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Nachkontrolle Administrativhaft im Asylbereich Kurzbericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 8. September 2023

2023-2659

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Bericht 1

Einleitung

Am 28. Januar 2016 beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation1 zur Administrativhaft im Asylbereich. Am 1. November 2017 übermittelte die PVK ihre Evaluationsergebnisse an die Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates (GPK-N). Am 26. Juni 2018 verabschiedete die GPK-N gestützt auf die Evaluation der PVK ihren Bericht2, in welchem sie sieben Empfehlungen an den Bundesrat richtete.

Der Bundesrat nahm am 28. September 20183 zu den verschiedenen Empfehlungen Stellung. In ihrem Kurzbericht vom 2. Juli 20194 begrüsste die GPK-N, dass der Bundesrat die Empfehlungen mehrheitlich gut aufgenommen und teilweise bereits umgesetzt hatte. Die GPK-N nutzte die Möglichkeit, zu verschiedenen Aspekten in der Stellungnahme des Bundesrates erneut Position zu beziehen und auf den eruierten Handlungsbedarf zu den einzelnen Empfehlungen hinzuweisen. Mit Schreiben vom 30. Oktober 20195 nahm der Bundesrat erneut Stellung zu den Massnahmen, die er aufgrund dieser Inspektion getroffen hatte. Die GPK-N beschloss an ihrer Sitzung vom 19. November 2019, die Inspektion abzuschliessen und kündigte an, die Umsetzung der Empfehlungen im Rahmen einer Nachkontrolle zu analysieren.

Die GPK-N beschloss an ihrer Sitzung vom 22. Oktober 2021, eine Nachkontrolle zur Umsetzung von vier ihrer Empfehlungen einzuleiten. Infolgedessen nahm der Bundesrat am 17. Dezember 2021 zum aktuellen Stand der Umsetzung dieser Empfehlungen Stellung. Um eine Gesamtbeurteilung vornehmen zu können, hat die GPK-N dem Bundesrat mit den Schreiben vom 29. März 2022 und 8. November 2022 weitere Fragen zu sämtlichen Empfehlungen unterbreitet. Die zuständige Subkommission führte zudem mit Vertreterinnen und Vertretern des SEM am 23. Februar 2023 eine Anhörung durch.

In den folgenden Kapiteln bewertet die GPK-N, wie der Bundesrat ihre Empfehlungen von 2018 nach Abschluss der Inspektion im Jahr 2019 umgesetzt hat.

1 2 3 4 5

Evaluation Administrativhaft im Asylbereich, Bericht der PVK vom 1. Nov. 2017 (BBl 2018 7533, nachfolgend Evaluationsbericht der PVK vom 1. Nov. 2017).

Administrativhaft im Asylbereich, Bericht der GPK-N vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 7511).

Administrativhaft im Asylbereich. Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Sept. 2018 (BBl 2018 7601).

Administrativhaft im Asylbereich, Kurzbericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (BBl 2019 6037).

Administrativhaft im Asylbereich. Stellungnahme des Bundesrates vom 30. Okt. 2019 (BBl 2019 7315).

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Empfehlung 1: Untergetauchte Personen erfassen Empfehlung 1

Untergetauchte Personen erfassen

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, mit geeigneten Mitteln dafür zu sorgen, dass untergetauchte Personen als solche erfasst werden, die Meldepraxis der Kantone beim Untertauchen von Personen vereinheitlicht wird und die Meldungen tatsächlich im ZEMIS registriert werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Daten zum Nothilfebezug zur Erfassung untergetauchter Personen systematisch herangezogen werden sollen.

Sie fordert den Bundesrat im Weiteren auf, die Bezeichnung «unkontrollierte Abreise» zu präzisieren, so dass sie nicht mehr für untergetauchte Personen verwendet wird.

2.1

Standpunkt des Bundesrates

Die GPK-N stellte in Bezug auf die Empfehlung 1 bei der Erfassung von untergetauchten Personen Fortschritte fest, ortete jedoch weiteren Handlungsbedarf.6 Die Kommission forderte den Bundesrat mehrmals auf, für untergetauchte Asylsuchende den aus ihrer Sicht missverständlichen Begriff der «unkontrolliert abgereisten Personen» nicht mehr zu verwenden. Der Bundesrat stellte der GPK-N in seinen Stellungnahmen vom 17. Dezember 2021 und vom 21. Dezember 2022 in Aussicht, den Begriff der «unkontrollierten Abreise» durch «unkontrollierten Weggang» zu ersetzen.7 Im Schreiben vom 8. November 2022 bat die GPK-N den Bundesrat ausserdem aufzuzeigen, in welchem Kontext dieser Begriff verwendet wird, insbesondere bei der Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit. In seiner Antwort vom 21. Dezember 2022 führte der Bundesrat aus, dass das SEM den Begriff «unkontrollierte Abreise» für jede Art von Kommunikation wie etwa Medienanfragen, parlamentarische Anfragen, Statistiken usw. verwendet.

2.2

Beurteilung durch die GPK-N

Der Vorschlag des Bundesrates, den Begriff «unkontrollierte Abreise» durch jenen des «unkontrollierten Weggangs» zu ersetzen, überzeugt die GPK-N nicht. Beide Begriffe sind irreführend, da sie nahelegen, dass die Person die Schweiz tatsächlich verlassen hat. Bereits im Schreiben der GPK-N an den Bundesrat vom 19. November 20198 hielt sie fest, dass aus ihrer Sicht der Begriff des Weggangs keine geeignete Alternative darstellt, da dabei ebenso wie bei einer Abreise impliziert wird, dass sich die untergetauchte Person nicht mehr in der Schweiz befindet, was letztlich den schweizerischen Behörden in der Regel nicht bekannt oder sogar nachweislich falsch 6 7 8

Kurzbericht der Geschäftsprüfungskommission vom 2. Juli 2019.

Schreiben des Bundesrates vom 17. Dez. 2021 und 21. Dez. 2022.

Schreiben der GPK-N an den Bundesrat vom 19. Nov. 2019.

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ist. Die Kommission schlug dem Bundesrat ­ auch angesichts der politischen Sensibilitat dieses Begriffs ­ deshalb vor, den Begriff der «unkontrollierten Abreise» durch den Begriff des «unbekannten Aufenthalts» zu ersetzen. Letztlich kann nur festgestellt werden, dass der Aufenthalt dieser Person den Behörden unbekannt ist. Die Kommission fordert den Bundesrat daher auf, das SEM anzuweisen, einen Ausdruck wie «unbekannter Aufenthalt» zu wählen, der diesem Aspekt Rechnung trägt.

3

Empfehlung 2: Harmonisierung bei der Anordnung und beim Vollzug der Administrativhaft Empfehlung 2

Harmonisierung bei der Anordnung und beim Vollzug der Administrativhaft

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, im Rahmen seiner Kompetenz und seiner Aufsichtsfunktion gemäss Artikel 124 Absatz 1 AuG9 auf eine stärkere Harmonisierung der kantonalen Praxis bei der Anordnung und dem Vollzug der Administrativhaft im Dialog mit den Kantonen hinzuwirken, so dass diese zweckmässig und unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben eingesetzt wird.

Insbesondere strebt er im Rahmen seiner Kompetenzen an, dass dem Prinzip der Verhältnismässigkeit bei der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und damit bei der Anordnung der Administrativhaft im Einzelfall ausreichend Rechnung getragen wird.

3.1

Standpunkt des Bundesrates

Eines der Instrumente für die Harmonisierung ist die Behördenbeschwerde. Im Zusammenhang mit der Harmonisierung bei der Anordnung und beim Vollzug der Administrativhaft durch die kantonalen Behörden und Gerichte wurde der Bundesrat im Rahmen der Nachkontrolle gebeten aufzuzeigen, inwiefern das SEM von dieser Möglichkeit nach Artikel 14 Absatz 2 der Organisationsverordnung für das EJPD (OV-EJPD)10 Gebrauch macht. Die Behördenbeschwerde bezweckt, die richtige und rechtsgleiche Anwendung des Bundesrechts im Bereich der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen sicherzustellen.

In seiner Antwort vom 17. Dezember 2021 führte der Bundesrat aus, dass das SEM im Jahr 2019 in drei Fällen von der Behördenbeschwerde Gebrauch gemacht hatte, im Jahr 2020 in zwei Fällen und im Jahr 2021 in einem Fall. Auf Nachfrage hin teilte das SEM mit, dass im Jahr 2022 keine Behördenbeschwerde eingereicht wurde.11 9

10 11

Das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) heisst neu Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2017 6521; 2018 3171). Die Bestimmung befindet sich nach wie vor in unveränderter Form in Art. 124 Abs. 1 AIG.

SR 172.213.1 Stand 24. Mai 2023.

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Das SEM ergreift nur auf Ersuchen der Kantone zur Behördenbeschwerde. Die Ersuchen um Beschwerdeführung werden durch das SEM gemäss Stellungnahme des Bundesrates vertieft überprüft. Eine Beschwerde wird nur dann eingereicht, wenn es sich um Grundsatzfragen handelt, d. h. wenn im Hinblick auf zukünftige, ähnlich gelagerte Fälle ein grosses Interesse an der Klärung der sich ergebenden Rechtsfragen besteht.

Der Bundesrat wies darauf hin, dass die entsprechenden Instrumente zur Harmonisierung der Massnahmen laufend aktiv gefördert würden, insbesondere im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Die Harmonisierung durch den Bund werde mittels Fachtagungen, Weisungen und einer Austauschplattform unterstützt.

Weiter erfolge eine Abstimmung in den verschiedenen Gremien (Fachausschuss, Rückkehr und Wegweisungsvollzug, Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden und SEM usw.). Die Rechtskonformität der Administrativhaft werde laufend im Rahmen von Beschwerdeverfahren durch die zuständigen kantonalen Gerichte und das Bundesgericht beurteilt. Dadurch werde eine rechtsgleiche Anwendung des Bundesrechts im Bereich der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen sichergestellt.

17 Kantone würden die Administrativhaft vermehrt im Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft am Zürcher Flughafen vollziehen. Ausserdem besuche die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) regelmässig die kantonalen Administrativhaftanstalten, was ebenfalls zu einer Harmonisierung der Praxis beitrage.12

3.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die GPK-N anerkennt die Bestrebungen, die der Bundesrat unternommen hat, um eine Harmonisierung der kantonalen Praxis im Rahmen seiner Kompetenzen zu erreichen.

Sie sieht die Bemühungen, dass die Praxis laufend in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz (BJ) weiterentwickelt wird, indem sich spezifische Fachgremien über Schulungen und Weisungen austauschen. Die erwähnten Massnahmen, um die Harmonisierung zu fördern, bestanden jedoch bereits zum Zeitpunkt der Evaluation der PVK. Die Evaluation der PVK hatte gezeigt, dass die vom Bundesrat genannten Instrumente und Massnahmen bereits vorhanden waren, diese jedoch für die Anordnung und den Vollzug der Administrativhaft nicht zu einer Harmonisierung geführt hatten.

Aus den Stellungnahmen des Bundesrates wird nicht klar, inwiefern diese Massnahmen seither zu einer Harmonisierung beitrugen.

Die Kommission stimmt dem Bundesrat zu, dass die Anordnung und der Vollzug der Administrativhaft im Rahmen der richterlichen Haftüberprüfungs- und Beschwerdeverfahren durch die kantonalen Gerichte sowie die Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht zu einer Vereinheitlichung der Praxis beitragen können. Der Vollzug der Administrativhaft im Zentrum des Flughafens Zürich und die Beobachtung der Administrativhaft durch die NKVF erscheinen der Kommission ebenfalls als geeignet, zu einer Harmonisierung beizutragen. Der Umstand, dass das SEM seit 2022 12

Schreiben des Bundesrates vom 21. Dez. 2022 und Protokoll der Sitzung der Subkommission EJPD/BK-N vom 23. März 2023 (Anhörung des SEM).

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keine Behördenbeschwerde mehr eingereicht hatte, ist positiv zu werten, wenn es eine Folge davon ist, dass keine Grundsatzfragen mehr zu beantworten waren. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es aufgrund der geringen Anzahl der Behördenbeschwerden und ohne Angabe zu den behandelten Fragen schwierig einzuschätzen ist, inwiefern das Instrument der Behördenbeschwerde tatsächlich zu einer Harmonisierung beiträgt.

Die Kommission erwartet vom Bundesrat, dass er im Rahmen seiner Kompetenz und seiner Aufsichtsfunktion weiterhin darauf achtet, geeignete Instrumente und Massnahmen zu fördern, die zu einer Harmonisierung der kantonalen Praxis beitragen. Die Kommission sieht aktuell aber keinen weiteren Handlungsbedarf.

4

Empfehlung 3: Prüfung der gesetzlich vorgesehenen Haftüberprüfung Empfehlung 3

Prüfung der gesetzlich vorgesehenen Haftüberprüfung

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die Rechtsgrundlagen der Haftüberprüfung zweckmässig sind und einen genügenden Grundrechtsschutz gewährleisten.

4.1

Standpunkt des Bundesrates

Im Rahmen der Nachkontrolle bat die GPK-N den Bundesrat aufzuzeigen, inwiefern und wie oft asylsuchende Personen die ihnen zustehende unentgeltliche Rechtsberatung tatsächlich in Anspruch nehmen und gegebenenfalls gegen eine Haftandrohung Beschwerde führen.

Der Bundesrat wies in seinen Antworten darauf hin,13 dass der Bund über keine Statistiken bezüglich Haftüberprüfungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens verfüge, weil die Erfassung dieser Daten durch die Kantone in den einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht vorgesehen ist. Die Daten über die Anordnung der Haft, welche die Kantone dem SEM im Hinblick auf die Datenerhebung im Bereich der Zwangsmassnahmen zu übermitteln haben, sind in Artikel 15a Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (VVWAL)14 geregelt. Zudem haben die gesetzlichen Rechtsvertretungen keinen gesetzlichen Auftrag, asylsuchende Personen im Rahmen eines Verfahrens der Haftüberprüfung nach den Artikeln 80 und 80a des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG)15 zu vertreten oder Beschwerden gegen Haftanordnungen zu führen.

13 14 15

Vgl. Schreiben des Bundesrates vom 17. Dez. 2021 und 21. Dez. 2022.

SR 142.281 SR 142.20

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Die unentgeltliche Beratung und Rechtsvertretung in den Zentren des Bundes nach den Artikeln 102f ff. des Asylgesetzes (AsylG)16 trägt gemäss Bundesrat im Allgemeinen dazu bei, dass die asylsuchenden Personen umfassend über ihre rechtlichen Möglichkeiten informiert sind. Der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Rahmen einer Haftüberprüfung und des kantonalen Beschwerdeverfahrens beurteile sich nach dem entsprechenden Verfahrensrecht.

Im Rahmen der Anhörung vom 23. März 202317 führte das SEM aus, dass das AIG das Verfahren zur Haftüberprüfung ausführlich regelt, dem Gericht im Einzelfall einen Ermessensspielraum einräumt. Bei Grundsatzfragen sollte es hingegen nicht zu Ermessensentscheidungen kommen. Dies zeige sich auch an jüngsten Bundesgerichtsentscheiden zu Fragen der Haftbedingungen, die den Begriff spezieller Hafteinrichtungen präzisierten, indem bspw. der Internetzugang gewährt werden muss.

4.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die Kommission stimmt dem Bundesrat grundsätzlich zu, wonach die unentgeltliche Beratung und Rechtsvertretung im Allgemeinen dazu beiträgt, dass die asylsuchenden Personen über ihre rechtlichen Möglichkeiten informiert sind und so ihre Chancen in den Verfahren besser einschätzen können.

Zurzeit fehlen jegliche Angaben dazu, wie oft das Instrument der Haftüberprüfung genutzt wird. Auch wenn im Rahmen der Dublin-Verfahren keine gesetzliche Pflicht besteht, Statistiken zu Haftüberprüfungen zu stellen, wäre es aus Sicht der Kommission wünschenswert, in diesem Bereich weitergehende Angaben zur Nutzung der Haftüberprüfung zu erhalten. Sie lädt den Bundesrat ein, diesbezügliche Möglichkeiten zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen.

5

Empfehlung 4: Inhaftierung von Minderjährigen Empfehlung 4

Inhaftierung von Minderjährigen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und dafür zu sorgen, dass Minderjährige unter 15 Jahren nicht in Administrativhaft genommen werden. Für den Vollzug der Wegweisung von Familien sind alternative Möglichkeiten zu prüfen und zu fördern. Bei Minderjährigen über 15 Jahren ist sicherzustellen, dass die Haft lediglich als letztes Mittel und stets zweckmässig eingesetzt wird.

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die vom SEM geltend gemachten Fälle der Fehlerfassungen von minderjährigen Personen unter 15 Jahren in Zusammenarbeit mit den Kantonen aufzuarbeiten, der GPK-N hierzu Bericht zu erstatten und

16 17

SR 142.31 Protokoll der Sitzung der Subkommission EJPD/BK-N vom 23. März 2023 (Anhörung des SEM).

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ihr im Detail darzulegen, wie die Kantone Inhaftierungen im Familienverbund und insbesondere mitinhaftierte Kinder unter 15 Jahren registrieren.

Zudem bitten die GPK-N den Bundesrat aufzuzeigen, wie den rechtlichen Vorgaben des Völkerrechts (insbesondere der Kinderrechtskonvention) bei der Inhaftierung von minderjährigen Personen Rechnung getragen wird.

5.1

Standpunkt des Bundesrates

Bereits im Kurzbericht vom 2. Juli 2019 begrüsste die GPK N die Umsetzung der Empfehlung 4. Der Bundesrat bestätigte mit Schreiben vom 17. Dezember 2021, dass seit der Stellungnahme von 2018 keine Minderjährigen unter 15 Jahren mehr inhaftiert wurden. Das SEM teilte mit E-Mail vom 24. Mai 2023 mit, dass auch seit dem genannten Schreiben des Bundesrates keine Inhaftierungen von Minderjährigen unter 15 Jahren zu verzeichnen waren. Auch die Anzahl der Haftanordnungen von Minderjährigen über 15 Jahren war sehr tief (2019: 7 Personen; 2020: 4 Personen; 2021: 8 Personen; 2022: 5 Personen).18 Gemäss Darlegung des Bundesrates19 wurden alternative Möglichkeiten zur Administrativhaft für Minderjährige und Familien geprüft. So soll die Administrativhaft nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen, was den Kantonen so mitgeteilt wurde.

In vielen Kantonen würden bereits die Vollzug der Wegweisung ab Unterkunft, die Meldepflicht und die Eingrenzung als funktionierende alternative Möglichkeiten angewandt. Der Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug habe sog. «Best Practices» definiert, mit welchen Inhaftierungen vermieden werden können.

Im Rahmen der Nachkontrolle verwies der Bundesrat auch auf einen Bericht in Erfüllung des Postulates 20.426520, in dem der Bundesrat den Bedarf und die Zweckmässigkeit der Massnahme der elektronischen Überwachung (Electronic Monitoring) überprüfte. Er kam zum Schluss, dass kein Bedarf besteht, die Massnahme des Electronic Monitoring im Ausländerrecht einzuführen, da er die Massnahme in diesem Bereich als nicht zweckmässig erachtet, und verweist auf die bestehenden Alternativen zur Administrativhaft (Meldepflicht Art. 64e Bst. a AIG und die Ein- und Ausgrenzung nach Art. 74 AIG).

Weiter soll im AIG eine gesetzliche Grundlage für eine Anwesenheitspflicht geschaffen werden, um den Handlungsspielraum der kantonalen Behörden zu vergrössern.

Weitere Alternativen gibt es gemäss Bundesrat kaum, was auch ein Vergleich mit dem Ausland bestätige. Gemäss Auskunft des SEM ist eine Gesetzesänderung in Vorbereitung; die Vernehmlassung soll Ende 2023 stattfinden.21 18 19 20 21

Stand 24. Mai 2023.

Schreiben des Bundesrates vom 21. Dez. 2021.

Postulat der Rechtskommission des Ständerates vom 25. Nov. 2020 «Bericht zur Einführung elektronischer Fussfesseln im Ausländer- und Integrationsgesetz.

Protokoll der Sitzung der Subkommission EJPD/BK-N vom 23. März 2023 (Anhörung des SEM) und Rückmeldung des SEM im Rahmen der Konsultation zum vorliegenden Bericht vom 18. Aug. 2023.

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Im Zusammenhang mit den Haftplätzen für Minderjährige verlangte die Kommission eine Darlegung der Kompatibilität mit der UNO-Kinderschutzkonvention22, die für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren anwendbar ist. Das SEM führte dazu aus, dass der Bundesrat im Jahr 2009 eine Überprüfung in Bezug auf die Haftplätze hinsichtlich der UNO-Kinderschutzkonvention vorgenommen hatte und die Kinderrechtskonformität der Zwangsmassnahmen bestätigte.23 Seither gab es laut SEM insbesondere auf europäischer Ebene Entwicklungen des Schengen-Besitzstands, die EU-Rückführungsrichtlinie wurde überarbeitet und die Dublin-III-Verordnung wurde übernommen. Insgesamt haben diese Entwicklungen nach Aussagen des SEM zu einer Stärkung der Position von Minderjährigen geführt. Im Vordergrund stehe die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen, wie zum Beispiel die Möglichkeit, Freizeitbeschäftigungen ausüben zu können. Auch die EURückführungsrichtlinie beinhaltet die Administrativhaft von Minderjährigen. Im Gegensatz zur Schweiz sieht diese jedoch keine Einschränkung auf Minderjährige ab 15 Jahren vor.

5.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die GPK-N begrüsst die Bemühungen des Bundesrates, die Inhaftierung von Minderjährigen zu vermeiden und die Empfehlung umzusetzen. Sie anerkennt, dass sich diese Praxis etabliert zu haben scheint.

Der Bundesrat hat verschiedentlich ausgeführt und darauf hingewiesen, dass ausreichende Alternativen zur Administrativhaft bestehen und auch angewandt werden, was auch aus dem Bericht in Erfüllung des Postulats 20.4265 hervorgeht. Die Absicht des Bundesrates, die Massnahme der Anwesenheitspflicht im AIG zu verankern, erachtet die GPK-N als sinnvolle Ergänzung der bestehenden Massnahmen und erwartet, dass die Vorlage bald dem Parlament vorgelegt wird. Die Kommission sieht keinen weiteren Handlungsbedarf und betrachtet die Empfehlung 4 als umgesetzt.

22 23

SR 0.107 Protokoll der Sitzung der Subkommission EJPD/BK-N vom 23. März 2023 (Anhörung des SEM).

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Empfehlung 5: Haftplätze für Minderjährige Empfehlung 5

Haftplätze für minderjährige Personen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, auf die Einrichtung entsprechender, für Minderjährige über 15 Jahren im Sinne der Vorgaben der Kinderrechtskonvention und ihre Begleitpersonen geeigneter Haftplätze hinzuwirken, damit sichergestellt werden kann, dass Minderjährige nur in solchen untergebracht werden.24 Der Bundesrat soll der GPK-N zudem aufzeigen, welche Voraussetzungen für Haftplätze für Minderjährige gelten, welcher Stellenwert der Kinderrechtskonvention hierbei zukommt, wo Minderjährige derzeit untergebracht sind/werden und wie der Bundesrat die Aufsicht in diesem Bereich wahrnimmt.

6.1

Standpunkt des Bundesrates

Die GPK-N bat den Bundesrat im Rahmen der Nachkontrolle um eine Beurteilung, inwiefern die Haftplatzfinanzierung als Mittel zur Errichtung geeigneter Haftplätze für Minderjährige taugt. In seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 202125 schrieb der Bundesrat, dass die Haftplatzfinanzierung nach Artikel 82 Absatz 1 AIG das geeignetste Mittel darstellt, um die Errichtung angemessener Haftplätze für Minderjährige zu erreichen. Der Bund beteiligt sich nur dann an den Kosten, wenn die räumlich getrennte Unterbringung von verletzlichen Personen, insbesondere von unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Kindern, von den übrigen Insassinnen und Insassen gewährleistet ist (Art. 15j Bst. d VVWAL26). Gemäss Bundesrat erfüllen die beim BJ eingereichten Projekte diese Voraussetzungen. Da die Höhe der Bundesbeiträge beträchtlich ist (vgl. Art. 15k VVWAL), geht der Bundesrat davon aus, dass die Kantone kaum auf eine Finanzierung seitens des Bundes verzichten werden.

Weiter bat die GPK-N den Bundesrat ihr anzugeben, in wie vielen Fällen sich der Bund bei der Haftplatzfinanzierung beteiligt hat bzw. ob bereits entsprechende Anfragen eingegangen sind. Ferner wollte die Kommission wissen, wie viele geeignete Haftplätze für Minderjährige bereits bestehen und von welchem Bedarf ­ auch angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen ­ ausgegangen wird.

In Bezug auf die Haftplatzfinanzierung nach Artikel 82 Absatz 1 AIG haben sieben Kantone (BE, BS, GE, SG, SO, VS und ZH) Bauprojekte beim Bund eingereicht, vier Kantonen (BS, SG, VS und ZH) wurden vom BJ Beiträge zugesichert.27 24

25 26 27

Die Schweiz hat zu Art. 37 Bst. c Kinderrechtskonvention einen Vorbehalt angebracht: Diese Bestimmung konkretisiert unter anderem die Haftbedingungen bei der Inhaftierung von Kindern und fordert insbesondere, dass Kinder getrennt von Erwachsenen unterzubringen sind, falls nicht ein anderes Wohl des Kindes dies trotzdem erfordert. Der Vorbehalt der Schweiz stellt klar, dass diese Trennung nicht ausnahmslos gewährleistet wird.

Schreiben des Bundesrates vom 17. Dez. 2021.

Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (SR 142.281).

Schreiben des Bundesrates vom 21. Dez. 2022 und Rückmeldung des SEM im Rahmen der Konsultation zum vorliegenden Bericht vom 18. Aug. 2023.

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Zurzeit stehen gemäss Bundesrat genügend geeignete Haftplätze für Minderjährige zur Verfügung. Auch wenn aufgrund der Volatilität im Asylbereich der künftige Bedarf schwierig einzuschätzen ist, geht der Bundesrat davon aus, dass die vorhandenen Plätze auch künftig ausreichen werden, da die Administrativhaft bei Minderjährigen als letztes Mittel und für die kürzest angemessene Haftdauer angeordnet wird.

6.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die Beteiligung des Bundes an den Baukosten bei Vorliegen der Voraussetzungen ist aus Sicht der Kommission geeignet, um auf die Errichtung angemessener Haftplätze für Minderjährige hinzuwirken. Die GPK-N stuft deshalb dieses Instrument als geeignet und zweckmässig ein.

Die Praxis der Behörden zeigt, dass auf die Administrativhaft erst zurückgegriffen wird, wenn keine alternativen Massnahmen zur Verfügung stehen. Es ist deshalb zu vermuten, dass wenig Plätze für die Inhaftierung von Minderjährigen in Anspruch genommen werden. Da die Bauprojekte noch nicht abgeschlossen sind und aufgrund der Volatilität im Asylbereich eine Prognose für den künftigen Bedarf schwierig einzuschätzen ist, erwartet die GPK-N, dass der Bundesrat die Entwicklung weiterverfolgt und gegebenenfalls Massnahmen ergreift. Die Kommission sieht aktuell keinen Handlungsbedarf und betrachtet die Empfehlung 5 als umgesetzt.

7

Empfehlung 6: Eine effiziente Datenverwaltung Empfehlung 6

Eine effiziente Datenverwaltung

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, sicherzustellen, dass die Daten im Bereich der Administrativhaft korrekt erfasst werden. Zudem sind die bestehenden Systeme dahingehend zu revidieren oder gegebenenfalls zu ersetzen, als dass sie eine effiziente Datenverwaltung erlauben und das SEM den grösstmöglichen Nutzen daraus ziehen kann, um die Aufsicht gemäss Artikel 124 AuG28 tatsächlich wahrnehmen und das Monitoring im Sinne von Artikel 46 Absatz 3 AsylG durchführen zu können.

Insbesondere soll der Bundesrat im Rahmen seiner Kompetenzen das Ziel verfolgen, dass die Kantone Inhaftierungen im Familienverbund für jedes Familienmitglied, insbesondere auch für mitinhaftierte Kinder unter 15 Jahren, eindeutig und einheitlich erfassen.

28

Neuer Titel und neue Abkürzung mit Änderung vom 16. Dez. 2016: Das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) heisst neu Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2017 6521; 2018 3171).

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7.1

Standpunkt des Bundesrates

Die GPK-N bat den Bundesrat im Rahmen der Nachkontrolle aufzuzeigen, welche Anpassungen seit der Publikation des Berichts der GPK-N einerseits im technischen Bereich und andererseits auf Stufe Weisung und der Verordnung über das Zentrale Migrationsinformationssystem (ZEMIS-Verordnung)29 erfolgten. Gemäss der Antwort des Bundesrates wurde die ZEMIS-Verordnung per 1. April 2020 dahingehend ergänzt, dass die Kantone dem SEM im Rahmen der Datenerhebung im Bereich der Zwangsmassnahmen auch die Angaben zum Ort der Inhaftierung sowie zur angeordneten Zeitdauer der Administrativhaft zu übermitteln haben.

Weiter führte der Bundesrat aus, dass die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen mit dem ZEMIS-Release vom 2. Mai 2020 geschaffen wurden. Seither tragen die Kantone bei der Erfassung der Haftanordnungen die weiteren Angaben zu Ort und Haftdauer im ZEMIS ein. Das SEM hat bei dieser Gelegenheit zudem eine Anleitung für die Anwenderinnen und Anwender mit detaillierten Informationen über die Erfassung und Mutation der Daten zu den Zwangsmassnahmen im ZEMIS erstellt, welche es den Kantonen am 30. April 2020 mittels Newsletter zugestellt hat. Dabei wurden die Kantone erneut darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Daten über die Zwangsmassnahmen jeweils laufend ­ d. h. bereits ab dem Zeitpunkt der Haftanordnung ­ im ZEMIS einzutragen sind. Des Weiteren sind seit dem 1. März 2019 die Vorgaben zur Datenerhebung im Bereich der Zwangsmassnahmen in der Weisung des SEM für den Bereich Wegweisung und Vollzug enthalten.

In Bezug auf die Frage, wie das SEM seine Aufsichtsfunktion aufgrund der zusätzlichen Angaben in ZEMIS wahrnehme, führte das SEM aus, dass eine spezifische Aufsicht nicht notwendig ist. Das ZEMIS sei so aufgebaut, dass die Kantone die Haftanordnungen nur erfassen können, wenn alle erforderlichen Felder im System ausgefüllt sind und somit auch die neuen Angaben zum Ort der Inhaftierung sowie der angeordneten Haftdauer enthalten. Das SEM kann aber bei Bedarf jederzeit auswerten, in welchen Zentren die Personen inhaftiert sind oder wurden.

7.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die GPK-N begrüsst die unternommenen Schritte. Die Schaffung der notwendigen technischen Voraussetzungen im ZEMIS-System sowie die Anpassung der ZEMISVerordnung, wonach neu der Ort und die angeordnete Haftdauer eingetragen werden, wertet die Kommission als positiv. Auch die Anpassung der Weisung für die Kantone sowie deren Information durch eine detaillierte Anleitung über die Erfassung und Mutation der Daten zu den Zwangsmassnahmen mittels eines Newsletters wertet die Kommission als positiv. Diese Neuausgestaltung, wonach die Haftanordnungen nur erfasst werden können, wenn alle erforderlichen Felder ­ und damit auch die neuen Angaben zu Ort und Haftdauer ­ ausgefüllt sind, ist im Hinblick auf die Aufsichtsfunktion des SEM aus Sicht der GPK-N zweckmässig. Auch diese Empfehlung ist aus Sicht der Kommission umgesetzt.

29

Verordnung vom 12. April 2006 über das Zentrale Migrationsinformationssystem (ZEMIS-Verordnung; SR 142.513).

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Empfehlung 7: Vollständiges, systematisches und effizientes Monitoring Empfehlung 7

Vollständiges, systematisches und effizientes Monitoring

Der Bundesrat sorgt dafür, dass das Monitoring gemäss Artikel 46 Absatz 3 AsylG überprüft wird und die Voraussetzungen geschaffen werden, damit in Zusammenarbeit mit den Kantonen ein vollständiges, systematisches und effizientes Monitoring möglich ist.

Voraussetzung für ein effizientes Monitoring ist, dass die Datenverwaltung im Sinne von Empfehlung 6 verbessert wird.

8.1

Standpunkt des Bundesrates

Die GPK-N fragte den Bundesrat im Rahmen der Nachkontrolle, zu welchen Ergebnissen die Überprüfung des Monitorings über den Wegweisungsvollzug nach Artikel 46 Absatz 3 AsylG geführt hat. Die Evaluation der PVK hatte aufgezeigt, dass die Datenverwaltung im Bereich des Wegweisungsvollzugs ineffizient ausgestaltet war.

Deshalb ersucht die GPK-N den Bundesrat, die Voraussetzungen zu schaffen, um in Zusammenarbeit mit den Kantonen ein vollständiges, systematisches und effizientes Monitoring über den Wegweisungsvollzug zu erstellen. Gemäss der Antwort des Bundesrates vom 4. Mai 2022 wurde das Monitoring im Asylbereich im Jahr 2020 überarbeitet, um die Auswirkungen der Asylgesetzrevision vom 1. März 2019 auf den Bereich des Wegweisungsvollzugs zu berücksichtigen. Seither würden auch die Tätigkeiten der Bundesasylzentren in diesem Bereich erfasst und die Anzahl der jährlichen Haftanordnungen nach Kantonen ausgewiesen.

Zudem wurden teilweise neue ZEMIS-Codes geschaffen, die eine detailliertere Aufschlüsselung der Fälle nach dem jeweiligen Stadium im Prozess der Rückkehrunterstützung ermöglichen. Beispielsweise wurde ein neuer Teilprozess «Identitätsabklärung» eingeführt, um die Aktivitäten im Bereich der Identifizierung und der Beschaffung der Reisepapiere detaillierter darzustellen. Auf diese Weise ist nun eine Unterscheidung zwischen zu identifizierenden Personen einerseits und bereits identifizierten Personen andererseits, für die ein Reisedokument beschafft werden soll, möglich. Eine weitere Überprüfung und gegebenenfalls Überarbeitung des Monitorings ist laut Bundesrat nach der vollständigen Einführung des Informationssystems eRetour geplant. Dabei handelt es sich um ein Projekt, das die Digitalisierung der Arbeitsprozesse zur Rückkehrunterstützung sowohl beim SEM als auch bei den zuständigen kantonalen Behörden ermöglichen soll. Das Projekt ist teilweise umgesetzt und soll im Jahr 2024 vollständig eingeführt sein. Durch den vom Parlament am 7. März 202230 bewilligten Verpflichtungskredit soll das ZEMIS-Gesamtsystem in zwei Tranchen über die Jahre 2022­2027 erneuert werden. Die Umsetzung ist auf die 30

BBl 2022 778; vgl. auch Botschaft vom 21. April 2021 zu einem Verpflichtungskredit zur Erneuerung des Zentralen Migrationsinformationssystems (ZEMIS), BBl 2021 1056.

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Einführung und Erneuerung der anderen Informatikanwendungen des SEM abgeglichen. Der Bundesrat geht davon aus, dass dieses Vorhaben auch in den Bereichen Wegweisungsvollzug und Administrativhaft eine weitere Verbesserung der Datenqualität sowie massgebliche Effizienzgewinne mit sich bringen wird.

8.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die GPK-N anerkennt, dass mit der Überarbeitung des Monitorings auch der Bereich des Wegweisungsvollzugs berücksichtigt wird. Die Erfassung der Tätigkeiten der Bundesasylzentren in diesem Bereich und die Ausweisung der jährlichen Haftanordnungen nach Kanton wertet die Kommission als positiv. Die Einführung von neuen ZEMIS-Codes für eine detailliertere Aufschlüsselung der Fälle sorgt für mehr Transparenz im Bereich der Rückkehrunterstützung. Durch die Überarbeitung des Monitorings nach der vollständigen Einführung des Informationssystems eRetour im Jahr 2024 sowie die Erneuerung des ZEMIS-Gesamtsystems bis zum Jahr 2027 wird sich zeigen, inwiefern sich die Datenqualität in den Bereichen Wegweisungsvollzug und Administrativhaft noch verbessern und Effizienzgewinne mit sich bringen wird. Zurzeit sieht die Kommission keinen weiteren Handlungsbedarf und erachtet die Empfehlung 7 soweit als umgesetzt.

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Schlussfolgerung

Basierend auf den erhaltenen Informationen kommt die GPK-N zum Schluss, dass ihre Empfehlungen weitgehend umgesetzt wurden. Punktuell sieht die GPK-N jedoch noch Handlungsbedarf im Verantwortungsbereich des Bundesrates.

Die GPK-N hat beschlossen, ihre Nachkontrolle und somit ihre Arbeiten in dieser Inspektion abzuschliessen. Sie ersucht den Bundesrat und die zuständigen Behörden, die Erwägungen der Kommission bei ihren künftigen Arbeiten zu berücksichtigen.

Die Kommission wird im Rahmen ihrer Arbeiten in den kommenden Jahren aufmerksam verfolgen, wie sich die Situation im Bereich der Administrativhaft entwickeln wird. Sie behält sich vor, im Rahmen ihrer ordentlichen Oberaufsichtstätigkeit auf einen oder mehrere Aspekte zurückzukommen, sofern sich dies als angezeigt erweisen sollte.

8. September 2023

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Die Präsidentin: Prisca Birrer-Heimo Die Sekretärin: Ursina Jud Huwiler Der Präsident der Subkommission EJPD/BK: Alfred Heer Die Sekretärin der Subkommission EJPD/BK: Jeanne Prodolliet

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Abkürzungsverzeichnis Abs.

Absatz

AIG

Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (SR 142.20)

Art.

Artikel

AS

Amtliche Sammlung

AsylG

Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (SR 142.31)

BBl

Bundesblatt

BJ

Bundesamt für Justiz

BK

Bundeskanzlei

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

GPK

Geschäftsprüfungskommissionen

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats

NKVF

Nationale Kommission zur Verhütung von Folter

OV-EJPD

Organisationsverordnung für das EJPD vom 17. November 1999 (SR 172.213.1)

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrolle

SEM

Staatssekretariat für Migration

SR

Systematische Rechtssammlung

VVWAL

Verordnung vom 11. August 1999 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (SR 142.281)

ZEMIS

Zentrales Migrationsinformationssystem

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