00.419 Parlamentarische Initiative Schutz vor Gewalt im Familienkreis und in der Partnerschaft Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. August 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Zivilgesetzbuches. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

18. August 2005

Im Namen der Kommission Der Präsident: Luzi Stamm

2005-2565

6871

Übersicht Der soziale Nahraum ist ein Bereich des Vertrauens, der Verständigung und der Fürsorge. Die Wirklichkeit sieht aber oft anders aus. Die häusliche Gewalt ist heute ein alltägliches Phänomen. Damit die Opfer, bei denen es sich häufig um Frauen handelt, nicht mehr gezwungen sind, ihre Wohnung zu verlassen und in einer Betreuungseinrichtung Unterschlupf zu suchen, reichte Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot-Mangold im Juni 2000 eine parlamentarische Initiative ein. Diese verlangt, dass die Opfer häuslicher Gewalt geschützt werden, indem die gewalttätigen Personen sofort aus der Wohnung weggewiesen werden und diese für eine bestimmte Zeit nicht mehr betreten dürfen. Der Nationalrat hat dieser Initiative im Juni 2001 Folge gegeben.

In der Folge erarbeitete die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates einen Vorschlag zur Änderung des Zivilgesetzbuches (ZGB). Die Vorlage sieht vor, die Bestimmungen über den Schutz der Persönlichkeit (Art. 28 ff. ZGB) mit allgemeinen Massnahmen zum Schutz vor Gewalt, Drohungen und Nachstellungen sowie mit besonderen Schutzmassnahmen bei häuslicher Gewalt zu ergänzen. Erfasst werden somit neben der häuslichen Gewalt auch weitere Formen von Gewalt wie das zwanghafte Verfolgen und Belästigen einer Person (engl. «Stalking»).

Die Massnahmen, die beim Gericht beantragt werden können, sind insbesondere das Verbot für die verletzende Person, sich dem Opfer zu nähern oder sich in einem bestimmten Umkreis seiner Wohnung aufzuhalten, sich an bestimmten Orten aufzuhalten oder mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen.

Wohnen das Opfer und die verletzende Person in einer Wohnung zusammen, kann das Gericht zudem veranlassen, die verletzende Person für eine bestimmte Zeit aus der Wohnung auszuweisen. Für die ausschliessliche Benützung der Wohnung kann eine angemessene Entschädigung festgelegt werden. Weiter kann das Gericht dem Opfer mit Zustimmung des Vermieters die Rechte und Pflichten aus einem Mietvertrag allein übertragen.

Gemäss Entwurf sind die Kantone verpflichtet, eine Stelle zu bezeichnen, die im Krisenfall die sofortige Ausweisung der verletzenden Person aus der gemeinsamen Wohnung verfügen kann.

Die Kantone müssen zudem dafür sorgen, dass sich von Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen betroffene Opfer und deren Täter an Beratungsstellen wenden können.

6872

Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Parlamentarische Initiative

Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot-Mangold reichte am 14. Juni 2000 eine parlamentarische Initiative ein, welche verlangt, dass die Opfer häuslicher Gewalt geschützt werden, indem die gewalttätigen Personen sofort aus der Wohnung weggewiesen werden und diese für eine bestimmte Zeit nicht mehr betreten dürfen.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat diese Initiative am 21. Februar 2001 vorgeprüft und mit 13 zu 5 Stimmen bei 4 Enthaltungen Folgegeben beantragt.

Der Nationalrat entsprach am 7. Juni 2001 dem Antrag der Kommission und gab der Initiative ohne Gegenstimme Folge1.

Hierauf beauftragte er gestützt auf Artikel 21quater Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG)2 seine Kommission für Rechtsfragen mit der Ausarbeitung einer Vorlage.

1.2

Arbeiten der Kommission und der Subkommission

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates beauftragte am 2. September 2002 eine Subkommission, einen Vorentwurf im Sinne der parlamentarischen Initiative auszuarbeiten. Diese Subkommission setzte sich zusammen aus den Nationalrätinnen Vallender (Präsidentin), Garbani, Leuthard und Thanei sowie den Nationalräten Glasson, Seiler und Siegrist. Sie trat zwischen Oktober 2002 und Juni 2003 viermal zusammen und hörte dabei Experten verschiedener Fachbereiche an. Am 23. Juni 2003 nahm sie einen Vorentwurf zu Handen der Gesamtkommission an.

Am 25. August 2003 nahm die Kommission einen Gesetzesvorentwurf mit 17 gegen 2 Stimmen bei 1 Enthaltung an und beauftragte den Bundesrat, eine Vernehmlassung durchzuführen.

Am 1. Juli 2004 nahm die Kommission die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis und beauftragte die Subkommission, den Entwurf im Lichte der von den Vernehmlassern vorgebrachten Einwände zu überprüfen. Die Subkommission setzte sich zusammen aus den Nationalrätinnen Garbani, Häberli-Koller, Markwalder Bär und Thanei sowie den Nationalräten Glasson (Präsident), Mathys und Siegrist. Sie trat zwischen Oktober 2004 und Juni 2005 viermal zusammen. Am 28. April 2005 nahm sie einen Entwurf zu Handen der Gesamtkommission einstimmig an.

Am 18. August 2005 nahm die Kommission den vorliegenden Entwurf mit 18 Stimmen bei 3 Enthaltungen an.

1 2

AB 2001 N 615 SR 171.11; vgl. Art. 173 Ziff. 3 des Bundesgesetzes über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10).

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Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit gemäss Artikel 21quater Absatz 2 GVG durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt

2.1.1

Häusliche Gewalt

Die Familie als Kern des sozialen Umfeldes sollte ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit sein. Dem ist aber nicht immer so. Die häusliche Gewalt ist heute ein alltägliches Phänomen, gegen das niemand gefeit ist.3 Aus einer Studie über diese Art von Misshandlung geht hervor, dass mehr als eine von fünf Frauen (20,7 %) schon körperliche (12,6 %) oder sexuelle Gewalt (11,6 %) durch ihren Partner erleiden musste4.

Die Gesellschaft toleriert es nicht mehr, dass Täter von Gewalthandlungen unter den Schutz der Privatsphäre gestellt werden. So werden die typischen Delikte der häuslichen Gewalt gemäss der Änderung des Strafgesetzbuches (StGB)5 vom 3. Oktober 20036, die auf zwei parlamentarische Initiativen7 zurückgeht, als Offizialdelikte klassifiziert. In diesem Sinne muss auch die häusliche Gewalt, obschon sie durch eine enge Gefühlsbeziehung zwischen Täter und Opfer gekennzeichnet ist, als Problem der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit gesehen werden. Die Opfer müssen wirksam geschützt werden, dies umso mehr, als sie mit der Person, die gegen sie Gewalt ausübt, zusammenwohnen.

2.1.2

Weitere Formen von Gewalt

Neben der häuslichen Gewalt gibt es weitere Formen von Gewalt, die im Rahmen der Bestimmungen über den Schutz der Persönlichkeit zu berücksichtigen sind. Es sind dies insbesondere die Drohung und die Nachstellung, Handlungen also, die unter den Begriff des sogenannten «Stalking» fallen. Dieser Begriff wurde Ende der Achtzigerjahre in den USA eingeführt, um das immer häufiger beobachtete Phänomen des zwanghaften Verfolgens und Belästigens einer Person zu erfassen. Heute gelten als typische Merkmale des Stalking das Ausspionieren, fortwährende Aufsuchen physischer Nähe (Verfolgen), Belästigen und Bedrohen eines anderen Menschen. Charakteristisch ist stets, dass viele Einzelhandlungen erst durch ihre Wiederholung und ihre Kombination zum Stalking werden.8

3

4 5 6 7

8

von Cranach Mario, Les résultats d'un programme national de recherche, Bern 2002, S. 50 ff.; Gillioz Lucienne/De Puy Jacqueline/Ducruet Véronique, Domination et violence envers la femme dans le couple, Lausanne 1997, S. 69f.

Gillioz Lucienne/De Puy Jacqueline/Ducruet Véronique, aaO., S. 70.

SR 311.0 AS 2004 1403 96.464. Pa.Iv. Gewalt gegen Frauen als Offizialdelikt. Revision von Artikel 123 StGB; 96.465. Pa.Iv. Sexuelle Gewalt in der Ehe als Offizialdelikt. Revision von Artikel 189 und 190 StGB Siehe BGE 129 IV 262 ff. E. 2.3.

6874

Eine der ersten epidemiologischen Studien in Europa zum Thema Stalking ist in Deutschland durchgeführt worden. Die Ergebnisse legen nahe, dass Stalking viel verbreiteter ist als angenommen. Gemäss dieser Studie waren 12 % der befragten Personen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Stalking. Bei 68 % dauerte die Verfolgung und Belästigung länger als einen Monat, bei etwa einem Viertel länger als ein Jahr. Unter den Stalkingopfern befanden sich bedeutend mehr Frauen (87 %), wogegen 85 % der Täter Männer waren. In drei Viertel der Fälle kannte das Opfer seinen Verfolger. Etwa in der Hälfte aller Fälle handelte es sich bei Tätern um Ex-Partner, die das Ende einer Beziehung nicht akzeptieren konnten.9 Diese Ergebnisse zeigen, dass nicht nur im Rahmen von bestehenden Beziehungen ein Bedürfnis nach Massnahmen zum Schutz vor Gewalt besteht. Auch nach Beendigung einer Beziehung oder ausserhalb einer solchen gibt es Formen von Gewalt, die allgemeine Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit erfordern.

2.2

Geltendes Recht

Das geltende Recht bietet keine spezielle Handhabe, um den Gewaltopfern genügend Schutz zu bieten10. Die rechtliche Situation hängt vom Wohnort der betroffenen Personen ab, da sich die Praxis und die Gesetze ­ insbesondere im Zusammenhang mit der Polizei ­ von Kanton zu Kanton unterscheiden. Zudem unterscheidet sich die Rechtslage verheirateter Paare von jener unverheirateter Paare, obwohl der Zivilstand in diesem Bereich nicht massgebend sein sollte.

2.2.1

Auf Bundesebene

2.2.1.1

Im Allgemeinen

Die allgemeinen Bestimmungen in Artikel 28 ff. des Zivilgesetzbuches (ZGB)11 erlauben einen Teil der Probleme der Gewalt anzugehen. Diese Artikel schützen die «Persönlichkeit» vor widerrechtlichen Verletzungen durch Dritte. Zu den anerkannten Schutzbereichen der Persönlichkeit gehören physische Schutzbereiche (z.B.

Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Freiheit, Bewegungsfreiheit), psychische Schutzbereiche (z.B. psychische Integrität) sowie soziale Schutzbereiche (z.B. Recht am eigenen Bild, Recht auf Achtung der Privatsphäre, Recht auf Ehre).

Im Falle von Gewalt stehen ­ unabhängig von den schuld- oder sachenrechtlichen Verhältnissen ­ grundsätzlich zwei zivilrechtliche Instrumente zum Schutz der Persönlichkeit zur Verfügung: ­

9 10

11

Die klagende Person kann dem Gericht beantragen, «eine drohende Verletzung zu verbieten» (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Dieser Unterlassungsanspruch hat präventive Funktion. Nachzuweisen ist, dass eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung droht. Die Verwirklichung der Verletzung Siehe Dressing Harald/Kuehner Christine/Gass Peter, Prävalenz von Stalking in Deutschland in: Psychiatrische Praxis 02/2005, S. 73 ff.

Büchler Andrea, Zivilrechtliche Interventionen bei Gewalt in Lebensgemeinschaften in: Die Praxis des Familienrechts FamPra 4/2000, S. 583 ff., 606 f. (Zit.: Zivilrechtliche Interventionen bei Gewalt in Lebensgemeinschaften).

SR 210

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muss ernstlich zu befürchten sein. Folglich sollte das Gericht die Möglichkeit haben, bei drohender Gewalt das Betreten der Wohnung zu untersagen, um die befürchtete Persönlichkeitsverletzung zu verhindern.

­

Die klagende Person kann dem Gericht sodann beantragen, «eine bestehende Verletzung zu beseitigen» (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Dieser Beseitigungsanspruch setzt den Nachweis einer bestehenden Verletzung voraus, was allerdings auch dann anzunehmen ist, wenn die Verletzungshandlung zwar in der Vergangenheit liegt, die verletzte Person aber weiterhin in ihrer Persönlichkeit trifft. Auf den Fall häuslicher Gewalt bezogen bedeutet dies: Sofern die Anwesenheit der gewalttätigen Person in der gemeinsamen Wohnung bei der misshandelten Person einen Angstzustand auslöst, dem der Charakter einer Persönlichkeitsverletzung im Sinne einer Verletzung der psychischen Integrität zukommt, so wäre im Einzelfall ein Betretungsverbot denkbar.

Festgehalten werden muss, dass das vom Gericht verhängte Zutrittsverbot sich von den Bestimmungen über die Zuweisung der Wohnung im Eherecht unterscheidet, und dass das Gericht dem Opfer nicht die Rechte und Pflichten des Mietvertrags übertragen kann. Das Opfer ist folglich in einer schwierigen Situation. Selbst wenn es den Mietvertrag allein unterschrieben hat, kann es seinen Partner oder seine Partnerin nicht fristlos aus der Wohnung ausschliessen, weil ihre Beziehung vom gewöhnlichen Zivilrecht geregelt ist (insbesondere Mietrecht und Bestimmungen über die einfache Gesellschaft).12 Weitere Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit der gewaltbetroffenen Person sind gegebenenfalls Unterlassungsverfügungen in der Form von Annäherungs-, Kontakt-, Strassen- und Quartierverboten.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass eine so weitgehende Anwendung der Artikel 28 ff. ZGB keineswegs systematisch erfolgt, und dass zwischen den verschiedenen Kantonen grosse Unterschiede bestehen.

2.2.1.2

Verheiratete Personen

2.2.1.2.1

Im Allgemeinen

Wendet eine verheiratete Person gegenüber ihrer Ehegattin beziehungweise ihrem Ehegatten Gewalt an, so verstösst ihr Verhalten gegen die Ziele der Ehe. Dieses Verhalten ist unvereinbar mit den Pflichten, die sich aus der ehelichen Gemeinschaft ergeben (Art. 159 ZGB). Neben der Verletzung der körperlichen Integrität ist die Gewalttat auch ein Vertrauensmissbrauch, der schwerwiegende psychische Folgen für das Opfer sowie nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Entwicklung allfälliger Kinder des Paares hat.

In einer solchen Situation kann das Opfer zu seinem Schutz vom Gericht die Anordnung von Eheschutzmassnahmen gemäss Artikel 172 Absatz 1 ZGB verlangen. Das 12

Büchler Andrea, Gewalt in Ehe und Partnerschaft ­ Polizei-, straf- und zivilrechtliche Interventionen am Beispiel des Kantons Basel-Stadt, Basel 1998, Teil 3: Zivilrechtliche Instrumente zum Schutz vor Gewalt in Ehe und Partnerschaft unter Berücksichtigung des Prozessrechts des Kantons Basel-Stadt, § 9: Zivilrechtlicher Schutz vor Gewalt in der Partnerschaft, S. 313 ff.

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Gericht muss die Ehegatten an ihre Pflichten mahnen und versuchen, sie zu versöhnen. Gelingt ihm das nicht, so trifft es die erforderlichen Massnahmen, um das gemeinsame Leben oder die Folgen des Getrenntlebens zu regeln. Dabei kann das Gericht aber nicht jegliche Massnahmen anordnen, die ihm zweckmässig erscheinen.

Vielmehr muss es sich auf die im Gesetz vorgesehenen Massnahmen beschränken (Art. 172 Abs. 3 ZGB). Dürfen die Ehegatten den gemeinsamen Haushalt aufheben, insbesondere in Fällen physischer Gewaltanwendung, so regelt das Gericht die Benützung der Wohnung und des Hausrates (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB) und trifft die nötigen Massnahmen für allfällige minderjährige Kinder (Art. 176 Abs. 3 ZGB).

Fraglich ist, ob über die Wohnungszuweisung hinausgehende Anordnungen wie Annäherungs-, Kontakt-, Strassen- oder Quartierverbote im Rahmen des Eheschutzes zulässig sind, weil die sogenannte Beschränkungsklausel von Artikel 172 Absatz 3 ZGB13 im Wesentlichen nur Massnahmen nach den Artikeln 173­179 ZGB vorsieht. Bei getrennt lebenden Ehegatten geschehen oft Bedrohungen am Arbeitsort. Die Zuweisung der Wohnung bietet nicht genügend Schutz, wenn das Gericht ­ als zusätzliche Massnahme ­ dem Täter oder der Täterin z.B. nicht verbieten kann, sich dem Opfer zu nähern, sich in der Nähe seines Arbeitsplatzes aufzuhalten oder überhaupt Kontakt mit ihm aufzunehmen. Zudem verbessert sich die Situation des Opfers nur, wenn das Gericht seine Massnahmen superprovisorisch anordnet.14 Umstritten ist, ob sich das Opfer auf die allgemeinen Regeln des Schutzes gegen widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung (Art. 28 ff. ZGB) berufen kann oder ob die Eheschutzmassnahmen als lex specialis eine solche Anwendung ausschliessen.15 Die heute herrschende Auffassung unterscheidet: Die Bestimmungen über den Schutz der Persönlichkeit nach den Artikeln 28 ff. ZGB sind nur dann nicht anwendbar, wenn Gegenstand der Auseinandersetzung die Verletzung von Ehepflichten (z.B. eheliche Untreue) ist; handelt es sich aber um eine Verletzung, die statt vom Ehegatten auch von einem Dritten ausgehen könnte (z.B. eine Körperverletzung), ist der Persönlichkeitsschutz auch unter Ehegatten anwendbar.16 Auch die Anwendung der Regeln des Persönlichkeitsschutzes ist für das Opfer mit Nachteilen verbunden, muss es doch die psychische Belastung eines zusätzlichen Verfahrens ertragen17. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der Schutz gegen Gewalt in der Ehe lückenhaft ist.

2.2.1.2.2

Während des Scheidungsverfahrens

Im Rahmen einer Scheidung kann das Gericht das Opfer besser vor häuslicher Gewalt schützen, ist es doch nicht an im Gesetz abschliessend genannte Massnahmen gebunden. Vielmehr kann es alle Massnahmen anordnen, die ihm notwendig

13 14 15 16 17

Art. 172 Abs. 3 ZGB: «trifft das Gericht [...] die vom Gesetz vorgesehenen Massnahmen».

Büchler Andrea, aaO., § 8: Zivilrechtlicher Schutz vor Gewalt während der Ehe, S. 252 ff.

Büchler Andrea, Zivilrechtliche Interventionen bei Gewalt in Lebensgemeinschaften, S. 583 ff., 597 ff.

Statt aller: Berner Kommentar/ Hausheer Heinz/Reusser Ruth/Geiser Thomas, Bern 1999, 2. Aufl., Vorbem. zu Art. 171 ff. ZGB Rdz. 25.

Büchler Andrea, aaO., § 8, S. 252 ff., 287.

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erscheinen (Art. 137 Abs. 2 ZGB)18. Zudem gewährleistet der Artikel 121 ZGB, dass ein Ehegatte und die Kinder im Scheidungsfall unabhängig von den bisherigen Rechtsverhältnissen in der Wohnung verbleiben können, wenn dies aufgrund der konkreten Umstände gerechtfertigt erscheint.

2.2.1.3

Unverheiratete Personen

Schwierig erweist sich die Rechtslage bei Gewalt in der Partnerschaft, wenn das Paar nicht verheiratet ist. Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre lehnen eine analoge Anwendung des Eherechts auf unverheiratete Paare ab. Je nach den Umständen des konkreten Falls sind die Bestimmungen über die einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. des Obligationenrechts (OR)19 auf die Beziehung im Konkubinat anwendbar.20 Die allgemeinen Bestimmungen in Artikel 28 ff. ZGB erlauben es jedoch, einen Teil der Probleme der Gewalt zwischen Konkubinatspaaren anzugehen.21 Dieselben Überlegungen gelten auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.

2.2.2

Auf kantonaler Ebene

Gewalt in der Ehe ist bei den kantonalen Behörden ein aktuelles Diskussionsthema.

Während in verschiedenen Kantonen (u.a. in den Kantonen Aargau22 und Genf23) noch ein Meinungsbildungsprozess in Gang ist, wurden in einigen Kantonen die Gesetze diesbezüglich schon geändert.

Somit waren die Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden die ersten, welche polizeirechtliche Bestimmungen verabschiedeten. Seit dem 1. Januar 2003 kann die Polizei dieser Kantone eine Person, welche andere Personen ernsthaft gefährdet, aus deren Wohnung und ihrer unmittelbaren Umgebung wegweisen und ihr die Rückkehr für zehn Tage verbieten24. Im Kanton St. Gallen überprüft die richterliche Behörde den Entscheid spätestens drei Tage nach der Wegweisung25; im Kanton Appenzell Ausserrhoden muss der oder die Weggewiesene die Entscheidung anfechten, damit sie überprüft wird26. Ersucht die bedrohte Person innerhalb von sieben Tagen seit der Wegweisung beim zuständigen Gericht um Anordnung von Schutzmassnahmen, so wird das Rückkehrverbot bis zum Entscheid verlängert, längstens

18

19 20 21 22 23 24 25 26

Scheidungsrecht ­ Praxiskommentar/ Leuenberger Marcel, Basel 2000, zu Art. 137 ZGB Rdz.13; für das alte Recht: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht/ Geiser T./ Lüchinger Adolf, Basel 1996, zu Art. 145 ZGB Rdz. 8.

SR 220 BGE 108 II 204; Werro Franz, Concubinage, mariage et démariage, Bern 2000, S. 39 ff., S. 43 Rdz. 112, S. 46 Rdz. 126.

Vgl. oben Ziff. 2.2.1.1.

Der Grosse Rat hat im November 2004 die erste Lesung der Revision des Polizeigesetzes beendet.

Gesetzesentwurf 8633, hängig vor der Commission judiciaire des Grossen Rates.

Art. 43 Polizeigesetz des Kantons St. Gallen (sGS 451.1); Art. 17 Polizeigesetz des Kantons Appenzell Ausserrhoden (bGS 521.1) Art. 43quater Polizeigesetz Art. 20 Polizeigesetz

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aber um zehn Tage27. Um den sofortigen Schutz des Opfers sicher zu stellen, kann die sanktgallische Polizei eine Person, welche eine andere Person ernstlich und unmittelbar gefährdet, für längstens 24 Stunden in Gewahrsam nehmen, wenn die Gefährdung nicht auf andere Weise abgewendet werden kann28. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden kann die Polizei den Urheber oder die Urheberin häuslicher Gewalt für kurze Zeit in Gewahrsam nehmen, wenn dies zur Sicherstellung des Vollzugs der Wegweisung oder des Rückkehrverbots notwendig ist29.

Im Kanton Neuenburg ist am 2. Juni 2004 ein Gesetz gegen die Gewalt in Paarbeziehungen30 in Kraft getreten, das verschiedene Ziele verfolgt, so u.a. den Schutz der Gewaltopfer in Partnerschaften. Diese Gewalt wird in diesem Gesetz definiert als «jegliche Beeinträchtigung der physischen, psychischen oder sexuellen Integrität, die in der ehelichen Beziehung oder innerhalb eines Jahres nach der Scheidung begangen wurde» oder «in einer heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, sofern die Partner für unbestimmte Zeit im gleichen Haushalt leben und die Beeinträchtigung in dieser Zeit oder innerhalb eines Jahres nach der Trennung erfolgte»31. Mittels einer Änderung der Strafprozessordnung sieht das Gesetz vor, dass die Polizei Personen, die innerhalb einer Paarbeziehung Gewalt ausüben, aus der Wohnung wegweisen und ihnen die Rückkehr für zehn Tage verbieten kann bzw. für 20 Tage, wenn die Wegweisung von einem Untersuchungsrichter angeordnet wird. Weiter sieht das Gesetz vor, dass der Untersuchungsrichter den Täter für höchstens acht Tage in Gewahrsam nehmen kann, wenn dieser eine andere Person ernstlich und unmittelbar gefährdet und sich diese Gefährdung nicht anders abwenden lässt32. Neben der Verstärkung der polizeilichen und gerichtlichen Handlungskompetenz sieht das Gesetz vor, dass der Staat einerseits den Opfern hilft, indem er Einrichtungen unterstützt, die ihnen Schutz und Aufnahme bieten, andererseits den Tätern, indem er die Schaffung entsprechender Spezialeinrichtungen fördert. Ebenfalls vorgesehen ist, dass der Staat eine entsprechende Informationspolitik führt und im Übrigen für die Koordination der verschiedenen Massnahmen auf diesem Gebiet sorgt.

Weitere Kantone haben ähnliche Bestimmungen wie die Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden angenommen
(u.a. die Kantone Luzern33, Uri34 und Schaffhausen35).

Die Kommission hat anerkennend davon Kenntnis genommen, dass die Kantone im Kampf gegen häusliche Gewalt und zum Schutz der Opfer dieser Gewalt verschiedene Schritte unternommen haben. Sie hat insbesondere festgestellt, dass neben der Schaffung gesetzlicher Grundlagen auch Interventionsprojekte gegen die häusliche

27 28 29 30 31 32 33 34 35

Art. 43quinquies Polizeigesetz des Kantons St. Gallen; Art. 18 Polizeigesetz des Kantons Appenzell Ausserrhoden Art. 40 Polizeigesetz Art. 16 Abs. 1 Bst. d Polizeigesetz Loi sur la lutte contre la violence dans les relations de couple (LVCouple; RSN 322.05) Art. 2 LVCouple Art. 117 Abs. 2 Code de procédure pénale neuchâtelois (RSN 322.0) Art. 83ter Abs. 2, 89ter, 89quater und 89quinquies Gesetz über die Strafprozessordnung (SRL 305) (in Kraft seit dem 1. Juli 2004).

Art. 258a ff. Strafprozessordnung (Urner Rechtsbuch 3.9222) (in Kraft seit dem 1. Juli 2004).

Art. 150a Strafprozessordnung (SHR 320.100) und 24a ff. Polizeiorganisationsgesetz (SHR 354.100) (in Kraft seit dem 1. April 2005).

6879

Gewalt36 initiiert worden sind. Die Kommission beurteilt diese Massnahmen positiv.

Damit die polizeirechtlichen Massnahmen, welche den unmittelbaren Schutz des Opfers gewährleisten, und die zivilrechtlichen Massnahmen, welche dem Opfer einen kurz- bis mittelfristigen Schutz bieten, sich ergänzen, ist es in den Augen der Kommission nötig, dass in der ganzen Schweiz entsprechende Gesetzesänderungen vorgenommen werden. Somit liessen sich die auf Bundesbene vorgeschlagenen Massnahmen effizient umsetzen.

3

Internationaler Rechtsvergleich

Seit 2002 kann gemäss deutschem Recht eine Person, deren körperliche Integrität, Gesundheit oder Freiheit verletzt wurde, oder der mit einer solchen Verletzung gedroht wurde, das Gericht anrufen, damit dieses die angemessenen Massnahmen ergreift37. Das Gericht kann insbesondere dem Urheber oder der Urheberin der Verletzung verbieten, die Wohnung des Opfers zu betreten, mit ihm Kontakt aufzunehmen und es zu treffen. Diese Massnahmen werden für eine befristete Zeit angeordnet. Wenn das Opfer und der Täter oder die Täterin einen gemeinsamen Haushalt führen, kann das Opfer verlangen, dass es allein das Recht zur Nutzung der gemeinsamen Wohnung erhält. Diese Massnahme ist befristet, wenn das Opfer Mitinhaber oder Mitinhaberin des Nutzungsrechts für die Wohnung ist. Steht dem Täter oder der Täterin das Nutzungsrecht allein zu, so ist die Massnahme grundsätzlich auf höchstens sechs Monate befristet. Nicht möglich ist eine solche Wegweisung des Täters oder der Täterin aus der gemeinsamen Wohnung jedoch in drei Fällen: Wenn keine neuen Gewalttaten voraussehbar sind ­ sofern dem Opfer das weitere Zusammenleben überhaupt zumutbar ist ­; wenn das Opfer nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Übergriff schriftlich die Überlassung der Wohnung verlangt hat oder wenn diese Wegweisung für den Täter oder die Täterin eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Die Missachtung dieser Massnahmen wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder mit Busse bestraft.

Das österreichische Parlament hat 1996 ein Gesetz verabschiedet, dessen Zweck der Schutz vor Gewalt in der Familie ist38. Es sieht verschiedene Massnahmen vor, polizeirechtliche und zivilrechtliche. Bei schweren Angriffen auf Leib und Leben, auf die Gesundheit oder auf die Freiheit kann die Polizei den Täter oder die Täterin aus der gemeinsamen Wohnung wegweisen und die Rückkehr in die Wohnung für zehn Tage verbieten; diese Frist kann um zehn Tage verlängert werden, wenn das Opfer vorsorgliche Massnahmen des Zivilrechts verlangt. Die Missachtung des Verbots kann mit Busse oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Wochen bestraft werden. Die Opfer werden über ihre Rechte informiert und beraten. Mit einem Antrag auf Erlass vorsorglicher Massnahmen kann das Opfer verlangen, dass das Gericht die Polizeimassnahmen bestätigt und ergänzt. Das Gericht
kann dem Täter oder der Täterin insbesondere den Kontakt mit dem Opfer sowie den Aufenthalt an Orten verbieten, an denen sich das Opfer aufhält. Diese Massnahmen sind 36 37

38

Insbesondere in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Basel-Land, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich.

Siehe das Gesetz vom 11. Dezember 2001 zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachtstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung.

Siehe das Bundesgesetz vom 30. Dezember 1996 zum Schutz vor Gewalt in der Familie sowie die Änderungen vom 13. August 1999.

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auf höchstens drei Monate befristet oder bis zum Abschluss eines Scheidungsverfahrens wirksam.

In Belgien wurde 1997 ein Gesetz zur Bekämpfung der Gewalt in Partnerschaften verabschiedet39. Wird eine Gewalttat innerhalb einer Partnerschaft begangen, so wirkt sich das in strafrechtlicher Hinsicht bei der Beurteilung von Körperverletzungen strafverschärfend aus. Der Urheber oder die Urheberin von Gewalttaten kann für eine Dauer von 24 Stunden unverzüglich festgenommen werden; in dieser Zeit kann das Opfer das Friedensgericht anrufen, damit dem gewalttätigen Partner oder der gewalttätigen Partnerin die Rückkehr in die Wohnung vorläufig verboten wird.

Schliesslich regelt das Gesetz die Möglichkeit für Organisationen, bei Prozessen im Zusammenhang mit Gewalt in der Ehe mit der Ermächtigung des Opfers in dessen Namen vor Gericht aufzutreten. Dies gilt nur für Organisationen, deren Zweck gemäss Statuten die Hilfe für Opfer von gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Ehe und die Durchführung von öffentlichen Präventions- und Informationskampagnen ist.

In Frankreich sieht eine am 1. Januar 2005 in Kraft gesetzte Änderung des Code civil einen besonderen Schutz für Opfer ehelicher Gewalt vor. Gemäss dem neuen Artikel 220-1 kann das Gericht in Fällen, da eine Gewaltausübung eines Ehegatten den Partner oder ein Kind gefährdet, getrennte Wohnungen anordnen, wobei es klarstellt, welcher der beiden Ehegatten in der bisherigen gemeinsamen Wohnung bleibt. Wo keine besonderen Umstände vorliegen, steht die bisherige Wohnung der Person zu, die nicht Gewalt ausgeübt hat. Die getroffenen Massnahmen werden allerdings hinfällig, wenn nach Ablauf von vier Monaten nach deren Verfügung kein Antrag auf Scheidung oder gerichtliche Trennung gestellt worden ist. Im strafrechtlichen Bereich sind Gesetzgebungsarbeiten im Gange, die u.a. vorsehen, dass das Gericht dem gewalttätigen Ehepartner im Rahmen einer gerichtlichen Überwachung oder einer Bewährung verbieten kann, in der gemeinsamen Wohnung zu leben40.

In Italien wurde im Jahr 2001 ein Gesetz verabschiedet, das Massnahmen im Kampf gegen die häusliche Gewalt vorsieht41. Diese Massnahmen sind hauptsächlich die Wegweisung des Urhebers oder der Urheberin von Gewalt aus der gemeinsamen Wohnung, das Verbot, sich den Orten zu nähern, an denen sich das Opfer häufig aufhält,
und die Verpflichtung, in dieser Zeit für die Bedürfnisse der Familie aufzukommen. Diese Massnahmen sind sowohl im strafrechtlichen als auch im zivilrechtlichen Rahmen anwendbar. Die Massnahmen des Zivilrechts können im Notfall ergriffen werden, ohne dass eine Klage deponiert worden ist. Damit wird ein Strafprozess verhindert. Hält sich die Person, welche häusliche Gewalt ausübt, nicht an die Anweisung des Gerichts, so kann sie von der Polizei dazu angehalten werden.

39 40 41

Siehe Gesetz vom 24. November 1997 zur Bekämpfung der Gewalt in Partnerschaften (Loi visant à combattre la violence au sein du couple).

Bericht Nr. 228 (2004­2005) an den Senat betreffend Entwurf zu einem Gesetz zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen.

Siehe das Gesetz vom 4. April 2001, Nr. 154, Massnahmen gegen die Gewalt in der Familie (Misure contro la violenza nelle relazioni familiari).

6881

4

Vernehmlassung

4.1

Vorentwurf

Der in die Vernehmlassung geschickte Vorentwurf sah zum Schutze von Opfern häuslicher Gewalt im ZGB einen neuen Artikel 28b vor. Nach dieser Bestimmung konnte jede Person, die durch einen körperlichen Angriff oder eine Drohung mit einem solchen in ihrer Persönlichkeit widerrechtlich verletzt war, das Gericht um die erforderlichen Schutzmassnahmen angehen, wenn sie mit der verletzenden Person einen gemeinsamen Haushalt führte oder geführt hatte. Dieser Artikel fand Anwendung bei physischer, nicht aber bei psychischer Gewalt. Er ermöglichte dem Gericht, den Täter aus der Wohnung und ihrer unmittelbaren Umgebung wegzuweisen und ihm zu verbieten, dorthin zurückzukehren, was dem Opfer eine Alternative zur Flucht aus der Wohnung bot. Das Gericht konnte zudem als vorsorgliche Massnahmen dem Täter verbieten, sich dem Opfer zu nähern, Kontakt mit ihm aufzunehmen oder sich an gewissen Orten aufzuhalten. Diese Massnahmen waren befristet.

4.2

Vernehmlassungsergebnisse

An der Vernehmlassung beteiligten sich alle 26 Kantone sowie 6 politische Parteien und 28 Organisationen; dazu kommen 18 nicht offizielle Teilnehmer.42 Die Mehrheit der Vernehmlasser stimmte dem Vorentwurf im Grossen und Ganzen zu, da er den Willen des Staates widerspiegele, die häusliche Gewalt nicht mehr als ein Problem der Privatsphäre anzusehen. Die Vernehmlassungsteilnehmer begrüssten es, dass die Bestimmung alle Personen einschliesst, die im gleichen Haushalt leben, z.B. auch Betagte oder Kinder, und sich gleichermassen an verheiratete und unverheiratete Paare richtet. Ebenfalls positiv beurteilt wurde, dass das Opfer sich auch dann an das Gericht wenden kann, wenn es nicht mehr mit dem Täter im gleichen Haushalt lebt, und dass die Schutzmassnahmen, die das Gericht anordnen kann, nicht abschliessend aufgezählt werden. Von den offiziellen Vernehmlassern sprach sich nur die Schweizerische Volkspartei klar gegen die Vorlage aus, dies mit der Begründung, dass das geltende Recht den Opfern häuslicher Gewalt genügend Schutz biete.

In Frage gestellt wurde allerdings, dass nach dieser Regelung die Opfer häuslicher Gewalt nur bei physischer, nicht aber bei psychischer Gewalt geschützt werden sollen. Als zu einschränkend beurteilt wurde zudem, dass das Opfer mit dem Täter im gemeinsamen Haushalt leben oder gelebt haben muss, um unter die neue Regelung zu fallen. Gewisse Vorbehalte wurden vor allem auch zur Pflicht der Kantone angebracht, Informations- und Beratungsstellen zum Schutz vor häuslicher Gewalt einzurichten. Der Bedarf nach solchen Stellen wird nicht bestritten, missbilligt wird aber, dass die Kosten vollumfänglich auf die Kantone übertragen werden sollen.

Schliesslich wurden zahlreiche Einzelanmerkungen angebracht.

42

Der Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse kann auf der Website des Bundesamtes für Justiz abgerufen werden (www.ofj.admin.ch/d/index.html) ­ Rechtsetzung ­ Häusliche Gewalt.

6882

4.3

Änderungen gegenüber dem Vernehmlassungsvorentwurf

Nach dem Vernehmlassungsentwurf kam der neue Artikel 28b ZGB nur dann zur Anwendung, wenn zwischen gewaltbetroffener und gewaltausübender Person ein gemeinsamer Haushalt besteht oder bestanden hat. Der Entwurf verzichtet auf diese einschränkende Voraussetzung und regelt in allgemeiner Weise, welche Massnahmen zum Schutz der betroffenen Personen bei Persönlichkeitsverletzungen (Art. 28 ZGB) durch Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen beim Gericht beantragt werden können. Damit findet die Bestimmung auch Anwendung auf Fälle, in denen zwischen verletzender Person und Opfer keine Lebensgemeinschaft besteht oder bestanden hat.

Die widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung ist auch nicht mehr auf körperliche Angriffe und Drohungen mit solchen beschränkt, sondern erfasst das gesamte Spektrum von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen. Insbesondere werden die Fälle des zwanghaften Verfolgens und Belästigens einer Person (engl. «Stalking») einbezogen.

Mit diesen beiden Anpassungen wurde den Hauptkritikpunkten der Vernehmlassungsteilnehmer entsprochen. Ferner wurde die neue Regelung im Rahmen der Überarbeitung auch besser in das Kapitel «Persönlichkeitsschutz» (Art. 27 ff. ZGB) integriert, und es wurden Doppelspurigkeiten bezüglich der vorsorglichen Massnahmen eliminiert. Zudem wurde darauf verzichtet, die Ausweisung aus der gemeinsamen Wohnung auf zwei Jahre zu befristen, und dem Gericht wird die Möglichkeit gegeben, eine angemessene Entschädigung für die Alleinbenutzung der Wohnung festzulegen oder die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag mit Zustimmung des Vermieters auf die gewaltbetroffene Person zu übertragen.

Schliesslich werden die Kantone neu verpflichtet, eine Stelle zu bezeichnen, die im Krisenfall die sofortige Ausweisung einer Person aus der gemeinsamen Wohnung verfügen kann.

5

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

5.1

Artikel 28a ZGB (Änderung des Randtitels)

Artikel 28a ZGB erhält lediglich einen zusätzlichen Randtitel (a. Im Allgemeinen).

Diese Bestimmung regelt in allgemeiner Weise, welche Massnahmen die Klägerin bzw. der Kläger bei widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzungen gemäss Artikel 28 ZGB dem Gericht beantragen kann.

5.2

Artikel 28b ZGB

5.2.1

Allgemeines

Der neue Artikel 28b ZGB schliesst in systematischer Hinsicht an Artikel 28a ZGB an. Der Randtitel führt die in Artikel 28a ZGB begonnene Nummerierung weiter (b. Gewalt, Drohungen und Nachstellungen). Damit bezieht er sich direkt auf Artikel 28 ZGB. Das heisst, dass die vorgesehenen Massnahmen angeordnet werden können, wenn eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung verursacht durch Gewalt, 6883

Drohungen oder Nachstellungen vorliegt. Die zum Schutz der Persönlichkeit von Doktrin und Praxis entwickelten Grundsätze gelten daher auch für den neuen Artikel 28b ZGB.

5.2.2

Tatbestandsvoraussetzung (Art. 28b Abs. 1 Einleitungssatz ZGB)

Der Einleitungssatz von Artikel 28b Absatz 1 ZGB nennt eine Tatbestandsvoraussetzung der Persönlichkeitsverletzung, die gegeben sein muss, damit die Massnahmen nach dieser Bestimmung zur Anwendung kommen. Es handelt sich um Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen.

5.2.2.1

Gewalt

Unter Gewalt ist die unmittelbare Beeinträchtigung der physischen, psychischen, sexuellen oder sozialen Integrität eines Menschen zu verstehen. Die Bezeichnung «häusliche Gewalt», welche der Vernehmlassungsvorentwurf verwendete, ist enger; sie erfasst nur die Gewalt «innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen Beziehung»43. Auch wenn der Gewaltbegriff im vorliegenden Entwurf keine Einschränkung mehr erfährt, muss der Grad der Verletzung eine gewisse Intensität aufweisen. Nicht jedes sozial unkorrekte Verhalten ist auch eine Persönlichkeitsverletzung44.

5.2.2.2

Drohungen

Unter Drohungen ist ein Inaussichtstellen von widerrechtlichen Verletzungen der Persönlichkeit zu verstehen. Auch in diesem Fall muss es sich um eine ernst zu nehmende Bedrohung handeln, die das Opfer um seine physische, psychische, sexuelle oder soziale Integrität oder allenfalls diejenige eines ihm nahestehenden Menschen (z.B. des eigenen Kindes) fürchten lässt, und nicht um eine harmlose Bedrohung.

5.2.2.3

Nachstellungen

Diese Tatbestandsvoraussetzung ist gegeben bei zwanghaftem Verfolgen und Belästigen einer Person über eine längere Zeit, und zwar unabhängig davon, ob zwischen dem Täter oder der Täterin und dem Opfer eine Beziehung besteht oder nicht. Typische Merkmale von Nachstellungen sind das Ausspionieren, der Drang nach physischer Nähe und damit verbunden das stetige Verfolgen und Aufsuchen sowie das

43 44

Kranich Schneiter Cornelia/Eggenberger Marlene/Lindauer Ursula, Gemeinsam gegen häusliche Gewalt ­ Eine Bestandesaufnahme im Kanton Zürich, Zürich 2004, S. 23.

Basler Kommentar/Meili Andreas, Basel 2002, 2. Aufl., zu Art. 28 ZGB Rdz. 38.

6884

Belästigen und Bedrohen einer Person. Diese Vorkommnisse müssen bei der betroffenen Person starke Furcht hervorrufen und wiederholt auftreten.45

5.2.3

Legitimation

Aktivlegitimiert ist nur die von der Persönlichkeitsverletzung betroffene Person (die verletzte, bedrohte, von einer Nachstellung betroffene Person). Im Vernehmlassungsverfahren ist vereinzelt angeregt worden, auch Personen, die dem Opfer nahestehen, die Aktivlegitimation einzuräumen.46 Diesem Anliegen wird nicht entsprochen. Eine verletzte Person kann durchaus gute Gründe dafür haben, warum sie gegen die verletzende Person keine zivilrechtliche Klage einleiten möchte. Es kann daher nicht sein, dass ausgerechnet im Bereich des individuellen Persönlichkeitsschutzes eine Drittperson die Absichten des Opfers durchkreuzen kann.

Passivlegitimiert ist die verletzende Person, d.h. der Urheber der Verletzungshandlung sowie alle Personen, die daran in irgendeiner Weise mitgewirkt haben, somit auch Gehilfen47.

5.2.4

Schutzmassnahmen (Art. 28b Abs. 1 Ziff. 1-3 ZGB)

Artikel 28b Absatz 1 Ziffer 1­3 ZGB konkretisiert Massnahmen, welche die klagende Person dem Gericht im Falle von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen beantragen kann. Aus dem Begriff «insbesondere» (Abs. 1 Einleitungssatz) folgt, dass die Aufzählung nicht abschliessend ist.

Beispielhaft erwähnt werden verschiedene Unterlassungsansprüche, nämlich ein Annäherungsverbot (Abs. 1 Ziff. 1), ein Ortsverbot, namentlich betreffend bestimmte Strassen, Plätze oder Quartiere (Abs. 1 Ziff. 2) sowie ein Kontaktaufnahmeverbot, namentlich auf telefonischem, schriftlichem oder elektronischem Weg (Abs. 1 Ziff. 3). Verboten werden kann aber auch eine anderweitige Belästigung. Darunter können sowohl unmittelbare als auch mittelbare Belästigungen verstanden werden.

Eine mittelbare Belästigung kann beispielsweise darin bestehen, dass sich die verletzende Person einer Drittperson bedient, um dem Opfer nachzustellen.

Das Gericht hat bei den vom ihm zu treffenden Anordnungen zum Schutz des Opfers den im vorliegenden Zusammenhang zentralen Grundsatz der Verhältnismässigkeit (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV)48) zu beachten, da mit den Massnahmen auch in grundrechtlich geschützte Positionen der verletzenden Person eingegriffen wird. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Dauer der Massnahmen. Der neue Artikel 28b ZGB sieht entsprechend dem geltenden Recht keine zeitliche Begrenzung der Massnahmen vor. Eine Befristung wäre in vielen Fällen (z.B. bei telefonischer Belästigung oder Nachstellungen) auch gar

45

46 47 48

BGE 129 IV 262 E. 2.3; Köblmann Rebecca, Stalking, Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 85/2002, S. 25; Dressing Harald/Gass Peter, Stalking ­ vom Psychoterror zum Mord, der Nervenarzt 2002, S. 1112.

Siehe zur Aktivlegitimation: Basler Kommentar/ Meili Andreas, aaO., zu Art. 28 ZGB Rdz. 32; BGE 95 II 537.

Basler Kommentar/ Meili Andreas, aaO., zu Art. 28 ZGB Rdz. 37; BGE 95 II 537.

SR 101

6885

nicht sinnvoll. Im pflichtgemässen Ermessen des Gerichts liegt es, festzulegen, ob die Massnahme befristet oder unbefristet angeordnet wird.

Das Gericht hat die für das Opfer genügend wirksame und für den Täter oder die Täterin am wenigsten einschneidende Massnahme zu treffen. Denkbar ist, dass die verletzende Person etwa geltend macht, zur Wahrung berechtigter Interessen sei die Aufnahme des Kontakts mit dem Opfer erforderlich, namentlich zur Ausübung des Besuchsrechts bezüglich Kindern (Art. 273 ff. ZGB). Da das Verhältnismässigkeitsprinzip die Abwägung der verschiedenen Interessen zulässt, kann das Gericht die dem Einzelfall angemessene Lösung treffen.

In der Regel wird das Gericht die verbindliche Verhaltensanweisung, die in einem Gebot oder in einem Verbot bestehen kann, unter Androhung der Bestrafung nach Artikel 292 des Strafgesetzbuches (StGB)49 (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) anordnen. Dabei verlangt das Legalitätsprinzip, dass das dem Adressaten oder der Adressatin der Anordnung auferlegte Verhalten hinreichend klar umschrieben ist, so dass die verletzende Person sich tatsächlich danach richten kann. Das Gericht muss auf die Strafdrohung von Artikel 292 StGB (Haft oder Busse) aufmerksam machen.

5.2.5

Massnahmen bei Zusammenleben in einer Wohnung (Art. 28b Abs. 2 und 3 ZGB)

5.2.5.1

Ausweisung aus der gemeinsamen Wohnung (Art. 28b Abs. 2 ZGB)

Leben klagende und beklagte Person in einer Wohnung zusammen, so kann das Gericht die beklagte Person aus der gemeinsam bewohnten Wohnung ausweisen, d.h. sie dazu verurteilen, die Wohnung für eine bestimmte Zeit zu verlassen und während dieser Zeit nicht dorthin zurückzukehren. Dies schafft insbesondere gewaltbetroffenen Frauen eine Alternative zur Flucht ins Frauenhaus. Das Wort «zudem» bringt zum Ausdruck, dass zusätzlich zur Ausweisung nach Absatz 2 selbstverständlich auch die in Absatz 1 vorgesehenen Massnahmen angeordnet werden können. Das Gesetz nennt keine zeitliche Begrenzung. Es bleibt dem richterlichen Ermessen überlassen, die Dauer der Ausweisung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu bestimmen. So kann es beispielsweise bei Wohnungsnot angezeigt sein, dem Opfer genügend Zeit für die Suche nach einem angemessenen Ersatzwohnraum einzuräumen, wenn ihm die gemeinsame Wohnung nicht auf Dauer überlassen werden kann.

Eine Wegweisung aus der Wohnung kann angeordnet werden, wenn die klagende Person mit dem Täter bzw. der Täterin in der gleichen Wohnung lebt. Zwar werden es in der Regel Ehe- oder heterosexuelle bzw. homosexuelle Konkubinatspaare sowie ­ nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare50 ­ auch eingetragene Paare sein, die in einer Wohnung zusammenleben. Die neue Bestimmung soll aber nicht nur diese Art von Beziehungsproblemen lösen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist beispielsweise die 49 50

SR 311.0 Das Gesetz wurde in der Volksabstimmung vom 5. Juni 2005 angenommen (Partnerschaftsgesetz, PartG; BBl 2004 3137 ff.).

6886

Situation, wo eine Mutter mit ihrer Tochter und allenfalls deren Familie zusammenwohnt. Es ist auch möglich, dass mehrere Personen eine Wohnung teilen, ohne dass ein eigentlicher gemeinsamer Haushalt besteht. Zu denken ist etwa an Studierende, die gemeinsam eine Wohnung mieten und die Zimmer individuell bewohnen. Das Zusammenleben in der gleichen Wohnung beschränkt sich somit nicht nur auf ein Paar, sondern schliesst auch andere Wohnformen mit ein. Ausgeschlossen bleiben indessen Einrichtungen mit Heimcharakter.

Das Opfer kann sich auf Artikel 28b Absatz 2 ZGB berufen und die Wegweisung der gewaltausübenden Person aus dieser Wohnung beantragen, selbst wenn es zu seinem Schutz in einem ersten Schritt die gemeinsam bewohnte Wohnung verlassen hat und z.B. in ein Frauenhaus geflohen ist. Die verletzende Handlung muss im Übrigen auch nicht notwendigerweise innerhalb der gemeinsamen Wohnung stattgefunden haben, damit die verletzende Person aus ihr ausgewiesen werden kann.

Die (probeweise) Wiederaufnahme des Zusammenlebens, hat nicht zur Folge, dass die gerichtlich angeordnete Ausweisung dahinfällt. Vielmehr kann sich die verletzte Person während der festgesetzten Dauer der Massnahme bis zu deren Ablauf weiterhin darauf berufen. Eine analoge Anwendung von Artikel 179 Absatz 2 ZGB ist angesichts der Befristung der Massnahme nicht angezeigt.

Die vom Gericht festgesetzte Ausweisungsdauer kann bei vorliegen wichtiger Gründe einmal verlängert werden. Ein wichtiger Grund kann sein, dass die gewaltbetroffene Person, der das Gericht die Wohnung der gewaltausübenden Person für eine bestimmte Zeit zur Alleinbenutzung zugesprochen hat, trotz intensiver Suche keine neue Wohnung gefunden hat (z.B. wegen der Wohnungsnot). Zu berücksichtigen sind bei diesem Entscheid die gesamten Umstände des Einzelfalls.

5.2.5.2

Schutz von Kindern und Betagten

Der Regelung von Artikel 28b Absatz 2 ZGB liegt die Forderung der Frauenbewegung: «Wer schlägt, der geht» («Wer schlot, de goht») zugrunde. Gedacht ist in erster Linie an das partnerschaftliche Zusammenleben. Klagebefugt sind indessen nicht nur von Gewalt betroffene Ehegatten oder Lebenspartner sowie zukünftig auch eingetragene Partnerinnen bzw. Partner51, sondern «Wer in seiner Person widerrechtlich verletzt wird» (Art. 28 Abs. 1 Einleitungssatz ZGB), mithin somit auch Kinder und Betagte, die in der gemeinsamen Wohnung leben. Damit allein ist misshandelten oder vernachlässigten Kindern und Betagten in der Regel aber kaum geholfen. Das für den Persönlichkeitsschutz zuständige Gericht kann diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen, indem es die spezifischen Massnahmen zum Schutz vor Gewalt in der gemeinsamen Wohnung nur anordnet, insofern sie verhältnismässig sind, d.h. geeignet, erforderlich und dem konkreten Fall angepasst sind. Im Übrigen haben die Bestimmungen des Kindes- und Erwachsenenschutzes als leges speciales zu Artikel 28b Vorrang. So hat das geltende ZGB den Kindesschutz eingehend geregelt und seine Anwendung vormundschaftlichen Organen anvertraut. Der Kindesschutz umfasst zum einen die im Kindesrecht geregelten Eingriffe in die elterliche Sorge (Art. 307­315b ZGB), zum andern die Unmündigenvormundschaft (Art. 368, 405 f., 407 ff. ZGB). Ergänzt wird der Kindesschutz durch die Pflegekinderaufsicht (Art. 316 ZGB; Verordnung über die Aufnahme von Kindern zur 51

siehe Fussnote 50.

6887

Pflege und zur Adoption52) und die Jugendhilfe (Art. 317 ZGB). Bei volljährigen Personen, die infolge eines Schwächezustands nicht in der Lage sind, aktiv ihre Interessen zu wahren, kommen Massnahmen des Erwachsenenschutzes (Art. 360 ff.

ZGB) in Frage.

In jedem Fall wird eine genaue Abklärung der Umstände und eine entsprechende Interessenabwägung aufzeigen müssen, welche Massnahmen am ehesten geeignet sind, eine Beseitigung des beanstandeten Zustandes zu erreichen. Im Vergleich zu Kindesschutzmassnahmen haben Anordnungen des für den Persönlichkeitsschutz zuständigen Gerichts den Vorteil, dass sie mit Eintritt der Mündigkeit nicht dahinfallen.

5.2.5.3

Gewaltanwendung Minderjähriger

Nicht auszuschliessen sind Gewaltanwendungen minderjähriger Kinder gegenüber ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten. In solchen Fällen ist für Schutzmassnahmen nach Artikel 28b ZGB aber nur Raum, wenn Bemühungen im Rahmen der Jugendhilfe (vgl. Art. 145 Abs. 2 ZGB) oder sorgerechtliche Massnahmen der Eltern ­ etwa die anderweitige Unterbringung des Kindes in Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ­ nicht geeignet oder nicht ausreichend sind, um weitere Verletzungen abzuwenden.

5.2.5.4

Entschädigung für die ausschliessliche Benutzung der gemeinsamen Wohnung; Übertragung des Mietverhältnisses (Art. 28b Abs. 3 ZGB)

Artikel 28b Absatz 3 Ziffer 1 ZGB sieht vor, dass das Gericht eine angemessene Entschädigung für die Alleinbenutzung der gemeinsamen Wohnung festlegen kann, wenn es die Umstände rechtfertigen. Diese Massnahme könnte beispielsweise bei einer Eigentumgswohnung in Betracht kommen, wenn die Ausweisung sich nicht auf kurze Zeit beschränkt, so dass die ausgewiesene Person längerfristig eine neue Bleibe suchen muss, was mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Sind allerdings die verletzte und die verletztende Person miteinander verheiratet, so geht die eherechtliche Unterhaltspflicht (Art. 163 ZGB) vor. Zu berücksichtigen ist zudem bei Konkubinatspaaren die Unterhaltspflicht gegenüber gemeinsamen Kindern (Art. 276 ff. ZGB), die in der Wohnung bleiben.

Ist die gewaltausübende Person Mieterin der Wohnung und muss sie für längere Zeit die Wohnung verlassen, so besteht die Gefahr, dass sie den Mietvertrag kündigt. Um solche Situationen zu vermeiden, räumt Artikel 28b Absatz 3 Ziffer 2 ZGB ­ in Anlehnung an Artikel 121 Absatz 1 ZGB ­ dem Gericht die Möglichkeit ein, statt eine längere Ausweisung zu verfügen, die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag dem Opfer zu übertragen. Damit kann eine definitive Regelung der Situation insbesondere im Interesse von allfälligen Kindern eines Paares erreicht werden. Die Massnahme kann auch zur Anwendung kommen, wenn die Wohnung gemeinsam gemietet worden ist. Sie setzt aber auf jeden Fall voraus, dass der Vermieter einverstanden ist.

52

SR 211.222.338

6888

5.2.5.5

Recht des Opfers auf eine Aufenthaltsbewilligung für die Dauer der Fernhaltemassnahme

Die Kommission beschäftigte sich mit der Stellung von ausländischen Opfern. In den Augen der Kommissionsmehrheit ist diese Frage im Rahmen der laufenden Revision des Ausländerrechts53 zu regeln. Die derzeitig diskutierte Version54 sieht für die Ehegattin oder für die Kinder eines Schweizer Bürgers oder Inhabers einer Niederlassungsbewilligung vor, dass das Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung bei einer Auflösung der Familie fortbesteht, wenn die Ehegattin zum Opfer häuslicher Gewalt wurde. Die Mehrheit hält weiter fest, dass eine Bestimmung über den Aufenthalt von ausländischen Personen nicht in das ZGB gehört und es nicht Sache des Zivilgerichts ist, über den Aufenthalt von Ausländern zu befinden.

Eine Minderheit der Kommission möchte im ZGB festhalten, dass das ausländische Opfer von Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen, dessen rechtlicher Status von demjenigen des Ehegatten abhängt, das Recht hat, dass ihm zumindest für die Dauer der angeordneten Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird (Art. 28b Abs. 3bis ZGB). Die Minderheit möchte sicherstellen, dass ausländische Opfer unabhängig von ihrem Bewilligungstypus alle denselben Schutz geniessen. Wichtig in den Augen der Minderheit ist, dass diejenigen ausländischen Personen geschützt werden, welche bei Wegweisung des Täters aus der gemeinsamen Wohnung ihre Aufenthaltsbewilligung verlieren würden und für die der mit dem neuen Artikel 28b ZGB gewährte Schutz somit wirkungslos würde.

5.2.6

Kriseninterventionsstelle (Art. 28b Abs. 4 ZGB)

Das für den Persönlichkeitsschutz zuständige Gericht kann nach Artikel 28c ZGB bei einer Persönlichkeitsverletzung vorsorgliche Massnahmen anordnen. In besonders dringenden Fällen können auch ohne Anhörung des Gesuchsgegners superprovisorische Massnahmen verfügt werden (Art. 28d Abs. 2 ZGB). In beiden Fällen vergeht jedoch eine bestimmte Zeit, bis der Entscheid des Gerichts vorliegt. In Krisenfällen kann es aber nötig sein, dass sofort gehandelt wird. Gewisse Kantone haben deshalb für die besonderen Fälle häuslicher Gewalt Massnahmen getroffen und der Polizei die Kompetenz eingeräumt, die sofortige Ausweisung für eine bestimmte Zeit zu verfügen55.

Artikel 28b Absatz 4 ZGB verpflichtet die Kantone, eine Stelle zu bezeichnen, die im Krisenfall die sofortige Ausweisung der verletzenden Person aus der gemeinsamen Wohnung verfügen kann («super-superprovisorische Massnahmen» des Persönlichkeitsschutzes). Es geht um eine Stelle, die im Ernstfall unabhängig vom Zeitpunkt des Auftretens der Krise, d.h. unabhängig von Bürozeiten und Wochentagen bzw. Feiertagen, an den Ort der Krise gerufen werden, die angetroffene Situation beurteilen und die vom Gesetz vorgesehenen Massnahmen einleiten kann. Gedacht ist in erster Linie an die Polizei. Die Kantone sind aber frei, auch eine andere Stelle für diese Aufgabe einzusetzen.

53 54 55

Vgl. Botschaft des Bundesrates zum Ausländergesetz (BBl 2002 3709 ff.).

Vgl. Beschluss des Ständerates vom 17. März 2005 (AB 2005 S 310).

Vgl. oben Ziff. 2.2.2.

6889

Das Bundesrecht gibt nur das Ziel vor. Für die Regelung der Einzelheiten des Verfahrens sind die Kantone zuständig. Festzulegen ist insbesondere die Höchstdauer der Ausweisung, welche die Stelle verfügen kann. Zu entscheiden ist auch, ob diese Verfügung durch eine gerichtliche Instanz genehmigt werden muss oder ob die Wegweisung nur dann überprüft werden soll, wenn der Weggewiesene das Gericht anruft. In der Wegweisungskompetenz enthalten sein sollte auch die Kompetenz, von der wegzuweisenden Person sämtliche Hausschlüssel zu verlangen, so dass sie für die Dauer der Wegweisung nicht mehr in die gemeinsame Wohnung zurückkehren kann. Geregelt werden sollte ferner, in welchem Umfang die intervenierende Stelle eine Rechtsbelehrung vornehmen und sowohl gewaltbetroffene als auch gewaltausübende Personen auf Beratungsstellen hinweisen soll. Die verletzte Person sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Wegweisungsmassnahmen mit Ablauf der von der intervenierenden Stelle festgelegten Dauer dahinfallen und sie innerhalb dieser Frist das Gericht gemäss Artikel 28b Absatz 2 ZGB anrufen muss, sollen die Wegweisungsmassnahmen länger dauern bzw. weitere Massnahmen nach Artikel 28b Absatz 1 ZGB angeordnet werden. Nur die Anrufung des Gerichts bietet die Möglichkeit, die auf wenige Tage ausgerichtete (polizeiliche) Massnahme durch superprovisorische Massnahmen gemäss Artikel 28d Absatz 2 ZGB oder vorsorgliche Massnahmen nach Artikel 28c ZGB abzulösen, die ihre Gültigkeit behalten, bis im ordentlichen Verfahren ein Entscheid gefällt wird.

5.2.7

Gestaltung des Verfahrens

Die Kommission prüfte, ob es nötig sei, für Klagen, die unter Berufung auf Artikel 28b ZGB erhoben werden, ein spezielles Verfahren vorzusehen, d.h. ob es angebracht sei, hier ein einfaches, rasches und unentgeltliches Verfahren vorzusehen. Die Mehrheit der Kommission ist der Meinung, dass die mit der unentgeltlichen Rechtspflege gebotene Möglichkeit ausreicht und dass es nicht angeht, für Verfahren im Rahmen von Artikel 28b ZGB die Unentgeltlichkeit vorzusehen, wogegen diese Möglichkeit beim Verfahren zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft nicht gegeben ist. Was den Vorschlag eines einfachen und raschen Verfahrens betrifft, weist die Mehrheit darauf hin, dass der Entwurf diesbezüglich weiter geht, sieht er doch in Artikel 28b Absatz 4 ZGB eine Interventionsstelle vor, die im Krisenfall die sofortige Ausweisung aus der gemeinsamen Wohnung verfügen kann. Diese Massnahme kann ersetzt werden durch die Anordnung einer superprovisorischen Massnahme ohne vorgängige Anhörung der beklagten Person (Art. 28d ZGB) und schliesslich durch vorsorgliche Massnahmen (Art. 28c ZGB).

Für eine Minderheit der Kommission hingegen rechtfertigt es sich, ein einfaches, rasches und unentgeltliches Verfahren vorzusehen (Art. 28b Abs. 4bis ZGB). Mit der Unentgeltlichkeit sollen für die Opfer, die Schutzmassnahmen anfordern möchten, allfällige Hindernisse möglichst beseitigt werden. Die Minderheit hält fest, dass die Rechtshilfe für gewisse Opfer zwar von Nutzen ist, dass aber nicht alle Opfer die Bedingungen erfüllen, sie in Anspruch zu nehmen, ohne dabei für die Verfahrenskosten aufkommen zu können. Die Minderheit möchte zudem sichergestellt haben, dass alle Massnahmen, die das Gericht verfügen kann, beispielsweise die Zuteilung der gemieteten Wohnung, in einem einfachen und raschen Verfahren getroffen werden.

6890

5.2.8

Beratungsstellen (Art. 28b Abs. 5 ZGB)

Die Kantone sorgen dafür, dass sich verletzte und verletzende Personen an Beratungsstellen wenden können (Abs. 5). Die Beratungsstellen haben nicht mit zivilrechtlichen oder mit polizeilichen Mitteln zu intervenieren; sie sollen vielmehr gewaltausübende Personen vor einem Rückfall bewahren.

Die Formulierung von Absatz 5 lehnt sich an Artikel 171 ZGB über die Eheberatungsstellen an. Die Wendung «sorgen für» bringt zum Ausdruck, dass die Kantone bei der Erfüllung ihres Auftrags eine relativ grosse organisatorische Freiheit haben.

Besteht in einem Kanton bereits ein ausreichendes Angebot an privaten oder öffentlichen Stellen, so müssen nicht zusätzlich neue Stellen geschaffen werden. Es können auch die Opferhilfestellen vom Kanton beauftragt werden, unabhängig von einer Straftat die Beratung von Opfern von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen zu übernehmen, während die Bewährungshilfe eine entsprechende Beratung für gewaltausübende Personen anbietet.56

5.3

Vorsorgliche, insbesondere superprovisorische Massnahmen (Art. 28d Abs. 2 und 3 ZGB)

Für den Erlass vorsorglicher Massnahmen gelten die Voraussetzungen von Artikel 28c ZGB. Bei dringender Gefahr ergeht der Entscheid superprovisorisch, d. h.

ohne vorgängige Anhörung des Gesuchsgegners (Art. 28d Abs. 2 Satz 1 ZGB). Die von der Praxis ohnehin nur zurückhaltend angewandte Ausschlussklausel, wonach eine superprovisorische Massnahme ausgeschlossen ist, wenn der Gesuchsteller sein Gesuch offensichtlich hinausgezögert hat, soll indessen bei Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen keine Anwendung finden (Art. 28d, neuer Satz 2 von Abs. 2 ZGB).

Ebenfalls nicht anwendbar sein soll im vorliegenden Kontext die Sicherstellungspflicht gemäss Artikel 28d Absatz 3 ZGB, wenn eine vorsorgliche Massnahme dem Gesuchsgegner schaden kann (Art. 28d, neuer Satz 2 von Abs. 3 ZGB).

5.4

Artikel 172 Absatz 3 zweiter Satz ZGB

Die Bestimmung erweitert die Kompetenzen des Eheschutzgerichts und erlaubt ihm, in einem Eheschutzverfahren auch die zum Schutz der Persönlichkeit vorgesehenen Massnahmen bei Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen anzuordnen. Damit ist insbesondere im Hinblick auf Artikel 176 ZGB eine umfassende Regelung der Verhältnisse gewährleistet.

Die Bestimmungen des Persönlichkeitsschutzes sind nur sinngemäss anwendbar.

Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass das Eheschutzgericht die gemeinsame Wohnung auch ohne Befristung einem Ehegatten zuteilen kann (Art. 176 ZGB).

56

Vgl. zum gesamten Themenkomplex: Wyss Eva, Gegen häusliche Gewalt ­ Interventionsprojekte in den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden: Erste Erfahrungen mit der Umsetzung der polizeilichen Wegweisung ­ Evaluation, S. 24 ff., Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann.

6891

Die Massnahmen des Persönlichkeitsschutzes bei Gewalt, Drohungen und Nachstellungen sind im Übrigen auch im Rahmen der vorsorglichen Massnahmen im Scheidungsverfahren anwendbar (vgl. Art. 137 Abs. 2 Satz 2 ZGB).

6

Personelle und finanzielle Auswirkungen

6.1

Bund

Für den Bund hat die Vorlage keine personellen oder finanziellen Auswirkungen.

6.2

Kantone

Zusätzliche Belastungen ergeben sich primär für die Justizorgane und damit für die Kantone. Das Ausmass der Beanspruchung der Zivilgerichte ist schwer abzuschätzen, dürfte sich jedoch in Grenzen halten, geht es doch um eine Verdeutlichung der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten durch eine explizite Norm zum Schutz gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen.

Nach Artikel 28b Absatz 5 ZGB errichten die Kantone Beratungsstellen im Zusammenhang mit dem Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen. Sie können solche Stellen auch gemeinsam errichten oder die Informations- und Beratungsaufgaben bestehenden Stellen übertragen. Ein allfälliger Personal- und Finanzierungsbedarf ist schwer bezifferbar. Er hängt von der Nachfrage nach Information und Beratung ab. Zudem muss geprüft werden, ob bestehende Stellen noch Kapazitäten haben und ob das bestehende Personal über ausreichendes Wissen im Bereich von (häuslicher) Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen verfügt, um die neue Aufgabe zu übernehmen.

7

Verhältnis zum europäischen Recht

Die vorgeschlagene Regelung ist vereinbar mit der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten57 und insbesondere mit ihrem Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), zumal die Erfordernisse der gesetzlichen Grundlage und das Prinzip der Verhältnismässigkeit beachtet werden.

8

Verfassungsmässigkeit

Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts ist nach Artikel 122 Absatz 1 der BV Sache des Bundes. Nach der vom Bundesrat wie auch vom Bundesamt für Justiz vertretenen typologischen Abgrenzungsmethode können Rechtsnormen dann der Zivilrechtskompetenz von Artikel 122 Absatz 1 BV zugeordnet werden, wenn sie herkömmlicherweise zum Zivilrechtsbereich gehören, typisch zivilrechtliche Ziele verfolgen und für den Schutz der Persönlichkeit unerlässlich sind58. Dies trifft 57 58

SR 0.101 Gutachten des BJ vom 16. Juni 1999, VPB 63.83, S. 797 ff.; St. Galler Kommentar/Leuenberger Christoph, Zürich 2002, zu Art. 122 BV Rdz. 5.

6892

sowohl für die Anweisung an die Kantone, eine Kriseninterventionsstelle zu schaffen, welche die sofortige Ausweisung einer verletzenden Person aus der gemeinsamen Wohnung verfügen kann (Art. 28b Abs. 4 ZGB), wie auch für jene, für Beratungsstellen besorgt zu sein (Art. 28b Abs. 5 ZGB) zu. Die in Artikel 28b Absatz 4 ZGB vorgesehene Kriseninterventionsstelle dient mit ihren Interventionsmöglichkeiten dem Persönlichkeitsschutz der Gewaltbetroffenen; mit Beratungsstellen für verletzte und verletzende Personen wird die Persönlichkeit sowohl möglicher Opfer wie auch Täter geschützt. Beide Anweisungen stellen demnach notwendige Massnahmen zur Konkretisierung des Persönlichkeitsschutzes im Sinne der Artikel 28 ff.

ZGB dar. Im Übrigen werden die Kantone durch diese Anweisungen in ihrer Organisationsautonomie nicht behindert.

6893

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