsgelder. Es handelt sich um eine Zusatzvereinbarung zum SAA, wie sie die Schweiz auch im Hinblick auf ihre Beteiligung am ISF-Grenze und dessen Vorgängerfonds abgeschlossen hat. Die rechtliche Grundlage für den Abschluss einer solchen Zusatzvereinbarung bildet Artikel 7 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2021/1148.

Der Wortlaut der Zusatzvereinbarung und seines Anhangs wurde auf Englisch ausgehandelt und im Anschluss von der EU in weitere 24 Sprachen übersetzt. Darunter befinden sich auch die Amtssprachen der Schweiz. Alle Sprachversionen sind gleichermassen verbindlich (vgl. Art. 18 der Zusatzvereinbarung).

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7

Erläuterungen zu den Artikeln der Zusatzvereinbarung

Die Zusatzvereinbarung umfasst neben der Präambel 18 Artikel und zwei Anhänge, die integraler Bestandteil der Zusatzvereinbarung sind.

Präambel Die Präambel unterstreicht, dass die Verordnung (EU) 2021/1148 eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands im Sinne des SAA darstellt. Sie hebt zudem hervor, dass Artikel 7 Absatz 6 dieser Verordnung vorsieht, dass sich die assoziierten Staaten am Fonds beteiligen und dazu Zusatzvereinbarungen abschliessen werden, um die Modalitäten dieser Beteiligung festzulegen.

Art. 1

Regelungsbereich

Artikel 1 legt den Anwendungsbereich der Zusatzvereinbarung dar, welche die ergänzenden Regeln für die Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds für den Programmplanungszeitraum 2021­2027 beinhaltet.

Art. 2

Finanzverwaltung und -kontrolle

Artikel 2 bestimmt, dass die Schweiz bei der Durchführung der Verordnung (EU) 2021/1148 die erforderlichen Massnahmen ergreift um sicherzustellen, dass die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union28 (AEUV) und im abgeleiteten Unionsrecht niedergelegten einschlägigen Vorschriften zur Finanzverwaltung und -kontrolle eingehalten werden. Absatz 1 definiert die relevanten Vorschriften.

Unter diese fallen neben der Verordnung (Euratom, EG) 2185/9629, der Verordnung (EU, Euratom) 2988/9530 und der Verordnung (EU, Euratom) 883/201331 die für den BMVI-Fonds relevanten Bestimmungen der Haushaltsordnung sowie die einschlägigen Bestimmungen der Dachverordnung. Absatz 2 spezifiziert die Übernahme der für den BMVI-Fonds relevanten Änderungen der Haushaltsordnung. Im Fall einer Änderung, Aufhebung, Ersetzung oder Neufassung der Haushaltsordnung, die für den BMVI-Fonds von Bedeutung ist, unterrichtet die Europäische Kommission die Schweiz baldmöglichst darüber und gibt auf Ersuchen der Schweiz Erläuterungen ab.

Daraufhin entscheiden die Schweiz und die Europäische Kommission einvernehmlich, ob aufgrund der Änderung, Aufhebung, Ersetzung oder Neufassung der Haus28 29

30

31

ABl. C 326 vom 26. Oktober 2012, S. 1.

Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 des Rates vom 11. November 1996 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmässigkeiten, ABl. L 292 vom 15. November 1996, S. 2.

Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. L 312 vom 23. Dezember 1995, S. 1.

Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates, ABl. L 248 vom 18. September 2013, S. 1.

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haltsordnung Anpassungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Zusatzvereinbarung notwendig sind, gemäss dem dafür in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Zusatzvereinbarung und im Umkehrschluss in Artikel 16 Absatz 1 vorgesehenen Verfahren. Absatz 3 bestimmt, dass alle für den BMVI-Fonds relevanten Änderungen der Dachverordnung nach einem an den SAA angelehnten Mechanismus übernommen werden. Die Schweiz wird über Änderungsvorschläge betreffend die Dachverordnung informiert und kann der EU ihren Standpunkt darlegen, der von der EU gebührend berücksichtigt wird. Die entsprechenden Rechtsakte werden der Schweiz notifiziert.

Beschliesst die Schweiz, einen notifizierten Rechtsakt nicht zu akzeptieren, kann die EU die Rechte von in der Schweiz ansässigen juristischen Personen, die sich aus der Anwendung der Zusatzvereinbarung ergeben, gestützt auf Artikel 16 der Zusatzvereinbarung suspendieren.

Art. 3

Spezifische Anwendung von Bestimmungen der Dachverordnung gemäss Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d

Artikel 3 spezifiziert die Anwendung der Bestimmungen der Dachverordnung (vgl.

Art. 2 Abs. 1 Bst. d der Zusatzvereinbarung) für die Schweiz. Die Bestimmung hält unter anderem fest, dass die Schweiz Verweise auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union32 als Verweise auf die EMRK und die von der Schweiz ratifizierten Protokolle sowie auf Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 194833 ansieht.

Art. 4

Spezifische Anwendung von Bestimmungen der BMVI-Verordnung

Artikel 4 spezifiziert die Anwendung der Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b und 14 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/1148. So weist die Europäische Kommission der Schweiz bei der Halbzeitüberprüfung einen zusätzlichen Betrag zu, sofern diese innert zwei Jahren nach Beginn der Beteiligung am BMVI-Fonds einen Antrag auf Zahlung gestellt hat.

Art. 5

Vollstreckung

Artikel 5 legt fest, dass Entscheidungen der Europäischen Kommission, die anderen Rechtspersonen als Staaten (d. h. natürlichen und juristischen Personen) eine Zahlung auferlegen, im Hoheitsgebiet der Schweiz vollstreckbare Titel sind. Dasselbe gilt für Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, die in Anwendung einer Schiedsklausel in einer Finanzhilfevereinbarung im Anwendungsbereich der BMVIZusatzvereinbarung ergehen. Beim Eintritt eines solchen Falles würde die Schweiz hierzu eine einzelstaatliche Behörde gegenüber der Europäischen Kommission benennen, die wiederum den Gerichtshof der Europäischen Union darüber in Kenntnis setzen würde.

32 33

ABl. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 389.

Abrufbar unter: www.humanrights.ch > Informationsplattform > Grundlagen > Abkommen und Rechtsgrundlagen > Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

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Art. 6

Schutz der finanziellen Interessen der Union

Artikel 6 verpflichtet die Schweiz, alle geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen zu bekämpfen. Die zuständigen Schweizer Behörden (die Sektion Fonds- und Förderprogramme des SEM [SFFP] als Verwaltungsbehörde sowie die EFK als Prüfbehörde) informieren das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) unverzüglich über alle Ereignisse und Verdachtsmomente. Artikel 6 verpflichtet die Schweiz, Massnahmen zu ergreifen, die mit den von der Union gemäss Artikel 325 Absatz 4 AEUV ergriffenen, zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung in Kraft befindlichen Massnahmen gleichwertig sind. In der Schweiz bestehen gleichwertige Massnahmen, die bereits zur Umsetzung des ISF-Grenze zur Verfügung standen. Die Massnahmen der Schweiz gegen Unregelmässigkeiten und Betrug werden auf verschiedenen Ebenen angewendet, angefangen bei der SFFP als Verwaltungsbehörde über das SEM als rechtlich verantwortliche Stelle für die Verwaltungsbehörde bis hin zur EFK als Prüfbehörde und zur gesamten Bundesverwaltung. Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Massnahmen, die die Schweiz im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 der Zusatzvereinbarung getroffen hat.

Innerhalb der SFFP: Zur Verhinderung von Unregelmässigkeiten und Betrug auf Projektebene wird die SFFP unter anderem die Vergabevorschriften und die Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung für Begünstigte in der Finanzhilfevereinbarung und im Förderhandbuch berücksichtigen. Werden im Rahmen der Kontrolltätigkeit Unregelmässigkeiten bei den Begünstigten festgestellt, so legt sie diese in den Kontrollberichten dar und spricht entsprechende Empfehlungen aus oder legt Abhilfemassnahmen gemäss der Finanzhilfevereinbarung und dem Förderhandbuch fest, denen die Begünstigten nachkommen müssen.

Innerhalb des SEM: Alle Beschaffungen und Beschaffungsverträge unterliegen einer internen Richtlinie. Um Korruption vorzubeugen, sieht die Richtlinie vor, dass alle an der Beschaffung beteiligten Personen eine Unbefangenheitserklärung34 unterzeichnen, in der sie sich verpflichten, ihre Vorgesetzte oder ihren Vorgesetzten über jeden Interessenkonflikt zu informieren. Die Finanzabteilung des SEM verfügt ausserdem über ein internes Kontrollsystem.

Innerhalb der EFK: Die
Prüfbehörde bewertet das Verwaltungs- und Kontrollsystem der SFFP als Verwaltungsbehörde, indem sie Ausgaben- und Systemprüfungen bei ihr und Ausgabenüberprüfungen bei den Projektbegünstigten durchführt.

Innerhalb der gesamten Bundesverwaltung: Es wurden verschiedene Massnahmen zur Korruptionsprävention ergriffen, wobei der Kodex vom 15. August 201235 für das Personal der Bundesverwaltung zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zum Umgang mit nicht öffentlich bekannten Informationen massgebend ist.

Falls die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft betroffen sein könnte, unterrichten die Schweizer Behörden diese ebenfalls. Ferner verpflichten sich die 34 35

Abrufbar unter: www.beschaffung.admin.ch > Informationen für Bedarfsstellen > Unbefangenheitserklärung.

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Schweiz und die EU zur gegenseitigen Rechtshilfe im Fall von Ermittlungen oder Gerichtsverfahren, die den BMVI-Fonds betreffen.

Art. 7

Überprüfungen und Rechnungsprüfungen durch die Union

Artikel 7 bestimmt, dass die EU das Recht hat, technische, finanzielle oder andere Arten von Überprüfungen und Rechnungsprüfungen bei natürlichen oder juristischen Personen mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz durchzuführen. Dies jedoch nur, sofern diese Finanzmittel der Europäischen Union aus dem BMVI-Fonds erhalten. Sofern von den Schweizer Behörden gewünscht, werden die Überprüfungen und Rechnungsprüfungen durch die Europäische Kommission zusammen mit den Behörden der Schweiz durchgeführt. Die Überprüfungen und Rechnungsprüfungen können von der Europäischen Kommission, von OLAF und vom Europäischen Rechnungshof auch nach einer allfälligen Suspendierung gemäss Artikel 16 oder Beendigung der Zusatzvereinbarung durchgeführt werden.

Art. 8

Kontrollen und Überprüfungen vor Ort

Artikel 8 ermächtigt OLAF im Zusammenhang mit dem BMVI-Fonds und auf der Grundlage der Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96, die durch die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 ergänzt wurde, Kontrollen und Überprüfungen im Hoheitsgebiet der Schweiz vorzunehmen. Dabei erleichtern die Schweizer Behörden diese Kontrollen und Überprüfungen, die auf ihren Wunsch hin mit ihnen zusammen durchgeführt werden.

Art. 9

Rechnungshof

Artikel 9 regelt, dass sich die in Artikel 287 Absätze 1 und 2 AEUV festgelegten Zuständigkeiten des Europäischen Rechnungshofs auch auf die Einnahmen und Ausgaben der Schweiz im Zusammenhang mit der Durchführung der Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds erstrecken. Zudem ermächtigt Artikel 9 den Europäischen Rechnungshof, im Zusammenhang mit dem BMVI-Fonds Prüfungen im Hoheitsgebiet der Schweiz vorzunehmen; dies gestützt auf Artikel 287 Absatz 3 AEUV und den ersten Teil Titel 14 Kapitel 1 der Haushaltsordnung. Die Prüfungen werden in Zusammenarbeit mit der EFK und dem SEM durchgeführt.

Art. 10

Finanzbeiträge

Artikel 10 definiert die finanzielle Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds, wobei die Formel aus Anhang I angewendet wird. Gemäss Anhang I zahlt die Schweiz für die Jahre 2023­2025 jeweils einen jährlichen Betrag in der Höhe von rund 55 Millionen Euro. Die definitive finanzielle Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds für die Jahre 2026 und 2027 wird anhand der am 31. März 2026 verfügbaren BIP-Zahlen für die Jahre 2020­2024, abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen aus den Jahren 2023­2025, berechnet. Dieser Restbetrag wird zu je 50 Prozent in den Jahren 2026 und 2027 fällig. Mit der Anwendung dieser Formel kann für den gesamten Zeitraum die Berechnungsmethode hinsichtlich der operativen Kosten berücksichtigt werden, die in Artikel 11 Absatz 3 SAA für die Schweiz festgelegt ist. Die Europäische Kom34 / 44

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mission kann jährlich bis zu 0,75 Prozent der von der Schweiz geleisteten Zahlungen zur Deckung der Verwaltungsausgaben für interne oder externe Mitarbeitende aufwenden, welche die Schweiz bei der Umsetzung der Verordnung (EU) 2021/1148 und der Zusatzvereinbarung unterstützen. Artikel 10 bestimmt weiter, dass die finanziellen Beiträge der Schweiz nach Abzug der Verwaltungsausgaben zu 70 Prozent für die Durchführung der Programme der Schengen-Staaten und zu 30 Prozent für die thematische Fazilität gemäss Artikel 8 der Verordnung (EU) 2021/1148 verwendet werden sollen. Ausserdem soll ein Betrag, der der jährlichen Zahlung der Schweiz entspricht, für einen starken, wirksamen und integrierten Schutz der europäischen Aussengrenzen verwendet werden.

Art. 11

ETIAS

Artikel 11 und Anhang II regeln nebst der Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds auch, wie allfällige Überschüsse aus den ETIAS-Gebühren anteilsmässig über eine entsprechende Reduktion der finanziellen Beteiligung am BMVI-Fonds der Schweiz zugewiesen werden.

Art. 12

Vertraulichkeit

Artikel 12 regelt die berufliche Schweigepflicht. Gemäss dieser Bestimmung fallen alle übermittelten oder erhaltenen Informationen unter diese Vertraulichkeitsregel.

Die entsprechenden Informationen dürfen ausschliesslich an Personen der Organe der Union, der Schengen-Staaten oder der Schweiz übermittelt werden, die diese aufgrund ihrer Funktion kennen müssen. Die Informationen dienen ausschliesslich dazu, die finanziellen Interessen der Vertragsparteien wirksam zu schützen. Die aufgeführten Regeln entsprechen den üblichen in der Bundesverwaltung geltenden Vertraulichkeitsregeln.

Art. 13

Öffentliche Auftragsvergabe

Artikel 13 enthält Konkretisierungen zum öffentlichen Beschaffungswesen. So sollen Verweise in der Verordnung (EU) 2021/1148 sowie in der Dachverordnung auf Rechtsvorschriften der Union über das öffentliche Beschaffungswesen als Verweise auf die nationalen Vorschriften der Schweiz über das öffentliche Beschaffungswesen, auf das plurilaterale Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation (WTO) sowie das Abkommen vom 21. Juni 199936 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens angesehen werden.

Beim plurilateralen Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen der WTO handelt es sich um das sogenannte Governmental Procurement Agreement (GPA). Für die Schweiz gilt zurzeit das GPA vom 15. April 199437. Der Bundesrat legte dem Parlament im Frühling 2016 eine Botschaft zur Genehmigung des neuen GPA von 2012 sowie eine Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes vom

36 37

SR 0.172.052.68 SR 0.632.231.422

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16. Dezember 199438 über das öffentliche Beschaffungswesen vor. Die Anforderungen des revidierten GPA wurden durch eine Totalrevision des Bundesrechts und der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen39 ins nationale Recht umgesetzt. Am 21. Juni 2019 genehmigten die eidgenössischen Räte gleichzeitig das revidierte GPA sowie das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Kantone ihrerseits verabschiedeten am 15. November 2019 die revidierte Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen. Der Beschluss des Bundesrates vom 12. Februar 2020 zur Inkraftsetzung der revidierten Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen per 1. Januar 2021 ebnete schliesslich den Weg zur Ratifizierung des revidierten GPA durch die Schweiz.

Art. 14

Inkrafttreten und Dauer

Artikel 14 legt das Inkrafttreten und die Dauer der Zusatzvereinbarung fest. Die Zusatzvereinbarung wird am ersten Tag des ersten Monats nach dem Tag der letzten Notifikation gemäss Artikel 14 Absatz 1 in Kraft treten. Damit eine kontinuierliche Unterstützung der über den ISF-Grenze finanzierten Projekte gewährleistet werden kann, können Massnahmen im Rahmen der Verordnung (EU) 2021/1148 bereits vor dem Inkrafttreten beginnen. Artikel 14 regelt weiter, dass die Zusatzvereinbarung nur in gegenseitigem Einvernehmen schriftlich geändert werden darf. Ungeachtet dieser Regelung kann der mit dem SAA eingeführte Gemischte Ausschuss erforderliche Änderungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, der die für den BMVI-Fonds relevanten Bestimmungen der Haushaltsordnung festhält, aushandeln und annehmen, wenn seitens der EU zuvor eine Notifizierung gemäss Artikel 16 Absatz 2 erfolgte und kein gegenseitiges Einvernehmen im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 erzielt wurde.

Art. 15

Beilegung von Streitigkeiten

Artikel 15 regelt, dass bei Streitigkeiten über die Anwendung der Zusatzvereinbarung das in Artikel 10 SAA festgelegte Verfahren zur Anwendung gelangt. Infolgedessen kann ein Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Zusatzvereinbarung Auswirkungen auf das SAA haben.

Art. 16

Suspendierung

Artikel 16 ist im Vergleich zu den Zusatzvereinbarungen der Vorgängerfonds neu und regelt die Voraussetzungen und das Verfahren für die Suspendierung der Rechte der in der Schweiz ansässigen juristischen Personen, die sich aus der Anwendung der Zusatzvereinbarung ergeben. Nach Artikel 16 Absatz 1 kann eine Suspendierung dieser Rechte durch die EU im Einklang mit den Absätzen 5­7 dieses Artikels in den folgenden drei Fällen erfolgen: 1.

38 39

bei teilweiser oder vollständiger Nichtbezahlung des zu leistenden Finanzbeitrags durch die Schweiz;

SR 172.056.1 iSR 7.4-1.2

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2.

bei Nichteinhaltung von Artikel 2 Absatz 3, einschliesslich des Entscheids, einen nach Massgabe dieser Bestimmung notifizierten Rechtsakt nicht zu akzeptieren;

3.

bei einer für den BMVI-Fonds relevanten Änderung, Aufhebung, Ersetzung oder Neufassung der Haushaltsordnung, wenn innerhalb von 30 Tagen nach Inkrafttreten der Änderung, Aufhebung, Ersetzung oder Neufassung der Haushaltsordnung kein gegenseitiges Einvernehmen im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 erzielt worden ist.

Die EU unterrichtet die Schweiz zuvor über ihre Absicht, die Rechte von in der Schweiz ansässigen juristischen Personen, die sich aus der Anwendung der Zusatzvereinbarung ergeben, auszusetzen. In diesem Fall wird die Angelegenheit offiziell auf die Tagesordnung des nach Artikel 3 SAA eingesetzten Gemischten Ausschusses aufgenommen, der innerhalb von 30 Tagen nach der Unterrichtung durch die EU tagt.

Der Gemischte Ausschuss verfügt ab dem Zeitpunkt der Annahme der Tagesordnung, auf die die Angelegenheit gesetzt wurde, über eine Frist von 90 Tagen, um die Angelegenheit zu regeln. Kann die Angelegenheit vom Gemischten Ausschuss innerhalb dieser Frist nicht geregelt werden, so ist zur endgültigen Regelung eine weitere Frist von 30 Tagen vorgesehen. Gelingt die Regelung nicht, so kann die EU die Rechte der in der Schweiz ansässigen juristischen Personen, die an neuen Vergabeverfahren teilnehmen wollen, suspendieren. Rechtliche Verpflichtungen, die vor dem Wirksamwerden der Suspendierung mit in der Schweiz ansässigen juristischen Personen eingegangen wurden, bleiben von der Suspendierung unberührt. Für solche rechtliche Verpflichtungen gilt die Vereinbarung weiterhin. Sind die Voraussetzungen der Suspendierung nicht mehr gegeben, unterrichtet die EU die Schweiz unverzüglich und hebt die Suspendierung mit sofortiger Wirkung auf. Ab dem Tag der Aufhebung der Suspendierung sind in der Schweiz ansässige juristische Personen bei Vergabeverfahren, die nach diesem Zeitpunkt eingeleitet werden, sowie bei Vergabeverfahren, die vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurden und bei denen die Fristen für die Einreichung der Anträge noch nicht abgelaufen sind, wieder förderfähig.

Art. 17

Kündigung

Artikel 17 regelt, unter welchen Voraussetzungen die Zusatzvereinbarung gekündigt werden kann: Sowohl die EU als auch die Schweiz können die Zusatzvereinbarung durch eine Notifikation kündigen. Das Abkommen tritt drei Monate nach dem Datum dieser Notifikation ausser Kraft. Darüber hinaus endet die Zusatzvereinbarung automatisch, wenn das Schengen-Assoziierungsabkommen mit der Schweiz beendet wird.

Verpflichtungen gestützt auf die Zusatzvereinbarung werden dabei bis zu ihrem Abschluss fortgesetzt.

Art. 18

Sprachen

Artikel 18 bestimmt die Sprachen der Zusatzvereinbarung.

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Anhang I

Formel zur Berechnung der jährlichen Finanzbeiträge für die Jahre 2021­2027 und Zahlungsangaben

Anhang I hält, wie in den Erläuterungen zu Artikel 10 bereits erwähnt, die jährlichen Zahlungen der Schweiz an den BMVI-Fonds für die Jahre 2023­2025 fest. Darüber hinaus bestimmt er die Berechnungsgrundlage für die Beitragszahlungen der Schweiz an den Fonds für die Jahre 2026 und 2027. Gleichzeitig legt er die damit verbundenen Zahlungskonditionen fest.

Die Schweiz hat ihren finanziellen Beitrag in Euro zu leisten. Der jeweilig geschuldete Betrag ist bis spätestens 45 Tage nach Erhalt der Lastschrift zu begleichen. Auf verspätete Überweisungen ist ohne Mahnung ein Verzugszins von 3,5 Prozent geschuldet.

Anhang II

Formel zur Berechnung des Anteils der Schweiz am allenfalls verbleibenden Einnahmenüberschuss nach Artikel 86 der ETIAS-Verordnung

Anhang II definiert die Formel zur Berechnung des Schweizer Anteils an den potenziell verbleibenden Erträgen im Sinne von Artikel 86 der Verordnung (EU) 2018/124040 (ETIAS-Verordnung).

Die in der Zusatzvereinbarung enthaltenen Bestimmungen über die Finanzkontrolle sollen entsprechende Amtshandlungen durch die zuständigen Organe der EU auf schweizerischem Territorium erlauben, sodass Artikel 271 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs41 darauf nicht zur Anwendung kommt.

8

Auswirkungen

8.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Für die finanzielle Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds wird, wie bereits beim AGF und beim ISF-Grenze, der in Artikel 11 Absatz 3 des SAA vorgesehene Schengen-Schlüssel zur Anwendung gelangen. Für dessen Festlegung wird der Anteil des jährlichen BIP der Schweiz an der Gesamtsumme der BIP aller am Fonds teilnehmenden Staaten bestimmt (beteiligte EU-Mitgliedstaaten plus assoziierte Staaten). Anschliessend wird dieser Index auf die jährliche Referenzsumme angewendet, die der Summe aller Mittel entspricht, die den teilnehmenden Staaten für das betreffende Jahr insgesamt zugewiesen werden.

Zum jetzigen Zeitpunkt können die definitiven Kosten der Beteiligung der Schweiz am Fonds nicht endgültig beziffert werden. Da das Volumen des BMVI-Fonds etwa 40

41

Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. September 2018 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1077/2011, (EU) Nr. 515/2014, (EU) 2016/399, (EU) 2016/1624 und (EU) 2017/2226, ABl. L 236 vom 19. September 2018, S. 1.

SR 311.0

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doppelt so hoch ist wie beim ISF-Grenze (2,76 Mrd. Euro) und die Schweiz sich mit 134,5 Millionen Franken (120 Mio. Euro) daran beteiligte, kann von rund 300 Millionen Euro für die Gesamtlaufzeit des Fonds ausgegangen werden.

Wie bereits bei den zwei vorangehenden Fonds wird die Schweiz Zuweisungen aus dem BMVI-Fonds erhalten. Beim ISF-Grenze erhielt die Schweiz insgesamt Zuweisungen von rund 34,1 Millionen Franken (32,7 Mio. Euro). Aufgrund der vorgenommenen Schätzung kann beim BMVI-Fonds von einer Basiszuweisung von rund 50 Millionen Euro ausgegangen werden. Zusätzlich zu diesem Betrag können später noch zweckgebundene Zuweisungen erfolgen. Beim ISF-Grenze machten diese späteren Zuweisungen beinahe vierzig Prozent der Gesamtzuweisungen aus. Diese Gelder dienen der Finanzierung von Massnahmen und Projekten auf nationaler, länderübergreifender oder gemeinschaftlicher Ebene. Um diese Zuweisungen zu erhalten, muss die Schweiz die Umsetzung von nationalen Massnahmen belegen. Die Kofinanzierungssätze liegen je nach Art der Massnahme zwischen 75 und 100 Prozent. Behörden der Kantone und des Bundes, die in den Bereichen Grenze und Visa tätig sind, können Projekte über den Fonds kofinanzieren lassen. Natürliche Personen und gewinnorientierte private Unternehmen sind hingegen nicht förderfähig.

Der Personalaufwand für die Verwaltung des Fonds (Programmplanung, Finanzverwaltung, Finanzkontrollen etc.) wird angesichts der höheren Zuweisungen an die Schweiz im Vergleich zum ISF-Grenze um weitere 150­200 Stellenprozente (Zusatzaufwand) ansteigen, da die Umsetzung des Fonds weitere Projekte nach sich zieht. Es kann somit von einem Personalaufwand von insgesamt 370­420 Stellenprozenten (Gesamtaufwand) ausgegangen werden. Zur Deckung dieses Mehrbedarfs wird in erster Linie eine SEM-interne Kompensation angestrebt. Wie unter Ziffer 8.1.4 festgehalten, können die Kosten für die Verwaltung des BMVI-Fonds und den damit verbundenen Personalaufwand teilweise im Rahmen der technischen Hilfe mit Fondsgeldern finanziert werden. Die zugewiesenen Fondsgelder dienen der Finanzierung von vorbereitenden Massnahmen und von Massnahmen zur Verwaltung und Überwachung sowie zum Ausbau der Verwaltungskapazität für die Durchführung der Massnahmen im Rahmen des Fonds.

Im Rahmen der jährlichen Überprüfung des Verwaltungs- und
Kontrollsystems überprüfen das SEM und die EFK, ob die Verwaltungsaufgaben mit den bestehenden Personalaufwendungen weiterhin gedeckt werden können beziehungsweise ob geeignete und ausreichende personelle Mittel vorhanden sind.

8.1.1

Beginn der Schweizer Zahlungen an den Fonds

Die Europäische Kommission wurde bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich die Schweiz erst am BMVI-Fonds beteiligen kann, wenn das innerstaatliche Genehmigungsverfahren zur Übernahme der Rechtsgrundlagen zum BMVI-Fonds definitiv abgeschlossen ist. Aufgrund zahlreicher Verspätungen seitens der EU im Verhandlungsprozess kann sich die Schweiz voraussichtlich ab 2024 am Fonds beteiligen. Die Vorbereitungen zur Umsetzung der Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds werden jedoch früher lanciert, um dem Risiko entgegenzuwirken, dass die Schweiz die ihr zustehenden Fördermittel wegen der verspäteten Teilnahme nicht vollumfänglich 39 / 44

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abschöpfen kann. Konkret werden Projekte bereits informell zur Kofinanzierung ausgewählt und begleitet. Der grundlegende Unterschied zur formellen Umsetzung besteht darin, dass nach der jährlichen Überprüfung keine Auszahlungen an die Begünstigten getätigt werden, solange die Teilnahme am BMVI-Fonds nicht offiziell ist und die Mittel somit nicht gesichert sind.

8.1.2

Programmplanung

Im nationalen Programm der Schweiz werden die Massnahmen festgehalten, die über den Fonds kofinanziert werden sollen. Das Programm wird von der Verwaltungsbehörde ausgearbeitet und umgesetzt. Für die Festlegung der zu fördernden Massnahmen in der Schweiz wird nebst den vorgegebenen Zielen des Fonds auch die Strategie der Integrierten Grenzverwaltung 202742 herangezogen. Dazu werden sämtliche relevanten Stellen der Kantone und des Bundes konsultiert. Bevor das Programm umgesetzt werden kann, muss es von der Europäischen Kommission genehmigt werden.

Die formelle Genehmigung des Programms erfolgt mit der offiziellen Teilnahme der Schweiz am BMVI-Fonds.

8.1.3

Verwaltungs- und Kontrollsystem

Den Schengen-Staaten obliegt die Verantwortung, die Zuwendungen aus dem BMVIFonds zielgerecht einzusetzen und Unregelmässigkeiten bei der Mittelverwendung zu verhindern sowie gegebenenfalls zu beheben. Aus diesem Grund haben die SchengenStaaten ein Verwaltungs- und Kontrollsystem bereitzustellen, das eine ordnungsgemässe Umsetzung des Programms entsprechend den rechtlichen Bestimmungen der Europäischen Kommission gewährleistet. Das Verwaltungs- und Kontrollsystem ist in Grundlagendokumenten festzuhalten, in denen der Aufbau des Systems, die Verwaltungspflichten und die jeweiligen Verfahrensprozesse beschrieben werden. Das im Rahmen des ISF-Grenze bereits erfolgreich eingesetzte und regelmässig von der EFK geprüfte Verwaltungs- und Kontrollsystem dient dafür als Grundlage. Die Umsetzung wird mindestens einmal jährlich von der Verwaltungsbehörde auf ihre Effektivität und Funktionsweise überprüft und bei Bedarf aktualisiert oder angepasst.

Die Verwaltung und die Kontrolle des Programms obliegen der sogenannten Verwaltungsbehörde, bei der es sich um eine öffentliche Behörde handelt, die von den zu prüfenden Stellen funktional unabhängig ist. Die Prüfbehörde überwacht die Umsetzung des Fonds durch die Verwaltungsbehörde. Dabei gilt der Grundsatz der Aufgabentrennung zwischen und innerhalb der Programmbehörden.

Die SFFP wird die Funktion der Verwaltungsbehörde wahrnehmen, die EFK jene der Prüfbehörde. Diese Behörden, die bereits für die Umsetzung des ISF-Grenze zuständig waren, können ihre Rollen bei der Umsetzung der Massnahmen im Rahmen des BMVI-Fonds beibehalten und müssen nicht erneut förmlich benannt werden.

42

Abrufbar unter: www.sem.admin.ch > Einreise, Aufenthalt & Arbeit > Einreise > Integrierte Grenzverwaltung / Integrated Border Management (IBM).

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8.1.4

Technische Unterstützungsleistung

Die Europäische Kommission richtet den teilnehmenden Staaten einen Betrag für technische Unterstützungsleistungen aus. Der Betrag für die technische Hilfe wird in Form einer Pauschalfinanzierung gewährt; das heisst, sechs Prozent der Zuweisungen an die Schweiz werden als technische Hilfe verwendet (vgl. Art. 36 ff. der Dachverordnung).

Die Höhe der technischen Unterstützungsleistung kann zurzeit nicht beziffert werden, da sie von den Zuweisungen, welche die Schweiz aus dem BMVI-Fonds erhalten wird, sowie von den tatsächlich abgeschöpften Mitteln abhängig ist. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Kosten, die der Schweiz im Bereich Infrastruktur und Personal entstehen, zumindest teilweise gedeckt werden.

8.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 und der Abschluss der Zusatzvereinbarung sind für die Kantone weder mit zusätzlichen Ausgaben noch mit personellen Auswirkungen verbunden. Ebenfalls hat die Übernahme dieser Schengen-Weiterentwicklung keine Auswirkungen auf die urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.

8.3

Auswirkungen in weiteren Bereichen

In den Bereichen Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt sind keine direkten Auswirkungen zu erwarten.

9

Rechtliche Aspekte

9.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach auswärtige Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Gemäss Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat für die Unterzeichnung und Ratifizierung von völkerrechtlichen Verträgen zuständig. Artikel 166 Absatz 2 BV schliesslich räumt der Bundesversammlung die Kompetenz ein, völkerrechtliche Verträge zu genehmigen, sofern nicht der Bundesrat aufgrund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung oder eines völkerrechtlichen Abkommens dafür zuständig ist oder es sich um ein Abkommen von beschränkter Tragweite handelt (Art. 166 Abs. 2 BV; Art. 24 Abs. 2 ParlG; Art. 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199743 [RVOG]).

43

SR 172.010

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9.1.1

Verordnung (EU) 2021/1148

Die Verordnung (EU) 2021/1148 ist rechtlich verbindlicher Natur. Die Notifizierung durch die EU und die Antwortnote der Schweiz bilden einen Notenaustausch, der aus Schweizer Sicht als völkerrechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist.

Im vorliegenden Fall besteht keine spezialgesetzliche Delegationsnorm, die den Bundesrat zum selbstständigen Abschluss des Notenaustauschs ermächtigt. Auch liegt kein völkerrechtlicher Vertrag von beschränkter Tragweite gemäss Artikel 7a Absatz 2 RVOG vor. Der Notenaustausch zur Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 ist entsprechend der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

9.1.2

Zusatzvereinbarung

Bezüglich der Genehmigung der Zusatzvereinbarung fehlt es dem Bundesrat an einer gesetzlichen oder völkervertragsrechtlichen Ermächtigung. Zudem kann die Zusatzvereinbarung insbesondere angesichts der Höhe des zu leistenden finanziellen Beitrags nicht als Abkommen von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel 7a Absätze 2 und 3 RVOG qualifiziert werden. Sie ist daher ebenfalls von der Bundesversammlung zu genehmigen.

9.2

Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 und die Zusatzvereinbarung berühren keine anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

9.3

Verhältnis zum europäischen Recht

Mit der Übernahme dieser Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands erfüllt die Schweiz ihre Verpflichtungen gegenüber der EU, die sie im Rahmen des SSA eingegangen ist (Art. 2 Abs. 3 i. V. m. Art. 7 SAA). Mit dieser Übernahme trägt die Schweiz zu einem strengen und wirksamen Grenzschutz an den Aussengrenzen und damit zu mehr Sicherheit im Schengen-Raum bei.

9.4

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar 42 / 44

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verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Der vorliegende Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 kann zu den in den Artikeln 7 und 17 SAA vorgesehenen Bedingungen gekündigt werden. Die Übernahme der Verordnung ist zudem unter keinen Umständen mit dem Beitritt zu einer internationalen Organisation verbunden. Schliesslich sind für ihre Umsetzung auch keine Gesetzesanpassungen erforderlich.

Die Verordnung (EU) 2021/1148 beinhaltet unter anderem Bestimmungen zur finanziellen Beteiligung der Schweiz am BMVI-Fonds sowie zur Durchführung von VorOrt-Kontrollen, die von den Europäischen Organen zusammen mit den nationalen Kontrollorganen in der Schweiz durchgeführt werden. Es handelt sich somit um wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe c (Kontrollen, Interventionsmechanismus und Aufbau der innerstaatlichen Finanzkontrolle) und Buchstabe e (Finanzierung) BV.

Die Zusatzvereinbarung ist kündbar. Gemäss Artikel 20 kann sie von der Schweiz oder von der EU durch Notifizierung an die andere Partei beendet werden. Sie gilt zudem als aufgehoben, wenn das SAA mit der Schweiz gemäss dessen Artikel 7 Absatz 4, 10 Absatz 3 oder 17 beendet wird. Auch sieht die Zusatzvereinbarung nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, und ihre Umsetzung erfordert nicht die Anpassung von Bundesgesetzen.

Die Zusatzvereinbarung beinhaltet jedoch unter anderem Bestimmungen zur finanziellen Beteiligung der Schweiz am Fonds sowie zur Durchführung von Vor-Ort-Kontrollen durch ausländische Behörden in der Schweiz. Sie enthält also wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben c und e BV.

Demzufolge unterliegt die Genehmigung des Notenaustauschs zur Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 und der Zusatzvereinbarung dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

Die Bundesversammlung genehmigt völkerrechtliche Verträge, die dem fakultativen Referendum unterliegen, in der Form eines Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

9.5

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen namentlich Subventionsbestimmungen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, des qualifizierten Mehrs beider Räte (sog. Ausgabenbremse). Völkerrechtliche Verträge, welche Subventionsbestimmungen enthalten, unterliegen jedoch nicht der Ausgabenbremse, da es nicht möglich ist, die Bestimmung über den finanziellen Beitrag der Schweiz herauszubrechen und unabhängig vom Rest zu behandeln, wie dies bei Bundesgesetzen möglich ist. Vorliegend handelt es sich sowohl bei der Verordnung

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(EU) 2021/1148 als auch bei der Zusatzvereinbarung um völkerrechtliche Verträge, weshalb der Bundesbeschluss demnach nicht der Ausgabenbremse44 unterliegt.

9.6

Umsetzung ins nationale Recht

Die Verordnung (EU) 2021/1148 ist ein detailliert ausgestalteter Rechtsakt des Europäischen Parlaments und des Rates, der mit keiner Regelung des nationalen Rechts in Widerspruch steht. Die Übernahme der Verordnung bedarf daher keiner Umsetzung im nationalen Recht.

Allerdings bedarf die Verordnung zu ihrer Anwendung noch des Abschlusses der genannten Zusatzvereinbarung. Die meisten Bestimmungen der Zusatzvereinbarung sind in der Schweiz direkt anwendbar und bedürfen keiner Umsetzung auf Gesetzesstufe. Was die Bestimmungen der Zusatzvereinbarung betrifft, die die Annahme gleichwertiger Rechtsvorschriften oder die Benennung bestimmter Behörden erfordern, so müssen keine Durchführungsbestimmungen im nationalen Recht erlassen werden, da der Rechtsrahmen bereits in Kraft ist.

44

Abrufbar unter: www.efv.admin.ch > Themen > Finanzpolitik, Grundlagen > Haushaltssteuerung.

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