05.085 Bericht zu den Führungsstrukturen der Armee und die Unterstellungsverhältnisse (in Ausführung von Art. 13, Abs. 2 AO) vom 2. Dezember 2005

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Bericht zu den Führungsstrukturen der Armee und die Unterstellungsverhältnisse mit dem Antrag auf Kenntnisnahme.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. Dezember 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Übersicht Der Bundesrat hat zuhanden der Bundesversammlung einmalig Bericht über die Führungsstrukturen der Armee und die Unterstellungsverhältnisse zu erstatten.

Darin soll die Diskussion in der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates (SiK-S) zur Differenzbereinigung bei der Revision der Militärgesetzgebung zusammengefasst werden. Gleichzeitig ist anhand von Beispielen aufzuzeigen, ob und wie sich die Führungsstrukturen der Armee bisher bewährt haben.

Die SiK-S beschäftige sich mit drei grundsätzlichen Fragen: Der Frage des Spannungsfeldes im Bereich der Führung, mit der Frage der zusätzlichen Führungsebene (Division) zwischen Teilsstreitkraft Heer und der taktischen Stufen und schlussendlich mit der Frage der Sicherstellung der Personalalimentierung der Stäbe.

Das VBS, welches diese Fragen zurzeit bearbeitet, wird dem Bundesrat entsprechende Anträge unterbreiten.

Einige Schlüsse bezüglich der Führungsstruktur können bereits heute gezogen werden: Die geltenden Führungsstrukturen haben sich in verschiedenen Einsätzen und in internen Stabsübungen bewährt. Aufgrund der gemachten Erfahrungen werden sie ­ wo nötig und sinnvoll ­ ständig entsprechend der Aufgabe angepasst.

Die regionale Verankerung respektive die Verbindung zu den zivilen und kantonalen Behörden ist über die vier Territorialregionen, trotz der Reduktion der Stäbe, weiterhin gewährleistet.

Das Konzept der so genannten Task Force ist Garant für flexible, modulare, lagegerechte und leistungsorientierte Zusammensetzung von militärischen Einsatzverbänden in allen Lagen und Operationstypen. Die Teilstreitkraft Heer hält in Form des Einsatzstabes Heer (ab 1. Januar 2006: Heeresstab) einen Stab bereit, der imstande ist, die Funktion eines ehemaligen Korpsstabes Armee 61/95 zu übernehmen. Die Vorausplanungzum Operationstyp «Präventive Raumsicherung» lassen den Schluss zu, dass das Armeeleitbild-Führungsmodell der momentanen Lage respektive den operativen Erfordernissen am besten Rechnung trägt. Im Rahmen der Planung und der Umsetzung des Entwicklungsschritts 2008/2011 müssen die Führungsstrukturen analysiert und ggf. angepasst werden.

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Bericht 1

Veranlassung

Der Bundesrat hat, gestützt auf Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung der Bundesversammlung vom 4. Oktober 2002 über die Organisation der Armee (Armeeorganisation, AO, SR 513.1), zuhanden der Bundesversammlung einmalig Bericht über die Führungsstrukturen der Armee und die Unterstellungsverhältnisse zu erstatten. Darin soll die Diskussion in der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates (SiK-S) zur Differenzbereinigung bei der Revision der Militärgesetzgebung zusammengefasst werden. Dann soll anhand von Beispielen aufgezeigt werden, ob und wie sich die Führungsstrukturen der Armee bisher bewährt haben.

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Grundlagen ­

Armeeorganisation, 4. Oktober 2002;

­

Protokoll der Sitzungen der SiK-S vom 27./28. August 2002.

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Rückblick auf die parlamentarische Diskussion in der SiK-S

Die SiK-S beschäftigte sich mit drei Fragen: Erstens mit dem Spannungsfeld im Bereich der Führung, wenn im selben Raum gleichzeitig Raumsicherungs- und Verteidigungsoperationen durchgeführt werden, zweitens, ob zwischen der Teilstreitkraft Heer und der taktischen Stufe (Brigaden) noch eine Führungsebene (Division) eingeschoben oder weggelassen werden sollte, und drittens, wie die personelle Alimentierung der Stäbe sichergestellt werden könne.

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Führungsmodelle (Ausgangslage September 2002)

4.1

Modell Ständerat

Der Ständerat war der Auffassung, dass mit dem Wegfall der Korpsstäbe eine Führungsebene zwischen der Teilstreitkraft Heer und den Brigaden fehle. Aus diesem Grund wurden in seinem Modell drei Divisionsstäbe der Teilstreitkraft Heer unterstellt. Diese wären befähigt gewesen, gleichzeitig Raumsicherungs- und Verteidigungsoperationen zu führen (siehe Anhang, Abbildung 1).

4.2

Modell Armeeleitbild

Das Modell des Armeeleitbildes sah vor, dass die der Teilstreitkraft Heer unterstellten Territorialregionen oder das Heer selber (sog. Einsatzstab Heer, im Sinne eines zugunsten des Führungsstabes der Armee einsetzbarer, disponibler Korpsstab) mit zugewiesenen Mitteln aus den Einsatzbrigaden die raumgebundenen territorialen 7021

Aufgaben übernähmen, während die Einsatzbrigaden in Verteidigungsoperationen das Gefecht der verbundenen Waffen führen müssten (siehe Anhang, Abbildung 2).

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Grundsätze eines Einsatzverbandes (Task Force)

Der Einsatzverband (Task Force) wird in der Regel auf Stufe Territorialregion und Brigade gebildet. Zugrunde liegt die Idee, für spezifische militärische Aufträge massgeschneiderte Einsatzverbände zu bilden, die aus ihrer organischen Unterstellung losgelöst sind. Bei der Bildung eines Einsatzverbandes spielen folgende Kriterien eine Rolle: Operationsraum, Operationstyp, Beginn und Dauer der Operation, geforderte Leistungen und benötigter Kräfteansatz. Nach diesem Konzept können Einsatzverbände in vielfältiger Weise lage- und auftragsgerecht gebildet werden.

Dies ist Sache der Entschlussfassung auf Stufe Armee.

Nachfolgend sind die Vor- und Nachteile massgeschneiderter Einsatzverbände zusammengefasst: Vorteile

Nachteile

­ für militärische Aufgaben stehen massgeschneiderte Einsatzverbände zur Verfügung

­ Es sind keine «gewachsenen» Strukturen

­ Die Bedürfnisse ziviler Behörden können insbesondere in Existenzsicherungsoperationen massgeschneidert erfüllt werden

­ waffengattungsspezifische Brigadestäbe müssen unter Umständen artfremde Bataillone führen können (z.B. Stab einer Infanteriebrigade erhält ein Panzerbataillon unterstellt)

­ die auftragsbezogene Zusammensetzung eines Einsatzverbandes kann in jedem Operationstyp angewendet werden ­ Eine weitere lage- und bedürfnisgerechte Verstärkung ist jederzeit möglich ­ 1 Raum, 1 Chef, 1 Auftrag

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Erfahrungsberichte

6.1

World Economic Forum 2005, Davos

Die im Rahmen des World Economic Forum 2005 (WEF 05) zugunsten des Kantons Graubünden erbrachten subsidiären militärischen Leistungen wurden mit folgender Führungsstruktur erbracht (siehe Anhang, Abbildung 3): Der Chef der Armee trug die Gesamtverantwortung für die subsidiäre militärische Leistungserbringung zu Gunsten der zivilen Behörden. Die Operationsplanung wurde durch den Führungsstab der Armee ­ unter Einbezug der direktunterstellten Verbände ­ realisiert. Der Chef des Führungsstabes der Armee nahm somit die Funktion eines Stabschefs wahr. Im Rahmen des Assistenzdiensteinsatzes der 7022

Armee wurde das Konzept der Task Force umgesetzt und grundsätzlich zwischen dem Einsatz am Boden und dem Einsatz in der Luft unterschieden.

Diese Führungsstruktur hat sich mit den notwendigen Anpassungen in den vorangegangenen Einsätzen der Armee zu Gunsten des WEF bewährt. Sie begünstigt die direkte Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden vor Ort, welche nach dem Subsidiaritätsprinzip die Einsatzverantwortung tragen und Auftraggeber respektive Leistungsbezüger sind. Zudem kann mit dieser modularen Führungsstruktur sichergestellt werden, dass nicht stets dieselben Verbände im Rahmen des subsidiären Einsatzes zugunsten des WEF eingesetzt werden.

6.2

Interne Stabsübung im Führungsstab der Armee

Der Führungsstab der Armee hat sich im Rahmen der Vorausplanung mit möglichen Einsätzen der Armee auseinandergesetzt. In einer Stabsübung zum Operationstyp «Präventive Raumsicherung» hat er Varianten zur möglichen Führungsstruktur entwickelt: Es galt, je nach Raum, Bedrohung und geforderter militärischer Leistung massgeschneiderte Einsatzverbände bereit zu stellen und dadurch räumliche oder kräftemässige Schwergewichte zu bilden. Mit dem gewählten Ansatz konnten die operativen Erfordernisse am zweckmässigsten erfüllt werden. Die gewählte Führungsstruktur entsprach dem Modell Armeeleitbild (siehe Anhang, Abbildung 2).

Das erlaubt den Rückschluss, dass dieses Führungsmodell der momentanen Lage am besten Rechnung trägt (siehe Ziff. 4.2).

Der Führungsstab der Armee führt operativ, die Teilstreitkräfte und die Einsatzverbände führen taktisch. Die Territorialregionen nehmen die raumgebundenen territorialen Aufgaben wahr. Einsatzbezogene und modular zusammengestellte Einsatzverbände ­ in der Regel in Brigadestärke ­ werden mit zusätzlichen Aufgaben in Räumen mit erhöhter Bedrohung und somit grösserem militärischem Kräfteansatz betraut. Im Operationstyp «Präventive Raumsicherung» sind dies Aufgaben wie beispielsweise der Schutz grösserer Grenzabschnitte, der Schutz von Schlüsselräumen, der Schutz von Transversalen, der Schutz wichtiger Objekte oder die Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit. Durch die Trennung der Raumverantwortung zwischen Territorialregion und Einsatzverband wird eine Durchmischung von territorialen Aufgaben mit Raumsicherungsaufgaben vermieden.

Ein Stab nach dem Modell Ständerat müsste gleichzeitig territoriale Aufgaben und Raumsicherungsoperationen, eventuell sogar noch Verteidigungsoperationen führen; damit wäre er sowohl personell wie auch durch die Komplexität der Aufgabenstellung überfordert. Das führt zum Schluss, dass analog dem Modell Armeeleitbild eine Aufgabentrennung mit gleichzeitiger Aufteilung der Raumverantwortung (Territorialregion und Einsatzverband) notwendig ist.

Als Lehre aus der Übung ergibt sich somit: In Existenzsicherungsoperationen und Präventiven Raumsicherungsoperationen führt der Führungsstab der Armee die Territorialregionen und die Einsatzverbände. In Dynamischen Raumsicherungs- und Verteidigungsoperationen sind es die Teilstreitkraft Heer bzw. Teilstreitkraft Luftwaffe. Die operative Reserve bleibt in jedem Fall auf Stufe Armee.

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6.3

Stabsübung der Territorialregion 2

Die der Übung zugrunde gelegte Lage sollte subsidiäre Einsätze zugunsten der Kantone AG, BS, BL, SO, LU, NW, OW in verschiedenen Fachbereichen provozieren.

Für die im Einsatz stehenden Sicherheitskräfte stand folgendes Ziel im Vordergrund: Eindämmung der Gewalt, Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der politischen Führung und deren Behörden, Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen und privaten Lebens und Schutz der Existenzgrundlagen. Militärisch gesehen umfasst dies die Fähigkeiten zum: ­

Schutz grösserer Grenzabschnitte;

­

Schutz von Schlüsselräumen;

­

Schutz von Infrastruktur von nationaler und regionaler Bedeutung;

­

Kontrolle des Luftraumes.

Zum Thema Führungsstruktur lassen sich die Lehren wie folgt zusammenfassen: Aufgaben im Bereich Existenzsicherung, dh Unterstützungseinsätze zugunsten der zivilen Partner, standen bezüglich Priorisierung und zeitlichen Rahmenbedingungen immer in Konkurrenz zu den durch militärische Kommandostellen beauftragte Planungen und Einsätzen. Ausserdem sind Territorialregionen raumgebunden. Sie sind auf Kantone aufgestellt und stellen die Verankerung der Armee im zivilen Umfeld sicher. Raumsicherungseinsätze verlaufen aber auch entlang geographischer Linien und können über den Raum einer Ter Reg hinausgehen. Für die der Territorialregion vorgesetzten Stelle ergeben sich daraus zwei mögliche Konsequenzen: 1.

Die Führungsstruktur ist der Lage und dem Auftrag anzupassen. Das Stichwort «Modularität» kann bei der Bereitstellung der Stäbe auch bedeuten: Integration von zusätzlichen Fachspezialisten oder bedarfsgerechte Verstärkung einzelner Führungsgrundgebiete (aus anderen Stäben; aus Fachstäben; aus der Berufsorganisation). In jedem Fall aber ist der Stabsgliederung besondere Beachtung zu schenken.

2.

Es ist tatsächlich zu prüfen, ob in einer derart komplexen Lage ein Ter Reg Stab in dieser umfassenden Weise alle eintreffenden Bedürfnisse, welche auf den für die normale Lage definierten Einsatzraum eintreffen, erledigen kann und soll.

Die Ter Reg als wichtigster und einziger Partner für die Kantone sollte von Raumsicherungsaufträgen entlastet werden. Ein Einsatzverband könnte mit einem Raumüberwachungs- und Sicherungsauftrag z Bsp Autobahn oder Kernkraftwerk direkt ab Bern (FST A oder HE) eingesetzt werden, die Zusammenarbeit mit der Territorialregion wäre im Operationsbefehl zu regeln.

Die Befehlskette ist durch den FST A auf dem Hintergrund von Lage und Auftrag für jeden Einsatz zu beurteilen und zu definieren.

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Entwicklungsschritt 2008/2011

In seinem Entscheid vom 11. Mai 2005 zur «Umsetzung der Beschlüsse des Bundesrates vom 8. September 2004: Entwicklungsschritt der Armee 2008/2011» verlangt der Bundesrat unter anderem auch: «Die Zukunft der Teilstreitkräfte wird durch das VBS bis Frühjahr 2006 geprüft und danach wird dem Bundesrat Antrag gestellt».

Das VBS bearbeitet diese Frage zurzeit und wird die entsprechenden Anträge dem Bundesrat unterbreiten.

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Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 als Richtliniengeschäft angekündigt (BBL 2004 1185, 1201).

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Zusammenfassung

Bezüglich der Führungsstrukturen in der neuen Armee können folgende Schlüsse gezogen werden: ­

Die heute bestehenden Führungsstrukturen haben sich in verschiedenen Einsätzen und in internen Stabsübungen als zweckmässig erwiesen und bewährt. Aufgrund der Erfahrungen können sie ­ wo nötig und sinnvoll ­ ständig entsprechend der Aufgabe angepasst werden.

­

Die regionale Verankerung respektive die Verbindung zu den zivilen, kantonalen Behörden sind über die vier Territorialregionen, trotz der Reduktion der Anzahl Stäbe, weiterhin gewährleistet.

­

Das Konzept der sogenannten Task Force ist Garant für flexible, modulare, lagegerechte und leistungsorientierte Zusammensetzung von militärischen Einsatzverbänden in allen Lagen und Operationstypen.

­

Die Teilstreitkraft Heer hält in Form des Einsatzstabes Heer (ab 1. Januar 2006: Heeresstab) einen Stab bereit, der imstande ist, die Funktion eines ehemaligen Korpsstabes Armee 61/95 zu übernehmen. Er kann zugunsten des Führungsstabes der Armee eingesetzt werden. Ein weitergehender Bedarf ist in der neuen Armee nicht ausgewiesen.

­

Die Vorausplanung zum Operationstyp Präventive Raumsicherung hat zum Schluss geführt, dass das Armeeleitbild-Führungsmodell der momentanen Lage respektive den operativen Erfordernissen am besten Rechnung trägt.

­

Parallel zur Planung und Umsetzung der Entwicklungsschritte 2008/2011 werden die Führungsstrukturen analysiert und ggf. angepasst werden müssen.

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Anhang Abbildung 1 Führungsmodell Ständerat

Quelle: Beilage zum Sitzungsprotokoll der SiK-S vom 27./28.08.02

Abbildung 2 Führungsmodell Armeeleitbild = aktueller Stand

Quelle: Armeeleitbild XXI vom 24.10.01, S. 1011 ff.

Legende (Abbildungen 1 und 2): CdA Chef der Armee Stab CdA Stab des Chefs der Armee PST A Planungsstab der Armee FST A Führungsstab der Armee HKA Höhere Kaderausbildung der Armee HE Heer (Teilstreitkraft) FUB Führungsunterstützungsbasis Log Betriebe Betriebe der Logistik

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Abbildung 3 Führungsstruktur WEF 05

Legende (Abbildung3): KSSE Kommandant Subsidiärer Sicherungseinsatz FST A Führungsstab der Armee ATF Air Task Force LTF Land Task Force 1) Richtstrahlbataillon FUB Führungsunterstützungsbasis der Armee 2) Logistikbasis der Armee

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