Originaltext

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Rahmen der schweizerischen Informationssysteme für Fingerabdrücke und DNA-Profile Abgeschlossen am 15. Dezember 2004

Die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Fürstentum Liechtenstein, nachfolgend die Vertragsstaaten genannt, eingedenk der althergebrachten Freundschaft zwischen den beiden Staaten, in der Absicht, zur Wahrnehmung gemeinsamer Sicherheitsinteressen zusammenzuarbeiten, in der Absicht, die polizeiliche Zusammenarbeit im Sinne des Vertrages zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheitsund Zollbehörden vom 27. April 1999, in Kraft seit 1. Juli 2001, weiterzuentwickeln, in der Absicht, insbesondere im Bereich der polizeilichen Informationssysteme enger zusammenzuarbeiten, im Bestreben, den grenzüberschreitenden Gefahren durch eine enge Sicherheitskooperation wirksam zu begegnen, sind wie folgt übereingekommen:

Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen Art. 1

Gegenstand und Zweck

(1) Dieser Vertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein in den Bereichen des automatisierten Fingerabdruck-Identifikationssystems (AFIS) und des DNA-Profil-Informationssystems.

(2) Er bezweckt eine Verbesserung der Effizienz der Strafverfolgung unter Wahrung des Datenschutzes und dient im Besonderen der Erkennung von Tatzusammenhängen sowie der Identifikation von lebenden, toten und vermissten Personen.

2004-2205

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Zusammenarbeit im Rahmen der schweizerischen Informationssysteme für Fingerabdrücke und DNA-Profile. Vertrag mit Liechtenstein

Art. 2

Vertragsprinzip

(1) Das Fürstentum Liechtenstein übernimmt, im Sinne der nachstehenden Bestimmungen, die in der Anlage zu diesem Vertrag aufgeführten materiellen Vorschriften der schweizerischen Bundesgesetzgebung in sein Landesrecht. Zudem beachten die im Fürstentum Liechtenstein zuständigen Behörden die diesbezüglich von den schweizerischen Bundesbehörden erlassenen Weisungen und Reglemente. Änderungen und Ergänzungen der Anlage erfolgen nach dem Verfahren gemäss den Absätzen 2 und 3.

(2) Die Anlage bildet einen integrierenden Bestandteil des Vertrages. Sie kann auf diplomatischem Weg geändert werden.

(3) Die Schweizerische Eidgenossenschaft teilt dem Fürstentum Liechtenstein rechtzeitig geplante Änderungen des Rechtes bezüglich der Bestimmungen in der Anlage und seiner Anwendung im Hinblick auf die Übernahme durch das Fürstentum Liechtenstein mit. Bei möglichen Interessenkollisionen bemühen sich die Vertragsstaaten, gemeinsame Lösungen zu finden.

Art. 3

Grundsatz der Zusammenarbeit

Sofern in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, kommen bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen dieses Vertrages den zuständigen Behörden des Fürstentums Liechtenstein die gleichen Rechte und Pflichten zu wie den entsprechenden kantonalen Behörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Die schweizerischen Bundesbehörden nehmen gegenüber dem Fürstentum Liechtenstein dieselben Rechte und Pflichten wahr wie gegenüber den kantonalen Behörden.

Art. 4

Zuständige Behörden

Zuständig für den Vollzug dieses Vertrages und das Verfahren gemäss Artikel 2 Absätze 2 und 3 sind in der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Bundesamt für Polizei im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und im Fürstentum Liechtenstein die Landespolizei.

Art. 5

Gemischte Kommission

Die beiden Vertragsstaaten setzen eine Gemischte Kommission ein. Diese behandelt die mit der Auslegung und der Anwendung dieses Vertrages zusammenhängenden Fragen. Sie handelt im gegenseitigen Einvernehmen.

Art. 6

Datenschutz

Sofern in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Zusammenarbeit im Rahmen dieses Vertrages die jeweiligen nationalen Datenschutzbestimmungen.

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Art. 7

Weitergabe an Drittstaaten

Die im Rahmen dieses Vertrages übermittelten Daten dürfen nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung des Vertragsstaates, der die Daten erhoben und übermittelt hat, an Drittstaaten weitergegeben werden.

Art. 8

Auskunftsrecht

(1) Jede Person hat das Recht, darüber Auskunft zu verlangen, ob unter ihrem Namen ein DNA-Profil oder ein Finger- oder Handballenabdruck in den Informationssystemen gespeichert ist.

(2) Die liechtensteinischen Behörden leiten an sie gerichtete Ersuchen direkt an das Bundesamt für Polizei weiter.

(3) Für Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller, deren Daten durch liechtensteinische Behörden erhoben wurden, beantwortet das Bundesamt für Polizei das Gesuch in der Regel schriftlich und kostenlos nach vorgängiger Rücksprache mit der Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein. Das Fürstentum Liechtenstein kann die Auskunftserteilung durch das Bundesamt für Polizei verhindern, einschränken oder aufschieben, wenn: a)

es ein Gesetz des Fürstentums Liechtenstein vorsieht;

b)

es wegen überwiegender Interessen eines Dritten erforderlich ist;

c)

es wegen überwiegender öffentlicher Interessen, insbesondere der inneren oder äusseren Sicherheit, des Fürstentums Liechtenstein erforderlich ist;

d)

die Auskunft den Zweck einer Strafuntersuchung oder eines anderen Untersuchungsverfahrens in Frage stellt.

Art. 9

Datenbearbeitung in anderen Systemen

Die von den liechtensteinischen Behörden im Rahmen dieses Vertrages übermittelten Daten können hinsichtlich der Prozesskontrollnummer und der entsprechenden Personendaten oder Tatortangaben im informatisierten Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem (IPAS), im automatisierten Personenregistratursystem (AUPER) oder im Zentralen Ausländerregister (ZAR) bearbeitet werden.

Art. 10

Archivierung von Daten

Sofern die zuständigen schweizerischen Behörden dem schweizerischen Bundesarchiv Daten anbieten und auch abliefern, ist in Bezug auf Daten, die von den liechtensteinischen Behörden abgenommen und im Rahmen dieses Vertrages übermittelt wurden, vorgängig die Bewilligung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein einzuholen.

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Art. 11

Haftung

(1) Wird einer Person durch den Vollzug dieses Vertrages widerrechtlich ein Schaden zugefügt, so haften die Vertragsstaaten nach Massgabe ihres nationalen Rechts.

(2) Für den an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger geleisteten Schadenersatz kann der ersuchte Vertragsstaat nach Massgabe des Verschuldens des anderen Vertragsstaates auf diesen teilweise oder gänzlich Regress nehmen.

Art. 12

Kosten

(1) Für die Bereitstellung der Infrastruktur, des Personals, der Datenübermittlung, der Organisation von Aus- und Weiterbildung, die Gewährleistung des Unterhalts und des Supports des automatisierten Fingerabdruck-Identifikationssystems (AFIS) und des DNA-Profil-Informationssystems sowie für den administrativen Aufwand bei der Bearbeitung von Schriftverkehr bezahlt das Fürstentum Liechtenstein der Schweizerischen Eidgenossenschaft eine Jahrespauschale von 30 000 Franken. Die Pauschale kann auf diplomatischem Weg geändert werden.

(2) Weitere Kosten für Leistungen anderer Dienstleister sind nicht Gegenstand dieses Vertrages.

Kapitel II: Besondere Bestimmungen A. DNA-Profile Art. 13

Probenahme, Übermittlung und Bearbeitung

In Bezug auf Proben, die von liechtensteinischen Behörden abgenommen wurden und zur Bearbeitung in den schweizerischen Informationssystemen übermittelt werden, sind die Bedingungen für die Probenahme nach den diesbezüglichen Bestimmungen der schweizerischen Bundesgesetzgebung gemäss Anlage zu erfüllen sowie die Vergleichbarkeit der DNA-Profile sicherzustellen.

B. Fingerabdrücke (AFIS) Art. 14

Abnahme, Übermittlung und Bearbeitung im Asylwesen

Für die Abnahme von Fingerabdrücken, die bei Asylsuchenden und Schutzbedürftigen durch liechtensteinische Behörden vorgenommen wurden und zur Bearbeitung in den schweizerischen Informationssystemen übermittelt werden, gelten die diesbezüglichen Bestimmungen der schweizerischen Bundesgesetzgebung.

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Kapitel III: Schlussbestimmungen Art. 15

Inkrafttreten und Kündigung

(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation. Er tritt am Tag nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.

(2) Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jedem Vertragsstaat auf diplomatischem Weg schriftlich gekündigt werden. Er tritt sechs Monate nach Erhalt der Kündigung ausser Kraft.

(3) Die Registrierung des Vertrags beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen1 wird von schweizerischer Seite wahrgenommen.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag mit ihren Unterschriften versehen.

Geschehen in Vaduz, in doppelter Ausführung in deutscher Sprache, am 15. Dezember 2004.

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für das Fürstentum Liechtenstein:

Jean-Luc Vez Direktor, Bundesamt für Polizei

Adrian Hasler Chef der Landespolizei

1

SR 0.120

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Anlage

Liste der schweizerischen Rechtsvorschriften, die nach Artikel 2 dieses Vertrages im Fürstentum Liechtenstein zur Anwendung gelangen: SR Nr.

Erlass

AS

363

Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz)

2004 5269

anwendbar sind Art. 2, 8, 9, 11 Abs. 1, 2 und 4, Art. 13 Abs. 2, Art. 14, 15 Abs. 1, Art. 16, 17 Abs. 1, Art. 18, 19, 20 Abs. 2, Art. 23 Abs. 1; Art. 3­7 sowie Art. 23 Abs. 3 sind hinsichtlich der den schweizerischen Behörden zur Bearbeitung übermittelten DNA-Proben anwendbar 363.1

Verordnung vom 3. Dezember 2004 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Verordnung)

2004 5279

anwendbar sind Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 6, 8, 9, 10, 11, 12 Abs. 1 und 2, Art. 14, 15, 19 und 22 361.3

Verordnung vom 21. November 2001 über die Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten anwendbar sind Art. 2, 8 Bst. a­c und e, Art. 13 Abs. 1, Art. 14­16 und 17 Abs. 2

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2002 171 2004 2577