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23.066 Botschaft zum Foltergütergesetz vom 29. September 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Foltergütergesetzes1.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. September 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Der Entwurf des Foltergütergesetzes regelt den grenzüberschreitenden Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter oder einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe verwendet werden können. Mit der Vorlage wird die Empfehlung des Europarats vom 31. März 2021 zur Kontrolle von Gütern umgesetzt, die für Folter oder zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können.

Ausgangslage Sowohl bei den Vereinten Nationen als auch im Europarat finden Diskussionen über eine Vereinheitlichung der nationalen Kontrollen von Gütern statt, die für Folter oder zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können.

Das Ministerkomitee des Europarats hat am 31. März 2021 eine entsprechende Empfehlung verabschiedet. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die Umsetzung der Empfehlung innerhalb von fünf Jahren nach deren Verabschiedung zu prüfen. Die Europaratsempfehlung stützt sich weitgehend auf die von der Europäischen Union (EU) im Jahr 2005 erlassene Verordnung über den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten. Die im Anhang der Europaratsempfehlung enthaltenen Listen verbotener oder kontrollierter Güter entsprechen denjenigen der EU-Verordnung.

Ein Teil der Europaratsempfehlung wird in der Schweiz bereits heute in der Heilmittelgesetzgebung umgesetzt. So publiziert Swissmedic die Liste der für die Hinrichtung von Menschen verwendbaren Arzneimittel gemäss EU-Verordnung und unterstellt deren Ausfuhr sowie den Handel im Ausland einer Bewilligungspflicht. Die Schweiz verfügt derzeit jedoch über keine gesetzliche Grundlage für die Umsetzung der übrigen Teile der Europaratsempfehlung.

Inhalt der Vorlage Der Entwurf des Foltergütergesetzes orientiert sich am Inhalt der EU-Verordnung.

Er unterscheidet zwischen Gütern, die ausser zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe keine praktische Verwendung haben (primäre Foltergüter), Gütern, die noch andere praktische Verwendungen haben (sekundäre Foltergüter) und Arzneimitteln, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können.
Die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr von primären Foltergütern soll verboten werden. Darüber hinaus soll auch die Bereitstellung technischer Hilfe im Zusammenhang mit solchen Gütern sowie deren Bewerbung verboten sein.

Sekundäre Foltergüter sollen bei der Ausfuhr aus der Schweiz einer Bewilligungspflicht unterstellt werden. Eine Bewilligungspflicht soll auch für die Erbringung von technischer Hilfe oder Vermittlungsdienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Gütern gelten.

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Derjenige Teil der Europaratsempfehlung, der in der Schweiz bereits umgesetzt wird, soll ins neue Foltergütergesetz überführt werden. Dies betrifft Arzneimittel, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können. Neben der Ausfuhr solcher Arzneimittel, für die schon heute eine Bewilligungspflicht besteht, soll neu auch die Erbringung von technischer Hilfe oder Vermittlungsdienstleistungen bewilligungspflichtig werden.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Internationale Entwicklungen

Diskussionen über die Kontrolle von Gütern, die zu Folterzwecken verwendet werden können, werden sowohl in der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) als auch im Europarat geführt.

Am 3. Juli 2017 wurde auf Initiative Argentiniens, der Europäischen Union (EU) und der Mongolei die Globale Allianz zur Beendigung des Handels mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe und zur Folter verwendet werden (Globale Allianz), ins Leben gerufen. Am 18. September 2017 unterzeichneten 57 Mitglieder der UNO, darunter die Schweiz, in New York eine gleichlautende Deklaration2. Zur Globalen Allianz gehören heute mehr als 60 Staaten sowie die EU. Ziel dieser Initiative ist es, den Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe und zur Folter verwendet werden, zu beenden, indem auf international harmonisierte Kontrollen, Informationsaustausch und technische Unterstützung zwischen den Ländern hingearbeitet wird.

Am 28. Juni 2019 verabschiedete die UNO-Generalversammlung die von der Globalen Allianz eingebrachte Resolution 73/304 («Dem Handel mit Folterwerkzeugen ein Ende setzen: Prüfung der Möglichkeit, gemeinsame internationale Standards, ihren Geltungsbereich und entsprechende Parameter festzulegen»)3. Diese Resolution ermächtigt den UNO-Generalsekretär, Abklärungen zu einer möglichen internationalen Harmonisierung der nationalen Kontrollen solcher Güter vorzunehmen und eine entsprechende Expertengruppe einzuberufen. Gestützt auf die Antworten, die 46 Mitgliedstaaten, darunter die Schweiz, auf einen Fragebogen gegeben haben, wurde im September 2020 vom UNO-Generalsekretär ein Bericht zum Thema erstellt. Die Mehrheit der Staaten sprach sich für gemeinsame internationale Standards und für ein rechtsverbindliches Instrument aus, um Güter zu kontrollieren, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zur Folter verwendet werden können. Im Oktober 2020 wurde eine Gruppe von Regierungsexpertinnen und Regierungsexperten eingesetzt, um die Arbeiten zu dieser Thematik innerhalb der UNO fortzusetzen. Der Bericht der Expertengruppe4 wurde am 22. Juni 2022 der UNO-Generalversammlung vorgelegt. Die Expertengruppe empfahl in ihrem Bericht, dass zukünftige internationale Standards ein Verbot der Herstellung und des Handels mit inhärent missbräuchlicher Strafverfolgungsausrüstung enthalten sollten. Die Experten
schlugen ausserdem die Entwicklung von Handelskontrollen für Strafverfolgungsgüter vor, bei denen Grund zur Annahme besteht, dass sie für Folter oder andere Misshandlungen verwendet werden.

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Global Alliance to end trade in goods used for capital punishment and torture. Political Declaration. Abrufbar unter: www.torturefreetrade.org > About Us > 2017 Declaration.

Towards torture-free trade: examining the feasibility, scope and parameters for possible common international standards. Abrufbar unter: www.ohchr.org > Search > 73/304.

A/76/850: Towards torture-free trade: examining the feasibility, scope and parameters for possible common international standards ­ Report of the Group of Governmental experts.

Abrufbar unter: www.ohchr.org > Search > 76/850.

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Schliesslich empfahl die Gruppe, die Frage der Todesstrafe getrennt von der Frage der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe zu behandeln. Am 15. Dezember 2022 verabschiedete die UNO-Generalversammlung die Resolution 77/2095, in der alle Staaten aufgefordert sind, entsprechende Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Gerichts- und sonstige Massnahmen zu ergreifen, um die Herstellung, den Handel, die Ausfuhr, die Einfuhr und die Verwendung von Gütern zu verhindern und zu verbieten, die keinen anderen praktischen Zweck haben als den der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.

Parallel dazu gab es auch eine Diskussion im Europarat, die jedoch rascher voranschritt als jene in der UNO. Im Januar 2018 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarats eine Empfehlung zur Stärkung der internationalen Regime gegen den Handel mit Gütern, die für Folter und die Todesstrafe verwendet werden.

Daraufhin beauftragte das Ministerkomitee den Lenkungsausschuss für Menschenrechte mit der Durchführung einer Machbarkeitsstudie6 zu einem Rechtsinstrument zur Regelung des Handels mit Gütern, die für Folter und die Todesstrafe verwendet werden. Das Sekretariat erstellte zusammen mit dem Fachexperten Dr. M. Michael Crowley (Research Associate an der Universität Bradford, Vereinigtes Königreich, und bei der Omega Research Foundation) die in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie. Die Grundlage bildete eine Umfrage unter den Europaratsmitgliedstaaten. Die Machbarkeitsstudie wurde im November 2019 vom Lenkungsausschuss angenommen. Die Studie analysierte die Situation in Bezug auf die entsprechende Art von Handel und die bestehenden nationalen und internationalen Rechtsvorschriften. Es wurden Massnahmen zur Stärkung der internationalen Regelungen durch eine Empfehlung des Europarats vorgeschlagen. Das Ministerkomitee gab im Februar 2020 die Ausarbeitung einer solchen Empfehlung in Auftrag.

Das Ministerkomitee verabschiedete am 31. März 2021 diese rechtlich nicht bindende Empfehlung CM/Rec(2021)2.7 Dabei war es der Ansicht, dass ein solches Instrument für den Kampf gegen die Todesstrafe und Folter von grosser Bedeutung sei und eine wichtige Hilfe für die Mitgliedstaaten und Nichtregierungsorganisationen darstelle, die in Europa gegen diese
Methoden kämpfen. Zudem stelle es auch ein starkes Signal an andere internationale Gremien dar. Die Empfehlung stützt sich weitgehend auf die von der EU im Jahr 2005 erlassene und 2019 totalrevidierte Verordnung

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Call for input: The nature, scope and regulation of the production and trade of law enforcement equipment and weapons and the relationship with torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment. Abrufbar unter www.ohchr.org > Search > 77/209.

Étude de faisabilité du Comité directeur pour les droits de l'homme d'un instrument juridique concernant l'interdiction du commerce des biens utilisés pour la torture et d'autres peines ou traitements cruels, inhumains ou dégradants et pour la peine de mort. Abrufbar unter www.coe.int > Search > CDDH(2019)R92Addendum3.

Recommandation CM/Rec(2021)/2 du Comité des Ministres aux États membre sur des mesures contre le commerce de biens utilisés pour la peine de mort, la torture et autres peines ou traitements cruels, inhumains ou dégradants, adoptée par le Comité des Ministres le 31 mars 2021. Abrufbar unter www.coe.int > Droits de l'homme > Coopération intergouvernementale en matière de droits de l'homme > Publications > Recommandation CM/Rec (2021)2.

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(EU) 2019/1258 (EU-Anti-Folter-Verordnung). Diese Verordnung ist die Neufassung der Verordnung (EG) Nr. 1236/20059. Die im Anhang der Empfehlung enthaltenen Listen verbotener oder kontrollierter Güter entsprechen der Listen der EU-AntiFolter-Verordnung. Ausserdem sieht die Empfehlung die Veröffentlichung eines jährlichen nationalen Tätigkeitsberichts und einen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates über Bewilligungen und Exporte vor. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die Umsetzung der Empfehlung innerhalb von fünf Jahren nach deren Verabschiedung zu prüfen.

Es gibt bereits mehrere internationale und regionale Abkommen, die Folter verbieten.

Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte10, Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 196611 (UNOPakt II), Artikel 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 195012 (EMRK) und das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 198413 (UNO-Antifolterkonvention) enthalten alle ein umfassendes Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Aus Sicht der Schweiz ist die Anwendung der Todesstrafe verboten, weil sie gegen das Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie gegen das Recht auf Leben verstösst. Insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stützt diese Auffassung, was sich namentlich in den Urteilen Soering gegen UK (1989)14, Jabari gegen die Türkei (2000)15, Bader und Kanbor gegen Schweden (2005)16, Al-Saadoon und Mufdhi gegen UK (2010)17 und A.L. (X.W.) gegen Russland (2015) 18 zeigt. Diese Rechtsauffassung wird nicht von allen Staaten geteilt.

Artikel 6 Absatz 2 des UNO-Pakts II beschränkt die Anwendung der Todesstrafe erstens auf Vertragsstaaten, die die Todesstrafe nicht abgeschafft haben, und zweitens 8

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Verordnung (EU) 2019/125 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Januar 2019 über den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten (Kodifizierter Text), ABl. L 30 vom 31.1.2019, S. 1; zuletzt geändert durch Delegierte Verordnung (EU) 2021/139 der Kommission vom 4. Dezember 2020 zur Änderung der Anhänge I und V der Verordnung (EU) 2019/125 des Rates über den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten, zur Berücksichtigung des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union, ABl. L 43 vom 8.2.2021, S. 5.

Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 des Rates vom 27.6.2005 betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten, ABl. L 200 vom 30.7.2005, S. 1.

Universal Declaration of Human Rights. Abrufbar unter www.ohchr.org > What are human rights > Universal Declaration of Human Rights.

SR 0.103.2 SR 0.101 SR 0.105 Urteil abrufbar unter hudoc.echr.coe.int > Search > Soering v. the United Kingdom.

Urteil abrufbar unter hudoc.echr.coe.int > Search > Jabari v. Turkey.

Urteil abrufbar unter hudoc.echr.coe.int > Search > Bader and Kanbor v. Sweden.

Urteil abrufbar unter hudoc.echr.coe.int > Search > Al-Saadoon and Mufdhi v. the United Kingdom.

Urteil abrufbar unter hudoc.echr.coe.int > Search > A.L. (X.W.) v. Russia.

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auf die schwersten Verbrechen. Allmählich setzt sich die Auffassung durch, dass als schwerste Verbrechen gemäss dieser Bestimmung nur solche in Frage kommen, die eine vorsätzliche Tötung beinhalten.19 Zum universellen Völkergewohnheitsrecht zählen das Verbot, die Todesstrafe gegen Personen zu verhängen, die zum Tatzeitpunkt unter 18-jährig waren sowie jenes der Hinrichtung von schwangeren Frauen (Art. 6 Ziff. 5 UNO-Pakt II) und von geistig beeinträchtigten Personen. Entsprechende Verbote sind auch im Konventionsrecht enthalten. Es sei hierzu auf Artikel 6 Ziffer 5 des UNO-Pakts II und Artikel 37 Buchstabe a des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 198920 sowie auf den Bericht der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte Nr. 62 vom 22. Oktober 200221 verwiesen. Weiter verbietet das zweite Fakultativprotokoll zum UNO-Pakt II zur Abschaffung der Todesstrafe vom 15. Dezember 198922 den Vertragsstaaten die Todesstrafe in Friedenszeiten. Auf Europaratsebene wurde die Todesstrafe in Friedenszeiten im Jahr 1983 durch das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe vom 28. April 198323 abgeschafft. Mit dem Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe vom 3. Mai 200224, das für die Schweiz im Jahr 2003 in Kraft trat, wurde die Todesstrafe schliesslich unter allen Umständen (in Friedens- und Kriegszeiten) verboten.

1.2

Handlungsbedarf und Ziele

Der Einsatz für die Achtung der Menschenrechte ist in der Schweiz Verfassungs- und Gesetzesauftrag. Die Abschaffung der Todesstrafe sowie die Folterprävention sind zudem konkrete Ziele der Aussenpolitischen Strategie des Bundesrates 2020­202325 (Ziel 1.3.). Des Weiteren trat die Schweiz im September 2017 der Globalen Allianz bei und unterstützte im März 2021 die Verabschiedung der Empfehlung des Europarates, um gemeinsam mit gleichgesinnten Staaten den Handel mit Foltergütern auf internationaler Ebene einzuschränken. Mit dieser Vorlage soll nun auch die innerstaatliche Gesetzgebung an die internationalen Entwicklungen sowie an die Regeln der EU angeglichen werden. Es wäre stossend, wenn die Schweiz aufgrund fehlender rechtlicher Vorgaben als Umgehungsplattform für den Handel mit Foltergütern genutzt werden könnte.

Der genannten Europaratsempfehlung von 2021 kommt die Schweiz bisher nur teilweise nach. So verbietet Artikel 21 Buchstabe c des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 200026 (HMG) den Handel mit Arzneimitteln, «wenn davon auszugehen ist, dass sie für die Hinrichtung von Menschen bestimmt sind». Das HMG verwendet den 19 20 21 22 23 24 25 26

General Comment No. 36 on article 6: right to life. Rz. 35. Abrufbar unter www.ohchr.org > Search > General comment No. 36 on article 6: right to life.

SR 0.107 Report Nº 62/02 Case 12.285 Michael Domingues v. United States. Abs. 85. Abrufbar unter www.oas.org > Search > Report Nº 62/02.

SR 0.103.22 SR 0.101.06 SR 0.101.093 Aussenpolitische Strategie 2020­2023. Abrufbar unter www.eda.admin.ch > Aussenpolitik > Strategien und Grundlagen > Aussenpolitische Strategie.

SR 812.21

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Begriff «Hinrichtung von Menschen», während das neue Foltergütergesetz (FGG) explizit den Begriff «Vollstreckung der Todesstrafe» verwendet. Letzteres entspricht der Terminologie der EU-Anti-Folter-Verordnung. In Artikel 50 der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung vom 14. November 201827 (AMBV) werden die Bewilligungsverfahren für Arzneimittel festgehalten, welche zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendbar sind. Diese Listen der für Hinrichtungen von Menschen verwendbaren Arzneimittel gemäss Artikel 21 HMG werden von Swissmedic publiziert und entsprechen denjenigen, welche in Anhang 2 der Europaratsempfehlung und in Anhang IV der EU-Anti-Folter-Verordnung enthalten sind.

Die Europaratsempfehlung enthält darüber hinaus, analog zur EU-Anti-Folter-Verordnung, Regelungen für weitere Güter, namentlich für solche, die nur zum Zweck der Todesstrafe oder der Folter verwendet werden können und für solche, welche auch anderweitig zum Einsatz kommen können. Ziel der vorliegenden Vorlage ist es, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um den Handel mit solchen Gütern zu kontrollieren und wo nötig zu verbieten. Damit kann ein abschreckender Effekt erzielt werden, um der Gefahr vorzubeugen, dass Geschäfte, die aus der EU nicht erlaubt sind, über die Schweiz abgewickelt werden.

1.3

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

In der Schweiz gibt es zurzeit kein Gesetz für die Kontrolle von Gütern, die für Folter oder die Todesstrafe verwendet werden können. Es gibt einige sektorale Gesetze, die gewisse Güter abdecken, nämlich das HMG, das Waffengesetz vom 20. Juni 199728 (WG) und das Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 199629 (GKG). Einige der in der EU-Anti-Folter-Verordnung (und damit auch in der Europaratsempfehlung) aufgeführten Güter, wie zum Beispiel Reizstoffe, sind bereits in der genannten bestehenden Gesetzgebung aufgeführt (siehe Ausführungen zu Artikel 12). Auch wenn dies aktuell nicht der Fall ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich bei künftigen Listungen Überschneidungen mit dem Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 199630 (KMG) ergeben werden. Mit Ausnahme des HMG in Bezug auf bestimmte Arzneimittel sehen diese bestehenden Gesetze jedoch keine Überprüfung vor, ob Güter zur Folter oder zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden, und sie enthalten keine Ablehnungskriterien, mit denen sich Transfers unterbinden liessen, selbst wenn Grund zur Annahme bezüglich einer derartigen Verwendung bestünde. Nebst der Kontrolle der Güter ist auch die Kontrolle von technischer Hilfe im Zusammenhang mit diesen Gütern vorgesehen. Auch diese ist in der Schweiz grundsätzlich nicht geregelt. Nur in spezifischen Fällen könnten solche Tätigkeiten auch der Meldepflicht nach dem Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen vom 27. September 201331 (BPS) unterliegen.

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SR 812.212.1 SR 514.54 SR 946.202 SR 514.51 SR 935.41

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Nach der Verabschiedung der Europaratsempfehlung wurden drei Optionen für das weitere Vorgehen der Schweiz analysiert: ­

Beibehaltung des Status Quo: Die Schweiz könnte die von ihr unterstützte Empfehlung des Europarates lediglich zur Kenntnis nehmen. Sie würde damit jedoch das innen- und aussenpolitische Risiko eingehen, in einem Bereich, in welchem sie national wie international stets eine wertebasierte Position vertreten hat und der für die Schweizer Wirtschaft von marginaler Bedeutung ist, von den rechtlichen Vorgaben der EU abzuweichen und so als Umgehungsplattform zu dienen.

­

Revision bestehender Gesetzgebung (z. B. des GKG oder des WG): Der Geltungsbereich des GKG beschränkt sich auf Güter, welche durch internationale Abkommen und politisch verbindliche multilaterale Exportkontrollregime gelistet worden sind. Nationale Listungen sind im GKG grundsätzlich nicht vorgesehen. Anhang 5 zur Güterkontrollverordnung vom 3. Juni 201632 (GKV) findet seine gesetzliche Grundlage denn auch nicht im GKG, sondern im WG und im Sprengstoffgesetz vom 25. März 197733 (SprstG). Eine Umsetzung der Europaratsempfehlung in der Güterkontrollgesetzgebung würde die Natur des Gesetzes ändern und damit eine Änderung des Geltungsbereiches dieses Gesetzes bedingen. Demgegenüber umfasst der Anwendungsbereich des WG sowohl verbotene als auch melde- und bewilligungspflichtige Waffen. Die von diesem Gesetz erfassten Tätigkeiten decken sich allerdings nicht mit den verbotenen und bewilligungspflichtigen Tätigkeiten der EU-Anti-FolterVerordnung.

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Erlass eines neuen Gesetzes: Mit dem Erlass eines neuen Gesetzes könnte sich die Schweiz an der EU-Anti-Folter-Verordnung orientieren, das heisst diese inhaltlich übernehmen, indem sie wichtige Bestimmungen auf Gesetzesstufe regelt und die Güterlisten auf Verordnungsstufe übernimmt. Damit würden für Schweizer und EU-Unternehmen dieselben Regeln gelten, und es könnte das Risiko einer Umgehung der EU-Anti-Folter-Verordnung über die Schweiz verringert werden. Damit alle bewilligungspflichtigen Güter, die für die Folter oder die Todesstrafe verwendet werden können, von demselben Gesetz erfasst werden, könnten mit dieser Lösung Arzneimittel, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können, vom Geltungsbereich des HMG in denjenigen dieses neuen Gesetzes überführt werden.

Der Bundesrat beantragt mit dieser Botschaft den Erlass eines neuen Gesetzes.

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SR 946.202.1 SR 941.41

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1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202034 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202035 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Die Verabschiedung des FGG setzt die Europaratsempfehlung um.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Das Vernehmlassungsverfahren zum vorgeschlagenen FGG dauerte vom 19. Oktober 2022 bis 31. Januar 2023.

Bis zum Ablauf des Vernehmlassungsverfahrens gingen beim Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) 45 Stellungnahmen ein. Die Mehrheit der befragten Kantone und Interessengruppen unterstützen den Gesetzesentwurf, mehrere brachten jedoch Änderungs- und Ergänzungsvorschläge vor. Zwei Interessensgruppen lehnen die Vorlage ab.

Die Stellungnahmen zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen werden in Kapitel 5 behandelt. Auf die folgenden Punkte sei aber bereits an dieser Stelle hingewiesen.

Ausnahmen von der Bewilligungspflicht Es wurden Ausnahmen von der Bewilligungspflicht für das Erbringen von technischer Hilfe im Zusammenhang mit bewilligungspflichtigen Gütern für die Strafverfolgungsbehörden und grenzüberschreitende Einsätze von Polizeikräften gefordert. Da die EU-Anti-Folter-Verordnung hierzu Ausnahmen kennt, wurde der Forderung entsprochen (siehe Ausführungen zu Artikel 5 FGG).

Weiter wurden Ausnahmen von der Bewilligungspflicht für Güter des Erotikbereichs angeregt. Nach Angaben des deutschen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle fallen solche Güter nicht in den Anwendungsbereich der EU-Anti-FolterVerordnung. Sie sollen auch vom FGG nicht erfasst sein. Auf eine Ausnahme von der Bewilligungspflicht ist daher zu verzichten (siehe Ausführungen zu Artikel 1 FGG).

Übernahme der Güterlisten der EU-Anti-Folter-Verordnung Die Meinungen darüber, was Inhalt der Güterlisten sein soll, gingen bei den Teilnehmenden der Vernehmlassung auseinander: Die einen pochten auf möglichst eng gefasste Listen, die anderen darauf, über die Güterlisten der EU hinauszugehen. Das FGG folgt den Güterlisten der EU-Anti-Folter-Verordnung. Damit kann eine Regulierungslücke zwischen der Schweiz und der EU geschlossen werden (siehe Ausführungen zu Artikel 2 FGG).

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Schaffung einer beratenden Expertenkommission Mehrere Interessengruppen beantragten die Schaffung einer beratenden Expertenkommission, deren Aufgabe es wäre, die zuständigen Behörden bei der Überprüfung der Aktualität der Güterlisten zu unterstützen sowie Informationen und Einschätzungen zur Beurteilung von bewilligungspflichtigen Geschäften bereitzustellen. Die Kommission wäre zudem dafür verantwortlich, die Umsetzung des FGG zu überwachen.

Die EU hat ihrerseits eine Anti-Folter-Koordinierungsgruppe eingesetzt, um alle Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der Verordnung zu prüfen, wie zum Beispiel betreffend Informationsaustausch zur Verwaltungspraxis (Artikel 31 der EUAnti-Folter-Verordnung). Die Gruppe besteht aus einer Vertretung pro Mitgliedstaat und trifft sich normalerweise einmal im Jahr. Sie dient als Plattform für den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und nicht als beratender Ausschuss. Die Europaratsempfehlung sieht die Einrichtung einer Expertenkommission nicht vor.

Da vorgesehen ist, dass der Bundesrat gestützt auf das FGG die Güterlisten der EU übernimmt, ist der Mehrwert einer Expertenkommission nicht ausgewiesen, weshalb auf die Einsetzung einer solchen Kommission verzichtet werden soll.

Dokumentation Es wurde gefordert, dass die Bewilligungsbehörde alle Vorgänge im Zusammenhang mit der Anwendung des neuen Gesetzes zu dokumentieren (Anzahl, Wert, Art und Typ der Güter sowie die erteilten und verweigerten Genehmigungen und die dazugehörigen Bewertungen der Bewilligungsvoraussetzungen) und diese Dokumentation für mindestens 10 Jahre aufzubewahren hat. Eine gesonderte gesetzliche Regelung drängt sich allerdings nicht auf, da das Bundesgesetz über die Archivierung vom 26. Juni 199836 anwendbar ist.

Datenschutz In der Vernehmlassung wurde auf datenschutzrechtliche Unklarheiten in Bezug auf die Amtshilfe unter Schweizer Behörden hingewiesen. Es wird nun festgehalten, dass die Amtshilfe im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben des Bundes und der Kantone erfolgen soll (siehe Ausführungen zu Artikel 13 FGG).

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die EU regelt seit dem 27. Juni 2005 die Kontrolle über Foltergüter in einer gesonderten Verordnung, der EU-Anti-Folter-Verordnung. Eines der Ziele der Aussenpolitik der EU besteht darin, die Achtung der Grundrechte in Drittländern zu fördern und die Regulierung solcher Güter sicherzustellen. Daher wird diese Verordnung als ein Instrument der Aussenpolitik betrachtet. Die EU hat dazu die erste formale regionale Handelskontrollregelung in diesem Bereich eingeführt. Das absolute Verbot der Fol36

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ter, das in den Menschenrechtskonventionen der UNO verankert ist, findet sich auf EU-Ebene in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union37 wieder. Artikel 2 Absatz 2 der Charta besagt, dass niemand zum Tode verurteilt oder hingerichtet werden darf. Artikel 4 der Charta besagt, dass niemand der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das absolute Verbot von Folter und Misshandlung ist für die Schweiz in den wichtigsten Menschenrechtsübereinkommen und der EMRK verankert.

Die EU-Anti-Folter-Verordnung enthält Verbote und Bewilligungspflichten für den Aussenwirtschaftsverkehr von Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zur Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten. Die Verordnung umfasst drei Güterlisten: ­

Anhang II enthält verbotene Güter, die ausser zur Vollstreckung der Todesstrafe oder der Folter keine andere praktische Verwendung haben. Das Verbot betrifft die Einfuhr, die Ausfuhr, die Durchfuhr, die Vermittlung, die Erbringung technischer Unterstützung, das Ausstellen auf Messen sowie die Werbung.

­

Anhang III enthält die Kontrollliste für Güter, die zur Folter verwendet werden könnten. Bewilligungspflichtig sind die Ausfuhr, die Vermittlung und die Erbringung technischer Unterstützung.

­

Anhang IV enthält die Kontrollliste für Güter, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden könnten. Auch für diese Güter sind die Ausfuhr, die Vermittlung und die Erbringung technischer Unterstützung bewilligungspflichtig.

Die Verordnung regelt weder die Einfuhr von Gütern des Anhangs III oder IV in die EU noch die Verbringung solcher Güter zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Sie verbietet auch nicht den EU-internen Handel mit Gütern des Anhangs II. Diese Regelung ist rechtsverbindlich und gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Um den Verwaltungsaufwand für Unternehmen bei der Ausfuhr lebensrettender Arzneimittel so gering wie möglich zu halten, sieht die Verordnung ein System globaler Ausfuhrgenehmigungen für Güter des Anhangs IV vor. Um eine allgemeine Ausfuhrgenehmigung zu erhalten, müssen die Unternehmen nachweisen, dass sie über angemessene Kontrollen verfügen, um den Verkauf dieser Arzneimittel zur Vollstreckung der Todesstrafe zu verhindern.

Die zuständige Behörde kann eine Bewilligung ablehnen, wenn ein hinreichender Grund zur Annahme besteht, dass die in Anhang III aufgeführten Güter zum Zwecke der Folter oder die in Anhang IV aufgeführten Güter zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden. Darüber hinaus ist die Durchfuhr der in Anhang III und IV aufgeführten Güter verboten, wenn dem Durchführer bekannt ist, dass diese Güter zur Folter verwendet werden. Bei der Entscheidung über die Erteilung von Bewilligungen berücksichtigen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verfügbare internationale Gerichtsurteile, die Untersuchungsergebnisse der zuständigen Gremien der UNO, des Europarats und der EU sowie die Berichte des vom Europarat eingesetzten Europäischen Ausschusses zur Verhinderung von Folter und des 37

Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 364 vom 18.12.2000, S.1.

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UNO-Sonderberichterstatters für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Andere relevante Informationen, einschliesslich nationaler Gerichtsurteile, Berichte oder sonstiger Informationen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Informationen über Ausfuhrbeschränkungen des Bestimmungslandes für die in den Anhängen II und III aufgeführten Güter, können ebenfalls berücksichtigt werden.

Die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten sind dafür verantwortlich, die Einhaltung der Verbote und Genehmigungspflichten der Verordnung zu überwachen. Die Verantwortung für den Erlass von Sanktionsvorschriften liegt bei den Mitgliedsstaaten, wobei diese wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein müssen (Artikel 33 Absatz 1 EU-Anti-Folter-Verordnung). Die EU-Anti-Folter-Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten, jährliche Tätigkeitsberichte zu veröffentlichen, in denen relevante Bewilligungsanträge und Genehmigungen detailliert aufgeführt sind. Zudem wird verlangt, dass alle fünf Jahre eine umfassende Überprüfung der Umsetzung der Verordnung vorgenommen wird. Die nächste Überprüfung ist für 2025 geplant.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Das FGG soll den grenzüberschreitenden Handel mit Gütern regeln, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter oder einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe verwendet werden können. Die Nachführung der Güterlisten verbliebe dabei in der Kompetenz des Bundesrates und würde über die Änderung der Anhänge einer entsprechenden Verordnung erfolgen.

Der Gesetzesentwurf unterscheidet zwischen primären Foltergütern, deren Handel grundsätzlich verboten ist, und sekundären Foltergütern, die noch andere praktische Verwendungen haben, sowie Arzneimitteln, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können: ­

Die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr von primären Foltergütern, die ausser zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe keine praktische Verwendung haben, sollen verboten werden. Darüber hinaus sollen auch die Bereitstellung von technischer Hilfe im Zusammenhang mit Foltergütern und die Bewerbung von Foltergütern inklusive Präsentation auf Messen verboten sein.

­

Sekundäre Foltergüter, die neben der Verwendung zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter oder einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe noch andere praktische Verwendungen haben, sollen bei der Ausfuhr aus der Schweiz einer Bewilligungspflicht unterstellt werden. Bewilligungspflichtig soll auch die Erbringung von technischer Hilfe oder von Vermittlungsdienstleistungen im Zusammenhang mit solchen Gütern werden. Hingegen soll die Durchfuhr solcher Güter untersagt werden, wenn davon ausgegangen werden muss, dass die 13 / 30

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Güter zur Folter bestimmt sind. Analog zur Regelung in der EU soll das Gesetz keine Anwendung auf die Einfuhr von sekundären Foltergütern finden.

­

Arzneimittel zur Vollstreckung der Todesstrafe, die durch das HMG erfasst sind, sollen neu in den Geltungsbereich dieses Gesetzes aufgenommen werden.

4.2

Umsetzungsfragen

Der Bundesrat soll beauftragt werden, auf Verordnungsstufe die Bewilligungs- und Kontrollbehörden, die Koordinationsbestimmungen (siehe Ausführungen zu Artikel 12) sowie das Bewilligungsverfahren zu regeln.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Titel Trotz den im Vernehmlassungsverfahren gemachten Vorschlägen bleibt der Titel «Bundesgesetz über den Handel mit Foltergütern» bestehen. Dieser Titel spiegelt die Tatsache wider, dass das Gesetz nicht ein vollständiges Verbot von Foltergütern bezweckt, sondern deren Handel regeln will. Darüber hinaus ist mit der Verwendung des Begriffs «Güter» keine (positive) Wertung von Foltergütern beabsichtigt. Dem Begriff «Foltergüter» wurde der Vorzug vor «Folterwerkzeugen» oder «Foltermaterial» gegeben, da sich der Begriff «Güter» in der Exportkontrolle eingebürgert hat («zivil und militärisch verwendbare Güter», «Rüstungsgüter» usw.). Auch in der EU ist der Begriff gebräuchlich, was aus der Pressemitteilung vom 14. November 2016 des Rates der EU ersichtlich wird.38 Ingress Der Ingress verweist auf Artikel 54 Absätze 1 und 2 der Bundesverfassung (BV)39.

Das FGG, das den grenzüberschreitenden Handel mit Gütern regelt, die für Folter und Todesstrafe verwendet werden können, fällt in den Bereich der auswärtigen Angelegenheiten (Absatz 1) und trägt zur Achtung der Menschenrechte bei (Absatz 2).

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1

Gegenstand

Gegenstand des Gesetzes ist der grenzüberschreitende Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter oder einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe verwendet werden können. Geregelt werden die Einfuhr, die Ausfuhr, die Durchfuhr, die Vermittlung und das Bewerben der Güter sowie die Bereitstellung von technischer Hilfe im 38 39

Foltergüter: Rat verabschiedet geänderte Verordnung. Abrufbar unter www.consilium.

europa.eu > Nachrichten und Medien > Pressemitteilungen > 14. November 2016.

SR 101

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Zusammenhang mit ebensolchen. Diese Regelung entspricht derjenigen der Europaratsempfehlung und der EU-Anti-Folter-Verordnung.

Art. 2

Geltungsbereich

Der Bundesrat soll bestimmen, welche Güter dem FGG unterstellt sind. Er stützt sich dabei auf die Anhänge II-IV der EU-Anti-Folter-Verordnung. Die vom FGG erfassten Güter sollen in den Anhängen der Ausführungsverordnung aufgeführt werden. Dies erlaubt es dem Bundesrat, Änderungen der Anhänge der EU-Anti-Folter-Verordnung auf dem Verordnungsweg durch Anpassungen der entsprechenden Verordnungsanhänge umzusetzen.

­

Ein Anhang wird die Liste der primären Foltergüter enthalten, die ausser zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe keine praktische Verwendung haben.

­

Ein weiterer Anhang wird die Liste der sekundären Foltergüter enthalten, die neben der Verwendung zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter oder einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe noch andere praktische Verwendungen haben.

­

Schliesslich wird ein Anhang die Liste der Arzneimittel enthalten, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können.

Dieser Ansatz mit den erwähnten Listen schafft Rechtssicherheit für die betroffenen Wirtschaftsakteure, für welche klar ersichtlich sein wird, welche Güter vom FGG erfasst sind und welche nicht.

Nicht Gegenstand des FGG sind Güter, die im Erotikbereich zum Einsatz kommen.

Güter des Erotiksektors fallen nicht unter die EU-Anti-Folter-Verordnung.

Die Vernehmlassung hat aufgezeigt, dass es zum Inhalt der Güterlisten ein breites Meinungsspektrum gibt. Gewisse Interessengruppen forderten, dass die Schweiz weitergehen solle als die EU, während andere für möglichst eng gefasste Listen plädierten. Wieder andere warnten davor, weniger umfassende Listen als jene der EU festzulegen. Weiter wurde gefordert, im FGG ein Verbot von Tierversuchen und der Forschung an Tieren zu verankern. Durch die Übernahme der EU-Güterlisten kann eine Regulierungslücke zwischen der Schweiz und der EU geschlossen werden. Diese Listen sind abschliessend. Sie stehen aber einer Überprüfung offen und können neuen Gegebenheiten angepasst werden. Da die Schweizer Güterlisten den EU-Güterlisten entsprechen sollen, ist im FGG kein formelles Überprüfungsverfahren vorgesehen.

Dieses Gesetz soll im schweizerischen Zollgebiet, in den schweizerischen Zolllagern und in den schweizerischen Zollausschlussgebieten Anwendung finden. Somit deckt sich der örtliche Geltungsbereich der Foltergütergesetzgebung mit demjenigen der Güterkontrollgesetzgebung. Auf Verordnungsstufe wird zu präzisieren sein, dass Lieferungen an diplomatische oder konsularische Vertretungen sowie internationale Organisationen auf dem Territorium des schweizerischen Zollgebiets als Ausfuhren im Sinne des FGG gelten. Demgegenüber ist nicht vorgesehen, Schweizer Unternehmen im Ausland dem Geltungsbereich des FGG zu unterstellen.

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Gesuche sollen weiterhin nur von natürlichen und juristischen Personen zulässig sein, die ihren zivilrechtlichen Wohnsitz beziehungsweise ihren Sitz oder ihre Niederlassung im Staatsgebiet der Schweiz, im Staatsgebiet des Fürstentums Liechtenstein, in Büsingen am Hochrhein oder in den Talschaften Samnaun oder Sampuoir haben. Für den Fremdenverkehr sind im Gegensatz zur Güterkontrollgesetzgebung keine Ausnahmen vorzusehen, da sich nach dem hiesigen Verständnis sekundäre Foltergüter oder Arzneimittel, die zur Todesstrafe verwendet werden können, legitimerweise nicht als Souvenirs eignen.

Das FGG soll sodann nur so weit gelten, als nicht das KMG anwendbar ist. Die Bewilligungskriterien des KMG reichen aus, um ein Geschäft, das nach dem FGG zu verweigern wäre, ebenfalls zu verweigern.

Art. 3

Begriffe

Als primäre Foltergüter sollen Güter bezeichnet werden, die ausser zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zwecke der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe keine praktische Verwendung haben. Unter diese Bezeichnung fallen jene Güter, die in Anhang II zur EU-Anti-FolterVerordnung aufgeführt sind (Galgen, elektrische Stühle, Fesselbretter, Daumenschellen u. Ä.). Der grenzüberschreitende Handel mit solchen Gütern soll in Artikel 4 Absatz 1 grundsätzlich verboten werden. Nach Angaben des Europarats handelt es sich bei den primären Foltergütern um eine relativ kleine Auswahl an Gütern, die derzeit von einer geringen Anzahl von Unternehmen weltweit hergestellt oder beworben werden.

Als sekundäre Foltergüter sollen Güter bezeichnet werden, die neben der Vollstreckung der Todesstrafe oder dem Zweck der Folter auch andere praktische Verwendungen haben. Unter diese Bezeichnung fallen die in Anhang III der EU-Anti-FolterVerordnung aufgeführten Güter. Beispiele hierzu sind Güter zur Fesselung von Menschen oder Waffen und Geräte zur Bekämpfung von Ausschreitungen und Unruhen durch Strafverfolgungsbehörden oder zum Selbstschutz.

Vermittlung im Sinne des FGG soll das Schaffen der wesentlichen Voraussetzungen sein für den Abschluss von Verträgen über die Herstellung, das Anbieten, das Erwerben oder das Weitergeben von Gütern, die Übertragung von Immaterialgütern, die Einräumung von Rechten an Gütern oder der Abschluss solcher Verträge, wenn die Leistung durch Dritte erbracht werden soll.

Der Begriff der technischen Hilfe entstammt der EU-Anti-Folter-Verordnung. Die Europaratsempfehlung enthält zwar selber keine Definitionen, im erläuternden Bericht zur Empfehlung wird aber der Begriff der technischen Hilfe analog zur EU-AntiFolter-Verordnung verwendet. Technische Hilfe ist demnach jede technische Unterstützung im Zusammenhang mit Reparaturen, Entwicklung, Herstellung, Erprobung, Wartung, Montage oder jeder anderen technischen Dienstleistung, die in Form von Anleitung, Beratung, Ausbildung, Weitergabe von praktischen Kenntnissen oder Fertigkeiten oder in Form von Beratungsdiensten erfolgen kann und Hilfe in mündlicher Form und auf elektronischem Weg einschliesst. Das Zurverfügungstellen allgemein zugänglicher Informationen stellt keine technische Hilfe dar.

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2. Abschnitt: Verbote und Bewilligungspflichten Art. 4

Primäre Foltergüter

Verboten sind die Ein-, die Durch- und die Ausfuhr von primären Foltergütern. Auch ist es verboten, für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in einem Drittland Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit solchen Gütern zu erbringen, unabhängig von der Herkunft der betreffenden Güter. Weiter verboten ist, für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in einem Drittland Ausbildungsleistungen bezüglich der Verwendung von solchen Gütern zu erbringen oder sie ihnen anzubieten.

Schliesslich sind die Bewerbung oder sonstige Verkaufsförderung und die technische Hilfe im Zusammenhang mit diesen Gütern verboten. Dieses Verbot erfasst auch Werbeaktivitäten von Herstellern, Vertriebs- oder Marketingunternehmen und die Nutzung von Massenkommunikationstechnologien, wie zum Beispiel Internet, Fernsehen, Radio oder Printmedien. Unter das Verbot fällt auch das Ausstellen oder Anbieten zum Verkauf im Rahmen einer Ausstellung oder Messe. Die Verbote entsprechen denjenigen der EU-Anti-Folter-Verordnung und der Europaratsempfehlung.

Auf den Erlass weitergehender Verbote soll verzichtet werden.

Falls primäre Foltergüter ausschliesslich für ein öffentliches Museum bestimmt sind, soll deren Ein-, Durch- und Ausfuhr der Bewilligungspflicht unterstellt werden. Unter dem Begriff «öffentliches Museum» sind Museumsgebäude zu verstehen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Im Rahmen der Vernehmlassung sind unterschiedliche Meinungen zu dieser Ausnahmeregelung geäussert worden. Während die eine Stellungnahme deren Ausweitung forderte, schlugen andere Vernehmlassungsteilnehmende vor, sie strikter zu fassen. Das EU-Recht sieht seinerseits eine entsprechende Ausnahme vor, die jedoch weiter geht: auch die Leistung von technischer Hilfe im Zusammenhang mit der Ausstellung von solchen Gütern in öffentlichen Museen ist in der EU von der Verbotsausnahme erfasst. Die Ausnahme soll im FGG bewusst sehr restriktiv gehalten werden, damit das Risiko der Gesetzesumgehung minimiert werden kann.

Art. 5

Sekundäre Foltergüter

Analog zur EU-Anti-Folter-Verordnung ist ein Verbot der Durchfuhr von sekundären Foltergütern vorgesehen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die durchgeführten Güter zur Folter oder zur Vollstreckung der Todesstrafe bestimmt sind (Absatz 1).

Die Ausfuhr und die Vermittlung von sekundären Foltergütern und das Erbringen technischer Hilfe im Zusammenhang mit solchen Gütern sind bewilligungspflichtig (Absatz 2). Im Sinne der Einheitlichkeit wird ausschliesslich «technische Hilfe» verwendet, wie sie in Artikel 3 definiert ist.

Die EU unterstellt solche Güter ebenfalls der Bewilligungspflicht. Im erläuternden Bericht zur Europaratsempfehlung wird erwähnt, dass die UNO und nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, die Omega Research Foundation, die Physicians for Human Rights, das Stockholm International Peace Research Institute und das Institute for Security Studies wiederholt darauf hingewiesen haben, dass spezielle Ausrüstungen und Güter der Strafverfolgungsbehörden auf der ganzen Welt unrechtmässig für Folterzwecke eingesetzt werden. Darüber hinaus 17 / 30

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wurde Strafverfolgungsausrüstung, insbesondere Ausrüstung zur Kontrolle von Menschenmengen wie Tränengas, Pfefferspray sowie Plastik- und Gummigeschosse, in unangemessener Weise gegen Proteste und andere öffentliche Versammlungen eingesetzt. Gewisse Vernehmlassungsteilnehmende forderten, dass eine Bewilligung nur dann erforderlich sein solle, wenn nicht bereits eine Bewilligung nach dem GKG, dem KMG oder dem WG vorliege oder wenn eine Tätigkeit nicht bereits mit dem BPS im Einklang stehe. Zur Frage der Koordination sei auf die Erläuterungen zu Artikel 12 verwiesen.

Artikel 11 Absatz 3 und Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe a der EU-Anti-FolterVerordnung sehen eine Ausnahme von der Bewilligungspflicht für die Teilnahme militärischen oder zivilen Personals an einer Friedenssicherungsmassnahme oder einer Krisenmanagementoperation der EU oder der UNO vor. Die Ausnahme in der EU gilt auch für die Teilnahme an einer Operation, die auf der Grundlage eines Abkommens zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern im Bereich der Verteidigung durchgeführt wird. Die Europaratsempfehlung sieht eine ähnliche Ausnahme in ihrem Absatz 3.2.1 vor. In der Vernehmlassung verwiesen mehre Interessengruppen auf die Auswirkung des FGG auf die Polizeiarbeit, insbesondere für grenzüberschreitende Einsätze und das Erbringen von technischer Hilfe. Sie forderten eine entsprechende Ausnahme von der Bewilligungspflicht. Auch wurde darauf hingewiesen, dass gewisse von der Polizei für polizeilich begleitete Rückführungen verwendete Güter unter das FGG fallen würden und daher bewilligungspflichtig wären. Das betreffe etwa Spuckschutzhauben, die in der EU-Anti-Folter-Verordnung als Nummer 1.3 des Anhangs III gelistet sind. Eine entsprechende Ausnahme wird mit dem Hinweis auf die Erwägung 26 der EU-Anti-Folter-Verordnung begründet, wonach Ausnahmen von der Ausfuhrkontrolle gemacht werden können, damit die Arbeit der Polizeikräfte nicht behindert wird.

Vor diesem Hintergrund sollen im FGG ebenfalls entsprechende Ausnahmen von der Bewilligungspflicht verankert werden. Allerdings müssen die sekundären Foltergüter nach ihrer Verwendung im Ausland zwingend wieder in die Schweiz eingeführt werden. Die Ausnahme soll für den grenzüberschreitenden Einsatz von schweizerischen Polizeikräften sowie für den Einsatz schweizerischen militärischen oder zivilen Personals im Rahmen einer friedenserhaltenden Massnahme oder Massnahme zur Bewältigung einer Krise im Ausland gelten.

Art. 6

Arzneimittel

Seit 2019 regelt das HMG die Ausfuhr ins Ausland von und den Handel im Ausland mit Arzneimitteln, die zur Vollstreckung der Todesstrafe bestimmt sein können (Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 1bis). Nach der AMBV ist für die Ausfuhr ins Ausland von oder den Handel im Ausland mit bestimmten Arzneimitteln in jedem Einzelfall eine Bewilligung von Swissmedic erforderlich. Neu sollen Arzneimittel, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können, ins FGG integriert werden, damit alle bewilligungspflichtigen Güter, die für die Folter oder die Todesstrafe verwendet werden können, von ein und demselben Gesetz erfasst werden. Die Bewilligungspflicht wird jedoch erweitert, um auch die Bereitstellung von technischer Hilfe und die Vermittlung einzubeziehen, wie es in der EU bereits der Fall ist (Absatz 2). Bewilligungen werden gemäss bisheriger HMG-Praxis im Einzelverfah18 / 30

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ren erteilt, allgemeine Ausfuhrbewilligungen sind im Gegensatz zur EU nicht vorgesehen.

Es wird ein Verbot der Durchfuhr von Arzneimitteln vorgesehen, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können, wenn davon ausgegangen werden muss, dass diese Güter zur Vollstreckung der Todesstrafe bestimmt sind (Absatz 1).

Die pharmazeutischen Chemikalien, die bei der Todesstrafe eingesetzt werden, sind gleichzeitig lebensrettende Medikamente. Daher stellt die Bewilligungspflicht sicher, dass die gelisteten Arzneimittel nicht zur Vollstreckung der Todesstrafe weitergegeben werden, ohne den legitimen Handel mit diesen Chemikalien für medizinische oder tiermedizinische Zwecke zu verhindern. Die von Swissmedic bereits veröffentlichte Liste der ausfuhrbewilligungspflichtigen Arzneimittel soll als Anhang in die Ausführungsverordnung integriert werden. Die Liste enthält nur Arzneimittel, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können und für die die Pharmaindustrie keine ausreichenden Kontrollen eingerichtet hat, um einen solchen Missbrauch zu verhindern.

3. Abschnitt: Verweigerung und Widerruf von Bewilligungen Art. 7

Verweigerung von Bewilligungen

Bewilligungen sollen verweigert werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass bewilligungspflichtige Güter zur Vollstreckung der Todesstrafe, zur Folter oder für eine andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe bestimmt sind (Absatz 1). «Grund zur Annahme» ist weniger als «Wissen» und mehr als «Nicht-Ausschliessen-Können»; «Grund zur Annahme» korreliert mit einer Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ergebnisses, die zwar nicht zwingend an Sicherheit grenzt, aber doch überdurchschnittlich hoch sein muss. Dies entspricht dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Dabei kann die Behörde derjenigen Sachverhaltsdarstellung folgen, welche als die Wahrscheinlichste aller Möglichkeiten zu gelten hat.40 Darüber hinaus sollen Ausfuhrbewilligungen verweigert werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die ausgeführten Güter nicht bei der deklarierten Endempfängerin verbleiben (Absatz 2 Buchstabe a), und wenn kein Einverständnis des Ursprungsstaats zur Wiederausfuhr vorliegt, sofern dieser ein solches verlangt (Absatz 2 Buchstabe b). Bewilligungen werden sodann nicht erteilt, falls der Bestimmungsstaat die Einfuhr verbietet (Absatz 2 Buchstabe c). Zudem dürfen analog zu Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c GKG keine Zwangsmassnahmen nach dem Embargogesetz vom 22. März 200241 (EmbG) in Kraft sein, die einer Bewilligungserteilung entgegenstehen (Absatz 2 Buchstabe d).

Mehrere Interessengruppen schlugen in der Vernehmlassung vor, dass sich die Bewilligungsbehörde bei der Prüfung von Gesuchen auf die Berichte der internationalen Gremien, die für Folter zuständig sind, sowie auf diejenigen der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und der Zivilgesellschaft stützen solle. Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat die Ausgestaltung des Bewilligungsverfahrens in der Ausführungsverordnung 40 41

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-4161/2020 vom 11. Januar 2021 E. 4.5.

SR 946.231

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regelt. In der Vernehmlassung wurde auch gefordert, die Bestimmung mit einer «NoUndercut-Verpflichtung» zu ergänzen, wonach eine Bewilligung verweigert werden muss, wenn ein anderer Mitgliedstaat des Europarates einen im Wesentlichen identischen Antrag innerhalb der vorangegangenen drei Jahre abgelehnt hat. Die Europaratsempfehlung sieht keine solche «No-Undercut-Verpflichtung» vor. Empfohlen ist ein freiwilliger Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten über Bewilligungen und Exporte. Es wird deshalb von der unilateralen Einführung einer «No-UndercutVerpflichtung» abgesehen.

Art. 8

Widerruf von Bewilligungen

Bewilligungen sind zu widerrufen, wenn die Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (Absatz 1).

Bewilligungen können mit Auflagen verbunden werden. Wird die Auflage nicht erfüllt, so bleibt die Bewilligung selber rechtswirksam. Es soll daher festgehalten werden, dass im Bereich der Foltergütergesetzgebung eine Bewilligung widerrufen werden kann, falls an sie geknüpfte Auflagen nicht eingehalten werden (Absatz 2).

4. Abschnitt: Strafbestimmungen Art. 9

Widerhandlungen

Mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich gegen ein Verbot von Artikel 4 Absatz 1, Artikel 5 Absatz 1 oder Artikel 6 Absatz 1 verstösst (Absatz 1 Buchstabe a) oder ohne entsprechende Bewilligung bewilligungspflichtige Tätigkeiten nach Artikel 5 Absatz 2 oder Artikel 6 Absatz 2 ausübt (Absatz 1 Buchstabe b). Das gleiche Strafmass ist vorgesehen für eine Person, die Güter nach den Artikeln 4 bis 6 an eine andere Person als die in der Bewilligung genannte Endempfängerin oder an einen anderen als den in der Bewilligung genannten Bestimmungsort liefert oder vermittelt oder liefern oder vermitteln lässt (Absatz 1 Buchstabe c) oder Güter nach den Artikeln 4 bis 6 einer Person zukommen lässt, von der er oder sie weiss oder annehmen muss, dass diese jene direkt oder indirekt an eine Endempfängerin weiterleitet, an welche die Güter nicht geliefert werden dürfen (Absatz 1 Buchstabe d). Mit einer Geldstrafe soll demgegenüber bestraft werden, wer vorsätzlich unrichtige Angaben macht, die für die Bewilligungsbehörde wesentlich sind (Absatz 2 Buchstabe a), eine an eine Bewilligung geknüpfte Auflage nicht einhält (Absatz 2 Buchstabe b) oder Güter nach den Artikeln 4 bis 6 nicht oder nicht richtig beim Zoll anmeldet (Absatz 2 Buchstabe c). Bei fahrlässiger Begehung der Tat nach den Absätzen 1 oder 2 ist eine Busse vorzusehen (Absatz 3).

Art. 10

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Bei Widerhandlungen gegen das FGG in Geschäftsbetrieben soll Artikel 6 des Bundesgesetzes vom 22. März 197442 über das Verwaltungsstrafrecht anwendbar sein.

Dies analog zur Kriegsmaterial- und Güterkontrollgesetzgebung. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht nur diejenigen Personen, die die mit Strafe bedrohte Tat aus42

SR 313.0

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führen, sondern auch Personen mit Garantenstellung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, die es unterlassen, in ihren Geschäftsbetrieben die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen.43 Art. 11

Gerichtsbarkeit

Die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen sollen der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstehen.

5. Abschnitt: Zusammenarbeit von Behörden Art. 12

Koordination

Aufgrund des Anwendungsbereichs des FGG gibt es Sachverhalte, die sowohl unter die neue Gesetzgebung als auch unter bereits bestehende Gesetze fallen könnten. In diesen Fällen muss es den zuständigen Behörden möglich sein, die Verfahren zu koordinieren. Eine ähnliche Bestimmung ist bereits im BPS (Artikel 16) vorgesehen.

Die Gesetze, die hier in Betracht kommen, sind das WG, das BPS und das GKG.

Die mögliche Überschneidung betrifft vor allem Reizstoffe, wie zurecht in einzelnen Stellungnahmen im Rahmen der Vernehmlassung festgehalten worden ist. In der Güterliste der EU-Anti-Folter-Verordnung sind die Reizstoffe Pelargonsäurevanillylamid (PAVA, CAS-Nr. 2444-46-4) und Oleoresin capsicum (OC, CAS-Nr.

8023-77-6) sowie Mischungen mit einem PAVA- oder OC-Gehalt von mindestens 0,3 Gewichtsprozent und einem Lösungsmittel gelistet. Diese zwei Reizstoffe sind in keiner anderen Güterkontrollliste explizit erwähnt. Nach der Waffenverordnung vom 2. Juli 200844 (WV) und der Kriegsmaterialverordnung vom 25. Februar 199845 gelten nur Brombenzylcyanid (CA, CAS-Nr. 5798-79-8), o-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril (CS, CAS-Nr. 2698-41-1), -Chloracetophenon (CN, CAS-Nr. 532-27-4) und Dibenz(b,f)-1,4-oxazepin (CR, CAS-Nr. 257-07-8) als Reizstoffe. Hingegen führt Anhang 3 der GKV Reizstoffe analog der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union46 in ML7d auf. Da es sich dabei um eine nicht abschliessende, illustrative Liste handelt, die auf eine Definition von Reizstoffen abstellt, sind PAVA und OC von ML7d erfasst. Daraus ergibt sich bei diesen Reizstoffen eine Überschneidung zwischen dem neuen FGG und dem GKG. Entsprechend könnte es sein, dass sowohl nach FGG als auch nach GKG eine Bewilligung einzuholen ist.

Ausrüstungen für die Verbreitung von ML7d-Reizstoffen fallen unter ML7e. In diesem Fall gibt es jedoch keine Überschneidungen, da Anhang III der EU (Punkte 3.1 und 3.6) die ML7e-Ausrüstung ausdrücklich vom Anwendungsbereich der EU-AntiFolter-Verordnung ausschliesst. Allerdings gelten Geräte, die dazu bestimmt sind, durch Versprühen oder Zerstäuben von Stoffen die Gesundheit von Menschen auf Dauer zu schädigen, nach dem WG als Waffen (Art. 4 Abs. 1 Bst. b). Dies gilt jedoch nur für die in Anhang 2 der WV gelisteten Reizstoffe, die nicht unter das FGG fallen.

Hier gibt es also keine Überschneidungen zwischen dem neuen Gesetz und dem WG.

43 44 45 46

Urteil des Bundesgerichts 6B-108/2022 vom 27. April 2022 E. 2.2.

SR 514.541 SR 514.511 Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union, ABl. C 72 vom 28.2.2023, S. 2.

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Eine Ausnahme stellen Geräte zur Verbreitung von Reizstoffen dar, wenn diese optisch mit Feuerwaffen verwechselbar sind. Diese gelten nach dem WG als Waffen (Artikel 4, Absatz 1, Buchstabe g), fallen damit unter das WG und erfordern, was deren Ausfuhr betrifft, eine Bewilligung nach der Güterkontrollgesetzgebung. Anhang III der EU-Anti-Folter-Verordnung (Punkt 3.1) umfasst tragbare Waffen, die handlungsunfähig machende oder reizende chemische Substanzen abgeben, worunter auch Geräte zur Verbreitung von Reizstoffen fallen.

Elektroschockgeräte gelten sodann ebenfalls als Waffen gemäss WG (Art. 4 Abs. 1 Bst. e). Die Übertragung, der Erwerb, das Vermitteln an Empfänger und Empfängerinnen im Inland sowie das Verbringen in das schweizerische Staatsgebiet von Elektroschockgeräten sind gemäss Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c WG verboten. Die Ausfuhr dieser Geräte wird durch die GKV geregelt und ist bewilligungspflichtig. Es kommt daher bei Elektroschockgeräten und Geräten zur Verbreitung von Reizstoffen zu Überschneidungen zwischen dem FGG auf der einen und dem WG in Verbindung mit der GKV auf der anderen Seite, weshalb auch hier eine formelle und materielle Koordination nötig wird.

Mögliche Überschneidungen gibt es auch im Zusammenhang mit Dienstleistungen als technische Hilfe im Sinne des FGG, die zugleich private Sicherheitsdienstleistungen im Sinne des BPS darstellen. So kann beispielsweise eine Ausbildung an Gütern von beiden Gesetzen erfasst sein, womit der Sachverhalt sowohl in den Geltungsbereich des FGG als auch in denjenigen des BPS fällt. Deshalb wird vorgeschlagen, das neue Gesetz in der entsprechenden Koordinationsbestimmung im BPS aufzuführen (siehe Ausführungen zu Artikel 17).

Aufgrund dieser Überschneidungen und zusätzlich zu der in Artikel 12 vorgesehenen Koordination wird eine Anpassung des GKG vorgeschlagen, wonach dieses nur insoweit anwendbar sein soll, als es das neue Gesetz nicht ist (siehe Ausführungen zu Artikel 17).

Was das KMG betrifft, ist zurzeit keine Überschneidung zwischen dem Anwendungsbereich des FGG und dem KMG ersichtlich. Trotzdem ist vorzusehen, dass das FGG im Verhältnis zum KMG nur subsidiär zur Anwendung gelangen soll (siehe Artikel 2 Absatz 3).

Vor dem Hintergrund der erwähnten möglichen Überschneidungen mit anderen Gesetzgebungen enthält die EU-Anti-Folter-Verordnung
in Artikel 11 Absatz 1 ebenfalls eine Kollisionsregel, die diejenigen Güter des Anhangs III vom Anwendungsbereich ausnimmt, die der Verordnung (EU) Nr. 258/201247 (EU-Feuerwaffenverordnung),

47

Verordnung (EU) Nr. 258/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Umsetzung des Artikels 10 des Protokolls der Vereinten Nationen gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, dazugehörigen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaubten Handel damit, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (VN-Feuerwaffenprotokoll) und zur Einführung von Ausfuhrgenehmigungen für Feuerwaffen, deren Teile, Komponenten und Munition sowie von Massnahmen betreffend deren Einfuhr und Durchfuhr, ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 1.

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der Verordnung (EU) 2021/82148 (EU-Dual-Use-Verordnung), die eine Neufassung der Verordnung (EG) Nr. 428/200949 ist, oder dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP50 unterliegen.

Art. 13

Amtshilfe unter schweizerischen Behörden

Es soll statuiert werden, dass die zuständigen Behörden des Bundes und die Kantone einander und den jeweiligen Aufsichtsbehörden Daten bekannt zu geben haben, soweit dies für den Vollzug dieses Gesetzes notwendig ist.

Dies soll im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben des Bundes und der Kantone geschehen. In der Vernehmlassung wurde auf Unklarheiten betreffend Datenschutz hingewiesen. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Strafbehörden zeitnah über die von ihnen erlassenen Entscheidungen im Anwendungsbereich des KMG, des WG, des SprstG, des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198251 über aussenwirtschaftliche Massnahmen und des GKG informieren sollen. Da die Kenntnis erlassener Entscheidungen in erster Linie für die Güterkontroll- und die Kriegsmaterialgesetzgebung relevant ist ­ im Zusammenhang mit der Erteilung von Generalausfuhrbewilligungen beziehungsweise der Erteilung von Grundbewilligungen ­, soll auf eine entsprechende Bestimmung im FGG verzichtet werden. Allerdings sollen das BPS, das GKG und das KMG um entsprechende Bestimmungen unter Einschluss von Entscheidungen gestützt auf das neue FGG ergänzt werden (siehe die Erläuterung unter Artikel 17).

Art. 14

Amtshilfe zwischen schweizerischen und ausländischen Behörden

Die Bewilligungsbehörde soll mit den zuständigen Behörden anderer Staaten zusammenarbeiten und Daten austauschen können. Eine solche Zusammenarbeit hat sich insbesondere in der Güterkontrollgesetzgebung bewährt. Die Schweiz erhält vom Ausland allerdings nur dann Daten, wenn sie ebenfalls in der Lage ist, ihrerseits Daten an ausländische Behörden zu übermitteln. Mit dieser Bestimmung wird nicht zuletzt der in der Empfehlung vorgesehene Informationsaustausch über Bewilligungen und Exporte zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats umgesetzt.

Dieser Datenaustausch ist auf den Vollzug des Gesetzes in der Schweiz oder entsprechender ausländischer Vorschriften einzuschränken. Die ausländischen Behörden unterliegen der Verschwiegenheitspflicht und müssen den Schutz vor Wirtschaftsspionage sicherstellen (Absatz 1 Buchstabe b).

48

49

50

51

Verordnung (EU) 2021/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 über eine Unionsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Unterstützung der Durchfuhr und der Verbringung betreffend Güter mit doppeltem Verwendungszweck, ABl. L 206 vom 11.6.2021, S. 1.

Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Unterstützung der Durchfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, ABl. L 134 vom 29.5.2009, S. 1.

Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8.12.2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern, ABl. L 335 vom 13.12.2008. S. 99.

SR 946.201

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Diejenigen Daten, welche die Bewilligungsbehörde ins Ausland übermitteln darf, betreffen Beschaffenheit, Menge, Bestimmungs- und Verwendungsort, Verwendungszweck, Endempfänger von Gütern, Personen, die an der Herstellung, Lieferung oder Vermittlung von Gütern beteiligt sind, sowie die finanziellen Aspekte des entsprechenden Geschäftes (Absatz 2).

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 15

Vollzug

Die Ausführungsbestimmungen, die Bewilligungs- und Kontrollbehörden sowie das Bewilligungsverfahren und der Vollzug an der Grenze sollen durch den Bundesrat auf dem Verordnungsweg geregelt werden. Als Bewilligungs- und Kontrollbehörden in Frage kommen etwa Verwaltungseinheiten des WBF, des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements oder von Swissmedic. Wie unter Ziffer 6.1 zur Frage der Auswirkungen der Vorlage auf den Bund erwähnt, ist es nicht vorgesehen, eine neue Bewilligungs- und Kontrollbehörde zu schaffen. Die Rolle anderer von der Vorlage betroffener Amtsstellen ist ebenfalls auf Verordnungsstufe zu regeln. Ebenfalls auf Verordnungsstufe soll die Geltungsdauer von Bewilligungen festgelegt werden.

Art. 16

Berichterstattung

Wie beim GKG und EmbG soll der Bundesrat der Bundesversammlung jährlich im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik über die Anwendung des FGG berichten. Diese Berichtspflicht liegt im Interesse der Transparenz bezüglich der Arbeiten des Bundesrates.

Art. 17

Änderung anderer Erlasse

Kriegsmaterialgesetz Artikel 41 KMG soll um einen zweiten Absatz ergänzt werden, wonach die Strafbehörden der Bewilligungsbehörde von sich aus die von ihnen erlassenen Entscheide im Anwendungsbereich des genannten Gesetzes, des WG, des BPS, des SprstG, des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen, des GKG und des neuen FGG zustellen. Absatz 1 derselben Bestimmung soll sodann sprachlich schlanker gefasst werden.

Gemäss Artikel 9 Absatz 1 KMG benötigen natürliche und juristische Personen eine Grundbewilligung, wenn sie auf schweizerischem Territorium Kriegsmaterial herstellen, mit Kriegsmaterial handeln oder Kriegsmaterial gewerbsmässig an Empfänger im Ausland vermitteln wollen. Diese Grundbewilligung wird nach Artikel 10 Absatz 1 KMG natürlichen oder juristischen Personen erteilt, wenn sie die erforderliche Gewähr für eine ordnungsgemässe Führung der Geschäfte bieten und die beabsichtigte Tätigkeit den Landesinteressen nicht zuwiderläuft. Um zu beurteilen, ob eine natürliche oder juristische Person die Gewähr für eine ordnungsgemässe Führung der Geschäfte bietet, muss das SECO als Bewilligungsbehörde für solche Grundbewilligungen Kenntnis haben, ob die natürliche oder juristische Person aufgrund einer Wi-

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derhandlung gegen das KMG, das WG, das BPS, das SprstG, das GKG oder das FGG verurteilt worden ist.

Heilmittelgesetz Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 1bis HMG sollen aufgehoben werden.

Wie bereits in der Erläuterung zu Artikel 6 FGG erwähnt, soll die bestehende Bewilligungspflicht im HMG für die Ausfuhr von Arzneimitteln, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können, in das neue Gesetz überführt werden. Somit sollen die Bestimmungen zu allen Gütern, die von der EU-Anti-Folter-Verordnung erfasst werden, in einem Gesetz verankert werden.

Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen Die Koordinationsbestimmung in Artikel 16 BPS ist anzupassen, um das neue FGG zu ergänzen. Dienstleistungen, die als technische Hilfe im Sinne des FGG gelten, können ebenfalls private Sicherheitsdienstleistungen im Sinne des BPS darstellen. Ein Sachverhalt kann somit sowohl in den Geltungsbereich des FGG als auch in den Geltungsbereich des BPS fallen. Da die materielle Beurteilung gestützt auf diese beiden Gesetze auf unterschiedlichen Kriterien beruht, ist es vorhersehbar, dass solche Überschneidungen zu Kohärenzproblemen bei der Anwendung der verschiedenen Rechtsgrundlagen führen. Es soll daher im BPS die Grundlage dafür geschaffen werden, dass Sachverhalte, die sowohl unter den Geltungsbereich des BPS als auch unter den Geltungsbereich des FGG fallen, materiell koordiniert werden können, wie das bereits heute im Verhältnis zum GKG, KMG und EmbG der Fall ist. Der Bundesrat sieht daher vor, Artikel 8a der Verordnung vom 24. Juni 201552 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen, in welchem die Meldepflicht im Zusammenhang mit dem KMG und GKG geregelt ist, entsprechend anzugleichen.

Artikel 28 BPS soll sodann um einen neuen Absatz 3 ergänzt werden. Damit alle relevanten Informationen zur Beurteilung eines Gesuchs respektive einer Meldung zur Verfügung stehen, sollten die Strafbehörden die Bewilligungsbehörde zeitnah über die von ihnen erlassenen Entscheide im Anwendungsbereich des GKG, des KMG, des FGG, des WG, des SprstG, und des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen informieren.

Bundesgesetz über aussenwirtschaftliche Massnahmen Da das neue FGG einen jährlichen Bericht über die Gesetzesanwendung vorsieht, ist
Artikel 10 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen anzupassen, zur Aufnahme des neuen Gesetzes in die Liste der jährlichen Berichte zur Aussenwirtschaftspolitik.

Güterkontrollgesetz Die Bestimmungen des neuen FGG sollen den Bestimmungen des GKG vorgehen.

Artikel 2 GKG ist deshalb um die Foltergütergesetzgebung zu ergänzen. Damit entfallen natürlich die Verweigerungsgründe der Güterkontrollgesetzgebung, die jedoch 52

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ihrerseits nicht auf Foltergüter zugeschnitten sind. An ihre Stelle treten die Verweigerungsgründe des neuen Gesetzes.

Zwei Änderungen des GKG betreffen nur den französischen Text: ­

zur Präzisierung des Begriffs der Vermittlung (Artikel 3 Buchstabe e);

­

zur grammatikalischen Korrektur und der Verdeutlichung der Formulierung (Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe e).

Das SECO kann ordentliche und ausserordentliche Generalausfuhrbewilligungen erteilen. Damit es prüfen kann, ob die Voraussetzungen zu einer Erteilung einer Generalausfuhrbewilligung überhaupt erfüllt sind, ist es wichtig, dass die Strafbehörden zeitnah und von sich aus über die von ihnen erlassenen Entscheide im Anwendungsbereich des genannten Gesetzes, des KMG, des WG, des Kernenergiegesetzes vom 21. März 200353, des BPS, des SprstG, des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen und des FGG informieren. Artikel 19 GKG ist deshalb um einen neuen Absatz 2 zu ergänzen. Absatz 1 derselben Bestimmung soll sodann sprachlich schlanker gefasst werden.

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Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Für die Umsetzung des Gesetzes ist keine neue Behörde zu schaffen. Das Gesetz kann in den bestehenden Behördenstrukturen umgesetzt werden. Es ist mit keinen zusätzlichen Stellen zu rechnen.

Zur Frage der Anzahl erwarteter Gesuche ist ein Vergleich mit der EU hilfreich. Dort wurden gemäss dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament vom 31. Oktober 2022 für Arzneimittel und Güter, welche zur Folter verwendet werden könnten, im Jahr 2017 295, im Jahr 2018 231, im Jahr 2019 285, im Jahr 2020 247 und im Jahr 2021 275 Bewilligungen erteilt.54 Seit dem Inkrafttreten von Artikel 21 HMG stellt Swissmedic nur noch wenige Bewilligungen pro Jahr aus: so waren es im Jahr 2019 deren 8, 2020 deren 13, 2021 deren 3 und 2022 deren 6. Vor diesem Hintergrund wird mit Inkrafttreten der Vorlage eine überschaubare Anzahl neuer Gesuche erwartet.

Die Verfolgung strafbarer Widerhandlungen gegen die neue Gesetzgebung soll der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Auch wenn vorab nicht abzuschätzen ist, mit wie vielen einschlägigen Fällen zu rechnen sein wird, stellt diese Ausweitung der Bundesgerichtsbarkeit eine weitere neue Aufgabe für die Strafverfolgungsbehörden des Bundes dar. Falls es sich später einmal erweisen sollte, dass sich für die Strafbehörden des

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SR 732.1 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Ausfuhrgenehmigungen im Jahr 2021 nach der Verordnung über den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten. Abrufbar unter eur-lex.europa.eu > Search > COM(2022) 567 final.

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Bundes ein erheblich erhöhter Ressourcenbedarf ergibt, so müssten beim Parlament zu gegebener Zeit allenfalls zusätzliche Mittel beantragt werden.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebieten sind keine ersichtlich.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des neuen Gesetzes werden als gering eingestuft, da die Anzahl der vom Gesetz betroffenen Unternehmen bescheiden sein dürfte. Die volkswirtschaftliche Bedeutung, namentlich des Exports von Foltergütern ins Ausland, darf als gering veranschlagt werden.

Die 2019 erfolgte Machbarkeitsstudie des Europarats ergab, dass es in den Mitgliedstaaten des Europarats eine kleine Anzahl von Unternehmen gibt, die Güter herstellen, bewerben oder damit handeln, die für Folter missbraucht werden könnten. Die Studie identifizierte ein Schweizer Unternehmen, das für am Körper getragene Elektroschockgeräte warb. Darüber hinaus stellten im Zeitraum von 2014­2018 Unternehmen in mindestens 27 Mitgliedstaaten des Europarats, darunter auch in der Schweiz, Mittel zur Bekämpfung von Ausschreitungen für die Verwendung durch Strafverfolgungsbehörden her oder bewarben diese.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Das Verbot des Handels mit Gütern zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zwecke der Folter und die Beschränkung des Handels mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zwecke der Folter verwendet werden können, tragen zur Wahrung der Menschenrechte weltweit bei.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Umwelt.

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7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 und 2 der BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist und zur Achtung der Menschenrechte beitragen soll, sowie auf die Strafgesetzgebungskompetenz des Bundes. Der Erlass eines Foltergütergesetzes liegt in der Zuständigkeit des Bundes und erfüllt diese aussenpolitische Zielsetzung, indem das Gesetz den grenzüberschreitenden Handel mit Gütern regelt, die zur Verletzung der Menschenrechte verwendet werden können.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage soll die Europaratsempfehlung vollständig umsetzen, womit das Engagement der Schweiz zur Verhinderung von Todesstrafe und Folter bekräftigt werden kann.

Die Einführung einer neuen Ausfuhrkontrolle von Gütern steht im Spannungsverhältnis zum Recht der Welthandelsorganisation (WTO), insbesondere zu verschiedenen Bestimmungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens vom 30. Oktober 194755 (GATT), unter anderem zum Prinzip der Meistbegünstigung in Artikel I und zur Verpflichtung, mengenmässige Ausfuhrbeschränkungen abzubauen in Artikel XI.

Allerdings kennt das WTO-Recht eine Ausnahme für den Schutz menschlichen Lebens und den Schutz der menschlichen Gesundheit (Artikel XX (b) GATT).

Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 22. Juli 197256 gilt seinerseits mit Ausnahmen für Güter unter Kapitel 25­97 des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Kodierung der Waren (Artikel 2). Darunter fallen auch die Güter, welche von der neuen Gesetzgebung erfasst sein werden. Das Abkommen erlaubt keine neuen mengenmässigen Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen (Artikel 13 und 13A). Einfuhr-, Ausfuhrund Durchfuhrverbote oder -beschränkungen sind jedoch erlaubt, wenn es darum geht, die Gesundheit und das Leben des Menschen zu schützen (Artikel 20).

Auch das Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation vom 4. Januar 196057 enthält eine entsprechende Bestimmung (Artikel 13).

Die Vorlage steht damit nicht im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz.

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SR 0.632.21 SR 0.632.401 SR 0.632.31

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7.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen, insbesondere jene, die verfassungsmässige Rechte berühren, in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Der Gesetzesentwurf sieht Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit sowie Strafbestimmungen vor.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Der Gesetzesentwurf führt nicht zu Ausgaben, die der Ausgabenbremse unterstehen (Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV).

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Das Subsidiaritätsprinzip und das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz werden von der Vorlage nicht tangiert.

7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Der Gesetzesentwurf sieht weder Finanzhilfen noch Subventionen vor.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Gesetzesentwurf ermächtigt den Bundesrat, gesetzesergänzendes Verordnungsrecht über den Handel mit Foltergütern zu erlassen, welches die Details des Bewilligungsverfahrens und des Kontrollwesens und die Bezeichnung der zuständigen Behörden regeln soll.

7.8

Datenschutz

Gestützt auf Artikel 57h des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199758 darf die zuständige Behörde zur Verwaltung ihrer Dossiers ein automatisiertes Datenbearbeitungssystem betreiben. Im Falle dieses Gesetzes handelt es sich um das elektronische Bewilligungssystem für die Erfassung und Bearbeitung von Gesuchen unter dem neuen Gesetz. Auf die Personendaten haben ausschliesslich die Mitarbeitenden der zuständigen Behörden Zugriff, die diese Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben zwingend benötigen (siehe die Erläuterung unter Artikel 13). Die Daten,

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die an ausländische Behörden übermittelt werden dürfen, sind in Artikel 14 Absatz 2 beschrieben.

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