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23.056 Botschaft zum Bundesbeschluss über einen Verpflichtungskredit für die Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen 2025­2034 Vom 23. August 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über einen Verpflichtungskredit für die Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen 2025­20341.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Der Bund gewährt den kreditgebenden Banken in Übereinstimmung mit dem Finanzhaushaltgesetz Garantien für Pflichtlagerdarlehen. Dazu ist ein Verpflichtungskredit erforderlich. Der bisherige Verpflichtungskredit im Umfang von 540 Millionen Franken läuft Ende 2024 aus. Es wird deshalb ein neuer Verpflichtungskredit benötigt. In Anbetracht der in den nächsten Jahren vorgesehenen Erhöhung der Pflichtlagerbestände und der noch nicht absehbaren Entwicklung hinsichtlich der Finanzierung der Pflichtlager im Bereich der Nahrungs- und Futtermittel muss zusammen mit der Verlängerung des Verpflichtungskredits auch die Kreditlimite angehoben werden. Der Bundesrat beantragt deshalb den eidgenössischen Räten einen Verpflichtungskredit von 750 Millionen Franken bis Ende 2034.

Ausgangslage Die Pflichtlagerhaltung ist eine der wichtigsten Massnahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung um die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern bei schweren Mangellagen sicherzustellen. Der Bundesrat legt gestützt auf Artikel 7 des Landesversorgungsgesetzes vom 17. Juni 2016 (LVG; SR 531) fest, welche lebenswichtigen Güter durch private Unternehmen an Lager zu legen sind. Damit begründet er die Pflichtlagerhaltung. Dieser unterstehen derzeit Produkte aus den Bereichen Ernährung, Energie und Heilmittel. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung schliesst mit den betroffenen Unternehmen Verträge über die Vorratshaltung solcher Güter, sogenannte Pflichtlagerverträge, ab. Das System der Pflichtlagerhaltung basiert auf der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der Wirtschaft. Die Zusammensetzung und das Ausmass der Pflichtlager werden vom Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung festgelegt. Die Pflichtlager werden jedoch nicht vom Bund, sondern von privaten Unternehmen gehalten und sind in deren Eigentum. Die von der Pflichtlagerhaltung betroffenen Wirtschaftszweige haben sich freiwillig zu privatrechtlichen Pflichtlagerorganisationen zusammengeschlossen und Garantiefonds für einzelne Warengruppen zur Deckung der Lager- und Kapitalkosten und des Preisverlusts auf Pflichtlager gebildet.

Der Bund unterstützt die Unternehmen, indem er den kreditgebenden Banken Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen gewährt (Art. 20 LVG). Damit erhält der Lagerhalter die Möglichkeit, gegen Ausstellung
eines Eigenwechsels bei einer Bank einen Kredit zu einem niedrigen Zinssatz (entspricht dem SARON) zu beziehen. Die Höhe der Bundesgarantien richtet sich grundsätzlich nach dem Wert der Pflichtlagerwaren.

Da ausschliesslich handelsübliche Waren an Pflichtlager genommen werden dürfen, ist sichergestellt, dass nur Garantien geleistet werden, für die auch ein entsprechender realisierbarer Gegenwert vorhanden ist. Das gesetzliche Aussonderungsrecht für den Fall des Konkurses, der Nachlass- oder Notstundung eines Pflichtlagerhalters verringert das Risiko des Bundes massgeblich.

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Inhalt der Vorlage Für die gewährten Bundesgarantien ist nach Artikel 21 Absatz 4 Buchstabe e des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 2005 (SR 611.0) ein Verpflichtungskredit erforderlich. Der von den eidgenössischen Räten 2019 beschlossene Verpflichtungskredit im Umfang von 540 Millionen Franken läuft Ende 2024 aus.

Der neue Verpflichtungskredit soll aus verwaltungsökonomischen Gründen auf zehn Jahre ausgelegt und so weit erhöht werden, dass den sich möglicherweise ergebenden Veränderungen in den Pflichtlagermengen und den daraus entstehenden Ansprüchen der Pflichtlagerhalter an Garantien des Bundes für Pflichtlagerdarlehen jederzeit Rechnung getragen werden kann.

Mit vorliegender Botschaft soll für die bestehenden Garantien und die künftigen Verpflichtungen der benötigte Kredit beschlossen werden. Der Bundesrat beantragt dem Parlament daher einen Verpflichtungskredit im Umfang von 750 Millionen Franken bis Ende 2034.

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Botschaft 1

Problemlage und Anlass des Finanzbegehrens

1.1

Ausgangslage

Der Bund stellt gemäss Artikel 102 der Bundesverfassung (BV)2 die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.

Zeichnet sich eine Störung ab und wird diese mit bestehenden Marktmechanismen nicht behoben, ergreift die wirtschaftliche Landesversorgung Massnahmen, um die optimale Versorgung der Schweiz mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten. Die wirtschaftliche Landesversorgung ist geprägt durch ein System der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Staat. Die Organisation steht unter der Leitung eines oder einer Delegierten für wirtschaftliche Landesversorgung und besteht aus dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) sowie rund 280 ad personam ernannten Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen, Kantonen, Verbänden und Bundesstellen.

Ein wichtiges Instrument der wirtschaftlichen Landesversorgung ist die Pflichtlagerhaltung. Die Zusammensetzung und das Ausmass der Pflichtlager werden vom Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) festgelegt.

Die Pflichtlager werden jedoch nicht vom Bund, sondern von privaten Unternehmen gehalten und sind in deren Eigentum. Das BWL schliesst mit den lagerpflichtigen Unternehmen einen Pflichtlagervertrag ab. Sämtliche Unternehmen mit einem Pflichtlagervertrag haben sich branchenweise zu Pflichtlagerorganisationen zusammengeschlossen. Dabei handelt es sich um privatrechtliche Einrichtungen. Die Pflichtlagerorganisationen haben die Möglichkeit, zur Deckung der Lager- und Kapitalkosten und des Preisverlusts auf Pflichtlagern Garantiefonds zu bilden.

Die Finanzierung der Pflichtlagerwaren ist grundsätzlich eine privatwirtschaftliche Aufgabe. Der Bund erleichtert die Finanzierung mit Bundesgarantien für die darlehensgebenden Banken (Art. 20 des Landesversorgungsgesetzes vom 17. Juni 20163 [LVG]). Für die Übernahme dieser Garantien ist gemäss Artikel 21 Absatz 4 Buchstabe e des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 20054 (FHG) ein Verpflichtungskredit erforderlich. Der derzeitige, vom Parlament genehmigte Verpflichtungskredit beläuft sich auf 540 Millionen Franken. Er läuft per Ende 2024 aus.

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SR 101 SR 531 SR 611.0

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1.2

Anlass des Finanzbegehrens

Gemäss Artikel 20 LVG gewährt der Bund den kreditgebenden Banken Garantien für die Finanzierung der Pflichtlagerwaren. Weiter wird in Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung vom 10. Mai 20175 über die wirtschaftliche Landesversorgung (VWLV) präzisiert, dass der garantierte Bankkredit maximal 90 Prozent des massgebenden Warenwerts des Pflichtlagers betragen darf. Eine Ausnahme bilden Pflichtlager mit amortisierten Basispreisen, die deutlich unter dem Marktwert liegen. Bei diesen darf der Kredit 100 Prozent des massgebenden Warenwerts des Pflichtlagers betragen. Der Basispreis ist derjenige Wert, der für die Bestimmung der Kreditlimite massgebend ist (Warenwert abzüglich allfälliger Amortisationszahlungen, vgl. Ziff. 1.7.2).

Da ausschliesslich handelsübliche Waren an Pflichtlager genommen werden dürfen und dies auch überwacht wird, ist sichergestellt, dass nur Garantien geleistet werden, für die auch ein entsprechender realisierbarer Gegenwert vorhanden ist. Für Waren, die nicht oder nur beschränkt marktgängig sind, die aber dennoch aus Gründen der Versorgungssicherheit an Pflichtlager zu nehmen sind ­ zu denken ist hier etwa an spezifische Arzneimittel oder Uran-Brennelemente ­ gewährt der Bund in der Praxis keine Garantien.

Die Gesamtsumme an Bundesgarantien belief sich per Ende 2022 auf rund 150 Millionen Franken. Davon sind rund 133 Millionen Franken auf die Mineralöl-Pflichtlager zurückzuführen. Der höchste Betrag, der derzeit vom Bund bei einem einzelnen Darlehen garantiert wird, beträgt 30 Millionen Franken. In den letzten zehn Jahren bewegte sich die Summe der Bundesgarantien auf Pflichtlagerdarlehen zwischen 150 und 480 Millionen Franken.

1.3

Bedeutung des zu finanzierenden Vorhabens

Für die Sicherstellung der Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern für den Fall schwerer Mangellagen ist die Pflichtlagerhaltung unverzichtbar. Treibstoffe, Grundnahrungsmittel und Heilmittel beispielsweise kann die Schweiz nicht oder nur in unzureichendem Masse selber herstellen. Sie ist somit auf Importe angewiesen.

Naturkatastrophen, Konfliktereignisse, technische Defekte in der Produktion oder im Transport eines Gutes oder andere Krisenereignisse können den Warenstrom unterbrechen. Das kann dazu führen, dass die Wirtschaft die Versorgung des Landes mit diesen lebenswichtigen Gütern nicht mehr wie gewohnt erfüllen kann. In solch einem Fall sind Vorräte, die nur unter bestimmten Bedingungen freigegeben werden können, ein wertvolles Instrument zur Überwindung von Angebotslücken. Der Bund hält diese Vorräte nicht selbst, sondern hat dazu private Unternehmen verpflichtet, die nicht nur die Lager bewirtschaften, sondern mit diesen Waren auch handeln. Die Vorräte können somit umgesetzt werden und müssen nicht nach Verfall vernichtet und neu beschafft werden. Zudem sind sie im Verteilnetz eingebettet und können rasch vertrieben werden.

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SR 531.11

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1.4

Interesse des Bundes am Vorhaben

In der Strategie der wirtschaftlichen Landesversorgung stellt die Vorratshaltung das zentrale Instrument zur Überbrückung von Versorgungsengpässen dar. Sie ist in ihrem Vollzug sowohl für den Bund als auch für die Wirtschaft kostengünstig und administrativ unproblematisch. Ein Einsatz dieser Lager im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten kann daher jederzeit und in sehr kurzer Zeit erfolgen.

Die Gewährung von Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen bewährt sich seit Jahrzehnten. Anlässlich der Totalrevision des Landesversorgungsgesetzes im Jahr 2016 wurde das System bestätigt. Es handelt sich um eine administrativ einfache Art und Weise, die Pflichtlagerhalter in ihren Aufgaben auf dem Gebiet der Vorratshaltung zu unterstützen.

1.5

Garantien des Bundes

Bei der Pflichtlagerhaltung kommt das Instrument der Garantie zur Anwendung (vgl. Art. 20 LVG). Sowohl im privatrechtlichen als auch im öffentlich-rechtlichen Bereich dienen Garantien als Kreditsicherungsmittel. Die Garantie stellt eine selbstständige, vom Hauptschuldverhältnis unabhängige Verpflichtung dar. Die Höhe der Bundesgarantien richtet sich grundsätzlich nach dem Wert der zu finanzierenden Pflichtlagerwaren.

1.6

Sicherheiten und Risikomanagement

Da in der Regel ausschliesslich handelsübliche Waren an Pflichtlager genommen werden, ist sichergestellt, dass nur Garantien geleistet werden, für die auch ein entsprechender, tatsächlich realisierbarer Gegenwert vorhanden ist.

Der Bund sichert seine Ansprüche zudem mit einem gesetzlichen Aussonderungsrecht an der Pflichtlagerware ab (Art. 24 LVG). Dieses Konkurs- und Nachlassprivileg führt dazu, dass die übrigen Forderungen aller Gläubigerklassen nachrangig sind.

Das gesetzliche Aussonderungsrecht besteht seit Langem und erlaubt dem Bund, als Erster auf die Pflichtlagerware zuzugreifen. In der Vergangenheit war dank diesen Sicherheiten der Schaden des Bundes insgesamt gering.

Dennoch verbleibt ein gewisses finanzielles Restrisiko für den Bund. Gerät ein Pflichtlagerhalter in Konkurs oder wird über ihn die Nachlass- oder Notstundung eröffnet, so muss der Bund gegenüber der Bank sein Zahlungsversprechen einlösen.

Die leichte Übertragbarkeit des Eigenwechsels, verbunden mit der solidarischen Haftung des Bundes, gestattet es den Banken, dieses Wertpapier als Sicherheit zu benützen, was sich regelmässig günstig auf die Zinshöhe auswirkt.

Im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erlaubt dieses System überdies den Handelsbanken, mittels protestierten Wechsels6 gegenüber dem Bund die Insolvenz 6

Art. 990 ff. des Obligationenrechts; SR 220

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des Pflichtlagerhalters unverzüglich und rechtsgenügend nachzuweisen, sodass die Banken umgehend in den Genuss der Garantieleistungen des Bundes gelangen können.

Ein weiterer Grund, warum die Pflichtlagerfinanzierung auf das Eigenwechselsystem baut, hängt mit dem Sicherungsbedürfnis des Bundes für seine Risiken zusammen, die er mit der Übernahme der Garantie gegenüber den finanzierenden Banken übernimmt. Wegen der fehlenden Möglichkeit, ein Faustpfand an Pflichtlagerwaren zu errichten, hat der Gesetzgeber dem Bund ein besonderes gesetzliches Aussonderungsund Pfandrecht eingeräumt.

Muss der Bund sein Garantieversprechen einlösen, so hat er ein vitales Interesse daran, dass der gesetzliche Eigentumsübergang der Ware möglichst rasch stattfindet und er sich für die übernommene Darlehensschuld entsprechend schadlos halten kann, indem er die Pflichtlagerware weiterverkauft. Das bedingt aber, dass er den Konkurs über den Pflichtlagerhalter innert kürzester Zeit herbeiführen kann. Ein rascher Eigentumsübergang ist schon deshalb notwendig, weil der Bund, ist der Konkurs einmal eröffnet, die Zinslast selber trägt und der Pflichtlagerhalter keine Verfügungsgewalt über das Haftungssubstrat mehr hat. Hinzu kommt, dass Ware, die nicht laufend umgesetzt wird, in der Regel ihre Marktfähigkeit und damit an Wert verliert. Diese Gefahr ist bei illiquiden Pflichtlagerhaltern stets besonders hoch, da sie häufig nicht mehr in der Lage sind, ihrer vertraglichen Auswechslungspflicht nachzukommen.

Bei dieser Risikolage eignet sich der Wechsel als Instrument zur Realisierung des Haftungssubstrats, da der Wechselgläubiger seine Forderung ohne allfällige Einreden des Schuldners aus dem Grundgeschäft geltend machen kann. Will der Schuldner das Bestehen der Wechselschuld zudem bestreiten, so trägt er und nicht der Wechselgläubiger dafür die Beweislast. Schliesslich ist die Zahl der möglichen Einreden von Gesetzes wegen beschränkt.

Zwecks Risikominimierung gilt es, im Hinblick auf das Aussonderungsrecht des Bundes insbesondere die Werthaltigkeit der Pflichtlagerwaren sicherzustellen. Der Bund hat hierzu die Pflichtlagerorganisationen beauftragt, die Pflichtlager regelmässig hinsichtlich Quantität und Qualität der Waren zu kontrollieren. Die Kontrollstellen informieren das BWL über festgestellte Mängel. Die Durchführung der
Pflichtlagerkontrollen wird vom BWL jährlich am Sitz der Pflichtlagerorganisationen revidiert. Das BWL hat zudem mit den Pflichtlagerdarlehen gewährenden Banken Vereinbarungen abgeschlossen. Darin verpflichten sich die Banken zur laufenden Überwachung der Kreditwürdigkeit der Pflichtlagerhalter. Zudem haben sie das BWL unverzüglich über wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Pflichtlagerhalters zu informieren. Das BWL achtet bei jeder Änderung der Darlehenssumme darauf, dass diese die festgelegte Obergrenze nicht überschreitet.

In den vergangenen 20 Jahren musste der Bund in einem Fall einen Verlust auf einem Pflichtlager im Umfang von 70 000 Franken hinnehmen. In zwei weiteren Fällen, in denen der Bund Garantiezahlungen leisten musste, konnte er sich dank seines Aussonderungsanspruchs schadlos halten.

Ohne Bundesgarantien würde die vom Gesetzgeber verordnete Pflichtlagerhaltung höhere Kapitalkosten generieren. Die Unternehmen und somit letztlich auch die Konsumentinnen und Konsumenten müssten diese Kosten tragen. Im Bereich der Ernäh7 / 24

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rung würden höhere Beiträge an die Garantiefonds die Zolleinnahmen stärker schmälern (vgl. Ziff. 1.7.1).

Heute gewähren die Banken den Unternehmen auf vom Bund garantierten Pflichtlagerdarlehen einen Zinssatz, der auf dem compounded SARON7 für Schweizer Franken beruht. Dieser war in den vergangenen Jahren sehr niedrig und bewegte sich lange sogar im negativen Bereich. Bei einem negativen SARON beträgt der Zinssatz null Prozent. Aufgrund der Situation am Kapitalmarkt hatte eine Verringerung der Amortisationen in den vergangenen Jahren mit negativen SARON-Zinsätzen keinen Einfluss auf die Kapitalkosten für die Pflichtlagerhaltung. Seit Ende 2022 steigen der SARON-Zinssatz und davon abhängig die Kapitalkosten an. Falls der Bund keine Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen gewähren würde, wären die Kapitalkosten für die Pflichtlagerhaltung höher, da die Banken bei der Kreditvergabe den Zinssatz für die Kredite sehr wahrscheinlich anders kalkulieren würden. Zur Deckung der höheren Kapitalkosten der Pflichtlagerhaltung müssten mehr Garantiefondsbeiträge erhoben werden. Im Bereich der Pflichtlagerhaltung von Getreide, Speiseölen und -fetten sowie Zucker würden die Zölle und damit die Einnahmen des Bundes entsprechend verringert. In den übrigen Bereichen wäre davon auszugehen, dass die betroffenen Unternehmen die höheren Kosten auf die Produktepreise überwälzen würden.

Insgesamt darf das Instrument der Gewährung von Bundesgarantien zugunsten der Pflichtlagerhalter als zielführend, kostengünstig und dank des gesetzlichen Aussonderungsrechts auch als risikoarm bezeichnet werden. Ein Verzicht darauf stünde nicht im Interesse des Bundes.

1.7

Erläuterungen zum System der Garantiefonds und Amortisationszahlungen (Warenabwertung)

1.7.1

Garantiefonds

Gestützt auf das Landesversorgungsgesetz hat der Bundesrat bestimmte lebenswichtige Güter der Pflichtlagerhaltung unterstellt. Die von der Pflichtlagerhaltung betroffenen Wirtschaftszweige können sich zu privatrechtlichen Pflichtlagerorganisationen zusammenschliessen und Garantiefonds für einzelne Warengruppen zur Deckung der Lager- und Kapitalkosten und des Preisverlusts auf Pflichtlagern bilden.

Die Alimentierung der Garantiefonds kennt abhängig vom lagerpflichtigen Gut zwei Systeme: zum einen die Generaleinfuhrbewilligung (GEB) mit Beitragserhebung im Rahmen der Grenzabgaben und zum anderen die Belastung des Erstinverkehrbringers im Inland. Das GEB-System belastet allein die Importe, während das System der Erstinverkehrbringung sowohl importierte wie auch im Inland produzierte Ware erfasst.

Derzeit bestehen in fast allen Branchen der vom Bundesrat angeordneten Pflichtlagerhaltung Garantiefonds. Kein Garantiefonds besteht für die Pflichtlagerhaltung von 7

Der Referenzzinssatz SARON (Swiss Average Rate Overnight) stellt den Tagesgeldsatz des besicherten Geldmarktes für Schweizer Franken (CHF) dar.

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Rapssamen (Saatgut), die per 1. April 2022 der Pflichtlagerhaltung unterstellt wurden.

Hier regeln die Lagerpflichtigen die Finanzierung ohne Garantiefonds.

Die bestehenden Garantiefonds werden von Pflichtlagerorganisationen verwaltet, namentlich von der Genossenschaft Réservesuisse (Nahrungs- und Futtermittel), der Carbura (Mineralölprodukte), der Genossenschaft Helvecura (Heilmittel), der Genossenschaft Agricura (Dünger) und der Provisiogas (Erdgas). Die Réservesuisse erhebt die Garantiefondsbeiträge beim Import, die Agricura, die Helvecura und die Provisiogas bei der ersten Inverkehrbringung der Waren, die der Pflichtlagerhaltung unterstellt sind. Die Carbura nutzt beide Systeme und erhebt die Beiträge beim Import und bei im Inland hergestellten oder verarbeiteten Waren (z. B. Mineralöle aus inländischer Raffination, Bioethanol) bei der ersten Inverkehrbringung im Inland. Die Summe der Beiträge an die entsprechenden Garantiefonds bemisst sich nach der Warenmenge, die ein Lagerpflichtiger entweder importiert oder erstmals im Inland in Verkehr bringt. Aus diesen Garantiefonds werden die Pflichtlager haltenden Unternehmen nach einheitlichen Kriterien für die Kosten der Pflichtlagerhaltung entschädigt. Die Kosten der Pflichtlagerhaltung der meisten Waren werden über den Produktpreis auf die Konsumentinnen und Konsumenten überwälzt.

Anders verhält es sich hinsichtlich der Kosten für die Pflichtlagerhaltung von Brotweizen, Futtermitteln und Speiseölen. Diese wirken sich auf die Zolleinnahmen des Bundes aus. Die Garantiefondsbeiträge gelten gemäss den Bestimmungen der WTO als Teil der Grenzabgaben (zollähnliche Abgabe). Da die in diversen internationalen Abkommen vereinbarten Zollobergrenzen einzuhalten sind, reduzieren sich die Einnahmen des Bundes aus Einfuhren um den zugunsten des Garantiefonds abgeführten Betrag. Die Pflichtlagerhaltung von Brotweizen, Futtermitteln und Speiseölen wird folglich indirekt mittels entgangener Zolleinnahmen finanziert und ist somit relevant für das Budget des Bundes.

Dieses Finanzierungs-System funktioniert nur, wenn alle Pflichtlagerhalter einer Branche Mitglied der entsprechenden Pflichtlagerorganisation sind. Die erhobenen Mittel dürfen nur zur Deckung der Lagerhaltungs- und Kapitalkosten, zur Amortisation und zum Ausgleich von Preisschwankungen (Art. 22 VWLV)
sowie für den Betrieb und die Verwaltung der Pflichtlagerorganisationen verwendet werden. Zwar ist der Zusammenschluss einer Branche zu einer Pflichtlagerorganisation freiwillig, wenn eine solche aber vorhanden ist, müssen alle Pflichtlagerhalter einer Branche Mitglied werden.

Die Fondsmittel werden von den Pflichtlagerorganisationen verwaltet und sind nicht Eigentum ihrer einzelnen Mitglieder oder des Bundes. Sie stellen privates Sondervermögen mit öffentlich-rechtlichen Verfügungsbeschränkungen dar und unterstehen der Aufsicht des Bundes. Die Bildung, Änderung und Auflösung von Garantiefonds sowie von Statuten der Pflichtlagerorganisationen bedürfen der Genehmigung durch das WBF. Die auf die Statuten gestützten Reglemente werden dem BWL zur Genehmigung unterbreitet.

Das BWL prüft die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der Mittelerhebung und Mittelverwendung unter Beachtung des Grundsatzes der Gewinn- und Verlustlosigkeit für die Pflichtlagerhalter. Es ordnet soweit notwendig die erforderlichen Massnahmen an.

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1.7.2

Amortisationszahlungen

Die Mittel der Garantiefonds dienen einerseits dazu, die Firmen für Kosten zu entschädigen, die ihnen aus der Pflichtlagerhaltung entstehen. Darunter fallen das eigentliche Lagergeld, Finanzierungskosten für das eingesetzte Eigenkapital der Pflichtlagerhalter, die Manipulationskosten für den Güterumschlag und die Gesunderhaltung der Waren, Transport- und Versicherungskosten, Gewichts- und Qualitätsverluste sowie der Aufwand für die Administration der Pflichtlager.

Andererseits werden zur Finanzierung der Pflichtlager und zur Minderung des Preisrisikos auf Warenlagern von den Garantiefonds sogenannte Amortisationszahlungen an die Lagerhalter geleistet. Diese Zahlungen sind mit zinslosen Darlehen vergleichbar.

Die nachstehende Abbildung zeigt schematisch, wie die Abrechnung zwischen Garantiefonds und Pflichtlagerhaltern zum Ausgleich von Preisschwankungen auf Pflichtlagerwaren bei der Ein- und Auslagerung von Pflichtlagerwaren erfolgt.

Das Beispiel zeigt, welche Rückzahlungen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen müssen. Beim Abrechnungspreis (PAE) handelt es sich um den Marktwert zum Zeitpunkt des Pflichtlageraufbaus. Zu diesem Zeitpunkt kostet die Ware auf dem Markt 60 Franken pro 100 kg. Der Basispreis (PBE) liegt bei 15 Franken. Zur Reduktion des Preisrisikos wird dem Pflichtlagerhalter zum Einlagerungszeitpunkt vom Garantie-

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fonds ein Darlehen (Amortisation) von 45 Franken gewährt. Dieses Darlehen bleibt dem Garantiefonds bis zur Auflösung der Lagerpflicht geschuldet.

Bei einer Anpassung reduziert der Pflichtlagerhalter nun seine Pflichtlagermenge. Zu diesem Zeitpunkt liegt der Marktwert der Waren bei 75 Franken pro 100 kg. Der Basispreis wurde in der Zwischenzeit nicht angepasst und beträgt nach wie vor 15 Franken.

Der Pflichtlagerhalter kann die Ware zu einem Marktpreis von 75 Franken pro 100 kg veräussern (PA1). Abzüglich des Basispreises von 15 Franken pro 100 kg verbleiben 60 Franken pro 100 kg. In diesem Fall erfolgt unter Berücksichtigung des geänderten Marktpreises die Rückzahlung des ursprünglichen Darlehens (CHF 45.­ / 100 kg) an den Garantiefonds. Zusätzlich fliesst der höhere Erlös aufgrund der Preissteigerung von CHF 15.­ / 100 kg ebenfalls an den Garantiefonds.

Zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt eine erneute Anpassung. Der Pflichtlagerhalter muss erneut Lagermengen abbauen. Der Marktpreis (PA2) liegt nun aber nur noch bei 45 Franken pro100 kg. Aufgrund der Marktentwicklungen wurde in der Zwischenzeit auch der Basispreis (PB2) auf 20 Franken pro 100 kg angehoben und ausgeglichen (zwischenzeitliche Zahlung des Pflichtlagerhalters an den Garantiefonds von 5 Franken pro 100 kg zur Verringerung der Darlehensschuld). In dieser Situation muss der Pflichtlagerhalter 25 Franken pro 100 kg (PA2 ­ PB2) an den Garantiefonds zurückzahlen. Der Garantiefonds übernimmt den Verlust von 15 Franken pro 100 kg. Das Preisrisiko liegt in jedem Fall beim Garantiefonds.

1.7.3

Basispreisbestimmung

Die Höhe der Basispreise wird auf Antrag der Pflichtlagerorganisationen vom BWL genehmigt. Die Pflichtlagerorganisationen Réservesuisse und Carbura haben die Basispreise gegenüber dem effektiven Wert der Pflichtlagerwaren tief festgesetzt. Der derzeitige Basispreis der mit Garantiefonds finanzierten Waren ist wie folgt: Réservesuisse

Basispreise Ende 2017

­ ­ ­ ­ ­

CHF 8.­ / 100 kg CHF 15.­ / 100 kg CHF 15.­ / 100 kg CHF 15.­ / 100 kg CHF 35.­ / 100 kg

Getreide Zucker Reis Speiseöle und -fette Kaffee

Carbura (Zielwert)8 ­ ­ ­ ­

8

Autobenzine Dieselöl Heizöl Flugpetrol

CHF 75.­ / m3 CHF 75.­ / m3 CHF 75.­ / m3 CHF 75.­ / m3

Der effektive Wert kann infolge von Pflichtlagerfreigaben und Einlagerungen temporär davon abweichen.

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Die Helvecura legt nur bei einem Teil der Antiinfektiva, die Agricura bei einem Teil der Düngerpflichtlager einen Basispreis fest.

Die Pflichtlagerorganisationen entscheiden selbst, inwieweit die Pflichtlager amortisiert werden bzw. welcher Basispreis festgelegt wird. Was die gegenwärtig von der Carbura, der Helvecura und der Agricura festgelegten Basispreise betrifft, geht das BWL nicht davon aus, dass diese in den nächsten Jahren erhöht werden, da die Finanzierung der Garantiefonds durch das bisherige System mit der Erhebung von Beiträgen auf den Einfuhren bzw. der ersten Inverkehrbringung nicht gefährdet ist.

Anders stellt sich die Situation im Bereich der Nahrungsmittel-Pflichtlager dar (vgl. Ziff. 1.9.1).

Die Lagerhaltungspflicht von Erdgas wird mittels Heizöl extra leicht abgedeckt. Die Provisiogas bezahlt die Carbura für die Lagerhaltung von Heizöl. Die Eigentümer bleiben Mitglieder der Carbura. Die Finanzierung der Mineralöllagerhaltung umfasst deshalb auch die Lager für die Erdgasbranche.

Die Summe der Basispreise ergibt die Kreditlimite. Diese ist massgebend, um die maximale Höhe eines garantierten Darlehens für einen einzelnen Halter festzulegen.

Die Summe der Kreditlimiten aller Halter ergibt den maximalen Anspruch auf vom Bund garantierte Bankdarlehen. Die entsprechenden Angaben im Abschnitt «Zukunftsperspektiven» beziehen sich auf den Zeitraum bis 2034 und zeigen, wie die Entwicklung der maximalen Kreditlimite für die verschiedenen Versorgungsbereiche ­ unterteilt in die Bereiche Ernährung, Mineralöl, Heilmittel, Dünger sowie industrielle Produkte ­ eingeschätzt wird.

1.7.4

Grafische Übersicht

Die folgende Grafik zeigt die die Beziehungen zwischen dem BWL, den Pflichtlagerhaltern, den Pflichtlagerorganisationen sowie den Banken, die vom Bund garantierte Darlehen für die Finanzierung von Pflichtlagerwaren gewähren.

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1.8

Unterschied zwischen Garantie und Bürgschaft

Sowohl im privatrechtlichen als auch im öffentlich-rechtlichen Bereich dienen Garantien und Bürgschaften als Kreditsicherungsmittel. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Instrumenten besteht darin, dass die Garantie eine selbstständige, im Gegensatz zur Bürgschaft vom Hauptschuldverhältnis unabhängige Verpflichtung darstellt. Bei der Bürgschaft hingegen besteht eine Verbindung zum Grundgeschäft (z. B. Darlehensvertrag).

Bei der Pflichtlagerhaltung kommt das Instrument der Garantie zur Anwendung (vgl. Art. 20 LVG). Die Garantiegewährung birgt in diesem Bereich nur geringe Risiken, da sich die Höhe der Bundesgarantien grundsätzlich nach dem Wert der zu finanzierenden Pflichtlagerwaren richtet. Da in der Regel ausschliesslich handelsübliche Waren an Pflichtlager gelegt werden, ist sichergestellt, dass nur Garantien geleistet werden, für die auch ein entsprechender, tatsächlich realisierbarer Gegenwert vorhanden ist. Schliesslich sichert der Bund seine Ansprüche mit einem besonderen gesetzlichen Aussonderungsrecht an der Pflichtlagerware ab (Art. 24 LVG). Dieses Konkurs- und Nachlassprivileg führt dazu, dass die übrigen Forderungen aller Gläubigerklassen nachrangig sind.

Das gesetzliche Aussonderungsrecht besteht seit Langem und erlaubt dem Bund, im Konkurs- oder Nachlassfall als Erster auf die Pflichtlagerware zuzugreifen. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass dank diesen Sicherheiten die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Bundes per Saldo gering gehalten werden kann.

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Dennoch verbleibt ein gewisses finanzielles Restrisiko für den Bund. Gerät ein Pflichtlagerhalter in Konkurs oder wird über ihn die Nachlass- oder Notstundung eröffnet, so muss der Bund gegenüber der Bank sein Zahlungsversprechen einlösen.

Zwecks Risikominimierung gilt es, im Hinblick auf das Aussonderungsrecht des Bundes insbesondere die Werthaltigkeit der Pflichtlagerwaren sicherzustellen. Der Bund hat hierzu die Pflichtlagerorganisationen beauftragt, die Pflichtlager regelmässig hinsichtlich Quantität und Qualität der Waren zu kontrollieren. Die Kontrollstellen informieren das BWL über festgestellte Mängel. Die Durchführung der Pflichtlagerkontrollen wird vom BWL jährlich am Sitz der Pflichtlagerorganisationen revidiert. Das BWL hat zudem mit den Pflichtlagerdarlehen gewährenden Banken Vereinbarungen abgeschlossen. Darin verpflichten sich die Banken zur laufenden Überwachung der Kreditwürdigkeit der Pflichtlagerhalter. Zudem haben sie das BWL unverzüglich über wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Pflichtlagerhalters zu informieren.

In den vergangenen 20 Jahren musste der Bund in einem Fall einen Verlust auf einem Pflichtlager im Umfang von 70 000 Franken hinnehmen. In zwei weiteren Fällen, in denen der Bund Garantiezahlungen leisten musste, konnte er sich dank seines Aussonderungsanspruchs schadlos halten. Ohne Bundesgarantien würde die vom Gesetzgeber verordnete Pflichtlagerhaltung nicht mehr unterstützt. Die Unternehmen und somit letztlich auch die Konsumentinnen und Konsumenten müssten höhere Kosten tragen.

Insgesamt darf das Instrument der Gewährung von Bundesgarantien zugunsten der Pflichtlagerhalter als zielführend, kostengünstig und dank des gesetzlichen Aussonderungsrechts auch als risikoarm bezeichnet werden. Ein Verzicht darauf stünde nicht im Interesse des Bundes.

1.9

Zukunftsperspektiven

1.9.1

Entwicklung der Pflichtlagerfinanzierung im Bereich Nahrungs- und Futtermittel

Die Pflichtlager für Nahrungs- und Futtermittel werden ausschliesslich über Beiträge finanziert, die bei der Einfuhr pflichtlagerpflichtiger Ware erhoben werden. Innerhalb des geltenden gesetzlichen Rahmens bringt dieses System Herausforderungen in Bezug auf die Finanzierung mit sich. Das künftige Ausmass der Garantiefondsbeiträge, die von der Réservesuisse im Bereich Ernährung erhoben werden können, ist deshalb schwierig abzuschätzen.

Einerseits limitieren die von der Schweiz gegenüber der WTO, Freihandelspartnern und Entwicklungsländern eingegangenen Verpflichtungen das Ausmass der Beiträge an Garantiefonds, die beim Import von Agrargütern erhoben werden können. Da die Beitragspflicht bei der Einfuhr und im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Einfuhrlizenz (GEB-System) entsteht, gelten die Garantiefondsbeiträge gemäss den Bestimmungen der WTO als Teil der Grenzabgaben. Diese dürfen gemäss WTO sowie zahlreicher Handelsabkommen verbindlich festgelegte Obergrenzen nicht überschreiten. Bei einer Senkung der maximal zulässigen Grenzbelastung werden zudem 14 / 24

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vor den Garantiefondsbeiträgen die Zölle gesenkt. Dies ist vom Gesetzgeber gewollt (Art. 19 LVG). Die Einbindung und Abhängigkeit der Garantiefondsbeiträge in die limitierten Grenzabgaben führt letztlich dazu, dass die Pflichtlagerkosten für Getreide, Zucker sowie für Speiseöle und -fette faktisch vom Bund getragen werden.

Andererseits unterliegen gewisse Agrargüter zusätzlichen Grenzschutzmassnahmen wie beispielsweise dem auf Futtermittelimporte angewendeten Schwellenpreissystem (Art. 20 des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 19989). Die Finanzierung des Garantiefonds für Getreide (Brotgetreide und Futtermittel), Zucker sowie Speiseöle und -fette erfolgt also nicht allein aufgrund versorgungsrelevanter Kriterien, sondern wegen der Koppelung mit den Grenzschutzmassnahmen auch aufgrund von agrarpolitischen Bestimmungen.

Je nach Preisentwicklung auf den internationalen Märkten werden die Garantiefondsbeiträge künftig nicht mehr ausreichen, um die Pflichtlagerhaltung zu finanzieren. Der naheliegende Wechsel zum System der Erstinverkehrbringung wird durch das geltende LVG verunmöglicht, weil die Abschöpfung von Garantiefondsbeiträgen auf inländischen Nahrungs- und Futtermitteln sowie Saat- und Pflanzgut nicht zulässig ist (Art. 16 Abs. 5 und 21 Abs. 1 LVG).

Dazu ist anzumerken, dass der Bundesrat das WBF am 11. Januar 2023 beauftragt hat, eine Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des LVG vorzubereiten und darin unter anderem vorzusehen, die Abschöpfung von Garantiefondsbeiträgen auf inländischen Nahrungs- und Futtermitteln sowie Saat- und Pflanzgut künftig zu ermöglichen.

Damit könnten die vorstehend erläuterten Schwierigkeiten in der Finanzierung der Pflichtlagerhaltung von Nahrungs- und Futtermitteln ausgeräumt werden.

Falls hingegen die aktuelle gesetzliche Grundlage unverändert bleibt, wird dies künftig dazu führen, dass sich die Lagerhaltung gewisser Produkte voraussichtlich nur mehr unzureichend aus Garantiefondsbeiträgen finanzieren lässt. Dies könnte eine direkte und vollumfängliche Übernahme der ungedeckten Kosten durch den Bund notwendig machen. Diese Variante ist in Artikel 21 Absatz 2 LVG vorgesehen. Für entsprechende Beiträge des Bundes besteht im Bundeshaushalt mittelfristig jedoch kein Spielraum. Zur Finanzierung wären deshalb Einsparungen in anderen Aufgabenbereichen nötig.
Vor einer direkten Übernahme der Kosten würde das BWL die Réservesuisse dazu verpflichten, die derzeit weitgehend amortisierten Pflichtlager aufzuwerten und somit den Basispreis höher anzusetzen. Den einzelnen Lagerpflichtigen entstehen in der Folge höhere Kapitalkosten für die Pflichtlagerware. Dies würde voraussichtlich dazu führen, dass vermehrt vom Bund garantierte Bankdarlehen in Anspruch genommen werden. In der Folge wäre von einer entsprechenden Erhöhung der Bundesgarantien, wie sie in Artikel 20 LVG vorgesehen sind, auszugehen.

Das Ausmass dieses Anstiegs hängt vor allem von den Entwicklungen des wirtschaftlichen und politischen Umfelds ab und ist heute schwierig abzuschätzen. Es kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass in einigen Jahren die Pflichtlager im Bereich Ernährung überhaupt nicht mehr von den Garantiefonds amortisiert werden und der Bund für Pflichtlagerdarlehen im Ausmass von bis zu 90 Prozent des massgebenden 9

SR 910.1

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Warenwerts gegenüber den Banken Garantien gewähren muss. Nicht vorhersehbar ist dagegen, inwieweit diese Garantien in Anspruch genommen werden.

Wenn keine Garantie für ein Pflichtlagerdarlehen besteht, hat der Bund im Fall eines Konkurses kein Aussonderungsrecht. Der Garantiefonds kann nicht aus einem Verwertungserlös aus ausgesonderter Ware entschädigt werden und muss sämtliche Forderungen im normalen Konkursverfahren geltend machen, wodurch sich das Verlustrisiko des Garantiefonds stark erhöht. Gehen vom Garantiefonds an Pflichtlagerhalter geleistete Amortisationen verlustig, müssen diese Verluste mit zusätzlichen Garantiefondsbeiträgen kompensiert werden. Beim Getreide, beim Zucker sowie bei den Speiseölen und -fetten vermindern sich die Zolleinnahmen des Bundes im Ausmass der Erhöhung der Garantiefondsbeiträge.

Der Marktwert der Pflichtlagerwaren Getreide, Zucker, Reis, Speiseöle und -fette sowie Kaffee betrug per Ende 2022 rund 630 Millionen Franken. Die wirtschaftliche Landesversorgung plant aktuell eine Anpassung der Pflichtlager im Bereich der Nahrungs- und Futtermittel. Damit sollen insbesondere die Pflichtlager an Getreide für die menschliche Ernährung sowie an Speiseölen erhöht und die Mengen an Futtermitteln leicht verringert werden. Damit würde der Gesamtwert der Pflichtlagerwaren im Bereich der Nahrungs- und Futtermittel um rund 130 Millionen Franken auf insgesamt 760 Millionen Franken ansteigen.

Die Höhe der vom Bund garantierten Darlehen im Bereich der Nahrungs- und Futtermittel betrug per Ende 2022 insgesamt lediglich 13,2 Millionen Franken. Der Basiswert (Wert aller Pflichtlager im Bereich Ernährung abzüglich der vom Garantiefonds geleisteten Amortisationen) belief sich jedoch auf 69,6 Millionen Franken. Dieser Wert stellt die Kreditlimite dar, bis zu welcher die Pflichtlagerhalter insgesamt vom Bund garantierte Darlehen aufnehmen können. Die Kreditlimite wurde durch die Pflichtlagerhalter somit bei Weitem nicht ausgeschöpft, was durch die in den letzten Jahren sehr tiefen Zinsen am Kapitalmarkt bedingt sein dürfte. Mit einem Ansteigen der Kapitalzinsen wird voraussichtlich auch die Kreditlimite vermehrt beansprucht.

Pflichtlager können bis zum maximal möglichen Wert von 90 Prozent des massgebenden Warenwerts aufgewertet werden. Aufgrund der vorstehend erläuterten Sachlage
kann nicht ausgeschlossen werden, dass bis im Jahr 2034 die Pflichtlager aufgewertet werden müssen. Dies wäre vor allem dann nötig, wenn die geplante Revision des Landesversorgungsgesetzes vom Parlament abgelehnt würde. In diesem Fall wäre von einer Aufwertung von mindestens 75 Prozent des Warenwerts von 760 Millionen Franken auszugehen. Das dafür benötigte Garantievolumen wird im vorliegendem Verpflichtungskredit noch nicht vollumfänglich berücksichtigt. Sollte die Revision des Landesversorgungsgesetzes scheitern, würde der Bundesrat bei Bedarf einen Zusatzkredit beantragen.

Um den Ansprüchen der Pflichtlagerhalter jederzeit gerecht werden zu können, wird im vorliegenden Antrag für die Pflichtlagerhaltung von Nahrungsmitteln von einem maximalen Kreditbedarf von 330 Millionen Franken ausgegangen.

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1.9.2

Entwicklung der Pflichtlagerfinanzierung im Bereich Mineralöl

Im Bereich Mineralöl ist die künftige Finanzierung der Pflichtlagerhaltung durch Garantiefondsbeiträge im Gegensatz zum Bereich der Nahrungs- und Futtermittel nicht in Frage gestellt. Dementsprechend ist nicht mit einer Veränderung der heutigen Amortisationspraxis und deren Einfluss auf die Kreditlimite zu rechnen.

Die Höhe der vom Bund garantierten Darlehen betrug per Ende 2022 gesamthaft 159 Millionen Franken. Die Kreditlimite von 350 Millionen Franken wurde somit nicht ausgeschöpft. Grund dafür dürfte auch hier die aktuelle Situation am Kapitalmarkt mit sehr tiefen oder bis in 2022 sogar negativen Zinsen sein. Mit einem Ansteigen der Kapitalzinsen wird sich wahrscheinlich auch die Beanspruchung der Kreditlimite erhöhen.

Der Marktwert der an Pflichtlager liegenden Waren im Bereich der Mineralöle betrug per Ende 2022 rund 2,835 Milliarden Franken. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass das WBF 2022 eine Freigabe von Pflichtlagern an Benzin, Dieselöl, Heizöl und Flugpetrol bewilligt hat. Die Gründe für die Freigabe waren die begrenzten Kapazitäten auf dem Rhein und logistische Schwierigkeiten bei ausländischen Bahntransporten. Die Mineralölbranche hat Ende 2022 mit der Wiedereinlagerung der freigegebenen Mengen begonnen. Rund 345 000 m3 Mineralölprodukte waren per Ende 2022 noch freigegeben. Unter Berücksichtigung dieser Mengen beträgt per Ende 2022 der Wert des gesamten Soll-Bestands der Mineralölpflichtlager 3,092 Milliarden Franken. Darin eingeschlossen sind auch die Mengen an Heizöl extra leicht, die von der Mineralölwirtschaft im Auftrag der Provisiogas in einem Ersatzpflichtlager gehalten werden. Die Provisiogas ist die Selbsthilfeorganisation der Schweizer Erdgasbranche zur Verwaltung eines Garantiefonds für Erdgas. Sie stellt die Finanzierung der Pflichtlagerhaltung und die Bereitstellung der notwendigen Pflichtlagermengen sicher.

Die wirtschaftliche Landesversorgung sieht derzeit keine Änderung der Bedarfsdeckungsvorgaben für die Pflichtlagerhaltung von Mineralöl vor. In diesem Bereich ist daher bis Ende 2034 von einem maximalen Kreditbedarf von 380 Millionen Franken auszugehen. Dieser setzt sich zusammen aus der Ende 2022 bestehenden Kreditlimite von 350 Millionen Franken und den voraussichtlich rund 26 Millionen Franken, um die sich die Kreditlimite nach der Einlagerung der
Ende 2022 noch freigegebenen Pflichtlagermengen erhöht. Der Kreditbedarf wurde aufgerundet, um kleine Schwankungen auffangen zu können, die sich eventuell aufgrund eines erhöhten Mineralölverbrauchs ergeben könnten. Längerfristig ist aufgrund der Marktentwicklung jedoch bei gleichbleibenden Bedarfsdeckungsvorgaben mit einer Abnahme der Pflichtlagermengen an Mineralölprodukten zu rechnen.

1.9.3

Entwicklungen der Pflichtlagerfinanzierung im Bereich Heilmittel

Die Garantiefonds im Bereich Heilmittel werden mittels Garantiefondsbeiträgen bei der ersten Inverkehrbringung im Inland alimentiert. Die Finanzierung der Garantie17 / 24

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fonds ist daher nicht gefährdet. Der Marktwert der Heilmittel-Pflichtlager (v. a. Antiinfektiva, starke Analgetika und Opiate, Impfstoffe) wird nicht erfasst und ist daher nicht bekannt. Bisher sind für Heilmittel-Pflichtlager keine Bundesgarantien ausgerichtet worden. Grundsätzlich haben jedoch auch Heilmittel-Pflichtlagerhalter Anspruch auf vom Bund garantierte Pflichtlagerdarlehen (vgl. Art. 20 LVG).

Es gab vereinzelt Bestrebungen der Pharmaindustrie, im Bereich der Pflichtlagerhaltung von Heilmitteln Bundesgarantien in Anspruch zu nehmen. Diese wurden bisher jedoch noch nie umgesetzt.

Trotz des gesetzlichen Aussonderungsrechts (Art. 24 LVG) und des Eigentumsübergangs kann das BWL Heilmittel aufgrund der in der Heilmittelgesetzgebung geregelten Anforderungen bezüglich Zulassung und Betriebsbewilligung nicht verwerten.

Daher ist das Verlustrisiko bei garantierten Darlehen für Heilmittel-Pflichtlager hoch einzuschätzen.

Wegen des grundsätzlichen Anspruchs der Pharmaindustrie auf vom Bund garantierte Darlehen zur Finanzierung der Pflichtlagerhaltung und unter Berücksichtigung von eventuell neu in die Pflichtlagerhaltung aufzunehmenden Waren, die nach einer Aussonderung durch den Bund besser verwertet werden könnten, wird im vorliegenden Antrag bis Ende 2034 ein Kreditbedarf von maximal 20 Millionen Franken eingerechnet.

1.9.4

Entwicklungen der Pflichtlagerhaltung im Bereich Dünger

Der Garantiefonds im Bereich Dünger wird mittels Garantiefondsbeiträgen bei der ersten Inverkehrbringung im Inland alimentiert. Die Finanzierung des Garantiefonds ist daher nicht gefährdet. Der Marktwert aller Pflichtlager an Dünger belief sich Ende 2022 auf 11,4 Millionen Franken. Die Waren sind teilweise vom Garantiefonds amortisiert. Das BWL rechnet nicht damit, dass die Höhe der Amortisationen in nächster Zeit markant ändern wird.

Der Bund gewährt derzeit Garantien auf von den Pflichtlagerhaltern bezogenen Bankkrediten im Umfang von 3,6 Millionen Franken. Die Kreditlimite von 6,9 Millionen Franken wird derzeit nicht ausgeschöpft. Ein Ansteigen der aktuell sehr tiefen Kapitalzinsen könnte indes zu einer höheren Ausschöpfung der Kreditlimite führen. In diesem Bereich ist daher von einem maximalen Kreditbedarf von 10 Millionen Franken auszugehen.

1.9.5

Entwicklungen der Pflichtlagerhaltung im Bereich industrielle Produkte

Im Bereich der industriellen Güter werden zurzeit nur Kunststoffgranulate mit einem Marktwert von 138 000 Franken in Pflichtlagern gehalten. Die Summe der vom Bund garantierten Pflichtlagerdarlehen beläuft sich auf 80 000 Franken, die Kreditlimite auf 93 000 Franken.

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Der Fachbereich Industrie der wirtschaftlichen Landesversorgung überprüft den Bedarf und das Ausmass einer Pflichtlagerhaltung von industriellen Produkten regelmässig. Es ist möglich, dass künftig weitere industrielle Waren der Lagerhaltungspflicht unterstellt werden. Um auf eine eventuelle Ausweitung von Pflichtlagern, die industrielle Produkte umfassen, reagieren zu können, wird die Kreditlimite für die Bestimmung der Höhe des Verpflichtungskredits für diesen Bereich auf 10 Millionen Franken veranschlagt.

1.9.6

Mengenveränderungen im bestehenden Pflichtlager-Sortiment

Das Ausmass der Lagermengen in der Pflichtlagerhaltung richtet sich in der Regel nach dem Verbrauch oder Import während der vorhergehenden Jahre. Die vom Nachfragevolumen abhängige Mengenentwicklung ist deshalb längerfristig nicht genau vorhersehbar. Es zeigt sich indessen eine allgemeine Tendenz.

Im Bereich Ernährung und Heilmittel steigen die Mengen aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und einer geänderten Risikoeinschätzung in den nächsten Jahren voraussichtlich leicht an. Beim Mineralöl nehmen die Pflichtlagermengen seit Jahrzehnten ab. Dieser Trend dürfte aufgrund der Energiestrategie 2050 weiterhin anhalten. Demgegenüber kann nicht ausgeschlossen werden, dass künftig aufgrund der insbesondere wegen der Ukraine-Krise veränderten geopolitischen Lage zusätzliches Heizöl als Erdgasersatz oder Erdgas an Pflichtlager zu legen sind. Der zeitliche Verlauf der Entwicklung ist indessen schwierig abzuschätzen.

In Bezug auf die Höhe des Verpflichtungskredits wird hier davon ausgegangen, dass sich der nachfragebedingte Auf- und Abbau im bestehenden Pflichtlagersortiment (v. a. Abnahme Mineralöl, Zunahme Nahrungsmittel) ungefähr die Waage halten. Die im Bereich der Nahrungs- und Futtermittel vorgesehenen strategischen Anpassungen, die unter Ziffer 1.9.1 beschrieben werden, fallen nicht unter die hier dargelegten Überlegungen zu den Veränderungen im Verbrauch und den davon abhängigen Mengenanpassungen. Im beantragten Verpflichtungskredit ist deshalb kein Kreditbedarf für künftige verbrauchsabhängige Mengenveränderungen im bestehenden Pflichtlagersortiment berücksichtigt.

1.9.7

Grundlegende Überprüfung der Zusammensetzung der Pflichtlager

Die Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung evaluiert die Zusammensetzung der Pflichtlager regelmässig. 2023 prüfte das BWL zudem aufgrund eines Auftrags des Bundesrats mit Stellen des Bundes, der Kantone sowie mit Vertretern der Wirtschaft, für welche lebenswichtigen Güter die Versorgung in einer nationalen oder internationalen Krise sichergestellt werden muss. In diesem Rahmen werden die Planung, Beschaffung, Lagerhaltung und Finanzierung sowie die Entscheidungsbefugnisse zur Beschaffung in einer Krise geklärt. Es ist daher durchaus möglich, dass bis Ende 2034 neue Pflichtlager aufzubauen sind und daraus ein Anspruch auf vom Bund 19 / 24

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garantierte Darlehen entsteht. Für die Festlegung der Höhe des Verpflichtungskredits wird für eventuell zusätzliche, derzeit noch nicht vorgesehene Pflichtlagerwaren kein Kreditbedarf eingestellt. Dies unter der Annahme, dass die für die bestehenden Güter geschätzten maximalen Kreditlimiten nicht alle vollumfänglich ausgeschöpft werden und damit eine gewisse Reserve besteht, damit bei Bedarf trotzdem mit dem Aufbau von neu der Pflichtlagerhaltung unterstellten Waren begonnen und dem Anspruch betroffener Unternehmen auf Bundesgarantien nachgekommen werden kann.

1.9.8

Zusammenstellung maximaler Kreditbedarf

Die Schätzung der maximalen Höhe an Pflichtlagerkrediten basiert auf den Erwartungen bis Ende 2034. Eine dauerhafte vollständige Ausschöpfung des beantragten Verpflichtungskredits ist wenig wahrscheinlich. Es ist aber wichtig, dass der Kreditrahmen jederzeit genügend gross ist, um die Pflichtlagerhaltung im vorgegebenen Umfang umsetzen und die künftig angestrebte Versorgungssicherheit aufrechterhalten zu können. Gleichzeitig soll sichergestellt sein, dass allen anspruchsberechtigten Pflichtlagerhaltern jederzeit eine gesetzeskonforme Finanzierung ihrer Pflichtlager mit vom Bund garantierten Bankdarlehen gewährt werden kann. Die Höhe der Garantien hängt insbesondere von der Höhe der Amortisationen seitens der Garantiefonds ab. Eine direkte Abhängigkeit von der Teuerung entfällt. Deshalb wird im Bundesbeschluss auf die Angabe von Teuerungsannahmen verzichtet.

Gestützt auf die vorstehend genannten Zahlen und Entwicklungen schätzt der Bundesrat den maximalen Kreditbedarf bis Ende 2034 wie folgt ein: Warengruppe

Kreditbedarf in Mio. Fr.

Ernährung Mineralöl Heilmittel Dünger Industrielle Produkte Neue Lagerwaren

330 380 20 10 10 0

Total

750

2

Vernehmlassungsverfahren

Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Finanzantrag wurde kein formelles Vernehmlassungsverfahren durchgeführt, da ein solches gemäss Artikel 3 Absatz 1 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200510 (VlG) nicht zwingend war. Vorliegend handelt es sich lediglich um die Fortschreibung einer Verpflichtung, die sich aus dem Landesversorgungsgesetz ergibt. Der Bund ist gesetzlich verpflichtet, für die Finanzierung von Pflichtlagerware Garantien für Bankdarlehen zu sprechen, wenn die 10

SR 172.061

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Bedingungen dazu erfüllt sind. Da es sich um die Fortschreibung einer bestehenden Verpflichtung handelt, ist die Vorlage weder von grosser Tragweite, noch sind die Kantone in erheblichem Masse davon betroffen (Art. 3 Abs. 1 Bst. d und e VlG).

3

Inhalt des Kreditbeschlusses

3.1

Antrag des Bundesrates und Begründung

Der Bundesrat beantragt für die Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen einen Verpflichtungskredit von 750 Millionen Franken bis Ende 2034.

Der bisherige Verpflichtungskredit im Umfang von 540 Millionen Franken läuft Ende 2024 aus. Es wird deshalb ein neuer Verpflichtungskredit benötigt, um die gesetzlichen Verpflichtungen weiterhin erfüllen zu können.

3.2

Inhalt der Vorlage

Der Bund unterstützt die Unternehmen bei ihrer Pflichtlagerhaltung, indem er gegenüber den darlehensgebenden Banken Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen gewährt. Dazu ist ein Verpflichtungskredit erforderlich. Die Höhe der gewährten Bundesgarantien richtet sich grundsätzlich nach dem Wert der zu finanzierenden Pflichtlagerwaren. Da ausschliesslich für handelsübliche Waren eine Bundesgarantie gewährt wird, ist sichergestellt, dass auch ein entsprechender realisierbarer Gegenwert vorhanden ist. In Anbetracht der in den nächsten Jahren vorgesehenen Erhöhung der Pflichtlagerbestände und der noch nicht absehbaren Entwicklung hinsichtlich der Finanzierung der Pflichtlager im Bereich der Nahrungs- und Futtermittel wird zusammen mit der Verlängerung des Verpflichtungskredits auch eine Erhöhung der Kreditlimite beantragt.

3.3

Teuerungsannahmen

Die Höhe der Garantien hängt insbesondere von der Höhe der Amortisationen seitens der Garantiefonds ab. Eine direkte Abhängigkeit von der Teuerung entfällt. Deshalb wird im Bundesbeschluss auf die Angabe von Teuerungsannahmen verzichtet.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle Auswirkungen

Obschon für den Bund pfandrechtliche Absicherungen existieren, bleibt ein gewisses finanzielles Restrisiko für den Bund bestehen. Gerät ein Pflichtlagerhalter in Konkurs oder wird über ihn die Nachlass- oder Notstundung eröffnet, so muss der Bund gegenüber der Bank sein Zahlungsversprechen einlösen.

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In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass dank den Sicherheiten die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Bundes per Saldo gering gehalten werden kann. In den vergangenen 20 Jahren musste der Bund in einem Fall einen Verlust auf einem Pflichtlager im Umfang von 70 000 Franken hinnehmen. In zwei weiteren Fällen, in denen der Bund Garantiezahlungen leisten musste, konnte er sich dank seines Aussonderungsanspruchs schadlos halten.

Die Bundesgarantien werden in den jeweiligen Pflichtlagerverträgen festgelegt. Entstehen während der Vertragsdauer begründete Zweifel an der Solvenz und Bonität des Pflichtlagerhalters oder an der Einhaltung der Bestimmungen des Pflichtlagervertrags, so ist der Bund berechtigt, zum Schutz der finanzierten Pflichtlagermengen sichernde Massnahmen zu ergreifen (z. B. Aussonderung oder Unterverschlussnahme des Pflichtlagers, Auflösung des Vertrags).

Der Bund verfügt mit jeder kreditgebenden Bank über eine Vereinbarung, gemäss der sich die Bank verpflichtet, die Kreditwürdigkeit der Pflichtlagerhalter in der für Kreditgeschäfte üblichen Weise zu prüfen und den Bund unverzüglich zu informieren, falls die Kreditwürdigkeit nicht oder nur teilweise gegeben ist.

4.2

Personelle Auswirkungen

Die Gewährung von Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen kann weiterhin mit den bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

4.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Mit der Genehmigung eines Verpflichtungskredits sind keine volkswirtschaftlichen Veränderungen gegenüber dem Status quo zu erwarten. Die Vorratshaltung dient der Versorgungssicherheit und leistet damit einen Beitrag an die Systemstabilität. Die einfachen Regelungen und die Schlankheit der wirtschaftlichen Landesversorgung tragen erheblich zu deren Nutzen bei und ermöglichen rasche Entscheidungen unter Ausnützung des privatwirtschaftlichen Knowhows. Die Wirtschaft wird durch die wirtschaftliche Landesversorgung nur gering belastet. Mit dem Grundprinzip, dass auch in einer Krise nicht der Staat, sondern die Wirtschaft die Versorgungsfunktion wahrnehmen soll, wird die Sicherstellung des Landes mit lebenswichtigen Gütern mit wenig Aufwand gewährleistet.

4.4

Auswirkungen auf die Lagerpflichtigen

Von den Bundesgarantien profitieren in erster Linie die lagerpflichtigen, privaten Wirtschaftsteilnehmer. Ohne die Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen wären die Kapitalkosten für die Pflichtlagerhaltung höher, da die Banken bei der Kreditvergabe höhere Zinsen verlangen würden.

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5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Garantien durch den Bund an die darlehensgebenden Banken ergibt sich aus Artikel 20 LVG.

Gemäss Artikel 21 Absatz 4 Buchstabe e FHG ist für die Gewährung von Garantien des Bundes ein Verpflichtungskredit erforderlich.

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den vorliegenden Kreditbeschluss ergibt sich aus Artikel 167 BV.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Staatliche Darlehensgarantien, die für die begünstigten Akteure zu einem Zinsvorteil führen und spezifisch Sektoren oder Unternehmen gewährt werden, sind gemäss dem WTO-Subventionsabkommen als Subvention zu betrachten und müssen bei der WTO notifiziert werden. Solche Subventionen können durch andere WTO-Mitglieder angefochten werden, wenn eine wirtschaftliche Schädigung im Ausland nachweisbar ist.

Das ist bei den hier beantragten Garantien unwahrscheinlich. Bei Nahrungsmitteln gelten zusätzlich die Bestimmungen des WTO-Agrarabkommens. Gemäss diesem Abkommen werden die Subventionen für Lagerhaltung zwecks Ernährungssicherheit in der sogenannten green box eingereiht. Sie unterliegen entsprechend keiner Verpflichtungslimite.

5.3

Erlassform

Nach Artikel 163 Absatz 2 BV und Artikel 25 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200211 ist für den vorliegenden Fall ein Erlass in der Form des einfachen, also nicht dem Referendum unterstehenden Bundesbeschlusses vorgesehen.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht zum Zweck der Ausgabenbegrenzung vor, dass Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, in jedem der beiden Räte der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder bedürfen. Da mit dem beantragten Verpflichtungskredit Garantien von über 20 Millionen Franken gewährt werden sollen, könnten diese im ungünstigsten Fall auch zu entsprechenden Ausgaben führen. Daher untersteht Artikel 1 Absatz 1 des Bundesbeschlusses der Ausgabenbremse.

11

SR 171.10

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5.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Der Bund erleichtert den betroffenen Unternehmen mit Bundesgarantien die Finanzierung von Pflichtlagern. Der Verpflichtungskredit dient der Deckung von Forderungen, die sich direkt aus der Vergabe von Bundesgarantien für Pflichtlagerdarlehen ergeben. Auf die Gewährung der einzelnen Garantien ist das Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199012 (SuG) anwendbar, nicht aber auf den vorliegend beantragten Finanzierungsbeschluss. Nach Artikel 5 SuG ist der Bundesrat zur periodischen Überprüfung von Finanzhilfen und Abgeltungen verpflichtet. Über das Ergebnis der Prüfung erstattet er der Bundesversammlung Bericht, insbesondere in einer allfälligen Botschaft zur Verlängerung des Verpflichtungskredits. Der Verpflichtungskredit wird bis Ende 2034 befristet.

12

SR 616.1

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