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23.086 Botschaft zum Investitionsprüfgesetz vom 15. Dezember 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf des Bundesgesetzes über die Prüfung ausländischer Investitionen (Investitionsprüfgesetz, IPG).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2020

M 18.3021

Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen (S 17.6.19, Rieder; N 3.3.20)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Dezember 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-3765

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Übersicht Mit der Einführung einer Investitionsprüfung sollen Übernahmen von inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren verhindert werden können, wenn diese Übernahmen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährden oder bedrohen.

Ausgangslage Das Parlament hat den Bundesrat mit der Annahme der Motion Rieder vom 26. Februar 2018 (18.3021 «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen») beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen für eine Prüfung von ausländischen Direktinvestitionen zu schaffen. Der vorliegende Entwurf für ein Investitionsprüfgesetz (E-IPG) setzt diesen Auftrag um.

Die Schweiz zählt sowohl zu den weltweit grössten Empfängern von ausländischen Investitionen als auch zu den weltweit grössten Investoren im Ausland. Die Politik der Offenheit gegenüber ausländischen Investitionen ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz und damit auch für den Wohlstand der Bevölkerung in der Schweiz von zentraler Bedeutung. Diese Politik gewährleistet den schweizerischen Unternehmen den Zufluss von Kapital und Wissen und trägt so zur Wertschöpfung sowie zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei.

Der Bundesrat hat deshalb bei der Ausarbeitung des E-IPG darauf geachtet, dass die Offenheit der Schweiz gegenüber ausländischen Investitionen sowie die Attraktivität als Investitionsstandort möglichst gewahrt bleiben. Entsprechend ist die Investitionsprüfung zielgerichtet, griffig und administrativ schlank ausgestaltet. Zudem wurde Wert darauf gelegt, dass sich die Regelung durch eine hohe Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit auszeichnet und die Zuständigkeiten klar geregelt sind.

Die Investitionsprüfung ist zudem mit den bereits bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

Der Bundesrat lehnt die Einführung einer Investitionsprüfung weiterhin ab: Gemäss seiner Beurteilung ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstig und das bestehende Regelwerk ausreichend. So sind keine Übernahmen bekannt, welche in der Vergangenheit die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährdet hätten. Er verzichtet daher auf einen Antrag auf Zustimmung zu diesem Entwurf.

Inhalt der Vorlage Die im vorliegenden Entwurf vorgesehene Investitionsprüfung bezweckt, Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren zu verhindern,
wenn diese Übernahmen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährden oder bedrohen. Hierfür werden Übernahmen von inländischen Unternehmen, die in einem besonders kritischen Bereich tätig sind, durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren einer Genehmigungspflicht unterstellt. Die besonders kritischen Bereiche umfassen u. a. Rüstungsgüter sowie zivil und militärisch verwendbare Güter, Stromnetze und -produktion, Wasserversorgung sowie Gesundheits-, Telekom- und Transportinfrastrukturen. Kleine Unternehmen werden ausgenommen.

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Der Fokus auf staatlich kontrollierte Investoren ergibt sich daraus, dass ausschliesslich unternehmerisch motivierte Übernahmen grundsätzlich unproblematisch sind.

Private Investoren sind an einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit der übernommenen Unternehmen interessiert und verfolgen prinzipiell keine destabilisierenden oder geopolitischen Absichten. Entsprechend sind die Risiken für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bei ausländischen privaten Investoren eher tief. Die Risikobeurteilung fällt hingegen anders aus, wenn Übernahmen politisch motiviert sind. Gefährdungen oder Bedrohungen dürften daher hauptsächlich von ausländischen staatlich kontrollierten Investoren ausgehen. Darauf wurde auch in der Debatte im Parlament zur Motion 18.3021 Rieder mehrfach hingewiesen. Das Kriterium der staatlichen Kontrolle schliesst dabei auch private Investoren mit ein, sofern diese unmittelbar oder mittelbar durch einen Staat kontrolliert werden.

Die Verantwortung für die Durchführung der Investitionsprüfung und die Koordination mit den mitinteressierten Verwaltungseinheiten wird dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) übertragen. Das Genehmigungsverfahren ist zweistufig aufgebaut. Innerhalb eines Monats wird entschieden, ob die Übernahme genehmigt werden kann oder ob ein Prüfverfahren einzuleiten ist. Ein Prüfverfahren würde maximal weitere drei Monate dauern. Der Entscheid, ob ein Prüfverfahren eingeleitet werden soll oder nicht, wird von den beteiligten Verwaltungseinheiten (d. h. dem SECO und den mitinteressierten Verwaltungseinheiten) im Konsens gefällt. Besteht bei einem Prüfverfahren Uneinigkeit zwischen den beteiligten Verwaltungseinheiten oder Einigkeit, dass die Übernahme untersagt werden soll, hat der Bundesrat über eine Genehmigung zu befinden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht 1

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.2.1 Verfolgte Ziele 1.2.2 Geltungsbereich 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

6 6 7 8 10

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Vorarbeiten 2.2 Vernehmlassungsvorlage 2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.4 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.4.1 Anpassungen aufgrund der Vernehmlassung 2.4.2 Nicht berücksichtigte Anliegen aus der Vernehmlassung

15 15 16

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Zweck 3.2 Kritische Sektoren 3.3 In- vs. ausländischer Investor 3.4 Staatlicher vs. nicht-staatlicher Investor 3.5 Investitionstyp und Schwellenwerte 3.6 Melde- und Genehmigungspflicht 3.7 Mehrstufigkeit, Dauer der Verfahren und Rechtsmittel 3.8 Zuständigkeiten 3.9 Zusammenarbeit und (gegenseitige) Ausnahmen von der Investitionsprüfung 3.10 Praxis

25 27 27 28 29 29 30 31 31

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen

32 32 33 34

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

35

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund

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14 15

16 17 17 20

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6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 7

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit Auswirkungen auf die Volkswirtschaft Auswirkungen auf die Gesellschaft Auswirkungen auf die Umwelt Andere Auswirkungen

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.7 Datenschutz und Öffentlichkeitsprinzip

Bundesgesetz über die Prüfung ausländischer Investitionen (Investitionsprüfgesetz, IPG) (Entwurf)

66 66 67 69 69 69 70 70 71 72 72 73 73 74

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Mit der Annahme der Motion Rieder vom 26. Februar 2018 (18.3021 «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen») hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, «gesetzliche Grundlagen für eine Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen zu schaffen unter anderem, indem er eine Genehmigungsbehörde für die der Investitionskontrolle unterworfenen Geschäfte einsetzt». Der vorliegende Entwurf für ein Investitionsprüfgesetz (E-IPG) geht auf diesen Auftrag zurück.

Die Motion 18.3021 Rieder steht im Zusammenhang mit vermehrten ausländischen Investitionen aus aufstrebenden Schwellenländern. Die Investitionsaktivitäten dieser Unternehmen haben sich in den letzten Jahren allerdings merklich abgeschwächt.1 Vor allem Investitionen von staatlichen oder staatsnahen Unternehmen haben teilweise Befürchtungen geweckt, dass damit Gefährdungen oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz einhergehen können. Um diesen potentiellen Gefährdungen oder Bedrohungen angemessen begegnen zu können, erachtet es das Parlament als notwendig, in der Schweiz eine Investitionsprüfung einzuführen. Damit könnten in bestimmten Fällen Übernahmen von inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren untersagt werden.

Der Bundesrat hat sich bislang gegen die Einführung einer Investitionsprüfung ausgesprochen. In seiner Beurteilung ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Investitionsprüfung ungünstig. Erstens ist das bestehende Regelwerk von Bund und Kantonen ausreichend. Wie im Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen»2 vom 13. Februar 2019 in Erfüllung der Postulate 18.3376 Bischof und 18.3233 Stöckli dargelegt, bieten der weitgehende Staatsbesitz bei kritischen Infrastrukturen sowie die bestehende Gesetzgebung bereits heute einen angemessenen Schutz gegenüber Gefährdungen oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz. So sind keine Übernahmen bekannt, welche in der Vergangenheit die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährdet hätten. Zweitens würde die Einführung einer Investitionsprüfung zu einer erhöhten Unsicherheit für Investoren und Eigentümer möglicher Zielunternehmen und damit zu einer Minderung der Standortattraktivität der Schweiz führen. Zudem würden zusätzliche administrative Belastungen der betroffenen Unternehmen
resultieren. Der Bundesrat ist sich jedoch der internationalen Entwicklungen bewusst. In den letzten Jahren hat eine verstärkte Diskussion rund um die Einflussnahme durch ausländische Investoren, Lieferkettensicherheit oder auch Gewährleistung kritischer Fähigkeiten stattgefunden.

1

2

Siehe die Regulierungsfolgenabschätzung zum Entwurf des Investitionsprüfgesetzes (RFA E-IPG). Abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Publikationen > Regulierung > Regulierungsfolgenabschätzung > Vertiefte RFA.

Abrufbar unter: www.parlament.ch > 18.3376 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

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In rund 80 Prozent der OECD-Staaten3 (und in rund 80 Prozent der EU-Mitgliedsstaaten4) gibt es eine sektorübergreifende Investitionsprüfung.

Auch die vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Auftrag gegebene vertiefte Regulierungsfolgenabschätzung (nachfolgend RFA E-IPG) kommt zum Schluss, dass bereits zahlreiche Instrumente bestehen, mit denen diesen Gefährdungen oder Bedrohungen begegnet werden kann. Insbesondere die kritischen Infrastrukturen bspw. in den Bereichen Energie, Wasser oder Verkehr sind deshalb bereits gut geschützt. Weniger gut geschützt sind gemäss der RFA E-IPG hingegen die Bereiche Rüstungsgüter sowie zivil und militärisch verwendbare Güter, sicherheitsrelevante Informatikdienstleistungen sowie Arzneimittel und Medizinprodukte.

Für die Eigentümer möglicher Zielunternehmen sind somit hohe Kosten zu erwarten.

Zudem vermindert sich die Attraktivität des Wirtschafts- und Investitionsstandorts Schweiz. Diese Kosten stehen einem potenziellen sicherheitspolitischen Nutzen gegenüber, der sich allerdings nicht klar quantifizieren lässt und sich auf wenige Wirtschaftszweige beschränkt. Deshalb hält der Bundesrat an seiner bisherigen Einschätzung fest: er lehnt die Einführung einer Investitionsprüfung weiterhin ab und verzichtet daher auf einen Antrag auf Zustimmung zu diesem Entwurf.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Die Politik der Offenheit gegenüber ausländischen Investitionen ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz und damit auch für den Wohlstand der Bevölkerung in der Schweiz von zentraler Bedeutung. Diese Politik gewährleistet den schweizerischen Unternehmen den Zufluss von Kapital und Wissen und trägt so zur Wertschöpfung sowie zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Dies ist bei der Einführung einer Investitionsprüfung zu beachten.

Die Investitionsprüfung soll deshalb möglichst zielgerichtet, griffig und administrativ schlank ausgestaltet werden. Wichtig ist ferner, dass sich die Regelung durch eine möglichst hohe Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit auszeichnet und die Zuständigkeiten klar geregelt sind. Die Investitionsprüfung soll zudem mit den bereits bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar sein.

Im Zentrum der geprüften Alternativen stehen zum einen die Ziele, die mit einer Investitionsprüfung verfolgt werden, zum anderen der Geltungsbereich (d. h. die Übernahmen, die erfasst werden). Auf diese beiden Aspekte wird nachfolgend eingegangen.

3

4

Siehe Bericht der OECD (2023): Investment policy developments in 61 economies between 16 October 2021 and 15 March 2023. Abrufbar unter: www.oecd.org > Investment > Investment policies related to national security and public order.

Stand 13. Oktober 2023, siehe «List of screening mechanisms notified by Member States». Abrufbar unter: https://policy.trade.ec.europa.eu/index_en > Enforcement and protection > Investment screening.

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1.2.1

Verfolgte Ziele

Der Text der Motion 18.3021 Rieder lässt offen, welche Ziele mit einer Investitionsprüfung verfolgt werden sollen. In der Begründung werden allerdings verschiedene mögliche Ziele erwähnt, die sich in die folgenden drei Kategorien einteilen lassen: ­

Verhinderung einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit

­

Verhinderung von Verlust an Knowhow und Arbeitsplätzen

­

Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen bei der privatwirtschaftlichen Tätigkeit von ausländischen staatlichen oder staatsnahen Unternehmen in der Schweiz.

Verhinderung einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Der Zweck der Investitionsprüfung soll sein, Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren zu verhindern, wenn diese Übernahmen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährden oder bedrohen. Dies entspricht dem Zweck von Investitionsprüfungen in mit der Schweiz vergleichbaren Staaten (siehe Ziff. 3).

Die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann namentlich dann gefährdet oder bedroht sein, wenn ein Unternehmen ausfällt, das: ­

eine für die gesamte Volkswirtschaft nicht verzichtbare Leistung erbringt, die nicht innert nützlicher Frist ersetzt werden kann;

­

der Schweizer Armee oder weiteren Institutionen des Bundes, die für die staatliche Sicherheit zuständig sind, tragende Rüstungskomponenten liefert;

­

inländischen Behörden zentrale sicherheitsrelevante Informatiksysteme liefert;

­

internationalen Raumfahrtinfrastrukturen, an denen sich die Schweiz beteiligt, tragende Komponenten liefert.

Im Zusammenhang mit einer Übernahme eines solchen Unternehmens durch einen ausländischen Investor könnte sich die potentielle Gefährdung oder Bedrohung insofern materialisieren, wenn ein Investor destabilisierende oder geopolitische Absichten verfolgt. Beispielsweise könnte ein Investor nach der Übernahme die durch dieses Unternehmen erbrachten Leistungen absichtlich einstellen oder zurückhalten, um zu versuchen, Druck auf die Schweiz auszuüben.

Die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann zudem auch dann gefährdet oder bedroht sein, wenn ein böswilliger Akteur Zugriff auf bedeutende sicherheitsrelevante Informationen oder eine grosse Menge an besonders schützenswerten Personendaten erhält.

Um diese Risiken zu reduzieren, sollen Übernahmen von für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit potentiell kritischen inländischen Unternehmen durch potentiell gefährliche ausländische Investoren geprüft werden.

Auf die anderen Ziele wird aus den nachfolgenden Gründen verzichtet.

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Verhinderung von Verlust an Knowhow und Arbeitsplätzen Eine Investitionsprüfung ist weder ein geeignetes noch ein erforderliches Mittel für die Erreichung dieses Ziels. Wie im Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen» dargelegt, werden Technologievorsprung und Arbeitsplätze am wirkungsvollsten durch eine innovations- und wettbewerbsfreundliche Ausgestaltung der Rahmenbedingungen, einer Bildungs- und Forschungspolitik, welche den Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung trägt, sowie einem angemessenen Schutz des geistigen Eigentums garantiert.

Um den Transfer von Knowhow in die Schweiz zu gewährleisten, ist zudem die Offenheit gegenüber ausländischen Investitionen zentral. Diese bringen ausserdem nicht nur Knowhow in die Schweiz, sondern schaffen auch Arbeitsplätze. Somit würde sich eine Investitionsprüfung, mit welcher mit einem protektionistischen Ziel ausländische Investitionen in bestimmte Branchen oder Technologien gehemmt würden, mittelund langfristig schädlich auf die Volkswirtschaft auswirken.

Zudem muss die Schweiz ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen einhalten (siehe Ziff. 7.2). Eine Investitionsprüfung, die reine wirtschaftliche Ziele wie der Schutz von inländischen Unternehmen verfolgen würde, wäre mit den Verpflichtungen, welche in den internationalen Handelsabkommen der Schweiz vorgesehen sind, nicht zu vereinbaren.

Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen Wettbewerbsneutralität bedeutet, dass Unternehmen die gleichen Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf staatliche Aktivitäten, staatliche Eigentümerschaft und Regulierungen vorfinden.5 Lässt der Staat einzelnen Marktteilnehmenden Vorteile zukommen, kann es hingegen zu schädlichen Wettbewerbsverzerrungen kommen. Solche Vorteile können vielfältig sein. Beispielsweise könnten staatliche oder staatsnahe Unternehmen indirekte Finanzierungsvorteile geniessen, da z. B. Geldgeber aufgrund der staatlichen Eigentümerschaft tiefere Risiken gewärtigen und daher eher Kredite zu vorteilhaften Konditionen gewähren. Auch direkte Finanzierungsvorteile, bspw.

durch tiefere Eigenkapitalkosten infolge einer tieferen Renditeerwartung der staatlichen Eigenkapitalgeber, können den Wettbewerb verzerren. Oder sie könnten einen ungeschützten Bereich durch Erträge aus einem geschützten Monopolbereich quersubventionieren.6 Durch
ausländische staatliche und staatsnahe Unternehmen kann es daher zu unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen kommen. Das Kartellgesetz vom 6. Oktober 19957 (KG) sowie das WTO-Übereinkommen vom 15. April 19948 über Subventionen und Ausgleichsmassnahmen wirken dem zwar teilweise entgegen, aber nicht vollständig. Quersubventionierungen aus einem Monopolbereich in der Schweiz können in bestimmten Fällen unter die kartellrechtliche Kontrolle des Missbrauchs einer 5 6

7 8

Siehe OECD (2021): Recommendation of the Council on Competitive Neutrality.

OECD/LEGAL/0462. Abrufbar unter: https://legalinstruments.oecd.org.

Siehe Fussnote 4 sowie OECD (2016): State-Owned Enterprises as Global Competitors: A Challenge or an Opportunity? OECD Publishing, Paris, S. 14. Abrufbar unter: www.oecd-ilibrary.org.

SR 251 SR 0.632.20 Anhang 1A.13.

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marktbeherrschenden Stellung (Art. 7 KG) fallen. Das WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmassnahmen regelt zudem zwar die Verwendung von Subventionen durch WTO-Mitglieder sowie die Anwendung von Ausgleichsmassnahmen, wenn subventionierte Einfuhren einer Ware dem inländischen Wirtschaftszweig Schaden zufügen. Dieses Abkommen ist jedoch nicht auf Subventionen im Dienstleistungsbereich anwendbar und deckt nicht alle Arten von marktverzerrenden Industriesubventionen ab.

Prinzipiell könnte eine Investitionsprüfung somit dazu beitragen, potenzielle Wettbewerbsverzerrungen durch ausländische staatliche oder staatsnahe Unternehmen in der Schweiz zu reduzieren. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz schränken jedoch den Handlungsspielraum ein (siehe Ziff. 7.2). Eine Investitionsprüfung, die reine wirtschaftliche Ziele wie die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen verfolgen würde, wäre mit den Verpflichtungen, welche in den internationalen Handelsabkommen der Schweiz vorgesehen sind, nicht zu vereinbaren.

1.2.2

Geltungsbereich

Der Text der Motion 18.3021 Rieder lässt ebenfalls offen, welche ausländischen Direktinvestitionen in inländische Unternehmen der Investitionsprüfung unterworfen werden sollen.

Der Vorentwurf des IPG (VE-IPG) sah vor, dass alle Vorgänge, die zu einer Übernahme der direkten oder indirekten Kontrolle eines inländischen Unternehmens führen, erfasst sind. Dieser Fokus auf Übernahmen wird beibehalten (siehe Ziff. 5). Eine Minderheitsbeteiligung, die nicht zu einer Erlangung der Kontrolle über ein inländisches Unternehmen führt, unterliegt demnach nicht der Genehmigungspflicht.

Der Fokus auf Übernahmen ist auch deshalb angezeigt, da gemäss der Direktinvestitionsstatistik9 der Schweizerischen Nationalbank (SNB) rund 95 Prozent des Kapitalbestands an ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz (Durchschnitt über die Jahre 2014-2021) auf Mehrheitsbeteiligungen ­ d. h. ein einzelner ausländischer Investor kontrolliert mindestens 50 Prozent des Kapitals ­ zurückgehen. Mit dem Abstützen auf die Kontrolle wird somit der überwiegende Teil der Direktinvestitionen erfasst.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche ausländischen Investoren und welche inländischen Unternehmen erfasst werden sollen. Im VE-IPG wurde diesbezüglich vorgeschlagen, dass Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren in allen Branchen einer Genehmigungspflicht unterliegen sollen. Zusätzlich wurde definiert, in welchen besonders kritischen Bereichen für alle ausländische, staatliche und private Investoren eine Genehmigungspflicht bestehen soll.

Die Vernehmlassung zeigte eine breite Skepsis gegenüber dem VE-IPG (siehe Ziff. 2). So sind rund zwei Drittel der Teilnehmenden gegen die Einführung einer Investitionsprüfung oder haben sich für eine Einschränkung des Geltungsbereichs aus9

Eine Direktinvestition liegt vor, sobald ein Investor mindestens 10 Prozent des stimmberechtigten Kapitals eines Unternehmens erwirbt.

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gesprochen. Vor diesem Hintergrund wurden die folgenden drei Varianten für eine Einschränkung des Geltungsbereichs geprüft: ­

Variante A: Der Fokus wird ausschliesslich auf staatlich kontrollierte Investoren gelegt. Erfasst sind dabei alle Übernahmen, unabhängig der Branche, in welcher das inländische Unternehmen tätig ist.

­

Variante B: Der Fokus liegt auf Übernahmen von inländischen Unternehmen, die in einem besonders kritischen Bereich tätig sind; auf die Differenzierung zwischen staatlich kontrollierten und privaten Investoren wird verzichtet.

­

Variante C: Die beiden Varianten A und B werden kombiniert. Erfasst sind Übernahmen durch staatlich kontrollierte Investoren von inländischen Unternehmen, die in einem besonders kritischen Bereich tätig sind.

Abbildung 1

Geprüfte Varianten hinsichtlich der Übernahmen, die erfasst werden

Quelle: eigene Darstellung

Die besonders kritischen Bereiche umfassen u. a. Rüstungsgüter sowie zivil und militärisch verwendbare Güter, Stromnetze und -produktion, Wasserversorgung sowie Gesundheits-, Telekom- und Transportinfrastrukturen (siehe Ziff. 5).

Für die Beurteilung der Varianten standen folgende Kriterien im Vordergrund: die Zielgenauigkeit, die Regulierungskosten sowie die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Hinsichtlich Zielgenauigkeit und Regulierungskosten fällt das Kosten-Nutzen-Verhältnis günstiger aus, je stärker die Investitionsprüfung auf Übernahmen eingeschränkt wird, welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit potentiell gefährden oder bedrohen. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Vereinbarkeit mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Zielgenauigkeit Unter Zielgenauigkeit wird das Verhältnis zwischen notwendigen und überflüssigen Prüfungen verstanden. Mit ihrem Fokus auf Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren in kritischen Bereichen weist Variante C die grösste Zielgenauigkeit auf. Ausschliesslich unternehmerisch motivierte Übernahmen sind grund11 / 74

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sätzlich unproblematisch. Private Investoren sind an einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit der übernommenen Unternehmen interessiert und verfolgen prinzipiell keine destabilisierenden oder geopolitischen Absichten. Entsprechend sind die Risiken für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bei ausländischen privaten Investoren eher tief. Die Risikobeurteilung fällt hingegen anders aus, wenn Übernahmen politisch motiviert sind. Gefährdungen oder Bedrohungen dürften daher hauptsächlich von ausländischen staatlich kontrollierten Investoren ausgehen. Auch in der Debatte im Parlament zur Motion 18.3021 Rieder wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass insbesondere ausländische staatliche Investoren als problematisch eingestuft werden. Das Kriterium «staatlich kontrolliert» schliesst dabei auch private Investoren ein, sofern sie unmittelbar oder mittelbar durch einen Staat kontrolliert werden (siehe Ziff. 5).

Die Variante aus der Vernehmlassung ist am wenigsten zielgenau, da viele überflüssige Prüfungen resultieren. So werden sowohl Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren in nicht-kritischen Bereichen (z. B. die Übernahme einer Restaurantkette durch einen staatlich kontrollierten Investor) als auch alle Übernahmen durch ausländische private Investoren in den kritischen Bereichen erfasst (z. B.

die Übernahme eines Medizinprodukteherstellers durch einen privaten Investor). Erstes gilt auch für Variante A, Zweites für Variante B. Damit sind diese beiden Varianten zwar etwas zielgenauer als die Variante aus der Vernehmlassung, jedoch deutlich weniger zielgenau als Variante C. Hingegen ist nicht ausgeschlossen, dass in den Varianten Vernehmlassung und B im Vergleich zu den Varianten A und C ein gewisser zusätzlicher Sicherheitsgewinn resultieren könnte. Beispielweise wären Übernahmen durch kriminelle Organisationen wie der Mafia erfasst. Um diese zu adressieren, bestehen jedoch bereits andere Instrumente (namentlich das Strafrecht).

Regulierungskosten Eine Investitionsprüfung bringt für die betroffenen ausländischen Investoren und die inländischen Unternehmen eine erhöhte Unsicherheit sowie zusätzliche administrative Belastungen mit sich. Dies mindert die Standortattraktivität (siehe Ziff. 6). Zudem kann es zu einer Minderung des Unternehmenswerts beim Verkauf des inländischen Unternehmens
kommen. Beim Bund entstehen zudem vorübergehende Einführungskosten sowie dauerhafte Vollzugskosten. Diese sollen soweit möglich über Gebühren finanziert werden, die die betroffenen Unternehmen zu tragen haben.

Gemäss RFA E-IPG10 ist in der Variante Vernehmlassung mit rund 45 Gesuchen pro Jahr11 zu rechnen (basierend auf Zahlen für die Jahre 2016­2020). Der Auftragnehmer für die RFA hat zudem die zu erwartende Anzahl an jährlichen Gesuchen in den Varianten A, B und C abgeschätzt. In Variante B wäre mit rund 35 Gesuchen zu rechnen, in Variante A mit 10­15 und in Variante C würde die Anzahl an Gesuchen in einem tiefen einstelligen Bereich liegen. Die verwendete Methode zur Bestimmung der Fall10 11

Abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > WBF.

Für die Definition der inländischen Unternehmen wurden im VE-IPG zwei Varianten präsentiert. Mit der ersten Variante würde eine inländische Tochterfirma, die Teil einer ausländischen Unternehmensgruppe ist, als inländisches Unternehmen gelten. Mit der zweiten Variante wäre dies hingegen nicht der Fall. Im E-IPG wird die erste Variante verwendet (siehe Ziff. 2.4.1).

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zahl stösst allerdings ab einem einstelligen Bereich an ihre Grenzen, weshalb die Abschätzung für Variante C nur mit Vorsicht zu verwenden ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in Variante C auch einmal ein Jahr mit zweistelliger Fallzahl gibt. Zudem ist davon auszugehen, dass über die Zeit mit dem Wachstum der Volkswirtschaft auch die Anzahl an Übernahmen generell zunimmt.

Somit resultieren in Variante C die geringsten Regulierungskosten, da lediglich Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren in kritischen Bereichen administrativ belastet werden. In Variante A werden ungefährliche staatliche Übernahmen administrativ belastet, in Variante B alle ungefährlichen Übernahmen in kritischen Bereichen. In der Variante Vernehmlassung ist beides der Fall, was die grössten Regulierungskosten zur Folge hat. Da in Variante B rund dreimal mehr Übernahmen geprüft werden als in Variante A, resultieren in Variante B grössere Regulierungskosten als in Variante A.

Vereinbarkeit mit Völkerrecht Die Schweiz ist namentlich im Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)12 und den Freihandelsabkommen (FHA) der Schweiz mit Drittstaaten völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen, die für die Investitionstätigkeit (u. a. Nichtdiskriminierung gegenüber inländischen Konkurrenten) relevant sind.

Dasselbe gilt auch für die in vorliegendem Zusammenhang relevanten bilateralen Abkommen mit der EU, dem Freizügigkeitsabkommen Schweiz EU (FZA)13 und dem Luftverkehrsabkommen (LVA)14, sowie der EFTA-Konvention15 und den OECDRegelwerken (OECD-Liberalisierungskodizes). Eine Investitionsprüfung kann, insbesondere wenn sie nur ausländische Investoren betrifft, gegen internationale Verpflichtungen der Schweiz betreffend den Marktzugang und die Nichtdiskriminierung verstossen. Aus diesem Grund muss die Schweiz die Investitionsprüfung durch die in diesen Abkommen vorgesehenen Ausnahmeklauseln für den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigen können (siehe Ziff. 7.2).

Sowohl in Variante B als auch C sind die Rechtfertigungschancen unter diesen Ausnahmeklauseln als hoch einzustufen, insbesondere, weil in beiden Varianten der Fokus auf für die öffentliche Ordnung und Sicherheit kritischen Bereichen liegt. In Variante C kann zusätzlich argumentiert werden, dass der
Fokus nur auf den kritischsten Investoren liegt. In den Varianten Vernehmlassung und A wird vermutet, dass staatlich kontrollierte Investoren als solche eine Bedrohung darstellen, auch wenn sie nicht in kritischen Bereichen investieren.

Schlussfolgerung Variante C überzeugt somit aufgrund der höchsten Zielgenauigkeit und der tiefsten Regulierungskosten der geprüften Varianten. Damit resultiert die geringste Schwächung des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Überdies bringt Variante C Vorteile hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht. Aus diesen Gründen und vor dem 12 13 14 15

Abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Handel mit Dienstleistungen > WTO/GATS.

SR 0.142.112.681 SR 0.748.127.192.68 SR 0.632.31

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Hintergrund des Ergebnisses der Vernehmlassung (siehe Ziff. 2) hat der Bundesrat beschlossen, den E-IPG entlang der Variante C auszuarbeiten.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202016 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202017 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Sie ist eine unmittelbare Folge der Zustimmung des Parlaments zur Motion 18.3021 Rieder.

Die Vorlage hat thematische Schnittstellen mit den folgenden Strategien des Bunderats, auch wenn keine dieser Strategien die Einführung einer Investitionsprüfung thematisiert: ­

Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen (SKI)18

­

Nationale Cyberstrategie (NCS)19

Parlamentarische Initiative 16.498 Badran Es besteht ausserdem ein Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative Badran vom 16. Dezember 2016 (16.498 «Unterstellung der strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller»). Diese verlangt, strategische Infrastrukturen der Energiewirtschaft ­ namentlich die Wasserkraftwerke, die Stromnetze sowie Gasnetze ­ dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 198320 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, sog. Lex Koller) zu unterstellen.

Im Rahmen einer Investitionsprüfung wäre eine Übernahme grundsätzlich zu erlauben, ausser es kann dargelegt werden, dass sie eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz darstellt. Im Gegensatz dazu sieht das Konzept der parlamentarischen Initiative 16.498 Badran das Umgekehrte vor: Laut dem erläuternden Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 28. März 202321 über die Unterstellung der strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller soll ein Erwerb einer strategischen Infrastruktur der Energiewirtschaft durch Personen im Ausland im Sinne von Artikel 5 BewG grundsätzlich ausgeschlossen sein und nur dann bewilligt werden, wenn dadurch die gesamtwirtschaftlichen oder versorgungspolitischen öffentlichen Interessen der Schweiz gestärkt werden und keine staatspolitischen Interessen entgegenstehen. Allerdings ist eine Ausnahme vorgesehen, sofern die Schweiz mit einem FHA-Partner entsprechende Verpflichtungen eingegangen ist. In diesem Fall besteht jedoch ­ analog dem E-IPG ­ aufgrund der Ausnahmebestimmungen der FHA die Möglichkeit, kritische Investitionen zu prüfen.

16 17 18 19 20 21

BBI 2020 1777 BBI 2020 8385 BBI 2023 1659 Abrufbar unter: www.ncsc.admin.ch > NCS Strategie.

SR 211.412.41 BBl 2023 1095

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Zur Vermeidung von Mehrspurigkeiten und uneindeutigen Zuständigkeiten ist es angezeigt, die Energiewirtschaft entweder durch das IPG oder durch das BewG (bzw.

durch eine alternative rechtliche Grundlage) zu erfassen, nicht aber durch beide. Diesem Umstand gilt es in der parlamentarischen Beratung dieser beiden Vorlagen Rechnung zu tragen.

Zwar erachtet der Bundesrat die mit der parlamentarischen Initiative 16.498 Badran angestrebte Versorgungssicherheit als relevant; dieses inhaltliche Anliegen der parlamentarischen Initiative wird jedoch durch bestehende Regulierungen und andere Gesetzgebungsvorhaben zielführender aufgenommen.22 Insbesondere wird durch die bestehende Gesetzgebung bereits einen angemessenen Schutz gegenüber ausländischer Einflussnahme durch Investitionen gewährleistet. Dies gilt in besonderem Masse für die Energieinfrastrukturen. Namentlich befinden sich die wichtigen Energieinfrastrukturen im Besitz von Bund, Kantonen und Gemeinden, was den Verkauf an Personen im Ausland ohnehin an einen politischen Entscheid knüpft.

Sofern das Parlament entgegen der Empfehlung des Bundesrats dennoch gesetzgeberisch tätig werden möchte, schlägt der Bundesrat vor, auf eine Umsetzung der parlamentarischen Initiative 6.498 Badran zu verzichten und stattdessen Übernahmen von kritischen Energieinfrastrukturen über das IPG zu regeln. Grundsätzlich ist er jedoch der Ansicht, dass weder das eine noch das andere eine sachgerechte Lösung darstellt.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit dem vorliegenden Entwurf erfüllt der Bundesrat die Motion 18.3021 Rieder. Der Bundesrat beantragt, diesen parlamentarischen Vorstoss als erledigt abzuschreiben.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Vorarbeiten

Im Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen» hatte der Bundesrat vier Alternativen für das weitere Vorgehen zur Debatte gestellt und deren Stärken und Schwächen evaluiert: 1) Status Quo, 2) Status Quo mit weiterem Monitoring, 3) Einführung einer Meldepflicht, 4) Einführung einer Investitionsprüfung.

Der Bundesrat hatte sich für die Alternative 2) Status Quo mit weiterem Monitoring ausgesprochen.

Das Parlament hat anschliessend den Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen» und die darin dargestellten Alternativen während der Beratung der Motion 18.3021 Rieder diskutiert. Mit der Annahme dieser Motion hat das

22

Siehe die Stellungnahme des Bundesrats vom 2. Juni 2023 zum Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 28. März 2023 über die Unterstellung der strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller (BBl 2023 1452).

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Parlament beschlossen, Alternative 4 (Einführung einer Investitionsprüfung) weiterzuverfolgen.

Entsprechend diesem Auftrag hat der Bundesrat vom 18. Mai bis 9. September 2022 eine Vernehmlassung zum VE-IPG durchgeführt.23

2.2

Vernehmlassungsvorlage

Im VE-IPG war vorgesehen, dass die Investitionsprüfung die Verhinderung einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch Übernahmen von inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren bezweckt. Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren hätten in allen Branchen einer Genehmigungspflicht unterlegen. Zusätzlich hätte in besonders kritischen Bereichen für alle ausländischen, staatliche und private Investoren eine Genehmigungspflicht bestanden. Kleine Unternehmen wären grundsätzlich ausgenommen worden.

Betreffend die Definition eines inländischen Unternehmens wurden zwei Varianten in die Vernehmlassung geschickt. Diese unterschieden sich darin, ob eine inländische Tochterfirma einer ausländischen Unternehmensgruppe als inländisches Unternehmen gelten soll oder nicht.

Das Genehmigungsverfahren wäre weitestgehend gleich ausgestaltet gewesen wie im vorliegenden E-IPG. Diesbezüglich wird daher auf die Ziffern 4 und 5 verwiesen.

2.3

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Es gingen 72 Stellungnahmen ein. Eine Mehrheit von 38 Teilnehmenden war grundsätzlich gegen die Einführung einer Investitionsprüfung. Zu diesem Lager gehören die SVP, die FDP, fast alle Wirtschafts- und Branchenverbände sowie rund die Hälfte der Kantone (u. a. ZH, BE, BS, BL, VD). Einige unter ihnen ­ namentlich die FDP und Economiesuisse ­ forderten eine Einschränkung auf staatlich kontrollierte Investoren, falls doch eine Investitionsprüfung eingeführt würde. Für die FDP war zudem nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Vorlage zusätzlich nicht nur auf Unternehmen in sicherheitsrelevanten Sektoren beschränkt.

Eine Minderheit von 29 Teilnehmenden sprach sich für die Einführung einer Investitionsprüfung aus. Grundsätzlich einverstanden mit dem in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf zeigten sich 14 Teilnehmende. Dieses Lager besteht hauptsächlich aus der anderen Hälfte der Kantone (u. a. AG, GE, SG).

Fünf Teilnehmende waren für die Einführung einer Investitionsprüfung, aber nur unter Einschränkungen. So sah die GLP einzig einen Handlungsbedarf bei Übernahmen durch ausländische Investoren, die durch eine staatliche Stelle kontrolliert sind. LU 23

Die Vernehmlassungsunterlagen, die Stellungnahmen und der Ergebnisbericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > WBF.

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und GR forderten eine Einschränkung auf die «sicherheitskritischsten» Investitionen, ohne jedoch zu präzisieren, was sie darunter verstehen. Gastrosuisse und Hotelleriesuisse forderten eine Ausnahme der Hotellerie und der Gastronomie.

Zehn Teilnehmende waren mit der Einführung einer Investitionsprüfung einverstanden, sofern der Geltungsbereich ausgeweitet wird. Zu diesem Lager gehören Die Mitte, die EVP, die SP, die GRÜNEN, die Gewerkschaften und die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete. Diese Kreise forderten eine Ausweitung sowohl was den Zweck (Verhinderung von Knowhow-Verlust, Schutz des Service Public, Versorgungssicherheit) als auch was die erfassten Übernahmen anbelangt.

Die sich ablehnend äussernden Teilnehmenden befürchteten, dass die Einführung einer Investitionsprüfung den Wirtschafts- und Investitionsstandort Schweiz schwächen würde. Eine Investitionsprüfung sei damit nicht im Interesse einer offenen und international stark vernetzten Volkswirtschaft. Oftmals wurde zudem angemerkt, dass der damit verbundene Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit zu erheblich ist. Zudem wurde bemängelt, dass der VE-IPG nicht genügend risikobasiert, wirkungsorientiert und verhältnismässig ausgestaltet sei.

Die Befürwortenden anerkannten grundsätzlich den Wert einer offenen Politik gegenüber ausländischen Investitionen für den Schweizer Wirtschaftsstandort. Dennoch sahen sie einen teils grossen Handlungsbedarf, was die Einflussnahme durch ausländische Investoren anbelangt. Insbesondere wurde befürchtet, dass ausländische Investoren nicht nur aus unternehmerischen Gründen, sondern auch politisch motiviert in Schweizer Unternehmen investieren würden.

2.4

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

2.4.1

Anpassungen aufgrund der Vernehmlassung

Geltungsbereich Zwar sah eine bedeutende Minderheit einen klaren Handlungsbedarf und sprach sich für die Einführung einer Investitionsprüfung aus. Teilweise wurde dabei auch eine breitere Anwendung gefordert. Rund zwei Drittel der Teilnehmenden waren jedoch gegen die Einführung einer Investitionsprüfung oder haben sich für eine Einschränkung des Geltungsbereichs ausgesprochen. Die Skepsis gegenüber dem VE-IPG ist demnach breit.

Vor diesem Hintergrund wird der Geltungsbereich gegenüber dem VE-IPG eingeschränkt (siehe Ziff. 1.2.2): Die Investitionsprüfung soll dann greifen, wenn ein ausländischer staatlich kontrollierter Investor ein inländisches Unternehmen übernimmt, das in einem besonders kritischen Bereich tätig ist. Damit wird die Investitionsprüfung deutlich zielgerichteter ausgestaltet als es der VE-IPG vorgesehen hat. Zudem werden die nachteiligen Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Investitionsstandort Schweiz gegenüber dem VE-IPG massgeblich reduziert.

Betreffend die Auflistung der besonders kritischen Bereiche erachteten zahlreiche Teilnehmende diesen Katalog als zu umfassend und sprachen sich für eine Kürzung 17 / 74

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aus. Mehrere Teilnehmende waren allerdings gegenteiliger Meinung und beantragten eine Ausweitung. Dieser Katalog bleibt daher praktisch unverändert. Es wird einzig eine Anpassung bei der Erfassung von Herstellern von Gütern vorgenommen, deren Ausfuhr gemäss Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 199624 (KMG) und Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 199625 (GKG) bewilligungspflichtig sind.

Gemäss VE-IPG wären alle Unternehmen, die solche Güter herstellen, erfasst gewesen. Damit wären sehr viele inländische Unternehmen erfasst, die kaum von Bedeutung für die Sicherheit der Schweiz sind. Daher wird präzisiert, dass es sich um entsprechende Güter handeln muss, die für die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee, von weiteren für die staatliche Sicherheit zuständigen Institutionen des Bundes oder von Weltraumprogrammen, an denen sich die Schweiz im Rahmen internationaler Abkommen beteiligt, von entscheidender Bedeutung sind. Die Ziffern 1 und 2 von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b VE-IPG werden somit fusioniert. Mit dieser Anpassung wird die Zielgenauigkeit erhöht, ohne nennenswerte Einbussen bei der Wirkung.

Denn es werden die Hersteller dieser Güter erfasst, die relevant sind für die Sicherheit der Schweiz. Dessen ungeachtet besteht unabhängig davon, wer der Eigentümer des Unternehmens ist, weiterhin eine Exportbewilligungspflicht, falls diese Güter ins Ausland transferiert werden sollten.

Begriffsdefinitionen Im VE-IPG wurden für die Definition der inländischen Unternehmen zwei Varianten vorgeschlagen. Mit der ersten Variante hätte eine inländische Tochterfirma, die Teil einer ausländischen Unternehmensgruppe ist, als inländisches Unternehmen gegolten, mit der zweiten Variante hingegen nicht. Die Mehrheit (18) der Teilnehmenden, die sich zu dieser Auswahl äusserten (27), sprach sich für die erste Variante aus. Deshalb wird im E-IPG diese Variante verwendet.

Da der Geltungsbereich auf Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren eingeschränkt wird, ist es notwendig, auch die Definition des ausländischen Investors entsprechend anzupassen. Bei der Definition, wann es sich im Fall eines Unternehmens um einen ausländischen staatlichen Investor handelt, wird zudem nur noch auf den Ort der Hauptverwaltung abgestellt und nicht mehr auf den Ort des Hauptsitzes und der Hauptverwaltung. Dadurch
wird es für die Investoren einfacher, zu bestimmen, ob sie als ausländisch gelten. Zudem werden Wertungswidersprüche verhindert.

Genehmigungskriterien Mehrere Teilnehmende forderten, darauf zu verzichten, dass eine wesentliche Wettbewerbsverzerrung, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, ein Kriterium für die Genehmigung ist. Sie argumentierten, dass die Berücksichtigung von (negativen) Wettbewerbswirkungen nicht nur unnötige und wohl unlösbare Fragen zum Verhältnis zur Fusionskontrolle im Kartellgesetz aufwirft, sondern auch die Gefahr von Missbrauch entstehen lässt, da versucht werden könnte, damit unliebsame ausländische Konkurrenten fernzuhalten. Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, wird 24 25

SR 514.51 SR 946.202

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auf die Nennung von wesentlichen Wettbewerbsverzerrungen als Genehmigungskriterium verzichtet. Sollte es sich im Einzelfall allerdings zeigen, dass eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt, die eine Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit impliziert, könnte dies bei der Genehmigung weiterhin berücksichtigt werden. Denn bei den in Artikel 4 Absatz 2 E-IPG aufgeführten Kriterien handelt es sich um eine nicht abschliessende Liste.

Ausserdem wird die Berücksichtigung der Kooperationsbereitschaft gestrichen. In der Vernehmlassung wurde kritisiert, dass dies keinen Einfluss darauf habe, ob die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wird. Auch wurde vorgebracht, dass daraus keinen Rückschluss auf die Auswirkungen der Übernahme gezogen werden könne.

Dafür wird bei den Verwaltungsmassnahmen neu die Kompetenz geschaffen, dass ein Verfahren eingestellt werden kann, wenn der Auskunftspflicht wiederholt nicht nachgekommen wird.

Genehmigungsverfahren In der Vernehmlassung wurde angeregt, eine allgemeine Beratungsmöglichkeit oder eine verbindliche Überprüfung, ob eine genehmigungspflichtige Übernahme vorliegt, zu schaffen. Diese Anliegen werden teilweise aufgenommen. Es wird die Möglichkeit geschaffen, dass an einer Übernahme beteiligte Personen unverbindlich abklären lassen können, ob die Übernahme voraussichtlich der Genehmigungspflicht unterliegt.

Diese Vorabklärung ist aber bewusst unverbindlich, um sie vom verbindlichen Genehmigungsverfahren abzugrenzen, welches durch Einreichen des Gesuchs gestartet wird. Will ein Investor somit eine verbindliche Aussage, kann er ein Gesuch einreichen.

Zudem wird explizit festgehalten, dass dem Investor und dem inländischen Unternehmen eine Fristverlängerung schriftlich eröffnet wird. Damit wird Klarheit über den Ablauf der Frist und das Greifen der impliziten Genehmigung geschaffen.

Datenschutz und Amtshilfe Betreffend Amtshilfe wird ein Vorbehalt eingefügt, in welchem geregelt wird, unter welchen Umständen das SECO die Datenbekanntgabe gegenüber anderen Stellen verweigern kann.

Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden wird neu nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen das SECO im Einzelfall einer ausländischen Prüfbehörde Daten liefern, sondern auch um Herausgabe von für die Prüfung erforderlichen Daten ersuchen
kann. Bei den Voraussetzungen wird zudem ein weiteres Kriterium aufgenommen. So muss die Behörde, die die Daten empfängt, zusichern, dass sie diese vertraulich behandelt wird.

Rechtsschutz Im VE-IPG war vorgesehen, dass in Fällen von erheblicher politischer Tragweite die gerichtliche Überprüfung auf die Einhaltung der Verfahrensgarantien oder das Vorliegen eines Ermessensmissbrauchs beschränkt werden kann. In der Vernehmlassung wurde kritisiert, dass dies eine grobe Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung sei, da der Ermessensspielraum bei der Definition, welche Übernahmen als von erheblicher politischer Tragweite gelten, nicht begrenzt wäre. Deshalb wird im E-IPG darauf 19 / 74

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verzichtet, die gerichtliche Überprüfung in Fällen von erheblicher politischer Tragweite einzuschränken.

Verwaltungsmassnahmen und -sanktionen Die Gründe, wann Verwaltungsmassnahmen und -sanktionen ergriffen werden können, werden vereinheitlicht. Zudem wird ergänzt, dass Verwaltungsmassnahmen und -sanktionen auch ergriffen werden können, wenn eine Auflage oder Bedingung missachtet wurde.

Betreffend die Berechnung der Höhe der Verwaltungssanktionen wird ausserdem nicht mehr auf den Transaktionswert, sondern auf den Umsatz des inländischen Unternehmens abgestellt.

Evaluation Dem Anliegen aus der Vernehmlassung, eine Evaluation des Gesetzes vorzusehen, wird nachgekommen. So soll die Wirksamkeit dieses Gesetzes spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten evaluiert werden.

2.4.2

Nicht berücksichtigte Anliegen aus der Vernehmlassung

Zweck Das Ziel der Investitionsprüfung soll die Verhinderung einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz durch Übernahmen von inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren sein. In diesem Zusammenhang forderten mehrere Teilnehmende, dass der Zweck der Investitionsprüfung explizit auf die folgenden Ziele erweitert wird: Verhinderung von Knowhow-Verlust, Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen, Versorgungssicherheit sowie Schutz des Service Public. Der Erweiterung des Zwecks um die Verhinderung von KnowhowVerlust und von Wettbewerbsverzerrungen wird nicht entsprochen. Diese Ziele sollen und können nicht mit der Investitionsprüfung angegangen werden. Für die Begründung ist auf Ziffer 1.2.1 verwiesen.

Die anderen beiden Ziele werden zwar nicht explizit im Zweckartikel genannt. Denn die Formulierung des Zwecks erfolgte in Anlehnung an Konzepte, die im internationalen Wirtschaftsrecht verwendet werden. Der Grund dafür ist, dass die Investitionsprüfung mit den Ausnahmeklauseln, welche in den internationalen Handelsabkommen der Schweiz vorgesehen sind, gerechtfertigt werden können muss (siehe Ziff. 7.2). Aus diesem Grund verwendet auch die Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union26 diese Begrifflichkeit. Deshalb wird am vorgesehenen Zweck der Investitionsprüfung festgehalten.

26

ABl L 791 vom 21.3.2019, S. 1 ff.

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Es wird allerdings trotzdem ein Beitrag zur Versorgungssicherheit im Sinne des Landesversorgungsgesetzes vom 17. Juni 201627 (LVG) und zum Schutz des Service Public (u. a. Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und Infrastrukturdienstleistungen) geleistet, zumal die Ersetzbarkeit einer Dienstleistung, eines Produkts oder einer Infrastruktur innert nützlicher Frist eines der Genehmigungskriterien ist (siehe Ziff. 5). Wird bspw. die Übernahme einer kritischen Energie- oder Telekominfrastruktur, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährdet hätte, unterbunden, verhindert dies die Schwächung der Versorgungssicherheit und des Service Public in der Schweiz. Allerdings ist anzumerken, dass gerade die im LVG vorgesehenen Instrumente darauf ausgelegt sind, die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selber zu begegnen vermag, sicherzustellen. Im Zentrum stehen diesbezüglich somit vor allem Massnahmen, welche kurzfristige Verwerfungen adressieren sollen. Bei der Untersagung einer Übernahme handelt es sich hingegen um eine strukturell wirkende Massnahme.

Begriffsdefinitionen In der Vernehmlassung wurde vorgebracht, dass der Begriff «Übernahme» nicht identisch sei mit der bereits etablierten Definition eines Unternehmenszusammenschlusses im KG und vorgeschlagen, die Formulierung von Artikel 4 Absatz 3 KG zu übernehmen. Dem kann nicht nachgekommen werden. Denn mit der Definition gemäss KG wäre eine Fusion ebenfalls erfasst, bei welcher das inländische Unternehmen, nicht aber der ausländische Investor die Kontrolle erlangen würde. Solche Vorgänge sollen aber vom E-IPG bewusst nicht erfasst werden, da es um Übernahmen von inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren geht. Allerdings wird in den Erläuterungen präzisiert, dass sich die Definition einer Übernahme am KG und dem dort verwendeten Kontrollbegriff orientiert und entsprechend grundsätzlich auch die kartellrechtliche Praxis heranzuziehen ist.

Genehmigungspflichtige Übernahmen Vor dem Hintergrund, dass mit der Einschränkung auf ausländische staatlich kontrollierte Investoren bereits eine substantielle Einschränkung des Geltungsbereichs vorgenommen wird, wird darauf verzichtet, die Bagatellschwelle anzuheben, wie dies von einigen Teilnehmenden
gefordert wurde. Eine Erhöhung der Bagatellschwelle um bspw. auch mittlere Unternehmen auszunehmen, hätte betreffend Anzahl an Übernahmen, die geprüft werden müssten, ähnliche Auswirkungen wie die Einschränkung auf Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren in den besonders kritischen Bereichen. Letztere führt hingegen dazu, dass die Investitionsprüfung zielgerichteter wird, eine Erhöhung der Bagatellschwelle jedoch nicht.

Ein weiteres umstrittenes Thema ist die Ausnahme von gewissen Staaten von der Investitionsprüfung. Mehrere Teilnehmende forderten die grundsätzliche Ausnahme von bestimmten Staaten. Erwähnt wurden die EU- und EFTA-Staaten oder die OECD-Staaten. Auf dieses Anliegen ­ d. h. eine Ausnahme basierend auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten multilateralen Organisation ­ kann nicht eingegangen 27

SR 531

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werden. Denn Ausnahmen sind nur dann mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar, wenn sie auf objektiven Ausnahmekriterien beruhen, die einen Bezug zur Verhinderung von Gefährdungen oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit aufweisen (siehe Ziff. 5 und 7.2). Es soll deshalb, wie im VE-IPG bereits vorgesehen, dem Bundesrat die Kompetenz gegeben werden, auf Verordnungsstufe Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren aus bestimmten Staaten von der Genehmigungspflicht ausnehmen zu können, sofern die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet ist. Die Ausnahmekriterien dazu werden in der Verordnung präzisiert werden.

Im selben Zusammenhang wurde auch gefordert, das Prinzip der Reziprozität im Gesetz zu verankern. Darunter können im vorliegenden Zusammenhang grundsätzlich zwei verschiedene Konzepte verstanden werden. Zum einen kann es um die grundsätzliche Forderung gehen, dass ausländische Investitionen in der Schweiz nur unter denselben Bedingungen möglich sein sollen, wie sie auch für schweizerische Investitionen im anderen Land möglich sind. Zum anderen kann damit die Forderung gemeint sein, dass die Schweiz einen anderen Staat von der eigenen Investitionsprüfung nur dann ausnimmt, wenn die Schweizer Investoren von der in diesem Staat bestehenden Investitionsprüfung ebenfalls ausgenommen werden.

Diese beiden Anliegen werden aus den folgenden Gründen nicht aufgenommen. Das erste Anliegen geht weit über das IPG hinaus. Denn der Grad des Zugangs für Investitionen wird nicht einzig durch das Vorhandensein einer Investitionsprüfung bestimmt, sondern auch von allenfalls vorliegenden weiteren Zugangsbeschränkungen (z. B. Beschränkungen für ausländisches Kapital oder operative Beschränkungen wie Beschränkungen der Niederlassung oder der Kapitalrückführung). Zudem haben Staaten in verschiedenen Sektoren unterschiedliche Interessen oder Sensibilitäten und bewerten den Zugang für Investitionen in gewissen Sektoren als wichtiger als in anderen. Bei Verhandlungen um Marktzugang wird deshalb angestrebt, einen auf aggregierter Ebene möglichst reziproken bzw. vergleichbaren Zugang zu erreichen, und nicht je Sektor. Der Bundesrat ist zudem der Ansicht, dass ein «wie du mir, so ich dir»-Ansatz keine zielführende Verhandlungstaktik ist, da eine restriktive
Politik nicht mit einer ebenfalls restriktiven Politik vergolten werden sollte. Er wird jedoch weiterhin darauf hinwirken, Staaten mit eingeschränktem Marktzugang u. a. mittels FHA zur Öffnung ihrer Märkte zu bewegen.

Das zweite Anliegen ist mit dem folgenden Problem behaftet. Damit sie mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist, muss eine Ausnahme auf objektiven Ausnahmekriterien beruhen, die einen Bezug zur Verhinderung von Gefährdungen oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit haben. Ob ein anderer Staat Schweizer Investoren von seiner Investitionsprüfung ausnimmt oder nicht, ist für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz nicht relevant. Damit kann Gegenseitigkeit kein Ausnahmekriterium darstellen.28 Wenn die Schweiz somit andere Staaten von ihrer Investitionsprüfung ausnehmen will, muss sie dies ba28

Siehe Hahn (2023): Gutachten zu wirtschaftsvölkerrechtlichen Fragen bei Ausnahmen zugunsten bestimmter Staaten von der Investitionsprüfung. Abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Internationale Investitionen > Auslandsinvestitionen > Investitionsprüfung.

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sierend auf objektiven Kriterien tun, die einen Bezug zur Verhinderung von Gefährdungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit haben (siehe Ziff. 5 und 7.2). Der Bundesrat wird aber unabhängig davon darauf hinwirken, dass Schweizer Investoren von anderen Staaten ebenfalls ausgenommen werden.

Genehmigungskriterien Einige Teilnehmende forderten, dass die Genehmigungskriterien abschliessend gelistet werden sollten, und dass eine Übernahme nur dann untersagt werden können soll, wenn diese effektiv die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, und nicht schon bei einem Grund zur Annahme. Diese Anliegen werden nicht aufgenommen.

Erstens wird bei den Genehmigungskriterien ein gewisser Spielraum benötigt, um auf sich ändernde Gegebenheiten reagieren zu können. Deshalb sollen diese Kriterien nicht abschliessend gelistet werden. Zweitens handelt es sich bei der Beurteilung um eine ex-ante Einschätzung der allfälligen Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. Denn die Übernahme wurde zum Zeitpunkt der Investitionsprüfung noch nicht vollzogen. Diesem Umstand wird mit der Formulierung «Grund zur Annahme» Rechnung getragen.

Demgegenüber wurde von einigen gefordert, den Kriterienkatalog auszuweiten, z. B.

damit, ob im Heimatstaat des ausländischen Investors Gegenrecht besteht und dieser Investitionen von schweizerischen Unternehmen zulässt. Solche Kriterien weisen allerdings keinen Zusammenhang damit auf, inwiefern von einer konkreten Übernahme eines inländischen Unternehmens eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht (siehe auch die Ausführungen oben zur gegenseitigen Ausnahme).

Deshalb werden diese Vorschläge nicht aufgenommen.

Zudem wurde angeregt, Umfang und Art von zulässigen Auflagen und Bedingungen zu präzisieren. Da es auch diesbezüglich wichtig ist, dass ein gewisser Spielraum besteht, wird darauf verzichtet, dies aufzunehmen. Auflagen oder Bedingungen müssen jedoch in jedem Fall geeignet sein, um die Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu beseitigen. Ausserdem kann eine Übernahme nur an Auflagen und Bedingungen geknüpft werden, wenn die Voraussetzungen für eine Untersagung vorliegen.

Genehmigungsverfahren Vereinzelt wurde gefordert, zu prüfen, ob das Genehmigungsverfahren nicht grundsätzlich durch ein Widerspruchsverfahren
abgelöst werden soll. In eine ähnliche Richtung geht die Forderung, dass in begründeten Einzelfällen eine Prüfung von Amtes wegen eingeleitet werden kann, unabhängig davon, ob die Übernahme der Genehmigungspflicht unterliegt oder nicht. Beiden Anliegen wird nicht entsprochen. Ein Widerspruchsverfahren würde bedeuten, dass es dem Investor überlassen wird, ob er eine Übernahme melden will. Die Behörden müssten hingegen eine Übernahme von Amtes wegen aufgreifen, u. U. auch nach dem Vollzug. Widerspruchsverfahren haben somit gewichtige Nachteile hinsichtlich der Rechtssicherheit. Ausserdem müsste behördenseitig ein voraussichtlich aufwändiges breites Monitoringsystem aufgebaut werden, um in Erfahrung zu bringen, welche Übernahmen aufgegriffen werden müssen. Aufgrund dieser Nachteile wird bewusst auf ein Widerspruchsverfahren verzichtet und stattdessen ein System vorgeschlagen, in welchem für den Investor bereits vor der 23 / 74

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Übernahme grösstmögliche Klarheit besteht, ob eine Übernahme von der Investitionsprüfung erfasst ist oder nicht. Aus demselben Grund bleibt auch die Möglichkeit, von Amtes wegen ein Genehmigungsverfahren einzuleiten auf Situationen beschränkt, in denen ein Verdacht auf Missachtung oder Umgehung der Genehmigungspflicht vorliegt.

Einige Teilnehmende kritisierten die vorgesehenen Verfahrensfristen mit Verweis darauf, dass in anderen Staaten teilweise kürzere Fristen bestehen. Diesbezüglich muss allerdings berücksichtigt werden, dass in vielen ausländischen Investitionsprüfsystemen Fristverlängerungen einfacher möglich sind. In der Schweiz hingegen sind Fristverlängerungen nur in einem eingeschränkten Rahmen möglich und bei Ablauf der Fristen erfolgt eine implizite Genehmigung. Vor diesem Hintergrund, und da u. U.

komplexe Abklärungen notwendig sind, erachtet der Bundesrat die im VE-IPG vorgesehenen Fristen als angemessen.

Zudem wurde vereinzelt verlangt, die mögliche Verlängerung der Fristen auf einen Monat zu beschränken, ohne dass dies begründet werden müsste. Diesem Anliegen wird nicht entsprochen. Wenn die Notwendigkeit dafür besteht, muss es möglich sein, auch wiederholt eine Frist zu verlängern, z. B. wenn der Auskunftspflicht nicht nachgekommen wird und dadurch für die Beurteilung der Übernahme relevante Informationen nicht vorliegen. Ansonsten könnte ein Investor bewusst wichtige Informationen zurückhalten, um eine implizite Genehmigung durch Ablauf der Frist zu erwirken.

Öffentlichkeitsprinzip Einige Teilnehmende waren der Ansicht, dass nicht nur während, sondern auch nach dem Verfahren die ausgetauschten Informationen zwischen Behörden und Unternehmen grundsätzlich dem Zugang der Öffentlichkeit entzogen werden sollten. Der Bundesrat ist hingegen der Ansicht, dass die in den Artikeln 7 und 8 des Öffentlichkeitsgesetzes vom 17. Dezember 200429 (BGÖ) verankerten Ausnahmebestimmungen bereits heute einen umfassenden Schutz der administrativen und politischen Entscheidfassung, der zielkonformen Durchführung von konkreten Behördenmassnahmen, der wirtschaftlichen Interessen der Schweiz, sowie der privaten Interessen der Betroffenen, insbesondere des Geschäftsgeheimnisses und der Personendaten gewährleisten. Dementsprechend sieht er keinen Anlass, eine Ausnahme vom Öffentlichkeitsprinzip basierend
auf Artikel 4 BGÖ vorzusehen.

Verwaltungsmassnahmen und -sanktionen Einige Teilnehmende forderten eine Senkung der Höhe der Verwaltungssanktionen, zumal bereits die Möglichkeit bestehe, eine Desinvestition anzuordnen. Vereinzelt wurde konkret verlangt, die Verwaltungssanktionen auf maximal eine Million Franken zu begrenzen. Der Bundesrat belässt die Sanktionshöhe bei bis zu 10 Prozent, wechselt jedoch vom Transaktionswert zum Umsatz des inländischen Unternehmens als Bemessungsgrundlage. Die Verwaltungssanktionen sollen bewusst einen abschreckenden Charakter haben. Dies wäre bei einer Sanktion von einer Million Franken je nach Übernahme nicht gewährleistet. Eine solche nominale Begrenzung der Höhe der

29

SR 152.3

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Verwaltungssanktionen würde zudem zu einer Ungleichbehandlung zwischen grossen und kleineren Unternehmen führen.

Vollzug Dem Vorschlag von einigen Teilnehmenden, die Entscheide rasch auf geeignete Weise zu veröffentlichen, wird in dieser Form nicht nachgekommen. Es ist weiterhin nicht vorgesehen, die einzelnen Entscheide zu veröffentlichen. Zwar kann das Argument nachvollzogen werden, dass dies zur Transparenz in Bezug auf die Anwendung des Gesetzes beiträgt und dadurch Parteien vorab schon abschätzen können, ob eine mögliche Transaktion auf Vorbehalte stossen könnte. Jedoch geht es vorliegend um wirtschaftlich und politisch ausserordentlich sensible Entscheide. Der Zugang zu diesen Informationen richtet sich deshalb nach den Bestimmungen des BGÖ. Nichtsdestotrotz wird die Öffentlichkeit über den Vollzug dieses Gesetzes orientiert, indem ein Tätigkeitsbericht veröffentlicht wird. Dieser kann u. U. auch eine Zusammenfassung von relevanten Erwägungen bei Entscheiden enthalten. Der Tätigkeitsbericht enthält jedoch lediglich aggregierte Informationen, damit keine Rückschlüsse auf einzelne Übernahmen oder Verfahren möglich sind. Da mit dem Fokus auf ausländische staatlich kontrollierte Investoren in kritischen Bereichen nur noch wenige Gesuche pro Jahr zu erwarten sind (siehe Ziff. 1.2.2), wird jedoch davon abgesehen, jährlich einen Tätigkeitsbericht zu erstellen. Denn es könnte nicht gewährleistet werden, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Übernahmen oder Verfahren möglich wären. Der Tätigkeitsbericht wird deshalb alle vier Jahre erscheinen.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Seit Beginn der 2010er-Jahre haben Staaten in Bezug auf ausländische Investitionen im Bereich der kritischen Infrastruktur und Hochtechnologie zunehmend Massnahmen zum Schutz von wesentlichen Sicherheitsinteressen (öffentliche Ordnung und Sicherheit) getroffen, oft in Form von sektorübergreifenden Investitionsprüfungen.

Eine Investitionsprüfung erlaubt es den Staaten, über Investitionen von ausländischen Investoren in kritische Bereiche einer Volkswirtschaft informiert zu sein, in gewissen Fällen Auflagen oder Bedingungen aufzuerlegen, die Umsetzung bestimmter ausländischer Investitionsvorhaben zu untersagen bzw. notfalls ihre Rückabwicklung zu veranlassen.

Im Rahmen des Berichts «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen» liess der Bundesrat untersuchen, wie andere Staaten ihre Investitionsprüfungen ausgestaltet haben. Es wird an dieser Stelle auf Kapitel 8 dieses Berichts sowie auf das Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung (SIR) vom

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20. Dezember 2018 über Beschränkungen von Investitionen30 verwiesen. Verschiedene Studien wurden auch im Rahmen der OECD erarbeitet.31 Im Zusammenhang mit dem europäischen Recht ist insbesondere auf die Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union hinzuweisen, die seit dem 11. Oktober 2020 gilt. Mit dieser Verordnung wurde ein Kooperationsmechanismus geschaffen, bei welchem es sich im Wesentlichen um ein Informationsaustauschsystem zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission handelt. Dabei sollen vor allem Informationen und Bedenken in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen, welche voraussichtlich die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung der EU und einzelner Mitgliedstaaten beeinträchtigen, ausgetauscht werden. In Artikel 4 enthält die Verordnung eine nicht abschliessende Liste von Faktoren, die von den EU-Mitgliedstaaten oder der Kommission bei der Ermittlung, ob eine ausländische Direktinvestition voraussichtlich die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigt, berücksichtigt werden können. Hierzu zählen potentielle Auswirkungen auf kritische Infrastrukturen, Auswirkungen auf kritische Technologien, auf die Versorgung mit kritischen Ressourcen, auf den Zugang zu sensiblen Informationen sowie auf die Freiheit und Pluralität der Medien. Überdies können die EU-Mitgliedstaaten berücksichtigen, ob der ausländische Investor direkt oder indirekt von einem Drittstaat kontrolliert wird (u. a. aufgrund der Eigentümerstruktur oder in Form beträchtlicher Finanzausstattung), ob dieser bereits an Aktivitäten beteiligt war, die Auswirkungen auf die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung hatten, oder ob ein Risiko besteht, dass der Investor an illegalen Aktivitäten beteiligt ist. Die Kompetenz betreffend die Investitionsprüfung bleibt von der Verordnung grundsätzlich unberührt und liegt weiter bei den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Die Verordnung legt jedoch gewisse Kriterien und Mindeststandards fest, die Regelungen der EU-Mitgliedstaaten erfüllen müssen. So sind bspw. für die Überprüfung Fristen vorzusehen, vertrauliche Informationen sind zu schützen, und die betroffenen ausländischen Investoren und die Unternehmen müssen über die Möglichkeit verfügen,
gegen die Überprüfungsbeschlüsse Einspruch erheben zu können. Der E-IPG entspricht diesen Mindeststandards. Ausserdem muss die Prüfung die Möglichkeit eröffnen, Kommentare von anderen EU-Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Die nationalen Regelungen dürfen ausserdem nicht zwischen Drittstaaten diskriminieren. Im Frühjahr 2023 wurde eine öffentliche Konsultation zur Funktionsweise und Wirksamkeit der Verordnung durchgeführt. Bis Ende 2023 wird die EU-Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht mit allfälligen Anpassungsvorschlägen vorlegen.

In der EU und in den USA gibt es Bestrebungen, neben eingehenden Auslandinvestitionen auch Investitionen ins Ausland zu prüfen. Die EU bettet ­ ähnlich den USA ­ die Investitionsprüfung im Konzept der «wirtschaftlichen Sicherheit» ein. Die Prüfung ausländischer Investitionen in die USA bzw. die EU wie auch Investitionen aus 30

31

Abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Internationale Investitionen > Auslandsinvestitionen > Investitionsprüfung.

Siehe Überblick über die entsprechenden Arbeiten der OECD unter www.oecd.org > Investment > Investment policies related to national security and public order.

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diesen Jurisdiktionen in sensible Sektoren im Ausland (u. a. zivil und militärisch verwendbare Güter, Halbleiter, Quantencomputer oder künstliche Intelligenz) bilden dabei ein Element neben der Exportkontrolle, dem öffentlichem Beschaffungswesen, der Lieferkettensicherheit oder dem Schutz des geistigen Eigentums.

Der hier vorgenommene Rechtsvergleich fokussiert auf die Investitionsprüfung ausländischer Investitionen in OECD-Staaten. Dabei wird das Augenmerk insbesondere auf folgende Staaten gelegt: Australien, Deutschland, Kanada, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Neuseeland, Österreich, UK und USA.

3.1

Zweck

Die meisten OECD-Staaten mit einer Investitionsprüfung prüfen Investitionen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (z. B.

Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Neuseeland, Österreich, UK, USA). In der Regel wird also nicht nur berücksichtigt, ob eine Investition eine Bedrohung für die militärische Kapazität darstellt, sondern bspw. auch, ob damit eine Gefährdung von kritischen Infrastrukturen einhergehen könnte. In den USA werden vor dem Hintergrund der nationalen Sicherheit teilweise auch Übernahmen geprüft, die nur einen geringen direkten Bezug zu den USA haben (z. B. Listung an der New York Stock Exchange). In den meisten Staaten wird nicht definiert, was unter öffentlicher Ordnung oder Sicherheit verstanden wird, um eine gewisse Flexibilität zu haben. In diesen Fällen gibt dann insbesondere die Praxis Aufschluss darüber, was der jeweilige Staat darunter versteht. Der Geltungsbereich ist zudem meist so definiert, dass neue Entwicklungen berücksichtigt werden können. Im OECD-Raum prüfen einige Staaten (z. B. Australien, Kanada, Neuseeland) zusätzlich unter separaten Regelungen auch wirtschaftliche Elemente32, die ­ im Gegensatz zur Prüfung der nationalen Sicherheit ­ monetäre Schwellenwerte vorsehen.

3.2

Kritische Sektoren

Die meisten Staaten eröffnen eine Prüfkompetenz für Transaktionen in bestimmten kritischen Sektoren, die in einzelnen oder mehreren Listen abschliessend (Frankreich, Österreich) oder exemplarisch (z. B. Australien, Italien, Japan, Neuseeland, Österreich) aufgeführt werden. Einige Staaten (Deutschland, Italien, Kanada, USA) eröffnen eine umfassende Prüfkompetenz für Erwerbe in allen Wirtschaftssektoren. In Deutschland, Finnland oder Italien werden diese Regeln ergänzt durch sektorspezifische Regelungen, die eine grössere Prüfdichte vorsehen (Meldepflichten, niedrigere Schwellenwerte etc.).

Zu den kritischen Sektoren hinsichtlich der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, die von Investitionsprüfungen erfasst werden, gehört meist der Verteidigungssektor. In den vergangenen zwanzig Jahren kamen insbesondere auch kritische Infrastrukturen 32

Unter anderem Kanada und Australien haben im Rahmen ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen entsprechende Vorbehalte angebracht.

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(insb. Telekommunikation, Transport, Energie, Wasser, Gesundheit, Verteilung von Nahrungsmitteln, Datenverarbeitung oder -speicherung), Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können sowie Hochtechnologien (bspw. Quantentechnologien oder künstliche Intelligenz) hinzu (siehe Abb. 2).33 Abbildung 2 Relative Häufigkeit, mit welcher OECD-Staaten mit ihren Investitionsprüfungen bestimmte Sektoren erfassen

Quelle: OECD; Hinweis: 100% ist die Anzahl der OECD-Staaten, die im entsprechenden Jahr über eine Investitionsprüfung verfügen.

3.3

In- vs. ausländischer Investor

Die allermeisten Staaten (z. B. Australien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich, UK, USA) zielen auf Investitionsvorhaben ausländischer Investoren. Entspricht die Nationalität des Investors nicht jener des Staats, in welchem das Zielobjekt seinen Sitz hat, handelt es sich um eine ausländische Investition. Grundsätzlich wird bei der Prüfung eines spezifischen Falls zwischen dem unmittelbaren Investor und dem letztlich berechtigten Investor unterschieden. Letzterer kann schwierig zu überprüfen sein, insbesondere, wenn komplexe (vertikale) Besitzstrukturen die Feststellung der Nationalität des letztlich berechtigten Investors erschweren oder aber eine hohe Zahl von Eignern besteht. Oft obliegt die primäre Beweislast betreffend den letztlich berechtigten Investor beim Investor selbst.

Nur wenige Staaten unterscheiden nicht zwischen in- und ausländischen Investoren bzw. wenden Investitionsprüfungen auch auf inländische Investoren an (z. B. Litauen, Niederlande, Polen, UK). Auch in Norwegen könnte die Investitionsprüfung künftig

33

Siehe Bericht der OECD (2023): Investment policy developments in 61 economies between 16 October 2021 and 15 March 2023.

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für alle Investoren gelten. In Australien müssen Beteiligungen an kritischen Infrastrukturen unabhängig von der Nationalität des Investors gemeldet werden.

3.4

Staatlicher vs. nicht-staatlicher Investor

In vielen Staaten wurde lange nicht explizit zwischen ausländischen privaten und ausländischen staatlich kontrollierten Investoren unterschieden. Teilweise wird jedoch auf ein erhöhtes (Sicherheits-)Risiko bei Letzteren hingewiesen. Namentlich in EU-Mitgliedstaaten hat sich dies teilweise geändert, seit die Verordnung (EU) 2019/452 ausdrücklich festhält, dass bei der Prüfung von ausländischen Investitionen auch berücksichtigt werden kann, ob der ausländische Investor direkt oder indirekt durch einen Drittstaat kontrolliert wird. Auch wenn das Kriterium in der Gesetzgebung der EU-Staaten oft nicht aufgeführt wird, spielt es bei der Einschätzung der Risiken für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im spezifischen Fall eine wichtige Rolle.

In einzelnen Nicht-EU-Staaten (u. a. Kanada) werden die Auswirkungen der Investitionen von staatlichen oder staatlich kontrollierten Investoren (darunter staatlich kontrollierte Pensionskassen) fallweise abgeklärt. Dabei werden u. a. die Interessen des Investors (sind diese rein wirtschaftlich oder auch politisch) geprüft. Weitere Staaten (Australien, USA) überprüfen Investitionsvorhaben durch ausländische staatlich (aber auch privat) kontrollierte Investoren systematisch über alle Sektoren hinweg. In Australien bestehen für Investitionen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren tiefere Schwellenwerte für Beteiligungen.

3.5

Investitionstyp und Schwellenwerte

Der Fokus der ausländischen Investitionsprüfungen liegt auf Firmenübernahmen (sog.

brownfield investments). Es gibt kaum Staaten, die die Neugründung von Firmen (sog.

greenfield investments) prüfen, eine Ausnahme bildet Kanada. Ausserdem wird teilweise auch die Veräusserung von kritischen Teilen eines Unternehmens sowie bestimmter einzelner bedeutender Vermögenswerte geprüft (u. a. Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich).

Als Kriterium, ab wann eine Investition potentiell kritisch sein kann, verwenden viele Staaten die Höhe des Anteils am Kapital oder an den Stimmrechten des Zielunternehmens. Alle untersuchten Staaten nehmen spätestens bei der Übernahme von 50 Prozent der Stimmrechts- oder Aktienanteile eines Unternehmens eine Prüfung vor.

Grossmehrheitlich wird eine Investition auch beim Erwerb von tieferen Anteilen (z. B. 10 oder 25 Prozent) sowie beim Kauf von zusätzlichen Anteilen geprüft. Die Prüfung basiert auf der Auffassung, dass ein Investor bereits mit einer tieferen Beteiligung als 50 Prozent massgeblichen Einfluss auf die Managemententscheide ausüben oder einen Zugang zu sensiblen Daten, Knowhow oder sensibler Technologie haben kann. Ein weiterer Grund ist, dass bedeutende Minderheitsaktionäre bei breitem Streubesitz und deswegen niedriger Beteiligung an Hauptversammlungen die Mehrheit bei Entscheidungen herbeiführen können. Teilweise wird darauf verzichtet, eine 29 / 74

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Übernahme von 50 Prozent zu prüfen, wenn bereits ein Erwerb von tieferen Anteilen geprüft wurde. Falls andere Einflussmöglichkeiten bestehen (z. B. spezielle Aktien, die ein Vetorecht verleihen), die diese Schwellenwerte umgehen könnten, wird von fixen Schwellenwerten teilweise auch abgesehen oder diese speziell geregelt (z. B.

Deutschland).34 Manche Länder kennen keine numerisch ausgedrückten Schwellwerte (z. B. USA). Viele Staaten (Australien, Deutschland, Italien, Japan, Österreich, UK, USA) sehen in bestimmten, als sehr kritisch erachteten Bereichen zudem bereits ab einer tiefen Schwelle (z. B. 5 oder 10 Prozent der Stimmrechtsanteile) eine Prüfung vor. In Deutschland liegt bspw. im Rüstungssektor und bei bestimmten kritischen Infrastrukturen der Schwellenwert für eine Prüfung bei einer Beteiligung von 10 Prozent.

3.6

Melde- und Genehmigungspflicht

In vielen OECD-Staaten besteht eine Meldepflicht für die von der Investitionsprüfung erfassten Investitionen (z. B. Frankreich, Italien, Österreich sowie für einige Sektoren in Deutschland, Finnland und den USA). Mit dieser Meldung wird i. d. R. der Prüfmechanismus ausgelöst. In vielen Fällen muss die Meldung vor Ausführung des Investitionsvorhabens erfolgen. Zusätzlich können in diesen Systemen die Behörden eine Überprüfung aufnehmen, wenn die Meldepflicht vorsätzlich oder fahrlässig nicht eingehalten wird (Umgehung).

In manchen Staaten besteht für gewisse Sektoren keine generelle Pflicht, eine Investition zu melden; die Investoren sind aber angehalten, eine Investition zu melden, falls die Annahme besteht, dass diese zu einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit führen könnte (z. B. Finnland). Dies wird ergänzt mit der Möglichkeit, von Amtes wegen eine Investition aufzugreifen, zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen, unabhängig davon, ob die Investition bereits vollzogen wurde oder nicht.

Mehrere Staaten kombinieren obligatorische und freiwillige Meldungen (z. B.

Deutschland, USA). So sind in den USA staatlich kontrollierte Investoren verpflichtet, eine Investition zu melden (siehe Ziff. 3.4). Manche Staaten stellen in diesem Rahmen Unbedenklichkeitsbescheide aus (z. B. Deutschland, Österreich, USA), um die Unsicherheit, ob eine Meldung notwendig ist oder nicht, zu reduzieren. Insgesamt ist die Prüfdichte in den Staaten unterschiedlich. In manchen Staaten ist diese eher niedrig, was sich auf die Risikoabwägung der Investoren auswirken dürfte.

34

Siehe OECD (2021): Investment policy developments in 62 economies between 16 October 2020 and 15 October 2021, Rz. 17 ff. Abrufbar unter: www.oecd.org > Investment > Investment policies related to national security and public order.

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3.7

Mehrstufigkeit, Dauer der Verfahren und Rechtsmittel

Grundsätzlich kennen die meisten Staaten ein Genehmigungsverfahren mit zumindest zwei Phasen. In einer ersten Phase entscheidet die zuständige Behörde auf der Basis einer Meldung, ob eine vertiefte Prüfung eingeleitet werden soll oder nicht. Diese Phase dauert in den meisten Staaten (z. B. Australien, Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien, Österreich, UK) rund einen Monat. Falls Bedenken bestehen, wird im Rahmen einer zweiten Phase ein vertieftes Genehmigungsverfahren eingeleitet, welches meist weitere zwei (Australien, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich) bis drei Monate (Deutschland) in Anspruch nehmen darf. Die Fristen in den USA sind für beide Stufen je 45 Tage. Darüber hinaus besteht in den USA eine weitere Frist von 15 Tagen für einen allfälligen Entscheid des Präsidenten. Viele Staaten sehen zudem die Möglichkeit einer Fristverlängerung vor, um der zuständigen Behörde bei Komplikationen genügend Flexibilität zu geben. Fast alle Staaten kennen in Phase zwei die Möglichkeit, ausländischen Investitionsvorhaben Auflagen oder Bedingungen aufzuerlegen, solche abzulehnen oder notfalls ihre Rückabwicklung zu veranlassen, falls sie bereits vollzogen sind.

Die meisten Staaten sehen vor, dass Investoren einen Entscheid u. a. vor Gericht anfechten können. In einigen Staaten (z. B. in den USA, sofern die Übernahme noch nicht vollzogen ist) ist dies hingegen nicht möglich.

3.8

Zuständigkeiten

In den meisten Staaten ist das Wirtschaftsministerium für die Durchführung der Investitionsprüfung zuständig (z. B. Deutschland, Frankreich, Kanada, Österreich). In einigen Staaten liegt die Zuständigkeit beim Finanzministerium (z. B. Australien, USA). In Grossbritannien ist das Kabinettsamt (Cabinet Office) zuständig. In der Regel werden im Rahmen des Prüfprozesses andere Ministerien miteinbezogen. Die interministerielle Zusammenarbeit ist u. a. in Deutschland, Frankreich oder in den USA ausgeprägt. Bei Letzteren wird die Prüfung durch einen interministeriellen Exekutivausschuss (Committee on Foreign Investment in the United States, CFIUS) verantwortet. Der Vorsitz hält dabei das Finanzministerium.

3.9

Zusammenarbeit und (gegenseitige) Ausnahmen von der Investitionsprüfung

EU-Mitgliedstaaten nehmen sich vor dem Hintergrund des EU-Binnenmarktes gegenseitig von ihren Investitionsprüfungen aus, wobei in kritischeren Sektoren wie dem Rüstungssektor teilweise keine Ausnahmen gewährt werden (z. B. für Investitionen in Deutschland oder Italien). Darüber hinaus nehmen derzeit einzelne EU-Staaten (Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Litauen, Österreich, Spanien, Ungarn) zusätzlich auch die EFTA-Staaten ­ und damit auch die Schweiz ­ von ihren Investitionsprüfungen aus. Andere EU-Staaten (z. B. Frankreich oder Italien) nehmen die Schweiz hingegen nicht aus. Eine Ausnahme widerspricht an sich der EU-Verordnung 31 / 74

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2019/452 (Gleichbehandlungsgebot Drittstaaten). Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben, wie viele andere Staaten, weder im GATS noch in ihren FHA Vorbehalte für eine Investitionsprüfung angebracht. Sie basieren ihre Investitionsprüfungen gegenüber Drittstaaten deshalb auf den Ausnahmebestimmungen in den entsprechenden Abkommen (siehe Ziff. 7.2). Inwiefern auf die Prüfung verzichtet werden kann bzw.

eine Ausnahme gewährt wird, wird vor dem Hintergrund der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründet. Durch den Kooperationsmechanismus zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission (siehe Ziff. 3) können bei einem Entscheid die jeweiligen Sicherheitsbedenken der anderen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Die USA nehmen bei Minderheitsbeteiligungen in gewissen Sektoren (in den Bereichen «kritische Technologie», «kritische Infrastruktur» und «sensible persönliche Daten» sowie gewisse «kritische Immobilien») derzeit Investoren aus bestimmten Staaten (aktuell sind dies Australien, Kanada, Neuseeland und UK) aus, sofern sowohl die Staaten als auch die Investoren bestimmte Bedingungen erfüllen (darunter bestehende Investitionsprüfung, Informationsaustausch etc.). Bei Beteiligungen, mit welchen die Kontrolle übernommen wird, kennen die USA allerdings keine Ausnahmen.

Praxis

3.10

In der Praxis sind formell untersagte Investitionsvorhaben selten.35 Meist werden im Rahmen von behördlichen Auflagen oder Bedingungen die als kritisch erachteten Investitionsvorhaben so angepasst, dass sie bewilligt werden können. Teilweise werden Investitionsvorhaben, bei welchen sich Schwierigkeiten mit den Behörden bezüglich einer Genehmigung abzeichnen (bspw. durch Nachbestellung von zusätzlichen Informationen) und dessen Chancen zur Genehmigung bereits als begrenzt eingeschätzt werden, auch vor dem finalen Entscheid zurückgezogen. Entsprechend sind die verfügbaren Daten zu den Entscheiden der Behörden schwierig zu interpretieren.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Fokus auf staatlich kontrollierte Investoren in kritischen Bereichen Das Ziel der Investitionsprüfung ist die Verhinderung einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz durch Übernahmen von inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren (siehe Ziff. 1.2.1). Hierfür werden bestimmte Übernahmen einer Genehmigungspflicht unterworfen.

Ausschliesslich unternehmerisch motivierte Übernahmen sind grundsätzlich unproblematisch. Private Investoren sind an einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit der übernommenen Unternehmen interessiert und verfolgen prinzipiell keine destabilisierenden oder geopolitischen Absichten. Entsprechend sind die Risiken für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bei ausländischen privaten Investoren eher tief. Die Risiko35

Siehe RFA E-IPG sowie Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung (SIR) über Beschränkungen von Investitionen vom 20. Dezember 2018.

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beurteilung fällt hingegen anders aus, wenn Übernahmen politisch motiviert sind. Gefährdungen oder Bedrohungen dürften daher hauptsächlich von ausländischen staatlich kontrollierten Investoren ausgehen. Auch in der Debatte im Parlament zur Motion 18.3021 Rieder wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass insbesondere ausländische staatliche Investoren als problematisch eingestuft werden.

Der Genehmigungspflicht unterliegen daher nur ausländische staatlich kontrollierte Investoren, wenn sie ein inländisches Unternehmen übernehmen, das in einem besonders kritischen Bereich tätig ist. Die besonders kritischen Bereiche umfassen u. a.

Rüstungsgüter sowie zivil und militärisch verwendbare Güter, Stromnetze und -produktion, Wasserversorgung sowie Gesundheits-, Telekom- und Transportinfrastrukturen. Die Übernahme von kleinen Unternehmen wird grundsätzlich ausgenommen, indem eine Bagatellschwelle gesetzt wird. Das Kriterium «staatlich kontrolliert» schliesst dabei auch private Investoren ein, sofern sie unmittelbar oder mittelbar durch einen Staat kontrolliert werden (siehe Ziff. 5).

Genehmigungspflicht bei Erlangung der Kontrolle Genehmigungspflichtig sind alle Vorgänge, die zu einer Erlangung der Kontrolle eines inländischen Unternehmens führen. Dabei spielt es keine Rolle, wie die Kontrolle erlangt wird. Die Pflicht, ein Gesuch einzureichen, liegt beim ausländischen Investor.

Dieses muss vor Vollzug der Übernahme eingereicht werden.

Genehmigungsverfahren Die Investitionsprüfung erfolgt in zwei aufeinanderfolgenden Schritten. In einem ersten Schritt, der von kurzer Dauer ist, wird abgeklärt, ob eine Übernahme direkt genehmigt werden kann oder ob ein Prüfverfahren einzuleiten ist. Bestehen keine Bedenken, dass die Übernahme die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder bedroht, kann die Übernahme vollzogen werden. Ansonsten wird ein Prüfverfahren eingeleitet, welches etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Ausnahmen und Zusammenarbeit mit anderen Staaten Dem Bundesrat wird die Kompetenz gegeben, auf Verordnungsstufe basierend auf objektiven Kriterien andere Staaten von der Investitionsprüfung auszunehmen. Voraussetzung dafür ist, dass mit diesen Staaten eine für die Abwendung von Gefährdungen und Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausreichende Zusammenarbeit besteht. Ausserdem wird
die Voraussetzung dafür geschaffen, dass mit ausländischen Behörden zusammengearbeitet werden kann. Zu diesem Zweck können mit anderen Staaten Zusammenarbeitsabkommen abgeschlossen werden.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Finanzierung der Investitionsprüfung wird über Gebühren, die gemäss den Grundsätzen des anwendbaren Rechts erhoben werden, sowie allgemeine Steuermittel erfolgen. Für weitere Informationen zu den erwarteten Kosten und Gebühreneinnahmen für den Bund ist auf Ziffer 6.1 verwiesen.

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4.3

Umsetzungsfragen

Für die Durchführung der Investitionsprüfung sowie die Koordination mit den mitinteressierten Verwaltungseinheiten und dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist das SECO verantwortlich.

Die folgenden Verwaltungseinheiten werden immer in eine Prüfung miteinbezogen: das Staatssekretariat des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (STS-EDA) sowie das Staatssekretariat für Sicherheitspolitik (SEPOS). Die weiteren mitinteressierten Verwaltungseinheiten, die miteinbezogen werden, ergeben sich je nach Branche, in welcher die Übernahme erfolgt, und sind einzelfallweise durch das SECO zu bezeichnen. Der NDB wird jeweils angehört.

Der Entscheid, ob ein Prüfverfahren eingeleitet werden soll oder nicht, wird im Konsens unter den beteiligten Verwaltungseinheiten (d. h. dem SECO und den mitinteressierten Verwaltungseinheiten) gefällt. Besteht bei einem Prüfverfahren Uneinigkeit zwischen den beteiligten Verwaltungseinheiten oder Einigkeit, dass die Übernahme untersagt werden soll, befindet der Bundesrat über eine Genehmigung.

Das SECO hat alle vier Jahre einen Bericht mit aggregierten Informationen zu den erfolgten Prüfungen zu veröffentlichen. Ausserdem wird die Wirksamkeit der Investitionsprüfung spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten evaluiert. Entsprechende Berichte werden veröffentlicht.

Mit der Investitionsprüfung werden u. U. Übernahmen geprüft, die auch in anderen Verfahren unabhängig von der Investitionsprüfung überprüft werden. Solche Überschneidungen sind namentlich in den folgenden Bereichen zu erwarten: 1) die Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen durch die Wettbewerbskommission (WEKO)36, 2) die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote durch die Übernahmekommission37 und 3) die Überprüfung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) von qualifiziert Beteiligten an Banken38, oder Finanzmarktinfrastrukturen39 betreffend deren Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit.

Diese Überprüfungen haben allerdings einen anderen Fokus als die Investitionsprüfung. Entsprechend werden die Investitionsprüfung und die anderen hier erwähnten Prüfungen unabhängig voneinander durchgeführt, zumal auch die Entscheidungsinstanzen nicht dieselben sind. Die verschiedenen Prüfungen können dabei je nach dem parallel (wobei die Dauer unterschiedlich
sein kann) oder in zeitlicher Abfolge erfolgen.

Zentral ist, dass eine unter die Investitionsprüfung fallende Übernahme erst nach erfolgter Genehmigung vollzogen werden darf. Fällt z. B. eine Übernahme gleichzeitig auch unter die Prüfung der WEKO, ist es dem ausländischen Investor vorbehalten, ob er beide Prüfungen parallel durchläuft oder hintereinander. Das Übernahmerecht sei36 37 38 39

Vgl. Art. 10 KG.

Vgl. Art. 125­141 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015 (FinfraG, SR 958.1).

Vgl. Art. 3ter des Bankengesetzes vom 8. Nov. 1934 (BankG, SR 952).

Vgl. Art. 9 FinfraG.

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nerseits basiert auf der Prämisse, dass ein Anbieter ein Übernahmeangebot grundsätzlich nur vollziehen kann, wenn ihm dies nicht durch eine behördliche Anordnung untersagt wird. In der Praxis werden Übernahmeangebote deshalb bereits heute in aller Regel mit der Bedingung versehen, dass keine behördlichen Verbote vorliegen. Solche Bedingungen sind gemäss der Praxis der Übernahmekommission ohne Weiteres zulässig und gelten bis zum Vollzug eines Übernahmeangebots. Die Übernahmekommission gestattet solche Bedingungen auch im Falle von Pflichtangeboten.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 1

Zweck und Geltungsbereich

Abs. 1 Die Investitionsprüfung bezweckt, Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren zu verhindern, wenn diese Übernahmen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährden oder bedrohen. Es geht somit darum, mit diesem Instrument Gefährdungen und Bedrohungen abzuwenden, die von nationaler Bedeutung sind. Mit den Begriffen «öffentliche Ordnung» und «öffentliche Sicherheit» sind die typischen Polizeigüter nach Schweizer Rechtsordnung gemeint.

Die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann namentlich dann gefährdet oder bedroht sein, wenn ein Unternehmen ausfällt, das: ­

eine für die gesamte Volkswirtschaft nicht verzichtbare Leistung erbringt, die nicht innert nützlicher Frist ersetzt werden kann;

­

der Schweizer Armee oder weiteren Institutionen des Bundes, die für die staatliche Sicherheit zuständig sind, tragende Rüstungskomponenten liefert;

­

inländischen Behörden zentrale sicherheitsrelevante Informatiksysteme liefert;

­

internationalen Raumfahrtinfrastrukturen, an denen sich die Schweiz beteiligt, tragende Komponenten liefert.

Es geht somit zum einen darum, ob eine Übernahme die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee oder von weiteren Institutionen des Bundes, die für die staatliche Sicherheit des Bundes zuständig sind, in Frage stellen könnte.

Zum anderen stehen potentielle Ausfälle von Unternehmen im Zentrum, die für die gesamte Volkswirtschaft nicht verzichtbare Leistungen erbringen, die nicht innert nützlicher Frist substituiert werden können. Mit mangelnder Substituierbarkeit ist gemeint, dass eine Leistung nicht von anderen Marktteilnehmern in ähnlicher Ausprägung angeboten werden kann oder es nicht möglich ist, z. B. mit einer Auffanggesellschaft den Ausfall der Leistungen abzuwenden. Entsprechend wäre bei einem Ausfall eines solchen Unternehmens mit schwerwiegenden Folgen für die Volkswirtschaft zu rechnen, sodass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder bedroht sein könnte. Beispiele wären die systemrelevanten Banken oder das Übertragungsnetz für Elektrizität.

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Im Zusammenhang mit einer Übernahme eines solchen Unternehmens durch einen ausländischen Investor könnte sich die potentielle Gefährdung oder Bedrohung insofern materialisieren, wenn ein Investor destabilisierende oder geopolitische Absichten verfolgt. Beispielsweise könnte ein Investor nach der Übernahme die durch dieses Unternehmen erbrachten nicht verzichtbaren Leistungen absichtlich einstellen oder zurückhalten, um zu versuchen, Druck auf die Schweiz auszuüben. Damit ist auch klar, dass es nie nur um das Übernahmeobjekt geht, sondern dass die Beurteilung des Investors gleichermassen von Bedeutung ist (siehe Erläuterungen zu Art. 4 E-IPG).

Die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann ausserdem auch dann gefährdet oder bedroht sein, wenn ein böswilliger Akteur Zugriff auf bedeutende sicherheitsrelevante Informationen oder eine grosse Menge an besonders schützenswerten Personendaten erhält.

Abs. 2 Bei der Definition des sachlichen Geltungsbereichs findet der weit gefasste Unternehmensbegriff nach Artikel 2 Buchstabe b E-IPG Anwendung. Das Gesetz soll sowohl für Unternehmen des privaten als auch des öffentlichen Rechts gelten. Der Geltungsbereich ist allerdings auf ausländische staatlich kontrollierte Investoren beschränkt.

Massgebend ist dabei der Kontrollbegriff nach diesem Gesetz (Art. 2 Bst. a E-IPG).

Nebst juristischen Personen findet das Gesetz auch Anwendung auf natürliche Personen. Beispielsweise gilt eine natürliche Person, die für ein ausländisches staatliches Organ handelt, als ausländischer staatlicher Investor (Art. 2 Bst. d Ziff. 4 E-IPG).

Art. 2

Begriffe

Bst. a Die Definition, wann von einer Übernahme ausgegangen wird, orientiert sich an der in der Praxis bewährten kartellrechtlichen Definition eines Unternehmenszusammenschlusses gemäss Artikel 4 Absatz 3 KG und dem dort verwendeten Kontrollbegriff.40 Entsprechend ist vorliegend grundsätzlich auch die kartellrechtliche Praxis heranzuziehen.

Mit dem Begriff der Erlangung der Kontrolle werden alle denkbaren Arten und Mittel zur Begründung der Kontrolle erfasst. Als Kontrolle wird die Möglichkeit verstanden, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auszuüben. Der oder die kontrollierenden Investoren müssen somit die Möglichkeit erlangen, die wesentlichen Fragen der Geschäftsführung und die allgemeine Geschäftspolitik zu bestimmen. Dabei wird nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine mittelbare Erlangung der Kontrolle erfasst, z. B. durch das Dazwischenschalten einer oder mehrere Tochterunternehmen. Zudem ist nicht von Bedeutung, inwieweit von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Wird ein Unternehmen durch zwei oder mehrere Investoren gemeinsam kontrolliert, und geht die Kontrolle z. B. nur auf einen dieser Investoren über, würde dies ebenfalls als Übernahme durch 40

Art. 1 der Verordnung vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (VKU, SR 251.4) gibt weitere Hinweise, wann ein Unternehmen eine Kontrolle im Sinne von Art. 4 Abs. 3 KG erlangt.

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diesen Investor gelten (Übergang der gemeinsamen Kontrolle auf die alleinige Kontrolle).

Der Begriff der Erlangung der Kontrolle wird u. a. durch die Elemente des Beteiligungserwerbs und des Abschlusses eines Vertrages verdeutlicht. Die Höhe des die Erlangung der Kontrolle qualifizierenden Anteils lässt sich nicht in absoluten Zahlen festlegen; es kommt insbesondere auf die Gesellschaftsform und die übrigen rechtlichen und tatsächlichen Umstände an. Bei einer personenbezogenen Aktiengesellschaft mit einigen wenigen Aktionären wird die kritische Schwelle in der Regel bei einem Anteil von 50 Prozent der Stimmrechte überschritten; bei einer Publikumsgesellschaft kann bei notorisch schwacher oder breit gestreuter Vertretung der Kleinanleger in der Generalversammlung bereits ein Anteil von 20 oder 30 Prozent der Stimmrechte für die Erlangung der Kontrolle genügen. Mit dem Begriff des Abschlusses eines Vertrages sind vor allem Aktionärbindungsverträge oder Geschäftsführungsverträge (Managementverträge) gemeint.41 Ein weiteres aufgeführtes Beispiel, wie die Kontrolle erlangt werden kann, ist eine Fusion. Damit ist die Verschmelzung von zwei oder mehreren bisher voneinander unabhängigen Unternehmen ­ in diesem Fall zwischen einem oder mehreren Investoren und einem oder mehreren bisher unabhängigen Unternehmen ­ zu einer neuen Einheit gemeint. Wichtig ist die Differenzierung, wer nach erfolgter Fusion die Kontrolle über das aus der Fusion entstandene Unternehmen hat. Die Fusion gilt einzig dann als Übernahme nach diesem Gesetz, wenn der ausländische Investor die Kontrolle erlangt. Dabei kann er das aus der Fusion entstandene Unternehmen alleine kontrollieren oder gemeinsam mit dem bisher unabhängigen Unternehmen, mit welchem er fusioniert. Damit wäre eine Fusion, bei welcher das inländische Unternehmen (siehe Erläuterungen zu Bst. c), nicht aber der ausländische Investor die Kontrolle erlangt, nicht erfasst.

Als Übernahme gilt zudem auch die Erlangung der Kontrolle über einen Teil eines Unternehmens. Damit ist z. B. der Erwerb eines Geschäftsbereichs oder einer Sparte, aber bspw. auch der Erwerb von bedeutenden Aktiven (z. B. Anlagen, Maschinen oder Patente) gemeint. Damit soll verhindert werden, dass ein Unternehmen bspw.

bedeutende Aktiven verkauft, ohne die es einem bedeutenden Teil seiner bisherigen
wirtschaftlichen Aktivität nicht mehr nachgehen kann und praktisch nur noch eine leere Hülle übrigbleibt. Ein solcher Verkauf wäre mit einer Erlangung der Kontrolle zu vergleichen.

Mit der Wendung «bisher unabhängig» wird klargestellt, dass Umschichtungen von Unternehmen, die bereits bisher dem gleichen Konzern angehörten, von der Investitionsprüfung nicht erfasst werden.

Gründen zwei oder mehrere Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen, das sie gemeinsam kontrollieren wollen, qualifiziert dies ebenfalls als Übernahme. Dabei muss es sich nicht zwingend um ein Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen handeln (dies in Abweichung zu Art. 2 Abs. 2 VKU). Gründet hingegen ein einzelnes Unternehmen eine Tochtergesellschaft, oder handelt es sich um eine Neugründung eines 41

Siehe hierzu auch die Ausführungen in der Botschaft vom 23. November 1994 zum KG (BBl 1995 I 468), S. 550.

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Unternehmens von Grund auf (sog. greenfield investment), ist dies nicht von der Investitionsprüfung erfasst.

Bst. b Der Begriff Unternehmen wird weit gefasst und erfolgt in Anlehnung an Artikel 2 Absatz 1bis KG. Um als Unternehmen zu gelten, ist die Rechts- und Organisationsform unerheblich. Ausschlaggebend ist einzig, ob es sich um einen Nachfrager oder Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess handelt.

Bst. c Für die Definition, welche Rechtseinheiten als inländische Unternehmen gelten, wird daran angeknüpft, ob die entsprechende juristische Person im Handelsregister eingetragen ist. Dadurch gilt auch eine inländische Tochterfirma, die Teil einer ausländischen Unternehmensgruppe ist, als inländisches Unternehmen. Die folgende Übernahme wäre somit von der Investitionsprüfung erfasst:

Es ist somit unerheblich, ob sich das inländische Unternehmen bereits unter ausländischer Kontrolle befindet oder nicht. Denn ob die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz durch die Übernahme eines inländischen Unternehmens gefährdet oder bedroht wird, hängt nicht davon ab, wer aktuell die Kontrolle über dieses ausübt. Relevant ist vielmehr, ob durch eine Übernahme durch einen (neuen) ausländischen staatlichen Investor eine der in den Erläuterungen zu Artikel 1 E-IPG aufgeführten Gefährdungen oder Bedrohungen eintreten könnte.

Wie oben dargelegt (siehe Erläuterungen zu Bst. a), wird zudem nicht nur eine unmittelbare Erlangung der Kontrolle erfasst, sondern auch eine mittelbare. Die folgende Übernahme wäre deshalb ebenfalls erfasst, da die Tochtergesellschaft in der Schweiz als inländisches Unternehmen gilt und mit der Übernahme des Mutterkonzerns eine mittelbare Erlangung der Kontrolle stattfindet:

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In einem solchen Fall würde nicht die Übernahme des Mutterkonzerns geprüft, sondern einzig die (mittelbare) Übernahme des inländischen Tochterunternehmens. Sollte das Resultat dabei sein, dass die Übernahme des inländischen Tochterunternehmens nicht vollzogen werden kann, könnte dies zur Folge haben, dass damit die Übernahme des gesamten Mutterkonzerns in Frage gestellt würde. Um dies zu vermeiden, ist denkbar, dass in einem solchen Fall eine Genehmigung unter der Auflage, das inländische Tochterunternehmen wieder zu veräussern, im Vordergrund stehen wird.

Bst. d Als ausländischer staatlicher Investor soll grundsätzlich gelten, wer die Absicht hat, ein inländisches Unternehmen zu übernehmen.

Für die Bestimmung, wann es sich um einen ausländischen staatlichen Investor handelt, wird bei Unternehmen (Ziff. 2) auf den Ort der Hauptverwaltung abgestellt: liegt dieser ausserhalb der Schweiz, gilt ein Investor als ausländisch. Unter Ort der Hauptverwaltung ist der tatsächliche Sitz des Unternehmens zu verstehen, von wo aus die zentrale Geschäftstätigkeit erfolgt. Bei Unternehmen, die Teil einer Unternehmensgruppe sind, wird auf den Ort der Hauptverwaltung der Unternehmensgruppe (Konzern) abgestellt.

Damit gilt eine investierende inländische Tochterfirma, die Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe mit Hauptverwaltung ausserhalb der Schweiz ist, als ausländischer Investor. Entsprechend würde in der folgenden Konstellation die Investitionsprüfung greifen:

Damit werden Umgehungsmöglichkeiten minimiert: Eine Unternehmensgruppe müsste zuerst ihre Hauptverwaltung in die Schweiz verlegen, um nicht als ausländischer Investor zu gelten. Die Gründung einer in der Schweiz domizilierten Tochterfirma reicht nicht aus.

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Eine ausländische Tochterfirma würde hingegen nicht als ausländischer Investor gelten, sofern sich die Hauptverwaltung der Unternehmensgruppe in der Schweiz befindet. In der folgenden Konstellation würde die Investitionsprüfung somit nicht greifen:

Bei vermögensfähigen Gesellschaften (z. B. Fondsgesellschaften; Ziff. 3) wird hingegen nicht darauf abgestellt, wo sich die Hauptverwaltung befindet. Es ist einzig massgebend, ob sie durch ein ausländisches staatliches Organ kontrolliert werden (siehe hierzu die nachfolgenden Ausführungen). Vermögensfähige Gesellschaften, die unter den Unternehmensbegriff gemäss Buchstabe b fallen, sind somit ebenfalls durch Ziffer 2 erfasst, sofern sich deren Hauptverwaltung ausserhalb der Schweiz befindet.

Nicht alle vermögensfähigen Gesellschaften qualifizieren allerdings zwingend auch als Unternehmen. Diese Lücke wird durch Ziffer 3 geschlossen. Zudem sollen auch vermögensfähige Gesellschaften erfasst sein, die zwar die Hauptverwaltung in der Schweiz haben, aber von einem ausländischen staatlichen Organ kontrolliert werden.

Die Bestimmung, wann es sich um einen ausländischen staatlichen Investor handelt, ist breit angelegt. Erfasst sind zum einen ausländische staatliche Organe, welche direkt als Investoren auftreten (Ziff. 1). Beispiele für staatliche Organe sind Behörden, Anstalten oder Zentralbanken. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Staatsebene das Organ zugeordnet ist. Als staatliche Organe werden zudem nicht nur Behörden, sondern auch einzelne Amtsträger oder Regierungsmitglieder betrachtet. Übt eine Partei die Herrschaft im Staat allein aus und kontrolliert die wichtigen Staatsorgane, gelten auch diese Partei und ihre Vertreter als staatliche Organe. Unter ausländischem staatlichem Organ wird in diesem Sinne bei Monarchien auch das Königshaus verstanden.

Bei Unternehmen (Ziff. 2) sowie auch bei vermögensfähigen Gesellschaften (Ziff. 3) findet zum anderen der in Artikel 2 Buchstabe a E-IPG verwendete Kontrollbegriff Anwendung. Als staatlich kontrolliert gilt, wer unmittelbar oder mittelbar von einem ausländischen staatlichen Organ kontrolliert wird. Es sind alle denkbaren Arten und Mittel zur Begründung der Kontrolle erfasst. Dabei ist nicht von Bedeutung, inwieweit von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Ebenfalls unerheblich ist es, von welcher Staatsebene das Unternehmen oder die vermögensfähige Gesellschaft kontrolliert wird. Das kontrollierende ausländische staatliche Organ muss die Möglichkeit haben, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit des Unternehmens oder der
vermögensfähigen Gesellschaft auszuüben. Es muss somit über die Möglichkeit verfügen, die wesentlichen Fragen der Geschäftsführung und die allgemeine Geschäftspolitik zu bestimmen. Dazu gehört insbesondere auch die Ernennung und Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung, die Genehmigung des Budgets oder des Geschäftsplans oder Investitionen im Rahmen der gewöhnlichen

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Geschäftsführung. Kontrolle würde auch dann vorliegen, wenn bspw. eine Behörde, ein Amtsträger oder ein Regierungsmitglied die Möglichkeit hat, strategische Entscheidungen des ausländischen Investors zu blockieren, oder wenn solche Entscheidungen des ausländischen Investors einer vorgängigen gesetzlichen Genehmigung unterstehen.

Um eine breite Definition eines ausländischen staatlichen Investors zu gewährleisten und um Umgehungen zu verhindern, wird ferner auch erfasst, wenn eine Person im Auftrag eines Staats handelt (Ziff. 4), unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn eine Person von einem Staat instruiert wurde, ein Unternehmen zu erwerben oder wenn eine Person vom Staat die finanziellen Mittel (inkl. Subventionen oder Krediten) erhält, ohne welche sie den Erwerb nicht hätte vornehmen können. Ein Unternehmen, das von einem Staat einen Leistungsauftrag hat, würde damit ebenfalls als ausländischer staatlicher Investor betrachtet.

Art. 3

Genehmigungspflichtige Übernahmen

Diese Bestimmung regelt, welche Übernahmen von inländischen Unternehmen durch einen ausländischen staatlichen Investor genehmigungspflichtig sind. Genehmigungen haben vor dem Vollzug der Übernahme zu erfolgen.

Erfasst werden die Bereiche, die hinsichtlich einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz als besonders kritisch zu erachten sind.

Um ausreichend Klarheit darüber zu schaffen, welche Übernahmen genehmigungspflichtig sind, wird der betroffene Bereich möglichst genau bezeichnet. Dabei wird zwischen Bereichen unterschieden, bei denen abgesehen von einer Bagatellschwelle keine Umsatzschwelle besteht (Abs. 1) und bei denen eine Umsatzschwelle besteht (Abs. 2).

Mit der Bagatellschwelle sind in Absatz 1 Übernahmen von kleinen Unternehmen nicht genehmigungspflichtig. Erstens erscheint es wenig wahrscheinlich, dass von der Übernahme eines kleinen Unternehmens eine Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgehen kann. Betreffend sicherheitsrelevante Technologien kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass allenfalls auch kleine Unternehmen (z. B. Start-ups) solche Technologien entwickeln. Gerade für Start-ups ist jedoch die Finanzierung zentral. Dabei spielen oft ausländische Investoren eine wichtige Rolle. Um die Innovationstätigkeit von kleinen Unternehmen möglichst nicht zu hemmen, sollen diese bei der Suche nach geeigneten Investoren grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Zudem ist davon auszugehen, dass es sich bei den Unternehmen, die Güter herstellen, die für die Schweizer Armee, die weiteren für die staatliche Sicherheit zuständigen Institutionen des Bundes oder für Weltraumprogramme, an denen sich die Schweiz im Rahmen internationaler Abkommen beteiligt, von entscheidender Bedeutung sind (siehe Erläuterungen zu Abs. 1 Bst. a), nicht um kleine Unternehmen handelt. Zweitens hilft dies dabei, die Investitionsprüfung vor einer Überlastung durch Bagatellfälle zu bewahren.

Der Genehmigungspflicht unterliegen daher einzig Übernahmen von inländischen Unternehmen, die in den zwei Geschäftsjahren vor Einreichung des Gesuchs weltweit 41 / 74

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durchschnittlich mindestens 50 Vollzeitstellen umfasst oder einen weltweiten Jahresumsatz von mindestens 10 Millionen Franken erwirtschaftet haben. Diese Bagatellschwelle orientiert sich an der statistischen Definition des Bundesamtes für Statistik (BFS) sowie der EU für kleine Unternehmen.42 Das Verhältnis von Umsatz (in Millionen) zu Anzahl Vollzeitstellen (hier 0,2) liegt im Bereich der Schwelle, ab wann eine Gesellschaft gemäss Artikel 727 des Obligationenrechts (OR)43 eine ordentliche Revision seiner Jahresrechnung durchführen lassen muss (0,16).

In den Bereichen mit Umsatzschwelle (Abs. 2) sind nur Übernahmen von inländischen Unternehmen, die in den zwei Geschäftsjahren vor Einreichung des Gesuchs weltweit durchschnittlich einen Jahresumsatz von mindestens 100 Millionen Franken (oder im Fall von Banken Bruttoerträge) erwirtschaftet haben, genehmigungspflichtig.

Dem Umsatz zugerechnet wird dabei der weltweite Umsatz aller Einheiten, die das inländische Unternehmen, welches übernommen wird, kontrolliert. Somit ist bspw.

auch der Umsatz eines Tochterunternehmens des inländischen Unternehmens mit einbezogen. Ist das inländische Unternehmen Teil eines Konzerns, wird umgekehrt nicht auf den gesamten Umsatz des Konzerns abgestellt, sondern nur auf den Umsatz des inländischen Unternehmens und aller von ihm kontrollierten Einheiten. Wird nur ein Teil eines Unternehmens veräussert und handelt es sich dabei z. B. um einen Geschäftsbereich, eine Sparte oder um bedeutende Aktiven (z. B. Anlagen, Maschinen oder Patente), ist der diesen Teilen zurechenbare Umsatz massgebend. Denn grundsätzlich soll nur derjenige Anteil in die Berechnung einfliessen, der tatsächlich erworben wird, damit Gleiches gleichbehandelt wird.

Besteht das inländische Unternehmen seit weniger als zwei Jahren, wird auf den durchschnittlichen Jahresumsatz seit seinem Bestehen abgestellt. Falls das Unternehmen seit weniger als einem Jahr bestehen sollte, wird der bislang erzielte Umsatz auf ein Jahr hochgerechnet.

Bei der Bagatellschwelle nach Absatz 1 erfolgt die Berechnung betreffend Vollzeitstellen analog zur Berechnung des Umsatzes.

Betreffend dem in diesem Artikel verwendeten Begriff «kontrollieren» ist der Kontrollbegriff nach diesem Gesetz (Art. 2 Bst. a E-IPG) massgebend. Erfasst ist somit die unmittelbare, aber auch die
mittelbare Kontrolle.

In den nachfolgenden Ausführungen werden nur diejenigen Bereiche näher beschrieben, die erläuterungsbedürftig sind.

Abs. 1 Bst. a Damit werden inländische Unternehmen erfasst, die Güter herstellen, die für die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee, von weiteren für die staatliche Sicherheit zuständigen Institutionen des Bundes sowie von Weltraumprogrammen, an denen sich die Schweiz im Rahmen internationaler Abkommen beteiligt, von entscheidender Bedeu-

42

43

Siehe www.bfs.admin.ch > Statistik finden > Industrie, Dienstleistungen > Unternehmen und Beschäftigte > Wirtschaftsstruktur: Unternehmen > Kleine und mittlere Unternehmen.

SR 220

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tung sind und deren Ausfuhr nach dem KMG oder dem GKG bewilligungspflichtig sind.

Der Güterbegriff des GKG umfasst Waren, Technologie und Software, wobei Technologie auch den Wissenstransfer, die Wartung und den Support einschliesst. Demgegenüber umfasst Artikel 5 KMG Technologie grundsätzlich nicht. Allerdings ist nach Artikel 20 KMG der Abschluss eines Vertrags, bei dem von der Schweiz aus an eine natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland Immaterialgüter übertragen werden, die für die Entwicklung, die Herstellung oder den Gebrauch von Kriegsmaterial von wesentlicher Bedeutung sind, ebenfalls bewilligungspflichtig. Mit Immaterialgütern sind alle Formen im Sinne von Artikel 20 KMG gemeint, bspw. auch Knowhow oder die Einräumung von Rechten an Immaterialgütern. Deshalb werden Unternehmen, die bspw. der Schweizer Armee bedeutende Immaterialgüter übertragen, deren Übertragung ins Ausland gemäss Artikel 20 KMG bewilligungspflichtig sind, ebenfalls erfasst.

Mit der Verwendung des Präsens wird verdeutlicht, dass es um bestehende Geschäftsbeziehungen geht. Sofern ein Unternehmen bspw. der Armee in der Vergangenheit Güter gemäss KMG oder GKG geliefert hat, die entweder nicht mehr eingesetzt werden oder keine andauernde Geschäftsbeziehung (z. B. Unterhalts- oder Reparaturarbeiten) mehr besteht, ist es nicht erfasst.

Lieferanten von Gütern, die für Weltraumprogramme von entscheidender Bedeutung sind, werden erfasst, da sich die Schweiz im Rahmen internationaler Abkommen an der Entwicklung oder dem Betrieb von für sie wichtigen internationalen Infrastrukturen im Bereich der Raumfahrt beteiligt. Dies betrifft insbesondere die Weltraumprogramme der ESA und der EU (namentlich die Satellitennavigations- und Ortungssysteme Galileo und EGNOS).

Abs. 1 Bst. b Mit diesem Buchstaben sind betreffend Elektrizitätsnetze neben der Eigentümerin und Betreiberin des Übertragungsnetzes (Swissgrid) alle Unternehmen erfasst, die Verteilnetze der Ebene 3 oder Verteilnetze tieferer Ebenen betreiben oder kontrollieren, sofern darüber einen Absatz von mindestens 450 GWh/Jahr stattfindet (Bezug durch Endverbraucher und Weiterverteiler, Nettowert). Damit ist gewährleistet, dass die bedeutendsten Wirtschaftsregionen der Schweiz abgedeckt sind. Denn ein länger dauernder Ausfall der Stromversorgung in einer
bedeutenden Wirtschaftsregion hätte wohl nationale Auswirkungen. Zudem ist darauf hingewiesen, dass das Stromversorgungsgesetz vom 23. März 200744 (StromVG) als lex specialis grundsätzlich Vorrang vor dem IPG hat.

Abs. 1 Bst. e Damit werden Wasserversorger, die im Inland eine bedeutende Anzahl an Einwohnerinnen und Einwohnern mit Trinkwasser versorgen, erfasst. Mit der Bezugnahme auf die Versorgung von Einwohnerinnen und Einwohnern wird verdeutlicht, dass es um die Versorgung der Haushalte mit Leitungswasser geht. Nicht erfasst sind hingegen bspw. kommerzielle Mineralwasserproduzenten.

44

SR 734.7

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Abs. 1 Bst. f In Anlehnung an Absatz 1 Buchstabe a werden auch inländische Unternehmen erfasst, die für staatliche Behörden zentrale sicherheitsrelevante Informatiksysteme liefern oder zentrale sicherheitsrelevante Informatikdienstleistungen anbieten. Auch hier wird mit der Verwendung des Präsens verdeutlicht, dass es um bestehende Geschäftsbeziehungen geht. Sofern ein Unternehmen in der Vergangenheit zentrale sicherheitsrelevante Informatiksysteme geliefert hat, die entweder nicht mehr eingesetzt werden oder keine andauernde Geschäftsbeziehung (z. B. Unterhalts- oder Reparaturarbeiten) bestehen, ist es nicht erfasst. Mit staatlichen Behörden sind Behörden auf allen Staatsebenen gemeint. Unter die zentralen sicherheitsrelevanten Informatiksysteme fallen z. B. Systeme für die Kommunikation oder die Verschlüsselung von Nachrichten, die der NDB oder die Polizei verwendet. Informatiksysteme, die keine zentrale sicherheitspolitische Relevanz aufweisen, z. B. Systeme für die Geschäftsverwaltung oder das Dokumenten-Management, fallen hingegen nicht darunter.

Abs. 2 Bst. c Mit diesem Buchstaben sind namentlich die Flughäfen Genf und Zürich sowie die Schweizerischen Rheinhäfen gemeint. Kleinere regionale Flughäfen oder Häfen sind hiermit nicht erfasst. Ebenfalls nicht erfasst ist der Flughafen Basel. Dieser ist kein Unternehmen, welches im schweizerischen Handelsregister eingetragen ist und gilt somit nicht als inländisches Unternehmen. Aufgrund der vertraglichen Regelung im französisch-schweizerischen Staatsvertrag vom 4. Juli 1949 über den Bau und Betrieb des Flughafens Basel-Mülhausen45 ist jedoch sichergestellt, dass ein Verkauf des Flughafens Basel ohne Zustimmung der Schweiz nicht möglich wäre. Bei den Umschlagsanlagen für den kombinierten Verkehr (KV-Umschlagsanlagen) handelt es sich um KV-Umschlagsanlagen von nationaler verkehrspolitischer Bedeutung gemäss Artikel 11 Absatz 2 des Gütertransportgesetzes vom 25. September 201546 (GüTG).

Abs. 2 Bst. d Mit diesem Buchstaben sind alle Eisenbahnunternehmen gemäss Artikel 2 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 195747 (EBG) gemeint, die eine inländische Eisenbahninfrastruktur gemäss Artikel 62 EBG betreiben oder kontrollieren. Damit sind bspw. Eisenbahngleise inkl. der Zugang dazu (z. B. über die Perrons) oder auch öffentliche Verladeanlagen erfasst.
Abs. 2 Bst. h Da es gemäss Definition des Begriffs «Übernahme» (siehe Art. 3 Bst. a E-IPG) auch um die Übernahme von Teilen eines Unternehmens geht, sind bei den systemrelevanten Banken namentlich auch deren Konzernobergesellschaften und wesentliche Gruppen- und Konglomeratsgesellschaften nach Artikel 2bis BankG erfasst. Bei Banken wäre ein Abstellen auf den Umsatz wenig aussagekräftig. Um die wirtschaftliche Bedeutung einer Bank zu beurteilen, sind die Bruttoerträge besser geeignet. Deshalb sind

45 46 47

SR 0.748.131.934.92 SR 742.41 SR 742.101

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in Anlehnung an Artikel 9 Absatz 3 KG bei Banken anstatt des Jahresumsatzes die Bruttoerträge massgebend.

Abs. 3 Mit dieser Delegationsnorm erhält der Bundesrat die Möglichkeit, weitere Kategorien von inländischen Unternehmen für eine begrenzte Dauer zu definieren, deren Übernahmen in der Folge der Genehmigungspflicht unterstellt wären. Dies umfasst z. B.

auch die Senkung einer bestehenden Umsatzschwelle. Diese Kompetenz ist auf aussergewöhnliche Situationen beschränkt, in welchen es dringlich ist, eine Unterstellung unter die Genehmigungspflicht vornehmen zu können, um die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gewährleisten. In allen anderen Fällen ist der ordentliche Gesetzgebungsprozess zu wählen. Ebenfalls klar ist, dass sich diese Kompetenz auf weitere Kategorien von inländischen Unternehmen beschränkt und nicht weitere Kategorien von ausländischen Investoren umfasst.

Die maximale Dauer für solche ausserordentlichen Massnahmen wird auf zwölf Monate begrenzt. Der Bundesrat kann diese Frist einmalig um maximal 12 Monate verlängern. Sollen diese Massnahmen darüber hinaus bestehen bleiben, ist eine Änderung des Gesetzes vorzunehmen. Wird somit innerhalb dieser 24 Monate vom Parlament keine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen, würde die Genehmigungspflicht für diese weiteren Kategorien wieder entfallen.

Abs. 4 Der Bundesrat soll über die Möglichkeit verfügen, Investoren aus bestimmten Staaten von der Genehmigungspflicht auszunehmen, sofern die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet ist. Solche Ausnahmen führen zu einer Ungleichbehandlung der Investoren je nach Staat. Damit dies angesichts der internationalen Verpflichtungen der Schweiz (GATS, FZA, LVA, EFTA-Konvention und FHA) zulässig ist, muss diese Ungleichbehandlung auf objektiven Kriterien beruhen, die einen Bezug zu dem vom Gesetz verfolgten Ziel aufweisen, also auf Kriterien, die eine Verbindung zur öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Schweiz aufweisen. Die Ausnahmekriterien werden vom Bundesrat in einer Verordnung festgelegt. Voraussetzung für die Ausnahme von der Genehmigungspflicht ist, dass mit den betreffenden Staaten eine ausreichende Zusammenarbeit besteht oder möglich ist, um Gefährdungen und Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Schweiz abzuwenden. Denn das Bestehen einer solchen
Zusammenarbeit bietet eine gewisse Garantie um sicherzustellen, dass die Ziele der Investitionsprüfung in Bezug auf den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auch im Falle einer Ausnahme gewährleistet sind. So könnten die Ausnahmekriterien beispielsweise das Bestehen einer polizeilichen Zusammenarbeit oder die gemeinsame Kriminalitätsbekämpfung sowie eine Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und der Nachrichtendienste umfassen. Auch eine bestehende Zusammenarbeit bei den Investitionsprüfungen könnte berücksichtigt werden. Hingegen wäre die reine Reziprozität (die Tatsache, dass die Schweiz im betroffenen Staat von Investitionsprüfungen ausgenommen ist) kein zulässiges Kriterium im Hinblick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz (siehe Ziff. 2.4.2). Bei einer Ausnahme wären Übernahmen durch einen staatlichen Investor, der im betroffenen Staat ansässig ist und der nicht von einem Drittstaat ohne Ausnahme kontrolliert wird, von der Genehmigungspflicht ausgenommen. Ausserdem 45 / 74

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müsste der Bundesrat jeweils eine Gesamtbeurteilung im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vornehmen, damit gewährleistet ist, dass die Ausnahme nur bewilligt wird, wenn dies keine Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Schweiz darstellt. Die Liste der von der Genehmigungspflicht ausgenommenen Staaten soll überdies regelmässig überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Kriterien immer noch erfüllt sind.

Art. 4

Genehmigungskriterien

Abs. 1 Besteht kein Grund zur Annahme, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit durch eine Übernahme gefährdet oder bedroht ist, wird die Übernahme genehmigt. Andernfalls wird die Übernahme untersagt. Der Fokus liegt somit darauf, was sich durch die Übernahme ändern würde. Das Risiko aus einer Übernahme für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit wird dabei als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und potentiellem Schadensausmass verstanden. Geht eine dieser beiden Grössen gegen Null, tendiert auch das Risiko aus einer Übernahme gegen Null.

Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist massgeblich durch zwei Faktoren bestimmt. Erstens, ob der ausländische staatliche Investor, bzw. die Verwaltung und Geschäftsführung des ausländischen staatlichen Investors sowie dessen letztlich berechtigten Eigentümer einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten. Dies schliesst das Risiko mit ein, dass ein Staat destabilisierende oder geopolitische Absichten verfolgt und bspw. nach einer Übernahme die durch das übernommene Unternehmen erbrachten Leistungen absichtlich einstellt oder zurückhält, um zu versuchen, Druck auf die Schweiz auszuüben. Und zweitens, inwiefern der ausländische staatliche Investor Zugriff auf kritische Bereiche des inländischen Unternehmens hat.

Das potentielle Schadensausmass hängt massgeblich davon ab, welche Verwundbarkeit mit dem Übernahmeobjekt verbunden ist und was passieren würde, wenn ein Investor diese Verwundbarkeit effektiv ausnutzen würde.

Da die Übernahme vor ihrem Vollzug genehmigt werden muss (siehe Art. 3 Abs. 1 und 2 E-IPG), erfolgt diese Beurteilung ex ante. Somit ist das potentielle Risiko ausschlaggebend für den Entscheid, ob eine Übernahme im Einzelfall genehmigt oder untersagt wird. Bei der Eintrittswahrscheinlichkeit muss das Verhalten des ausländischen staatlichen Investors antizipiert werden, da das effektive Verhalten nicht im Voraus beobachtet werden kann. Aber auch das potentielle Schadensausmass kann wohl in vielen Fällen nur angenähert und nicht konkret eingeschätzt werden, da solche Ereignisse selten sind und somit Beobachtungswerte fehlen.

Abs. 2 Mit der Präzisierung der Genehmigungskriterien, die bei der Beurteilung eines konkreten Falls insbesondere zu berücksichtigen sind, wird verdeutlicht, welche Themenbereiche im
Rahmen eines Genehmigungsverfahrens vertieft werden. Die Buchstaben a­d dienen namentlich der Einschätzung, ob die Verwaltung und Geschäftsführung des ausländischen staatlichen Investors sowie dessen letztlich berechtigten Eigentü46 / 74

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mer einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten. Die Buchstaben e und f dienen namentlich der Einschätzung des potentiellen Schadensausmasses.

Es wird jedoch nicht im Voraus festgelegt, bei welcher Ausprägung der genannten Kriterien eine Übernahme untersagt wird. Dies räumt dem SECO und den mitinteressierten Verwaltungseinheiten bei der Beurteilung im Einzelfall ein gewisses Ermessen ein. Der Entscheidprozess ist jedoch so angelegt, dass Untersagungen sowie Übernahmen, bei denen kein Konsens zwischen den beteiligten Verwaltungseinheiten besteht, stets durch den Bundesrat beurteilt werden (siehe Erläuterungen zu Art. 7 und 8 E-IPG). Letztlich muss jedoch immer die Vorgabe in Absatz 1 erfüllt sein: eine Übernahme kann nur untersagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit durch eine Übernahme gefährdet oder bedroht ist.

Nachfolgend werden die Kriterien einzeln erläutert: Abs. 2 Bst. a Hierbei geht es namentlich darum, wie eine Übernahme beurteilt wird, wenn der Investor in der Vergangenheit bereits abschlägig beurteilt wurde oder sich aktuell an entsprechenden Aktivitäten beteiligt. Darüber hinaus werden auch allfällige weitere Aktivitäten, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz beeinträchtigen oder beeinträchtigt haben, berücksichtigt. Als Beispiel können kriminelle Aktivitäten (z. B. Beteiligung oder Unterstützung einer kriminellen Organisation) genannt werden. Ebenso fliessen Aktivitäten, die sich nachteilig auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit eines anderen Staates auswirken oder ausgewirkt haben, mit ein. Dabei ist jedoch wichtig, den jeweiligen Kontext im betreffenden Staat zu berücksichtigen.

Abs. 2 Bst. b Allenfalls versucht oder hat ein Investor versucht, im Vorfeld einer Übernahme mittels Spionage Informationen zum inländischen Unternehmen zu erlangen, um sich so einen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern zu verschaffen (bspw. mittels wirtschaftlichen Nachrichtendienstes gemäss Art. 273 des Strafgesetzbuches [StGB]48).

Solche Spionage kann entweder direkt durch den Investor oder durch seinen Heimatstaat, u. a. mittels nachrichtendienstlicher Mittel, erfolgen, der die beschaffte Information dann weiterreicht. Solche Vorkommnisse können Hinweise auf die Beweggründe eines Investors
geben.

Abs. 2 Bst. c Ein Investor betreibt oder hat in einem anderen Zusammenhang als mit der vorliegenden Übernahme allenfalls Spionage betrieben (bspw. mittels politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Nachrichtendienstes gemäss Art. 272­274 StGB). Ebenfalls denkbar ist, dass er solche Spionage nicht selbst vorgenommen, sondern in Auftrag gegeben hat. Solche Vorkommnisse fliessen ebenfalls in die Beurteilung ein. Sowohl bei Spionage nach diesem Buchstaben wie auch nach Buchstaben b ist der Beweis, dass Spionage betrieben wird oder wurde, teils schwierig zu erbringen. Deshalb wird

48

SR 311.0

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oft wohl nur ein begründeter Verdacht vorliegen. Eine Verurteilung nach StGB oder Militärstrafgesetz vom 13. Juni 192749 (MStG) muss nicht vorliegen.

Abs. 2 Bst. d Bei Sanktionsmassnahmen handelt es sich zwar oftmals um Finanzsanktionen.

Dadurch wäre eine Übernahme durch einen derart sanktionierten Investor ohnehin untersagt. Es kann aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass ein Investor selbst nicht mit einer Sanktion belegt ist oder in der Vergangenheit belegt wurde, der letztlich berechtigte Eigentümer dahinter jedoch schon.

Abs. 2 Bst. e Unter mangelnder Substituierbarkeit wird die Gefahr verstanden, dass Dienstleistungen, Produkte oder Infrastrukturen des inländischen Unternehmens nicht von anderen Marktteilnehmern in ähnlicher Ausprägung angeboten werden können oder nicht innert nützlicher Frist auf andere Leistungserbringer übertragen werden können. Vor dem Hintergrund von Artikel 4 E-IPG geht es betreffend Dienstleistungen und Produkte um solche, die in der Schweiz angeboten werden, betreffend Infrastrukturen um solche, die sich in der Schweiz befinden. Liegt keine mangelnde Substituierbarkeit vor, ist eine Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz wenig wahrscheinlich, da aus einem Ausfall eines inländischen Unternehmens kein grösserer Schaden resultieren könnte. Beispielsweise würde es sich bei gegebener Substituierbarkeit um eine leere Drohung handeln, wenn ein anderer Staat der Schweiz drohen würde, die durch ein von ihm kontrolliertes Unternehmen erbrachten Leistungen absichtlich einzustellen oder zurückzuhalten. Zudem könnte eine mutwillige Vernachlässigung von Investitionen zu keiner Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit führen, wenn die Leistungen eines Unternehmens substituierbar sind. Somit wird auch ein Beitrag zur Versorgungssicherheit und zum Schutz des Service Public geleistet (siehe Ziff. 2.4.2). Der klassische Fall, bei welchem davon ausgegangen wird, dass mangelnde Substituierbarkeit gemäss der obigen Definition vorliegt, sind die systemrelevanten Banken.50 Die vertretbare Zeit für die Substituierbarkeit hängt von der zu ersetzenden Leistung ab und muss im Einzelfall bestimmt werden. Entscheidend ist dabei die Diskrepanz zwischen der nützlichen Frist und der tatsächlich benötigten Zeit für eine
Substituierung. So ist bspw. davon auszugehen, dass die Substituierung einer tragenden Rüstungskomponente (bzw. die Prüfung möglicher alternativer Anbieter) mehr Zeit benötigt, als wenn z. B. ein Unternehmen ausfällt, dessen Funktionen genügend rasch durch den Markt substituiert werden oder mit vertretbarem Aufwand durch eine Auffanggesellschaft sichergestellt werden können.

Abs. 2 Bst. f Unter diesem Punkt werden Risiken beurteilt, die sich daraus ergeben könnten, wenn ein Investor Zugriff auf bedeutende sicherheitsrelevante Daten oder grosse Mengen an besonders schützenswerten Personendaten erhalten könnte. Beispielsweise könnte 49 50

SR 321.0 Siehe den Schlussbericht der Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen vom September 2010.

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ein Investor von den staatlichen Behörden seines Heimatstaates verpflichtet oder unter Druck gesetzt werden, solche Daten ihnen gegenüber offenzulegen.

Die Liste der Genehmigungskriterien ist bewusst nicht abschliessend, da im Einzelfall auch weitere Kriterien in die Beurteilung einbezogen werden können müssen. Es könnten bspw. Situationen berücksichtigt werden, in denen es zu wesentlichen Wettbewerbsverzerrungen kommt, die eine Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit implizieren. Dabei würden jedoch nicht Wettbewerbsverzerrungen per se berücksichtigt (siehe dazu die Ausführungen unter Ziff. 1.2.1), sondern nur deren Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit. Beispielsweise könnte aus einer Übernahme durch einen ausländischen staatlichen Investor einem inländischen Unternehmen ein derartiger Wettbewerbsvorteil entstehen, dass ein inländisches Konkurrenzunternehmen droht dadurch Konkurs zu gehen. Wenn diese inländische Konkurrentin nun gleichzeitig eine Lieferantin einer tragenden Rüstungskomponente der Armee wäre, könnte eine solche Übernahme zu einer Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Sicherheit führen.

Ein weiteres Beispiel für ein nicht aufgelistetes Genehmigungskriterium, das in die Beurteilung einbezogen werden könnte, wäre die Tatsache, dass gegen einen Investor eine Sanktion verhängt worden ist, die ausschliesslich auf Artikel 184 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV)51 basiert.

Abs. 3 Eine Übernahme kann, statt sie gänzlich zu untersagen, auch unter Auflagen oder Bedingungen genehmigt werden, welche sich im Einzelfall jeweils aus einer Verhältnismässigkeitsprüfung ergeben. Eine Übernahme kann jedoch nur dann an Auflagen und Bedingungen geknüpft werden, wenn die Voraussetzungen für eine Untersagung vorliegen. Die Auflagen oder Bedingungen sind dabei durch den Zweck der Investitionsprüfung begrenzt. Es dürfen somit nur Auflagen oder Bedingungen auferlegt werden, die geeignet sind, die Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, die mit einer Genehmigung einer Übernahme einhergehen würde, zu beseitigen. Diese Einschränkung ist wichtig, da die Gefahr besteht, dass auf die Entscheidungsinstanzen (öffentlicher) Druck ausgeübt werden könnte, mit Auflagen und Bedingungen eine selektive Branchen- oder Technologiepolitik zu
betreiben mit dem Ziel, bestimmte Wirtschaftsstrukturen zu erhalten oder zu fördern. Ein Beispiel für solche auszuschliessenden Auflagen oder Bedingungen wären Arbeitsplatzgarantien.

Der Bundesrat hat sich bislang immer gegen ein solches übermässiges staatliches Eingreifen ausgesprochen. Bei dem Entscheid für die geeigneten Auflagen oder Bedingungen ist zudem zu berücksichtigen, dass diese in der Regel vertraulich und damit nicht öffentlich bekannt sind (z. B. weil dies aus sicherheitspolitischer Sicht nicht möglich ist). Dies kann zu versteckten Kosten führen, wodurch Minderheitsaktionäre oder auch Kreditgeber, die sich diesen Kosten nicht bewusst sind, negativ betroffen wären. Auch würden verschiedene Klassen von Unternehmen geschaffen (solche mit Auflagen und Bedingungen und solche ohne), was den Wettbewerb verzerren könnte.

Die Bestimmung hat deklaratorischen Charakter, da Auflagen oder Bedingungen unabhängig davon, ob sie im Gesetz vorgesehen sind oder nicht, möglich wären.

51

SR 101

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Art. 5

Vorabklärung zur Genehmigungspflicht

Bei den an einer Übernahme beteiligten Personen können Unklarheiten bestehen, ob eine Übernahme der Genehmigungspflicht unterliegt. Deshalb wird dazu eine Vorabklärung angeboten. Es geht dabei u. a. darum, ob der Investor voraussichtlich als staatlich qualifiziert oder nicht oder ob das inländische Unternehmen voraussichtlich in einen der Bereiche gemäss Artikel 3 Absätze 1 und 2 E-IPG fällt. Diese Vorabklärung ist unverbindlich. Es wird eine kostendeckende Gebühr erhoben.

Art. 6

Gesuch

Abs. 1 In diesem Absatz wird erstens der Zeitpunkt des Gesuchs geregelt. Da eine genehmigungspflichtige Übernahme vor ihrem Vollzug genehmigt werden muss (siehe Art. 4 Abs. 1 und 2 E-IPG), muss entsprechend auch das Gesuch vor dem Vollzug gestellt werden. Zweitens wird präzisiert, dass das Gesuch vom ausländischen staatlichen Investor einzureichen ist, und zwar an das SECO. Es ist sinnvoll, einen einzigen Akteur in die Pflicht zum Einreichen des Gesuchs zu nehmen, um eine klare Verantwortlichkeit zu haben. Dabei eignet sich der Käufer besser als der Verkäufer, da letzterer nicht zwingend stets davon Kenntnis hat, dass ein Investor eine Übernahme beabsichtigt (z. B. bei einer feindlichen Übernahme).

Ist z. B. eine mittelbare Erlangung der Kontrolle über ein inländisches Unternehmen vorgesehen, da ein Investor einen ausländischen Konzern übernehmen will, der eine Tochtergesellschaft in der Schweiz hat, müsste der Investor in der Schweiz ein Genehmigungsgesuch für die Übernahme der in der Schweiz ansässigen Tochtergesellschaft stellen. Im Rahmen der Schweizer Investitionsprüfung würde somit dieser Vorgang geprüft und nicht die Übernahme des Mutterkonzerns.

Das Gesuch ist in einer Amtssprache einzureichen. Die Beilagen können jedoch in englischer Sprache verfasst sein. Für das Genehmigungsverfahren werden Gebühren erhoben. Dem ausländischen staatlichen Investor ist es unbenommen, ein eingereichtes Gesuch zu jedem Zeitpunkt wieder zurückzuziehen.

Abs. 2 Hierbei handelt es sich um eine Delegationsnorm an den Bundesrat, mit welcher er beauftragt wird, auf Verordnungsstufe abschliessend zu definieren, welche Unterlagen dem SECO vom ausländischen staatlichen Investor mit dem Gesuch nach Absatz 1 einzureichen sind. Zu denken ist dabei u. a. an eine Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Investors und des inländischen Unternehmens, die Angabe der Eigentümerstruktur (namentlich die letztlich berechtigten Eigentümer), Angaben zur vorgesehenen Transaktion, der Finanzierungsquellen oder Informationen zur Einschätzung des Rufs sowie der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit. Ist das Gesuch nicht vollständig, fordert das SECO den ausländischen staatlichen Investor auf, dieses innert angemessener Frist zu vervollständigen.

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Art. 7

Direkte Genehmigung oder Einleitung eines Prüfverfahrens

Abs. 1 Die Investitionsprüfung erfolgt in zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Schritten. In einem ersten Schritt (der zweite Schritt wird in Art. 8 E-IPG geregelt) wird entschieden, ob die Übernahme direkt genehmigt werden kann oder ob ein Prüfverfahren einzuleiten ist (siehe Erläuterungen zu Art. 8 E-IPG). Damit für die beteiligten Parteien möglichst schnell Klarheit besteht, ob ein Prüfverfahren eingeleitet wird, hat diese Entscheidung innerhalb eines Monats zu erfolgen. Diese Frist beginnt zu laufen, sobald das Gesuch vollständig ist, d. h., wenn das SECO im Besitze aller Beilagen ist, die mit dem Gesuch einzureichen sind und wenn diese Beilagen vollständig sind. Die Vollständigkeit wird vom SECO bestätigt.

Darüber, ob eine Übernahme genehmigt oder ob ein Prüfverfahren eingeleitet wird, entscheidet das SECO im Einvernehmen mit den mitinteressierten Verwaltungseinheiten (siehe zur Definition der mitinteressierten Verwaltungseinheiten die Erläuterungen zu Art. 10 E-IPG). Dabei werden unter den beteiligten Verwaltungseinheiten (d. h. dem SECO und den mitinteressierten Verwaltungseinheiten) alle zur Verfügung stehenden Informationen zu einer Übernahme geteilt, damit alle über dieselben Informationen verfügen, um den Entscheid zu fällen. Zudem wird der NDB angehört. Dieser wird basierend auf seinen Kompetenzen gemäss dem Nachrichtendienstgesetz vom 25. September 201552 (NDG) regelmässig Abklärungen zum Investor bei ausländischen Partnerdiensten vornehmen. Dadurch ist gewährleistet, dass alle relevanten Ansichten und Beurteilungen in den Genehmigungsprozess einfliessen.

Um den behördlichen Aufwand zu begrenzen, steht es den beteiligten Verwaltungseinheiten frei zu beschliessen, dass Fälle von geringer Bedeutung alleine durch das SECO entschieden werden. Als Fall von geringer Bedeutung kann z. B. auch das Vorliegen eines Präzedenzentscheides gelten (z. B. wenn es sich um einen bekannten Investor handelt). Die beteiligten Verwaltungseinheiten können deshalb gemeinsam beschliessen, in welchen Fällen auf eine gemeinsame Behandlung verzichtet wird. Das kann sowohl ad hoc oder auf Basis einer grundsätzlichen Regel geschehen.

Abs. 2 Besteht unter den beteiligten Verwaltungseinheiten kein Konsens, ob eine Übernahme direkt genehmigt werden kann oder ob ein Prüfverfahren eingeleitet werden soll, wird ein
Prüfverfahren eingeleitet.

Abs. 3 Wird ein Prüfverfahren eingeleitet, teilt das SECO dies dem ausländischen staatlichen Investor und dem inländischen Unternehmen schriftlich mit. Diese Mitteilung stellt keine Verfügung dar. Wird eine Übernahme bereits zu diesem Zeitpunkt genehmigt, wird dies dem ausländischen staatlichen Investor und dem inländischen Unternehmen durch das SECO mittels beschwerdefähiger Verfügung gemäss Artikel 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196853 (VwVG) eröffnet. Die Schrift52 53

SR 121 SR 172.021

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lichkeit richtet sich ebenfalls nach den gesetzlichen Anforderungen des VwVG, was auch eine digitale Übermittlung mit qualifizierter Signatur ermöglicht. Falls die Korrespondenz des SECO mit dem ausländischen Investor nicht auf elektronischem Weg erfolgen kann, ist von diesem ein Zustellungsdomizil in der Schweiz im Sinne von Artikel 11b VwVG zu bezeichnen.

Art. 8

Prüfverfahren

Abs. 1 Das Prüfverfahren beginnt mit dessen Einleitung und dauert maximal drei Monate.

Insgesamt liegt bei einer Übernahme, für welche ein Prüfverfahren eingeleitet wird, der Entscheid über Genehmigung oder Untersagung innerhalb von insgesamt vier Monaten nach der Einreichung des Gesuchs vor. Analog zur direkten Genehmigung wird die Übernahme genehmigt, wenn unter den beteiligten Verwaltungseinheiten Konsens für eine Genehmigung besteht. Auch beim Prüfverfahren wird der NDB stets angehört werden.

Abs. 2 Bst. a Besteht hingegen unter den beteiligten Verwaltungseinheiten keinen Konsens, dass die Übernahme genehmigt werden kann, oder besteht Konsens, dass eine Übernahme zu untersagen ist, wird die Übernahme dem Bundesrat zum Entscheid vorgelegt.

Abs. 2 Bst. b Die Übernahme ist ebenfalls durch den Bundesrat zu beurteilen, wenn es sich um einen Entscheid von erheblicher politischer Tragweite handelt. In einem solchen Fall ist die Übernahme immer durch den Bundesrat zu beurteilen, auch wenn unter den beteiligten Verwaltungseinheiten Konsens besteht, dass die Übernahme genehmigt werden könnte.

Eine Genehmigung einer Übernahme, welche an Auflagen oder Bedingungen geknüpft wird, kann nur in den beiden Fällen nach Absatz 2 erfolgen. Die Frage, ob eine gänzliche Untersagung verhältnismässig wäre oder eine Genehmigung unter Auflagen oder Bedingungen möglich ist, stellt sich erst zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens.

Abs. 3 Dieser Absatz regelt die Form der Genehmigung oder Untersagung einer Übernahme nach erfolgtem Prüfverfahren. Sowohl ein positiver wie auch ein negativer Entscheid werden dem ausländischen staatlichen Investor und dem inländischen Unternehmen durch das SECO schriftlich mittels Verfügung gemäss Artikel 5 VwVG mitgeteilt.

Die Schriftlichkeit richtet sich wie bei einer direkten Genehmigung auch hier nach den gesetzlichen Anforderungen des VwVG, was auch eine digitale Übermittlung mit qualifizierter Signatur ermöglicht.

Abs. 4 In Anlehnung an Artikel 34 KG wird hier die zivilrechtliche Wirksamkeit einer genehmigungspflichtigen Übernahme geregelt. Diese bleibt bis zur Genehmigung aufgeschoben.

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Art. 9

Implizite Genehmigung und Verlängerung der Fristen

Abs. 1 In diesem Absatz wird geregelt, wann die Genehmigung implizit erfolgt. Für die an einer Übernahme beteiligten Personen soll nach Ablauf der jeweiligen Verfahrensfristen nach den Artikeln 7 und 8 E-IPG Klarheit darüber bestehen, ob die Übernahme genehmigt wird. Diesem Aspekt wird Rechnung getragen, indem eine Übernahme grundsätzlich als genehmigt gilt, wenn innerhalb der Fristen nach den Artikeln 7 Absatz 1 und 8 Absatz 1 E-IPG keine Entscheidung getroffen wurde. Zudem wird dadurch auf das SECO, die mitinteressierten Verwaltungseinheiten und den Bundesrat ein gewisser Druck ausgeübt, innerhalb von den gesetzlich vorgesehenen Fristen nach den Artikeln 7 und 8 E-IPG einen Entscheid herbeizuführen, um damit den rechtlichen Schwebezustand bezüglich der Übernahme aufzuheben. Mit diesem Mechanismus wird u. a. eine Verpflichtung zur zügigen Erledigung des Einzelfalles geschaffen, die sich mit dem Beschleunigungsgebot vergleichen lässt. Die implizite Genehmigung nach diesem Gesetz lehnt sich an die kartellgesetzliche Regelung für die Zulassung bzw. den Vollzug von Unternehmenszusammenschlüssen an.

Abs. 2 Ein Vorbehalt in Bezug auf die implizite Genehmigung besteht erstens gemäss Buchstabe a für den Fall, dass die Prüfung durch Umstände behindert wird, für die der ausländische Investor oder das inländische Unternehmen verantwortlich ist. Zweitens kann eine Frist gemäss Buchstabe b verlängert werden, falls für die Beurteilung der Übernahme erforderliche Informationen einer ausländischen Behörde ausstehen. Und drittens ist gemäss Buchstabe c eine Fristverlängerung möglich, sofern der Bundesrat über die Genehmigung entscheidet.

Auch wenn ein Entscheid dem Bundesrat vorgelegt wird, hat dieser zwar grundsätzlich innerhalb der dreimonatigen Frist nach Artikel 8 Absatz 1 E-IPG zu entscheiden.

Allerdings kann es vorkommen, dass gegen Ende dieser Frist keine Bundesratssitzung stattfindet (z. B. während den sitzungsfreien Wochen im Sommer). Buchstabe c dient deshalb namentlich dafür, zu verhindern, dass eine implizite Genehmigung erfolgt, da der Bundesrat aus sitzungstechnischen Gründen nicht über die Übernahme hat befinden können. Dies hat zur Folge, dass sich ein Entscheid im Einzelfall u. U. um mehrere Wochen verzögert.

Abs. 3 Bei einer Verlängerung der Frist gemäss den in Absatz 2 Buchstabe a­c aufgeführten
Gründe erlässt das SECO an den ausländischen staatlichen Investor und das inländische Unternehmen eine Verfügung, in welcher es das Vorliegen des Grundes festhält und eine dem Einzelfall angemessene verlängerte Frist ansetzt. Durch die Fristverlängerung gilt eine Übernahme in der Folge nicht mehr bereits nach den ordentlichen Fristen gemäss den Artikeln 7 Absatz 1 und 8 Absatz 1 E-IPG, sondern erst nach Ablauf der verlängerten Frist als implizit genehmigt. Für den Fall, dass eine die Frist verlängernde Verfügung angefochten und anschliessend von einem Gericht aufgehoben wird, greift der Mechanismus der impliziten Genehmigung nicht.

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Art. 10

Mitinteressierte Verwaltungseinheiten

Abs. 1 Die mitinteressierten Verwaltungseinheiten werden fallweise durch das SECO bezeichnet. Dies ist notwendig, da eindeutig bestimmt sein muss, welche Verwaltungseinheiten an einem Entscheid beteiligt sind. Dabei können ausschliesslich Einheiten der zentralen Bundesverwaltung als mitinteressiert gelten. Das SECO wird sich jeweils am Zuständigkeitsbereich der Verwaltungseinheiten orientieren. Hierzu einige Beispiele: bei einer Übernahme eines Energieunternehmens würde das Bundesamt für Energie (BFE) zusätzlich als mitinteressierte Verwaltungseinheit bezeichnet werden, bei einer Übernahme einer Bank das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF), bei einer Übernahme eines Flughafens das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL).

Abs. 2 Stets als mitinteressiert gelten das Staatssekretariat des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (STS-EDA) und das Staatssekretariat für Sicherheitspolitik (SEPOS). Weitere Verwaltungseinheiten des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), des EDA und des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) werden über die Zusammenarbeit mit inländischen Behörden gemäss Artikel 15 E-IPG mit einbezogen.

Art. 11

Dringliches Verfahren

In Fällen, in welchen dringlich eine Übernahme genehmigt werden können muss, um den Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu gewährleisten, kann der Bundesrat eine Übernahme direkt genehmigen. Auch möglich wäre eine direkte Genehmigung unter Auflagen oder Bedingungen. Das Genehmigungsverfahren gemäss den Artikeln 6­10 E-IPG kommt somit nicht zur Anwendung. Es ist allerdings nur eine direkte Genehmigung, nicht aber eine direkte Untersagung möglich. Für eine Untersagung muss immer das Genehmigungsverfahren gemäss den Artikel 6­10 E-IPG durchlaufen werden.

Dieses dringliche Verfahren darf nur dann zur Anwendung kommen, wenn eine direkte Genehmigung zwingend notwendig ist, um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit abzuwenden. Zu denken ist bspw. an die folgende Situation: Ein Unternehmen, das eine für die gesamte Volkswirtschaft nicht verzichtbare Leistung erbringt, die nicht innert nützlicher Frist ersetzt werden kann, ist in Schieflage geraten und droht auszufallen. Dies hätte schwerwiegende Folgen für die Volkswirtschaft, sodass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder bedroht sein könnte. Ein ausländischer staatlicher Investor möchte dieses Unternehmen übernehmen, womit ein Ausfall unterbunden werden könnte. Hierfür ist jedoch eine unverzügliche Genehmigung notwendig. In solchen Fällen wird der Bundesrat somit eine Güterabwägung vornehmen müssen. Er muss die potentielle Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch einen Ausfall dieses Unternehmens der potentiellen Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch den ausländischen staatlichen Investor gegenüberstellen.

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Art. 12

Verfahren von Amtes wegen

Abs. 1 Besteht der Verdacht, dass ein ausländischer Investor die Genehmigungspflicht missachtet oder umgangen hat, so leitet das SECO das Genehmigungsverfahren nach Artikel 7 E-IPG von Amtes wegen ein, sobald es Kenntnis von einer möglichen Verletzung der Genehmigungspflicht hat. Voraussetzung für eine Intervention gestützt auf diese Bestimmung ist das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Genehmigungspflicht vom ausländischen Investor nicht oder nicht gehörig erfüllt wurde.

Eine Umgehung liegt bspw. vor, wenn eine genehmigungspflichtige Übernahme ohne Gesuch oder Genehmigung vollzogen wurde. Um eine Missachtung handelt es sich bspw., wenn ein ausländischer Investor bei der Gesuchstellung für eine geplante Übernahme falsche Angaben macht. Das SECO setzt den ausländischen Investor über die Verletzung gemäss vorliegendem Artikel und die Einleitung des Genehmigungsverfahrens nach Artikel 7 E-IPG schriftlich in Kenntnis.

Abs. 2 Die einmonatige Frist nach Artikel 7 Absatz 1 E-IPG beginnt zu laufen, sobald der ausländische Investor dem SECO sämtliche Informationen und Unterlagen eingereicht hat, die für eine vollständige Prüfung eines Gesuchs verlangt werden. Die vorliegende Bestimmung orientiert sich an Artikel 35 KG, welcher eine analoge Regelung enthält.

Art. 13

Auskunftspflicht

Die an einer Übernahme Beteiligten sind gegenüber dem SECO auskunftspflichtig.

Als an einer Übernahme beteiligt gelten in erster Linie die Hauptakteure, d. h. der ausländische Investor sowie das inländische Unternehmen. Als weitere an der Übernahme beteiligte Personen werden bspw. die letztlich berechtigten Eigentümer eines ausländischen Investors betrachtet. Die Auskunftspflicht soll es dem SECO ermöglichen, alle für eine umfassende Investitionsprüfung notwendigen Informationen einholen zu können, was für die Erfüllung seiner Aufgabe und die Durchsetzung des Gesetzes insgesamt unerlässlich ist. Die weitreichende Informationspflicht gilt sowohl für das Gesuch nach Artikel 6 E-IPG als auch für das Einholen weitergehender Informationen durch das SECO. Nötigenfalls können die Informationen mittels anfechtbarer Verfügung unter Verweis auf die Auskunftspflicht eingefordert werden.

Grenze der Pflicht bildet der Zweck der Investitionsprüfung. Vom SECO können folglich nur Informationen eingefordert werden, welche für die Durchführung der Investitionsprüfung nach diesem Gesetz erforderlich sind. Die Auskunftspflicht erstreckt sich zudem auch nicht auf die Herausgabe von Gegenständen und Unterlagen aus dem Verkehr einer Partei mit ihrem Anwalt (vgl. Art. 13 Abs. 1bis VwVG).

Art. 14

Datenbearbeitung und -erhebung

Diese Bestimmung erlaubt die Bearbeitung von bestimmten Kategorien von besonders schützenswerten Personendaten gemäss Datenschutzgesetz vom 25. September

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202054 (DSG) von Personen, welche an einer Übernahme beteiligt sind. Die Beteiligung kann unmittelbarer oder mittelbarer Natur sein. Somit können bspw. auch Daten über allfällige Strohmänner oder Drahtzieher bearbeitet werden. Zur Datenbearbeitung berechtigt sind die zuständigen Einheiten der zentralen Bundesverwaltung. Dies ist in erster Linie das SECO, welches für die Investitionsprüfung zuständig ist. Ausserdem sind dies die mitinteressierten Verwaltungseinheiten gemäss Artikel 10 E-IPG sowie der NDB, welcher gemäss den Artikeln 7 und 8 E-IPG stets angehört wird. Die Datenbearbeitung ist möglich, falls dies für den Gesetzesvollzug erforderlich ist. Besonders schützenswerte Personendaten dürfen somit nur für den Zweck der Investitionsprüfung bearbeitet werden. In Buchstabe a und b werden die Kategorien besonders schützenswerter Personendaten genannt, welche bearbeitet werden dürfen, soweit dies für die Investitionsprüfung erforderlich ist. Es sind dies Daten über religiöse, weltanschauliche und politische Ansichten oder Tätigkeiten (Bst. a) sowie Daten über verwaltungs- und strafrechtliche Verfolgungen oder Sanktionen (Bst. b). Die Befugnis zur gegenseitigen Bekanntgabe entsprechender Daten unter den in vorliegender Bestimmung genannten Akteuren ergibt sich implizit aus den Verfahrensbestimmungen nach den Artikeln 7 und 8 E-IPG. Dabei geht es um die Bekanntgabe bzw. den Austausch von Daten, die bei den betroffenen Stellen bereits vorhanden sind oder die sie, gestützt auf ihre jeweiligen spezialgesetzlichen Befugnisse und den damit verbundenen Zwecken beschaffen können. Die Bearbeitung von nicht besonders schützenswerten Daten gemäss DSG wird auf Verordnungsstufe geregelt. Eine Regelung der Datenbearbeitung von besonders schützenswerten Daten juristischer Personen ist vorliegend nicht notwendig. Denn Bundesorgane dürfen Daten juristischer Personen, inkl. besonders schützenswerter Daten juristischer Personen, direkt gestützt auf Artikel 57r des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199755 (RVOG) bearbeiten.

Art. 15

Zusammenarbeit mit inländischen Behörden

Abs. 1 und 2 In diesen beiden Absätzen wird der Grundsatz festgehalten, dass sich die für die Investitionsprüfung zuständige Stelle des SECO und andere inländische Behörden gegenseitig unterstützen und einander bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Amtshilfe leisten. Dazu gehört im Besonderen auch die Bekanntgabe der in den Buchstaben a­c von Absatz 2 definierten Daten von natürlichen oder juristischen Personen, die an einer Übernahme beteiligt sind. Diese Daten dürfen bekanntgegeben werden, soweit dies für den Vollzug des IPG notwendig ist.

Abs. 3 und 4 In diesen beiden Absätzen wird ergänzend eine Auskunftspflicht verankert, welche die aufgeführten Stellen verpflichtet, dem SECO für die Investitionsprüfung erforderliche Auskünfte zu erteilen. Das SECO kann solche Auskünfte nur zum Zwecke der Investitionsprüfung einholen. Voraussetzung dafür ist zum einen, dass die Auskunft, um welche ersucht wird, für die Prüfung eines konkreten Einzelfalles benötigt wird.

54 55

SR 235.1 SR 172.010

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Zum anderen dürfen der Auskunftserteilung seitens der ersuchten Stelle keine gesetzlichen Geheimhaltungspflichten oder gesetzlichen Verweigerungsgründe entgegenstehen (wie z. B. Art. 40 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200756 [FINMAG]). Diese gehen der hier verankerten Auskunftspflicht vor.

Die Auskunftserteilung erfolgt auf Anfrage des SECO, welches die betroffenen Behörden konsultiert. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit können die konsultierten Behörden auch ihre Meinung zur geprüften Übernahme äussern. Die Stellen, welche das SECO im Rahmen der nationalen Amtshilfe anfrageweise um Auskunft ersuchen kann, werden in den Buchstaben a­k abschliessend aufgezählt. Dazu gehören Behörden des Bundes, die SNB sowie kantonale Behörden. Nebst den relevanten Behörden der Bundesverwaltung sind auch die Aufsichtsbehörden des Bundes (z. B. die FINMA oder das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat [ENSI]) erfasst. Mit der Erfassung der SNB ist keine Ausweitung des Statistikmandats der SNB verbunden.

Zudem soll ein Zugang zu Daten geschaffen werden, die im Strafregister-Informationssystem VOSTRA enthalten sind. Hierzu muss ausserdem im Strafregistergesetz vom 17. Juni 201657 (StReG) in Artikel 51 ergänzt werden, dass die für die Investitionsprüfung zuständige Stelle des SECO für die Prüfung einer Übernahme im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens auf schriftliches Gesuch hin in alle im Behördenauszug 2 erscheinenden Daten (Art. 38) Einsicht nehmen kann (siehe Erläuterungen zu Art. 24 E-IPG). Der Zugriff auf den Behördenauszug 2, welcher auch Daten über hängige Strafverfahren beinhaltet, erscheint angemessen, da es im Rahmen einer Investitionsprüfung um die Beurteilung hinsichtlich einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit geht.

Des Weiteren soll, ebenfalls auf Anfrage hin, ein Zugang zu dem sich in Planung befindenden Register der wirtschaftlich berechtigten Personen58 geschaffen werden.

Allerdings bleibt bis zum Schluss offen, welches dieser beiden Gesetze zuerst von der Bundesversammlung erlassen wird (die Vernehmlassung zum Gesetz über die Transparenz juristischer Personen [TJPG] endete am 30. November 2023). Je nach dem muss dieser Zugang deshalb im Rahmen des IPG geregelt werden, oder dann im Rahmen des TJPG. Darauf gilt es in der parlamentarischen Phase zu achten.
Der Bundesrat wird ausserdem prüfen, ob der für die Investitionsprüfung zuständigen Stelle des SECO auf Anfrage hin Zugang zu im Nationalen Ermittlungssystem (NES) gespeicherten Personendaten gegeben werden soll. Hierfür wäre voraussichtlich eine Anpassung der NES-Verordnung vom 15. Oktober 200859 notwendig.

Die Investitionsprüfung findet grundsätzlich auf Bundesebene statt. Es kann jedoch durchaus sein, dass das SECO auf eine Mitwirkung von kantonalen Behörden angewiesen ist, weshalb auch die kantonalen Polizei-, Justiz- und Volkswirtschaftsdirektionen aufgeführt werden.

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59

SR 956.1 SR 330 Siehe die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Transparenz juristischer Personen und die Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Personen (Gesetz über die Transparenz juristischer Personen; TJPG). Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2023 > EFD.

SR 360.2

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Ermöglicht wird die einseitige Konsultation der genannten Stellen durch das SECO, um für die Investitionsprüfung erforderliche Informationen einholen zu können. Miterfasst wird davon auch eine für die Anfrage notwendige gegenseitige Bekanntgabe entsprechender Daten. Dazu gehört im Besonderen auch die Bekanntgabe der in den Buchstaben a­c von Absatz 4 definierten Daten von natürlichen oder juristischen Personen, die an einer Übernahme beteiligt sind.

Art. 16

Verweigerung der Datenbekanntgabe

In dieser Bestimmung wird ein Vorbehalt zur Leistung nationaler Amtshilfe festgelegt. Das SECO kann die Bekanntgabe bestimmter Informationen und Akten an andere Stellen unter gewissen, abschliessend definierten Voraussetzungen verweigern.

Es wird sozusagen eine Geheimhaltungspflicht verankert, die spezialgesetzlichen Auskunftspflichten, auf die sich ersuchende Stellen stützen, grundsätzlich vorgeht. So kann auf die Bekanntgabe von nicht öffentlich zugänglichen Informationen und Akten verzichtet werden, wenn diese ausschliesslich der internen Meinungsbildung dienen (Bst. a), die Bekannt- oder Herausgabe ein laufendes Verfahren beeinträchtigen würde (Bst. b), oder die Bekannt- oder Herausgabe mit dem Zweck der Investitionsprüfung nicht vereinbar ist (Bst. c).

Art. 17

Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden

Diese Bestimmung bildet die gesetzliche Grundlage für den Austausch und die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden im Rahmen der Investitionsprüfung. Sie regelt die internationale Amtshilfe. Die zuständigen ausländischen Behörden meint grundsätzlich für die Investitionsprüfung oder entsprechende Zwecke zuständige ausländische Stellen. Der Kreis dieser Behörden ist durch diese Bezeichnung allerdings nicht als stark eingeschränkt zu betrachten und soll relativ offen bleiben. So soll eine Zusammenarbeit nach dieser Bestimmung auch mit einer ausländischen Behörde möglich sein, die zwar grundsätzlich nicht für Zwecke der Investitionsprüfung zuständig ist, aber erforderliche Informationen dafür liefern kann.

Abs. 1 Unabhängig von einem zu prüfenden Einzelfall kann sich das SECO zu jedem beliebigen Zeitpunkt mit den für die Investitionsprüfung zuständigen Behörden eines anderen Staates über die allgemeine Gefährdungs- und Bedrohungslage bezüglich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit austauschen.

Abs. 2 Diese Regelung ermöglicht die Zusammenarbeit mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen (z. B. EU) zwecks Bekanntgabe von für die Investitionsprüfung erforderlichen Daten im Einzelfall. Es können Daten zum Vollzug dieses Gesetzes oder entsprechender ausländischer Vorschriften ausgetauscht werden. Von Seiten des SECO können dabei einzig Daten zu bereits geprüften, zu sich in Prüfung befindlichen oder zu geplanten Übernahmen bekanntgegeben werden. Diese Daten umfassen sowohl Daten von natürlichen als auch juristischen Personen. Eine Bekanntgabe kann auf Ersuchen des SECO oder der zuständigen ausländischen Behörde erfolgen. Diese 58 / 74

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ist zum einen möglich gestützt auf eine ausdrückliche Zustimmung der von der Datenbekanntgabe betroffenen Personen (Bst. a). Zum anderen kann sie erfolgen, wenn bestimmte Voraussetzungen (Bst. b Ziff. 1­5) kumulativ erfüllt sind. Gemäss Ziffer 1 muss zwischen der Schweiz und dem ausländischen Staat die Gegenseitigkeit der Amtshilfe im Bereich der Investitionsprüfung sichergestellt sein. Ziffer 2 verlangt, dass die ausgetauschten Daten nach dem Spezialitätsgrundsatz nur für die fragliche Investitionsprüfung verwendet werden, das dem Amtshilfeersuchen zugrunde liegt.

Nach Ziffer 3 dürfen die Daten nicht in einem Straf- oder Zivilverfahren verwendet werden. Ziffer 4 sieht die Wahrung der Parteirechte und des Amtsgeheimnisses im betreffenden Verfahrensrecht vor. Zudem hat die Behörde, welche die Daten empfängt, gemäss Ziffer 5 einzelfallweise zuzusichern, dass sämtliche Daten vertraulich behandelt werden. Damit soll ein angemessener Datenschutz gewährleistet werden.

Dies beinhaltet u. a. auch die Wahrung von Berufsgeheimnissen sowie Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen. Dabei bleibt, auch wenn die Voraussetzungen von Absatz 2 Buchstabe b erfüllt sind, Artikel 36 Absatz 6 DSG vorbehalten, wonach das Bundesorgan die Bekanntgabe von Personendaten unter den Voraussetzungen von Artikel 36 Absatz 6 Buchstaben a und b DSG ablehnen, einschränken oder mit Auflagen verbinden muss.

Abs. 3 In diesem Absatz wird festgelegt, dass im Rahmen des Austauschs nach Absatz 2 den ausländischen Behörden insbesondere auch besonders schützenswerte Personendaten gemäss DSG sowie besonders schützenswerte Daten juristischer Personen gemäss RVOG von Personen, die an einer Übernahme beteiligt sind, bekanntgegeben werden dürfen. Die entsprechenden Datenkategorien werden in den Buchstaben a­c abschliessend aufgezählt.

Abs. 4 Dieser Absatz enthält eine Delegationsnorm an den Bundesrat, welchen ihn zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen mit ausländischen Behörden bzw. Staaten zum Zweck der Investitionsprüfung ermächtigt.

Art. 18 Abs. 1 Dieser Absatz erklärt das VwVG grundsätzlich für anwendbar für Verfahren nach diesem Gesetz, wie etwa für Beschwerden gegen im Rahmen der Investitionsprüfung vom SECO erlassenen Verfügungen. Ein endgültiger Entscheid des Bundesrates ohne Rechtsmittel wird vermieden, was sowohl aus verfassungs- (Art. 29a BV) als auch völkerrechtlicher Sicht (betreffend Art. 6 EMRK60) geboten ist.

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Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101).

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Abs. 2 In diesem Absatz wird die Beschwerdeberechtigung einschränkend geregelt. Zur Beschwerde berechtigt sind nur der ausländische staatliche Investor und das inländische Unternehmen. Insbesondere im Interesse der Verfahrensbeschleunigung soll mit dieser Einschränkung von einer Beschwerdeberechtigung von allfällig besonders betroffenen Dritten abgesehen werden. Ein Beispiel eines besonders betroffenen Dritten wäre etwa ein anderer, ebenfalls an der Übernahme des inländischen Unternehmens interessierter, mitbietender Investor.

Abs. 3 Hier wird ein Vorbehalt zu der Einschränkung der Beschwerdeberechtigung nach Absatz 2 verankert. Sämtliche potentiellen Verfügungsadressaten von Verfügungen, die gestützt auf Artikel 13 E-IPG (Auskunftspflicht) erlassen wurden, soll der gesetzlich vorgesehene Rechtsschutz uneingeschränkt gewährt werden. Somit wäre es etwa einer weiterer an der Übernahme beteiligten Person erlaubt, eine Beschwerde gegen eine Verfügung einzureichen, mit welcher Informationen gestützt auf Artikel 13 E-IPG eingeholt werden sollen.

Art. 19

Verwaltungsmassnahmen

Diese Bestimmung bildet die gesetzliche Grundlage für das Ergreifen von Verwaltungsmassnahmen zur Behebung von möglichen Rechtsverstössen.

Abs. 1 Der Bundesrat ergreift in den hier abschliessend aufgezählten Fällen (Bst. a­c) die notwendigen Massnahmen, um den ordnungs- und damit rechtmässigen Zustand wiederherzustellen. Diese Möglichkeit besteht für den Fall, dass eine Übernahme bereits ganz oder zumindest teilweise vollzogen wurde (Bst. a). Grundsätzlich dürfte dafür im Falle von einem Nichtnachkommen der Genehmigungspflicht die Einleitung des Genehmigungsverfahrens von Amtes wegen nach Artikel 12 E-IPG angezeigt sein.

Ebenfalls möglich ist dieses Vorgehen, wenn eine genehmigungspflichtige Übernahme vollzogen wurde, die aufgrund von falschen Angaben genehmigt wurde (Bst. b). Ausserdem können solche Massnahmen ergriffen werden, wenn eine Auflage oder Bedingung missachtet und somit nicht eingehalten wurde, an die eine genehmigte Übernahme geknüpft wurde (Bst. c).

Abs. 2 Steht kein milderes mögliches Mittel zur Verfügung, kann das SECO gar eine Desinvestition verfügen, welche eine rechtswidrig vollzogene Übernahme wieder rückgängig macht. Voraussetzung für eine Intervention des SECO ist ein entsprechender Beschluss des Bundesrates.

Abs. 3 Dem SECO wird das Ermessen eingeräumt, ein Genehmigungsverfahren einzustellen, wenn eine gemäss Artikel 13 E-IPG auskunftspflichtige Person mehr als einmal ihrer Auskunftspflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich dürfte dies der Fall sein, 60 / 74

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wenn einer rechtskräftigen Verfügung, mit welcher diese Informationen eingeholt werden sollen, nicht Folge geleistet wird. Die Einstellung hat zur Folge, dass eine genehmigungspflichtige Übernahme nicht mehr genehmigt werden kann.

Art. 20

Verwaltungssanktionen

Abs. 1 Diese Bestimmung sieht Sanktionen für folgende Verstösse vor. Pönalisiert wird zum einen der Vollzug einer genehmigungspflichtigen Übernahme unter Umgehung der Genehmigungspflicht nach Artikel 3 E-IPG (Bst. a). Auch für eine aufgrund von falschen Angaben fälschlicherweise genehmigte Übernahme ist eine Verwaltungssanktion vorgesehen (Bst. b). Dieselbe Verwaltungssanktion ist auch für das Nichtdurchführen einer Massnahme zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes nach Artikel 19 E-IPG vorgesehen (Bst. c). Schliesslich wird auch die Missachtung einer Auflage oder Bedingung, an welche eine genehmigte Übernahme geknüpft wurde, mit dieser Sanktionsandrohung versehen (Bst. d). Sanktionsadressat ist das aus der Übernahme entstandene Unternehmen. Die Haftung würde auf allfällige Nachfolgeunternehmen übergehen. Da das übernommene inländische Unternehmen nun Teil des aus der Übernahme entstandenen Unternehmens ist, befindet sich ein Teil des Sanktionsadressaten in der Schweiz. Entsprechend minimiert sich die Vollstreckungsproblematik von pekuniären Verwaltungssanktionen im Ausland. Als Sanktion ist eine Belastung mit einem Prozentsatz des durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatzes des inländischen Unternehmens in den der Übernahme vorangegangenen zwei Geschäftsjahren beziehungsweise seit seinem Bestehen vorgesehen. Das Sanktionsmass beträgt bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes und wird vom SECO jeweils nach Schwere und unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles festgesetzt (siehe Erläuterungen zu Art. 21 E-IPG). Die Sanktionierung eines Unternehmens setzt Vorwerfbarkeit voraus, d. h. es muss zumindest ein Organisationsverschulden (objektiver Sorgfaltsmangel) nachgewiesen werden können. Ausreichend ist bereits eine Sorgfaltspflichtverletzung, die dem Unternehmen zugeschrieben werden kann.

Abs. 2 Für den Fall, dass der Jahresumsatz dem SECO nicht bekanntgegeben wird und von ihm nicht ohne wesentlichen Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann, ist es berechtigt, diesen für die Bestimmung des Sanktionsmasses nach Absatz 1 selbst zu schätzen.

Abs. 3 Diese Regelung sieht eine Sanktion für ausländische staatliche Investoren und inländische Unternehmen vor. Diese sind auskunftspflichtig im Sinne von Artikel 13 E-IPG. Für eine Nichterfüllung oder nicht richtige Erfüllung der
Auskunftspflicht ist eine Belastung mit einem Betrag bis zu 100 000 Schweizer Franken als Sanktion vorgesehen. Eine Nichterfüllung liegt vor, wenn eine auskunftspflichtige Person keine gesetzlich verlangte Auskunft erteilt. Nicht richtig erfüllt wird die Auskunftspflicht, wenn dem SECO nicht sämtliche für die Investitionsprüfung relevanten Informationen mitgeteilt werden.

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Art. 21

Verfolgung und Verjährung

Abs. 1 In dieser Bestimmung wird die Zuständigkeit für die Untersuchung und Beurteilung von Verstössen nach Artikel 20 Absätze 1 und 3 E-IPG geregelt. Zuständig ist das SECO.

Abs. 2 Dieser Absatz regelt die Verfolgungsverjährung für die Sanktionierung nach Artikel 20 E-IPG. Die Verfolgungsverjährungsfrist für Verstösse nach Artikel 20 Absätze 1 und 3 E-IPG beträgt 5 Jahre. Sie beginnt für Verstösse nach Absatz 1 mit Vollzug der Übernahme und für Verstösse nach Absatz 3 mit Eingang des Gesuchs durch den ausländischen Investor beim SECO zu laufen.

Art. 22

Vollzug

Abs. 1 Dieser Absatz enthält den üblichen Auftrag an den Bundesrat zum Erlass der notwendigen Ausführungsbestimmungen zu vorliegendem Gesetz.

Abs. 2 Hinsichtlich des Vollzugs dieses Gesetzes orientiert das SECO die Öffentlichkeit alle vier Jahre, indem es einen Tätigkeitsbericht veröffentlicht. Dieser darf lediglich aggregierte Informationen enthalten, damit keine Rückschlüsse auf einzelne Übernahmen oder Verfahren möglich sind. Unter Umständen kann der Tätigkeitsbericht auch eine Zusammenfassung von relevanten Erwägungen bei Entscheiden enthalten. Im Durchschnitt werden nur wenige Gesuche pro Jahr erwartet (siehe Ziff. 1.2.2). Um zu vermeiden, dass Rückschlüsse auf einzelne Übernahmen oder Verfahren möglich sind, müssen im Tätigkeitsbericht deshalb mehrere Jahre zusammengefasst werden.

Dieser Bericht soll auch aggregierte Informationen zu allfälligen erstinstanzlichen Verwaltungssanktionsentscheiden enthalten.

Art. 23

Evaluation

Artikel 170 BV verankert den Verfassungsauftrag, die Massnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Diesem Grundsatz wird nachgekommen. Es wird evaluiert, ob das Gesetz notwendig, wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist (Abs. 1). Dafür zuständig ist das SECO. Diese Evaluation hat bis spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erfolgen (Abs. 2). Der entsprechende Bericht wird veröffentlicht.

Art. 24

Änderung anderer Erlasse

Der Erlass des Investitionsprüfgesetzes führt zur Änderung von drei anderen Bundesgesetzen.

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Erstens wird im Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200561 (VGG) neu in Artikel 33 Buchstabe b Ziffer 11 die Beschwerde gegen Verfügungen des Bundesrates betreffend Entscheide im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nach dem Investitionsprüfgesetz zugelassen.

Zweitens wird im StReG in Artikel 51 die für die Investitionsprüfung zuständige Stelle des SECO hinzugefügt (Bst. k). Damit kann diese auf schriftliches Gesuch hin in alle im Behördenauszug 2 erscheinenden Daten (Art. 38 StReG) Einsicht nehmen, soweit dies für die Prüfung einer Übernahme im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens notwendig ist.

Drittens wird mit Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe c des Informationssicherheitsgesetzes vom 18. Dezember 202062 (ISG) eine Datenerhebung zur Eignungsbeurteilung durch die Fachstelle Betriebssicherheit neuerdings auch bei der für die Investitionsprüfung zuständigen Stelle des SECO möglich sein. Im Bereich der Informationssicherheit zielt das ISG in die gleiche Richtung wie das Investitionsprüfgesetz (öffentliche Ordnung und Sicherheit). Nach ISG hat die Fachstelle Betriebssicherheit Unternehmen, die für die Vergabe eines sicherheitsempfindlichen Auftrages des Bundes in Frage kommen, einer Vertrauenswürdigkeitsprüfung zu unterziehen (Eignungsprüfung nach Art. 55­58 ISG). Die vom SECO erhobenen Daten über ausländische Einflussnahme auf Unternehmen, die unter Umständen auch einmal für den Bund tätig sein können, sind auch Teil der Erhebungen der Fachstelle Betriebssicherheit. Aus verfahrensökonomischen Gründen sollte letztere, auf Anfrage, auf bereits durch das SECO erhobene Informationen zurückgreifen können. Besonders schützenswerte Personendaten gemäss DSG sowie besonders schützenswerte Daten juristischer Personen gemäss RVOG werden nicht Gegenstand dieses Datenaustauschs sein, da das ISG den Austausch solcher Daten im Rahmen der Eignungsprüfung nicht vorsieht.

Art. 25

Referendum und Inkrafttreten

Als Bundesgesetz unterliegt der Entwurf dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV. Der vorliegende Artikel ermächtigt den Bundesrat, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Investitionsprüfgesetzes zu bestimmen.

6

Auswirkungen

Die nachfolgenden Ausführungen basieren hauptsächlich auf der vom SECO in Auftrag gegebenen RFA E-IPG, die durch BSS Volkswirtschaftliche Beratung in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW erarbeitet wurde.

61 62

SR 173.32 SR 128

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6.1

Auswirkungen auf den Bund

Durch die Einführung einer Investitionsprüfung würden beim Bund zwei unterschiedliche Arten von Kosten entstehen: Erstens vorübergehende Einführungskosten, zweitens dauerhafte Vollzugskosten. Es wird davon ausgegangen, dass die Einführungskosten ungefähr der Hälfte der später anfallenden Vollzugskosten entsprechen. Die Kosten werden insbesondere beim SECO, welches für die Durchführung der Investitionsprüfung verantwortlich zeichnet, beim NDB, welcher angehört wird, sowie bei den mitinteressierten Verwaltungseinheiten anfallen.

Grundsätzlich hängt die Höhe der Kosten entscheidend von der Ausgestaltung der Investitionsprüfung ab. Abhängig von der Anzahl Übernahmen, die geprüft werden müssen, fällt der Aufwand höher oder tiefer aus. Die Finanzierung der dauerhaften Vollzugskosten soll soweit möglich über Gebühren erfolgen; nicht durch Gebühren gedeckte Aufwände werden aus allgemeinen Steuermitteln finanziert (siehe Ziff. 4.2).

Vorübergehende Einführungskosten Das SECO muss das für die Durchführung der Investitionsprüfung notwendige Personal rekrutieren, den Prüfprozess und die Genehmigungskriterien operationalisieren sowie die Prozesse für die amtsübergreifende Abstimmung im Prüfprozess einrichten.

Durch Letzteres können bei den mitinteressierten Verwaltungseinheiten sowie beim NDB ebenfalls geringe Einführungskosten entstehen. Bei der Etablierung der Prozesse wird auf die Erfahrungen aus bereits bestehenden ähnlich gelagerten Prozessen, namentlich im Bereich der Exportkontrollen, zurückgegriffen werden können.

Dauerhafte Vollzugskosten Die von der Investitionsprüfung erfassten Übernahmen werden vom SECO, den mitinteressierten Verwaltungseinheiten sowie vom NDB geprüft.

Dabei werden vom SECO Abklärungen zu den Genehmigungskriterien gemäss Artikel 4 E-IPG vorgenommen. Es wird z. B. vertieft abgeklärt, wer der letztlich berechtigte Eigentümer hinter dem Investor ist und was die Beweggründe des Investors sind.

Allenfalls werden auch bei den Schweizer Vertretungen im Ausland weitere Informationen zum Investor eingeholt werden müssen. Insbesondere bei kritischen Infrastrukturen ist eine Analyse der vom inländischen Unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen sowie des Marktes notwendig, um die Substituierbarkeit der Produkte und Dienstleistungen einschätzen zu können. Der NDB seinerseits
wird regelmässig Abklärungen zum Investor bei ausländischen Partnerdiensten vornehmen. Die mitinteressierten Verwaltungseinheiten werden die Übernahme inkl. der eingereichten und weiteren durch das SECO und den NDB beschafften Informationen aus ihrer Perspektive beurteilen. Es entsteht somit nicht nur beim SECO und beim NDB, sondern in gewissem Umfang auch bei den mitinteressierten Verwaltungseinheiten ein Personalaufwand bei der Prüfung. Des Weiteren wird der notwendige Informationsfluss zwischen den beteiligten Verwaltungseinheiten zu Koordinationsaufwand führen.

Die Höhe der dauerhaften Vollzugskosten hängt massgeblich vom Mengengerüst, d. h. der Anzahl Übernahmen, die im Rahmen der Investitionsprüfung geprüft werden müssen, ab. Basierend auf einer Analyse der Jahre 2016­2020 kommt die RFA E-IPG 64 / 74

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zum Schluss, dass mit dem vorliegenden Entwurf die Anzahl an zu prüfenden Übernahmen voraussichtlich in einem tiefen einstelligen Bereich liegen wird. Betreffend diese Schätzung ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich um einen groben Richtwert und nicht um eine Prognose handelt. Denn eine solche ex-post Analyse ist für eine quantitative Abschätzung des künftig erwarteten Mengengerüstes nur bedingt aussagekräftig. Die verwendete Methode zur Bestimmung der Fallzahl stösst zudem ab einem einstelligen Bereich an ihre Grenzen, weshalb diese Abschätzung nur mit Vorsicht zu verwenden ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch einmal ein Jahr mit zweistelliger Fallzahl gibt; auch Jahre ohne Prüfungen sind theoretisch denkbar. Ausserdem ist davon auszugehen, dass über die Zeit mit dem Wachstum der Volkswirtschaft auch die Anzahl an Übernahmen generell zunimmt. Da ferner maximale Fristen für die Prüfung gelten, ist es wichtig, genügend Personalressourcen flexibel bereitzustellen, um die Übernahmen sorgfältig prüfen zu können. Basierend auf dem Personalbestand ausländischer Investitionsprüfbehörden kommt die RFA E-IPG zum Schluss, dass pro Vollzeitäquivalent rund 6 Übernahmen im Jahr geprüft werden könnten.

Hinzu kommen die Kosten für die unverbindliche Vorabklärung zur Genehmigungspflicht (Art. 5 E-IPG). Im Rahmen einer solchen Vorabklärung wird das SECO unverbindlich beurteilen ob z. B. der Investor als staatlich qualifiziert oder nicht oder ob das inländische Unternehmen in einen der Bereiche gemäss Artikel 3 Absätze 1 und 2 E-IPG fällt. Der mit der Vorabklärung verbundene Aufwand ist schwierig abzuschätzen. Eine Annährung kann basierend auf dem in der RFA E-IPG berechneten Maximalszenario erfolgen. Dieses enthält als einzige Einschränkung die Bagatellschwelle, womit rund 280 zu prüfende Übernahmen pro Jahr resultieren würden.

Wenn bspw. in 10 Prozent dieser Übernahmen Unklarheiten bzw. Klärungsbedarf bezgl. dem Geltungsbereich dieses Gesetzes besteht, würden gegen 30 Vorabklärungen pro Jahr anfallen. Da es sich um ein neues Gesetz handelt, muss zudem insbesondere in den ersten Jahren vermehrt damit gerechnet werden, dass eine Vorabklärung in Anspruch genommen wird.

Insgesamt wird damit mit einem Personalbedarf für das SECO von zwei Vollzeitäquivalenten gerechnet. Beim NDB wird von einem
Personalbedarf von 0,5­1 Vollzeitäquivalenten ausgegangen. Zusätzlich zum Personalbedarf für den direkten Vollzug kommen voraussichtlich Lizenzgebühren für spezialisierte Firmen- und Investitionsdatenbanken, die für die Prüfung notwendige Informationen liefern. Solche Lizenzgebühren belaufen sich je nach Produkt auf einige zehntausend Franken bis zu mehreren 100 000 Franken.

Über Gebühreneinnahmen für die unverbindliche Vorabklärung zur Genehmigungsflicht sowie die Prüfung können schätzungsweise zwischen 390 000 und 430 000 Franken pro Jahr als Gegenfinanzierung für die Vollzugskosten vereinnahmt werden.

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6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht vertieft untersucht.

Kantone und Gemeinden sind dahingehend betroffen, als sie Eigentümer von Unternehmen sind, meist in Bereichen von kritischen Infrastrukturen (z. B. im Energiebereich oder bei der Wasserversorgung). Beabsichtigt ein Kanton oder eine Gemeinde, ein Unternehmen in Staatsbesitz zu veräussern, und wird diese Übernahme von der Investitionsprüfung erfasst, muss diese Übernahme genehmigt werden. Dadurch wird ein Kanton oder eine Gemeinde gleichermassen von Regulierungskosten betroffen sein wie ein privater Eigentümer, der sein Unternehmen verkaufen will. Betreffend diese Regulierungskosten ist auf Ziffer 6.4 verwiesen.

6.3

Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit

Die RFA E-IPG zeigt auf, dass die Investitionsprüfung zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beitragen würde. Möglicherweise problematische Investitionen könnten verhindert werden, und ausländische Akteure, die Übernahmen zur politischen Einflussnahme missbrauchen wollen, würden abgeschreckt.

Zwar besteht mit der bestehenden Gesetzgebung und der Tatsache, dass sich viele Unternehmen, die kritische Infrastrukturen bereitstellen, in Besitz des Staates (Bund, Kantone, Gemeinde) befinden, bereits heute ein grosser Schutz gegen die im Zentrum stehenden Gefährdungen oder Bedrohungen. Dennoch sieht die RFA E-IPG einige wenige Bereiche, in welchen eine Investitionsprüfung potentiell zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beitragen könnte. Es handelt sich dabei namentlich um die folgenden Bereiche: Rüstungsgüter sowie zivil und militärisch verwendbare Güter, sicherheitsrelevante Informatikdienstleistungen sowie Arzneimittel und Medizinprodukte.

Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist betreffend Sicherheit namentlich die Genehmigungspflicht für Übernahmen von Unternehmen, die Güter herstellen, die für die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee oder von weiteren für die staatliche Sicherheit zuständigen Institutionen des Bundes von grosser rüstungspolitischer Bedeutung sind und deren Ausfuhr nach dem KMG oder dem GKG bewilligungspflichtig sind.

Dadurch können Übernahmen untersagt werden, die die Sicherstellung des zuverlässigen Betriebs und die Einsatz- und Durchhaltefähigkeit eingeführter Systeme der Armee und weiterer Institutionen staatlicher Sicherheit in Frage stellen würden.

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6.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Nachfolgend wird zuerst auf die Auswirkungen auf inländische Unternehmen eingegangen. Anschliessend werden die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen dargelegt, inkl. den Auswirkungen auf die internationale Öffnung der Schweiz sowie die Standortattraktivität.

Die Vorlage wirkt sich ebenfalls auf ausländische Investoren aus, die eine Übernahme genehmigen lassen müssen. Da diese Auswirkungen allerdings nicht im In- sondern im Ausland anfallen, werden diese nicht direkt thematisiert. Indirekt fliessen diese Kosten jedoch zumindest teilweise mit in die Kosten ein, die beim inländischen Unternehmen entstehen. Denn die insgesamt anfallenden Kosten werden je nach Verteilung der Verhandlungsmacht zwischen Käufer und Verkäufer aufgeteilt und in den Kaufpreis eingerechnet.

Auswirkungen auf inländische Unternehmen Die im Rahmen der RFA E-IPG durchgeführte Untersuchung zeigt auf, dass bei den Auswirkungen auf die betroffenen inländischen Unternehmen insbesondere zusätzliche Rechtsunsicherheiten sowie die Minderung des Unternehmenswerts beim Verkauf des Unternehmens im Zentrum stehen.

Rechtsunsicherheiten entstehen hauptsächlich dadurch, dass den beteiligten Verwaltungseinheiten sowie letztlich dem Bundesrat ein gewisses Ermessen in der Beurteilung einer Übernahme eingeräumt wird. Dies macht es einem Unternehmen schwieriger, im Voraus abzuschätzen, ob eine genehmigungspflichtige Übernahme genehmigt wird oder nicht.

Zudem bringen Compliance-Risiken Rechtsunsicherheiten mit sich. So kann bei einem ausländischen Investor Unsicherheit bestehen, ob eine Übernahme genehmigungspflichtig ist. Wird für eine genehmigungspflichtige Übernahme kein Gesuch eingereicht, drohen Verwaltungs- sowie Sanktionsmassnahmen (siehe Erläuterungen zu den Art. 19, 20 und 21 E-IPG in Ziff. 5). Diese Rechtsunsicherheiten hemmen den Markt für Unternehmensübernahmen.

Die Investitionsprüfung führt zudem dazu, dass es bei genehmigungspflichtigen Übernahmen zu einer Verlängerung der Zeit zwischen dem Abschluss des Kaufvertrags und dem Vollzug der Übernahme von zwischen einem bis zu vier Monaten kommt.

Je länger diese Zeitspanne ist, desto grösser sind die Unsicherheiten beim Käufer und beim Verkäufer. Denn ein Unternehmen gilt mit dem Abschluss des Kaufvertrags als technisch verkauft, der Käufer übernimmt allerdings erst nach erfolgtem Vollzug
die volle Verfügungsmacht über das Unternehmen.

Fällt eine Übernahme unter die Investitionsprüfung, wird sich dies zudem negativ auf den Wert des inländischen Unternehmens auswirken. Ein Verkäufer wird in der Regel bestrebt sein, dass ein Bieterwettbewerb um sein Unternehmen entsteht. Je intensiver dieser Wettbewerb, desto höher fällt der Verkaufspreis aus. Führt die Investitionsprüfung nun dazu, dass sich der Kreis der Interessenten reduziert, wird sich dies negativ auf den Bieterwettbewerb auswirken.

Kommt es zu einer Untersagung einer Übernahme oder zieht sich ein ausländischer Investor während eines Genehmigungsverfahrens zurück, sind weitere negative Aus67 / 74

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wirkungen zu erwarten. So dürfte sich der Wert des inländischen Unternehmens wahrscheinlich stark reduzieren. Überdies entstehen Opportunitätskosten. Eine Übernahme bringt in der Regel aufgrund von Synergien zwischen Käufer und Zielunternehmen betriebswirtschaftliche Vorteile, die sich nun nicht realisieren lassen. Zudem trägt das inländische Unternehmen die vollen Prozesskosten, die im Verkaufsprozess entstanden sind.

Hinzu kommen ausserdem noch die direkten Verfahrens- und Beratungskosten, die dadurch entstehen, dass eine Übernahme der Investitionsprüfung unterliegt. Gemäss der RFA E-IPG werden diese Kosten bei grossen Übernahmen nicht ins Gewicht fallen, zumal diese in der Regel sowieso von spezialisierten Beratern begleitet werden.

Bei kleineren Übernahmen dürften diese Kosten aber relativ gesehen stärker ins Gewicht fallen. Die RFA E-IPG geht jedoch davon aus, dass aufgrund der Investitionsprüfung zusätzlich entstehende Beratungskosten für die beteiligten Unternehmen nicht entscheidungsrelevant für oder gegen eine Transaktion sind. Werden die Beratungsdienstleistungen, die bei Übernahmen in Anspruch genommen werden, durch schweizerische Berater erbracht, entsprechen die direkten Beratungskosten deren Einnahmen.

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen Die Einführung einer Investitionsprüfung reduziert den internationalen Öffnungsgrad der Schweiz. Zudem vermindert sich die Attraktivität des Wirtschafts- und Investitionsstandorts Schweiz. Wenn gewisse ausländische Investitionen in inländische Unternehmen erschwert oder verhindert werden, wirkt sich dies negativ auf die Bereitschaft sowohl ausländischer als auch inländischer Investoren aus, in inländische Unternehmen zu investieren. Auch ist zu erwarten, dass ein Investor eher zögert, ein neues Tochterunternehmen in der Schweiz aufzubauen (sog. greenfield investment), wenn die Möglichkeit besteht, dass ein späterer Verkauf der Investitionsprüfung unterliegt. Dadurch reduziert sich ­ ceteris paribus ­ der Umfang an (ausländischen) Investitionen in der Schweiz.

Die Schweiz profitiert somit bei einer Einführung einer Investitionsprüfung in vermindertem Ausmass von den Vorteilen von ausländischen Investitionen.63 Ausländische Investitionen tragen bspw. zu einer Erhöhung des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft bei und führen zum Einsatz von neuen
Technologien sowie zu Produkt- und Prozessinnovationen. Ausserdem begünstigen sowohl Investitionen im Ausland als auch ausländische Investitionen im Inland die Einbettung von Unternehmen in die globalen Wertschöpfungsketten. Die Innovationsfähigkeit inländischer Unternehmen und der Wettbewerb würden potenziell geschwächt. Aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive gehen damit auch negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes einher. Alle diese Faktoren tragen letztlich zur Entwicklung des Wohlstands der Bevölkerung bei, welche durch die Einführung einer Investitionsprüfung somit negativ betroffen sein dürfte. Mit dem engeren Geltungsbereich des E-IPG würden im Vergleich zum VE-IPG (siehe Ziff. 1.2.2) die negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen jedoch deutlich geringer ausfallen.

63

Siehe diesbezüglich auch die Ausführungen in Kapitel 2 des Berichts «Grenzüberschreitenden Investitionen und Investitionskontrollen».

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Zwar haben derzeit bereits viele OECD-Staaten eine Investitionsprüfung oder sind daran, eine solche einzuführen. Nichtsdestotrotz verliert die Schweiz im relativen Vergleich einen Standortvorteil, den sie gegenüber Staaten mit einer Investitionsprüfung hat.

Werden Übernahmen unterbunden, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährden oder bedrohen würden, kann sich dies allerdings auch positiv auf die übrigen Unternehmen auswirken. Eine Investitionsprüfung kann z. B. zur kontinuierlichen Versorgung wichtiger Vorleistungen beitragen, die nicht innert nützlicher Frist durch andere substituiert werden könnten.

Vor allem Übernahmen durch ausländische staatlich kontrollierte Investoren werden in der öffentlichen Debatte mit grossen Vorbehalten begegnet. So kann die Einführung einer zielgerichteten Investitionsprüfung zudem dazu beitragen, den Rückhalt in der Bevölkerung für die Offenheit der Schweiz für ausländische Investitionen langfristig zu sichern. Ein hoher Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist ausserdem ein wichtiger Faktor für die Attraktivität eines Wirtschafts- und Investitionsstandortes. Eine Investitionsprüfung kann somit indirekt die Standortattraktivität auch stärken.

6.5

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Sicherheit der Menschen in der Schweiz erhöht sich, wenn Übernahmen unterbunden werden, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährden oder bedrohen würden. Die Investitionsprüfung kann somit einen direkten Sicherheitsnutzen für den Staat und die Gesellschaft haben (siehe Ziff. 6.3).

Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf andere gesellschaftliche Aspekte wie die Kultur, Gleichberechtigung oder Solidarität zwischen Generationen oder auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht vertieft untersucht.

6.6

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf die Umwelt. Die entsprechende Frage wurde daher nicht vertieft untersucht.

6.7

Andere Auswirkungen

Wird eine Übernahme untersagt, ist nicht auszuschliessen, dass dies aussenpolitische Auswirkungen haben kann. Die Untersagung einer Übernahme kann zu Verstimmungen mit dem Staat führen, aus welchem der Investor stammt. Auch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass ein Staat mit Vergeltungsmassnahmen gegen Schweizer Unternehmen reagiert, wenn einem Investor aus seinem Land eine Übernahme in der Schweiz untersagt würde.

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Die folgenden beiden Faktoren dürften solchen Vorkommnissen allerdings entgegenwirken. Erstens haben aktuell rund 80 Prozent der OECD-Staaten eine sektorübergreifende Investitionsprüfung. Und auch viele der grösseren Schwellenländer haben Investitionsprüfungen. Damit handelt es sich bei einer Investitionsprüfung um ein weitverbreitetes Instrument, welches viele Staaten selbst auch einsetzen. Zweitens wurde bei der Ausgestaltung darauf geachtet, dass die Investitionsprüfung mit den bereits bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist (siehe Ziff. 7.2).

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

In Artikel 27 BV ist das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit (individuelle Garantie) verankert. Gemäss Artikel 94 Absatz 1 BV gilt zudem der Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (institutionelle Garantie), an welchen sich Bund und Kantone zu halten haben.

Als Teilgehalt davon ist auch die Investitionsfreiheit geschützt, teilweise auch diejenige ausländischer juristischer Personen.

Angesichts der Komplexität und sektorübergreifenden Ausgestaltung der Investitionsprüfung erscheint ein Abstützen des IPG auf verschiedene Verfassungsnormen erforderlich. Dafür haben sich die Artikel 95 und 101 BV als einschlägig erwiesen.

Die öffentliche Ordnung und Sicherheit stellen legitime Gründe für die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit dar. Es ist im Einzelfall jedoch erforderlich, die Beeinträchtigung dieser beiden öffentlichen Interessen durch die Erlangung der Kontrolle über ein inländisches Unternehmen durch eine ausländische juristische oder natürliche Person zu begründen und den vorgesehenen Eingriff in verhältnismässiger Weise auf das öffentliche Interesse abzustellen. Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit müssen die Voraussetzungen von Artikel 36 BV (Grundrechtseingriff) erfüllen. Die Investitionsprüfung darf nur in einem Mass in die Wirtschaftsfreiheit eingreifen, welches erforderlich ist für den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Das Vorsehen von zweckmässigen Auflagen und Bedingungen kann sich in diesem Zusammenhang als geeignetes Mittel erweisen, um im Einzelfall die Verhältnismässigkeit gewährleisten zu können.

Der Bund kann auf der Grundlage von Artikel 95 BV die privatwirtschaftliche Tätigkeit regeln. Auf diesen Artikel stützen sich bereits heute eine Vielzahl von Bundesgesetzen. Bei Artikel 95 Absatz 1 BV handelt es sich um eine Globalkompetenz. Im Hinblick auf die Ausübung einer privatrechtlichen Erwerbstätigkeit steht es dem Bund frei, alle Aspekte, Belange sowie Stufen dieser Tätigkeit einer Regelung zu unterwerfen. Es handelt sich bei der privatwirtschaftlichen Tätigkeit von Artikel 95 Absatz 1 BV um den gleichen Begriff wie in Artikel 27 BV. Diese Bestimmung erlaubt es insbesondere, die Bedingungen für den Zugang zum schweizerischen Markt zu regeln. Jede vom Gesetzgeber getroffene Massnahme muss jedoch insbesondere den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit respektieren, der in den Artikeln 27 und 94 BV verankert ist. Dem Gesetzgeber ist es untersagt, grundsatzwidrige Massnahmen zu erlas-

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sen, es sei denn, sie haben eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage (Art. 94 Abs. 4 BV).

Artikel 101 BV regelt die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der Aussenwirtschaftspolitik. Absatz 1 beauftragt den Bund mit der «Wahrung der Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland», während Absatz 2 erlaubt, wenn nötig, «Massnahmen zum Schutz der schweizerischen Wirtschaft» zu ergreifen, und zwar in Abweichung vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit. Die Investitionsprüfung muss dem Auftrag des Bundes Rechnung tragen, sich für die Öffnung ausländischer Märkte für Schweizer Unternehmen einzusetzen (Art. 101 Abs. 1 BV). Dies soll gewährleistet werden können, indem die Investitionsprüfung so ausgestaltet ist, dass sie sich lediglich auf die kritischsten Bereiche und Investoren beschränkt, von welchen eine potentielle Gefährdung oder Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Gemäss Bundesverfassung haben Bund und Kantone das Völkerrecht zu beachten (Art. 5 Abs. 4 BV). Eine Investitionsprüfung ist somit mit völkerrechtlichen Verpflichtungen vereinbar auszugestalten.

Die Schweiz ist im GATS und den FHA der Schweiz mit Drittstaaten völkerrechtliche Verpflichtungen betreffend die Investitionstätigkeit (u. a. Nichtdiskriminierung gegenüber inländischen Investoren) eingegangen. Dasselbe gilt auch für die in vorliegendem Zusammenhang relevanten bilateralen Abkommen mit der EU, dem FZA und dem LVA, sowie der EFTA-Konvention und den OECD-Regelwerken (OECDLiberalisierungskodizes). Eine Investitionsprüfung kann die Möglichkeit eines ausländischen Investors einschränken, eine Investition zu tätigen oder die Investition verzögern und damit einen Investor eines Vertragspartners potentiell diskriminieren oder gegen die Marktzugangsverpflichtungen der Schweiz verstossen.

Die erwähnten Abkommen und Regelwerke enthalten jedoch zum Schutze der öffentlichen Ordnung und von wesentlichen Sicherheitsinteressen Ausnahmebestimmungen (Art. XIV und XIV bis GATS; entsprechende Bestimmungen in FHA; Art. 27 Abs. 2 EFTA-Konvention; Anhang I Art. 5 FZA und Anhang K Anlage 1 Art. 5 EFTAKonvention; Art. 7 LVA und Anhang Q Art. 5 Abs. 2 EFTA-Konvention), welche Massnahmen, die von den eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen abweichen, unter gewissen Voraussetzungen rechtfertigen können. Die Begriffe «öffentliche Ordnung» und «öffentliche Sicherheit» sollten in Übereinstimmung mit den einschlägigen internationalen Verpflichtungen der Schweiz ausgelegt werden (siehe u. a.

Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen»). Die Begriffe umfassen somit die Erfüllung wesentlicher Staatsfunktionen bzw. den Schutz der Grundwerte der Gesellschaft. So setzt die Ausnahme im GATS betreffend die öffentliche Ordnung das Vorliegen einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung voraus, die Grundwerte der Gesellschaft berührt (Art. XIV a) GATS). Die Massnahme muss zudem erforderlich sein. Hierbei müsste ebenfalls gezeigt werden, ob nicht mildere Massnahmen hätten getroffen werden können, um das bezweckte Resultat zu erreichen. Die betreffende Massnahme darf auch nicht so angewandt wer71 / 74

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den, dass sie entweder ein Mittel zur willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Staaten, in denen ähnliche Bedingungen herrschen, oder eine verschleierte Beschränkung darstellt. Die Sicherheitsausnahme des GATS (Art. XIV bis Abs. 1 Bst. b GATS) erlaubt es WTO-Mitgliedern, Massnahmen zu ergreifen, die sie zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen für notwendig erachten, insbesondere wenn sie sich auf Dienstleistungen beziehen, die unmittelbar oder mittelbar für die Versorgung einer militärischen Einrichtung erbracht werden. Diese Ausnahme ist für Übernahmen relevant, die die militärische Versorgung betreffen. Die EU-Verordnung 2019/452 verweist ebenfalls auf diese Ausnahmeklauseln. Die anderen Abkommen sehen ähnlich formulierte, generische Ausnahmen (Verweis auf öffentliche Ordnung und Sicherheit) vor.

Der vorliegende Entwurf wurde so ausgearbeitet, dass er mit den obgenannten Verpflichtungen vereinbar bzw. gemäss deren Ausnahmebestimmungen rechtfertigbar ist.

Gemäss den OECD-Leitlinien betreffend die Investitionspolitik von Empfängerländern in Bezug auf die nationale Sicherheit64, zu welchen sich die Schweiz als OECDMitglied bekannt hat, soll eine Investitionsprüfung zudem möglichst nichtdiskriminierend, transparent, vorhersehbar, verhältnismässig und mit klaren Verantwortlichkeiten (Rechenschaftspflicht) versehen sein.

7.3

Erlassform

Einschränkungen von Grundrechten wie der Eigentumsgarantie oder der Wirtschaftsfreiheit bedürfen einer Gesetzesgrundlage (Art. 36 Abs. 1 BV). Eine summarische Analyse der bestehenden Rechtsordnung im Hinblick auf den Regelungsort der Investitionsprüfung hat ergeben, dass kein Gesetz existiert, welches ohne eine Totalrevision hierfür geeignet ist. Vor diesem Hintergrund soll für die Investitionsprüfung ein neues und eigenständiges Bundesgesetz geschaffen werden. Auch aufgrund der Komplexität der vorliegenden Materie und der dadurch notwendigen umfassenden Regelungen ist dies angezeigt.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen (die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach sich ziehen) geschaffen, noch neue Verpflichtungskredite / Zahlungsrahmen (mit Ausgaben über einem der Schwellenwerte) beschlossen.

64

Siehe OECD (2009): Guidelines for recipient country investment policies relating to national security. Abrufbar unter: www.oecd.org > Investment > Investment policies related to national security and public order.

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7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Der E-IPG ist mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. Er betrifft ausschliesslich den Zuständigkeitsbereich des Bundes und es handelt sich insbesondere um eine Aufgabe, die einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedarf. Die Zuständigkeiten der Kantone sind nicht betroffen.

Auch das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz ist gewahrt.

7.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf enthält in Artikel 22 Absatz 1 E-IPG den Auftrag an den Bundesrat, die Ausführungsbestimmungen zum Investitionsprüfgesetz zu erlassen.

Artikel 3 Absatz 3 E-IPG räumt dem Bundesrat die Kompetenz ein, weitere Kategorien von inländischen Unternehmen für maximal 12 Monate der Genehmigungspflicht zu unterstellen. Dabei kann er auch eine entsprechende Umsatzschwelle festlegen oder eine bestehende senken. Diese Kompetenz ist auf aussergewöhnliche Situationen beschränkt, in welchen es dringlich ist, eine Unterstellung unter die Genehmigungspflicht vornehmen zu können, um die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gewährleisten. Die Frist kann einmalig um maximal 12 Monate verlängert werden.

Gemäss Artikel 3 Absatz 4 E-IPG sind auf Verordnungsstufe Kriterien zu definieren, bei deren Erfüllung eine Ausnahme einzelner Staaten von der Genehmigungspflicht im Hinblick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz zulässig ist. Eine Befreiung setzt voraus, dass mit diesen Staaten eine für die Abwendung von Gefährdungen und Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausreichende Zusammenarbeit besteht.

Gestützt auf Artikel 6 Absatz 2 E-IPG ist zu definieren, welche Unterlagen dem SECO vom ausländischen Investor mit dem Gesuch um Genehmigung einer Übernahme einzureichen sind.

Artikel 11 E-IPG ermöglicht dem Bundesrat, eine genehmigungspflichtige Übernahme direkt zu genehmigen, sofern es für den Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Artikel 17 Absatz 4 E-IPG enthält die Delegation an den Bundesrat für den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen über die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden zur Investitionsprüfung.

Gemäss Artikel 25 Absatz 2 E-IPG bestimmt er zudem das Inkrafttreten des Investitionsprüfgesetzes.

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7.7

Datenschutz und Öffentlichkeitsprinzip

Das Investitionsprüfgesetz ermöglicht eine zweckgebundene Datenbearbeitung, -erhebung und -bekanntgabe von Personendaten (siehe Ausführungen unter Ziff. 5).

Die im BGÖ verankerten Ausnahmebestimmungen gewährleisten bereits heute einen umfassenden Schutz der administrativen und politischen Entscheidfassung (Art. 8 Abs. 2 BGÖ), der zielkonformen Durchführung von konkreten Behördenmassnahmen (Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ,) der wirtschaftlichen Interessen der Schweiz (Art. 7 Abs. 1 Bst. f BGÖ) sowie der privaten Interessen der Betroffenen, insbesondere des Geschäftsgeheimnisses (Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ) und der Personendaten (Art. 7 Abs. 2 bzw. Art. 9 BGÖ). Dem SECO vom NDB im Rahmen der Investitionsprüfung zur Verfügung gestellte Informationen sind gemäss Artikel 67 NDG vom Öffentlichkeitsprinzip ausgeschlossen und somit nicht öffentlich zugänglich.

Die Information der Öffentlichkeit über die Investitionsprüfung durch das SECO erfolgt gemäss Artikel 22 Absatz 2 E-IPG in regelmässigen Abständen mittels Tätigkeitsberichte in aggregierter Form. Diese enthalten auch aggregierte Informationen zu allfälligen erstinstanzlichen Entscheiden über Verwaltungssanktionen. Gemäss Artikel 23 Absatz 2 E-IPG wird zudem spätestens 10 Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Notwendigkeit, Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit dieses Gesetzes evaluiert.

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