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Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch den Bundesrat und das BAG zur Bewältigung der Coronakrise Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 30. Juni 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 29. September 2023

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 30. Juni 20231 betreffend die Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch den Bundesrat und das BAG zur Bewältigung der Coronakrise nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. September 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Covid-19-Pandemie, mit der die Schweiz ab 2020 zu kämpfen hatte, hat deutlich aufgezeigt, dass für die Bekämpfung von Epidemien und allgemein für die Bewältigung grosser Krisen die Verfügbarkeit und das Management wissenschaftlicher Erkenntnisse von zentraler Bedeutung sind. Aufgrund des Mangels an wissenschaftlichen Erkenntnissen über das neue Virus ­ insbesondere zu Beginn der Pandemie ­ waren die Behörden mit grossen Unsicherheiten konfrontiert. Bei der Beurteilung der epidemiologischen Lage und der Festlegung der Covid-19-Massnahmen stützte sich der Bundesrat vorwiegend auf die Beurteilung und die Vorschläge des Eidgenössischen Departements des Innern und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), welche die für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einheiten des Bundes sind. Um bei den Bundesratsbeschlüssen die wissenschaftlichen Erkenntnisse einbeziehen zu können, pflegten die Bundesbehörden zudem Kontakte zu zahlreichen Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft.

Angesichts der allgemeinen Tragweite der aufgeworfenen Fragen beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) an ihrer Sitzung vom 26. Januar 2021 die Parlamentarische Verwaltungskontrolle damit, zu evaluieren, wie das BAG in der Coronakrise die wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzte. Das Geschäft wurde der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) zugewiesen und ist Teil der 2020 eingeleiteten Inspektion der GPK über den Umgang des Bundesrates und der Bundesverwaltung mit der Covid-19-Krise.

Die GPK-N kommt in ihrem Bericht vom 30. Juni 20232 zum Schluss, dass die Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch die Bundesbehörden zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie teilweise angemessen war. Das BAG verfügte über ein Netzwerk, das ihm die erforderlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse verschaffte, und die Nutzung der Erkenntnisse konnte im Laufe der Krise verbessert werden. Dennoch hat sich gezeigt, dass in verschiedenen Bereichen klarer Verbesserungsbedarf besteht.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2023 hat die GPK-N ihren Bericht an den Bundesrat überwiesen. Sie ersucht den Bundesrat, ihre Feststellungen und Empfehlungen zu berücksichtigen und bis am 4. Oktober 2023 dazu Stellung zu nehmen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat dankt der GPK-N für den Bericht, der sich kritisch mit der Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch den Bundesrat und das BAG zur Bewältigung der Coronakrise auseinandersetzt. Der Bundesrat misst den Lehren, die aus der Covid-19-Pandemie zu ziehen sind, grosse Bedeutung bei und teilt die Auffassung der 2

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GPK-N, dass notwendige Anpassungen nach der Auswertung der wichtigsten Evaluationen rasch umgesetzt werden müssen.

Der Bundesrat nimmt sämtliche Empfehlungen der GPK-N aus dem Bericht entgegen und ist bereit, die Empfehlungen in die bereits laufenden Arbeiten aufzunehmen. Er prüft sie insbesondere im Rahmen der Revision des Epidemiengesetzes vom 28. September 20123 (EpG). Davon ausgenommen ist Empfehlung 5, die der Bundesrat als teilweise erfüllt erachtet und bei der er weitere Abklärungen für nicht zielführend hält.

Die Stellungnahme des Bundesrates ist nach den acht Empfehlungen des Berichts der GPK-N vom 30. Juni 2023 gegliedert.

Empfehlung 1: Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in den rechtlichen und strategischen Grundlagen für die Epidemienbekämpfung präzisieren Der Bundesrat wird ersucht, die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Wissenschaft sowie die Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Krisenfall in den rechtlichen und strategischen Grundlagen für die Epidemienbekämpfung genauer zu regeln. Er wird insbesondere ersucht, dafür zu sorgen, dass die Strukturen und Prozesse der Zusammenarbeit zwischen dem BAG und der Wissenschaft sowie die Art und Weise, wie wissenschaftliche Informationen im BAG gesammelt, priorisiert und analysiert werden, klar festgelegt werden.

Empfehlung 1 wird bereits im Rahmen laufender rechtlicher und strategischer Arbeiten umgesetzt.

Die existierenden rechtlichen Grundlagen für die Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Epidemienbekämpfung sind im Rahmen der Aufarbeitung der Bewältigung der Covid-19-Pandemie analysiert worden und werden unter anderem in der laufenden Revision des EpG berücksichtigt.

Der Bundesrat hat zudem am 29. März 2023 im Kontext der verbesserten Krisenorganisation der Bundesverwaltung beschlossen, zur Sicherstellung wichtiger Leistungen einen Permanenten Kernstab zu bilden. Unter anderem soll der Permanente Kernstab für den rechtzeitigen Einbezug von externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sorgen. Vorgesehen sind Standards, die definieren, wie diese Akteure identifiziert, informiert und einbezogen werden. Im Rahmen der Folgearbeiten ­ basierend auf den Postulaten 20.3280 Michel vom 5. Mai 2020 und 20.3542 De Quattro vom 8. Juni 2020 ­ wurde die Bundeskanzlei (BK) beauftragt, in Zusammenarbeit mit
dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und unter Einbezug der anderen Departemente, die notwendigen Grundlagen und Prozesse zu erarbeiten und dem Bundesrat bis Ende 2023 einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten.

Die Überarbeitung des nationalen Pandemieplans stützt sich auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) berücksichtigt der Pandemieplan Schweiz kein bestimmtes Pathogen, sondern formuliert Vorbereitungs- und Handlungsmassnahmen, die allgemein 3

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für die Bewältigung einer Pandemie gültig sind. Es ist ein Prozess vorgesehen, mit dem der Pandemieplan regelmässig überprüft und bei Bedarf aktualisiert wird und mit dem auch die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse integriert werden. Zusätzlich zur Überarbeitung des Pandemieplans erhielt das BAG den Auftrag, einen Covid-19 Endemieplan zu entwerfen. Dank der laufenden Aktualisierung dieses Plans und somit der Nutzung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse wurde dieser Plan um eine umsetzungsorientierte Endemiestrategie für respiratorische Erreger erweitert. Der Plan enthält Schnittstellen zu den Prozessen in der Übergangsphase von Endemie zu Pandemie.

Empfehlung 2: Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Risikound Krisenmanagement des Bundes prüfen Der Bundesrat wird ersucht, die Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Risiko- und Krisenmanagement des Bundes einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Er wird ersucht, im Rahmen dieser Prüfung zu ermitteln, ob in dieser Hinsicht Präzisierungen erforderlich sind, erstens auf der konzeptionellen und strategischen Ebene und zweitens in den einschlägigen Rechtsgrundlagen derjenigen Bereiche, in denen sich grosse Krisen ereignen können.

Der Bundesrat wird weiter ersucht, zu prüfen, ob in anderen bereichsübergreifenden rechtlichen oder strategischen Grundlagen des Bundes Ergänzungen zur Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Krisenfall vorgenommen werden sollten.

Die Empfehlung 2 wird, was das Krisenmanagement betrifft, bereits im Rahmen laufender Arbeiten umgesetzt. Diese basieren auf dem Bericht des Bundesrates «Wissenschaftliches Potenzial in Krisenzeiten nutzen» in Erfüllung der Postulate 20.3280 Michel vom 5. Mai 2020 und 20.3542 De Quattro vom 8. Juni 2020. Derzeit werden konzeptionelle und strategische Grundlagen für den Einbezug eines wissenschaftlichen Beratungsgremiums in die Krisenorganisation des Bundes ausgearbeitet. Im Rahmen der Umsetzung der verbesserten Krisenorganisation der Bundesverwaltung gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. März 2023 und der damit verbundenen neuen Verordnung über das Krisenmanagement wird ebenfalls geprüft, ob Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft vor und während einer Krise notwendig sind.

Bei der Risikoanalyse ist der Einbezug von Personen mit grossem Know-how
(interne und externe wissenschaftliche Erkenntnisse) eine Voraussetzung, um die Führung sachgerecht zu informieren. Im Rahmen der Weiterentwicklung des Risikomanagements Bund wird aktuell geprüft, ob bei der Steuerung der Toprisiken des Bundes der Austausch mit der Wissenschaft zusätzlich gefördert werden kann, wenn Ausschüsse des Bundesrates mit einbezogen werden. Diese Prüfung wird voraussichtlich bis Ende 2023 abgeschlossen werden können.

Im Rahmen der verbesserten Krisenorganisation sollen auch die Krisenantizipation und das Risikomanagement gestärkt werden. Derzeit wird geprüft, wie die Kompetenzen verschiedener Verwaltungseinheiten gebündelt werden können und wie das Fachwissen aus der Wissenschaft einbezogen werden kann.

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Empfehlung 3: Im BAG die Organisation und die Prozesse für die Verarbeitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Pandemiefall verbessern Der Bundesrat wird ersucht, dafür zu sorgen, dass das BAG: ­

ein Konzept für den Aufbau und Betrieb seines Wissenschaftsnetzwerks im Bereich der Epidemienbekämpfung erstellt, das klare Prozesse für die Vergabe von Forschungsaufträgen sowie eine Liste der wichtigsten Fachleute und Partner beinhaltet, die periodisch zu aktualisieren ist;

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über klare und transparente Kriterien und Prozesse für die Auswahl und die Verarbeitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Krisenfall verfügt;

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die in Krisenzeiten im Bundesamt durchgeführten Fachdiskussionen stärker formalisiert und angemessen dokumentiert.

Der Bundesrat erachtet die Empfehlung 3 als berechtigt. Das BAG leitet Schritte zu deren Umsetzung ein.

Die Forschungszusammenarbeit mit den Referenzlaboratorien ist gestützt auf das EpG etabliert und wird systematisch weitergeführt. Zusätzlich wurde bei der Aktualisierung des BAG-Forschungskataloges 2024­2028 ein neuer Themenbereich «Partnerschaft mit der Forschung» in den Katalog aufgenommen. Ziel ist es, Prozesse und Strukturen in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen der Forschung und dem BAG zu definieren. Im Rahmen eines zu lancierenden Projekts soll mitunter ein strukturiertes und standardisiertes Konzept zum Aufbau eines interdisziplinär ausgerichteten schweizerischen Experten-Gremiums für übertragbare Krankheiten erarbeitet werden.

Dieses Gremium wird in regelmässigen Abständen auf die Besetzung der Netzwerkpunkte und Aufgaben überprüft. Es gilt dabei, die Punkte aus Empfehlung 3 zu berücksichtigen und Synergien aus Empfehlung 4 zu nutzen.

Die Erarbeitung von klaren und transparenten Kriterien und Prozessen für die Auswahl und die Verarbeitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie die Formalisierung und Dokumentation der Fachdiskussionen im Krisenfall werden in diesem Projekt ebenfalls geprüft werden.

Empfehlung 4: Rahmenbedingungen für die Einrichtung und die Organisation von wissenschaftlichen Beratungsgremien basierend auf einem interdisziplinären Netzwerk sicherstellen Der Bundesrat wird ersucht, Option 4 seines Berichts vom November 2022 in Erfüllung der Postulate 20.3280 Michel und 20.3542 De Quattro ­ also die Möglichkeit, wissenschaftliche Ad-hoc-Beratungsgremien basierend auf einem interdisziplinären Netzwerk zu etablieren ­ rasch zu konkretisieren. Der Bundesrat wird eingeladen, dieses Netzwerk gesetzlich zu verankern und mit einem Leistungsauftrag auszustatten.

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Der Bundesrat wird ersucht, im Rahmen dieser Arbeiten folgenden Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu widmen: dem Prozess für die Aktivierung des wissenschaftlichen Netzwerks, der Einrichtung und Zusammensetzung des Beratungsgremiums, den finanziellen und personellen Ressourcen des Beratungsgremiums und des interdisziplinären Netzwerks, den Schnittstellen zwischen Beratungsgremium und Verwaltung, den Aufgaben des Beratungsgremiums (insbesondere hinsichtlich Beurteilung und Beratung), der Form der Anfragen an das Beratungsgremium und seiner Antworten, der Kommunikation über die wissenschaftlichen Erkenntnisse, der Förderung des gegenseitigen Vertrauens sowie der Kontakte zwischen dem interdisziplinären Netzwerk und der Verwaltung.

Der Bundesrat teilt die Ansichten der GPK-N. Die Empfehlung 4 wird derzeit umgesetzt.

Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass das interdisziplinäre Netzwerk rasch aufgebaut werden soll. Die BK, das WBF und die anderen Departemente arbeiten eng mit den Wissenschaftsorganisationen (Swissuniversities, ETH-Rat, Schweizerischer Nationalfonds [SNF], Akademien der Wissenschaften Schweiz, Schweizerischer Wissenschaftsrat und Innosuisse) zusammen. Sie werden dem Bundesrat bis Ende 2023 einen Umsetzungsvorschlag unterbreiten. Wie bereits in der Stellungnahme zu Empfehlung 2 der GPK-N dargelegt, wird dabei auch geprüft, ob und in welcher Form eine gesetzliche Verankerung notwendig ist. Zudem wird derzeit ein Rahmenmandat mit den erwähnten Wissenschaftsorganisationen ausgearbeitet. Die im zweiten Teil der Empfehlung 4 genannten Aspekte (Aktivierung des interdisziplinären Netzwerks, Kommunikation, Vertrauen usw.) werden ebenfalls bereits berücksichtigt und im Umsetzungsvorschlag an den Bundesrat bis Ende dieses Jahres erläutert.

Empfehlung 5: Erteilung von Rahmenmandaten für die wissenschaftliche Beratung in Krisenfällen klären Der Bundesrat wird ersucht, eine Typologie zu erstellen, um klarer festzulegen, welche Form der Beratung in Krisenzeiten von den verschiedenen Kategorien externer wissenschaftlicher Ansprechpartner erwartet wird.

Der Bundesrat wird aufgefordert, auf dieser Grundlage ein Modell für an externe Dienstleistende zu vergebende Rahmenmandate für die wissenschaftliche Beratung in Krisenfällen zu erstellen.

Der Bundesrat erachtet die Empfehlung 5 als teilweise
erfüllt und hält weitere Abklärungen für nicht zielführend.

Im Rahmen der Beantwortung der Postulate 20.3280 Michel vom 5. Mai 2020 und 20.3542 De Quattro vom 8. Juni 2020 und des dafür in Auftrag gegebenen Grund-

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lagenberichts4 wurden bereits verschiedene Optionen der wissenschaftlichen Politikberatung im Hinblick auf Krisen beschrieben. In diesem Bericht wurden Kriterien zur Bewertung von Formen der Beratung, Formen der Nutzung des wissenschaftlichen Potenzials und die systematische Bewertung der identifizierten Formen der Beratung abgehandelt. So ist eine verwaltungsinterne Expertise unter anderem dann sinnvoll, wenn zur erfolgreichen Bewältigung der Krise Geheimhaltung erforderlich ist oder die Expertise schnell und ohne Vorlaufzeit zur Verfügung stehen muss. Ein wissenschaftliches Ad-hoc-Beratungsgremium kann eingesetzt werden, wenn die Krise einen ausgeprägten interdisziplinären Charakter hat oder verwaltungsintern keine ausreichende Expertise vorhanden ist. Darüber hinaus hat ein Ad-hoc-Beratungsgremium den Vorteil, dass seine Expertinnen und Experten im Gegensatz zu verwaltungsinternen Expertinnen und Experten nicht weisungsgebunden sind, wodurch eine unabhängigere Beratung möglich ist.

Für wissenschaftliche Ad-hoc-Beratungsgremien wird derzeit ein Rahmenmandat erarbeitet, das die Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaftsorganisationen und der Bundesverwaltung definiert. Zudem werden Muster-Einsetzungsmandate vorbereitet, die die Zusammenarbeit in einem individuellen Krisenfall regeln sollen.

Für die übrigen genannten wissenschaftlichen Ansprechpartner sind keine Rahmenmandate erforderlich. Die Forschungsprogramme des SNF sind nicht auf die Politikberatung einer akuten Krise ausgerichtet, der SNF selbst ist auch in die Arbeiten des geplanten interdisziplinären Netzwerks eingebunden (siehe Empfehlung 4). Akademische Vereinigungen können ebenfalls über das interdisziplinäre Netzwerk eingebunden werden. Der Einbezug von einzelnen Fachpersonen in die Krisenbewältigung ist nicht explizit vorgesehen und sollte nach Möglichkeit vermieden werden, um der Interdisziplinarität gerecht zu werden. Es bedarf daher auch keiner Regelung mit einem Rahmenmandat. Klärungsbedarf besteht hingegen in der Rolle von ausserparlamentarischen Kommissionen (APK). Der Bundesrat hält in seinem Bericht in Erfüllung der Postulate 20.3280 Michel vom 5. Mai 2020 und 20.3542 De Quattro vom 8. Juni 2020 fest, dass diejenigen APK, denen in einer Krise eine beratende Rolle zugedacht ist, auf ihre Krisentauglichkeit überprüft werden
müssen. Derzeit sind hierzu Arbeiten im Gange.

Empfehlung 6: Rolle der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) klären Der Bundesrat wird ersucht, die Rolle der EKP während einer Pandemie und ihre Vernetzung mit der Verwaltung und mit anderen wissenschaftlichen Beratungsstrukturen im Lichte der aus der Covid-19-Krise gezogenen Lehren grundlegend zu analysieren und die rechtlichen und reglementarischen Grundlagen entsprechend anzupassen. Er wird zudem ersucht, gleichzeitig zu prüfen, ob die EKP im EpG genannt werden sollte.

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Balthasar, Andreas / Ritz, Manuel / Rütsche, Bernhard / Winistörfer, Marc (2022): Optionen wissenschaftlicher Politikberatung im Hinblick auf Krisen. Grundlagenbericht für die Beantwortung des Postulats Michel 20.3280, Luzern.

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Der Bundesrat hat, gestützt auf die verschiedenen Evaluationen, die zukünftige Rolle der EKP während einer Pandemie überprüft. Das unterschiedliche Verständnis der inhaltlichen Ausrichtung und der Rolle der EKP gemäss der Einsetzungsverfügung hat während der Covid-19-Pandemie zu Missverständnissen geführt. Es wurde auch erkannt, dass die EKP während der Covid-19-Pandemie dem BAG nicht weitergehend, zum Beispiel in der Art der Science Task Force (STF) zur Verfügung hätte stehen können. Basierend auf den verschiedenen Evaluationen, die sich auch zur EKP geäussert haben, soll die Einsetzungsverfügung der EKP entsprechend geprüft und angepasst werden. Im Zentrum hierbei steht die Rollenklärung während einer Bewältigungsphase. Die EKP ist grundsätzlich für die Pandemievorbereitung kompetent und zuständig. Im Pandemiefall kann die Kommission eine beratende Rolle, zum Beispiel hinsichtlich der Nutzung des Pandemieplans, wahrnehmen. Die Bundesverwaltung kann auf das Wissen und das Netzwerk der EKP zurückgreifen. Der Informationsaustausch zwischen der EKP, den Krisenorganen und wissenschaftlichen Beratungsgremien auf Bundesebene soll im Rahmen der Verbesserung der Krisenorganisation des Bundes und der Einsetzungsverfügung der EKP geregelt werden. Ob die EKP und ihre Aufgaben im EpG namentlich erwähnt werden sollen, wird derzeit im Rahmen der laufenden Arbeiten zur Revision des EpG geprüft.

Empfehlung 7: Berücksichtigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Entscheidungsgrundlagen zuhanden des Bundesrates verbessern Der Bundesrat wird ersucht, sicherzustellen, dass er sich in künftigen Krisen jederzeit auf Entscheidungsgrundlagen stützen kann, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ansichten zum jeweiligen Thema transparent und zusammenfassend darstellen.

In diesem Zusammenhang wird der Bundesrat ersucht, ein Konzept zu erarbeiten, in dem klarer festgelegt ist, in welcher Form die relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse, aber auch die Punkte, über welche Unsicherheit herrscht oder bei denen die Meinungen auseinandergehen, in die Entscheidungsgrundlagen aufgenommen werden sollen. Er wird insbesondere gebeten, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, eine einheitliche Methode zur Einschätzung des Zuverlässigkeitsgrads der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu definieren.

Der Bundesrat wird ersucht,
sicherzustellen, dass die für ihn vorbereiteten Entscheidungsgrundlagen allfällige Zielkonflikte zwischen den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen und anderen beim Entscheid zu berücksichtigenden Interessen transparent aufzeigen.

Der Bundesrat teilt die Meinung der GPK betreffend Empfehlung 7. Er muss seine Entscheidungen jederzeit auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen können. Die Arbeit, die im Vorfeld in den zuständigen Ämtern für die Sammlung, Auswertung und Übertragung von Daten geleistet wird, ist daher äusserst wichtig und muss sehr professionell sein. In Krisensituationen sind die Fristen für die Sammlung, Auswertung und Übertragung von wissenschaftlichen Daten jedoch extrem kurz. Das BAG und die anderen Ämter arbeiten jedoch so, dass sie in normalen Zeiten und in Krisenzeiten transparente und ausgewertete Informationen für eine sinnvolle politi8 / 10

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sche Entscheidungsfindung liefern können. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse insbesondere zu Beginn einer Pandemie bisweilen widersprüchlich und oft unvollständig sind und dass es wichtig ist, dass sie ihm transparent und in möglichst vollständiger Form kommuniziert werden.

Während es ausserhalb von Krisenzeiten verschiedene Methoden gibt, um die Zuverlässigkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu prüfen (u. a. mit dem sogenannten Peer-Review-Prozess, bevor eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht wird), ist dies in Krisenzeiten, in denen zusätzlich auch noch rasch gehandelt werden muss, deutlich schwieriger. Eine einheitliche Methode kann hier im Voraus kaum etabliert werden. Dennoch wird im Rahmen der Ausarbeitung der Zusammenarbeit mit einem Ad-hoc-Gremium geprüft werden, ob und, falls ja, in welchen Fällen eine Kategorisierung der Unsicherheit von wissenschaftlicher Erkenntnis sinnvoll ist und in welcher Form diese in die Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates einfliessen soll.

Empfehlung 8: Öffentliche Kommunikation der Behörden über die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Krisenzeiten verbessern Der Bundesrat wird ersucht, zu prüfen, wie sich die Prozesse und Vorgaben für die öffentliche Kommunikation in Krisenzeiten verbessern lassen, damit relevante wissenschaftliche Erkenntnisse der Öffentlichkeit angemessen kommuniziert werden können.

Der Bundesrat wird insbesondere ersucht, dafür zu sorgen, dass Leitsätze zu folgenden Aspekten festgelegt werden: ­

Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse durch den Bundesrat und die Fachämter bei öffentlichen Auftritten;

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Bezugnahme auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse durch die Fachämter in den Mediendossiers (insbesondere durch Quellenangabe und verweis);

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Kommunikation der wissenschaftlichen Unsicherheiten, der Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der allfälligen widersprüchlichen Aussagen der Behörden.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Empfehlung 8 im Rahmen der laufenden Folgearbeiten zu den Postulaten 20.380 Michel vom 5. Mai 2020 und 20.3542 De Quattro vom 8. Juni 2020 und im Zusammenhang mit den Empfehlungen 4 und 7 zu prüfen ist. Eine Aktualisierung der Dokumente des BAG (z. B. Pandemieplan) und der BK zur Krisenbewältigung auf dieser Basis wird erfolgen.

Der Bundesrat begrüsst die grundsätzlich positive Bewertung der Kommunikation des Bundes während der Covid-19-Pandemie. Nie zuvor wurde die Wissenschaft so direkt und kontinuierlich in die Kommunikation der Behörden mit der Öffentlichkeit einbezogen. Wissenschaftliche Expertinnen und Experten des Bundes, Forschende der Universitäten und der ETH, Fachleute der Expertenkommission für Impffragen und die unabhängige STF waren wesentlich daran beteiligt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse während der Pandemie zu verbessern und somit zur Bewältigung der Pandemie

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beizutragen. Für ihre Entscheidfindung hatte die Politik bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie immer auch zu berücksichtigen, dass wissenschaftliche Studien, insbesondere zu noch unbekannten Forschungsgegenständen, jeweils mit Unsicherheiten behaftet sind und sich der Erkenntnisstand stetig weiterentwickelt. An den Points de presse auf Fachebene haben STF und BAG auf diesbezügliche Unsicherheiten wiederholt hingewiesen. Neben dem ihr im Rahmen der Wissenschaftsberatung dargelegten verfügbaren Wissen hat die Politik für ihre Entscheidungen aber unter anderem auch gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Interessen zu beachten.

Ein solches Vorgehen ist wieder denkbar und wird im Rahmen der laufenden Arbeiten überprüft.

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