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Bericht .. des

Schweiz. Konsuls in St. Petersburg (Hrn. Philippin-Duval von Genf) über das Jahr 1873.

(Vom 19/31. März 1874.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit.!

Das Jahr 1873 kann für Rußland vom Standpunkte der Volkswirtschaft und. der materiellen Wohlfahrt aus in die Kategorie der Mitteljahre gestellt werden. Wenn man auch im Ganzen genommen dort allgemeine Verbesserungen wahrnimmt, so treten andererseits gewisse dunkle Stellen um so deutlicher hervor und lassen die unbedeutende Höhe der nationalen Wohlfahrt, die Langsamkeit der intellektuellen Entwickelung und. den kaum wahrnehmbaren Fortschritt der Landesindustrie erkennen. Denn obgleich das Jahr ohne Krisis für Handel und Industrie vorüberging, so war es dennoch dem Handel- und Gewerbstande nicht günstig. Das Sinken der Preise des Rohmaterials, als dem hauptsächlichsten Ausfuhrartikel, wie des Talgs, des Leins u. s. w., welches in Folge der verminderten Nachfrage vom Auslande stattfand, die Hungersnoth, welche.

im südöstlichen Theile des Reiches herrschte, und die Theuerung der Lebensmittel haben.in verschiedener Weise auf die Umsatzmenge der verarbeiteten Produkte aller Art gewirkt.

-676 Die'Finanzen sind der beste Barometer, um die ökonomische Lage eiries Staates bestimmen zu können; und wenn das Jahr 1873 nicht zu den schlechten gezahlt werden kann, so ist diese Thatsache in vielen Beziehungen den glucklichen Ergebnissen des Finanzjahres zuzuschreiben, d. h. dem Ausgleiche der Einnahmen und der Ausgaben, da das Reich so zu sagen nicht genothigt war, seine Zuflucht au Anleihen zu nehmen, und weil das Budget kein Defizit zu verzeichnen hatte, trotz der außerordentlichen Ausgaben, welche z. B. durch die Hungersnoth im Gouvernement Samara und durch die Expedition nach Khiva veranlaßt worden waren. Der Genauigkeit wegen ist jedoch zu bemerken, daß der Staat durch Aufnahme eines Anleihens im Auslande, des vierten 5 prozentigen konsolidirten, im Betrage von 15 Millionen L. Sterling, sich eine Schuld aufgebürdet hat. Hievon sind 12 Millionen zur Herstellung neuer Eisenbahnlinien "bestimmt worden. Trotz des hohen Disconto, der in London herrschte, winde dieses Anleihen zu ausnehmend gunstigen Bedingungen kontrahirt, nämlich zu 93 °/o, wahrend die dritte konsolidirte im Jahre 1872 zu 89 % und die erste im Jahre 1870 zu nur 80 °/o abgeschlossen worden sind. Außerdem wurden einige Serien von Reichsschatzscheinen ausgegeben; jedoch sind die hicdurch erlangten Geldmittel sammtlich zur Heimzahlung des Kapitals der im Jahre 1873 fallig gewordenen Serien verwendet worden.

* Trotz der taglich zunehmenden Ausgaben des Budget (von 482 Millionen im Jahre 1870 sind dieselben im Jahre 1872 auf 522 Millionen gestiegen) sind die Einnahmen im gleichen Verhaltniß in die Hohe gegangen und für den gleichen Zeitraum von 480 Millionen auf 523 Millionen Rubel gestiegen.

S., Exc. der Finanzminister hat in seiner am 5. Dezember v. J.

in der Rathssitzung der Kreditinstitute des Reichs gehaltenen Rede die öffentliche Schuld als befriedigend geschildert, jedoch verschiedene Finanzfragen unerwähnt gelassen, mit welchen sich die Presse in lezter "Zeit beschäftigt hat, z. B. die Emission von Kreditscheinen zu Goldankaufen von Seite der Staatsbank , die Uebertragung der Schulden dei- Bank in das Hauptbuch der Reichsschulden, die Belastung mit 26 Millionen Rubel für nicht ruckbezahlte Serien u. s. w.

3- s

i

In Folg« > c verschiedener , von der Staatsbank gegenüber den Privatbanken getroffener Maßregeln vermehrten .letztere ihren haaren Bestand in der Form von verzinslichen? Contocurrenten mit der Staatsbank, indem deren Gesammtbetrag von Rubel 33,600,000 am 2. Oktober, 1872,bis auf 59 1/2 Millionen am,30. Juni 18.73 stieg. Es hatte dies zur Folge, daß die Kasse der Staatsbank von Rubel 13,571,000

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am 1. Januar 1873 bis zum 15. Mai die außerordentliche Höhe von 34 Millionen Rubel erreichte. In dem .Maße, wie die Kasse zunahm, sank der Diskont der Staatsbank von 9 auf 8 °/o im Monat Januar, auf 4 1/2 bis 5 1/2 % im Monat Mai. Jedoch hielt dieser Kassenüberfluß nicht lange an, er sank am 8. Oktober auf 6 Millionen in Folge Herausziehens von 51 Millionen in verzinslichen Contocurrenten, und der Discont stieg wieder auf 7 */2 bis 8 1/2 %; im Dezember schwankte er zwischen 6 1/2 und 7 */2 °/o. Der Börsendiscont differirte immer ein wenig gegenüber dem der Staatsbank, indem er stets etwas höher stand und nie unter 5-1/* bis 6 1/4 °/o sank.

Obgleich die Regierung sich durch eine Aenderung in der Art der Vertheilung der Steuern hätte neue Finanzmittel schaffen können, so sind doch die bestehenden Verhältnisse kaum verändert worden, so daß die Einnahmen von Spirituosen noch wie ehedem den Hauptbestandtheil der Aktiven im Budget .ausmachen; und wiederum war es diese Art von Steuer, welcher man sich im letzten Jahre zuwand.e, indem .die Accise auf Spiritus im russischen Reich auf 7 Kopeken, im Königreich Polen auf 5 */2 Kopeken per Grad erhöht wurde.

Die Einnahmen des Accisezolles in 60. Gouvernements von. europäisch Rußland, im Königreich Polen- und der von den don'schen Kosaken bewohnten Provinz betrugen im Jahre 1873 Rbl. 192,325,083, d. h. ungefähr 6 Millionen mehr als im Jahre l872 und bei 8 Millionen- mehr als der Voranschlag im Budget.

Diese Zahl vertheilt sich wie Accise, Patente für Fabrikation von Getränken Salzsteuer - ' . . ' . " .

.

Tabaksteuer '.

.'

.

.

Zuckersteuer . ' . ' . ' . ..

folgt: und Verkauf .

.

.

.

. .

.

Rbl. 169,980,426 ,,· 8.276,295 ,, 10,198,131 ,, 3,870,231

Zusammen

Rbl. 192,325,083

.

.

.

Dieser günstige Ausgang des Finanzjahres ist um so willkommener, als eine furchtbare Hungersnoth (deren wiederholtes Auftreten nur allzusehr in Rußland zu beklagen ist) die Bevölkerung im Gouvernement Samara heimsuchte. In den übrigen Theilen des Reiches ist dagegen die Ernte vorzüglich gewesen, namentlich in den südwestlichen Provinzen, und da sie mit den weniger zufriedenstellenden Ernten mehrerer auswärtiger Staaten zusammentrifft, so veranlaßte sieeine starke Getreideausfuhr, welche in diesem Jahre noch größer zu werden verspricht ; weil die Bilanz gänzlich zu Gunsten Rußlands ausfallen muß, so wird der Wechselkurs jeden-

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falls steigen und sich halten": ' Der schlechten Ernte, welche sich auf das Gouvernement Samara und einige Gegenden an den Ufern des Dort, die Umgegend von Rostow, Taganrog und den Bezirk des Schwarzen- und des Azow'schen Meeres beschränkt, ist die im Vergleich zu 1872 verminderte Weizenausfuhr zuzuschreiben, welche trotz' der Theurung im Auslando nahezu um 2,600^000 Tschetwert, d. h; um J /s, gesunken ist. Dagegen hatte die Roggenausfuhr, Dank der starken Nachfrage in Deutschland unter Anderai, am 1. Januar ·1874 die kolossale Zahl von 7,871,371 Tschetwert'erreicht; die größte Roggenausfuhr, welche Rußland erlebt hatte, war die vom Jahre 1871, wo sie auf nahe an 4 Millionen Ttchetwert gestiegen war. Der Hauptausfuhrhafen für Roggen ist St.' Petersburg, welches im Jahre 1873 nahe an J/a des Gesammtbetrages geliefert hat.

Wie für Roggen, war im Jahre 1873 auch die Ausfuhr von Hafer und andern Getreidesorten merklich umfangreicher als im Vorjahre.

Wegen dieser lebhaften Ausfuhr haben sich die Kurse gehalten und stand der Kurs von Drei-Monats-Wechseln auf London im Durchschnitt auf 32 15/32 Pence.

Nachstehend ein vergleichender Ueberblick der Ein- und Ausfuhr des Reiches in den Jahren 1872 und 1873.

Einfuhr.

Rohzucker .

. ' .

.

Raffinade, Kandis, Hutzucker ·Thee^aus Canton .

.

Kaffee..

.

.

.

Oel .

.

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Wein ,, .

. ' .

.

.

Champagner . ' .

.

Salz .

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.

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.

Tabak in Blättern .

· ,, ,, Rollen und Cigarren Baumwolle, roh .

.

.

,, gesponnen .

Farbhölzer .

.

.

.

Indigo .

.

.

.

.

Flüchtige Oeleziir BeleuchtungGußeisen, unverarbeitet .

Eisen in Barren, verarbeitet und alt ..

.

.

Eisenblech für Kessel und Schiffspanzer .

Pud ,, ,, ,, ,, ,, Flaschen Pud ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,,

' 1872.

1873.

494,466 119,869 3,413 923 790,444 729,985 447,681 410,206 1,423,486 1,392,405 1,103,567 1,074,958 389,084 377,182 1,195,970 1,205,135 11,712,537 12,412,253 220,539 225,130 3,986 3,703 3,393,002 3,393,812 304,653 315,036 584,437 363,700 53,417 44,937 1,790,335 2,716,114 1,624,547 2,332,002

,,

3,655,007

4,829,351

,,

1,050,624

1,632,456

·

679 7,617,651 6,002,167 Pud Eisenbahnschienen 708,730 921,763 Blei .

.

.

.

.

yj 166,994 149,405 Wolle, rohe .

.

.

.

-fi 5,258 22,340 ,, ungesponnene .

fi . 31,453 17,646 Kunst wolle . . . .

.

.-.

·fì 179,959 185,340 Wollo und Haarej, gesponnen ft ' 16,597 15,024 Seide ' .

.

.

. . .

D 1,168,234 941,374 Soda . " .

.

. ....

7) 64/782,600 49,479,188 Steinkohle .

.

ft Lokomotiven, LokomobileSj Ma) '' ' 2,172,378 2,193,974 schinentheile .

fl 95,062 105,109 Gewebe, baumwollene .

... . · ' fi i 137>77 143,863 ,, wollene .

f) 11,911 12,895 ,, seidene .

.

f) 2,567,848 2,455,032 ,, leinene.

Wevth in Rubeln v

Ausfuhr.

.

1872.

1873.

7,164,334 Weizen .

.

.

. Tschetwert 9,847,839 7,871,371 2,728,361 Roggen .

.

.

ft 1,097,214 1,168,786 Gerste .

.

.

.

f) 416,101 663,989 Mais ft 60,537 178,631 Erbsen .

..fi 1,396,868 3,481,082 Hafer f> 332V469 220,305 Mehl fi 183,224 702,249 Anderweitige Gctreidearten .

f) 2,298,705 2,639,380 Leinsaamen und Hanfsaamen Pud 12,268 18,151 Lein- und Hanföl f) ' 144,075 112,922 Butter .

.

.

.

fi 707,083 655,763 Spiritus und Branntwein f) 56,735 131,505 Honig und Melasse' f) 154,861 94,652 Tabak .

.

.

f) 44,969 55,761 Hornvieh .

.; Stück 617,831 . 761,820 Hammel und Schafe f) Pferde .

.

13,432 18,986 f) 655,548 Talg .

.

. .- .

769,5(5(5 Pud Lein .

.

.

.

7,238,837 9,041 ,204 ·n 612,054 Werg, leinen .

.

775,530 ·11 3,790,080 5,215,221 Flachs 11 100,976 · Werg, flächsern .

55,400 n 394,467 Leinen- und Flachs-Gcspinnste 504,414 11 218,942 323,142 Felle, ungegerbte ' n ; 17,713 34,382 ,, gegerbte und gebräunte 11 Knochen .

.

.

.

908,455 1,014.723 11

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Wolle, rohe .

.

.

Schweinsborsten .

.

Roßhaare . . .

Potasche .. . . ; ..

.

Eisen".

.

Kupfer .

.

.

.

Lumpen .

.

Seilerwaaren Brabanter - Leinwand, Packleinen, Segeltuch .

Bräbanter - Leinwand, Packleinen, Segeltuch .

Grober Leinen Gewebe .

.

Holz . ·-.-· .

.

.

Pelzwerk

Pud ·n ·n ·n ·n ·n ·n 11

1,316,866 111,560 43,731 ·303,861 737,476 91,072 623,234 294,286

923,767 120,529 50,989 255,402 938,461 9,723 702,558 268,342

14,925

14,707

·.Stücke 7,604,171 6,839,517 Arschinen 17,078 12,081 · Pud ' 218,890 80 Rubel 22,404,229 29,966,779 38,185 Pud 81,226

Aus den eben gemachten Angaben ergibt sich, daß der'Einfuhrhandel im Jahre 1873 im Vergleich zum Vorjahre sich vermindert hat für Zucker, Kaffee, Thee, ordinäre Weine, Farbhölzer, Cigarren^ Indigo, rohe und Kunstwolle, Seide, Steinkohlen, Lokomotiven und Gewebe (mit Ausnahme der leinenen). Eine Zunahme fand' statt für Champagnerwein, Salz, Blättertabak, gesponnene Ba'imwolle, flüchtige Oele, Gußeisen, Eisen, Eisenblech, Eisenbahnschitp.neh^ Blei, gesponnene Wolle und Haare, Soda und leinene.

Gewbbe. ' Was dio Ausfuhr anbetrifft, so zeigt .sich mit,:Ausnahme des Waizen.i bei allen übrigen Getreidearten eine starke Zunahme, welche sich auch, auf-Leinsamen, Branntwein, Honig und Melasse, Hammel, ' Pferde, Talg, Leinen^ Hanf, ungegerbte ; Felle, Schweinsborsten, Pferdehaare, Eisen, Lumpen und Holz,.erstreckt. Dagegen hat die Ausfuhr von Leinölj Hanföl, Butter, Tabak, Hornvieh, Leinen- und Flachswerg, Leinen- : und Flachsgespinnsté, gegerbtes Leder, Knochen, rohe Wolle,Pöliasche, Kupfer, Seilerwaaren, Segeltuch und Pelzwerk im Vergleich zum Jahr 1872 abgenommen.

Die Gesammtmasse: der verschiedenen im -Jahre 1873 ausgeführten Getreidearten beträgt 21,562,911 Tschetwer t, während sie im Jahre 1872 kaum 16 Millionen Tschetwert erreichte.

In der Ein- und Ausfuhr von Edelmetallen)ist keine, wichtige Aenderung zu verzeichnen gewesen; die erstere betrug IS1/^ Millionen, .die letztere 13 Millionen Rubel.- Die Zunahme der Silbereinfuhr erklärt sich aus dem' Preisabschlag in Deutschland, welcher in Folge der Einführung der Goldwährung eintrat, und aus dem

681 durch die Staatsbank herabgesetzten Einkaufspreis.

In Folge dessen stieg die Silbermenge der Metallvorräthe der Staatsbank im Jahre 1873 von Rubel 9,335,000 auf Rubel 22,409,000, d. h, um ungefähr 13 Millionen Rubel; der Goldvorrath hat nur um Rubel 5,600,000 zugenommen, was also zusammen für 1873 eine Zunahme der Metallvorräthe um Rubel 18,600,000 ergibt. Gleichzeitig ist die Menge der Kreditscheine bis auf die Summe von Rubel 26 Millionen gestiegen, d. h. um Rubel 7,500,000. Um diesen Ueberschuß zu decken, ist zum Métal Ivörrath · eine entsprechende Summe in öffentlichen Fonds hinzugefügt worden. Das gegenwärtig in Umlauf befindliche Papiergeld erreicht die Summe von 790 Millionen Rubel, der Metallvorrath beträgt 224 Millionen.

Der Handel an der asiatischen Grenze," welcher seit 1868 in Folge der fortwährenden militärischen Operationen nach entfernten Gegenden hin stockte, ist jetzt in die Lage versetzt, sich ausbreiten zu können, nach der Pacification von Khiwa, der Eröffnung der freien Schifffahrt auf dem Amuj'-Daria und dem Abschluß eines vorteilhaften Vertrages mit. Bokkara, und wird sich noch mehr entwickeln, wenn Persien die unerläßlichen Reformen im Innern ernstlich durchgeführt haben wird. Bezüglich des Binnenhandels waren die Messe von Nischnü-Nowgorod und andere ziemlich gut besucht. Es geht aus dieser Thatsache hervor, daß in gleichem Schritt mit dem bedeutend vermehrten Transport per Eisenbahn der Warenaustausch in jeder Beziehung eine befriedigende Entwicklung verfolgt.

Das Geschäft in öffentlichen Fonds befindet sich in weniger günstiger Lage; obgleich es nicht so-heftig als in' den : Krisen von 1869 und 1872 erschüttert wurde, so ist nichtsdestoweniger nachgewiesen, daß die Umsätze abgenommen haben, und daß sie in Folge des gegenwärtig mangelnden Vertrauens der-Spekulanten unterbrochen sind, welche letztere sich nur für Werthpapiere interessiren, die sich der Garantie und unmittelbaren Haftbarkeit Seitens der Regierung, sowohl in Bezug -auf die regelmäßige Zahlung der Zinsen als auch die sichere Rückzahlung des Kapitals, erfreuen. Selbst der gegenwärtig günstigere Diskontosatz veranlaßt nicht zu lebhafterer Nachfrage in den verschiedenen öffentlichen Fonds.

Das Fernbleiben vom Geldmarkte, bei welchem die Menge der kleinen Kapitalisten bereits seit dem Jahre 1872 beharrt,,
rührt theilweise von den großen Verlusten her, welche bei der Ausgabe von Bank- und Industrieaktien gemacht wurden und welche die Nachfrage des Publikums bezüglich der Anlegung von ersparten

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'

Geldern fast ausschließlich auf öffentliche Fonds, welche vom Staate garantirt sind, gelenkt haben. So hat z. B. die russische CentralBodenkreditbank, bei deren Gründung fast alle.Banquiers Rußlands, und einige der Hauptkreditinstitute in Deutschland sich betheiligten, Mühe gehabt, die erste Serie ihrer Obligationen auf dem eigentlichen russischen Markt unterzubringen ; daher hat sie auch noch nicht ihrem aufgestellten Zwecke entsprochen, nämlich zur Belebung des Geschäfts in öffentlichen Fonds beizutragen, die Ertragsfähigkeit des finanziellen Besitzes zu vermehren und den Werth des Papierrubels wieder in die Höhe zu bringen.

Außer dem Mangel an Vertrauen und dem Einfluß der Börsenkrisen im Auslande, in Wien, Berlin u. s. w., ist diese ungünstige Lage auch theilweis deroübertriebenen Ausgabe von landschaftlichen und städtischen Hypothekarobligationen zuzuschreiben, welche einen starken Druck auf die andern Fonds ausübten, obgleich die Bodenkreditbanken bei der' Unterbringung ihrer Titel auf viele Hindnrnisse stoßen.

Es war, wie gesagt, um jenen Schwierigkeiten vorzubeugen, im vorigen Jahre eine Centralbodenkreditbank gegründet worden, welche für die Hypothekarbanken in dei1 Provinz dieselbe Rolle übernahm, wie die Regierung in Bezug auf die Eisenbahnen, indem versucht wurde, die verschiedenen Hypothekentitel in eine einzige große Obligationcnschuld umzuwandeln und auf dem Geldmärkte die Pfandbriefe der verschiedenen Bodenkreditbanken durch einheitliche Titel der Centralbank mit in métalliques angegebenem Werthe zu ersetzen, um dadurch ihre Placirung im Ausland zu erleichtern.

Die Gründung einer Centralbank hat eine lebhafte Polemik herbeigerufen und die Befürchtung, daß sie sich zu Spekulationen verlocken lassen, einen nachtheiligen Einfluß auf den Bodenkredit' in Rußland ausüben und nur zur Bereicherung ihrer Aktionäre dienen werde.

Die Menge der Hypothckentitel, welche gegenwärtig sich im Umlaufe befindet, erreicht ungefähr die Summe von Rubel 330 Millionen, und da davon für mehr als 100 Millionen in Händen der Banquiers geblieben sind, so kann man sich leicht einen Begriff vom Einfluß dieser Valoren auf den Geldmarkt manchen, dessen Geldmittel außerdem die Einzahlung der consolidirten Anleihen, der Aktien der neuen Anleihen u. s. w. zu besorgen haben. In Folge des Sinkens der Eisen
bahnobligationen, der Hypothekentitel, der Aktien der industriellen Versicherung^-, Dampfschiff- und andern Gesellschaften haben die Banquiers und Wechselagenten von ihrer Kundsame nachträgliche Zahlungen an die angezahlten Fonds

683 verlangt. Diese Auforderimg hat die Mittel der Börsenspekulanten vollends erschöpft. Daher sind auch im vergangenen Jalire einige bedeutende Fallimente unter den Hauptvertretern der Finanzwelt vorgekommen.

Dagegen haben auf dem europäischen Geldmarkt die russischen Fonds sich eine feste Stellung und die Achtung der Kapitalisten erworben. Der Bau der vielen Eisenbahnen in Rußland, die, Zunahme des Ausfuhrhandels und die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Budget -- diese verschiedenen Ursachen und außerdem die, welche mit den letzten politischen Ereignissen, die Europa erregten, zusammenhängen, haben zu diesem glücklichen Resultat beigetragen.

Das beständige Steigen der russischen Papiere auf den Börsenkurszeddeln in London, Amsterdam und Frankfurt a./M. sind dafür unantastbare Beweise, und das Vertrauen in die Kreditfähigkeit Rußlands hat sich mit merkwürdiger Augenscheinlichkeit geze gt z. B. bei der allgemeinen Entwerthung, welche im vergangenen Herbst die europäischen Fonds an der Londonerbörse traf, wo dagegen die russischen Papiere eine kaum bemerkliche Baisse zu erleiden hatten. Im heftigsten Moment der Wienerkrise, als an den Börsen von Ausgabe neuer Werthpapiere keine Rede war, konnte das Haus Rothschild die Titel der russischen Centralbodenkreditbank auf den Markt bringen. Auch in Amsterdam sind im Jahr 1873 sämmtliche russische Fonds gestiegen, und um nur ein Beispiel anzuführen, ist die fünfprozentige, consolidirte Anleihe, im Verlauf eines Jahres um 3 5/8% in die Höhe gegangen, nämlich von 90 7/3 auf 94'/2, die Obligationen der Nicolasbahn um 4% nämlich von 74 7/8 auf 78 7/8 holl. Gulden.

Wenn die Spekulation auf dem eigentlichen russischen Geldmarkt von der Konkurrenz so vieler neuer Unternehmungen zu leiden hatte, so haben doch die ökonomische Lage im Allgemeinen . und der Waarentransport überall dabei in Folge der Entwicklung des Eisenbahnnetzes gewonnen. Im Jahre 1873 wurde die Linie, Kiow-Bresl, eine Strecke der Eisenbahn Lozowo-Sebastopol bis Alexandrowsk mit Abzweigung nach Ekathrinoskaw, die Strecke Vileika-Gomel auf der Landwarow-Romensklinic die Brest-GratevoLinie, die Eisenbahn von Riga nach Bolderaa die Strecke KischenewUngeni auf der Odessaerlinie, die Bahn von Znamensk «ach Xikolaiewsk sowie die, Strecke Radziwilischek-Kalkuri auf der Li haner Bahn, eröffnet,
im Ganzem 1909 Werst, wodurch die Zahl der auf dem russischen Eisenbahnnetz am 1. Januar 1874 in Betrieb befindlichen Wers auf 15,126 gebracht ist, resp. auf 15,708. wenn mau die von Finnland mitrechnet.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. I.

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684 Die Mehrzahl dieser neuen Bahnlinien mundet in die Hafen des baltischen und des schwarzen Meeres. Durch die Eröffnung der Linien Berdischew-Brest-Graiewe ist nunmehr feine ununterbrochene Eisebahnverbindung Von Königsberg nach Odessa hergestellt; der Hafen Von Libata M mit den innerrussischen Eisenbahnlinien in unmittelbaren Verkehr getreten und ist somit in der Lage, die Konkurrent mit Königsberg auszuhalten. Die Regierung wird nunmehr ihr Augenmerk auf den Osten des Reiches richten, weichern die wichtigsten Eisenbahnlinien fehlen.

> ' Die Zahl der projektierten Eisenbahnwerste betragt 8499 ; die drei neuen Linien Orenburg, Fastow und Ural werden «hue Hinzuziehung Von privilegirten Konzessionären ausgeführt werden laut den " Bestimmungen des neuen- Reglements für Eisenbahnbauten, welches der Kaiser am 30. März 1873 genehmigt hat und weiches den Zweck hat, das Publikum durch Beseitigung des Monopols der wucherischen Kapitalisten direkt au den Kosten und dem Gewinn, welche der Bau der Eisenbahnen abwirft, thelnehmen zu lassen.

Man hegt große Hoffnung bezüglich dieser neuen Bahnlinien, für die Orenburgerlinie wegen des Handels mit Centralasien, für die Urallinie wegen der Entwicklung der Minenindustrie und für die Von Fastow wegen der Hebung der Runkelrübenzuckerproduktion Die Einnahmen der" russischen Eisenbahnen nehmen von Jahr zu Jahr bedeutend zu, und um ihre Interessen zu begünstigen, hat der Staat im Jahre 1873 das vierte consolidate Anleihen von 100 Millionen Rubel aufgenommen und für ungefähr 15 Millionen Rubeì Garantien zurückgezahlt ' Ani 1. Oktober 1673 hatte sich im Vergleich-zur selben Periode von 1872 der Bruttoertrag aller Eisenbahnlinien von der Summe von 74 auf 87 Millionen Rubel gehoben. Aber trotz der annehmenden Einnähmen steigt die Summe der Vorschüsse, welche dei Staat den Eisenbahngesellschaften unter dem Titel von Garantien leistet, von Jahr zu Jahr; so hat der Staatsschatz im Jahre 1872 unter die verschiedenen EisenbahngeseUsehafteasellschaften nahe an 16 Millionen Rubel vertheilt, wahrend es im Jahr 1871 l P/2 Millionen* und im Jahr 1870 9 1/2 Millionen waren.

Von 20 Eisenbahngesellschaften waren im Jahre 1872 nur fünf in der Lage, die Staatssubsidien entbehren tu können. Mithin sind die russischen Eisenbahnen noch weit davon entfernt, für das Budget eine Einnahmsquelle
zu sein, wie es mit den deutschen, englischen und französischen der Fall ist.

Von 34 Linien, bei welchen ein Vergleich mit den Zahlen der drei ersten Vierteljahre von 1872 möglich ist, weisen 31 für die 9 ersten Monate von 1873 eine Einnahmesteigerung auf; bei drei Eisenbahnlinien hat eine Abnahme stattgefunden, nämlich

685 Moskau-Nijni (2/3 %), Lodzy (23/* °/o) und Kozlow-Woronesch (5°/o). Vom l. Januar bis zum 1. Oktober 1872 hatte die Personenbeförderung sich auf 16,02,9,860 Personen belaufen, die Waarenbeförderung 676,173,341 Pud und der Bruttoertrag Rubel 74,751,036 betragen, während die 9 ersten Monate ,yon 1,873 17,575,148 Personen, 842,771,163 Pud und -Rubel 87,523,483 aufweisen. Was die Einnahme per Werst betrifft, so war sie Rubel 5792. Im Jahre 1872 beträgt sie für neun Monate Rubel 6346: sie hat somit um 9,56% zugenommen.

Der volkswirthschaftlichen Thätigkeit, ist durch die in Rußland noch sehr neue Gründung von, .Banken aller Art, deren Zahl fortwährend zunimmt, ein weites Feld eröffnet, worden. Im Jahre 1873 hat die Regierung die Gründung von 12 neuen Handelsbanken auf Aktien und von 38 auf Gegenseitigkeit begründeten Kreditgesellschaften genehmigt, ,In der Absicht, sich über den ihren Unternehmungen, welche bis, dabin mehr oder weniger isolirt und von einander unabhängig waren, zu gebenden größeren Zusammenhang zu besprechen, haben sich im vergangenen Monat Dezember die Verwaltungen sämmtlicher Banken im Reiche zu einem Kongreß versammelt, in welchem verschiedene Fragen über innere Reglementation geprüft und die Annahme einer, einheitlichen Buchführung; sowie die Gründung eines permanenten Bureaus, welches in dein Zeiträume von einem Kongreß zum andern in Thätigkeit sein soll, beschlossen wurde.

Der Verkehr der Handelsbanken nimmt sehr schnell zu, und die letzten Angaben beweisen, daß diese Kreditanstalten bereits mit mehr als einer halben Milliarde Kapital, welches Privaten gehort, arbeiten. Im Ganzen aber war das verflossene Jahr der Gründung neuer Aktienunternehmungen nicht günstig; demi wenn auch eine, Menge Statuten von industriellen Gesellschaften genehmigt wurden, welche die Fabrikation von Runkelrübenzucker, von Bier, die Zutageförderung von. Steinkohlen und Metallen, die. Baumwollen-, Papier- und sonstige Manufaktur zum Zweck haben, .sowie 81 atuten von Baugesellschaften, so darf man doch nicht außer Acht lassen daß viele, dieser im Jahre 1873 genehmigten Statuten sich auf bereits bestehende Fabriken und Manufakturen beziehen und dass es .vieh nur um Erweiterung derselben oder um Unternehmungen zu welchen die Kapitalien noch gesucht werden müssen, handelte.

Der Kredit in Rußland kann
sich nicht darauf beschränken, ausschließlich den Bedürfnissen des Handelsstandes und der Grundbesitzer zu entsprechen ; die Masse der ländlichen Bevölkerung, als Hauptfaktor der öffentlichen Einnahmen, befindet sich bei der Armuth, welche sie drückt, in der Notwendigkeit, mit gleichem

686 Recht wie die übrigen Klassen, Kredit zu beanspruchen. Um dea Landleuten zu Hülfe zu kommen und den ländlichen Kredit auf solider Basis zu begründen ,, entstehen überall Vorschuß- und Sparvereine nach dem. Muster der Schulze-Delitzschen Banken, welche zwar auf den ersten Blick bescheiden erscheinen und doch reich an guten Erfolgen sind. Im Jahre 1873 hat ihre Zahl sehr schnell zugenommen. Am 1. November 1873 bestanden 324 Vorschußund Sparvereine, auf 46 Gouvernements vertheilt, und es kamen von ihnen 42 allein auf dus Gouvernement Nowgorod und 15 auf den Bezirk Nowotorjok im Gouvernement T wer. « Die Gouvernements, iû welchen nach diesen die meisten vorkamen, sind: Cherson, St. Petersburg, Moskau, Pskòw, Tschernigow und Kiäzan. Von 205 dieser Vereine, deren Verkehr veröffentlicht wurde, sind 132 mit einem Gesammtkapital von Rubel 139,252, welches dio Provinzialregierungen leihweise vorgestreckt hatten, gegründet worden, 61 mit Privatkapitalien im Betrage von Rubel 56,662 und eine mit einem vom Staate geliehenen Kapital von Rubel 25,000. Die. andern haben sich mittelst Anleihen bei den Gemeinden oder bei den Stadtbehörden konstituirt. Man hat Berichte über den Geschäftsverkehr von 79 solcher Vereine auf'1. Januar 1873; deren Umsätze beliefen sich auf Rubel 2,843,000: bei 76 "war der Nettogewinn Rubel 33,917; drei von ihnen hatten im Ganzen einen Verlust von Rubel 185 aufzuweisen. Der Gesammtbetrag der Aktien war in runder Zahl Rubel 187,000; das Reservekapital betrug Rubel 21,000; die Depositen Rubel 106,000, die Anleihen Rubel 263,000, die Vor Schüsse Rübe! 527,000. Diese Zahlen, welche sich nur auf 79 Vereine von 324 beziehen, zeugen für ihren schnellen Aufschwung und die Zukunft, welche ihnen eröffnet ist.

Was den Viehstand Rußlands anbetrifft, so ist die Zahl des Hornviehs gegenwärtig 21,600,000 Stück; die Zahl der Pferde beiträgt 15 */2 Millionen, der Schafe 45 Millionen, der Schweine 9 1/2 Millionen. Diese Zahlen sind fast dieselben wie im Jahr 1851 geblieben, wenigstens soweit sie sich auf Großvieh beziehen, wogegen seit jener Zeit die Zahl der Pferde abgenommen, die der Schafe und Schweine aber zugenommen hat. Die Viehpreise sind während der letzten zehn Jahre im Durchschnitt um 50 °/o in-die Höhe gegangen und in einigen Gegenden sogar um 100 °/o. Die Pferdezucht hat besonders in den
Steppen abgenommen, wo mau keine Heerden von Pferden in Freiheit, mit Ausnahme der von den Kirgisen und Kalmücken bewohnten Territorien, mehr antrifft. Diese Abnahme in der Zahl der Pferde betrifft hauptsächlich die Gouvernements von Großrußland, wie z. B. Kaluga, wo in den letzten 20 Jahren deren Zahl um 1/3, Twer, wo sie um 2/3, und Jaroslaw,

087 wo sie um die Hälfte abgenommen hat. Dio /ahi des während der letzten acht Jahre an Seuchen erlegonen Viehes erreichte im Durchschnitte 400,000 per Jahr, was, zu durchschnittlich 30 Uubel per Stück berechnet, für das Land einen jährlichen Verlust von 12 Millionen Rubel ergibt.

Die Bevölkerung der Stadt St. Petersburg beträgt ungefähr 700,000 Seelen; ihr Budget für 1873 bestimmt die vorgesehenen Einnahmen auf Rubel 3,805,000, die Ausgaben auf Rubel 5,278,000, die Bilanz ergibt somit eine Mehrausgabe von Rubel 1,473,000, welche mit Hülfe des städtischen Reservekapitals gedeckt werden soll. Das Immobiliarvermögen wirft ungefähr ljz der laufenden Einnahmen der Stadt, d. h. Rubel 1,317,000, ab; die Pateute, Taxen und Steuern, welche Handel und Industrie zahlen, weifen Rubel 1,241,000 ab, der städtische Grundbesitz an Micthains, Pachtgeldern und Abgaben Rubel 477,000, die indirekten Steuern Rubel 480,000; der liest wird durch verschiedene außerordentliche Abgaben erhoben.

Es folgt hier das Budget der Staatseinnahmen und Ausgaben für das Verwaltungsjahr 1874: ,

688

Einnahmen.

I. Ordentliche, Einnahmen : Direkte Steuern ( Steuern und Patents) , . . .

Indirekte .Steuern (Abgaben und Accise) Regale Staatsgüter Verschiedene Einnahmen .

TranskaufcasÌ3chè°Einnah men

Rubel.

Rubel.

'107,085,469 281,182,442 22-851,857 45,804,747 50,332,261 7,111,139

514,367,915

u. Recettes d'ordre . . .

III. Spezialsmnmea/welche für den Bau von-Msehbahnen und Häfen angewiesen sind . .

,19,184,979

Gesammteinnahrnen

539,851,656

6,298,762

689

Aasgraben.

I. Ordentliche Ausgaben: Staatsschuld Höhere Staatsanstellen .

Ressort der h. Synode .

Kaiserliches Haus . . .

Auswärtige Angelegenheiten Krieg . . , " .- . . .

Marine . , . , . . .

Finanzen Reichsdomànen . . . .

laueres Oeffentlicher Unterricht . .

Verkehrsmittel . . ~ .,.

Ju.itu Reichskontrolle . . . .

Direktion der Reichsgestute Justizressort für das Konigreich Polen Transkaukasische Ausgaben II. Verluste bei der Steuereinnahme III. Dépenses d'ordre . . . .

IV. Außerordentliche zeitweilige Ausgaben für Eisenbahnu n d Hafenbauten . . . .

Gesammtausgaben . . .

Ueberschuß an Einnahmen

Rubel.

Rubel.

93,257,877 1,969,453 9,663,360 8,886,599 2,532,093 170,192,553 24,847,685 80,342.492 9,740.684 43,747,452 13,135,009 27,301,289 11,458,540 2,041,977 697,541 834,517 6,540,888

507,200,095 4,000,000 19,184,979 6,298,762 536,6^3,836 3,167,820 539,851,656

090 Der auf dieser Basis begründete Voranschlag der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben für das Verwaltungsjahr 1874 ergibt als Resultat einen Einnahmenüberschuß von Rubel 7,167,820. In den letzten Jahren war eine Summe von einer Million Rubel von dem disponiblen Büdgetfonds abgeschrieben worden, um die eventuellen Einnahmenausfälle zu decken. Angesichts der üblen Folgen der Mißernte, die im Jahre 1873 den südöstlichen Theil des Reiches betroffen hat, welche sich zunächst bei der Erhebung der direkten Steuern fühlbar machen und dann auch auf andere Einnahmequellen des Staates rückwirken weden hat man für gut gefunden, die Summe für vorzusehendeEinnahmenausfälle auf 4 Millionen Rubel zu erhöhen. · Nach Abzug dieser Summe beträgt der schließliche Einnahmenüberschuß des Budgets für 1874 Rubel 3,167,820.

Die bevorstehenden Mehrausgaben, verursacht durch die Einführung des obligatorischen Militärdienstes, durch die Aufstellung neuer Rechtsinstitutionen in den Provinzen, wo die Reform vom 20. November 1864 noch nicht eingeführt worden ist, und endlich durch die für das Budget des Kriegsministeriums vom Jahre 1875 an vorgesehene Erhöhung um 5 Millionen Rubel, lassen jenen Ueberschuß nur als eine nothwendige Reserve ansehen. Die Vorsicht, mit welcher die Ansätze im Budget für 1874 aufgestellt worden sind, berechtigt zu der Hoffnung, daß, abgesehen von unvorhergesehenen Umständen, die Erwartungen sich vollständig bewahrheiten werden. Der endgültige Abschluß des Budgets für 1872, welcher unter weniger günstigen Bedingungen stattfand, war befriedigend und hinterläßt für die nachfolgenden Verwaltungsjahre keinerlei Verpflichtungen, welche nicht durch die entsprechendenHülfsquellen gedeckt Wären.

Am 1. November 1873stellten die Einnahmen für '1873 einen Ueberschuß gegen die Büdgetansätze in Aussicht und die Ausgaben dès Verwaltungsjahres wurden durch die Einnahmen gedeckt, trotz der im Jahre 1873 staattgehabten bedeutenden Reduktion der Supplementarkredite, welche, im Vergleich zu 1872, um mehr als zehn Millionen Rubel abgenommen haben und auch trotz des Ausnahmeumstandes der Expedition nach Khiwa.

Das Kapital des schweizerischen Wohlthätigkeitsvereins in St.

Petersburg (zu welchem 41 Effektivmitglieder bei einer Zahl von 701 in Petersburg wohnenden Landsleuten gehören), beträgt gegenwärtig Rubel 19,350;
seine Ausgaben sind im Jahre 1873 auf Rubel 2673. 50 Kop. gestiegen, und das Verwaltungsjahr schloß mit einem Kassenguthaben von Rubel 332. 29 Kop. in Folge verschiedener außerordentlicher Einnahmen ab. Der Verein hat im Jahre 1873 64 Personen unterstützt (mit durchschnittlich Fr. 136. 25 per Kopf), w o v o n 17 a l l e i n dem K a n t o n G l a r u s a n g e h ö r t e n .

«91 Unter den Kantonen, welchen die größte Zahl Unterstützter angehören, belinden sich außer Glarus: Zürich, Tessin, Freiburg und Waadt, deren Regierungen noch nie irgend welchen Beitrag an den schweizerischen Wohlthätigkeitsverein in St. Petersburg gelangen ließen, während BErn Graubündcn, Aargau und Neuenburg uns jedes Jahr einen maßigen Beitrag zu übermitteln pflegen, welcher, so bescheiden er auch scheinen mag, stets mit aufrichtigem Dank angenommen wird. Der letzte Jahresbericht des Vereins sagt in Bezug darauf, daß, wenn der hohe Bundesrath genöthigt war, den Betrag seiner Beisteuer herabzusetzen, weil die Zahl der schweizerischen Hülfsvereine im Auslande jährlich zunimmt, die ihm zu ihrer Unterstützung zur Verfügung gestellte Summe aber stets die gleiche bleibt, die Kantonsregierungen nicht dieselbe Entschuldigung für sich haben, daß sie. vielmehr als gute Eidgenossen die Pflicht hätten, in größerer Zahl der jährlich ihnen zugehenden Aufforderung, uns eine Beisteuer zukommen -zu lassen, zu entsprechen. Der schweizerische Verein in St. Petersburg hat um so mehr Anspruch darauf, als, wenn er alle armen Landsleute, welche er erhält, erzieht oder unterstützt, in die Schweiz zurückschieben wollte, sie notwendigerweise ihren Gemeinden zur Last fallen würden.

Zum Schlüsse drücke ich hier mit Vergnügen die Befriedigung aus, welche die in Rußland niedergelasseneu Schweizer empfunden haben, daß die Bande, welche ihr Vaterland und das Land ihrer Niederlassung verbinden, durch den Niederlassungs- und Handelsvertrag vom 14/26. Dezember 1872 und den Auglieferungsvertrag vom 5/17. November 1873, welche die schweizerische Eidgenossenschaft und das russische Reich abgeschlossen und endgültig zu Bern am 3. Oktober, resp. 24. Dezember 1873 ratifizirt haben, noch enger geknüpft; worden sind.

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Bericht des schweiz. Konsuls in St. Petersburg (Hrn. Philippin-Duval von Genf) über das Jahr 1873. (Vom 19/31. März 1874.)

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1874

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1

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21

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16.05.1874

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675-691

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