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Schweizerisches Bundesblatt.

XXVI. Jahrgang. II.

Nr. 33.

25. Juli 1874.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r ü k u n g s g e b ü hr per Zeile 15 Rp. -- Inaerate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Chicago (Hrn. Heinrich Enderis, von Schaffhausen) über das Jahr 1873.

(Vom 30. März 1874.

Eingegangen am 22. April 1874.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit. !

In seiner Aufgabe, die westliche Handelsmetropole der Ver.

Staaten zu sein, hat Chicago trotz der Finanzkrisis, die auch hier sich bedeutend fühlbar machte, im Jahr 1873 einen großen Soliritt vorwärts gethan. Die Banken und größern Geschäftshäuser hielten den unerwarteten Anprall vortrefflich aus. Von 36 BankInstituten suspendirten bloß 4. Von diesen öffneten zwei im Verlaufe einiger Tage ihre Thüren wieder, zwei gingen in Liquidation, und nur bei einem erlitten die Gläubiger einen theilweisen Verlust. -- Der E n g r o s - H a n d e l übertraf die kühnsten Erwartungen.

Der Gesammtwerth landwirtschaftlicher Erzeugnisse, als : Getreide, Mehl, Vieh, Butter, Wolle, Alcohol und Fleisch, welche von hier verschifft wurden, belief sich auf 180 Millionen Dollars. Diesem glücklichen Unistaude ist die Solidität unserer Finanzverhältnisse zu verdanken, indem durch diese Versendungen die Handelsbilanz mit dem Osten mehr als ausgeglichen wird. Der Umsatz an Schlachtvieh betrug 91,321,162 Dollars und übertrifft somit den eines jeden andern Marktes der Erde. Mit dem Holz- und Getreidehandel Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. II.

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550 ist dieses schon längst der Fall. -- Seit in Chicago ein Vereinigtes Staaten-Zollamt errichtet ist, hebt sich der d i r e k t e V e r k e h r mit E u r o p a von Jahr zu Jahr. Anno 1873 wurden von dort Waaren im Werth von 3,699,852 mit einem darauf haftenden Zoll von 1,535,631 importirt. Darunter stehen oben an: Ellenwaaren, Roheisen, Salz, Glasscheiben, Teppiche, Früchte, Cigarren und Tabak, Eisenwerk, Soda, Porzellan und Glaswaaren, Galanteriewaaren, Weine, Bücher, Messer und Scheeren, Droguen, Putzwaaren, Stahl. E x p o r t i r t wurde Getreide, Mehl, Fett, Käse und Fleisch im Gesammtgewicht von 132,474 Tonnen (à 2000 ö>).

73 ausländische Schiffe liefen in hiesigen Hafen ein, während der Küstenhandel durch die aus 647 Fahrzeugen bestehende Chicagoer Handelsmarine vermittelt wurde.

Die Preise der Produkte waren für den Farmer im Allgemeinen zufriedenstellend und lohnend; dagegen arbeiten unsere Kaufleute nicht mehr mit so viel Nutzen als in frühern Jahren. Die unverhältnißmäßig zunehmende Conkurrenz und das Monopol-System der Großen übt auf die Verkaufspreise im Detail einen empfindlichen Druk aus und bereitet den kleinern Geschäftsleuten einen harten Stand. Wem es an einer zahlreichen Bekanntschaft und Capital gebricht, wird besser thun, sein Glück an einem kleinern Platz zu versuchen. -- Chicago besitzt jetzt circa 430,000 Einwohner mit circa 15,000 Geschäftsfirmen, 200 Kirchen, 80 Zeitungen und periodische Schriften, 31 Eisenbahn-Compagnien, 1100 Straßen etc. etc. Am stärksten sind folgende Geschäftsbranchen vertreten: Colonialwaarenhändler .

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. circa 1200 Kosthäuser ,, 700 Land-Agenten .

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. 700 Rechts-Anwälte ,,600 Aerate .

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,, 600 Commissions-Geschäfte .

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,, 500 Fleischer ,, 500 Schneider ,, 400 Schuhmacher ,, 300 Ellenwaarenhändler .

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. 300 Cigarrenhändler ,, 3 0 0 Schuh- und Stiefelhändler ,, 350 Schneiderinnen für Damenkleider .

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,, 250 Barbiere ,, 250 Notare .

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. ,, 200 Maler .

,, 200 Putzmacherinnen .

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. ,, 200 Restaurationen .

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· M 200

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Weinhändler .

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. circa 200 Eisenhäudler ., 200 Herrenklciderhändler ,, 200 Cigarrenfabriken .

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,, 150 Möbelhäridler , KiO Mehl- und Futterhändler .

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,, 150 Galanteriewaarenhändler . . . . . . 150 Holz- u n d Kohlenhändler . . . . . . . 140 Hôtels -,110 Grobschrniede .

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,., 1 3 0 Bauholzhändler .

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. 200 Buch- und Schreibmaterialienhändler .

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,, 160 Feucrversicherungskompagnien .

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,, 110 Buchdruckercien ,,,100 Die L ö h n e sanken im Jahre 1873 um 25 bis 50°/o. Namentlich war für Bauleute und den gewöhnlichen Taglöhner der Verdienst nicht so gut als im vorhergehenden Jahre, da bedeutend weniger gebaut wurde. Das Centrum des Geschäftstheiles ist jetzt ziemlich vollständig wieder aufgebaut. Die neuen Gebäude, enthalten doppelt und dreifach so viel Räume als diejenigen, welche vor dem Feuer den gleichen Platz bedeckten. Die Kapazität für Geschäftslokale hat in Folge dessen in einem Grade zugenommen, wozu vor dem Feuer oder ohne diesen Zwischenfall wohl 10 Jahre erforderlich gewesen wären.

Es ist deßhalb nicht zu verwundern, daß noch manche Räumlichkeiten eines Miethers harren und die Baulust für den Augenblick gedämpft ist.

Auch unter den F a b r i k s t ä d t e i i der Union spielt Chicago schon jetzt eine bedeutende Rolle. Es sind im Durchschnitt im Fabrikbetrieb mehr als 50,000 Personen beschäftigt. Nach genauen Schätzungen beläuft sicli das in industriellem Betrieb angelegte Kapital auf 45,000,000 Dollars, und nach den zur /eit in Aussicht genommenen Fabrikanlagen wird dasselbe im Jahre 1875 muthmaßlieh über 50,000,000 betragen. Dabei sind noch nicht eingerechnet die bedeutenden Fabriken in unsern Vorstädten, obwohl alle diese in Händen von Chicago Unternehmern sind, von hier geleitet werden und ihre Produkte hier ihren Markt finden.

Nach offiziellen statistischen Angaben wuchs das Kapital für den Fabrikbetrieb von 1860 bis 1870 in New-York um 212 Prozent, in Philadelphia um 238 Prozent und in Chicago um 707 Prozent.

Der Umsatz in G r u n d e i g e n t u m (Bauplätzen mit und ohne Häuser) belief sich auf 80 Millionen Dollars. Diese bilden hier einen Handelsartikel wie irgend eine Waare. Bei der raschen

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Ausdehnung der Stadt und der beinahe mathematischen Sicherheit, mit der man auf Werthsteigerung rechnen kann, wirft sich die Spekulation zu einem bedeutenden Grade auf dieses Feld. ChicagoH y p o t h e k e n auf Grundeigenthum sind gesuchte Wertpapiere ; ein großer Theil östlichen, selbst europäischen Kapitals ist in solchen angelegt.

Der g e w a l t i g e P o s t v e r k e h r , welchen Chicago erreicht hat, dürfte die Größe der kommerziellen Thätigkeit dieser Stadt bestätigen. Im Jahre 1873 gingen nicht weniger als 71 Millionen Briefe durch das Postamt, Circulare, Pakete, Zeitungen ete. nicht Inbegriffen. Der Geldumsatz in Postanweisungen betrug: für das Inland .

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$ 10,471,946. 28 ,, Deutsch -- International .

,, 74,313. 72 ,, Brittisch -- ^ · ,, 80,815. 42 ,, Schweizer -- ,, ,, 4,993. 66 $ 10,632,069. 08 Einwanderung und Arbeiterstand.

Nicht so glücklich als der Handelsstand widerstand die Arbeiterklasse der im September eingetretenen Krisis. Namentlich schlimm traf es diejenigen, welche von Hand zu Hand leben. Wurde schon vorher über schlechte Zeiten geklagt, so trat jetzt mit einem Schlag vollständige Verdienstlosigkeit und Stagnation der Geschäfte ein, welche durch die bald darauf folgende Wintersaison zu einer anhaltenden wurde. Die hohen Löhne in den Jahren 1871 und 1872 zogen eine große Anzahl Arbeiter hieher. Der Arbeitermarkt ist nun überfüllt; die Arbeitslöhne sinken in Folge dessen, und es droht ein Proletariat heran zu wachsen, das jeden Winter der Stadt und dem Publikum zur Last fallen wird. Der Andrang von Hülfesucheudon an die öffentlichen und Privatwohlthätigkeitsanstalten war vom Dezember bis Februar enorm, in einem gewissen Grade intensiver als nach dem Feuer. Hätte nicht die ,,Relief und Aid Society* noch circa ,$ 600,000 aus dem Feuer-Unterstützungsfoud in Verwaltung gehabt, womit sie in die Bresche trat, so ist gar nicht abzusehen, wie man durchgekommen wäre. In dem Bureau der deutschen Gesellschaft sprachen von Mitte Dezember 1873 bis Mitte Februar 1874 3208 Personen zu, darunter 2057 Arbeitsuchende, dagegen nur 4*6 A r b e i t g e b e r . Der Vorstand der deutschen Gesellschaft beschloß dann auch, durch Flugblätter in Deutschland und den Einwanderungshäfen das Möglichste zu thun, um dem Arbeiterstand die falschen Ansichten über die gegen-

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wärtig; n Erwerbsquellen in Chicago zu benehmen, damit nicht Tanser de und Taugende hieher gelockt werden, welche Arbeit und Unterhalt fordern, die wir ihnen nicht bieten können.

Die direkte Einwanderung von Europa war nicht so stark wie in frühem Jahren, auch Schweizer reisten weniger hier durch; doch ehlte es wiederum nicht an einer Anzahl solcher, die auf die le chtfertigste Weise planlos, durch ihre Gemeinden zum Theil durch Beiträge dazu aufgemuntert, die Heimat verließen, mit kleinen , Kinde n hier ankamen o h n e e i n e n Cent., um weiter ins Land zu reisen, oder sich hier häuslich einrichten zu können. Nach Allen", was schon über Amerika publizirt worden ist, und was Einem" schon der gesunde Menschenverstand eingeben sollte, möchte es Einem beinahe bedünken, als ob solche Leute aus dem Irrenhaus kämen. Auch für ledige Leute kann nicht genug hervorgehoben werden, daß auch sie anfänglich auf Verdienstlosigkeit vorbereitet sein müssen, daß ihnen hier zu Lande; Niemand helfen kann, und daß Niemand nach Amerika auswandern sollte, der nicht die p h y s i s c h e und m o r a l i s c h e Kraft besitzt, erforderlichen Falles schwere Farmarbeit zu verrichten und sich über Stand und Bildung hinweg zu setzen. Wer seine Carrière nicht damit anzufangen im Stande oder Willens ist, taugt nicht für dieses Land.

Die s c h w e i z e r i s c h e W o h l t h ä t i g k e i t s - G e s e l l s c h a f t , im Verein mit der deutschen Gesellschaft, mit welcher sie Hand in Hand arbeitet, leistete auch im verflossenen Jahre manchem armen Schweizer Beistand, so weit als es die beschränkten Mittel erlaubten. Natürlich können solche Hülfeleistungen nur momentaner Natur sein und müssen sich auf die dringendsten Fälle beschränken. -- Kein Schweizer sollte versäumen, baldmöglichst nach seiner Ankunft in Amerika sich einem Grütliverein anzuschließen. Es bestehen solche im ganzen Lande. 35 Seetionen haben sich sogar zu einem engern Bund vereinigt, und letztes Jahr eine gegenseitige Sterbekasse gegründet unter dem Namen ,,Winkelried-Stiftung", aus welcher die Erben des Verstorbenen 500 Dollars erhalten.

Auch der Schweizer Männerchor in Chicago ist recht erstarkt; und pflegt unter den hiesigen Schweizern vaterländisches Leben.

Schließlich dürfte noch erwähnt werden, daß letzten Sommer unweit Chicago auf der St. Louis Eisenbahn ein Zusammenstoß zweier Züge statt fand, wobei 30 Personen schwer verwundet und getödtet wurden. Es befanden sich unter diesen Unglücklichen

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drei Schweizer, 2 Tessiner, die sich im Spital wieder erholten und auch von der Eisenbahn-Compagnie entschädigt wurden; dagegen wurde ein gewisser J. Kundert getödtet. Da derselbe fremd und nur auf der Durchreise begriffen war, so konnte seine Identität erst nach einigen Monaten festgestellt und Ansprüche geltend gemacht werden. Den Bemühungen des diesseitigen Konsulates gelang es denn auch, zu Händen der im Kanton Glarus hinterlassenen Familie des Verstorbeneu von der Eisenbahn-Compagnie eine Entschädigungssumme von Fr. 8000netto zu erwirken, welche die arme Familie gegen Noth schützen wird.

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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Manila (Hrn. Karl Germann, von St. Gallen) für das Jahr 1873.

(Vom 30. April 1874.

Eingegangen am 10. Juli 1874.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Handelslage im Allgemeinen.

Obschon die offiziellen Einfuhrtabellen von 1872 und 1873 noch nicht veröffentlicht sind, so kann doch ziemlich sicher angenommen werden, daß die Einfuhr während 1873, dem Vorjahre gegenüber, sich verminderte. Dadurch wurde es möglich, die bedeutenden alten Vorräthe von Manufakturen etwas zu lichten und

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Bericht des schweiz. Konsuls in Chicago (Hrn. Heinrich Enderis, von Schaffhausen) über das Jahr 1873. (Vom 30. März 1874. Eingegangen am 22. April 1874.)

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25.07.1874

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