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Nachkontrolle: Hochseeschifffahrts-Bürgschaften Kurzbericht der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte vom 14. November 2023

2023-3611

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Das Wichtigste in Kürze Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) haben im Rahmen ihrer Nachkontrolle zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften die Umsetzung ihrer noch offenen Empfehlungen, die sie in ihrem Bericht von 2018 formuliert hatten, bewertet.

Die GPK sind der Auffassung, dass ihre wichtigsten Erwartungen in Bezug auf die adäquate Protokollierung und Archivierung betreffend Führungsgespräche (Empfehlung 1) und auf die Ausarbeitung einheitlicher Vorgaben für den Vollzug von Bürgschaften und ähnlichen Verpflichtungen (Empfehlung 8) erfüllt sind.

Was die Empfehlung 2 betreffend die Überprüfung der Organisationsstruktur des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) betrifft, begrüssen die GPK, dass der Bundesrat letztlich beschlossen hat, sich ihrer in den Berichten von 2018 und 2019 vertretenen Position anzuschliessen und die Organisation der Wirtschaftlichen Landesversorgung (WL) eingehend zu überprüfen.

Die GPK sind besorgt über die Situation im BWL. Die Covid-19-Krise, der Ukrainekrieg und die Energiekrise haben ein weiteres Mal aufgezeigt, wie wichtig es ist, die Strukturen dieses Bundesamtes zu verbessern. Die GPK haben Kenntnis davon genommen, dass im Rahmen des vom WBF lancierten Projekts zur Reform der WL verschiedene verbesserungsbedürftige Aspekte ermittelt wurden und konkrete Massnahmen seit dem Amtsantritt des neuen Delegierten in der Umsetzung sind, was die Kommissionen als sinnvoll erachten. Die GPK-N wird die Entwicklungen in Bezug auf die Organisation der WL weiterverfolgen.

Die GPK haben zudem erfreut zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat den Wechsel zu einer Vollzeitführung der WL beschlossen hat, in welcher die Delegierte oder der Delegierte auch die Funktion der Direktion innehat (Beschäftigungsgrad von 100%). Sie befürworten diese Massnahme zwar grundsätzlich, haben jedoch Vorbehalte gegen den Beschluss des Bundesrates, den Beschäftigungsgrad noch vor der entsprechenden Gesetzesänderung zu erhöhen. Obwohl die Stelle nur befristet im Vollpensum besetzt wurde und die Verwaltung bereits einen Entwurf zur Gesetzesänderung vorbereitet hat, verstösst die Ausschreibung der Delegiertenstelle mit einem Beschäftigungsgrad von 100 Prozent gegen Artikel 58 Absatz 2 des Landesversorgungsgesetzes. Angesichts der Entscheidung, die Stelle zu
befristen, und in Anbetracht der aktuellen Versorgungslage sind die GPK trotz allem der Meinung, dass dieser Beschluss aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht nachvollziehbar ist.

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Kontext

Ende September 2017 beschlossen die GPK infolge der Krise im Zusammenhang mit den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften und angesichts der erheblichen finanziellen Auswirkungen dieses Dossiers auf den Bund, eine Inspektion zu diesem Thema einzuleiten. Im Rahmen dieser Inspektion untersuchten sie, wie das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) seine Aufsicht über das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) seine Aufsicht über das Schweizerische Schifffahrtsamt (SSA) wahrgenommen hatten. Im Fokus der Arbeiten der GPK standen zudem die Information des Gesamtbundesrates, die Lehren, die aus dieser Angelegenheit für weitere Bürgschaften und für das Risikomanagement des Bundes gezogen wurden, sowie die Rolle der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) in diesem Dossier.

In ihrem am 26. Juni 2018 veröffentlichten Inspektionsbericht1 legten die GPK ihre Schlussfolgerungen dar und formulierten acht Empfehlungen an den Bundesrat. Diese betrafen insbesondere die Organisationsstruktur des BWL, die Archivierung, das Risikomanagement und die Vorgaben für den Vollzug von Bürgschaften. Vier Empfehlungen bezogen sich auf die Durchführung von Administrativuntersuchungen in der Bundesverwaltung.

Die GPK nahmen im Rahmen ihrer Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften»2 eine Analyse der Stellungnahme des Bundesrates vom 28. September 20183 und anderer erhaltener Informationen vor. Sie beschlossen am 25. Juni 2019, ihre Inspektion mit einem Kurzbericht4 abzuschliessen, und ersuchten den Bundesrat, den darin enthaltenen Bemerkungen Rechnung zu tragen. Die GPK teilten dem Bundesrat mit, dass sie im Rahmen einer Nachkontrolle zwei Jahre später überprüfen werden, ob ihre Empfehlungen tatsächlich umgesetzt wurden.

1 2

3 4

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Bericht der GPK vom 26.6.2018 (BBl 2018 6205).

Die am 4. Juli 2017 eingesetzte Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» wurde von den GPK mit der Durchführung der Inspektion beauftragt. Im November 2023 setzt sich diese Arbeitsgruppe aus den Nationalratsmitgliedern Yvonne Feri (Präsidentin), Daniela Schneeberger, Manuela Weichelt, Thomas de Courten und Erich von Siebenthal sowie aus den Ständeratsmitgliedern Maya Graf, Charles Juillard, Marianne Maret, Matthias Michel und Hans Stöckli zusammen.

Bericht der GPK vom 26.6.2018. Stellungnahme des Bundesrates vom 28.9.2018 (BBl 2018 6277).

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften: Bewertung der Stellungnahme des Bundesrates vom 28.9.2018. Kurzbericht der GPK vom 25.6.2019 (BBl 2019 7001).

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1.2

Gegenstand der Nachkontrolle

Im November 2021 beschlossen die GPK, die Nachkontrolle in dieser Angelegenheit einzuleiten mit dem Ziel, die Umsetzung ihrer noch offenen Empfehlungen zu bewerten. Im Rahmen dieser Nachkontrolle konzentrierten sie sich darauf, wie der Bundesrat die Empfehlung 1 («Adäquate Protokollierung und Archivierung betr. Führungsgespräche»), die Empfehlung 2 («Überprüfung der Organisationsstruktur des BWL») und die Empfehlung 8 («Überprüfung einheitlicher Vorgaben für den Vollzug von Bürgschaften und ähnlichen Verpflichtungen») umgesetzt hat. Sie richteten hierzu Fragen an den Bundesrat, führten verschiedene Anhörungen des WBF und von Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung durch und nahmen Kenntnis von verschiedenen Dokumenten zur Reorganisation des BWL.

Mit den anderen Empfehlungen, d. h. den Empfehlungen 3, 4, 5 und 6 zu Administrativuntersuchungen, befasste sich die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) im Rahmen ihrer Inspektion «Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung»5 und der Bundesrat nahm bereits Stellung6 dazu.

Folglich werden diese Empfehlungen im vorliegenden Bericht nicht thematisiert.7 Mit der Umsetzung der Empfehlung 7 zum Einbezug bestimmter Verpflichtungen in das Risikomanagement hatten sich die GPK bereits zufrieden gezeigt. Die Arbeitsgruppe der GPK zum Risikomanagement des Bundes8 verfolgt die Entwicklungen in diesem Bereich, weshalb auch diese Empfehlung nicht Gegenstand dieser Nachkontrolle ist.

2

Empfehlung 1: Adäquate Protokollierung und Archivierung betr. Führungsgespräche

Die GPK stellten in ihrem Bericht von 2018 fest, dass die Aktenführung und -archivierung lückenhaft sind. Das WBF konnte die Protokolle der Sitzungen mit dem BWL vor 2013 nicht auffinden ­ sie sollen in Form von E-Mails verfasst worden sein. Die Vorschriften zur Archivierung wurden somit nicht eingehalten.

5 6

7

8

Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung. Bericht der GPK-N vom 19.11.2019 (BBl 2020 1659).

Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung. Bericht der GPK-N vom 19.11.2019. Stellungnahme des Bundesrates vom 20.5.2020 (BBl 2020 4757).

Der Bundesrat hat verschiedene Massnahmen getroffen, um die Anliegen der GPK umzusetzen. Die GPK-N ist noch daran, diese zu prüfen; sie wird nach Abschluss der Arbeiten darüber informieren (voraussichtlich Ende 2023).

www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Aufsichtskommissionen > GPK > Arbeitsgruppen (Stand: 15.12.2022).

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Empfehlung 1 von 2018

Adäquate Protokollierung und Archivierung betr.

Führungsgespräche

Die GPK fordern den Bundesrat auf, mit geeigneten Mitteln dafür zu sorgen, dass Führungsgespräche adäquat protokolliert und archiviert werden und dass die bestehenden Vorgaben zur Aktenführung und -archivierung in der Praxis eingehalten werden.

2.1

Standpunkt des Bundesrates

Der Bundesrat erklärt in seinem Schreiben vom 2. Februar 20229, er teile die Ansicht der GPK, dass Beurteilungen und Entscheidfindungsprozesse transparent und nachvollziehbar sein müssen. In seiner Stellungnahme von 2018 hielt der Bundesrat indes fest, «dass nicht jeder Austausch zwischen Departementsvorsteher und Amtsleitung nach einer Protokollierung ruft», und verweist in seinem Schreiben vom 2. Februar 2022 auch auf die GPK, die in ihrer Bewertung der Stellungnahme des Bundesrates von 2018 der Meinung waren, dass es vom Inhalt und von der Bedeutung der Gespräche abhängt, ob diese zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar sein müssen.10 Der Bundesrat ist der Auffassung, dass diese Spielregeln den Verwaltungseinheiten bekannt sind und jede eigenverantwortlich eine adäquate Aktenführung sicherzustellen hat. Weiterer Handlungsbedarf für die Umsetzung der Empfehlung im Vollzug bestehe daher nicht. Es obliege den einzelnen Departementen, in der Praxis ­ soweit nötig ­ Einfluss zu nehmen.

2.2

Beurteilung der GPK

In ihrem Kurzbericht von 2019 fragten sich die GPK, nach welchen Kriterien der Bundesrat die Bedeutung der zu archivierenden Geschäfte bewertet und in welcher Form das WBF die Führungsgespräche protokolliert. Der Bundesrat räumte ein, dass die Unterlagen im Bereich der Hochseeschifffahrts-Bürgschaften damals den Anforderungen an eine ordnungsgemässe Archivierung nicht genügten, und die GPK nahmen erfreut zur Kenntnis, dass die Anforderungen in Bezug auf Form und Inhalt der Protokollierung und Archivierung präzisiert wurden.11 Die GPK sind zufrieden mit den vom Bundesrat erhaltenen Informationen und kommen im Rahmen ihrer Nachkontrolle zum Schluss, dass zusätzliche Massnahmen, die 9 10 11

Schreiben des Bundesrates vom 2.2.2022 an die GPK, S. 1 (nicht veröffentlicht).

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften: Bewertung der Stellungnahme des Bundesrates vom 28.9.2018. Kurzbericht der GPK vom 25.6.2019 (BBl 2019 7001, 7004).

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften: Bewertung der Stellungnahme des Bundesrates vom 28.9.2018. Kurzbericht der GPK vom 25.6.2019 (BBl 2019 7001, 7004). So entschied das WBF in Sachen Bürgschaften, dass die Gespräche mit der Direktion des BWL künftig in Dossiernotizen und nicht mehr in E-Mails festgehalten werden sowie dass alle wichtigen Elemente und Beschlüsse dieser Gespräche im Geschäftsverwaltungssystem abgelegt und archiviert werden.

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über diejenigen, die aufgrund der Empfehlung der GPK ergriffen wurden, hinausgehen, nicht notwendig sind.12

3

Empfehlung 2: Überprüfung der Organisationsstruktur des BWL

Im Rahmen ihres Berichts von 2018 fragten sich die GPK zudem, inwiefern die Organisationsstruktur des BWL zu den Problemen mit den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften beigetragen hatte, da diese Frage von mehreren angehörten Personen aufgeworfen wurde. Die GPK hatten vor allem Zweifel zur Angemessenheit des 40-Prozent-Pensum geäussert, welches dem Delegierten für die wirtschaftliche Landesversorgung zugesprochen wurde, um die Führungsaufgabe des BWL wahrzunehmen.

Deshalb formulierten sie die nachstehende Empfehlung.

Empfehlung 2 von 2018

Überprüfung der Organisationsstruktur des BWL

Die GPK fordern den Bundesrat auf, die Organisationsstruktur des BWL auf Fuhrungsstufe zu uberprufen, dabei insbesondere eine vollamtliche Amtsdirektorenfunktion zu evaluieren und den GPK darüber Bericht zu erstatten. Die Milizstruktur auf der Ebene der Fachbereiche ist beizubehalten. Dabei ist der Mehrwert der Delegiertenfunktion auszuweisen. Vor diesem Hintergrund ist die Aufteilung der Zuständigkeiten amtsintern sowie zwischen der Amtsleitung und der Departementsspitze zu klären.

Überdies wird der Bundesrat in diesem Zusammenhang gebeten, die Zweckmässigkeit einer Integration des BWL in ein anderes Amt zu prüfen.

3.1

Standpunkt des Bundesrates

3.1.1

Reform der wirtschaftlichen Landesversorgung

In seiner Stellungnahme vom 28. September 201813 teilte der Bundesrat mit, diese Empfehlung sei in seinen Augen durch mehrere Massnahmen bereits umgesetzt worden und es sei nicht notwendig, die Organisation der WL sowie die Organisationsstruktur des BWL erneut zu prüfen. Die GPK zogen in ihrem Kurzbericht die Argumente des Bundesrates in Zweifel, da sie der Auffassung waren, dass es diesen an Tiefe fehlte. Sie kündigten an, diesen Aspekt im Rahmen der Nachkontrolle vertieft zu prüfen.

12 13

Die GPK haben auf eine umfassendere Beurteilung der Aktenführung in der Bundesverwaltung verzichtet, da dies den Rahmen dieser Nachkontrolle sprengen würde.

Bericht der GPK vom 26.6.2018. Stellungnahme des Bundesrates vom 28.9.2018 (BBl 2018 6277).

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Am 17. Januar 2020 eröffnete der Vorsteher des WBF dennoch eine Administrativuntersuchung zur Führungsorganisation der WL.14 In der von Cornel Borbély geleiteten Untersuchung wurde die Führungsorganisation der WL überprüft, namentlich die Zusammenarbeit, die Aufgabenteilung und die Verantwortlichkeiten zwischen dem Amt und der Milizorganisation15. Untersucht wurden auch das Risikomanagement und einzelne Prozesse zur Überwindung von Not- und Mangellagen sowie die Zusammensetzung, die Aufgaben, die Verantwortlichkeiten und die Kompetenzen der Krisenorganisation zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften16. Auch Erkenntnisse aus der Covid-19-Pandemie wurden in den Bericht aufgenommen.

Nach dem Bericht vom 18. September 202017 zur Administrativuntersuchung beauftragte das Generalsekretariat des WBF eine externe Projektleitung,18 unter der Führung eines Projektleiters der WL,19 damit, die Führungs- und Organisationsstrukturen und einzelne Instrumente (Compliance, Monitoring usw.) der WL weiterzuentwickeln. Sie sollte auch Vorschläge im Einklang mit den aktuellen und künftigen Herausforderungen der WL (z. B. Veränderungen in den Versorgungsketten, Cybersicherheit, sichere Energieversorgung [Strom], Heilmittel und digitale Transformation der WL-Organisation) ausarbeiten, einschliesslich Vorschlägen für eine adäquate Ressourcenausstattung.

Die Projektgruppe hielt in ihrem Schlussbericht vom Dezember 202120 fest, dass das BWL in der damaligen Konstellation noch nicht in der Lage war, eine grundsätzliche Organisationsreform in Angriff zu nehmen. Es seien wichtige Schlüsselpositionen derzeit nicht besetzt, grundlegende Abstimmungen zwischen Geschäfts-, Führungsund Supportprozessen würden zum Teil fehlen. Die Autoren des Berichts betonen, dass keine allgemein gültige Geschäftskontrolle existierte, dass jede Geschäftsstelle nach mehr oder weniger eigenständig entwickelten Abläufen funktionierte, dass der 14 15

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Bundesrat Parmelin eröffnet Administrativuntersuchung im Bereich der Wirtschaftlichen Landesversorgung, Medienmitteilung des WBF vom 17.1.2020.

Die WL ist eine Organisation, die laut Gesetz von einer oder einem aus der Wirtschaft stammenden Delegierten geleitet wird. Die oder der Delegierte steht an der Spitze der gesamten Organisation, zu der das BWL und die Milizorganisation gehören. Die Milizorganisation besteht aus rund 250 Expertinnen und Experten aus der Privatwirtschaft und anderen Verwaltungszweigen, die ihr Fachwissen und ihre Erfahrung in den Dienst der wirtschaftlichen Landesversorgung stellen; www.bwl.admin.ch > Wirtschaftliche Landesversorgung > Organisation und Struktur der wirtschaftlichen Landesversorgung (Stand: 27.1.2023).

Siehe Kap. 3.1.7 Borbély, Cornel: Administrativuntersuchung betreffend Organisation, Strukturen und Prozesse in der wirtschaftlichen Landesversorgung, Bericht vom 18.9.2020 zur Administrativuntersuchung, erstattet an Bundesrat Guy Parmelin, www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Administrativuntersuchung Wirtschaftliche Landesversorgung: Führungs- und Organisationsstrukturen sowie Compliance und Governance sollen überprüft werden (Stand: 23.1.2023).

Administrativuntersuchung Wirtschaftliche Landesversorgung: Führungs- und Organisationsstrukturen sowie Compliance und Governance sollen überprüft werden, Medienmitteilung des WBF vom 18.11.2020.

Das WBF beauftragte Lukas Bruhin mit der Leitung des Projekts Reform WL.

Bruhin, Lukas / Werren, Andreas: Reform wirtschaftliche Landesversorgung 2021, Projektschlussbericht vom 21.12.2021 (im Folgenden Projektschlussbericht WL vom 21.12.2021), www.bwl.admin.ch > Wirtschaftliche Landesversorgung > Organisation und Struktur der wirtschaftlichen Landesversorgung (Stand: 31.1.2023).

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Strategieprozess grundsätzlich sinnvoll war, jedoch zu starr auf einen Vierjahreszyklus ausgelegt und damit sehr träge gewesen sei. Die personelle Ausstattung des Amtes ermöglichte nach Einschätzung des damaligen Delegierten und der Projektleitung kaum die Bewältigung der wichtigsten aktuellen Geschäfte und erlaubte damit auch keine grundlegenden, aber nötigen Anpassungen an Ausrichtung, Struktur und Prozessen des Amtes bzw. der Gesamtorganisation der WL. Sie stellten fest, dass die Führung der Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung und die Mitarbeitenden des BWL allzu stark mit dem Tagesgeschäft befasst waren und kaum Kapazitäten für grundlegende Arbeiten an den Basisstrukturen, Zuständigkeitsklärungen oder Prozessoptimierungen bestanden. Es mussten in diesem Sinn zuerst die personellen und ressourcenmässigen Voraussetzungen geschaffen werden, damit eine dringend nötige Organisationsentwicklung überhaupt erst möglich wurde. Fünf Massnahmenpakete wurden vorgesehen: ­

Massnahmenpaket 1: Massnahmen zu Führungs- und Organisationsfragen, die ohne Gesetzesänderungen auf Ebene BWL umgesetzt werden können.

­

Massnahmenpaket 2: Klärung der Aufbauorganisation und Revision der Geschäftsordnung der Organisation der WL.

­

Massnahmenpaket 3: Erfassung, Optimierung und Digitalisierung der Prozesse.

­

Massnahmenpaket 4: Verbesserung der Ressourcenausstattung der Organisation der WL.

­

Massnahmenpaket 5: Rechtsanpassungen am Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung (LVG)21 und an der Verordnung über die wirtschaftliche Landesversorgung (VWLV)22.

Im Frühjahr 2022 teilte das WBF den GPK mit, dass aus seiner Sicht die gesetzlichen Bestimmungen zur Organisation der WL sinnvoll sind und mit einigen vorgesehenen gesetzlichen Anpassungen grundsätzlich beibehalten werden sollen. Gemäss dem Departement soll der Entwurf der Teilrevision, inklusive Schaffung der Stelle einer oder eines Delegierten in Vollzeit, Klärung der Rollen und Kompetenzen zwischen dem Bundesrat, den Departementen und den Bundesämtern vor und während einer schweren Mangellage, sowie Anpassungen bei den wirtschaftlichen Interventionsmassnahmen insbesondere auch hinsichtlich des Interventionszeitpunktes, Ende 2023 in die Konsultation geschickt werden.

21 22

Bundesgesetz vom 17.6.2016 über die wirtschaftliche Landesversorgung (Landesversorgungsgesetz, LVG; SR 531).

Verordnung vom 10.5.2017 über die wirtschaftliche Landesversorgung (VWLV; SR 531.11).

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3.1.2

Führungsmodell für die WL

Auf der Grundlage des Reformprojekts des WBF gelangte der Bundesrat zum Schluss, dass die Ausübung der Funktion der oder des Delegierten der wirtschaftlichen Landesversorgung im Nebenamt nicht mehr angemessen ist. Er beschloss im März 2022,23 die Delegiertenstelle nach der Pensionierung des damaligen Amtsinhabers Ende 2022 in einem Vollzeitpensum neu zu besetzen. Der Bundesrat beauftragte das WBF, bis 2023 einen Entwurf zur Revision des LVG24 zu erarbeiten, in welcher unter anderem das neue Führungsmodell abgebildet ist. Nach Kenntnis der GPK soll der Artikel 58 Absatz 2, der vorsieht, dass «die oder der Delegierte das BWL und die Fachbereiche im Nebenamt [leitet]», durch eine neue Bestimmung ersetzt werden.

Dieses neue Führungsmodell sollte laut dem Projektleiter WL-Reform eine straffere und zentralisierte Verwaltung, eine bessere Verfügbarkeit und die Vermeidung potenzieller Interessenkonflikte ermöglichen.25 Bis zum Inkrafttreten der überarbeiteten LVG-Bestimmung wurde die Delegiertenstelle in Vollzeit bis Ende 2026 befristet.

Am 19. Oktober 2022 ernannte der Bundesrat zunächst Kurt Rohrbach zum Delegierten ad interim von Dezember 2022 bis Juni 2023.26 Am 16. Dezember 2022 ernannte der Bundesrat Hans Häfliger zum Delegierten.27 Dieser trat sein Amt am 1. Juli 2023 an. In der Übergangsphase bis Sommer 2023 fanden ein regelmässiger Austausch und eine Abstimmung zwischen dem aktuellen Delegierten und dem designierten Delegierten statt, insbesondere um eine gemeinsame Linie bei mittel- und langfristigen Massnahmen zu entwickeln und im Juli 2023 keinen abrupten Kurswechsel in der WL zu vollziehen.28 Im April 2023 erklärte der Delegierte ad interim gegenüber den GPK, dass sich die Übergangsphase positiv vollziehe und er in engem und regelmässigem Austausch mit seinem Nachfolger stehe, wodurch dieser die Möglichkeit habe, sich bereits vor seinem Amtsantritt mit den Geschäften des Amtes und den Herausforderungen der WL-Reform vertraut zu machen.29 Der Vorsteher des WBF betonte gegenüber den GPK, wie wichtig es sei, die Reform der WL und insbesondere der Leitung des BWL unverzüglich umzusetzen.30 Die besonderen Umstände ­ insbesondere der Ukrainekrieg und dessen Auswirkungen auf die Versorgung der Schweiz im Rahmen der WL ­ hätten den Bundesrat veranlasst, 23 24 25

26 27 28 29

30

Bundesrat fällt Richtungsentscheide für bessere Versorgungssicherheit, Medienmitteilung des Bundesrates vom 30.3.2022.

Landesversorgungsgesetz-Teilrevision wird Erfahrungen aus der Energiekrise einbeziehen, Medienmitteilung des Bundesrates vom 11.1.2023.

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Kurt Rohrbach wird Delegierter der Wirtschaftlichen Landesversorgung ad interim, Medienmitteilung des Bundesrates vom 19.10.2022.

Hans Häfliger wird neuer Delegierter der Wirtschaftlichen Landesversorgung, Medienmitteilung des Bundesrates vom 16.12.2022.

Bericht des BWL zuhanden der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» vom 24.03.2023 (nicht veröffentlicht).

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 25.4.2023 (Anhörung der Generalsekretärin des WBF, des Delegierten ad interim der WL und der Stabschefin der WL).

Schreiben des Vorstehers des WBF vom 2.8.2022 an die Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» (nicht veröffentlicht), S. 2.

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die Delegiertenstelle in Abweichung von Artikel 58 Absatz 2 LVG mit einem Beschäftigungsgrad von 100 Prozent auszuschreiben. Das Vorgehen bei der Neubesetzung der Delegiertenstelle sei im Vorfeld mit dem Bundesamt für Justiz (BJ) und mit dem Eidgenössischen Personalamt (EPA) besprochen worden. Das BJ habe es als problematisch erachtet, dass sich der Bundesrat mit der vorgeschlagenen Variante vorübergehend über eine vom Gesetzgeber vorgesehene ausdrückliche organisatorische Regelung im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG)31 hinweggesetzt habe und damit den Grundsatz der Parallelität der Formen missachtet. Angesichts der besonderen Umstände seien das BJ und das EPA jedoch der Ansicht gewesen, dass der dringliche Reformbedarf und die geplanten Begleitmassnahmen (d. h. die rasche Eröffnung der Vernehmlassung zur Revision des LVG und die vorläufige Befristung der Vollzeitanstellung des Delegierten) geeignet sind, die Beschneidung des Gestaltungsspielraums der Bundesversammlung zu kompensieren.

Der Vorsteher des WBF informierte die GPK, dass die ebenfalls vakante Stelle der stellvertretenden Direktorin oder des stellvertretenden Direktors des BWL in Absprache mit dem neu gewählten Delegierten neu besetzt wird und die anderen vakanten Stellen des BWL gestaffelt im Rahmen eines normalen Einstellungsverfahrens besetzt werden.32 Per Januar 2023 wurde im BWL eine Stabsstelle unter Leitung einer Stabschefin geschaffen; gleichzeitig wurde die Funktion des stv. Direktors gestrichen. Das Amt hat die beiden GPK darüber informiert, dass der Führungsstab im Verlauf des Jahres 2023 um die Stellen Ressourcen, Kommunikation, Krisenmanagement und Digitalisierungsbeauftragter erweitert werden soll. Dieser Führungsstab unterstützt den Delegierten und leitet oder begleitet Projekte, welche mehrere Fachbereiche oder die gesamte WL betreffen. Laut dem Amt wird mit dieser gestärkten Führungsstruktur die Voraussetzung geschaffen, um die WL-Reform effizient voranzutreiben. und die Forderung nach einer Amtsführung «aus einer Hand» umzusetzen (Empfehlung 3)33.

Das WBF präzisierte gegenüber den GPK, dass es Aufgabe des neuen Delegierten sein wird, nach seinem Amtsantritt im Juli 2023 seinen Bedürfnissen entsprechend die genaue Ausgestaltung der Stelle der Stabschefin oder des Stabschefs vorzunehmen.34

31 32

33 34

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21.3.1997 (RVOG; SR 172.010).

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Bericht des BWL zuhanden der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» vom 24.03.2023 (nicht veröffentlicht).

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 25.4.2023 (Anhörung der Generalsekretärin des WBF, des Delegierten ad interim der WL und der Stabschefin der WL). In einer ersten Zeit wurde diese Stabsstelle befristet besetzt.

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3.1.3

Ressourcen des BWL

Laut dem Departementsvorsteher hat sich in den letzten zwei Jahren gezeigt, wie anfällig die Schweizer Lieferketten, welche die WL gewährleisten soll, sind und wie wichtig es ist, sie zu stärken.35 Nach dem Fall der Berliner Mauer und der Beendigung des Kalten Krieges sei der Personalbestand im BWL von rund 50 Vollzeitstellen sukzessive auf etwa 32 Vollzeitstellen bis Ende 2022 abgebaut worden. Dem Vorsteher des WBF zufolge hatte sich die Einschätzung, die Risiken für die Landesversorgung würden abnehmen, in den 1990er-Jahren allerdings bestätigt.

Angesichts der jüngsten Herausforderungen anerkannten Bundesrat und Parlament den Bedarf an zusätzlichem Personal zur Erfüllung der Aufgaben der WL; acht neue Vollzeitäquivalente (VZÄ) für die Unterstützung der Leitung, der Administration, der Sekretariate der Fachbereiche Ernährung, Heilmittel und Energie sowie der Kommunikation mit den Kantonen wurden im Rahmen des Voranschlags 202336 von der Bundesversammlung bereits bewilligt.

Neben der Führung (+ 3 FTE, siehe vorheriges Kapitel), hat das BWL die Arbeitsgruppe im März 2023 darüber informiert37, dass die einzelnen Fachbereiche (Energie: +4 FTE, Heilmittel: + 3 FTE, Ernährung: +1.5 FTE) personell verstärkt und Vakanzen besetzt werden. Diese Verstärkung wurde während dem ersten Semester 2023 umgesetzt. Damit sind Massnahmen aus Paket 4 erfüllt, und es ist sichergestellt, dass laut dem BWL die WL neben dem Tagesgeschäft auch die angezeigten Reformprozesse bewältigen kann. Das Amt anerkennt, dass die begrenzten personellen Ressourcen und der Führungswechsel im 2022 viele organisatorische Massnahmen verzögert haben.

3.1.4

Allgemeine Organisationsstruktur der WL und vorgesehene Massnahmen

Auf der Grundlage der Prüfung des WBF plante der Bundesrat, die Leitung der WL zu stärken, namentlich aus der oder dem Delegierten (in Vollzeit), aus der stellvertretenden Direktorin oder dem stellvertretenden Direktor und aus den Fachbereichsleitungen.38 Laut WBF wird es mit dieser neuen Leitung möglich sein, die Ziele und Massnahmen zuhanden des Bundesrates und des Parlaments besser vorzubereiten und eine effiziente Einheit zu bilden, die einmal im Monat oder alle sechs Wochen zusammentritt.

35

36 37 38

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024­2026 der Verwaltungseinheiten (EDI, WBF, UVEK), S. 197.

Bericht des BWL zuhanden der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» vom 24.03.2023 (nicht veröffentlicht).

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL); Projektschlussbericht WL vom 21.12.2021, S. 27.

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Laut WBF müssen sich die Fachbereiche direkt und stärker der oder dem Delegierten unterstellen und enger mit ihr oder ihm zusammenarbeiten.39 Zudem seien die Fachbereichsmitglieder nach gezielteren Anforderungsprofilen auszuwählen. Auch die Koordination zwischen dem Amt und den Wirtschaftskreisen müsse verbessert werden.

Die Stärkung des BWL als Stabsstelle der WL ziele auch darauf ab, dass die WL eine proaktivere Rolle bei der Erkennung von Problemen einnehmen und entsprechende Abhilfemassnahmen in Betracht ziehen könne. Das BWL müsse Massnahmen zuhanden der Fachbereiche vorschlagen, danach aber auch prüfen, ob die Massnahmen in Angriff genommen wurden und vollziehbar sind. Wenn nicht, müsse das BWL die Fachbereiche darauf hinweisen, dass sie ihre Aufgaben nicht erfüllt haben und nochmals über die Bücher gehen müssen. Nach Meinung des Projektleiter Reform WL 40 ist dies bisher nicht oder zu selten geschehen.

Das WBF ist der Ansicht, dass auch die Kommunikation und Vernetzung der WL intern und extern verstärkt werden müssen.41 Beispielsweise war der Projektleiter Reform WL der Ansicht, dass einige Ämter sich nicht völlig bewusst waren, dass sie selbst Organe der WL sind und die oder der Delegierte sie42 mit Aufgaben der wirtschaftlichen Landesversorgung beauftragen kann. Zudem sei geplant, die Koordination zwischen den Fachbereichen im BWL zu verbessern und die Prozesse und Praktiken zu optimieren. Was die Daten zur wirtschaftlichen Landesversorgung betrifft, sei mit der Erstellung von in die Elektronische Lagedarstellung (ELD) integrierten Modulen begonnen worden. Der Aufbau eines systematischen Datenmanagements solle es ermöglichen, Trendanalysen zu erstellen und mit Szenarien und Modellen zu arbeiten.

Im April 2023 fand ein Workshop zur Organisation der WL, mit dem zukünftigen Delegierten, erfahrenen Führungskräften des Bundesamtes und der Milizorganisation statt. Ziel dieses Workshops war es, das Eigenverständnis und den Organisationsaufbau der WL zu klären und daraus konkrete Massnahmen abzuleiten. Die Umsetzung einzelner organisatorischen Massnahmen wie die Schärfung von Prozessen (bspw. der Geschäftskontrolle) sind noch immer am Laufen. Es ist vorgesehen, dass die neue Struktur des Amtes frühestens ab dem 1. Januar 2024 in Kraft tritt.43 Das Generalsekretariat des WBF teilte den GPK mit, dass es die Aufsicht über das BWL verstärken und die Reformen im Rahmen der für die verschiedenen Projekte

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42 43

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Art. 8 VWLV Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 25.4.2023 (Anhörung der Generalsekretärin des WBF, des Delegierten ad interim der WL und der Stabschefin der WL).

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eingerichteten Steuerungsausschüsse begleiten wird.44 Es versicherte zudem, dass es dem Einbezug der Kantone in die Umsetzung der Reform besondere Aufmerksamkeit schenken wird.45

3.1.5

Stellenbeschreibungen der oder des Delegierten der WL und der stellvertretenden Direktorin oder des stellvertretenden Direktors des BWL

Die GPK waren 2019 der Ansicht, dass in den Stellenbeschreibungen der BWLLeitung die Formulierung zu den Kompetenzen im Risikomanagement sehr vage ist und dass dieses Element klarer ausgeführt werden sollte.46 Der Vorsteher des WBF informierte die GPK, dass die Stellenbeschreibung für die Delegierte oder den Delegierten überarbeitet wurde.47 Bei der Ausschreibung und beim Auswahlverfahren für die neue Delegierte oder den neuen Delegierten sei der strategischen Planung und den Kompetenzen im Bereich des Risikomanagements besondere Bedeutung beigemessen worden. Diese Aspekte seien auch bei der Aktualisierung der anderen Stellenbeschreibungen innerhalb des Amtes berücksichtigt worden.

3.1.6

Aufgabenteilung in der WL-Leitung

Im Jahr 2019 bedauerten die GPK sehr, dass die Aufgaben und Funktionsweise der WL und des BWL erst 2018 vollständig und transparent in einer Geschäftsordnung festgehalten wurden.48 Die GPK waren zudem erstaunt, dass ihnen kein klarer Prozess zum Umgang mit internen Differenzen in der Leitung des BWL präsentiert werden konnte.49 Die GPK hatten vorab nämlich festgestellt, dass es keine klare Aufteilung der Kompetenzen und Aufgaben zwischen der WL und dem BWL sowie keine klaren Prozesse zwischen dem Delegierten und dem stellvertretenden Direktor gab. In diesem Zusammenhang waren sie der Ansicht, dass eine Schlichtung auf Ebene des Departements nicht die einzige Lösung sein kann, und erachteten es als unerlässlich, dass auch auf Führungsstufe des BWL detaillierte Regelungen zur Beilegung von Differenzen festgelegt werden, und zwar unabhängig von den jeweiligen Stelleninhaberinnen oder Stelleninhabern. Sie forderten das WBF dazu auf, die notwendigen Abklärungen in diesem Bereich vorzunehmen.

44

45

46 47 48 49

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 25.4.2023 (Anhörung der Generalsekretärin des WBF, des Delegierten ad interim der WL und der Stabschefin der WL).

Kurzbericht der GPK vom 25.6.2019 (BBl 2019 7001, 7010/11).

Schreiben des Vorstehers des WBF vom 2.8.2022 an die Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» (nicht veröffentlicht), S. 2.

Kurzbericht der GPK vom 25.6.2019 (BBl 2019 7001, 7012).

Kurzbericht der GPK vom 25.6.2019 (BBl 2019 7001, 7012).

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Der Vorsteher des WBF ist der Ansicht, dass mit der Einführung des Modells einer oder eines vollamtlichen Delegierten, welche oder welcher gleichzeitig auch die Leitung des BWL übernimmt (siehe Kapitel 3.1.2), künftig Konflikte rasch und eindeutig geklärt werden können.50 Bei Differenzen zwischen Miliz und Bundesamt diene die Geschäftsleitung, welche beide Bereiche umfasst, als Entscheidfindungsgefäss. Verantwortung und Entscheid würden bei der oder beim Delegierten liegen. Die Führung aus einer Hand sorge für kurze, eindeutige Entscheidwege.

Das Departement teilte zudem mit, dass im Rahmen der WL-Reform Fragen der Compliance und der Interessenskonflikte geklärt werden und entsprechende Schulungen für BWL-Mitarbeitende und Milizangehörige vorgesehen sind.51 Auch das derzeitige Verfahren zur Ernennung der Milizangehörigen solle ergänzt werden und die entsprechenden «Stellen»52 sollten allenfalls ausgeschrieben werden.

3.1.7

Krisenorganisation «Bürgschaften Hochseeschiffe»

Die GPK haben sich zudem über die Entwicklung der Organisationsstrukturen im WBF und im BWL bezüglich der spezifischen Thematik der Bürgschaften informiert.

Aufgrund der Krisensituation in Zusammenhang mit den Schiffsbürgschaften haben das Generalsekretariat des WBF und die EFV daraufhin wesentliche Aufgaben bei der Begleitung der Hochseeschifffahrts-Bürgschaften übernommen. Im März 2019 beschloss der Vorsteher des WBF, eine departementsübergreifende Projektorganisation für das Krisenmanagement in der Hochseeschifffahrt einzurichten.53 Das WBF kam im Frühjahr 2022 zum Schluss, dass die Krise der HochseeschifffahrtsBürgschaften überwunden ist, weshalb die Krisenorganisation am 19. Mai 2022 aufgelöst54 und die Beaufsichtigung der Bürgschaften in geordneter Weise wieder dem BWL übertragen wurde. Das WBF erklärte der Arbeitsgruppe, dass der Bund keine neuen Bürgschaftsverpflichtungen bei der Finanzierung von Hochseeschiffen gewähren wird.55 Die Bürgschaftsverpflichtungen des Bundes hätten sich von 800 Millionen Franken Ende 2016 auf 225 Millionen Franken im Sommer 2022 reduziert und würden Ende 2032 auslaufen. Es würden im Sommer 2022 14 Hochseeschiffe mit vom Bund besicherten Krediten in Höhe von 225 Millionen Franken verbleiben; die Amor-

50 51

52 53

54 55

Schreiben des Vorstehers des WBF vom 2.8.2022 an die Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» (nicht veröffentlicht), S. 2/3.

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 3.5.2022 (Anhörung des Vorstehers des WBF, der Generalsekretärin des WBF und des Leiters des Projekts Reform WL).

Die für die WL tätigen Personen sind keine Bundesangestellten mit fixem Pensum, sondern Mandatsnehmende.

Die Krisenorganisation begleitet den Abwicklungsprozess und sucht gemeinsam mit den Gesellschaften und den Banken nach Lösungen, um den finanziellen Verlust für den Bund zu minimieren. Bei Bedarf werden externe ökonomische und juristische Expertinnen und Experten beigezogen.

Schreiben des Vorstehers des WBF vom 2.8.2022 an die Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» (nicht veröffentlicht), S. 3.

Schreiben des Vorstehers des WBF vom 2.8.2022 an die Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» (nicht veröffentlicht), S. 3/4.

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tisationsrückstände seien aufgeholt.56 Die Schiffsgesellschaften würden gute Charterraten erzielen und seien heute wirtschaftlich gut aufgestellt. Die Gesamtverluste des Bundes bei den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften beliefen sich Anfang August 2022 (d.h. zum Zeitpunkt der Auflösung der Krisenorganisation des WBF) auf schätzungsweise 340 Millionen Franken.57 Einzig zwei laufende Gerichtsverfahren und damit zusammenhängende Arbeiten werden zukünftig noch unter Federführung des Generalsekretariats WBF und der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) geführt. Im Rahmen der Auflösung der Krisenorganisation wurden die Informations- und Eskalationsprozesse gegenüber dem Generalsekretariat, EFV sowie Seeschifffahrtsamt verbessert. Damit ist sichergestellt, dass in erneuter Krise der Hochseeschifffahrt rasch reagiert und grössere Verluste für den Bund vermieden werden können.58 Die GPK haben zur Kenntnis genommen, dass das WBF im Bereich der Bürgschaften nach wie vor punktuell externe Fachleute zur Unterstützung beizieht, namentlich zur Nachverfolgung bestimmter Rechtsverfahren, dass die meisten Dossiers inzwischen aber intern vom Personal des BWL bearbeitet werden.59

3.2

Beurteilung der GPK

Die GPK begrüssen, dass der Bundesrat letztlich beschlossen hat, sich der Position, die sie bereits in ihren Berichten von 2018 und 2019 vertreten hatten, anzuschliessen und ­ wie in Empfehlung 2 gefordert ­ eine gründliche Überprüfung der Organisationsstruktur der WL vorzunehmen. Sie haben seit Abschluss ihrer Inspektion im Jahr 2019 die Entwicklungen in Bezug auf die Organisation der WL aufmerksam verfolgt und sich laufend über die Administrativuntersuchung von 2020 und das im Jahr 2021 lancierte Reformprojekt informieren lassen. Sie nehmen zu den einzelnen Elementen der Reform wie folgt Stellung.

3.2.1

Rückübertragung der Bewirtschaftung der Bürgschaften ans BWL

Aus Sicht der GPK sind die Argumente des WBF, die Beaufsichtigung der Bürgschaften wieder dem BWL zu übertragen, nachvollziehbar, da die mit den Bürgschaften verbundenen Risiken zum heutigen Zeitpunkt deutlich geringer sind. Dennoch sind die Kommissionen der Auffassung, dass die Rückübertragung der Bewirtschaftung an 56

57 58 59

Schreiben des Vorstehers des WBF vom 2.8.2022 an die Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» (nicht veröffentlicht), S. 3/4. Per 30.6.2023 bestanden verbürgte Darlehen in Höhe von rund 164 Millionen Franken. Laut Angaben des WBF vom August 2023 haben sich die Charterraten gegenüber dem Vorjahr verschlechtert. Es bestehen keine Amortisationsrückstände.

Schreiben des Vorstehers des WBF vom 2.8.2022 an die Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» (nicht veröffentlicht), S. 3/4.

Der WBF teilte den GPK mit, dass «bei einer erneuten deutlichen Verschlechterung der Situation [...] die Wiedereinberufung einer Krisenorganisation möglich» wäre.

Protokoll der Arbeitsgruppe «Hochseeschifffahrts-Bürgschaften» der GPK vom 25.4.2023 (Anhörung der Generalsekretärin des WBF, des Delegierten ad interim der WL und der Stabschefin der WL).

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das BWL mitten in einer Krise, während das Amt umstrukturiert wird, gewisse Risiken birgt. Sie fordern das WBF daher auf, im Rahmen seiner Aufsichtsfunktion weiterhin genau zu verfolgen, wie das BWL mit diesem Dossier umgeht, und sicherzustellen, dass das Bundesamt über die notwendigen Kompetenzen in diesem Bereich verfügt.

3.2.2

Führungsmodell

Die GPK begrüssen zudem, dass der Bundesrat den Wechsel zu einem Modell mit einer vollamtlichen Direktorin oder einem vollamtlichen Direktor für die WL plant.

Die GPK waren bereits 2018 der Ansicht, dass die Schaffung der Funktion der vollamtlichen Amtsdirektorin oder des vollamtlichen Amtsdirektors in Betracht gezogen werden sollte, da sie befürchteten, eine 40-Prozent-Stelle würde zur Erfüllung dieser Aufgabe nicht ausreichen.60 Die GPK befürworten diese Massnahme zwar grundsätzlich, haben jedoch Vorbehalte gegen den Beschluss des Bundesrates, den Beschäftigungsgrad noch vor der Beratung der entsprechenden Gesetzesänderung durch das Parlament zu erhöhen, da die Ausschreibung einer Vollzeitstelle für die Delegierte oder den Delegierten gegen Artikel 58 Absatz 2 LVG verstösst. Die GPK erkennen jedoch an, dass sich der Bundesrat aufgrund der besonderen Umstände, namentlich des Ukrainekrieges und dessen Auswirkungen auf die Versorgung der Schweiz im Rahmen der WL sowie der Notwendigkeit, die Kapazitäten des Amtes rasch auszubauen, zu diesem Schritt veranlasst sah. Sie haben Kenntnis davon genommen, dass die laufende Reorganisation, die Vorbehalte in Bezug auf die künftigen Beschlüsse des Parlaments und die Notwendigkeit einer Revision des LVG in der Stellenausschreibung ausdrücklich erwähnt wurden.

Die Frage der Rechtmässigkeit dieser Ausschreibung wurde aus Sicht der GPK angemessen vorbereitet und innerhalb der Verwaltung diskutiert (siehe Kap. 3.1.2). Angesichts der Entscheidung, die Stelle zu befristen, und in Anbetracht der aktuellen Versorgungslage sind die GPK trotz allem der Meinung, dass dieser Beschluss aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht nachvollziehbar ist.

Die GPK fordern den Bundesrat nachdrücklich auf, solche Situationen künftig frühzeitig zu erkennen. Es war seit Langem absehbar, dass die Organisationsstruktur des BWL und insbesondere das Führungsmodell der WL angepasst werden müssen: Die GPK hatten die Empfehlung 2 bereits 2018 formuliert.61 Sie sind der Ansicht, dass dieser Verstoss gegen das Gesetz hätte vermieden werden können, wenn der Bundesrat die Organisationsstruktur der WL sorgfältiger untersucht hätte.

Es gibt noch viele offene Fragen zur künftigen Führungsstruktur des Amtes, insbesondere zur Rolle der stellvertretenden Direktorin oder des stellvertretenden
Direktors, respektive zum Führungsstab der BWL. Die GPK halten es für wichtig, dass die Frage der Stellenbeschreibungen (u. a. Berücksichtigung des Risikomanagements) sowie der Schulung der Verantwortlichen im Bereich Compliance und im Umgang mit Interessenkonflikten angemessen geregelt werden.

60 61

Bericht der GPK vom 26.6.2018 (BBl 2018 6205, 6256) Bericht der GPK vom 26.6.2018 (BBl 2018 6205, 6256)

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3.2.3

Reorganisation des BWL

Die GPK sind besorgt über die Situation im BWL und teilen die Einschätzung des WBF in Bezug auf die begrenzten Ressourcen der Verwaltungseinheit. Die Covid-19Krise, der Ukrainekrieg und die Energiekrise haben klar aufgezeigt, dass die Strukturen dieses Bundesamtes verbessert werden müssen. Sie haben Kenntnis davon genommen, dass im Rahmen des vom WBF lancierten Projekts verschiedene verbesserungsbedürftige Aspekte ermittelt wurden und konkrete Massnahmen sind in der Umsetzung seit dem Amtsantritt des neuen Delegierten ergriffen werden soll, was die Kommissionen als sinnvoll erachten. Es wäre jedoch zum jetzigen Zeitpunkt zu früh, eine Gesamtbeurteilung der Reorganisation der WL abzugeben.

Aus Sicht der GPK ist es zweifellos eine grosse Herausforderung, in einer Krise neben den laufenden Aufgaben auch die Reorganisation des BWL zu gewährleisten. Auf dieses Problem wies auch der Vorsteher des WBF hin. Die GPK sind der Ansicht, dass diese Herausforderungen vom Departement angemessen angegangen werden und dass die Priorität darin bestehen sollte, das Amt zu befähigen, die Herausforderungen der aktuellen Energiekrise und andere künftige Herausforderungen zu bewältigen. Die GPK werden dieser Teil des Dossiers im Rahmen ihrer regulären Oberaufsichtstätigkeiten weiterverfolgen (siehe Kap. 6).

4

Empfehlung 8: Überprüfung einheitlicher Vorgaben für den Vollzug von Bürgschaften und ähnlichen Verpflichtungen

In ihrem Bericht von 2018 hielten die GPK fest, dass teilweise sehr hohe Verbindlichkeiten des Bundes in Form von Bürgschaften oder Garantieverpflichtungen bestehen.

Angesichts der Risiken stellte sich den GPK die Frage, ob der Bundesrat allenfalls für die ganze Bundesverwaltung Kriterien für die Vergabe von Bürgschaften bzw. das Eingehen von Garantieverpflichtungen aufstellen sollte. Aus diesem Grund formulierten sie die folgende Empfehlung: Empfehlung 8 von 2018

Überprüfung einheitlicher Vorgaben für den Vollzug von Bürgschaften und ähnlichen Verpflichtungen

Die GPK ersuchen den Bundesrat, zu prüfen, ob vor dem Hintergrund der Krise um die Hochseeschifffahrts-Bürgschaften einheitliche Vorgaben für die Gewährung von Bürgschaften und ähnlichen Verpflichtungen erlassen werden sollten.

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4.1

Empfehlung der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte

Im Rahmen ihres Berichts über die Solidarbürgschaften des Bundes für die Schweizer Hochseeschifffahrt vom 27. Juni 2019 empfahl die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) dem Bundesrat, das Instrument der Solidarbürgschaft nicht mehr einzusetzen.62 Der Bundesrat stellte in seiner Stellungnahme klar, dass er auf die Solidarbürgschaft als Förderinstrument nicht verzichten möchte, er es aber für wichtig hält, dass der Einsatz auf einer entsprechenden Rechtsgrundlage ziel- und risikoorientiert erfolgt und auch der Vollzug entsprechend beaufsichtigt wird.63 Die FinDel informierte sich regelmässig über die Umsetzung ihrer Empfehlung und anerkennt, dass das Instrument ausserhalb des Bereichs der Hochseeschifffahrt in vereinzelten Fällen sinnvoll eingesetzt werden kann, ist jedoch ebenso wie die GPK der Ansicht, dass die Bedingungen klar definiert werden müssen.64

4.2

Standpunkt des Bundesrates

Der Bundesrat erklärt in seinem Schreiben an die GPK vom 2. Februar 2022, dass der Vollzug im Bereich der Subventionen, namentlich der Bürgschaften, verbessert und die Aufsicht normativ und operativ verstärkt wurde.65 Um bei der Verabschiedung neuer Subventionen oder Bürgschaften die Transparenz zu gewährleisten, sei der Botschaftsleitfaden überarbeitet worden. Er halte nun fest, dass in einer Botschaft über die Einhaltung der im Subventionsgesetz (SuG)66 festgelegten Grundsätze Bericht erstattet werden muss. Es sei Aufgabe der EFV, die Einhaltung der subventionsrechtlichen Bestimmungen während des Gesetzgebungsverfahrens zu kontrollieren.

Der Bundesrat hält es für wichtig, dass die Anreize so gesetzt werden, dass Darlehensgeberinnen und -nehmer gleichsam daran interessiert sind, dass dem Bund keine Verluste entstehen. Deshalb seien die Darlehensgeber in die Aufsicht zu integrieren, indem jeweils nur ein Teil des Darlehens verbürgt werde.

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65 66

Solidarbürgschaften des Bundes für Schweizer Hochseeschiffe: Untersuchung des Verkaufsprozesses der SCL- und SCT-Schiffe. Bericht der FinDel der eidgenössischen Räte vom 27.6.2019 (BBl 2020 6137, 6248).

Solidarbürgschaften des Bundes für Schweizer Hochseeschiffe: Untersuchung des Verkaufsprozesses der SCL- und SCT-Schiffe. Bericht der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte. Stellungnahme des Bundesrates 4.9.2019 (BBl 2020 6261, 6078).

Bericht der Finanzdelegation an die Finanzkommissionen des Nationalrates und des Ständerates betreffend die Oberaufsicht über die Bundesfinanzen im Jahre 2020 (BBl 2021 1690 Ziff. 5.7.4).

Schreiben des Bundesrates vom 2.2.2022 an die GPK, S. 2­4 (nicht veröffentlicht).

Bundesgesetz vom 5.10.1990 über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz; SR 616.1).

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Covid-19-Kredite Die Covid-19-Kredite sind ein aktuelles Beispiel für die Nutzung des Instruments der Bürgschaften durch den Bundesrat. Demzufolge wurde dieses System unter besonderen Umständen erarbeitet und stellt in dieser Hinsicht einen Sonderfall dar.67 Die Missbrauchsbekämpfung im Bereich der Solidarbürgschaften im Zusammenhang mit Covid-19 wird von der EFK begleitet. Der Bundesrat und die FinDel werden zudem regelmässig über die Entwicklungen im Kreditmanagement und über die Risikobeurteilung informiert.68 Was die Rechtsgrundlagen betrifft, wurde die Auskunftspflicht im SuG ausgeweitet und die Pflicht zur Erstellung eines risikoorientiert ausgestalteten Überprüfungskonzepts in das Gesetz aufgenommen.69 Mit der Einführung der Verpflichtung, schriftliche Konzepte für die Überprüfung von Subventionen vorzusehen, soll die Arbeit der Verwaltungseinheiten systematisiert, erleichtert und optimiert werden. Die Erstellung eines Überprüfungskonzepts setzt eine detaillierte Analyse der mit den gewährten Subventionen verbundenen Risiken und der geplanten Überprüfung voraus.

Zusammenfassend ist der Bundesrat der Ansicht, dass der Vollzug und die Beaufsichtigung der Bürgschaften durch die zuständigen Verwaltungseinheiten in den letzten Jahren verbessert wurde, insbesondere aufgrund der Erfahrungen mit den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften. Die entsprechenden Präzisierungen wurden im revidierten SuG vorgenommen, das kürzlich in Kraft getreten ist. Der Schwerpunkt wird auf die maximale Risikominimierung, das Controlling und die Dokumentation gelegt.

4.3

Beurteilung der GPK

Die GPK haben von den Verbesserungen beim Vollzug und bei der Beaufsichtigung der Bürgschaften sowie an den entsprechenden Rahmenbedingungen Kenntnis genommen. Sie halten die ergriffenen Massnahmen im Hinblick auf die Risikominde-

67 68

69

Siehe diesbezüglich das entsprechende Kapitel im Jahresbericht 2022 der GPK und der GPDel (BBl 2023 579 Ziff. 4.1.1).

Im Sonderfall der Covid-Kredite bis 500 000 Franken wurde der Darlehensgeber nicht in die Aufsicht integriert und das Darlehen vollständig durch den Bund verbürgt. Siehe dazu Jahresbericht 2022 der GPK und der GPDel vom 23.1.2023 (BBl 2023 579, Ziff. 4.1.1).

Art. 15c und 25 SuG, mit dem Bundesgesetz vom 19.3.2021 über administrative Erleichterungen und eine Entlastung des Bundeshaushalts eingeführte Änderungen (AS 2021 654); Botschaft vom 26.8.2020 zum Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts (BBl 2020 6985).

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rung für angemessen und sehen aus der Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht keinen weiteren Handlungsbedarf in dieser Hinsicht.70

5

Andere im Rahmen der Nachkontrolle thematisierte Aspekte

Die GPK haben sich am Rande ihrer Untersuchung auch über verschiedene andere Aspekte erkundigt. Beispielsweise haben sie sich von der Bundesanwaltschaft (BA) über das Verfahren gegen den ehemaligen Stabschef des BWL und den Beschluss, das Verfahren einzustellen, orientieren lassen. Sie haben auch Kenntnis genommen von der Verurteilung eines Reeders mit Verbindung zu verbürgten Hochseeschiffen durch das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern, die in zweiter Instanz bestätigt wurde.

In ihrem vorhergehenden Bericht kamen die GPK auf den Vorwurf zurück, die EFK habe bestimmten Personen71, die in ihrem Bericht vom 14. April 2017 zur Administrativuntersuchung genannt werden, den Anspruch auf rechtliches Gehör verweigert.72 Diese Frage war Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Das Bundesgericht (BG) fällte sein Urteil am 14. April 202073, gab den Beschwerdeführenden Recht und entschied, dass der Bericht grösstenteils geschwärzt werden müsse. Aus Sicht des WBF ist dieser Bericht durch den Entscheid unbrauchbar geworden.74 Im Rahmen ihrer Arbeiten war es den GPK ein Anliegen, dass die Rolle der Finanzinstitute und der Revisionsstellen untersucht wird, und forderten die FinDel auf, diesen Punkt zu vertiefen und nahmen Kenntnis von den diesbezüglichen Arbeiten der FinDel.75 Sie kamen zum Schluss, dass kein Handlungsbedarf in Bezug auf diese verschiedenen Aspekte besteht.

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71

72 73 74 75

Die GPK betonen, dass sie im Rahmen der vorliegenden Nachkontrolle nicht den Fall der Ausfallgarantien und der Liquiditätshilfe-Darlehen des Bundes für die Schweizerische Nationalbank (SNB) vom März 2023 im Zusammenhang mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS geprüft haben. Die allfällige Prüfung dieser Aspekte fällt in die Zuständigkeit der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Untersuchung der Geschäftsführung der Behörden im Zusammenhang mit der Notfusion der Credit Suisse (CS) mit der UBS. Darüber hinaus äussern sich die GPK im vorliegenden Bericht nicht zum Sonderfall der Solidarbürgschaften im Zusammenhang mit Covid-19-Krediten.

Ihre Einschätzung diesbezüglich findet sich im Jahresbericht 2022 der GPK und der GPDel vom 23.1.2023 (BBl 2023 579, Ziff. 4.1.1).

Insbesondere der ehemalige Stabschef des BWL (1991­2012) sowie die ehemalige Delegierte der WL (2006­2015) Siehe diesbezüglich den Bericht der GPK vom 26.6.2018, Kap. 4.4.2 (BBl 2018 6205, 6261).

Kurzbericht der GPK vom 25.6.2019 (BBl 2019 7001, 7021).

Bundesgerichtsentscheid 1C_527/2019 vom 14.4.2020.

Schreiben des WBF vom 15.1.2021 an die Arbeitsgruppe (nicht veröffentlicht).

Siehe namentlich der Jahresbericht 2021 (BBl 2022 1625 Ziff. 5.5.5) und der Jahresbericht 2022 (BBl 2023 1713 Ziff. 4.6.4) der FinDel.

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6

Schlussfolgerungen

Die GPK zeigen sich angesichts der Informationen, die sie vom Bundesrat und vom WBF erhalten haben, zufrieden mit der Umsetzung ihrer Empfehlungen aus dem Jahr 2018. In ihren Augen gibt es aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht über die Geschäftsführung derzeit keinen Handlungsbedarf mehr in Bezug auf die Hochseeschifffahrts-Bürgschaften. Aus diesem Grund haben die GPK beschlossen, ihre Arbeit in dieser Angelegenheit einzustellen und folglich ihre Arbeitsgruppe nach der Veröffentlichung dieses Kurzberichts aufzulösen.

Da die GPK aber über die aktuelle Situation im BWL und die künftige Entwicklung des Bundesamtes besorgt sind, werden sie sich auch weiterhin regelmässig über die Situation und die vom Bundesrat und vom WBF in diesem Punkt ergriffenen Massnahmen informieren. Sie haben beschlossen, der Subkommission EFD/WBF der GPK-N den Auftrag zu erteilen, diese spezifischen Arbeiten im Rahmen ihrer regulären Oberaufsichtstätigkeit weiterzuführen.

14. November 2023

Im Namen der GPK Der Präsident der GPK-S: Matthias Michel, Ständerat Die Präsidentin der GPK-N: Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin Die Präsidentin der Arbeitsgruppe: Nationalrätin Yvonne Feri Die Sekretärin der GPK: Ursina Jud Huwiler Die Sekretäre der Arbeitsgruppe: Pierre-Alain Jaquet Nicolas Gschwind

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Abkürzungsverzeichnis AS

Amtliche Sammlung

BBl

Bundesblatt

BGer

Bundesgericht

BWL

Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung

Covid-19

Coronavirus disease 2019; Coronavirus-Erkrankung 2019

DWL

Delegierte/r der wirtschaftlichen Landesversorgung

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFK

Eidgenössische Finanzkontrolle

EFV

Eidgenössische Finanzverwaltung

ELD

Elektronische Lagedarstellung

FinDel

Finanzdelegation der eidgenössischen Räte

GPK

Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

GPK-S

Geschäftsprüfungskommission des Ständerates

LVG

Bundesgesetz vom 17.6.2016 über die wirtschaftliche Landesversorgung (Landesversorgungsgesetz; SR 531)

PUK

Parlamentarische Untersuchungskommission

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21.3.1997 (RVOG; SR 172.010)

SR

Systematische Rechtssammlung

SSA

Schweizerisches Seeschifffahrtsamt

SuG

Bundesgesetz vom 5.10.1990 über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz; SR 616.1)

VWLV

Verordnung vom 10.5.2017 über die wirtschaftliche Landesversorgung (SR 531.11)

VZÄ

Vollzeitäquivalent

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WL

Wirtschaftliche Landesversorgung

Ziff.

Ziffer

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