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23.431 Parlamentarische Initiative Schaffung einer zusätzlichen Stelle für nebenamtliche Richter und Richterinnen am Bundesstrafgericht Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 12. Oktober 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zur Änderung einer Verordnung der Bundesversammlung1. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

12. Oktober 2023

Im Namen der Kommission: Der Präsident, Carlo Sommaruga

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Übersicht Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates beantragt, die Höchstzahl der nebenamtlichen Richterinnen und Richter an der Straf- und der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts von drei auf vier zu erhöhen. Mit dieser Erhöhung soll der Bedarf an Richterinnen und Richtern italienischer Sprache gedeckt werden. Es fallen dadurch keine unbefristeten Fixkosten an.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Ausgangslage

Nach Artikel 41 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010 (StBOG)2 umfasst das Bundesstrafgericht (BStGer) 15 bis 35 ordentliche Richterinnen und Richter (Abs. 1) und werden die Straf- und die Beschwerdekammern durch nebenamtliche Richterinnen und Richter ergänzt, deren Zahl höchstens die Hälfte der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter dieser Kammern beträgt (Abs. 2). Im Weiteren sieht Absatz 3 des Artikels vor, dass die Bundesversammlung die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung bestimmt. Die Verordnung vom 13. Dezember 20133 über die Richterstellen am Bundesstrafgericht legt die Anzahl Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter auf 16 und die Zahl der nebenamtlichen Richterinnen und Richter für die Straf- und die Beschwerdekammer des BStGer auf gesamthaft höchstens drei fest.

Es ist anzumerken, dass das System der nebenamtlichen Richterinnen und Richter, das auch am Bundesgericht und am Bundespatentgericht besteht, von den parlamentarischen Kommissionen regelmässig hinterfragt wird, insbesondere hinsichtlich seiner Effizienz. Die Geschäftsprüfungskommissionen beschlossen am 24. Januar 2023 auf einen Antrag hin, den die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) am 24. Juni 2022 im Rahmen der Diskussion über die Schaffung von Stellen am Bundesgericht4 eingereicht hatte, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle mit der Evaluation der aktuellen Situation zu beauftragen.

1.2

Bedarf des Bundesstrafgerichts

Die Verwaltungskommission des BStGer unterbreitete den Ratsbüros am 23. Dezember 2022 einen Entwurf für eine Ressourcenanpassung begleitet von einem Schreiben, das die grundsätzliche Zustimmung der Verwaltungskommission des Bundesgerichts bestätigte. Zweck des Entwurfs war die Schaffung einer zusätzlichen Stelle für eine nebenamtliche Richterin oder einen nebenamtlichen Richter italienischer Sprache.

Das BStGer begründete seinen Antrag mit der zunehmenden Zahl von Dossiers auf Italienisch und dem Rückgang der Ressourcen in dieser Sprache. Die Zahl der Geschäfte in italienischer Sprache an der Beschwerde- und der Strafkammer weist seit einigen Jahren eine steigende Tendenz auf: 73 im Jahr 2017 (Anteil 9,1 %), 87 im Jahr 2018 (11,2 %), 78 im Jahr 2019 (8,3 %), 141 im Jahr 2020 (15,6 %), 102 im Jahr 2021

2 3 4

SR 173.71 SR 173.713.150 Pa. Iv. RK-N vom 8. April 2022 (22.427 «Bundesgericht. Erhöhung der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter»).

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(12,3 %) und 83 im Jahr 2022 (13,1 %).5 Während die Zahl der für die italienische Sprache gewählten Richterinnen und Richter stabil geblieben ist (drei ordentliche Richterpersonen, was 2,8 Vollzeitstellen für das gesamte Gericht entspricht6), ist die Zahl der italienischsprachigen Richterpersonen, die für eine andere Sprache gewählt wurden, durch einen Abgang Ende 2018 zurückgegangen. Aufgrund eines internen Wechsels gibt es in der Strafkammer nur noch eine ordentliche Richterin italienischer Sprache, die lediglich durch eine nebenamtliche Richterin italienischer Sprache unterstützt wird. Es besteht also ein grosses Risiko, dass es in dieser Kammer zu Verzögerungen kommt, wenn die ordentliche Richterin abwesend ist oder in den Ausstand treten muss.

1.3

Parlamentarische Initiative

Die Büros der eidgenössischen Räte leiteten das Schreiben der Verwaltungskommission des BStGer am 17. Januar 2023 an die zuständigen Kommissionen für Rechtsfragen weiter. Die beiden Kommissionen nahmen am 2. bzw. 14. Februar 2023 vom Antrag des BStGer und von der Zustimmung des Bundesgerichts Kenntnis. Sie beschlossen jedoch, auch die Oberaufsichtsbehörde, d. h. die Geschäftsprüfungskommissionen, zu konsultieren, um in Erfahrung zu bringen, ob der Antrag begründet ist.

Die Geschäftsprüfungskommissionen befassten sich im April 2023 im Rahmen ihrer Prüfung des Geschäftsberichts der eidgenössischen Gerichte mit dem Antrag des BStGer. Sie teilten den Kommissionen für Rechtsfragen per Schreiben vom 8. Mai 2023 mit, dass der Antrag des BStGer begründet ist und sie es nicht als notwendig erachten, die Ergebnisse der anfangs Jahr eingeleiteten Inspektion betreffend das System der nebenamtlichen Richterinnen und Richter abzuwarten, da diese wohl frühestens Ende 2024 vorliegen werden und die diesbezüglichen Schlussfolgerungen derzeit noch nicht absehbar sind.

Angesichts der zustimmenden Stellungnahmen des Bundesgerichts und der Geschäftsprüfungskommissionen beschloss die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) am 22. Mai 2023 mit 6 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung eine parlamentarische Initiative, welche verlangt, die Verordnung der Bundesversammlung über die Richterstellen am BStGer dahingehend zu ändern, dass die Anzahl nebenamtlicher Richterinnen und Richter für die Straf- und die Beschwerdekammer auf vier erhöht wird. Ihre nationalrätliche Schwesterkommission stimmte diesem Beschluss am 31. August 2023 mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Die RK-S arbeitete somit einen Entwurf zur Änderung der Verordnung aus, den sie am 12. Oktober 2023 mit 8 zu 0 Stimme bei 1 Enthaltung verabschiedete. Die Kommission beschloss zudem, auf ein Vernehmlassungsverfahren zu verzichten, da der Entwurf die Organisation einer Bundesbehörde betrifft (Art. 3a Abs. 1 Bst. a des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20057). Gestützt auf Artikel 112 Absatz 1 des 5 6 7

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Siehe Geschäftsberichte 2017, 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 des Bundesstrafgerichtes.

Geschäftsbericht 2022 des Bundesstrafgerichtes, S. 36.

SR 172.061

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Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20028 wurde die Kommission bei ihren Arbeiten vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Ziff. I Art. 1 Die Anzahl nebenamtlicher Richterinnen und Richter der Straf- und Berufungskammern des BStGer wird auf höchstens vier festgelegt (gegenüber aktuell drei).

Ziff. II Die Änderung der Verordnung untersteht nicht dem Referendum und kann somit nach der Annahme durch die Räte in Kraft treten.

3

Auswirkungen

Die neue Stelle ist die einer nebenamtlichen Richterin oder eines nebenamtlichen Richters und zieht deshalb keine neuen Fixkosten nach sich. Die Vergütung der nebenamtlichen Richterpersonen des BStGer erfolgt wie jene der nebenamtlichen Richterpersonen am Bundesgericht9 je nach Einsatz. Sie umfasst ein Taggeld für die Sitzungen (1300 Franken für Selbstständigerwerbende und 1000 Franken für Angestellte), einer Stundenpauschale für das Aktenstudium (180 bzw. 110 Franken) und einer Dienstreisevergütung (100 Franken für die Auslagen eines Tages, 150 Franken für eine Übernachtung, Kosten für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in der 1. Klasse).10 Es handelt sich folglich um eine recht günstige Massnahme, die keine weiteren Auswirkungen auf den Bund hat.

4

Rechtliche Aspekte

4.1

Rechtmässigkeit

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung, über diese Erhöhung zu befinden, ergibt sich aus Artikel 41 Absatz 2 StBOG, gemäss dem die Straf- und die Beschwerdekammern durch nebenamtliche Richterinnen und Richter ergänzt werden, deren Zahl höchstens die Hälfte der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter dieser Kammern beträgt. Da diese Kammern insgesamt 16 ordentliche Richterstellen zählen, 8 9

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SR 171.10 Gemäss Artikel 1 der Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dez. 2013 über das Taggeld und die Vergütungen der nebenamtlichen Richter und Richterinnen am Bundesstrafgericht; SR 173.713.152.

Verordnung der Bundesversammlung vom 23. März 2007 über die Taggelder und über die Vergütungen für Dienstreisen der Bundesrichter und Bundesrichterinnen; SR 172.121.2.

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kann die Bundesversammlung die Anzahl nebenamtlicher Richterinnen und Richter dieser Kammern auf bis zu acht erhöhen. Die Erhöhung von drei auf vier nebenamtliche Richterpersonen liegt also im vorgegebenen Rahmen.

4.2

Erlassform

Gemäss Artikel 41 Absatz 3 StBOG bestimmt die Bundesversammlung die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung.

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