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Nachkontrolle: Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 14. November 2023

2023-3459

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Das Wichtigste in Kürze Die GPK-S befasst sich in diesem Bericht mit der Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen.

Zum einen informiert die Kommission über die Umsetzung der Empfehlungen, die sie 2018 gestützt auf eine Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) formuliert hat. Im vorliegenden Bericht gelangt sie zum Schluss, dass die Datengrundlagen für die Beteiligung an Wirtschaftssanktionen verbessert wurden und der Warenverkehr genauer kontrolliert wird, insbesondere im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland. Inwieweit die Überwachung und die Kontrolle des Warenverkehrs im Fall von anderen Sanktionsverordnungen verstärkt worden sind, ist nach Ansicht der Kommission jedoch weniger klar.

Zum anderen beurteilt die GPK-S die Umsetzung der spezifischen Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine. Diesbezüglich zeigt sie sich erfreut über die rasche Übernahme der EU-Sanktionen durch den Bundesrat. Weiter anerkennt sie die Arbeit des SECO, das hinsichtlich seiner Ressourcen mit grossen Herausforderungen konfrontiert ist. Sie nimmt zur Kenntnis, dass die Kontrollen in der Anfangsphase aufgrund der grossen Arbeitsbelastung nicht verstärkt werden konnten, geht aber davon aus, dass ­ wie vom Bundesrat angekündigt ­ die Häufigkeit der Kontrollen künftig erhöht wird, um die Wirksamkeit der Sanktionen zu verbessern.

Schliesslich übt die GPK-S Kritik daran, wie die Kantone in die Umsetzung der Sanktionen einbezogen wurden, namentlich im Hinblick auf die Meldepflicht. Mehrere Kantone waren in der Anfangsphase nicht im Bild über ihre Rolle und gewisse Gesetzesbestimmungen waren für sie vor der Klärung durch den Bund unklar. Die GPK-S hat deshalb neue Empfehlungen formuliert, mit dem Ziel, der Rolle der Kantone in den Rechtsgrundlagen über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen besser Rechnung zu tragen.

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Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

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Einleitung

5

2

Umsetzung der Empfehlungen der GPK 2.1 Empfehlung 1 der GPK-S 2.1.1 Stellungnahme des Bundesrates 2.1.2 Einschätzung der GPK-S 2.2 Empfehlung 2 der GPK-S 2.2.1 Stellungnahme des Bundesrates 2.2.2 Einschätzung der GPK-S 2.3 Empfehlung 3 der GPK-S 2.3.1 Stellungnahme des Bundesrates 2.3.2 Einschätzung der GPK-S 2.4 Empfehlung 4 der GPK-S 2.4.1 Stellungnahme des Bundesrates 2.4.2 Einschätzung der GPK-S 2.5 Empfehlung 5 der GPK-S 2.5.1 Stellungnahme des Bundesrates 2.5.2 Einschätzung der GPK-S 2.6 Zwischenfazit

3

Umsetzung der Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine 3.1 Rechtsrahmen 3.2 Vereinbarkeit der Sanktionen mit dem Neutralitätsrecht 3.3 Verfahren und Beschlüsse zur Übernahme der EU-Sanktionen durch den Bundesrat 3.3.1 Güterabwägung bei der Übernahme der Sanktionen 3.3.2 Geschwindigkeit der Übernahme der Sanktionen 3.3.3 Liste der sanktionierten Personen 3.4 Koordination und Überwachung des Vollzugs der Sanktionen 3.4.1 Ressourcen des SECO 3.4.2 Verbesserung der Prozesse 3.4.3 Kontrollen 3.5 Umsetzung der Meldepflicht nach Artikel 16 der Ukraine-Verordnung 3.5.1 Umsetzung der Meldepflicht durch die Banken 3.5.2 Umsetzung der Meldepflicht durch Anwältinnen und Anwälte 3.5.3 Umsetzung der Meldepflicht durch die Kantone 3.5.3.1 Kantonale Steuerämter 3.5.3.2 Grundbuchämter

6 6 7 7 7 8 9 10 10 10 11 11 12 12 13 14 14 14 15 15 17 17 18 19 19 20 20 21 22 23 23 24 25 26

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Einschätzung der GPK-S 4.1 Übernahme der Sanktionen 4.2 Rolle der Anwältinnen und Anwälte bei der Umsetzung der Sanktionen 4.3 Rolle der Kantone bei der Umsetzung der Sanktionen 4.4 Rolle des SECO bei der Umsetzung der Sanktionen 4.5 Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit

27 27 28 28 31 32

Fazit 33

Abkürzungsverzeichnis

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Bericht 1

Einleitung

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) beauftragten die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) am 28. Januar 2016 damit, die Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen zu evaluieren. Diese Evaluation1 wurde der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) am 9. November 2017 zugestellt.

Die PVK stellte fest, dass die Bundesverwaltung die Anträge an den Bundesrat für die Beteiligung an Sanktionen in angemessener Weise erstellt. Gemäss PVK bestehen jedoch verschiedene Vollzugsdefizite und Mängel bei der Steuerung und Überwachung der Sanktionspolitik insgesamt, auch wenn die Sanktionen von den Wirtschaftsakteuren weitestgehend eingehalten werden.

Am 19. Oktober 2018 verabschiedete die GPK-S gestützt auf diese Evaluation ihren Bericht über die Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen2. Sie formulierte darin fünf Empfehlungen zuhanden des Bundesrates. Nach der Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Dezember 20183 veröffentlichte die GPK-S am 26. März 2019 einen Kurzbericht4 und schloss damit ihre Inspektion ab.

Nachdem Russland zwei ukrainische Regionen als unabhängige Staaten5 anerkannt und die Ukraine militärisch angegriffen hatte, beschloss der Bundesrat am 28. Februar 2022, die Sanktionen der EU gegen Russland zu übernehmen und somit deren Wirkung zu verstärken.6 Die GPK des Nationalrates (GPK-N) und die GPK-S erhielten im März 2022 nähere Informationen zu diesem Entscheid und stellten dem Bundesrat verschiedene Fragen betreffend die Umsetzung der Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine. Am 5. April 2022 leitete die GPK-S ihre Nachkontrolle zur Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen wie ursprünglich vorgesehen ein.7 Die GPK beschlossen, dass sich die GPK-S im Rahmen dieser Nachkontrolle auch mit gewissen Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine befassen soll.

1 2 3 4 5 6

7

Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen. Bericht der PVK zuhanden der GPK-S vom 9.11.2017 (BBl 2019 1825; im Folgenden: «Evaluation der PVK vom 9.11.2017»).

Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen. Bericht der GPK-S vom 19.10.2018 (BBl 2019 1811).

Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen. Bericht der GPK-S vom 19.10.2018.

Stellungnahme des Bundesrates vom 19.12.2018 (BBl 2019 1881).

Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen. Kurzbericht der GPK-S vom 26.3.2019 (BBl 2019 3293).

Ost-Ukraine: Bundesrat verurteilt völkerrechtswidriges Vorgehen Russlands, Medienmitteilung des Bundesrates vom 23.2.2022.

Situation in der Ukraine: Schweiz weitet ihre Massnahmen aus, Medienmitteilung des Bundesrates vom 25.2.2022; Schweiz übernimmt EU-Sanktionen gegen Russland, Medienmitteilung des Bundesrates vom 28.2.2022.

Jahresprogramm der GPK vom 25.1.2022, Punkt 36, www.parlament.ch > Services > News > GPK und GPDel veröffentlichen ihren Jahresbericht 2021 sowie ihr Jahresprogramm 2022 (aufgerufen am 2.2.2023).

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Die GPK-S informiert im vorliegenden Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen von 2018 (Ziff. 2). Im ersten Teil beurteilt sie die Stellungnahme des Bundesrates (Schreiben vom 3. Juni 20228) und die Umsetzung der Empfehlungen der GPK-S durch den Bundesrat. Im zweiten Teil geht die GPK-S auf die im Jahr 2022 parallel durchgeführten Arbeiten zur Umsetzung der Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine ein (Ziff. 3 und 4). Sie nimmt eine Einschätzung bestimmter Aspekte vor, unter anderem der Koordination und Überwachung des Vollzugs der Sanktionen durch das SECO sowie der Umsetzung der Meldepflicht gemäss Artikel 16 der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine9 (im Folgenden «Ukraine-Verordnung» genannt).

2

Umsetzung der Empfehlungen der GPK

In diesem Kapitel stellt die GPK-S die Empfehlungen10 vor, die sie 2018 gestützt auf eine Evaluation der PVK11 formuliert hatte, sowie die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Juni 202212 zur Umsetzung dieser Empfehlungen. Nach jeder Empfehlung nimmt sie eine Einschätzung der Umsetzung durch den Bundesrat vor.

2.1

Empfehlung 1 der GPK-S

Empfehlung 1

Transparente Anwendung der Kriterien für Güterabwägung

Die GPK-S lädt den Bundesrat ein, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, damit die Relevanz der einzelnen Kriterien zur Abwägung der Übernahme bzw.

Nichtübernahme von EU-Sanktionen künftig im konkreten Anwendungsfall systematisch geprüft und der Bundesrat über das Resultat informiert wird.

Die Evaluation der PVK von 2017 hatte gezeigt, dass in den Aussprachepapieren zuhanden des Bundesrates nicht alle Kriterien, auf welche dieser seine Entscheide für die Beteiligung an EU-Sanktionen stützen muss, systematisch und transparent aufgeführt werden. Zu diesem Punkt bestanden 2019 beim Abschluss der Inspektion Differenzen zwischen dem Bundesrat und der GPK-S. Letztere wünschte, dass alle Kriterien in den Anträgen zuhanden des Bundesrates zumindest erwähnt werden.

8 9 10 11 12

Einleitung der Nachkontrolle zur Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen, Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022.

Verordnung vom 4.3.2022 über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72).

Bericht der GPK-S vom 19.10.2018 (BBl 2019 1811).

Evaluation der PVK vom 9.11.2017 (BBl 2019 1825).

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022.

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2.1.1

Stellungnahme des Bundesrates

In seinem Schreiben vom 3. Juni 202213 erklärt der Bundesrat, dass nicht immer alle Kriterien in allen Situationen relevant sind. Weiter hält er fest, dass es sich bei der Güterabwägung nicht um eine klar festgelegte Gewichtung gewisser Kriterien, sondern um eine Einzelfallabwägung handelt. So könnten einzelne Kriterien in einem spezifischen Fall höher gewichtet werden als in einem anderen Fall, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamtsituation. Daher erkennt der Bundesrat wie bereits 201814 keinen Korrektur- oder Handlungsbedarf.

Das WBF äusserte im Zusammenhang mit Russlandsanktionen ebenfalls die Meinung, dass sich die Kriterien als zufriedenstellend erwiesen haben und deshalb kein Anpassungsbedarf besteht.15

2.1.2

Einschätzung der GPK-S

Die GPK-S stellt fest, dass der Bundesrat nicht bereit ist, ihre Empfehlung 1 umzusetzen. Grundsätzlich versteht sie das Argument des Bundesrates, dass die Güterabwägung eine Einzelfallabwägung ist. Trotzdem erachtet sie es nach wie vor als wichtig, dass in den Anträgen an den Bundesrat alle Kriterien aufgelistet werden, selbst wenn diese mit dem Hinweis «gelangt nicht zur Anwendung» versehen sind. Nach Ansicht der GPK-S ist nur so die Vollständigkeit der Informationen sichergestellt. Sie fordert daher den Bundesrat auf, diese Empfehlung soweit wie möglich umzusetzen und wird in einer späteren Nachkontrolle auf diesen Punkt zurückkommen.

2.2

Empfehlung 2 der GPK-S

Empfehlung 2

Zweckmässige Kontrollinstrumente und angemessene Anwendung

Die GPK-S fordert den Bundesrat dazu auf, die bestehenden Kontrollinstrumente auf ihre Zweckmässigkeit hin zu überprüfen und, wo nötig, durch angemessene Instrumente zu ersetzen. Weiter soll er dafür sorgen, dass die Leistungsaufträge der Zollstellen zwecks besserer Anreizschaffung für Kontrollen im Bereich der Sanktionen überarbeitet werden. Ausserdem fordert die GPK-S den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die bestehenden Kontrollinstrumente zweckdienlich angewendet werden.

Die PVK hatte bei den Sanktionskontrollen an der Grenze und den vom SECO durchgeführten Kontrollen Mängel festgestellt. Die GPK-S empfahl deshalb, die Kontrol13 14 15

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 2.

Stellungnahme des Bundesrates vom 19.12.2018 (BBl 2019 1881 1884).

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 6.

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linstrumente auf ihre Zweckmässigkeit hin zu überprüfen. Der Bundesrat verzichtete gemäss seiner Stellungnahme von 201816 zwar auf eine allgemeine Überprüfung der Zweckmässigkeit der Instrumente, kündigte aber an, dass mit der neuen Frachtapplikation im Rahmen des Programms DaziT neue technische Möglichkeiten zur Verfügung stehen und die Kontrollen verstärkt werden. Er informierte die GPK-S zudem, dass dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) konkrete Ziele für den Vollzug der Embargomassnahmen vorgegeben wurden.

2.2.1

Stellungnahme des Bundesrates

Laut Bundesrat hat das SECO die gezielten Kontrollen in gewissen Bereichen verstärkt.17 So seien beispielsweise Anfang 2021 sämtliche Importeure von Feuerwaffen mit russischem Ursprung aus der EU angeschrieben und um den Nachweis des legalen Imports in die EU gebeten worden. Zudem habe das SECO 2020 gestützt auf eine Anfrage des Expertenpanels für die Libyen-Sanktionen des UN-Sicherheitsrates zur Umsetzung des Rüstungsgüterembargos die Überwachung des Luftraums angestossen. In beiden Fällen seien jedoch keine Verstösse gegen die einschlägigen Verordnungsbestimmungen entdeckt worden. Für die Kontrolle des Rohdiamantenhandels sei ein auf Stichproben beruhendes Konzept erarbeitet und die entsprechende Datenbank ausgebaut worden, womit heute unter anderem eine gezieltere Überwachung von Importeuren und Exporteuren sowie von verdächtigen Preisunterschieden möglich sei.

Unangekündigte Kontrollen erachtet der Bundesrat als wenig zweckdienlich.18 Seiner Ansicht nach wäre es schwierig, festzulegen, wo solche Kontrollen vorgenommen werden sollen. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Exportkontrolle, in denen eine abschliessende Zahl von Unternehmen bewilligungspflichtige Güter ausführt und das SECO somit zielgerichtete Kontrollen durchführen könne, richteten sich Sanktionen an alle Personen, Unternehmen und Organisationen in der Schweiz. Deshalb seien Abklärungen auf der Grundlage von Verdachtsmomenten weitaus zielführender und kämen auch Vor-Ort-Kontrollen in Betracht.

Das BAZG habe seine Instrumente für die Grenzkontrollen unmittelbar nach der Evaluation der PVK mittels organisatorischer und IT-basierter Massnahmen optimiert.

Diese Anpassungen seien unabhängig von DaziT vorgenommen worden, da das neue Warenverkehrssystem erst ab Juni 2023 (Aus- und Durchfuhr) beziehungsweise ab Januar 2025 (Einfuhr) zur Anwendung gelangt. Die Zollprüfung und -überwachung erfolgten gezielt, indem in den IT-Systemen zentrale Selektionsregeln19 hinterlegt würden, die von Sanktionen betroffene Sendungen sperren und je nach Sanktionsregime eine Kontrollempfehlung oder eine Kontrollanordnung auslösen.

16 17 18 19

Stellungnahme des Bundesrates vom 19.12.2018 (BBl 2019 1881).

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 3.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 3.

Siehe Art. 17 der Zollverordnung des BAZG vom 4.4.2007 (ZV-BAZG; SR 631.013).

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Die konkrete Zielvorgabe des BAZG im Bereichen der Wirtschaftssanktionen20 umfasse das Aufdecken von Verstössen gegen das Embargogesetz (EmbG)21 sowie gegen das Waffen-, Kriegsmaterial- und Güterkontrollrecht. Die Ziele seien in den letzten Jahren mehrheitlich erreicht worden, weil das BAZG aufgrund des Onlinehandels sehr viele Waffen im Sinne des Waffengesetzes (WG)22 aufgreift. Der Bundesrat rechnete damit, dass im Jahr 2022 aufgrund der Lage in der Ukraine erheblich mehr Embargoverstösse auftreten würden. Das BAZG kann nach Ansicht des Bundesrates seinen Vollzugsauftrag erfüllen, auch wenn die Belastung mit den Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine vorübergehend erhöht ist.23 Deshalb würden andere Vollzugsaufgaben nicht in gewohntem Umfang wahrgenommen.

Anfang Juni 2022 war der Bundesrat weiterhin der Auffassung, dass die bestehenden Instrumente zur Kontrolle geeignet sind, diese aber verstärkt angewendet werden müssen.24 Die Durchführung von Kontrollen sei nun explizit in den Pflichtenheften der Mitarbeitenden des zuständigen Ressorts im SECO aufgeführt und es sei ein zusätzlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt worden.

2.2.2

Einschätzung der GPK-S

Die GPK-S bedauert zwar, dass der Bundesrat keine umfassende und systematische Prüfung der Zweckmässigkeit der Kontrollinstrumente durchgeführt hat, stellt jedoch fest, dass er gemäss seinen Ausführungen den Einsatz der bestehenden Instrumente verbessert hat. Die Kommission begrüsst insbesondere, dass parallel zum Programm DaziT rasch Verbesserungen vorgenommen wurden und das SECO und das BAZG ihre Kontrollen deutlich intensiviert haben. Namentlich im Bereich Warenverkehr werden präzisere Kontrollen durchgeführt, insbesondere im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland25, aber auch generell. Die GPK-S hält jedoch fest, dass die Zahl der aufgedeckten Embargoverstösse nicht wirklich zugenommen hat.26 Die GPK-S ist im grossmehrheitlich zufrieden mit der Umsetzung ihrer Empfehlung.

Sie ersucht den Bundesrat jedoch, die Möglichkeit unangekündigter Kontrollen vor Ort bei Verdachtsfällen nicht generell auszuschliessen und solche Kontrollen durchzuführen, wenn er dies für angemessen hält. Zudem sollen die Kontrollen im Bereich der Sanktionen generell verstärkt werden.

20

21 22 23 24 25 26

Siehe Band 2B des Voranschlags mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan (IAFP) 2024­2026 der Verwaltungseinheiten (EFD, WBF, UVEK), S. 75, www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Finanzberichte > Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan (aufgerufen am 6.2.2023).

Bundesgesetz vom 22.3.2002 über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG; SR 946.231).

Bundesgesetz vom 20.6.1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54).

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 4.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 3.

Brief des SECO an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 27.10.2022, S. 4.

Siehe Band 2B der Staatsrechnung 2022 der Verwaltungseinheiten (EFD, WBF, UVEK), S. 77, www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Finanzberichte > Staatsrechnung (aufgerufen am 14.4.2023).

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2.3

Empfehlung 3 der GPK-S

Empfehlung 3

Schaffung einer angemessenen Datengrundlage

Die GPK-S lädt den Bundesrat ein, zu prüfen, wie die Qualität der Datengrundlage im Bereich der Zolldeklaration für den Vollzug des Sanktionsregimes verbessert werden kann.

Die GPK-S wünschte, dass die Qualität der Datengrundlage im Bereich der Zolldeklaration verbessert wird. Der Bundesrat hielt in seiner Stellungnahme von 201827 fest, dass dies ein Ziel des neuen Warenverkehrssystems28 ist.

2.3.1

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat teilte der GPK-S29 mit, dass die Verbesserung der Datengrundlage und der Datenqualität ein wichtiges Ziel von DaziT ist. Im neuen Warenverkehrssystem, das per 1. Juni 2023 in der Aus- und Durchfuhrrichtung in Betrieb genommen wird, würden beispielsweise die Angaben zum Absender und Empfänger von Embargowaren als Pflichtfelder geführt. Dies ermögliche eine verlässlichere Identifikation der Herkunfts- oder Bestimmungsregion.

Die allgemeine Datenqualität solle mit DaziT zudem durch die Einführung verbesserter Plausibilitätsregeln bei der Datenerfassung erhöht werden. Einerseits werde die oder der Warenverantwortliche beim korrekten Erstellen der Warenanmeldung unterstützt. Andererseits erkenne das System versehentliche Falscherfassungen (z. B. Ländercode für Nordkorea [KP] anstatt Südkorea [KR]). Eine Schwachstelle blieben aber Unterlassungen und absichtlich falsch erfasste Daten, die nur mit Kontrollen vor Ort berichtigt werden könnten.

2.3.2

Einschätzung der GPK-S

Die GPK-S begrüsst die angekündigten Verbesserungen. Sie ist der Ansicht, dass damit die Datenqualität im Bereich der Zolldeklaration deutlich verbessert wird. Die genannten Massnahmen wurden jedoch erst im Juni 2023 mit der Inbetriebnahme des neuen Warenverkehrssystems umgesetzt, weshalb eine abschliessende Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Die GPK-S wird in einer späteren Nachkontrolle auf diesen Punkt zurückkommen.

27 28 29

Stellungnahme des Bundesrates vom 19.12.2018 (BBl 2019 1881 1886).

Neues Warenverkehrssystem «Passar» wird in Betrieb genommen, Medienmitteilung des Bundesrates vom 1.6.2023.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 4.

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2.4

Empfehlung 4 der GPK-S

Empfehlung 4

Systematische Verwertung der Informationen aus dem Vollzug

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die vorhandenen Informationen aus den Zolldaten und den Melde- und Bewilligungssystemen zwecks einer übergeordneten Überwachung systematisch ausgewertet werden.

Angesichts der von der PVK festgestellten Mängel bei der Überwachung der Sanktionsmassnahmen forderte die GPK-S, dass die vorhandenen Informationen aus den Zolldaten und den Melde- und Bewilligungssystemen zwecks Überwachung systematisch ausgewertet werden. Auch wenn eine ständige Überwachung des gesamten bilateralen Handels mit denjenigen Ländern, die von den geltenden Sanktionsverordnungen betroffen sind, unverhältnismässig ist, wie auch der Bundesrat in seinem Schreiben vom Juni 202230 festhält, war die GPK-S der Ansicht, dass eine Überwachung bestimmter kritischer Güter oder Warengruppen angemessen ist und eine allgemeine datengestützte Prüfung der Fälle erfolgen muss. Zu diesem Thema hatte die PVK widersprüchliche Informationen erhalten.

2.4.1

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hält an seiner Aussage fest, dass eine ständige Überwachung des gesamten bilateralen Handels mit Ländern, die von Sanktionsverordnungen betroffen sind, unverhältnismässig ist.

Das BAZG und das SECO würden jedoch gezielt aggregierte Zolldaten nutzen, um Handelsströme mit gewissen Sanktionsadressaten zu überwachen, wenn eine Risikobeurteilung erfolgt ist oder Anhaltspunkte für eine Nichteinhaltung von Sanktionsmassnahmen vorliegen. Das BAZG stelle denjenigen Behörden, die dies verlangen, solche Monitoring-Daten zur Verfügung und je nach Analyseergebnissen könnten diese mit konkreten Kontrollaufträgen oder gezielten Risikohinweisen an das BAZG gelangen.31 Das SECO sammle systematisch Informationen über den Vollzug der Sanktionen. So bestehe eine Übersicht über alle Entscheide, beispielsweise betreffend die Freigabe gesperrter Vermögenswerte oder die Genehmigung humanitärer Ausnahmen. Dies ermöglicht einerseits die statistische Aufarbeitung dieser Kontrolltätigkeiten und dient weiter dazu, eine einheitliche Praxis über die verschiedenen Sanktionsregime hinweg zu gewährleisten.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass es hingegen nicht zweckmässig ist, den gesamten bilateralen Handel auf allfälligen Verstösse gegen Finanzsanktionen zu überwachen.

30 31

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 5.

Mit der Umsetzung von DaziT wird das BAZG die Risikoanalyse stark ausbauen und somit noch präzisere Datenreports liefern können, indem nicht relevante Sendungen ausgesondert und die erhobenen Daten genau auf die Bedürfnisse der jeweiligen Behörden zugeschnitten werden.

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Gemeldete Vermögenswerte würden nicht nur im Hinblick auf die Ukraine-Verordnung, sondern im Zusammenhang mit allen Sanktionsverordnungen, die Vermögenssperren vorsehen, systematisch erfasst. Sie werden in einer Tabelle festgehalten, die einen systematischen Überblick über die Höhe der gesperrten Vermögenswerte, die wirtschaftlich Berechtigten und die Art der Vermögenswerte ermöglicht. Diese Liste werde bei neu eingehenden Meldungen ergänzt und einmal jährlich aktualisiert. Im Zusammenhang mit den Meldungen von Einlagen russischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nach Artikel 21 der Ukraine-Verordnung sei eine solche jährliche Aktualisierung gar in der Verordnung festgehalten. Schwankungen in den Vermögenswerten, die über zu erwartende Veränderungen hinausgehen, würden von den zuständigen Mitarbeitenden nachverfolgt.

2.4.2

Einschätzung der GPK-S

Die GPK-S begrüsst, dass die Überwachung verbessert wurde und nun systematischer vorgegangen wird als zum Zeitpunkt der PVK-Evaluation. Sie begrüsst zudem das gezielte Monitoring, das für bestimmte Sanktionsadressaten mithilfe von aggregierten Zolldaten durchgeführt wird. Der risikoorientierte oder indizienbasierte Ansatz scheint ihr ebenfalls angemessen. Beim Vollzug von Finanzsanktionen hat das SECO gemäss dem Bundesrat einen systematischen Überblick über die Höhe der gesperrten Vermögenswerte, die wirtschaftlich Berechtigten und die Art der Vermögenswerte.

Die Kommission ist jedoch nicht in der Lage zu beurteilen, ob die gegenwärtige Überwachung ausreicht, um die Missbräuche auf ein Minimum zu reduzieren, ist aber der Meinung, dass die ergriffenen Massnahmen in die richtige Richtung gehen. Sie betrachtet diese Empfehlung daher als angemessen umgesetzt.

2.5

Empfehlung 5 der GPK-S

Empfehlung 5

Stärkung der Überwachung und Koordination durch das SECO

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, die Steuerung der Sanktionspolitik durch das SECO zu stärken und die Koordination zwischen den Verwaltungsstellen durch das SECO zu gewährleisten, indem er ein entsprechendes Steuerungsorgan schafft. Zudem lädt sie den Bundesrat dazu ein, die Verknüpfung der Informationssysteme der EZV32 und des SECO zu prüfen.

Die PVK hatte 2017 auf die fehlende Steuerung und gewisse Mängel bei der Koordination zwischen den Verwaltungseinheiten hingewiesen.33 Aus diesem Grund formulierte die GPK-S eine entsprechende Empfehlung.34 Der Bundesrat teilte mit, dass er 32 33 34

Das BAZG hiess bis zum 31.12.2021 Eidgenössische Zollverwaltung (EZV).

Bericht der PVK vom 9.11.2017 (BBl 2019 1825) Ziff. 4.1, 5.1 und 7.5 Bericht der GPK-S vom 19.10.2018 (BBl 2019 1811) Ziff. 2.4.

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als Reaktion auf die Empfehlung der GPK-S eine ständige Koordinationsgruppe im Bereich Sanktionspolitik unter der Leitung des SECO geschaffen hat.

2.5.1

Stellungnahme des Bundesrates

Als Reaktion auf die Empfehlung der GPK-S schuf der Bundesrat die ständige Koordinationsgruppe Sanktionspolitik, die vom SECO geleitet wird und in der verschiedene Fachpersonen der Bundesverwaltung ständig oder je nach Bedarf vertreten sind.35 Aus Sicht des Bundesrates36 ist dieses Organ bestens geeignet für Diskussionen und Arbeiten, welche die Erarbeitung einer politischen Position zum Ziel haben.

In der Vergangenheit hat sie sich hauptsächlich mit den fachspezifischen Sanktionen (Chemiewaffen, Cyber und Menschenrechte) befasst.

Im Zusammenhang mit der russischen Militäraggression in der Ukraine war die Ausgangslage nach Ansicht des Bundesrates aber eine andere: Der zeitliche Druck und die politische Bedeutung der Angelegenheit hätten dazu geführt, dass die Diskussionen über die Übernahme der Sanktionen gegenüber Russland in anderen Gremien und auf höherer Hierarchiestufe geführt wurden ­ beispielsweise zuerst im Rahmen der Interdepartementalen Arbeitsgruppe (IDAG) Russland und später auf Stufe der Generalsekretärinnen und -sekretäre aller Departemente.37 Betreffend die konkrete Umsetzung einzelner Massnahmen bestünden zahlreiche bilaterale Kontakte zwischen den zuständigen Stellen. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) stelle beispielsweise den Informationsaustausch unter den zuständigen Ämtern über die Aktivitäten und Entwicklungen der Taskforce der Europäischen Union beziehungsweise jener der G7 sicher.

Das SECO habe zudem für den Sanktionsbereich eine Liste der 22 Akteure aller Departemente, das SECO eingeschlossen, erstellt.38 Mithilfe dieser Liste könne das SECO bei Bedarf gezielt auf einzelne Bundesstellen zugehen und die Zusammenarbeit intensivieren. So sei beispielsweise die Zusammenarbeit mit der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) deutlich verstärkt worden.

Die Zusammenarbeit und die Koordination der verschiedenen Stellen in der Verwaltung funktionierten sehr gut. Dies zeige auch die gute Kooperation bei der Vorbereitung der Änderungen an der Ukraine-Verordnung.

35 36 37

38

Siehe Kurzbericht der GPK-S vom 26.03.2019 (BBl 2019 3293 3301).

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 6.

Die Interdepartementale Koordinationsgruppe Ukraine/Russland (IKUR) wurde auf Stufe Generalsekretärinnen und -sekretäre und Vizekanzler unter der Leitung des EDA und mit organisatorischer Unterstützung des Bundesstabs Bevölkerungsschutz (BSTB) eingesetzt; Aussenpolitischer Bericht des Bundesrates vom 1.2.2023 (BBl 2023 507) Ziff. 3.4, S. 14.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 6..

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2.5.2

Einschätzung der GPK-S

Die GPK-S wertet es positiv, dass die Koordinationsgruppe Sanktionspolitik dauerhaft bestehen soll. Sie ist auch der Ansicht, dass deren Rolle klar ist, und erachtet es als angemessen, dass die Entscheide je nach Umständen in anderen Organen getroffen werden, wie dies bei den Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine der Fall war. Vor diesem Hintergrund ist die Empfehlung ihrer Auffassung nach angemessen umgesetzt.

2.6

Zwischenfazit

Die PVK hatte 2017 festgestellt, dass die Datengrundlagen nicht ausreichten, um eine Überwachung oder Kontrolle von Gütersanktionen wahrzunehmen. Der Vollzug der Verordnungen über Sanktionen des Warenverkehrs wurde daher kaum überwacht und kontrolliert.

Die Antworten des Bundesrates und des SECO deuten darauf hin, dass die Datengrundlagen generell verbessert worden sind und der Warenverkehr sowohl vom SECO als auch vom BAZG genauer kontrolliert wird. Dies scheint insbesondere auf die Sanktionen gegen Russland zuzutreffen. Das neue Warenverkehrssystem, mit dem die Datenqualität verbessert werden soll, gelangte erst ab Juni 2023 zur Anwendung, weshalb zum jetzigen Zeitpunkt keine abschliessende Einschätzung möglich ist.

Die GPK-S ist zufrieden mit den Massnahmen, die der Bundesrat und das SECO im Zusammenhang mit den in ihrem Bericht von 2017 formulierten Empfehlungen ergriffen haben. Was die Empfehlungen 1­4 angeht, ist sie der Ansicht, dass sie ihre derzeitige Nachkontrolle mit diesen Feststellungen abschliessen kann. Die Kommission wird jedoch im Rahmen einer späteren Nachkontrolle auf die Fragen der Güterabwägungskriterien, der Kontrollinstrumente, der Datenqualität und der systematischen Verwertung der Informationen zurückkommen.

3

Umsetzung der Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine

In diesem Kapitel präsentiert die GPK-S die Arbeiten, die sie im Jahr 2022 zu den Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine durchführte. Sie behandelt und bewertet in ihrem Bericht folgende spezifische Aspekte der Umsetzung der Sanktionen, die sie als besonders wichtig erachtet oder die kritisiert wurden: die Vereinbarkeit der Sanktionen mit dem Neutralitätsrecht (Ziff. 3.2), das Verfahren und die Beschlüsse zur Übernahme der EU-Sanktionen durch den Bundesrat (Ziff. 3.3), die Koordination und die Überwachung der Umsetzung der Sanktionen durch den Bund (Ziff. 3.4) sowie die Umsetzung der Meldepflicht nach Artikel 16 der UkraineVerordnung (Ziff. 3.5).

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3.1

Rechtsrahmen

Artikel 1 EmbG sieht vor, dass der Bund Zwangsmassnahmen erlassen kann, um Sanktionen durchzusetzen, die von der UNO, der OSZE oder von den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz beschlossen wurden. Der Bundesrat stellt in der Botschaft zum Gesetz39 klar, dass mit den «wichtigsten Handelspartnern» in erster Linie die EU gemeint ist. Bis heute hat die Schweiz nie Sanktionen übernommen, die von anderen Handelspartnern, wie den USA, ausgesprochen wurden.

Nachdem Russland zwei ukrainische Regionen als unabhängige Staaten anerkannt40 und die Ukraine militärisch angegriffen hatte, beschloss der Bundesrat am 28. Februar 2022, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen, um eine Umgehung der Sanktionen über die Schweiz zu verhindern.41 Die Schweiz übernahm alle Massnahmen, welche die EU in den ersten Tagen nach dem russischen Angriff in Form von Paketen erlassen hat: am 28. Februar 2022 zunächst über eine teilweise Anpassung der bereits seit 2014 geltenden Verordnung (AS 2022 143) und dann über die Totalrevision der Ukraine-Verordnung vom 4. März 2022 (AS 2022 151).

Anfang 2023 umfassten die Sanktionen unter anderem gezielte Massnahmen gegen mehr als 1300 Personen und 170 Einrichtungen, die Sperrung von Vermögenswerten, zahlreiche Finanzmassnahmen, das Verbot des Handels mit bestimmten Gütern, Einreiseverbote und das Verbot, gewisse Dienstleistungen für die russische Regierung oder russische Unternehmen zu erbringen.42

3.2

Vereinbarkeit der Sanktionen mit dem Neutralitätsrecht

Die GPK-S informierte sich beim Bundesrat und beim WBF43 über die Bedeutung der Übernahme der Sanktionen aus Sicht des Neutralitätsrechts. Sie nahm zudem den Bericht des Bundesrates «Klarheit und Orientierung in der Neutralitätspolitik»44 zur Kenntnis. Darin hält der Bundesrat fest, dass in der UNO-Generalversammlung über 140 Staaten in einer rechtlich unverbindlichen Resolution den russischen Angriff verurteilten, während etwas mehr als 50 Staaten von einer Verurteilung Russlands absa39 40 41

42 43 44

Botschaft vom 20.12.2000 zum Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG) (BBl 2001 1433).

Ost-Ukraine: Bundesrat verurteilt völkerrechtswidriges Vorgehen Russlands, Medienmitteilung des Bundesrates vom 23.2.2022.

Situation in der Ukraine: Schweiz weitet ihre Massnahmen aus, Medienmitteilung des Bundesrates vom 25.2.2022; Schweiz übernimmt EU-Sanktionen gegen Russland, Medienmitteilung des Bundesrates vom 28.2.2022.

Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine: Der Bundesrat zieht Bilanz seines Engagements und beantragt neues Hilfspaket, Medienmitteilung des Bundesrates vom 22.2.2023 Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 8.

Klarheit und Orientierung in der Neutralitätspolitik, Bericht des Bundesrates vom 26.10.2022 in Erfüllung des Postulates 22.3385, Aussenpolitische Kommission SR (APK-S) vom 11.04.2022 (im Folgenden «Neutralitätsbericht des Bundesrates vom 26.10.2022» genannt), www.parlement.ch > Ratsbetrieb > Curia Vista > Suche > 22.3385 (aufgerufen am 19.2.2023).

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hen. Der Bundesrat kam deshalb zum Schluss, dass «gegenüber Russland und der Ukraine die Neutralität angewandt wird und die im Völkerrecht verankerten Rechte und Pflichten des Neutralen von der Schweiz beachtet werden»45. Der Bundesrat weist in seinem Bericht darauf hin, dass Neutralität nicht Gleichgültigkeit gegenüber fundamentalen Völkerrechtsverletzungen bedeutet. Er verurteilte daher «die schweren Verletzungen des Völkerrechts durch Russland»46 scharf. Ferner stellt er in diesem Bericht fest, dass die Neutralität kompatibel mit der Übernahme von EU-Sanktionen ist. Da die Wirtschaftssanktionen der EU als Reaktion auf Verletzungen des Völkerrechts erfolgten, könne man ihnen eine internationale Ordnungsfunktion zuschreiben.

Der Bundesrat beurteilt dabei im Einzelfall, ob die Übernahme der Sanktionen gesamthaft im Interesse der Schweiz liegt und ob die Schweiz diese vollständig, teilweise oder in modifizierter Form übernimmt.

In seinem Schreiben vom 14. April 202347 legte der Bundesrat dar, dass die von ihm übernommenen Embargomassnahmen den Sanktionen der EU nachgebildet sind und sich auf das Embargogesetz stützen. Das Neutralitätsrecht, das in Artikel 7 in Verbindung mit Artikel 9 des Haager Abkommens48 konkretisiert ist, verpflichtet die Schweiz, bei der Ausfuhr oder Durchfuhr von kriegsrelevanten Gütern, in diesem Fall im Rahmen des internationalen bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Gewisse Massnahmen, welche die EU nur gegenüber Russland angeordnet hatte, musste die Schweiz daher auch auf die Ukraine anwenden. Der Bundesrat tat dies beispielsweise bei bestimmten militärischen Gütern, um zu verhindern, dass Material mit einem militärischen Zweck die Ukraine als Kriegspartei begünstigt. Gemäss Bundesrat ist im Einzelfall zu prüfen, für welche Güter der Grundsatz der Gleichbehandlung zur Anwendung gelangt. Weil dies im Sanktionsregime der EU nicht vorgesehen war, sondern eine notwendige Folge des Neutralitätsstatus der Schweiz darstellte, musste sich der Bundesrat dafür auf Artikel 184 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV)49 abstützen. Damit hielt der Bundesrat seiner Ansicht nach die neutralitätsrechtlichen Pflichten bei der Sanktionsübernahme vollumfänglich ein.50 Die GPK-S hat sich im Rahmen der Nachkontrolle nur am Rande
mit der Frage der Ausfuhr und Wiederausfuhr von Kriegsmaterial befasst. Verschiedene Fragen in diesem Zusammenhang werden zurzeit im Parlament behandelt. Die GPK werden aber die Frage der Umsetzung des Gesetzes im Rahmen ihrer jährlichen Anhörung zur Ausfuhr von Kriegsmaterial weiterverfolgen.

45 46 47 48 49 50

Neutralitätsbericht des Bundesrates vom 26.10.2022, Ziff. 5. S. 19.

Neutralitätsbericht des Bundesrates vom 26.10.2022, Ziff. 5. S. 19.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-N vom 13.4.2022, S. 1/2.

Abkommen vom 18.10.1907 betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs (SR 0.515.21).

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4.1999 (BV; SR 101).

Neutralitätsbericht des Bundesrates vom 26.10.2022, Ziff. 5.1.

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3.3

Verfahren und Beschlüsse zur Übernahme der EU-Sanktionen durch den Bundesrat

3.3.1

Güterabwägung bei der Übernahme der Sanktionen

Der Bundesrat entscheidet im Einzelfall anhand von aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Kriterien darüber, ob die zusätzlichen Massnahmen übernommen werden oder nicht. Diese Güterabwägung führte dazu, dass sich der Bundesrat beispielsweise dem Verbot der Verbreitung von Inhalten gewisser russischer Medien, das die EU am 1. März 2022 erliess, nicht anschloss.51 Das SECO informierte die Subkommission, dass es für den Bundesrat bei dieser Güterabwägung wichtig war, keine Differenzen mit der EU und den USA zu schaffen, und dass das Anbieten von Guten Diensten und Vermittlungsdiensten zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht auf der Traktandenliste stand.52 Da die rechtliche Terminologie, die Begriffe und Zuständigkeiten in der Schweiz anders sind als in der EU, können die Beschlüsse der EU nicht unverändert übernommen werden, sondern müssen analysiert und an die schweizerische Rechtsordnung angepasst werden. Zudem muss die Schweiz sowohl dem Neutralitätsrecht als auch ihrer Neutralitätspolitik Rechnung tragen (siehe insbesondere Ziff. 3.2). Weiter ist die oben erwähnte Güterabwägung erforderlich, weshalb bis zur Übernahme der Sanktionen durch den Bundesrat einige Tage nötig sein können. Das SECO informierte die Subkommission ausserdem, dass die Schweiz ohne eine genaue Analyse der Sanktionsbestimmungen das Risiko eingehen würde, die Sanktionen strenger umzusetzen als die meisten europäischen Länder.53 Jeder Staat ist verantwortlich für die Umsetzung der Sanktionen auf seinem Hoheitsgebiet; die Schweiz orientiert sich daher insbesondere an der Praxis der Länder, die auf den gleichen Märkten aktiv sind, und tauscht sich zu diesem Thema mit den betreffenden Dachverbänden der Schweizer Wirtschaft aus.

Wirksamkeit der Sanktionen und Auswirkungen auf die Schweiz Gemäss dem WBF und dem SECO ist es relativ schwierig, die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Sanktionen sowohl für die russische Bevölkerung als auch für die Finanzierung des russischen Kriegs einzuschätzen.54 Bereits spürbar sind Auswirkungen im Bereich der Halbleiterproduktion, die in Russland um 70 Prozent zurückgegangen ist, sowie in der Rüstungsindustrie. Grössere Auswirkungen sind jedoch wahrscheinlich erst nach rund zwei Jahren sichtbar.

51 52 53 54

Ukraine: Weitere EU-Sanktionen umgesetzt, Medienmitteilung des Bundesrates vom 25.3.3033.

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 25.8.2022 (Anhörung des SECO).

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

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Die GPK-S erkundigte sich nach den Auswirkungen der Sanktionen in der Schweiz. Das SECO ist der Ansicht, dass die Schweiz auch ohne Übernahme der Sanktionen in gleichem Masse von der Erdöl- und Erdgasverknappung, unterbrochenen Lieferketten und der Verteuerung der Importe betroffen gewesen wäre.55 Das WBF teilte der GPK-S weiter mit, dass sich Russland zunehmend negativ über Genf äusserte.56 Damit einher geht die Forderung nach einem neuen Ort ausserhalb der Schweiz für die Organisation bestimmter internationaler Konferenzen oder Prozesse. Diese Anträge werden mit einer offenbar erschwerten Einreise aufgrund angeblich zu schwerfälliger Visabestimmungen für manche Diplomatinnen und Diplomaten und mit der Sanktionspolitik der Schweiz begründet. Im Rahmen ihrer Rolle als Gastgeberstaat hat sich die Schweiz jedoch stets dafür eingesetzt, dass alle Delegationen unter den bestmöglichen Bedingungen nach Genf reisen können, damit sie ihre Aktivitäten vor Ort erfolgreich durchführen können.

Hinsichtlich möglicher diplomatischer Auswirkungen auf das Schutzmachtmandat, das die Schweiz zwischen Russland und Georgien ausübt, informierte das WBF die Kommission darüber, dass das Mandat nach dem üblichen Verfahren aufrechterhalten wird und die Schweiz mit der Annahme dieses Mandats Verpflichtungen gegenüber beiden Staaten eingegangen ist, die sie in gutem Glauben erfüllt.

Die Kommission erkundigte sich auch nach der Möglichkeit eigenständiger Sanktionen. Der Bundesrat teilte ihr mit, dass er eigenständige Massnahmen nur per Notverordnung nach Artikel 184 Absatz 3 BV erlassen kann.57 Laut Bundesrat sind Sanktionen dann am wirksamsten, wenn sie international breit abgestützt sind; ein Alleingang der Schweiz würde sich kaum auswirken.

3.3.2

Geschwindigkeit der Übernahme der Sanktionen

Die GPK-S stellte sich die Frage nach der Zeitdauer, in welcher der Bundesrat beschloss, die von der EU verabschiedeten Sanktionen zu übernehmen. Dieser Punkt wurde auch in den Medien stark kritisiert. Der Vorsteher des WBF teilte der Subkommission mit, dass die zeitliche Verzögerung auf ein Minimum reduziert worden sei, was mit der Totalrevision der Ukraine-Verordnung vom 4. März 2022 bereits unter Beweis gestellt worden sei.58 Der Bundesrat beschloss am 28. Februar 2022, die mehr als 100 Seiten umfassenden Sanktionen der EU zu übernehmen. Die Übernahme wurde in weniger als fünf Tagen vorbereitet, departementsübergreifend beraten und übersetzt.

55 56 57 58

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 25.8.2022 (Anhörung des SECO).

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 7.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-N vom 13.4.2022, S. 4.

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 5.

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Die Sanktionen wurden somit gemäss dem Vorsteher des WBF in Rekordzeit übernommen. Mit dem zweistufigen System, also dem sofortigen Grundsatzentscheid des Bundesrates und der anschliessenden Verabschiedung der detaillierten Verordnung in einem zweiten Schritt, habe die Umgehung der Sanktionen weitestgehend unterbunden werden können. Das SECO ist zudem der Meinung, dass die Möglichkeiten für eine Umgehung der Sanktionen mit der raschen Übernahme der verschiedenen Sanktionspakete der EU während des ganzen Jahres 2022 deutlich verringert werden konnten.59

3.3.3

Liste der sanktionierten Personen

Das SECO informierte die Subkommission60, dass der Bund die Liste der von der EU sanktionierten Personen unverändert übernimmt. Die grossen EU-Staaten verfügen über Informationen, anhand denen sie solche Listen erstellen können, während die Schweiz gemäss SECO über den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) nicht die nötigen Informationen erhält, um einen oder alle Einträge auf diesen Listen nachzuprüfen. Die Schweiz hat zudem keine rechtliche Möglichkeit, eigenständig weitere Personen auf die Liste aufzunehmen. Ausserdem sind diese nicht immer vollständig.

In diesem Bereich muss sich die Schweiz deshalb auf die Einschätzungen der EU verlassen.

Die betroffenen Personen können ein Delisting-Gesuch einreichen, aber dieses Verfahren ist für die Verwaltung aufwändig. Aufgrund der politischen Natur der Wirtschaftssanktionen stellt dieses Gesuch kein Rechtsmittel dar und die rasche Übernahme der entsprechenden Sanktionen und Listen hat oft Vorrang vor anderen Erwägungen.61

3.4

Koordination und Überwachung des Vollzugs der Sanktionen

Laut Bundesrat stand in einem ersten Schritt insbesondere die schnelle und umfassende Übernahme der verschiedenen Sanktionspakete der EU im Zentrum.62 Anschliessend habe er die Aufmerksamkeit vermehrt auf die Umsetzung und den Vollzug der erlassenen Massnahmen richten können. Diese Aufgaben stellten die involvierten Bundesstellen, insbesondere das SECO, sowohl kurz- als auch mittelund langfristig vor Herausforderungen. Das SECO koordiniert und überwacht den Vollzug der Sanktionen, die gestützt auf das EmbG verhängt wurden. Dem SECO obliegt zudem der Vollzug verschiedener Massnahmen der Verordnung; daneben üben auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das BAZG Vollzugsaufga59 60 61 62

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 25.8.2022 (Anhörung des SECO).

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 25.8.2022 (Anhörung des SECO).

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.­19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 1.

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ben aus (Art. 31 Ukraine-Verordnung). Das SECO kann zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben auch die Polizei der Kantone und Gemeinden beiziehen (Art. 4 Abs. 2 EmbG). Der Bundesrat hat zuhanden der Kommission63 bestätigt, dass die Kantone keine Vollzugsaufgaben haben, weshalb es im Embargorecht auch keine Aufsicht des Bundes über kantonale Behörden vorgesehen ist.

Zudem steht die Verwaltung in engem Kontakt mit den zuständigen Stellen der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), um Umsetzungsfragen abzuklären. Dabei hat sich gezeigt, dass diese mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind und bei den Behörden der EU und den Mitgliedstaaten Unklarheiten über die Umsetzung gewisser Massnahmen bestehen, beispielsweise beim Verbot von Transaktionen mit staatseigenen Betrieben oder beim Verbot der Entgegennahme von Einlagen russischer Staatsbürgerinnen und -bürger.

3.4.1

Ressourcen des SECO

Was die Ressourcen der Einheit angeht, die für die Umsetzung der Sanktionen zuständig ist, konnten die anfallenden Arbeiten gemäss Aussagen des SECO bisher durch die Verschiebung interner Ressourcen sowie durch die Unterstützung der mitinteressierten Ämter grossmehrheitlich erledigt werden. Vor der Krise waren lediglich 0,7 VZÄ für die Umsetzung der Massnahmen betreffend Russland/Ukraine vorgesehen.

Das SECO musste 6,4 VZÄ vorübergehend ins BWSA verlagern. Der Bundesrat war jedoch der Ansicht, dass diese Situation auf mittlere und langfristige Sicht nicht aufrechterhalten werden kann. Das WBF hat aufgrunddessen den Antrag des SECO gutgeheissen und am 18. Mai 2022 fünf zusätzliche Stellen bewilligt, die unterdessen alle besetzt sind.64 Im Juni 2022 waren sämtliche Mitarbeitende des Ressorts Sanktionen des SECO (BWSA), insgesamt 7,9 VZÄ, fast vollständig mit der kontinuierlichen Anpassung und Umsetzung der Ukraine-Verordnung beschäftigt.

Gemäss dem SECO ist es schwierig, erfahrene Sanktionsexpertinnen und -experten zu finden, da diese Personen oft von der Privatwirtschaft, namentlich dem Bankensektor, abgeworben werden. Ende 2022 zählte das BWSA 25 Mitarbeitende.

3.4.2

Verbesserung der Prozesse

Der Bundesrat65 und der Vorsteher des WBF66 wiesen darauf hin, dass es verfrüht wäre, definitive Schlussfolgerungen aus der Umsetzung der Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine im Frühjahr 2022 zu ziehen, da die Verordnung in ihrer jetzigen Form erst seit Anfang März 2022 in Kraft ist. Es handelt sich um die umfangreichste und detaillierteste Verordnung, die der Bundesrat für die Über63 64 65 66

Schreiben des Bundesrates an die GPK-N vom 13.4.2022, S. 3.

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

Schreiben des Bundesrates an die GPK-S vom 3.6.2022, S. 1.

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 5.

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nahme von Sanktionen verabschiedet hat67 und ihr Vollzug ist mit teilweise ungekannten Herausforderungen verbunden68. Gemäss Bundesrat sind die betreffenden Departemente und Ämter ständig bemüht, ihre Verfahren zu analysieren und gegebenenfalls zu verbessern. Es konnten bereits einige Zwischenbilanzen gezogen und Optimierungsansätze erwogen werden. So wurden beispielsweise die institutionelle Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Departementen sowohl auf Leitung- als auch auf Fachebene verstärkt (siehe Ziff. 2.5.1).

Der Vorsteher des WBF ist der Ansicht69, dass die bestehenden Prozesse eine solide Grundlage für eine flexible und effektive Reaktion bieten. Insbesondere die bereits bestehende Zentralisierung der Thematik der Sanktionen innerhalb des SECO habe eine im internationalen Vergleich präzise und leistungsfähige Koordination der Reaktionen ermöglicht. So hätten die internen Abläufe, zum Beispiel wie bei den Anträgen auf Ausnahmeregelungen für eine partielle Freigabe von Geldern, rasch verbessert werden können. Darüber hinaus hätten sich die Bemühungen um einen Informationsaustausch mit den internationalen Partnern als nützlich für die Umsetzung der Sanktionen erwiesen. Der Bundesrat werde daher den Austausch mit der EU fortsetzen, den regelmässigen Austausch mit dem US-Finanzministerium aufrechterhalten und neue Formate für die Zusammenarbeit wie den UK Sanctions Dialogue prüfen, dessen erstes Treffen am 8. Juni 2022 in Bern stattfand.

Trotz einer insgesamt positiven Bilanz hielt das WBF fest, dass noch andere Möglichkeiten, wie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen allen betroffenen Akteuren und Behörden der Schweiz, verfolgt werden sollten oder erwogen werden können.70 Erwähnt seien hier zum Beispiel der Einbezug neuer Akteure wie der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) (siehe Ziff. 3.4.3) und den Botschaften, oder auch eine Stärkung der Strafbestimmungen nach dem Modell des Güterkontrollgesetzes (GKG)71 oder des Kriegsmaterialgesetzes (KMG)72.

3.4.3

Kontrollen

Gemäss SECO stellen die in den Artikeln 3 und 4 EmbG verankerten Kontrollrechte eine ausreichende gesetzliche Grundlage für das SECO dar, um im Verdachtsfall das Vermögen und die wirtschaftlichen Ressourcen sanktionierter natürlicher und juristischer Personen aktiv zu ermitteln.73 Die von den Sanktionen unmittelbar oder mittel67 68 69 70 71

72 73

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 25.8.2022 (Anhörung des SECO).

Protokoll der Sitzung der Subkommissionen EFD/WBF der GPK vom 25.4.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

Schreibendes Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 5.

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 2/3.

Bundesgesetz vom 13.12.1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter, besonderer militärischer Güter sowie strategischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG; SR 946.202).

Bundesgesetz vom 13.12.1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG; SR 514.51).

Schreiben des SECO an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 27.10.2022, S. 3.

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bar betroffenen Personen müssen dem SECO Auskunft erteilen und die Unterlagen einreichen, die für eine umfassende Beurteilung oder Kontrolle erforderlich sind (Art. 3 EmbG) ­ was für die späteren Kontrollen wichtig ist. Das SECO ist ausserdem befugt, die Geschäftsräume der auskunftspflichtigen Personen ohne Voranmeldung zu betreten und die einschlägigen Unterlagen einzusehen (Art. 4 Abs. 1 EmbG).

Der Vorsteher des WBF informierte die Subkommission, dass die Kontrollen angesichts der deutlich gestiegenen Arbeitsbelastung des SECO nach der Verabschiedung der Sanktionen gegen Russland in der Anfangsphase nur in bestimmten Fällen verschärft werden konnten.74 Er hielt weiter fest, dass das SECO in der Folge zusammen mit der FINMA vor Ort Kontrollen bei Schweizer Banken durchführte. Die erste Kontrolle bei den Banken fand im Herbst 2022 statt und später folgten weitere.75 Gemäss dem Vorsteher des WBF ist sich der Bundesrat bewusst, dass die Zahl der Kontrollen noch erhöht werden könnte, um deren Wirksamkeit zu verstärken.76

3.5

Umsetzung der Meldepflicht nach Artikel 16 der Ukraine-Verordnung

Im Zusammenhang mit der Anwendung der Sanktionen gegen Russland hält Artikel 16 der Ukraine-Verordnung Folgendes fest: «Personen und Institutionen, die Gelder halten oder verwalten oder von wirtschaftlichen Ressourcen wissen, von denen anzunehmen ist, dass sie unter die Sperrung nach Artikel 15 Absatz 1 fallen, müssen dies dem SECO unverzüglich melden». Diese Institutionen und Personen haben Verbote einzuhalten und unterliegen Melde- und Bewilligungspflichten. Das Kontrollorgan, also insbesondere das SECO, nimmt entsprechende Meldungen entgegen oder erteilt auf Gesuch hin Bewilligungen. Im Verdachtsfall kann das SECO aber auch auf eigene Initiative handeln. Der Vorsteher des WBF hielt fest, dass das SECO Verletzungen der Meldepflicht gemäss den Artikeln 9 und 10 EmbG verfolgt.77 Allfällige Einziehunq von Vermögenswerten oder wirtschaftlichen Ressourcen Der Vorsteher des WBF informierte die GPK-S, dass der Bundesrat die internationalen Diskussionen über die Möglichkeit, gesperrte russische Vermögenswerte für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden, aufmerksam verfolgte.78 Der Bundesrat beauftragte die Verwaltung, die entsprechenden Rechtsfragen zu klären. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundesamtes für Justiz (BJ) kam

74 75 76 77 78

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

FINMA-Jahresbericht 2022, S. 29­30, www.finma.ch > Dokumentation > FINMAPublikationen > Geschäftsberichte > «Jahresbericht 2022».

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 2.

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 4/5.

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in ihrer Analyse zum Schluss, dass die Einziehung privater russischer Vermögenswerte rechtmässiger Herkunft gegen die Bundesverfassung und die geltende Rechtsordnung verstossen würde.79

3.5.1

Umsetzung der Meldepflicht durch die Banken

Das SECO teilte mit, dass die Meldungen gemäss Artikel 16 der Ukraine-Verordnung in erster Linie von Finanzintermediären stammen, weil in der Verordnung zur Ukraine bis am 28. Februar 2022 nur die Finanzintermediäre aufgeführt waren.80 In diesem Bereich arbeitet das SECO bei konkreten Fällen grundsätzlich mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) und der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) zusammen. Das SECO kann nicht direkt kontrollieren, ob die Banken ihren Pflichten tatsächlich nachkommen, kann aber in Zusammenarbeit mit der FINMA Kontrollen durchführen (siehe Ziff. 3.4.3).

Allgemein stellt der Bundesrat fest, dass die Schweizer Banken über die für die Schweiz rechtlich verbindlichen Sanktionen hinaus weitere internationale Sanktionen anwenden.81 Vor dem Hintergrund dieser Over-Compliance der grossen Schweizer Banken hält es der Bundesrat für problematisch, dass bestimmte legale Transaktionen nicht durchgeführt werden können, insbesondere solche mit humanitärem Charakter.

Gemäss dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Banken und Unternehmen im Rahmen der Schweizer Rechtsordnung selbst darüber entscheiden, welche Geschäfte sie ausführen beziehungsweise nicht ausführen wollen. Das WBF erläuterte, dass die Banken aufsichtsrechtlich verpflichtet sind, Rechts- und Reputationsrisiken zu erfassen, zu begrenzen und zu überwachen.82 Diese Risiken können sich auch aus ausländischen Rechtsvorschriften einschliesslich Sanktionen ergeben. Die Rechtsprechung hat bislang festgestellt, dass die Anwendung ausländischer Sanktionen durch Banken und Unternehmen in der Schweiz in gewissen Fällen mit dem Schweizer Recht vereinbar ist.

3.5.2

Umsetzung der Meldepflicht durch Anwältinnen und Anwälte

Die GPK-S erkundigte sich auch nach dem Verhältnis zwischen der in der UkraineVerordnung vorgesehen Meldepflicht und dem Anwaltsgeheimnis nach Artikel 13 des

79 80 81 82

Bundesrat hat Rechtsfragen zu gesperrten russischen Vermögenswerten geklärt, Medienmitteilung des Bundesrates vom 15.2.2023.

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO) Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 4 Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 4

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Anwaltsgesetzes83. Einerseits betont das SECO, dass das Anwaltsgeheimnis im Rahmen sogenannter «kernanwaltschaftlicher» Tätigkeiten Vorrang vor der Meldepflicht nach dem Embargogesetz (EmbG) hat. In solchen Fällen sind Anwältinnen und Anwälte nicht zur Meldung von Vermögenswerten verpflichtet, von denen anzunehmen ist, dass sie unter die Sperrung fallen. Insbesondere bei der Vertretung vor Gericht geht das Anwaltsgeheimnis der embargorechtlichen Meldepflicht vor. Anders sieht es aus bei Tätigkeiten, die nicht im Rahmen des Anwaltsmonopols ausgeübt werden, wie beispielsweise bei der Vermögensverwaltung oder bei treuhänderischen Tätigkeiten. Im Rahmen dieser nicht-«kernanwaltschaftlichen» Tätigkeiten sind aus Sicht des SECO Anwältinnen und Anwälte verpflichtet, Meldungen nach Massgabe der Ukraine-Verordnung vorzunehmen. Abschliessend kann diese Frage laut dem SECO jedoch nur durch die Gerichte geklärt werden.84, 85 Das SECO ist jedoch der Ansicht, dass in der Praxis hauptsächlich Banken und andere Finanzintermediäre oder beispielsweise Grundbuchämter Vermögen und wirtschaftliche Ressourcen sperren und dem SECO melden müssen. Der Meldung durch Anwältinnen und Anwälte kommt lediglich untergeordnete Bedeutung zu.

3.5.3

Umsetzung der Meldepflicht durch die Kantone

Die Meldepflicht gilt auch für die Kantone. In erster Linie sind die kantonalen Steuerämter und die Grundbuchämter von dieser Pflicht betroffen.

Der Vorsteher des WBF hielt gegenüber der Subkommission fest, dass der Austausch zwischen dem SECO und den Kantonen rege und produktiv ist, insbesondere in Bezug auf die Meldepflicht der Kantone, und dass der bereits bestehende Dialog im neuen Kontext der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine weitergeführt wurde.86 Das SECO verschickte am 1. April 2022 ein Merkblatt87 an die Kantone, um die einheitliche Umsetzung der Massnahmen zu erleichtern, und nahm ferner an Treffen mit den kantonalen Volkswirtschafts- und Finanzdirektorinnen und -direktoren teil, um diese Fragen zu klären.88 Das SECO informierte die GPK-S, dass der Austausch mit den Kantonen zu diesem Thema nicht institutionalisiert ist, sondern je nach Bedarf im Rahmen von kantonalen 83 84

85 86 87

88

Bundesgesetz vom 23.6.2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) FAQ des SECO: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Sanktionen/ Embargos > FAQ ­ Sanktionen gegen Russland (aufgerufen am 14.9.2023).

Siehe auch: AB 2022 N 1110 (22.7500).

Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 2.

Merkblatt des SECO vom 1.4.2022: «Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72): Rolle der Kantone», www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Sanktionen/Embargos > Sanktionsmassnahmen > Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (aufgerufen am 7.3.2023).

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 25.8.2022 (Anhörung des SECO).

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Direktorenkonferenzen oder direkt mit besonders betroffenen Kantonen stattfindet.89 Es ist der Ansicht, dass mit diesem Austausch verschiedene Fragen geklärt werden konnten.

3.5.3.1

Kantonale Steuerämter

Die kantonalen Steuerämter unterstehen trotz des Steuergeheimnisses ­ das namentlich in Artikel 39 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)90 und in Artikel 110 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG)91 verankert ist ­ ebenfalls der in der Ukraine-Verordnung vorgesehenen Meldepflicht. In Artikel 39 Absatz 1 zweiter Satz StHG wird präzisiert, dass die Auskunftspflicht trotz des Steuergeheimnisses gilt, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage im Bundesrecht oder im kantonalen Recht besteht. Nach Ansicht des Bundesrates92 sollte mit Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b und 3 EmbG sowie mit Artikel 16 Ukraine-Verordnung eine ausreichende gesetzliche Grundlage im Bundesrecht bestehen, wie sie Artikel 39 Absatz 1 zweiter Satz StHG verlangt. Er weist jedoch darauf hin, dass die Frage der gesetzlichen Grundlage bislang nicht Gegenstand von Praxis und Rechtsprechung ist.93 Bei den kantonalen Steuerämtern geht das SECO davon aus, dass nur sehr wenige Personen betroffen sind. Von tausend sanktionierten Personen sind rund fünf in der Schweiz steuerpflichtig und die Mehrheit dieser fünf Personen wird wahrscheinlich nach dem Aufwand besteuert. Diese Personen würden wahrscheinlich ohnehin von den Banken gemeldet, die über einschlägige Informationen verfügen, und nicht von den Kantonen.

Die Subkommission hörte auch Vertreterinnen und Vertretern der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) und der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) an.94 Als die Übernahme der Massnahmen beschlossen wurde, waren gemäss der FDK die Zuständigkeiten der Kantone im Zusammenhang mit den Sanktionen nicht klar. Die SSK erklärte, dass die Kantone vor dem 28. Februar 2022 von der Meldepflicht nicht betroffen waren und Artikel 9 der Verordnung damals nur die Finanzintermediäre erwähnte.95 Ab dem 28. Februar 2022 sah die Verordnung eine Meldepflicht vor für «Personen oder Institutionen, die Gelder halten oder verwalten oder von wirtschaftlichen Ressourcen wissen, von denen anzunehmen ist, dass sie unter die Sperrung nach Artikel 8 Absatz 1 fallen». Gemäss der SSK war für die Kantone auch nicht klar, in welchem Umfang sie von dieser Bestimmung betroffen waren; die zuständigen kantonalen Behörden hätten diesbezüglich insbesondere vom 89 90 91 92 93 94 95

Ibid.

Bundesgesetz vom 14.12.1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14).

Bundesgesetz vom 14.12.1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11).

Schreiben des Bundesrates an die GPK-N vom 13.4.2022, S. 4.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-N vom 13.4.2022, S. 4.

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.­19.10.2022 (Anhörung der FDK und der SSK).

Verordnung vom 27.8.2014 über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, aufgehoben am 4.3.2022 (AS 2014 2803).

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SECO widersprüchliche Auskünfte erhalten. Die Frage, inwieweit trotz des Steuergeheimnisses eine Meldung gemacht werden muss, war in der Anfangsphase ebenfalls unklar. Gemäss der FDK und der SSK haben das Merkblatt des SECO zur Rolle der Kantone vom 1. April 202296 sowie die Teilnahme des SECO an Treffen mit den Kantonen viel zur Klärung der Situation beigetragen.

3.5.3.2

Grundbuchämter

Gemäss dem Vorsteher des WBF97 arbeiteten die Kantone aktiv mit dem SECO zusammen, kamen ihren Verpflichtungen nach und meldeten mehrere Fälle von sich aus.

Erhielt das SECO eine Meldung über Immobilieneigentum sanktionierter Personen, so ging es diesen Informationen sofort nach und nahm mit den Kantonen die notwendigen Abklärungen vor. Insgesamt wurden in der Schweiz fünfzehn Immobilien im Grundbuch gesperrt. In vier Fällen wurde dies durch diese Abklärungen ermöglicht.

Das Eidgenössische Amt für Grundbuch- und Bodenrecht (EGBA) wies die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch in seiner Weisung vom 1. März 202298 an, «eine Verfügungssperre im Grundbuch anzumerken in Bezug auf Immobilien der natürlichen Personen, Unternehmen und Organisationen», die im Anhang der Ukraine-Verordnung aufgeführt sind, und dem SECO Meldung zu erstatten, wenn sie von Immobilien wissen, von denen anzunehmen ist, dass sie unter die erwähnte Verfügungssperre fallen.

Die GPK-S hörte im Rahmen ihrer Arbeiten die Konferenz der Schweizerischen Grundbuchführung (KSG)99 an und wurde von dieser informiert, dass die Rechtmässigkeit der Weisung des EGBA in den kantonalen Grundbuchämtern zu Diskussionen führte, da nach Ansicht gewisser Kantone eine gesetzliche Grundlage für diese Weisung fehlte. Diese Frage konnte mit einem Informationsschreiben des EGBA100 an die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch geklärt werden, von dem die Subkommission Kenntnis genommen hat. Das EGBA stellte in seinem Schreiben seinen Standpunkt hinsichtlich der Umsetzung der Anmerkungen klar: «Weil der Anmerkung weder eine konstitutive noch eine deklarative Wirkung zukommt, sondern ausschliesslich der Information dient [...], ist die Eintragung einer solchen geeignet und verhältnismässig, um das Risiko einer ungewollten (und unerlaubten) Freigabe von Vermögenswerten auszuschliessen. Die Anmerkung bringt mit anderen Worten lediglich etwas zum Ausdruck, das von Gesetzes wegen ohnehin gilt, ohne am Recht 96

Merkblatt des SECO vom 1.4.2022: «Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72): Rolle der Kantone».

97 Schreiben des Vorstehers des WBF an die Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.8.2022, S. 2.

98 Weisung des EGBA vom 1.3.2022, Änderung vom 2.3.2022: «Sanktionen gegen Russland» (nicht veröffentlicht).

99 Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung der KSG).

100 Schreiben des BJ an die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch vom 11.10.2022: «Informationsschreiben: Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG; SR 196.1) und Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG; SR 946.231)» (nicht veröffentlicht).

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Änderungen herbeizuführen». Das EGBA erläutert weiter, dass mit der Anwendung des EmbG «im Bereich des Grundbuchs die angeordnete ­ aber äusserst abstrakte ­ Zwangsmassnahme so konkretisiert werden [kann], dass das Grundbuchamt eine entsprechende Anmerkung von Amtes wegen und direkt gestützt auf die einschlägige Gesetzgebung vornimmt».

Die Subkommission wurde ebenfalls darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Grundbuchführung nur über eine beschränkte Kognition verfügt. So darf diese die Echtheit eines übermittelten Dokuments nicht infrage stellen, solange dieses nicht augenscheinlich falsch ist. Sie ist beispielsweise nicht befugt, öffentliche Informationen vertieft zu analysieren oder weitere Dokumente einzufordern, um die Richtigkeit einer Urkunde festzustellen.

Bei einem direkten Neuerwerb mit einer sanktionierten Person als Eigentümerin besteht die Schwierigkeit der Grundbuchämter in der grossen Zahl sanktionierter Personen, die von jedem Kanton in den jeweiligen Systemen manuell gesucht werden müssen. Nur einige Kantone verfügen über ein Skript, mit dem sie Datensätze suchen können. Die kyrillische Schreibweise und die Eintragung der zu suchenden Namen tragen ebenfalls zur Komplexität der Aufgabe bei. Mit zusätzlichen Schwierigkeiten sind die Grundbuchämter auch bei einem indirekten Neuerwerb, beispielsweise mit einer juristischen Person oder einer Strohperson konfrontiert.101 In diesen Fällen ist es sehr schwierig, in Erfahrung zu bringen, ob eine sanktionierte Person hinter dem Erwerb steht. Wenn keine zusätzlichen Informationen vorliegen, die manchmal bereits in den Dokumenten enthalten sind, haben die Grundbuchämter keine andere Möglichkeit, als das Geschäft im Grundbuch einzutragen.102 Die gleichen Probleme ergeben sich, wenn die Finanzierung des Grundstücks durch eine Drittperson erfolgt.

Im Zusammenhang mit den Identifikationsproblemen ist die vom Bundesrat am 30. August 2023 in die Vernehmlassung gegebene Vorlage über die Transparenz juristischer Personen und die Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Personen bedeutsam.103

4

Einschätzung der GPK-S

4.1

Übernahme der Sanktionen

Nach Meinung der GPK-S war die Geschwindigkeit, mit der der Bundesrat die EUSanktionen am 28. Februar 2022 übernahm, durchaus angemessen. Angesichts der erforderlichen Güterabwägung und der Anpassung der Sanktionen an das Schweizer Recht (siehe Ziff. 3.3.1) ist die Kommission der Ansicht, dass eine raschere Übernahme nicht möglich gewesen wäre, und zeigt sich erfreut über den Einsatz des Bundesrates, des SECO und der Bundesverwaltung im Allgemeinen.

101

Protokoll der Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18./19.10.2022 (Anhörung der KSG).

102 Wenn zusätzliche Informationen zur Eigentümerin bzw. zum Eigentümer vorliegen, können die Grundbuchämter die Information an die zuständige Behörde, in diesem Fall an das SECO, weiterleiten.

103 Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Stärkung der Geldwäscherei-Bekämpfung, Medienmitteilung des Bundesrates vom 30.8.2023.

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Die GPK-S hat auch die Erläuterungen des Bundesrates zur Vereinbarkeit der Sanktionen mit dem Neutralitätsrecht zur Kenntnis genommen. Sie erachtet diese Erläuterungen als nachvollziehbar und kohärent.

4.2

Rolle der Anwältinnen und Anwälte bei der Umsetzung der Sanktionen

Die GPK-S ist der Ansicht, dass das Verhältnis zwischen der in der Ukraine-Verordnung vorgesehenen Meldepflicht und dem Anwaltsgeheimnis einige Fragen aufwirft, die einer Klärung bedürfen. Der Bundesrat ist einerseits der Auffassung, dass Anwältinnen und Anwälte im Rahmen ihrer spezifisch beruflichen Tätigkeiten nicht zur Meldung gesperrter Vermögenswerte gemäss Artikel 16 Ukraine-Verordnung verpflichtet werden sollen, obwohl Artikel 321 Ziffer 3 des Strafgesetzbuches (StGB) 104 über die Verletzung des Berufsgeheimnisses einen Vorbehalt für eidgenössische Bestimmungen enthalte, welche ein Melderecht oder eine Auskunftspflicht vorsehen.

Gleichzeitig hält er fest, dass diese Frage von den zuständigen Gerichten von Fall zu Fall geklärt werden müsste, wobei es derzeit keine entsprechende Verwaltungs- oder Gerichtspraxis gebe.105 Aus Sicht der GPK-S ist diese Unklarheit über den Anwendungsbereich der Meldepflicht für Anwältinnen und Anwälte unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit problematisch und könnte die Umgehung von Sanktionen gegebenenfalls begünstigen. Die GPK-S hält es für wichtig, dass der Rechtsrahmen der Meldepflicht und ihr Verhältnis zum anwaltlichen Berufsgeheimnis hinreichend genau definiert werden, um Unklarheiten zu vermeiden.

Empfehlung A

Präzisierung des Anwendungsbereiches der Meldepflicht für Anwältinnen und Anwälte

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, gegenüber der Kommission über das Verhältnis zwischen Artikel 321 Ziffer 3 StGB und Artikel 16 Ukraine-Verordnung rechtlich vertieft zu klären.

4.3

Rolle der Kantone bei der Umsetzung der Sanktionen

Die GPK-S war erstaunt darüber, dass der Bundesrat in seinem Schreiben vom 14. April 2022106 festhielt, dass die Kantone keine Vollzugsaufgaben haben und im Embargorecht deshalb auch keine Aufsicht des Bundes über kantonale Behörden vorgesehen ist. Wenn die in der Ukraine-Verordnung vorgesehene Meldepflicht gemäss dem Bundesrat keine «Vollzugsaufgabe» im eigentlichen Sinn ist, stellt sich die GPK104 105 106

Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0).

Stellungnahme des Bundesrates vom 29.6.2022 zur Interpellation 22.3492.

Schreiben des Bundesrates an die GPK-N vom 13.4.2022, S. 3.

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S die Frage, weshalb es keine Aufsicht durch das SECO gibt. Sie ist der Ansicht, dass das SECO für die Steuerung zuständig ist und in dieser Eigenschaft sicherstellen muss, dass alle Beteiligten ihre Pflichten erfüllen.

Sie fragt sich daher, ob die Bestimmungen des EmbG zu diesem Punkt noch ganz aktuell sind. Im Fall der Ukraine gilt die Meldepflicht gemäss der entsprechenden Verordnung auch für die Kantone, während andere Verordnungen keine solche Pflicht für die Kantone vorsehen. Teilweise könnte die Unsicherheit der Kantone im Zusammenhang mit dieser Bestimmung auch darauf zurückzuführen sein. Im Rahmen der Anhörungen der FDK, der SSK und KSG durch die GPK-S zeigte sich, dass die kantonalen Behörden in der Anfangsphase, vor der Veröffentlichung des Merkblattes des SECO, nicht wussten, was ihre Aufgaben waren und inwieweit sie von der Meldepflicht betroffen waren. Nach Ansicht der GPK-S hat die Formulierung «Personen und Institutionen» von Artikel 16 der Ukraine-Verordnung möglicherweise für Verwirrung gesorgt. In diesem Rahmen gab auch die Rechtsfrage, ob die Meldepflicht Vorrang von dem Steuergeheimnis hat, Anlass zu Diskussionen.

Die GPK-S stellt erfreut fest, dass diese Unsicherheiten, insbesondere im Steuerbereich, mit den Informationen des SECO (Merkblatt vom 1. April 2022 und Teilnahme an kantonalen Direktorenkonferenzen) grösstenteils ausgeräumt werden konnten. Sie ist allerdings der Ansicht, dass die allgemeine Rolle der Kantone bei der Anwendung der Wirtschaftssanktionen vom Bundesrat erneut geklärt werden sollte. Gegebenenfalls müssen das Embargogesetz oder die entsprechenden Ausführungsverordnungen angepasst werden.

Empfehlung B

Integration der Rolle der Kantone bei der Umsetzung der Sanktionen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, zu prüfen, ob die Rechtsgrundlagen für die Durchsetzung von internationalen Sanktionen im Hinblick auf eine klarere Definition der Rolle der Kantone überarbeitet werden müssen.

Die Frage der Rechtmässigkeit der Weisung des EGBA vom 1. März 2022107, mit der die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch aufgefordert wurden, bei einer Sperrung eine Anmerkung im Grundbuch anzubringen, führte in den Kantonen zu Diskussionen. Da die Einschreibung einer solchen Anmerkung im Grundbuch eine entsprechende gesetzliche Grundlage voraussetzt und eine solche Bestimmung für die Beschränkungen nach der Ukraine-Verordnung nicht ersichtlich ist108, ergab sich eine Reihe von Fragen bei den kantonalen Grundbuchämtern. Obwohl die Verpflichtung zur Anwendung von Sanktionen gemäss den geltenden Rechtsgrundlagen (EmbG und Ukraine-Verordnung) durch die Weisung des EGBA nicht in Frage gestellt wurde, wurden die aufgeworfenen Vollzugsfragen vom BJ erst spät geklärt, nämlich in sei-

107 108

Weisung des EGBA vom 1.3.2022: «Sanktionen gegen Russland» (nicht veröffentlicht).

Christoph Merk/Adrian Mühlematter, Die grundbuchrechtliche Umsetzung der UkraineVerordnung, Jusletter vom 6. März 2023, N 111­116.

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nem Schreiben vom 11. Oktober 2022109. Die GPK-S erachtet es als problematisch, wenn solche Unsicherheiten hinsichtlich einer Bestimmung in den kantonalen Grundbuchämtern über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben. Die Kommission hält es für wichtig, dass etwaige Unklarheiten bezüglich der Vollzugspraxis einer Rechtsgrundlage so schnell wie möglich beseitigt werden, um ihre ordnungsgemässe Umsetzung zu gewährleisten und Rechtssicherheit für die Vollzugsbehörden zu schaffen.

Empfehlung C

Klärung der Rolle der Grundbuchämter bei der Umsetzung der Sanktionen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, zu prüfen, ob Rolle und Zuständigkeiten der kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch bei der Umsetzung der Wirtschaftssanktionen in den einschlägigen Rechtsgrundlagen zweckmässig geregelt sind, um die Zuständigkeiten zu klären und Rechtssicherheit zu schaffen.

Weiter ersucht die GPK-S den Bundesrat, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, in den Rechtsgrundlagen den Fall der Anmerkung der Sperrung im Grundbuch klar zu regeln.

Die GPK-S hat ebenfalls die technischen Schwierigkeiten zur Kenntnis genommen, die bei der Suche nach Grundstücken sanktionierter Eigentümerinnen und Eigentümer bestehen (siehe Ziff. 3.5.3.2). Hier ist die GPK-S der Ansicht, dass die Vorschläge zur Standardisierung der gesamtschweizerischen Register im entsprechenden Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle110 weiterverfolgt werden sollen.

Angesichts der beschränkten Kognition der Grundbuchämter stellt sich die GPK-S die Frage, ob der Prozess zu den Wirtschaftssanktionen überprüft werden sollte. Dabei wäre zu klären, ob es sinnvoll wäre, wenn bei Sanktionen, welche die Staatsangehörigen eines ganzen Landes betreffen (im vorliegenden Fall Russland), jeder Erwerb oder jede Veräusserung vom SECO genehmigt werden muss. So hätte das SECO den Überblick über alle Grundbuchänderungen im Zusammenhang mit sanktionierten Personen und es könnte die Informationen überprüfen, welche die Grundbuchämter nicht selber überprüfen können, und bei Verstössen gegen Sanktionen einschreiten.

109

Schreiben des BJ an die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch vom 11.10.2022: «Informationsschreiben: Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG; SR 196.1) und Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG; SR 946.231)» (nicht veröffentlicht).

110 Eidgenössische Finanzkontrolle (2022): Gesamtschweizerische Register. Synthesebericht aus den Prüfungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle, www.efk.admin.ch > Publikationen > Justiz & Polizei (aufgerufen am 20.3.2023).

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Empfehlung D

Grundbuchänderungen im Zusammenhang mit sanktionierten Personen: Genehmigung von Erwerben und Veräusserungen durch das SECO

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zu prüfen, gemäss der jeder/jede grundbuchrelevante Erwerb oder Veräusserung vom SECO genehmigt werden muss, wenn die Schweiz Wirtschaftssanktionen übernimmt, welche die Staatsangehörigen eines ganzen Landes betreffen. Auf diese Weise hätte das SECO eine bessere Übersicht über alle Grundbuchänderungen und könnte bei Verstössen gegen Sanktionen einschreiten.

4.4

Rolle des SECO bei der Umsetzung der Sanktionen

Die GPK-S begrüsst die Art und Weise, wie das SECO 2022 seine Ressourcen für die Umsetzung der Sanktionen erhöhen konnte. Ebenfalls positiv beurteilt sie die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und des Informationsaustausches zwischen den Departementen sowie die Anpassung der internen Abläufe, wie bei den Anträgen auf Ausnahmeregelungen für eine partielle Freigabe von Geldern. Sie stellt sich jedoch die Frage, ob die am 18. Mai 2022 bewilligte Erhöhung der Ressourcen nicht früher hätte beantragt werden sollen. Die GPK-S war mehrmals erstaunt darüber, dass das WBF in seinen Anträgen an den Bundesrat festhielt, dass es «sich die Möglichkeit vorbehält, je nach Entwicklung der Situation, dem Bundesrat zu einem späteren Zeitpunkt einen Ressourcenantrag zu stellen».111 Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass die Anwendung der Sanktionen in der Anfangsphase ­ aufgrund der grossen und sehr kurzfristig gestiegenen Arbeitsbelastung des SECO ­ nicht verstärkt kontrolliert werden konnte, später hingegen schon. Sie hat ebenfalls zur Kenntnis genommen, dass das SECO namentlich mit der FINMA zusammenarbeitet, um Kontrollen bei den Banken durchzuführen. Die mit der Vorlage über die Transparenz juristischer Personen und die Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Personen am 30. August 2023 in die Vernehmlassung gegebene Teilrevision des Geldwäschereigesetzes (GwG) 112 bezweckt diesbezüglich die Rechtssicherheit zu erhöhen und der FINMA weitere Möglichkeiten einzuräumen113.

Sie erachtet es als wichtig, dass die Häufigkeit der Kontrollen erhöht werden kann, um deren Wirksamkeit zu verbessern. Dies deckt sich auch mit den Feststellungen der GPK-S zur Umsetzung der Empfehlung 2. Gemäss dem Vorsteher des WBF ist dies die Richtung, die der Bundesrat einschlagen will (siehe Ziff. 3.4.3).

111

Antrag des WBF an den Bundesrat vom 27.2.2022, Antrag des WBF an den Bundesrat vom 3.3.2022, Antrag des WBF an den Bundesrat vom 15.3.2022, Antrag des WBF an den Bundesrat vom 23.3.2022.

112 Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0).

113 Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Stärkung der Geldwäscherei-Bekämpfung, Medienmitteilung des Bundesrates vom 30.8.2023.

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Insgesamt ist die GPK-S jedoch der Ansicht, dass das SECO bisweilen mit Verzögerung auf die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Umsetzung der Meldepflicht reagierte. Wie unter Ziffer 4.3 erwähnt, war den kantonalen Behörden in der Anfangsphase nicht bekannt, welche Aufgaben sie zu erfüllen hatten und inwieweit sie von der Meldepflicht betroffen waren. Unsicherheiten bestanden auch im Zusammenhang mit der Anmerkung der Sperrung im Grundbuch und mit den Pflichten der Anwältinnen und Anwälte. Die GPK-S ist der Auffassung, dass das SECO die Kantone über diese Aspekte proaktiver hätte informieren, die Zuständigkeiten früher hätte klären und seine Funktion in Sachen Steuerung der Sanktionspolitik entschiedener hätte wahrnehmen sollen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Sanktionen in den Tagen, in denen Unsicherheiten bestanden, von gewissen Personen umgangen wurden. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Frage des Ressourcenmanagements, die sich in Krisenzeiten zwangsläufig stellt, wäre es nach Ansicht der GPK-S wichtig, dass das SECO die Angemessenheit seines Krisenkonzepts prüft. Das Ziel ist es, dass das SECO in Krisenzeiten flexibler und reaktionsfähiger ist.

Empfehlung E

Krisenkonzept des SECO

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, die Angemessenheit des Krisenkonzepts des SECO überprüfen zu lassen und dadurch sicherzustellen, dass das SECO in Krisenzeiten flexibler und reaktionsfähiger ist.

4.5

Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit

In Anbetracht der Tatsache, dass der Bund die Liste der von der EU sanktionierten Personen unverändert übernimmt, ohne eine eigene Nachprüfung der einzelnen Einträge vorzunehmen (vgl. Kapitel 3.3.3), stellt sich nach Ansicht der GPK-S unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit eine Reihe von Fragen. Zwar ist einerseits für die GPK-S nachvollziehbar, dass die Liste der von der EU sanktionierten Personen rasch übernommen wird. Angesichts der einschneidenden Wirkungen von Sanktionen bei betroffenen Personen und Unternehmen sollte andererseits im Rahmen des Möglichens ein minimales rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet werden. In diesem Sinne erfordert die unveränderte Übernahme der EU-Liste von sanktionierten Personen eine möglichst grosse Gewissheit, dass sie sachlich begründet und rechtsmässig zustande gekommen ist. Das Verfahren eines Delisting-Gesuchs (Streichung eines Eintrags) wurde von den Bundesbehörden selbst als aufwändig bezeichnet.114 Ein solches Gesuch muss zunächst von der zuständigen Behörde, dem DEFR, in Verfügungsform beantwortet werden. Fällt diese negativ aus, kann sie vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVGer)115 und in letzter Instanz vor dem Bundesgericht (BGer) angefochten werden. Die Justiziabilität eines Delisting-Gesuchs konkretisiert sich daher in potenziell sehr langwierigen Verfahren. Die GPK-S ist der Ansicht, dass die

114

Protokoll zur Sitzung der Subkommission EFD/WBF der GPK-S vom 18.­19.10.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF und des SECO).

115 Siehe z. B.: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-536/2020 vom 14. April 2022.

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rasche Übernahme der EU-Liste aus rechtsstaatlicher Sicht soweit wie möglich durch ein rasches Überprüfungsverfahren ergänzt werden sollte.

Empfehlung F

Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit

Die GPK-S ersucht den Bundesrat zu prüfen, wie die sachliche Begründetheit sowie die Rechtmässigkeit der von der EU übernommenen Liste von sankionierten Personen sichergestellt bzw. verbessert werden kann. Darüber hinaus fordert sie den Bundesrat auf, zu prüfen, wie im Rahmen des Möglichen die richterliche Überprüfung der Rechtmässigkeit verbessert werden kann und wie die entsprechenden Überprüfungsverfahren rasch durchgeführt werden können.

5

Fazit

Die GPK-S ist zufrieden mit der Umsetzung ihrer Empfehlungen von 2018 und schliesst ihre Nachkontrolle zu den Empfehlungen 1 bis 5 daher ab.

Bei der Umsetzung der Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine hat die Kommission einige Punkte festgestellt, die der Klärung bedürfen, insbesondere hinsichtlich der Rolle der Kantone. Die GPK-S ersucht den Bundesrat, bis spätestens 15. Februar 2024 zu den Empfehlungen A, B, C, D, E und F Stellung zu nehmen. Zudem bittet sie ihn, ihr mitzuteilen, mit welchen Massnahmen und innerhalb welcher Frist er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

14. November 2023

Für die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Der Präsident der GPK-S und Präsident der Subkommission EFD/WBF: Matthias Michel, Ständerat Die Sekretärin der GPK: Ursina Jud Huwiler Wissenschaftliche Mitarbeitende der GPK: Pierre-Alain Jacquet, Dorian Gollut

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Abkürzungsverzeichnis AB APK-S BAZG BBl BGFA BSTB BV BWSA DaziT DBG EAD EDA EGBA EmbG EU EZV FDK fedpol FINMA GKG GPK GPK-N GPK-S GwG IAFP IDAG IKUR KMG KSG 34 / 36

Amtliches Bulletin Aussenpolitische Kommission des Ständerates Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit Bundesblatt Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz; SR 935.61) Bundesstab Bevölkerungsschutz Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) Ressort «Sanktionen» im Leistungsbereich «Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen» des SECO Programm zur digitalen Transformation des BAZG Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (SR 642.11) Europäischer Auswärtiger Dienst Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Amt für Grundbuch- und Bodenrecht Bundesgesetz vom 22. März 2002 über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz; SR 946.231) Europäische Union Eidgenössische Zollverwaltung Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren Bundesamt für Polizei Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter, besonderer militärischer Güter sowie strategischer Güter (Güterkontrollgesetz; SR 946.202) Geschäftsprüfungskommission(en) Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0) Integrierter Aufgaben- und Finanzplan Interdepartementale Arbeitsgruppe Interdepartementale Koordinationsgruppe Ukraine/Russland Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz; SR 514.51) Konferenz der Schweizerischen Grundbuchführung

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MROS

Money Laundering Reporting Office Switzerland; Meldestelle für Geldwäscherei NDB Nachrichtendienst des Bundes PVK Parlamentarische Verwaltungskontrolle SBVg Schweizerische Bankiervereinigung SECO Staatssekretariat für Wirtschaft SIF Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SR Systematische Sammlung SSK Schweizerische Steuerkonferenz StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StHG Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz; SR 642.14) UkraineVerordnung vom 4. März 2022 über Massnahmen im Zusammenhang Verordnung mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72) UNO Organisation der Vereinten Nationen VZÄ Vollzeitäquivalent WBF Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WG Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz; SR 514.54)

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