BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.063 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (Nachhaltige Finanzierung der SBB) vom 15. September 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen und einer Änderung des Schwerverkehrsabgabegesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2022 M 22.3008

Unterstützung der Durchführung der SBB-Investitionen und einer langfristigen Vision in Covid-19-Zeiten (S 16.3.22, Finanzkommission SR; N 16.6.22)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. September 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-2683

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Übersicht Der vorliegende Gesetzesentwurf bezweckt, die finanzielle Situation und die Investitionsfähigkeit der SBB zu stärken sowie die Finanzierungsinstrumente des Bundes zugunsten des Unternehmens zu klären. Er trägt zudem dazu bei, die Liquidität des Bahninfrastrukturfonds (BIF) und den Infrastrukturausbau sicherzustellen.

Ausgangslage Vor der Covid-19-Krise erzielte die SBB positive Geschäftsergebnisse. Ihre Nettoverschuldung nahm insbesondere aufgrund wichtiger Investitionen jedoch schon damals stetig zu. Im Zuge der Massnahmen zur Eindämmung der Epidemie erlitt die SBB umfangreiche Verluste im Fernverkehr, wodurch sich ihre finanzielle Lage verschärfte. Sie ist infolge dieser Entwicklungen nicht mehr in der Lage, die vom Bund vorgegebene Zielgrösse für die maximale Nettoverschuldung einzuhalten. Aufgrund der finanziellen Aussichten ist es unwahrscheinlich, dass es der SBB in den kommenden Jahren gelingen wird, dieses Problem ohne die Unterstützung des Eigners zu lösen.

Des Weiteren nahm das Parlament vor dem Hintergrund der Folgen der Epidemie die Motion 22.3008 «Unterstützung der Durchführung der SBB-Investitionen und einer langfristigen Vision in Covid-19-Zeiten» der Finanzkommission des Ständerats an.

Diese war insbesondere durch die Bedenken, dass die Investitionen im Bereich des öffentlichen Verkehrs nicht plangemäss durchgeführt werden können, begründet.

Zwecks Sicherstellung der Mittel im BIF will der Bundesrat auf Gesetzesstufe festlegen, welcher Anteil der Einnahmen des Bundes aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe in den BIF einzulegen ist.

Inhalt der Vorlage Die Gesetzesvorlage umfasst zwei Änderungen im Bundesgesetz über die SBB. Die erste Änderung soll klären, welche Instrumente dem Bund zur Finanzierung der SBB zur Verfügung stehen. Aktuell gewährt der Bund der SBB zur Deckung ihres Finanzierungsbedarfs Tresoreriedarlehen. Diese Darlehen führen jedoch zu einem Anstieg der Verschuldung des Bundes ausserhalb der Schuldenbremse. Die Vorlage sieht vor, dass der Bund der SBB ab einem bestimmten Verschuldungsniveau nur noch Darlehen über den Bundeshaushalt gewähren darf. Im Gegensatz zu Tresoreriedarlehen unterliegen solche Haushaltsdarlehen den Vorgaben der Schuldenbremse. Auf diese Weise wird für Überschreitungen des Verschuldungsniveaus das Risiko einer Umgehung
der Schuldenbremse beseitigt und das Parlament hat die Möglichkeit, die Darlehen im Rahmen des Bundeshaushalts zu genehmigen.

Die zweite Änderung setzt die Motion 22.3008 um. Der Bundesrat schlägt einen einmaligen ausserordentlichen Kapitalzuschuss zur Reduktion der Nettoverschuldung der SBB und zur Verbesserung ihrer Investitionsfähigkeit vor. Dieser Kapitalzuschuss bemisst sich an den im Fernverkehr erlittenen Verlusten der Jahre 2020 bis 2022 und beläuft sich auf 1,15 Milliarden Franken.

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Schliesslich sieht die Vorlage zur Sicherstellung der Liquidität des BIF noch eine Anpassung des Schwerverkehrsabgabegesetzes vor. Dem Bund stehen zwei Drittel des Reinertrags dieser Abgabe zur Verfügung. Mit der Gesetzesänderung soll dieser Anteil so lange vollständig in den BIF eingelegt werden, bis dessen Reserven ein angemessenes Niveau erreicht haben (mindestens 300 Mio.).

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

6 6

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Finanzierung der Bahninfrastruktur und des öffentlichen Verkehrs 1.1.2 Finanzielle Entwicklung der SBB 1.1.3 Finanzierung der Bahninfrastruktur durch den BIF 1.1.4 Umsatzrentabilität im Fernverkehr 1.1.5 Umsetzung der Motion 22.3008 der Finanzkommission des Ständerats 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.2.1 Etappierung des Angebotsausbaus 1.2.2 Weiter wie bisher ­ höhere Verschuldung akzeptieren 1.2.3 Finanzierung auf dem Kapitalmarkt 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

6 7 9 11 13 14 14 14 15 15 15

Vernehmlassungsverfahren 2.1 Vernehmlassungsvorlage 2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.3 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

15 16

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

17

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Finanzierung der SBB unter Einhaltung der Schuldenbremse 4.1.2 Sicherstellung der Liquidität und Reserven des BIF 4.1.3 Einmaliger Kapitalzuschuss 4.1.4 Darstellung der vorgesehenen Massnahmen 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen

18 18

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 SBBG 5.2 SVAG

23 23 26

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

27 27

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16 17

18 20 21 21 22 22

27

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6.3 6.4 6.5 6.6 7

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft Auswirkungen auf die Gesellschaft Auswirkungen auf die Umwelt Andere Auswirkungen

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.8 Datenschutz

28 28 28 28 28 28 28 29 29 29 29 30 30

Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) (Entwurf) BBl 2023 2205

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Finanzierung der Bahninfrastruktur und des öffentlichen Verkehrs

Die Finanzierung der Bahninfrastruktur wurde 2012 grundlegend überarbeitet.1 Der Bundesbeschluss vom 20. Juni 20132 über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI) wurde 2014 von Volk und Ständen angenommen. Diese Neugestaltung des Systems hatte in erster Linie zum Ziel, die Lücken bei der Finanzierung sowie beim Betrieb und Unterhalt der Bahninfrastruktur zu schliessen.

Der Bund gibt jährlich über 6 Milliarden Franken für den öffentlichen Verkehr und den Schienengüterverkehr aus. Davon betrifft gut 1 Milliarde Franken den regionalen Personenverkehr und den Schienengüterverkehr. Die Ausgaben für den Ausbau und den Substanzerhalt der Bahninfrastruktur werden aus dem Bahninfrastrukturfonds (BIF) bestritten. Sie belaufen sich auf knapp 5 Milliarden Franken pro Jahr. Die Ausbauschritte der Bahninfrastruktur werden von der Bundesversammlung genehmigt.

Für den Ausbauschritt 2035 hat das Parlament 2019 12,89 Milliarden Franken gesprochen. Dieser Betrag soll insbesondere dem Angebotsausbau auf überlasteten Streckenabschnitten dienen, um Engpässe zu vermeiden. Am 22. Juni 2022 hat der Bundesrat über den Stand der Bahnausbauprogramme informiert und eine Vernehmlassung zur Änderung verschiedener Bundesbeschlüsse zum Bahnausbau bis zum 14. Oktober 2022 durchgeführt.3 Die Botschaft des Bundesrats für einen weiteren Ausbauschritt ist für 2026 vorgesehen. Darin werden insbesondere eine Aktualisierung des Angebotskonzepts 2035 und Elemente von langfristigen Grossprojekten enthalten sein.

Um eine schweizweite Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr sicherzustellen, bestellen Bund und Kantone gemeinsam den regionalen Personenverkehr mit Bahn, Bus sowie in einzelnen Fällen mit Seilbahn oder Schiff. Während Investitionen in den Ausbau der Bahninfrastruktur mit zinslosen, bedingt rückzahlbaren Darlehen aus dem BIF, d. h. letztlich mit Steuermitteln finanziert werden, müssen die Transportunternehmen Investitionen in Fahrzeuge und die dafür erforderlichen Unterhaltseinrichtungen selber finanzieren. Da Fremdkapitalkosten (im Gegensatz zu Eigenkapitalkosten) von den Bestellern als abgeltungsberechtigter Aufwand anerkannt werden, führt ein Angebotsausbau im öffentlichen Verkehr zwangsläufig zu einem Anstieg der Verschuldung der Unternehmen. Der Bund beteiligt sich nicht an der Finanzierung des 1

2 3

Botschaft vom 18. Januar 2012 zur Volksinitiative «Für den öffentlichen Verkehr» und den direkten Gegenvorschlag (Bundesbeschluss über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur, FABI), BBl 2012 1577.

BBl 2013 4725 Vernehmlassungsvorlage abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > UVEK > Vernehmlassung 2022/43.

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regionalen Personenverkehrs ohne Erschliessungsfunktion (Ortschaften mit weniger als 100 Einwohnern) und des Ortsverkehrs (z. B. innerstädtischer Verkehr); diese werden von den Kantonen allein oder zusammen mit den Gemeinden finanziert. Das nationale Personenverkehrsangebot, der sogenannte «Fernverkehr», muss in seiner Gesamtheit eigenwirtschaftlich betrieben werden.

1.1.2

Finanzielle Entwicklung der SBB

Die Covid-19-Epidemie hatte erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb und die Einnahmen der SBB. Sie führte vor allem im Fernverkehr, wo die Nachfrage stark einbrach, zu namhaften Ertragsausfällen. Daraus resultierte ein Konzernergebnis, das im Jahr 2020 ­ 617 Millionen Franken und im Jahr 2021 ­ 325 Millionen Franken betrug.

Im Jahr 2022 resultierte ein Verlust in Höhe von ­ 245 Millionen Franken, was aber nur teilweise auf covidbedingte Ertragsausfälle zurückzuführen ist. Im Vergleich dazu hat die SBB 2019 noch einen Konzerngewinn von 463 Millionen Franken erwirtschaftet. Trotz einer Verbesserung der Ergebnisse und einer gesunden Bilanzstruktur ist die Finanzlage der SBB für die kommenden Jahre besorgniserregend. Es sind Massnahmen notwendig, um eine nachhaltige Finanzierung des Unternehmens sicherzustellen und die Investitionsfähigkeit zu stärken. Die SBB verzeichnete bereits vor der Epidemie trotz positiver Ergebnisse einen kontinuierlichen Anstieg der Nettoverschuldung (siehe Abbildung 1 und Tabelle 1). Diese erreichte Ende 2022 mit 11,4 Milliarden Franken fast wieder das Niveau aus dem Jahr 1999, als der Bund im Rahmen der Eröffnungsbilanz der SBB AG auf seine Darlehen verzichtete (Umwandlung von Tresoreriedarlehen von rund 11,6 Mrd. Fr. in Eigenkapital [8 Mrd. Fr.] und in zinslose, bedingt rückzahlbare Darlehen [3,6 Mrd. Fr.] der SBB).

Abbildung 1 Entwicklung von Nettoverschuldung, Tresoreriedarlehen und Ergebnissen, 1999­2022

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Tabelle 1 Nettoverschuldung der SBB (kommerziell), in Milliarden Franken

Bund (marktüblich verzinst) Banken und andere (Pensionskasse, Personalkasse u. a.)

Total Finanzverbindlichkeit (Bruttoverschuldung) Flüssige Mittel Nettoverschuldung

31.12.2022

31.12.2021

Delta

6,3

5,8

0,5

5,2

5,4

­ 0,2

11,5

11,2

0,3

0,1

0,1

0,0

11,4

11,1

0,3

In Abbildung 1 nicht enthalten sind die für die Finanzierung der Bahninfrastruktur über den BIF gewährten zinslosen bedingt rückzahlbaren Darlehen. Der stetige Anstieg der Verschuldung ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Investitionsausgaben (insb. Nachholbedarf beim Rollmaterial; Immobilien) höher waren als der operative Cashflow, was zu einem negativen freien Cashflow führte (der freie Cashflow betrug 2019 ­293 Mio. Fr., 2020 ­1500 Mio. Fr., 2021 ­564 Mio. Fr. und 2022 ­462 Mio. Fr.). Dieser strukturelle Anstieg hat sich durch die Auswirkungen der Corona-Massnahmen verschärft (2020­2022: + 2,5 Mrd. Fr. Nettoverschuldung ggü.

2019). Im Verhältnis zum Betriebsgewinn vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern (EBITDA) bewegte sich die Verschuldung der SBB bis 2020 im Bereich der durch den Bundesrat festgelegten Zielvorgabe von 6,5 × EBITDA. Das Verhältnis zwischen Nettoverschuldung und dem EBITDA ist ein wichtiger Indikator zur Beurteilung der finanziellen Stabilität von Unternehmen. Mit der Verschuldungsobergrenze in den strategischen Zielen wird sichergestellt, dass die Nettoverschuldung in Relation zum Potenzial, aus dem operativen Geschäft liquide Mittel zu generieren, in einem angemessenen Rahmen bleibt. Gemäss den strategischen Zielen 2019­2022 erwartet der Bundesrat von der SBB, dass ihre verzinsliche Nettoverschuldung maximal 6,5 × EBITDA beträgt, wobei zeitweise Überschreitungen zulässig sind.

Angesichts des drastischen Rückgangs der Kundennachfrage während der Epidemie intervenierte der Bundesrat mehrfach, um die Liquidität des Unternehmens sicherzustellen. Er erhöhte die in den strategischen Zielen des Bundesrates festgelegten Obergrenzen für Tresoreriedarlehen in mehreren Schritten von 3,2 Milliarden Franken auf 4,45 Milliarden Franken. Diese bis Ende 2023 geltende Kreditlinie soll der SBB ermöglichen, ihre Investitionen insbesondere für die Erneuerung des Rollmaterials und die Umsetzung der vom Parlament festgelegten Ausbauschritte 2025 und 2035 fortzusetzen. Die Finanzierung über 2023 hinaus wird im Rahmen der Erneuerung der strategischen Ziele 2024­2027 geregelt.

Die SBB verfügt im Vergleich zu anderen Unternehmen über einen etwas kleineren Spielraum bei der Priorisierung von Investitionen. Ist der über den BIF mit hohem Mitteleinsatz vorangetriebene Ausbau der Infrastruktur
erst einmal erreicht, erwartet die Politik, dass auch das Angebot rasch ausgebaut wird, was hohe Folgeinvestitionen erfordert, die zumindest zu Beginn oft nicht rentieren. Tariferhöhungen sind dagegen politisch oft umstritten. Aber auch die Ende 2020 von der SBB angekündigte Reprio8 / 30

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risierung von Investitionen in Anlageimmobilien gab Anlass zu politischen Diskussionen. Diese führten letztlich dazu, dass der Verwaltungsrat der SBB auf seinen Entscheid zurückgekommen ist. Die Vorhaben, die zweifellos auch zu einer Aufwertung des Bahnhofsumfelds führen, sollen nun trotz der angespannten finanziellen Situation der SBB zu wesentlichen Teilen realisiert werden. Die Einnahmen und Gewinne, die zur Finanzierung des Rollmaterials für den Angebotsausbau nötig wären, dürften in den nächsten Jahren unter den Erwartungen von vor der Epidemie bleiben. Die Nachfrage im öffentlichen Verkehr insbesondere der Pendlerinnen und Pendler wird voraussichtlich längerfristig durch die neuen Arbeitsgewohnheiten (z. B. Homeoffice) beeinflusst.

Um die SBB zu stärken, will der Bundesrat deren verzinsliche Nettoverschuldung bis 2030 wieder auf die in den strategischen Zielen festgelegte Obergrenze (6,5 × EBITDA) reduzieren. 2020 lag der Verschuldungsgrad bei 21,6 × EBITDA, 2021 bei 13,7 × EBITDA und 2022 bei 10,9 × EBITDA. Trotz der Massnahmen zur Verbesserung des EBITDA und der Erwartung, dass dadurch die Zielvorgabe von 6,5 bis 2030 erreicht werden kann, wird die absolute Nettoverschuldung der SBB in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Der Finanzierungsbedarf soll dabei im Wesentlichen durch den Bund gedeckt werden. Bis anhin erfolgt die bundesseitige Finanzierung mit Tresoreriedarlehen (siehe Abbildung 1). Die Gewährung dieser Darlehen erfolgt nicht über den Bundeshaushalt, weshalb sie nicht den Vorgaben der Schuldenbremse unterliegt. Der Finanzierungsbedarf ist u. a. auf Investitionen in zusätzliches Rollmaterial und in für den Betrieb notwendige Objekte (z. B. Industriewerke und Serviceanlagen) zurückzuführen. Diese Investitionen stehen letztlich in direktem Zusammenhang mit den Ausbauplänen der Bahninfrastruktur. Angesichts des vom Parlament beschlossenen Infrastruktur- und Angebotsausbaus besteht die politische Erwartung, dass der Verwaltungsrat der SBB Investitionen in Rollmaterial beschliesst, auch wenn diese betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen sind. Ausgehend davon gilt es festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die SBB weiter über Tresoreriedarlehen finanziert werden kann und ab welchem Verschuldungsniveau die Darlehen über den Bundeshaushalt zu gewähren und
damit den Vorgaben der Schuldenbremse zu unterstellen sind. Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat eine Anpassung des Bundesgesetzes vom 20. März 19984 über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) vor, um die Voraussetzungen für die Gewährung von Tresoreriedarlehen und Darlehen des Bundes sowie deren Umwandlung in Eigenkapital klar zu regeln (vgl. Kap. 4).

1.1.3

Finanzierung der Bahninfrastruktur durch den BIF

Die Finanzierung von Betrieb und Unterhalt («Betrieb»), Erneuerung bzw. Modernisierung («Substanzerhalt») sowie des weiteren Ausbaus der Eisenbahninfrastruktur erfolgt ausschliesslich über den BIF. Dank der Schaffung des BIF stehen seit 2016 deutlich mehr Mittel für die Bahninfrastruktur zu Verfügung. Die Funktionsweise des BIF und die Abläufe sind im Bundesgesetz vom 21. Juni 20135 über den Bahninfrastruk4 5

SR 742.31 SR 742.140

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turfonds (BIFG) festgelegt. Der BIF hat auch die Schulden (kumulierte Bevorschussung) des Fonds für den öffentlichen Verkehr (FinöV-Fonds) per Ende 2015 übernommen. Für die Verzinsung und vollständige Tilgung der FinöV-Schulden sind mindestens 50 Prozent der zweckgebundenen Einlagen aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) sowie die dem BIF zugewiesenen Mineralölsteuermittel einzusetzen (Art. 11 BIFG). Über die Bevorschussung hinaus darf sich der BIF nicht verschulden. Weil mit dem Bundesgesetz vom 25. September 20206 über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise die Bildung einer angemessenen Reserve des Fonds ausgesetzt wurde, muss eine solche erst ab 2022 gebildet werden, um Schwankungen bei den Einlagen auffangen zu können (Art. 7 BIFG).

Zur Finanzierung seiner Aufgaben werden dem BIF folgende Mittel dauerhaft zugewiesen (Art. 87a Abs. 2 und 3 Bundesverfassung [BV]7; Art. 57 Abs. 1 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 [EBG]8): ­

höchstens zwei Drittel des Reinertrags der LSVA;

­

ein Mehrwertsteuer-Promille;

­

2 Prozent der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen;

­

2300 Millionen Franken aus dem allgemeinen Bundeshaushalt, die der Entwicklung des realen Bruttoinlandprodukts und der Teuerung (Landesindex der Konsumentenpreise) angepasst werden; und

­

Kantonsbeiträge in der Höhe von 500 Millionen Franken (ab 2019 indexiert).

Darüber hinaus werden dem BIF befristet folgende Mittel zugewiesen (Art. 196 Ziff. 3 Abs. 2bis und Ziff. 14 Abs. 4 BV): ­

ein zusätzliches Mehrwertsteuer-Promille (ab 2018 bis längstens 2030); und

­

9 Prozent des Reinertrages der zweckgebundenen Mineralölsteuer (bis zur vollständigen Rückzahlung der Bevorschussung), maximal jedoch 310 Millionen Franken zum Preisstand 2014.

Die Entnahmen aus dem BIF haben nach Artikel 4 Absatz 2 BIFG vorrangig den Bedarf für Betrieb und Substanzerhalt der Eisenbahninfrastruktur sicherzustellen. Für diese Entnahmen bewilligt die Bundesversammlung alle vier Jahre einen Zahlungsrahmen (Art. 5 BIFG). In darauf abgestimmten vierjährigen Leistungsvereinbarungen werden die zu erreichenden Ziele und die dafür vom Bund an die 35 Eisenbahnunternehmen gewährten Mittel verbindlich festgelegt. Zum Ausgleich der ­ gemäss ihrer Mittelfristplanung ­ nicht durch Trassenpreiserlöse gedeckten Kosten aus Betrieb und Unterhalt erhalten die Unternehmen jährlich Abgeltungen (siehe Exkurs Trassenpreis unten). Weil die erforderlichen Erneuerungsinvestitionen i. d. R. nicht vollumfänglich aus Abschreibungen und den verfügbaren Liquiditätsreserven finanziert werden können, werden über die Leistungsvereinbarungen auch zinslose, bedingt rückzahlbare Darlehen ausgerichtet (Art. 51b EBG). Seit 2016 werden die früher von Bund und 6 7 8

AS 2020 3825 SR 101 SR 742.101

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Kantonen gemeinsam finanzierten Kosten für Betrieb und Substanzerhalt der Privatbahnen vollumfänglich aus dem BIF finanziert, im Gegenzug leisten die Kantone einen Beitrag an den BIF.

Die Massnahmen zum Ausbau der Eisenbahninfrastruktur werden durch die Bundesversammlung beschlossen (Art. 48c EBG). Im Rahmen seiner finanziellen Steuerung bewilligt das Parlament die auf die jeweiligen Ausbauschritte abgestimmten Verpflichtungskredite. Der Bundesrat legt der Bundesversammlung alle vier Jahre einen Bericht zum Stand des Ausbaus und zu den Folgekosten für das gesamte Eisenbahnsystem vor (Art. 48b und Art. 48c Abs. 3 EBG).

Exkurs Trassenpreis Mit dem Trassenpreis werden die Infrastrukturbetreiberinnen durch die Transportunternehmen für die Benutzung des Bahnnetzes abgegolten. Die Trassenpreise sind in Artikel 9c EBG und im 6. Abschnitt der Eisenbahn-Netzzugangsverordnung vom 25. November 1998 (SR 742.122) geregelt.

Der Trassenpreis setzt sich aus dem Preis für die Grundleistung und den Preisen für die Zusatz- und Serviceleistungen zusammen. Der Preis für die Grundleistungen setzt sich zusammen aus: ­

dem Basispreis: Deckung der Grenzkosten, d. h. der zusätzlich entstehenden Kosten der Infrastruktur, die bei der Durchfahrt eines Zuges anfallen.

­

dem Deckungsbeitrag: Dieser bemisst sich nach dem Erlös im Personenverkehr und trägt einen Teil der fixen Infrastrukturkosten. Er wird durch die Konzessionsbehörde festgelegt, wobei für unterschiedliche Verkehre unterschiedliche Sätze angewendet werden. Dem Güterverkehr werden keine Deckungsbeiträge verrechnet.

­

dem Strompreis: Deckung der anfallenden Bahnstromkosten («Strom ab Fahrleitung»).

Neben der Grundleistung werden zudem Zusatz- und Serviceleistungen (z. B.

Rangierleistungen oder Instruktionsfahrten für Lokführer) verrechnet.

Mit dem Trassenpreis wird rund ein Drittel der Kosten der Eisenbahninfrastruktur abgedeckt. Die restlichen Kosten werden durch Betriebsbeiträge des BIF abgedeckt.

1.1.4

Umsatzrentabilität im Fernverkehr

Die SBB muss den Fernverkehr eigenwirtschaftlich betreiben. Ausgehend davon wird in der Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und der SBB vom 13. März 2020 festgehalten, dass die SBB im Fernverkehr nachhaltig eine Umsatzrendite von 4 bis 8 Prozent erreichen soll. Die Umsatzrendite wird dabei über die Höhe der Deckungsbeiträge im Fernverkehr gesteuert (siehe Exkurs Trassenpreis unter Ziff. 1.1.3). Der Deckungsbeitrag wird als Prozentsatz des Verkehrsertrags in den Fernverkehrskonzessionen festgelegt. Die geplanten Erträge aus dem Deckungsbei11 / 30

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trag determinieren die notwendige Höhe der Betriebsbeiträge für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur, welche über den BIF an die Infrastrukturbetreiber geleistet werden. Die restlichen, nicht durch den Trassenpreis gedeckten Kosten werden über Betriebsbeiträge des BIF abgegolten.

Insbesondere aufgrund der Auswirkungen der Covid-Krise auf die Personenverkehrsnachfrage, aber auch aufgrund der höheren Teuerung sind Prognosen, ob die angestrebten Umsatzrenditen im Fernverkehr in den nächsten Jahren erreicht werden können, aktuell noch schwieriger als sonst. Aufgrund der Schwierigkeit im Kontext der aktuellen Erholung der Nachfrage werden die Deckungsbeiträge für die Jahre 2023 und 2024 aufgrund der tatsächlichen Entwicklungen in den jeweiligen Jahren festgelegt. Ende 2024 sollen die Deckungsbeitragssätze für die verbleibenden Jahre bis zum Ende der Fernverkehrskonzession 2029 basierend auf den Deckungsbeiträgen 2024 festgelegt werden. Ob die Deckungsbeiträge im Fernverkehr reduziert werden müssen, wird sich zeigen. Durch das beschriebene Vorgehen wird jedoch die Erreichung einer angemessenen Umsatzrendite im Fernverkehr gemäss Vereinbarung sichergestellt. Damit kann der Fernverkehr zusätzlich zu den von der SBB beschlossenen Sparmassnahmen (Kostenreduktionen und Ertragsverbesserung; siehe Exkurs Sparmassnahmen der SBB unten) seinen Beitrag leisten, um die Verschuldung der SBB bis 2030 wieder unter die Zielvorgabe von 6,5 × EBITDA zu bringen.

Eine allfällige Reduktion des Deckungsbeitrags im Fernverkehr zwischen 2023 und 2029 könnte die Liquidität des BIF belasten. Die Kostenentlastung beim Fernverkehr der SBB könnte bei den betroffenen Infrastrukturbetreibern (SBB Infrastruktur, BLS Netz AG) bei gleichbleibenden Kosten aus der Netznutzung zu geringeren Einnahmen führen. Diese Mindererträge müssten folglich durch höhere Betriebsbeiträge aus dem BIF kompensiert werden. Die aktuelle langfristige Finanzplanung des Fonds zeigt, dass dieser trotz einer zusätzlichen Belastung durch die Reduktion des Deckungsbeitrags über genügend Liquidität verfügt, um die geplanten Investitionen zu finanzieren.

Um zusätzlich auch eine ausreichende Liquidität des Fonds zu gewährleisten, schlägt der Bundesrat eine Anpassung des Schwerverkehrsabgabegesetzes vom 19. Dezember 19979 (SVAG) vor (vgl. Kap. 4). In der FABI-Botschaft
wurde eine Fondsreserve von mindestens 300 Millionen Franken als angemessen erachtet.10 Mit der Änderung soll sichergestellt werden, dass der Maximalanteil von zwei Dritteln des Reinertrages der LSVA vollständig in den BIF fliesst, solange dessen Reserven 300 Millionen Franken nicht übersteigen.

9 10

SR 641.81 BBl 2012 1577, hier 1692

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Exkurs Sparmassnahmen der SBB Die SBB hat Kosten- und Effizienzmassnahmen in der Höhe von rund 6 Milliarden Franken angekündigt, um ihre finanzielle Situation bis 2030 zu stabilisieren.

Diese wurden in ihre mittelfristige Planung integriert und beinhalten vor allem folgende Massnahmen: Einerseits Sparmassnahmen von insgesamt 4,4 Milliarden Franken insbesondere durch Produktivitätssteigerungen (z. B. Digitalisierungsund Automatisierungsprogramme) und Kostensenkungen (z. B. Senkung der strukturellen Kosten im administrativen Bereich, mindestens 10 % bis 2025); andererseits sind Verschiebungen von bzw. Verzichte auf Investitionen (insb. in den Bereichen, die mit der Entwicklung von Immobilien und Standorten sowie mit dem Rollmaterial zusammenhängen) im Umfang von 1,4 Milliarden Franken vorgesehen.

Die Kostenmassnahmen der SBB waren per 2022 mit rund 250 Millionen Franken gemäss Einschätzung des Unternehmens auf Kurs. Die Massnahmenwirkungen resultieren insbesondere aus Produktivitätssteigerungen im Unterhalt, Automatisierungen in der Fläche, Verzichtsplanungen und Projekt-/Kostenreduktionen. In nächster Zeit werden grosse Digitalisierungsprogramme (wie Traffic Management System, integrierte Produktionsplanung) lanciert.

1.1.5

Umsetzung der Motion 22.3008 der Finanzkommission des Ständerats

Die von beiden Räten überwiesene Motion 22.3008 «Unterstützung der Durchführung der SBB-Investitionen und einer langfristigen Vision in Covid-19-Zeiten» der Finanzkommission des Ständerats beauftragt den Bundesrat, «einen Gesetzesentwurf zu unterbreiten, der vorsieht, dass die durch die Covid-19-Epidemie verursachten Defizite der SBB als ausserordentlich gelten und der SBB entsprechende Finanzhilfen gewährt werden, um die planungsgemässe Durchführung der Investitionen gemäss den Beschlüssen der Bundesversammlung sicherzustellen».

Zur Umsetzung der Motion und zur finanziellen Stabilisierung der SBB schlägt der Bundesrat einen einmaligen Kapitalzuschuss vor, um die Nettoverschuldung der SBB zu reduzieren. Die Höhe des Zuschusses orientiert sich dabei an den Verlusten im Fernverkehr, die die SBB in den Jahren 2020, 2021 und 2022 erlitten hat. Diese belaufen sich auf 1,15 Milliarden Franken. Für den Kapitalzuschuss ist eine Anpassung des SBBG notwendig. Der Kapitalzuschuss kann in bar oder durch einen Verzicht auf Forderungen auf Darlehen der Bundestresorerie erfolgen. Er soll als ausserordentliche Ausgabe gemäss Artikel 15 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200511 (FHG) beantragt werden, da die Auswirkungen der Covid-Krise auf die Nettoverschuldung der SBB aussergewöhnlich und für den Bund nicht steuerbar waren (Voraussetzung für Ausserordentlichkeit gem. Art. 15 FHG).

11

SR 611.0

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In bilanzieller Hinsicht ist der Kapitalzuschuss für die SBB nicht zwingend: Vielmehr nimmt der Bund mit dem Zuschuss eine Teilentschuldung der SBB vor, mit dem Ziel, das Nettoverschuldungsziel bis 2030 wieder einzuhalten. Aus heutiger Sicht könnte die SBB ohne diesen Zuschuss ihre Nettoverschuldung bis 2030 nur durch Anpassungen am Angebot, Verzicht auf Investitionen oder Verkäufe von Vermögenswerten unter die Zielvorgabe von 6,5 × EBITDA reduzieren. Mit dem Kapitalzuschuss wird ein finanzieller Handlungsspielraum geschaffen, der insbesondere vor dem Hintergrund steigender Zinssätze für die finanzielle Stabilität des Unternehmens von Vorteil ist.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.2.1

Etappierung des Angebotsausbaus

Aus den Beschlüssen zum Infrastrukturausbau ergibt sich die Notwendigkeit für Investitionen in zusätzliches Rollmaterial und in Betriebsanlagen. Während Investitionen in den Infrastrukturausbau über den BIF finanziert werden, muss die SBB, wie auch alle anderen Transportunternehmen, diese Folgeinvestitionen selber finanzieren.

Unter dem Strich führt dies zu einer erhöhten Verschuldung der Unternehmen. Weil davon auszugehen ist, dass die Verkehrsnachfrage im öffentlichen Verkehr wegen des veränderten Mobilitätsverhaltens noch einige Jahre hinter den ursprünglichen Erwartungen bleiben dürfte, wäre als Entlastungsmassahme auch eine zeitliche Erstreckung der Umsetzung der anstehenden Ausbauschritte und der dafür erforderlichen Rollmaterialinvestitionen denkbar. Dass die Motion 22.3008 derart deutlich überwiesen wurde, macht klar, dass dieser Ansatz für das Parlament nicht im Vordergrund steht.

Er wurde in der Folge verworfen.

1.2.2

Weiter wie bisher ­ höhere Verschuldung akzeptieren

Ebenfalls wurde geprüft, ob die epidemiebedingten Einnahmenausfälle ohne Gegenmassnahmen vollumfänglich über Neuverschuldung (Tresoreriedarlehen) gedeckt werden sollten. Dieser Ansatz wurde verworfen. Der Bundesrat als Eigner der SBB will, dass die SBB in einer finanziell gesunden Verfassung ist. Bis 2030 soll die in den strategischen Zielen festgehaltene Schuldenobergrenze von 6,5 × EBITDA wieder eingehalten werden. Die Senkung der Verschuldung macht in einem wirtschaftlichen Umfeld mit steigenden Zinsen umso mehr Sinn. Gegen die Massnahme spricht auch, dass ein ungebremster Anstieg der Verschuldung die Investitionsfähigkeit der SBB nachhaltig schwächen würde. Die SBB muss nach Auffassung des Bundesrats zunächst alle aus unternehmerischer Sicht vertretbaren Massnahmen zur Reduktion ihrer Ausgaben umsetzen. Dahingehende Anstrengungen hat die SBB mit den vorgesehenen, umfangreichen Sparmassnahmen bereits unternommen. Der Bundesrat will eine höhere Verschuldung des Bundes ausserhalb der Schuldenbremse vermeiden.

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1.2.3

Finanzierung auf dem Kapitalmarkt

Ebenfalls verworfen wurde die Idee, dass sich die SBB statt beim Bund auf dem Kapitalmarkt verschulden würde. Da die SBB zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist, blieben die Risiken der Neuverschuldung dennoch vollumfänglich beim Bund. Auch aus wirtschaftlicher Sicht wäre eine Verschuldung der SBB auf dem Kapitalmarkt in einer Gesamtsicht suboptimal. Die Darlehen, die die SBB vom Bund erhält, werden marktüblich verzinst.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202012 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202013 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Die Änderungen des SBBG und des SVAG sind dennoch angezeigt, um die Grundlagen für die Erreichung des Ziels 6 «Die Schweiz sorgt für zuverlässige und solid finanzierte Verkehrs- und IKT-Infrastrukturen» des vorgenannten Bundesbeschlusses14 zu schaffen. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung tangiert weder die Finanzplanung noch die Strategien des Bundesrates.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Vorlage erfüllt die Forderungen der angenommenen Motion 22.3008 der Finanzkommission des Ständerats (vgl. Ziff. 1.1.5). Daher wird deren Abschreibung beantragt.

2

Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat hat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) ermächtigt, vom 16. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023 die Vernehmlassung zur Änderung des SBBG durchzuführen. Insgesamt gingen 55 Stellungnahmen ein.15 Neben den Regierungen der 26 Kantone haben die Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs (KöV), vier politische Parteien (FDP. Die Liberalen [FDP], Die Mitte, Schweizerische Volkspartei [SVP] und Sozialdemokratische Partei der Schweiz [SP]), der Dachverband für die Berggebiete, fünf Dachverbände der Wirtschaft und 18 weitere interessierte Personen und Organisationen eine Stellungnahme eingereicht.

12 13 14 15

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 BBl 2020 8385, hier 8388 Vernehmlassungsvorlage und Ergebnisbericht abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EFD > Vernehmlassung 2022/83.

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2.1

Vernehmlassungsvorlage

Die Vernehmlassung enthielt Vorschläge zur Klarstellung der Finanzierungsinstrumente des Bundes zugunsten der SBB (Art. 20 VE-SBBG), zur Reduktion der Verschuldung der SBB und Umsetzung der Motion 22.3008 (Art. 26b VE-SBBG) sowie zur Gewährleistung der Liquidität des BIF (Art. 19 Abs. 2 und 2bis VE-SVAG).

2.2

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden begrüsst die Vorlage und unterstützt die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen. Eine politische Partei begrüsst das ganze Paket (Die Mitte).

Die Klarstellung von Finanzierungsinstrumenten wird deutlich unterstützt, vor allem von den Kantonen und der KöV, Die Mitte und der Branche. Mehrere Teilnehmende lehnen die Änderung von Artikel 20 VE-SBBG aus unterschiedlichen Gründen ab: Einige unterstützen zwar die Anpassung der Regelung der Finanzierungsinstrumente, äussern sich aber gegen die vorgeschlagene Lösung (FDP und SVP); andere sind der Meinung, dass mit der Genehmigung von Darlehen durch das Parlament für die SBB ein Verlust an langfristiger Planbarkeit entstünde (SP).

In der grossen Mehrheit der Stellungnahmen wird der einmalige Kapitalzuschuss begrüsst (vor allem die Kantone, KöV, Die Mitte, SP und die Branche). Mehrere Teilnehmende haben diesbezügliche Bedingungen formuliert (insb. keine Kürzung zulasten des BIF, keine Kürzung der Ausgaben des Bundes für den übrigen öffentlichen Verkehr, Realisierung von Produktivitätssteigerungen seitens der SBB). Einzelne Teilnehmende lehnen den Kapitalzuschuss ab, weil er unnötig sei (FDP und SVP).

Eine klare Mehrheit unterstützt die vorgeschlagene vollständige Einlage des Bundesanteils aus der LSVA in den BIF, solange die Reserven nicht angemessen sind (insb.

die Kantone, Die Mitte und die Branche). Mehrere Teilnehmende haben Bedingungen geäussert, wie die Garantie der planmässigen Umsetzung der beschlossenen Ausbauschritte, die Sicherung der Mittel für den Unterhalt und Betrieb der Bahninfrastruktur oder keine finanziellen Auswirkungen auf die Kantone. Wenige Teilnehmende wie die SP beantragen die Streichung der Bedingung zur minimalen Reserve des BIF (Abs. 2bis VE-SVAG). Eine Minderheit lehnt die vorgeschlagene Anpassung ab (FDP und SVP). Der BIF verfüge über genügende Reserven und die Erträge aus der LSVA würden für andere Massnahmen fehlen.

Die Senkung des Deckungsbeitrags war nicht explizit Gegenstand der Vernehmlassungsvorlage, weil die Deckungsbeiträge in der Fernverkehrskonzession festgelegt sind und auf Basis einer Vereinbarung zwischen dem BAV und der SBB überprüft werden (vgl. Ziff. 1.1.4). Dennoch haben sich viele Teilnehmende dazu geäussert, seitens der Parteien FDP und SVP. Mehrere Stellungnahmen
unterstützen die Reduktion des Deckungsbeitrags, aber zahlreiche Teilnehmende lehnen die Massnahme ab (insb. KöV, die Hälfte der Kantone, FDP und SVP). Die Ablehnung erfolgt insbesondere aus folgenden Gründen: Die Reduktion sei weder dringend noch notwendig, da sich die Nachfrage im öffentlichen Verkehr erholt habe, sie würde den unternehmeri16 / 30

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schen Druck auf die SBB reduzieren bzw. sie wäre eine nicht nachvollziehbare Bevorzugung eines einzelnen Transportunternehmens.

Einige Stellungnahmen schlagen weitere Massnahmen zur finanziellen Stabilisierung der SBB vor, wie Anpassungen am Angebot, Verzicht auf Investitionen, Verkäufe von Vermögenswerten, Effizienzverbesserungen oder Tariferhöhungen.

2.3

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die Vernehmlassungsvorlage fand im Allgemeinen eine breite Unterstützung. Die Einschätzung betreffend den Handlungsbedarf für die finanzielle Stabilisierung der SBB wird weitgehend geteilt. Auf Basis dieser Ergebnisse hält der Bundesrat an seinen Vorschlägen fest. Das Ziel muss sein, die Nettoverschuldung der SBB zu reduzieren und ihre Investitionsfähigkeit nachhaltig zu stärken. Mit dem einmaligen Kapitalzuschuss kann die Nettoverschuldung der SBB unmittelbar reduziert werden.

Nach der Eröffnung der Vernehmlassung wurden die Jahresergebnisse 2022 der SBB veröffentlicht und die Höhe des Zuschusses konnte definitiv festgelegt werden (1,15 Mrd. anstatt 1,25 Mrd. Fr.). Gekoppelt mit einer möglichen Senkung des Deckungsbeitrags sowie den Sparmassnahmen der SBB soll die Massnahme dazu beitragen, den Schuldendeckungsgrad von höchstens 6,5 × EBITDA im Jahr 2030 wieder zu erreichen.

Die Reduktion des Deckungsbeitrags ist zwar umstritten, aber sie soll der SBB erlauben, im Fernverkehr wieder eine Rendite von 4 bis 8 Prozent (gem. Vereinbarung zwischen SBB und BAV) zu erzielen. In Reaktion auf diese Kritik sollen der Umfang der Reduktion bzw. die festgelegten Deckungsbeitragssätze in festgelegten Abständen überprüft werden. Die verfügbaren Mittel des BIF für Betrieb und Unterhalt wie auch den Ausbau der Bahninfrastruktur sind nicht gefährdet. Zudem sind die Beiträge der Kantone von dieser Massnahme nicht betroffen. Der Bund stellt zudem eine ausreichende Reserve des BIF über die LSVA-Einlage sicher (vgl. Kap. 4).

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Am 7. Oktober 2020 haben das Europäische Parlament und der Rat die Verordnung (EU) 2020/142916 zur Festlegung von Massnahmen für einen nachhaltigen Eisenbahnmarkt in Anbetracht des Covid-19-Ausbruchs erlassen. Darin wurden vorübergehend geltende Vorschriften für die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Fahrwegen gemäss Kapitel IV der Richtlinie 2012/34/ EU17 festgelegt. Die Verord16

17

Verordnung (EU) 2020/1429 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 zur Festlegung von Massnahmen für einen nachhaltigen Eisenbahnmarkt in Anbetracht des Covid-19-Ausbruchs, ABl. L 333 vom 12.10.2020, S. 1­5.

Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 32­77.

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nung galt ursprünglich vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020. Der Bezugszeitraum wurde mit der Verordnung (EU) 2022/31218 bis zum 30. Juni 2022 und mit der delegierten Verordnung (EU) 2022/103619 bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.

Am 30. Juli 2021 hat die Europäische Kommission zwei deutsche Beihilferegelungen, mit denen der Schienengüterverkehr und der Schienenpersonenfernverkehr in der Coronakrise unterstützt werden sollen, nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

Die erste Beihilfe wird in Form einer Senkung der Entgelte gewährt, die Eisenbahnunternehmen sowohl im Schienengüterverkehr als auch im Schienenpersonenfernverkehr für den Zugang zur Schieneninfrastruktur entrichten. Die Ermässigung von Infrastrukturentgelten steht mit der Verordnung (EU) 2020/1429 im Einklang. Die Verordnung bietet eine Grundlage und schafft einen Anreiz für die Mitgliedstaaten, die Ermässigung, den Erlass oder die Stundung von Entgelten für den Zugang zur Schieneninfrastruktur befristet zu genehmigen, auch wenn die Entgelte dann unter den Grenzkosten liegen. Die zweite Beihilfe ermöglicht es, die Trassenpreise für den Schienengüterverkehr in Deutschland zu senken. Auch Österreich, Frankreich und Belgien haben die Gebühren für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur gesenkt.

Die Senkung des Trassenpreises für den Fernverkehr entspricht damit dem Vorgehen, das viele andere europäische Länder gestützt auf die geänderten EU-Verordnungen gewählt haben.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Finanzierung der SBB unter Einhaltung der Schuldenbremse

Der Bund gewährt der SBB auf der Grundlage von Artikel 20 SBBG seit 2004 Tresoreriedarlehen. Diese Darlehen werden in der Bundesrechnung unter dem Finanzvermögen ausgewiesen. Sie fallen nicht unter die Vorgaben der Schuldenbremse und bergen deshalb das Risiko der Umgehung dieses Instruments.20 Werden die Darlehen wieder zurückgeführt, führt die Gewährung von Tresoreriedarlehen zu keinem dauerhaften Anstieg der Verschuldung des Bundes. Weil die von der Bundestresorerie an die SBB gewährten Darlehen für Investitionen im Verkehrsbereich und für kommerzielle Investitionen aber regelmässig durch neue Darlehen refinanziert und aufgestockt wurden, ist dadurch die Bruttoverschuldung des Bundes seit 2004 ­ an der Schuldenbremse vorbei ­ um knapp 6 Milliarden Franken angestiegen.

18

19

20

Verordnung (EU) 2022/312 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Februar 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 2020/1429 hinsichtlich der Dauer des Bezugszeitraums für die Anwendung vorübergehend geltender Massnahmen in Bezug auf die Erhebung von Wegeentgelten im Schienenverkehr, ABl. L 55 vom 28.2.2022, S. 1­3.

Delegierte Verordnung (EU) 2022/1036 der Kommission vom 29. Juni 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 2020/1429 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Verlängerung des Bezugszeitraums, ABl. L 173 vom 30.6.2022, S. 50.

Vgl. auch: Commentaire romand, Constitution fédérale (Martenet/Dubey: Hrsg.), 2021, Cst-D'Amelio-Favez/Cortesi, Art. 126 N 21, S. 2519.

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Der Finanzierungsbedarf der SBB und der daraus resultierende stetige Anstieg der Nettoverschuldung ist u. a. eine Folge des politisch geforderten Ausbaus der Bahninfrastruktur. Mit dem kontinuierlichen Ausbau der Bahninfrastruktur geht die ausdrückliche Erwartung einher, dass die SBB die dafür notwendigen Investitionen in Rollmaterial und in für den Betrieb notwendige Objekte (z. B. Industriewerke und Serviceanlagen) ebenfalls tätigt. Diese Investitionen lassen sich aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht nur teilweise rechtfertigen. Bereits in der Botschaft zum Ausbauschritt 2035 hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass der landesweite Angebotsausbau betriebswirtschaftlich nicht rentiert. Der vom Bundesrat vorgeschlagene ­ vom Parlament noch erweiterte ­ Ausbauschritt 2035 führt gemäss damaliger Einschätzung der SBB zu einer Ergebnisverschlechterung im eigenwirtschaftlichen Fernverkehr der SBB von 40 Millionen Franken pro Jahr.21 Der Bundesrat wird die Angaben zu den finanziellen Auswirkungen in seiner Botschaft zum Stand der Ausbauprogramme der Bahninfrastruktur und zur Perspektive BAHN 2050 aktualisieren (vorgesehen für 2026). Die Tatsache, dass die SBB die für den Angebotsausbau notwendigen Investitionen trotzdem tätigen muss, macht deutlich, dass sie primär im Sinne des politischen Willens zum Ausbau des Verkehrsangebots handelt und damit faktisch in Erfüllung einer Bundesaufgabe. Es ist deshalb konsequent, die Finanzierung der von der SBB für die Umsetzung ihrer zu wesentlichen Teilen aus betriebswirtschaftlicher Sicht unrentablen Investitionen über ein festzulegendes Ausmass hinaus der Schuldenbremse zu unterstellen. Aus diesem Grund sollen die Kriterien für die Fremdfinanzierung der SBB (Bundestresorerie, Bundeshaushalt, Kapitalmarkt) auf Gesetzesstufe festgelegt werden. Wie bisher soll sich die SBB grundsätzlich über Darlehen des Bundes finanzieren. Um einen weiteren Anstieg der Bundesverschuldung ausserhalb der Schuldenbremse zu vermeiden, soll die Gewährung von Tresoreriedarlehen in Abhängigkeit der erreichten Nettoverschuldung der SBB eingeschränkt werden. Entscheidendes Kriterium wird die bei Inkrafttreten der Gesetzesanpassung erreichte Höhe der Nettoverschuldung der SBB sein. Sobald dieses Niveau überschritten wird, soll der Finanzierungsbedarf der SBB über marktüblich verzinste
Darlehen über den Bundeshaushalt sichergestellt werden. Es handelt sich dabei nicht um eine absolute Verschuldungsobergrenze für die SBB: Die Höhe der Verschuldung entscheidet lediglich über die Art der Darlehensgewährung (Bundeshaushalt/Bundestresorerie). Weil die Nettoverschuldung der SBB durch den geplanten Kapitalzuschuss deutlich reduziert werden kann, werden in den nächsten 3­5 Jahren nach Inkrafttreten der Gesetzesanpassung weiterhin Tresoreriedarlehen gewährt werden können. Erst wenn die Nettoverschuldung der SBB das bei Inkrafttreten der Neuregelung erreichte Niveau von rund 11,4 Milliarden (Annahme für den Stand Ende 2023) übersteigt, erfolgt die Finanzierung über Darlehen aus dem Bundeshaushalt. Damit wird sichergestellt, dass sich der Bund für die Finanzierung der SBB nicht mehr länger neben der Schuldenbremse über das festgelegte Ausmass hinaus verschulden kann. Die Bedingungen für beide Arten von Darlehen unterscheiden sich nicht: Der Genehmigungsprozess ist aber ein anderer, da das Parlament die Darlehen über den Haushalt bewilligen wird. Bestehende Darlehen der Bundestresorerie und andere vor Inkrafttreten des Gesetzes bestehende Fremdfinanzierungen können bei der Bundestresorerie refi21

Botschaft vom 31. Oktober 2018 zum Ausbauschritt 2035 des strategischen Entwicklungsprogramms Eisenbahninfrastruktur, BBl 2018 7321, hier 7370.

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nanziert werden, selbst wenn die Obergrenze zur Ausrichtung von Tresoreriedarlehen überschritten ist.

An der finanziellen Steuerung und der Corporate Governance der SBB soll sich grundsätzlich nichts ändern. Auch künftig stellt der Bund die Finanzierung der SBB jederzeit sicher. Auch die Verantwortlichkeiten von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung werden mit den neuen Vorgaben nicht tangiert. Die Finanz- und Investitionsplanung bleiben operative Aufgaben in der Verantwortung der Unternehmensführung. Die Steuerung durch den Eigner, etwa die Vorgabe zur maximalen Nettoverschuldung der SBB, erfolgt weiterhin in erster Linie über die strategischen Ziele des Bundesrates.

Mit der Einhaltung der Zielvorgabe von 6,5 × EBITDA ­ die den regulatorischen Rahmenbedingungen im Schweizer öffentlichen Verkehr sowie der spezifischen Situation der SBB Rechnung trägt ­ kann die finanzielle Stabilität der SBB sichergestellt werden. Aufgrund der Folgen der Coronakrise wird es für die SBB in den nächsten Jahren nicht möglich sein, die Vorgaben zur maximalen Nettoverschuldung einzuhalten. Es ist jedoch das Ziel, die Vorgabe von 6,5 × EBITDA bis spätestens 2030 wieder einzuhalten. Bis dahin wird ein Abbaupfad definiert.

4.1.2

Sicherstellung der Liquidität und Reserven des BIF

Im Schweizer Bahnsystem bezahlen Transportunternehmen im Personen- wie auch im Güterverkehr den Infrastrukturbetreiberinnen ein Entgelt für die Benutzung der Trassen, den sogenannten Trassenpreis. Dieser basiert grundsätzlich auf den Grenzkosten für die Nutzung der Bahninfrastruktur. Dazu kommt im Personenverkehr ein umsatzabhängiges Element, der sogenannte Deckungsbeitrag. In der Konzession für den Fernverkehr der SBB hat das BAV diesen für den Zeitraum 2018­2029 auf 21 Prozent (Intercity-Netz) bzw. 2,5 Prozent (Basis-Netz) festgelegt. Weil sich die Nachfrage und die Umsätze im Fernverkehr anders als vor der Epidemie angenommen entwickeln und auch die SBB von der höheren Teuerung betroffen ist, sind die Deckungsbeitragssätze in den nächsten Jahren allenfalls anzupassen. Die daraus resultierende Trassenpreisreduktion würde infrastrukturseitig zu Ertragseinbussen führen.

Die tieferen Erträge erhöhen die ungedeckten Kosten bei den Infrastrukturbetreiberinnen, die wiederum durch höhere Betriebsbeiträge aus dem BIF kompensiert werden müssten.

Mit dem Ziel, ein angemessenes Niveau der Reserven des BIF sicherzustellen, schlägt der Bundesrat vor, das SVAG anzupassen: Es soll explizit in Artikel 19 SVAG festgelegt werden, dass der dem Bund zur Verfügung stehende Anteil von zwei Dritteln des Reinertrages der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe grundsätzlich vollständig in den BIF eingelegt wird. Sofern der BIF jedoch über eine angemessene Reserve (mindestens 300 Mio. Fr.) verfügt, soll der Anteil des Bundes aus der LSVA auch zum Ausgleich der ungedeckten Kosten im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr verwendet werden.

Die Einlagen in den BIF sind in der BV festgelegt. Es besteht kurzfristig also nur ein geringer Handlungsspielraum bezüglich der Höhe der Einlagen. Dieser wird seit 2020 ausgenützt, indem die vollen zwei Drittel des Reinertrags aus der LSVA (Art. 87a Abs. 2 Bst. a BV) in den Fonds eingelegt werden.

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Nach aktuellen Simulationen verfügt der BIF über ausreichende Mittel, um Betrieb, Substanzerhalt und Ausbau zu finanzieren. Die Reserve dürfte in den nächsten Jahren nicht unter 300 Millionen fallen, selbst wenn die Einlage aus der LSVA vorübergehend gekürzt wird.

4.1.3

Einmaliger Kapitalzuschuss

Die Nettoverschuldung der SBB ist bereits in den Jahren vor der Covid-Krise stetig angestiegen. Aufgrund der Epidemie hat sich dieser Trend verschärft. Während die coronabedingten Ausfälle für den regionalen Personenverkehr, den Schienengüterverkehr und den Infrastrukturbereich durch die öffentliche Hand zu wesentlichen Teilen kompensiert wurden, wurde der Schuldenanstieg der SBB seit Epidemiebeginn insbesondere durch die Verluste im eigenwirtschaftlich betriebenen Fernverkehr getrieben.

Mit dem Ziel, die SBB finanziell nachhaltig zu stärken und die Motion 22.3008 umzusetzen, will der Bundesrat in seiner Funktion als Eigner mit einem Kapitalzuschuss das Eigenkapital der SBB stärken. Die dabei eingesetzten Mittel sollen dazu verwendet werden, die Nettoverschuldung der SBB zu reduzieren. Damit können aus heutiger Sicht die Vorgaben zur maximalen Nettoverschuldung bis 2030 wieder eingehalten und die durch das Parlament beschlossenen Investitionsvorhaben umgesetzt werden.

Es ist geplant, den Kapitalzuschuss direkt in die Reserven der SBB zu leisten. Dazu ist das SBBG anzupassen. Die Höhe des Einschusses bemisst sich nach den epidemiebedingten Verlusten des Fernverkehrs der Jahre 2020­2022 und beträgt 1,15 Milliarden Franken. Die Einlage kann sowohl in bar wie auch durch einen Verzicht auf Forderungen auf Tresoreriedarlehen erfolgen und soll von der Emissionsabgabe oder allfälligen steuerlichen Folgen (keine zu erwarten) befreit werden. Entsprechende Abgaben würden einen höheren Zuschuss bedingen und im Wesentlichen wiederum dem Bund zufliessen. Eine Befreiung führt im Endeffekt somit zu keiner Minder- oder Mehrbelastung des Bundeshaushaltes. Da die SBB AG vollständig im Besitz des Bundes ist und von einem direkten Kapitaleinschuss keine anderen Aktionäre profitieren, kann auf eine ordentliche Kapitalerhöhung verzichtet werden.

4.1.4

Darstellung der vorgesehenen Massnahmen

Die Abbildung 2 schematisiert die vorgesehenen Massnahmen, die eine nachhaltige Finanzierung der SBB und den Ausbau der Infrastruktur gewährleisten sollen. Der Bund als Eigner wird der SBB einen einmaligen Kapitalzuschuss in Höhe von 1,15 Milliarden leisten. Allfällige Reduktionen des Trassenpreises zugunsten der SBB und zulasten des BIF können bei Bedarf durch die vollständige Einlage des Bundesanteils aus der LSVA in den BIF kompensiert werden. Diese Massnahmen sollten es der SBB ermöglichen, die Nettoverschuldung bis ins Jahr 2030 wieder auf die vom Bundesrat vorgegebene Zielgrösse zurückzuführen.

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Abbildung 2 Grafische Darstellung der vorgeschlagenen Massnahmen

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die SBB spielt im öffentlichen Verkehr eine wesentliche Rolle. Ihre Leistungen sind sowohl für den nationalen Personenverkehr wie auch für die Anbindung der Schweiz an das internationale Schienennetz von grosser Bedeutung. Der Bund als Eigner der SBB kann das Unternehmen unterstützen, wenn es wegen äusserer Umstände ­ wie vorliegend der Corona-Epidemie ­ finanziell unter Druck gerät. Der Beitrag des Bundes an die SBB ist in Anbetracht der Grösse des Geschäftsvolumens und der wichtigen Rolle der Bahn für die Gesellschaft angemessen. Die finanziellen Auswirkungen werden unter Ziffer 6.1 erläutert.

4.3

Umsetzungsfragen

Fragen zur Umsetzung stellen sich insbesondere in Hinblick auf die finanztechnische Abwicklung des Kapitaleinschusses (Art. 26b E-SBBG) und die zukünftige Finanzierung der SBB über den Bundeshaushalt (Anpassung Art. 20 SBBG). Auch wenn Darlehen über den Bundeshaushalt voraussichtlich frühestens 3­5 Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesanpassung, d. h. gegen Ende der zwanziger Jahre, gewährt werden müssen, gilt es zu klären, wie dem jährlich schwankenden Finanzierungsbedarf des Unternehmens im Rahmen der Finanzplanung des Bundes angemessen Rechnung getragen werden kann. Um unerwünschte Verwerfungen im Haushalt zu vermeiden, sollten die entsprechenden Kredite über einen mittelfristigen Zeitraum stabil bleiben.

In einem ersten Schritt soll die SBB gestützt auf Artikel 26b E-SBBG einen Kapitalzuschuss in Höhe der in den Jahren 2020­2022 erlittenen Verluste im Fernverkehr 22 / 30

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erhalten. Die SBB verwendet die zugeflossenen Mittel dazu, die Nettoverschuldung zu reduzieren. In erster Linie sollen ausstehende Darlehen der Bundestresorerie zurückgeführt werden. Dank der reduzierten Nettoverschuldung erhält die SBB finanziellen Handlungsspielraum, da sie sich in Verbindung mit dem neuen Artikel 20 SBBG in den nächsten Jahren weiterhin über Tresoreriedarlehen finanzieren kann. Eine Finanzierung über den Bundeshaushalt wird erst in dem Zeitpunkt zum Thema, in dem die Nettoverschuldung wieder auf das Niveau per Inkrafttreten der Gesetzesanpassung steigt. Wenn überhaupt, dürfte dies frühestens 3­5 Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesanpassung der Fall sein.

Allfällige künftige Finanzierungen über den Bundeshaushalt sollen bei Vorliegen ausreichender flüssiger Mittel prioritär, d. h. vor ausstehenden Tresoreriedarlehen oder Drittfinanzierungen, zurückgezahlt werden. Mit diesem Vorgehen soll die Steuerung vereinfacht werden.

Zeichnet sich ab, dass die SBB Darlehen aus dem Bundeshaushalt benötigt, wird der Bundesrat entsprechende Voranschlagskredite planen. Die Beträge sollen so geplant werden, dass sowohl die Bedürfnisse der SBB (Finanzierungsbedarf rechtzeitig decken) als auch jene des Bundes (Glättung der Kredite und Handlungsspielraum) erfüllt werden. Berechnungsgrundlage bildet die mittelfristige Finanzplanung der SBB. Um Schwankungen im Finanzierungsbedarf zwischen den einzelnen Jahren auszugleichen wie auch im Sinne eines «finanziellen Puffers» (z. B. infolge einer zwischenzeitlichen Überschreitung der Obergrenze zur Ausrichtung von Tresoreriedarlehen), soll die SBB bei der Bundestresorerie ­ oder im Einvernehmen mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) bei Dritten ­ rückzahlbare Vorschüsse mit Laufzeiten von bis zu einem Jahr in der Höhe von maximal 1 Milliarde Franken aufnehmen können.

Diese Vorschüsse fliessen in die Berechnung der Nettoverschuldung mit ein und können von der Tresorerie auch dann gewährt werden, wenn die Nettoverschuldung der SBB die Grenze nach Artikel 20 SBBG überschreitet. Damit kann die Zahlungsfähigkeit der SBB jederzeit sichergestellt werden.

Die Steuerung der Finanzierung liegt in der Verantwortung des EFD (EFV) und erfolgt in enger Abstimmung mit dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und
der SBB. Die notwendigen Voranschlagskredite werden entsprechend bei der EFV eingestellt. So werden die bundesseitigen Arbeiten für die Sicherstellung der Finanzierung der SBB, sei es mit Tresoreriedarlehen oder mit Darlehen über den Haushalt, in einer Verwaltungseinheit konzentriert.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

SBBG

Art. 20

Finanzierung

Die vorgeschlagene Änderung von Artikel 20 des SBBG differenziert und präzisiert die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten.

Absatz 1 entspricht im Grundsatz der bisherigen Praxis der Finanzierung der SBB durch Darlehen der Bundestresorerie. Neu soll diese Art der Finanzierung jedoch vom 23 / 30

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Betrag her limitiert werden. Gestützt auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (sog.

Tresorerievereinbarungen) kann die EFV ohne Einbindung des Parlaments entsprechende Darlehen gewähren. Die von der Tresorerie gewährten Darlehen stellen rechtlich eine Finanzanlage dar und sind im Finanzvermögen des Bundes bilanziert, folglich unterstehen sie nicht den Vorgaben der Schuldenbremse. Die Forderungen der Bundestresorerie gegenüber der SBB beliefen sich Ende 2022 auf 6,3 Milliarden Franken.22 Ausserdem wird neu klarer festgehalten, dass Tresoreriedarlehen nur für Investitionen ausserhalb des abgeltungsberechtigten Bereichs der Infrastruktur (d. h.

nicht über den BIF finanzierte Investitionen) gewährt werden.

Auch in den nächsten Jahren werden die notwendigen Investitionen nicht allein aus dem operativen Geschäft der SBB finanziert werden können. Folglich wird sich die SBB weiter verschulden müssen. In absehbarer Zeit sind deshalb (per Saldo) auch keine Darlehensrückzahlungen von der SBB an den Bund zu erwarten. Ohne Gegenmassnahmen würde sich die Risikoexposition des Bundes erhöhen und auch die ­ nicht von der Schuldenbremse erfasste ­ (Brutto-)Verschuldung des Bundes ansteigen. Dieser Entwicklung soll entgegengewirkt werden. Deshalb ist die Vergabe von Tresoreriedarlehen künftig nur noch in dem Masse erlaubt, als die Risikoexposition des Bundes aufgrund der zunehmenden Verschuldung der SBB nicht grösser wird als bei Inkrafttreten der Gesetzesanpassung. In anderen Bereichen wurde zwar kein Höchstbetrag für Tresoreriedarlehen festgelegt, dafür aber Mechanismen für die Sicherstellung der Rückzahlung dieser Darlehen. So z. B. beim BIF, der einen Teil seiner Einnahmen per Gesetz für die Rückzahlung der Tresoreriedarlehen verwenden muss und bei der Arbeitslosenversicherung, wo der Beitragssatz ab einem gewissen Schuldenstand angehoben wird.

Damit die aus politischer Sicht erwünschten Investitionen der SBB auch nach Erreichen des Höchstbetrags für Tresoreriedarlehen realisiert werden können, soll die Möglichkeit einer schuldenbremsenkonformen Finanzierung der SBB über die Rechnung des Bundes klarer geregelt werden. Absatz 2 legt fest, dass die Finanzierung der SBB mittels vom Parlament im Rahmen des Voranschlags bewilligter Darlehen des Bundes erfolgen muss, solange die SBB ihre Nettoverschuldung nicht
wieder unter den nach Absatz 1 festgelegten Stand reduziert hat.

Beide Arten von Darlehen sind rückzahlbar und zu marktüblichen Konditionen zu verzinsen. Eine Subventionierung durch Zinsvergünstigung oder andere nicht marktübliche Konditionen, wie eine faktische Refinanzierungsgarantie, sind nicht zulässig.

Darlehen nach Absatz 2 sind grundsätzlich vor den Tresoreriedarlehen zurückzubezahlen.

Absatz 3 legt fest, wie die Darlehen vergeben werden können. Für die Gewährung von Tresoreriedarlehen nach Absatz 1 bedarf es wie bisher einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der EFV und der SBB (Tresorerievereinbarung). Für die Gewährung von Darlehen nach Absatz 2 wird der Bundesrat dem Parlament, gestützt auf die jeweils aktuellste Finanzplanung der SBB, im Rahmen des Voranschlags einen entsprechenden Kredit beantragen (vgl. auch Ziff. 4.3). Der Beschluss über die Darlehensgewährung erfolgt im Rahmen des Voranschlags durch die Bundesversamm22

Staatsrechnung 2022, Band 1, S. 151, abrufbar unter: www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Staatsrechnung.

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lung. Die konkrete Ausgestaltung der Darlehen wird wie bei Darlehen nach Absatz 1 in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit der SBB festgelegt.

Absatz 4 schafft die Möglichkeit, bei Bedarf, insbesondere im Rahmen einer Bilanzsanierung, Darlehen nach den Absätzen 1 und 2 (wenn diese nicht zurückbezahlt werden können) in Eigenkapital umzuwandeln, wobei für die Umwandlung von Tresoreriedarlehen vorgängig vom Parlament ein Kredit bewilligt werden muss, damit die Darlehen aus dem Finanzvermögen ins Verwaltungsvermögen überführt werden können. Diese Regelung ermöglicht dem Parlament, im Rahmen des Voranschlags (d. h.

ohne zusätzliche eigene Gesetzesvorlage) Beschlüsse über eine Entschuldung der SBB zu fällen.23 Das UVEK regelt im Einvernehmen mit dem EFD (EFV) die Bedingungen der Umwandlung im Einzelnen und schliesst die öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen mit der SBB AG ab.

Die Regelung in Absatz 5 entspricht dem bisherigen zweiten Satz von Artikel 20 Absatz 1. Es soll der SBB auch weiterhin möglich sein, sich am Kredit- oder Kapitalmarkt zu verschulden, wenn dies aus Sicht des Bundes und der SBB wirtschaftlich vorteilhaft ist. Als Alleinaktionär der SBB AG haftet der Bund faktisch für die gesamten Schulden der SBB. Daher wird solchen Finanzierungen bei Dritten nur in Ausnahmefällen zugestimmt. Solche Finanzierungen haben i. d. R. höhere Finanzierungskosten als wenn der Bund als risikoloser Schuldner die Mittel beschafft und der SBB zur Verfügung stellt. Die in den 1950er Jahren gegründete, supranationale Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial (Eurofima) mit Sitz in der Schweiz ist eine Ausnahme. Die SBB AG ist seit der Gründung der Eurofima Aktionärin und der Bund gewährt der Eurofima für die Finanzierungen der SBB auch eine Bundesgarantie. Daher werden Finanzierungen der SBB via Eurofima akzeptiert.

Mit Absatz 6 wird im Sinne eines «finanziellen Puffers» die Möglichkeit geschaffen, dass sich die SBB unabhängig von den Bestimmungen nach den Absätzen 1 und 2 kurzfristig finanzieren kann. Die Bestimmung ist notwendig, um die Zahlungsfähigkeit der SBB jederzeit sicherzustellen. Sei es, um Abweichungen bei der Gewährung von Bundesdarlehen oder unvorhergesehene Bedarfsspitzen zu decken. Die rückzahlbaren Vorschüsse mit Laufzeiten von bis zu einem Jahr können bei
der Bundestresorerie ­ oder im Einvernehmen mit der EFV ­ bei Dritten bezogen werden. Kurzfristige Finanzierungen sind Teil des Cashmanagements und bedürfen insbesondere betreffend Valuta und Laufzeit eines gewissen Grads an Flexibilität. Entsprechend kann die Beschaffung solcher kurzfristigen Mittel über elektronische Plattformen, Broker oder Banken vorteilhafter sein. Weil zudem aufgrund der Kurzfristigkeit der Transaktionen die implizite Staatsgarantie bei der Preisbildung weniger ins Gewicht fällt, sind solche Drittfinanzierungen aus Sicht des Bundes i. d. R. nicht zu beanstanden.

Art. 26b

Übergangsbestimmung

Gestützt auf Artikel 26b Absatz 1 SBBG leistet der Bund der SBB einmalig einen Kapitalzuschuss, mit dem die Nettoverschuldung des Unternehmens reduziert werden soll. Der Beitrag bemisst sich an der Höhe der während der Corona-Epidemie entstan-

23

Analog zu Art. 51b Abs. 3 EBG.

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denen Verluste der SBB im Personen-Fernverkehr in den Jahren 2020, 2021 und 2022 und beläuft sich auf 1,15 Milliarden Franken.

Die Eidgenossenschaft wird ihren Kapitalzuschuss direkt in die Kapitalreserven der SBB leisten. Einlagen in die gesetzliche Kapitalreserve sind Beiträge, die von den Eigenkapitalgeberinnen und -gebern an ihre Gesellschaft geleistet werden.24 Der gesetzlichen Kapitalreserve sind also alle Beiträge zuzuweisen, die nicht aus Gewinnen der eigenen unternehmerischen Tätigkeit stammen.

Artikel 22 Absatz 1 SBBG verweist insbesondere auf das Aktienrecht. Der Verweis ist dynamisch, womit er seit 2012 auch das Rechnungslegungsrecht nach Artikel 957 ff. OR erfasst. Diese Bestimmungen haben die früheren aktienrechtlichen Vorgaben zu Bilanz und Erfolgsrechnung abgelöst. Die erfolgsneutrale Verbuchung des Kapitalzuschusses an die SBB muss deshalb nicht detaillierter im SBBG geregelt werden.

Gemäss Absatz 2 legt das EFD im Einvernehmen mit dem UVEK die Auflagen, Bedingungen und weiteren Modalitäten zur Verwendung des Kapitalzuschusses in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit der SBB AG fest.

Der einmalige Kapitalzuschuss ist nach Absatz 3 von jeglichen Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden befreit.25 Diese Befreiung von der Steuerpflicht und insbesondere von der Emissionsabgabe, wie sie bereits für die Gründung der SBB AG geregelt wurde,26 ist sinnvoll. Ansonsten würde ein Teil der öffentlichen Mittel aus dem Bundeshaushalt, die vom Parlament für den Kapitalzuschuss an die SBB vorgesehen werden, in den Bundeshaushalt zurückfliessen. Diesen administrativen Leerlauf gilt es zu vermeiden.

5.2

SVAG

Art. 19 Abs. 2 und 2bis Im bisherigen Absatz 2 wird noch von Eisenbahngrossprojekten gesprochen und auf die Übergangsbestimmungen der alten BV verwiesen. Da diese schon lange totalrevidiert wurde und die Bahninfrastruktur heute aus dem BIF finanziert wird, wird im neuen Absatz 2 festgehalten, dass der Anteil des Bundes am Reinertrag aus der LSVA in den BIF eingelegt wird. Die Verwendung der Mittel auch für die ungedeckten Kosten im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr wird neu in Absatz 2bis festgehalten.

Mit der Einführung von Absatz 2bis wird klargestellt, dass der Anteil des Bundes erst dann zum Ausgleich der von ihm getragenen ungedeckten Kosten (d. h. externe Kosten wie z. B. Gesundheitskosten) im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr verwendet wird, wenn in der Finanzplanung des BIF angemessene Reserven ausgewiesen sind. Bereits vor 2020 wurde der Bundesanteil am Reinertrag der LSVA nicht voll24 25 26

Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 Bst. b i. V. m. Art. 671 des Obligationenrechts (OR, SR 220)/Art. 671 Abs. 1 Ziff. 3 nOR.

Analog zu Art. 62d des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (SR 172.010).

Art. 24 Abs. 5 SBBG

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umfänglich in den BIF eingelegt. Die im Bundeshaushalt zurückbehaltenen Mittel wurden gemäss geltendem Recht (Art. 85 Abs. 2 BV und Art. 19 Abs. 2 SVAG) zur Deckung der vom Bund getragenen ungedeckten (externen) Kosten im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr und insbesondere zur Prämienverbilligung der Krankenkassen verwendet. Absatz 2bis ersetzt den zweiten Satz von Absatz 2. Als angemessen gelten Reserven in der Grössenordnung von 300 Millionen Franken.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Das Gesetz hat Auswirkungen auf die Bundesfinanzen, aber keine auf das Personal.

Der Entwurf führt mit dem neuen Artikel 20 SBBG de facto eine Obergrenze für die Gewährung von Tresoreriedarlehen ein. Wenn die verzinsliche Nettoverschuldung der SBB über dem bei Inkrafttreten des Gesetzes erreichten Niveau liegt, werden der SBB Darlehen über den Bundeshaushalt gewährt, das heisst Darlehen, die den Vorgaben der Schuldenbremse unterliegen. Ausgehend vom Finanzierungsbedarf der SBB, der sich im Wesentlichen aus der Umsetzung der vom Parlament geforderten Ausbauschritte ergibt, ist davon auszugehen, dass die Ausgaben des Bundes mittelfristig steigen werden. Ändern wird sich dies nur, wenn die SBB ihre künftigen Investitionen aus ihrem Geschäftsertrag decken kann. Weil die Nettoverschuldung der SBB durch den Kapitaleinschuss reduziert wird, ergibt sich ein zusätzlicher Spielraum für die Gewährung von Tresoreriedarlehen. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass der Bund ­ wenn überhaupt ­ erst gegen Ende der zwanziger Jahre Darlehen über den Haushalt gewähren wird. Es dürfte sich dabei um eher tiefe dreistellige Millionenbeträge handeln. Die Vergabe von Bundesdarlehen würde zusätzlichen Druck auf den Bundeshaushalt ausüben und allenfalls andere Ausgaben konkurrenzieren.

Der einmalige Kapitalzuschuss in Höhe der Fernverkehrsverluste der Jahre 2020­ 2022, d. h. 1,15 Milliarden Franken, wird nach Inkrafttreten der Anpassungen des SBBG voraussichtlich im Jahr 2024 als ausserordentliche Ausgabe gemäss den Artikeln 126 Absatz 3 und 159 Absatz 3 BV sowie Artikel 15 FHG beantragt. Die Ausgaben stehen in einem engen Zusammenhang mit der Coronakrise; ein Grossteil der Ausgaben zu deren Bewältigung wurde ebenfalls als ausserordentlich gemäss Artikel 15 FHG verbucht.

6.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete. Die nachhaltige Finanzierung der SBB ist jedoch eine Voraussetzung für die vom Parlament gewünschte Entwicklung der Bahninfrastruktur auf nationaler Ebene. Ohne nachhaltige Finanzierung müssten die Investitionen in die Ausbauschritte überprüft werden, mit möglichen Auswirkungen auf einzelne Regionen.

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6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Eine nachhaltige Finanzierung der SBB ist aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Verzögerungen beim Angebotsausbau vermieden werden können, die sich negativ auf die Wirtschaft, die Unternehmen und die Arbeitnehmenden auswirken könnten.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die vorgeschlagenen Änderungen haben keine Auswirkungen auf die Gesellschaft.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt. Sie kann als Unterstützung der langfristigen Klimastrategie der Schweiz gesehen werden: Die Entwicklung der Bahninfrastruktur und ihr Ausbau sind Teil der Bemühungen der Schweiz, den Treibhausgasausstoss zu reduzieren.

6.6

Andere Auswirkungen

Es sind keine Auswirkungen in anderen Bereichen zu erwarten.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Das SBBG stützt sich auf Artikel 87 BV, der dem Bund unter anderem die Kompetenz gibt, den Eisenbahnverkehr zu regeln.

Die Artikel, auf die sich das SVAG stützt, entsprechen heute den Artikeln 74, 84, 85 und 196 Ziffer 3 BV. Die Ermächtigung zur Erhebung der leistungs- oder verbrauchsabhängigen Abgabe auf dem Schwerverkehr ist in Artikel 85 BV geregelt.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Eisenbahnbereich ergeben sich in erster Linie aufgrund des Abkommens vom 21. Juni 199927 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (Landverkehrsabkommen). Die Anpassun27

SR 0.740.72

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gen bei der Finanzierung der Bahninfrastruktur stellen sicher, dass die Schweiz ihren Verpflichtungen nachkommen kann. Auch die Regelung der Finanzierung der zu 100 Prozent im Besitz der Eidgenossenschaft stehenden SBB ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

7.3

Erlassform

Mit der Vorlage wird das SBBG geändert. Durch die Anpassung soll die Finanzierung der SBB klargestellt sowie ihre Investitionsfähigkeit verbessert werden. Um die Finanzierung der Infrastruktur durch den BIF sicherzustellen, wird das SVAG angepasst werden. Diese Änderung erfolgt unter Ziffer II.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit Artikel 26b SBBG wird eine neue Subventionsbestimmung geschaffen. Der in diesem Artikel geregelte einmalige Kapitalzuschuss an die SBB übersteigt den Schwellenwert von 20 Millionen Franken für einmalige Zahlungen nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bei Weitem. Artikel 26b Absatz 1 ist daher der Ausgabenbremse zu unterstellen. Auch die Absätze 2 und 4 von Artikel 20 SBBG können einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen zur Folge haben und müssen daher der Ausgabenbremse unterstellt werden.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Beteiligung der Kantone an den Kosten der Eisenbahninfrastruktur wird von der Änderung nicht tangiert und für die Finanzierung der SBB ist der Bund alleine zuständig.

7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Der einmalige Kapitalzuschuss soll von der SBB zur Rückzahlung von Darlehen verwendet werden. Dies hilft der SBB, ihr Nettoverschuldungsziel bis 2030 wieder einzuhalten. Damit trägt die Zahlung auch zur Einhaltung des vom Bundesrat vorgegebenen strategischen Ziels der SBB bei. Die Unterstützung ist einmalig und hat somit keine Folgekosten. Die SBB trägt mit Sparmassnahmen im Umfang von 6 Milliarden Franken zur Zielerreichung bei.

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7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Mit den geänderten Bestimmungen erfolgt keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen.

7.8

Datenschutz

Die Vorlage betrifft keine Fragen in Verbindung mit dem Datenschutz.

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