05.040 Botschaft über die Genehmigung von zwei Abkommen betreffend das europäische Patentsystem und über die Änderung des Patentgesetzes vom 18. Mai 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zu zwei Bundesbeschlüssen betreffend die Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) sowie das Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über die Anwendung des Artikels 65 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente und zu einer Revision des Patentgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. Mai 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-0511

3773

Übersicht Mit dieser Vorlage unterbreitet der Bundesrat dem Parlament zwei Abkommen betreffend das europäische Patentsystem zur Genehmigung und schlägt ihm die erforderlichen Gesetzesanpassungen vor.

Ausgangslage Die Rahmenbedingungen für das europäische Patentsystem haben sich seit dessen Schaffung mit dem Aufkommen neuer Technologien und der Einbindung des europäischen Wirtschaftssystems in den Welthandel beträchtlich geändert. Diese Entwicklung sowie der Beitritt einer Reihe von weiteren Staaten machten eine Reform unumgänglich. Die Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ-Revisionsakte) und das Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über die Anwendung des Artikels 65 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ-Sprachenübereinkommen) modernisieren das europäische Patentsystem unter Wahrung der bewährten Grundlagen. Sie schaffen die Voraussetzungen, damit das europäische Patentsystem den hohen Ansprüchen von Gegenwart und Zukunft entsprechen kann.

Die Übereinkommen wurden im Jahre 2000 ausgehandelt und von der Schweiz unterzeichnet.

Inhalt der Vorlage Mit der EPÜ-Revisionsakte wurde das Europäische Patentübereinkommen annähernd 30 Jahre nach seiner Unterzeichnung erstmals umfassend revidiert und modernisiert. Eine grosse Zahl der einstimmig angenommenen Änderungen betreffen technische Gesichtspunkte und Aspekte des Verfahrens. In Bezug auf das materielle Patentrecht ist hervorzuheben, dass der Schutz der weiteren medizinischen Indikationen im Übereinkommen verankert wurde. Dabei wurde die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (EPA) und der grossen Mehrheit der nationalen Gerichte kodifiziert. Um die Europäische Patentorganisation politisch besser zu verankern, sieht das Europäische Patentübereinkommen neu die regelmässige Einberufung von Ministerkonferenzen vor.

Mit dem fakultativen EPÜ-Sprachenübereinkommen sollen die durch Übersetzungen der Patentschriften bedingten Kosten für europäische Patente, die den Patentschutz in Europa im Vergleich zu den Vereinigten Staaten und Japan massiv verteuern, um ungefähr 50 % sinken. Die Unterzeichnerstaaten verzichten hierzu auf sämtliche Übersetzungserfordernisse eines in einer Amtssprache des EPA (Deutsch, Französisch, Englisch)
erteilten Patents, wenn eine der Amtssprachen des EPA zugleich eine nationale Amtssprache ist. Tritt das Übereinkommen für die Schweiz in Kraft, so werden europäische Patente in englischer Sprache auch ohne Übersetzung in eine Landessprache in der Schweiz Wirkung entfalten. In Gerichtsverfahren soll der Patentinhaber indessen weiterhin verpflichtet werden können, auf eigene Kosten Übersetzungen des umstrittenen Patents in einer anerkannten Amtssprache einzureichen.

3774

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3774

Abkürzungsverzeichnis

3777

1 Grundzüge der Verträge 1.1 EPÜ-Revisionsakte 1.1.1 Ausgangslage 1.1.2 Verlauf der Verhandlungen 1.1.3 Verhandlungsergebnis 1.1.4 Überblick über den Inhalt des Vertrags 1.1.5 Würdigung 1.1.6 Ergebnisse der Vernehmlassungen 1.1.7 Dringlichkeit 1.2 EPÜ-Sprachenübereinkommen 1.2.1 Ausgangslage 1.2.2 Verlauf der Verhandlungen 1.2.3 Verhandlungsergebnis 1.2.4 Überblick über den Inhalt des Vertrags 1.2.5 Würdigung 1.2.6 Ergebnisse der Vernehmlassungen

3779 3779 3779 3779 3780 3780 3781 3781 3782 3782 3782 3783 3783 3783 3783 3784

2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verträge 2.1 EPÜ-Revisionsakte 2.1.1 Institutionelle und politische Reformen 2.1.2 Materielles Recht 2.1.3 Änderungen betreffend das Verfahren vor dem Europäischen Patentamt 2.1.4 Änderungen in der internen Organisation des Europäischen Patentamtes 2.1.5 Formelle Änderungen 2.1.6 Vorbehalte 2.2 EPÜ-Sprachenübereinkommen

3785 3785 3785 3786

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.4 Andere Auswirkungen

3793 3793 3793 3794 3796

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

3796

5 Änderung des Patentgesetzes 5.1 Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte 5.1.1 Die beantragte Neuregelung 5.1.2 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 5.1.3 Umsetzung 5.2 Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens

3797 3797 3797 3797 3798

3788 3791 3791 3792 3792

3798 3775

5.2.1 Die beantragte Neuregelung 5.2.2 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 5.2.3 Umsetzung 5.3 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.3.1 Änderungen zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte 5.3.2 Änderungen zur Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens

3798 3798 3799 3799 3799 3804

6 Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Erlassform

3806 3806 3806

Bundesbeschluss über die Genehmigung der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens und über die Änderung des Patentgesetzes (Entwurf)

3809

Akte zur Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente

3813

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens über die Anwendung des Artikels 65 des Europäischen Patentübereinkommens und über die Änderung des Patentgesetzes (Entwurf)

3851

Übereinkommen über die Anwendung des Artikels 65 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente

3853

3776

Abkürzungsverzeichnis Auslegungsprotokoll zu Artikel 69 EPÜ

Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente; SR 0.232.142.25

Botschaft 1976

Botschaft des Bundesrates vom 24. März 1976 an die Bundesversammlung über drei Patentübereinkommen und die Änderung des Patentgesetzes; BBl 1976 II 1

Botschaft 1993

Botschaft vom 18. August 1993 zu einer Änderung des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente sowie zu einem Bundesbeschluss über eine Änderung des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente; BBl 1993 III 706

BV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV); SR 101

EPA

Europäisches Patentamt

E-PatG

Vorgeschlagene Änderung des Patentgesetzes

EPO

Europäische Patentorganisation

EPÜ-Revisionsakte

Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen)

EPÜ-Sprachenübereinkommen

Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über die Anwendung des Artikels 65 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente

Europäisches Patentübereinkommen/EPÜ

Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen); SR 0.232.142.2

IGE

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum

OR

Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil, Obligationenrecht, OR); SR 220

Parlamentsgesetz/ParlG

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG); SR 171.10

Patentgesetz/PatG

Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG); SR 232.14

Patentverordnung/PatV

Verordnung vom 19. Oktober 1977 über die Erfindungspatente (Patentverordnung, PatV); SR 232.141

revEPÜ

Siehe EPÜ-Revisionsakte

TRIPS-Abkommen

Abkommen vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (Anhang 1C zum Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation); SR 0.632.20

3777

Zentralisierungsprotokoll

3778

Protokoll vom 5. Oktober 1973 über die Zentralisierung des europäischen Patentsystems und seine Einführung (Zentralisierungsprotokoll); SR 0.232.142.24

Botschaft 1

Grundzüge der Verträge

1.1

EPÜ-Revisionsakte

1.1.1

Ausgangslage

Das Europäische Patentübereinkommen sieht ein zentrales europäisches Patenterteilungsverfahren vor, das an die Stelle der nationalen Verfahren tritt. Den Anmeldern wird damit ermöglicht, mittels einer einzigen Patentanmeldung in einer Vielzahl von Staaten gleichzeitig Schutz für ihre Erfindung zu erhalten. In den Vertragsstaaten, die der Anmelder nach seiner Wahl bezeichnet, haben die europäischen Patente die gleiche Wirkung wie nationale Patente und unterstehen vom Zeitpunkt der Erteilung durch das EPA an grundsätzlich dem nationalen Recht.

Dem Europäischen Patentübereinkommen gehören heute (Stand: 31.12.2004) 30 Länder als Vertragsstaaten an, nämlich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme von Lettland und Malta) sowie die Schweiz, das Fürstentum Liechtenstein, Bulgarien, Island, Monaco, Rumänien und die Türkei. Für die Schweiz, die zu den Mitgliedern der ersten Stunde zählt, trat das Europäische Patentübereinkommen am 7. Oktober 1977 in Kraft1.

Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens sind in der Europäischen Patentorganisation (EPO) zusammengeschlossen, welche für die Administration und Fortentwicklung des Europäischen Patentübereinkommens zuständig ist.

In den annähernd 30 Jahren seit der Unterzeichnung des Europäischen Patentübereinkommens wandelten sich die Rahmenbedingungen für das europäische Patentsystem mit dem Aufkommen neuer Technologien und der Einbindung des europäischen Wirtschaftssystems in den Welthandel erheblich. In diesem durch den technischen Fortschritt und zunehmenden internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb geprägten Umfeld wurde ein wirksamer Patentschutz zum Schlüsselfaktor der Innovation. Dies führte in den vergangenen Jahren dazu, dass höhere Anforderungen und weitere Bedürfnisse an das europäische Patentsystem gestellt wurden und die Zahl europäischer Patentanmeldungen rasant anstieg. Diese Entwicklung sowie der Beitritt einer Reihe von weiteren Staaten machten eine Reform unumgänglich.

1.1.2

Verlauf der Verhandlungen

Den Grundstein für eine umfassende Modernisierung des europäischen Patentsystems legte eine Regierungskonferenz der Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens in Paris im Juni 1999. Das Mandat dieser Konferenz, das die Leitlinien der Reform definierte, und ein in Expertenausschüssen ausgearbeiteter Basisvorschlag bildeten die Grundlagen einer diplomatischen Konferenz der damals 20 Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens, die unter schweizerischem Vorsitz vom 20. bis 29. November 2000 in München stattfand.

1

AS 1977 1711

3779

Die Delegierten hatten über einen Katalog von nahezu 100 Änderungsvorschlägen zu Vorschriften des Übereinkommens zu befinden. Die Verhandlungen verliefen angesichts des überwiegend technischen Charakters der Mehrzahl der Vorschläge ohne grundlegende Kontroverse. Einzig zum Vorschlag, die Nennung von Programmen zur Datenverarbeitung aus der Liste der Gegenstände und Tätigkeiten zu streichen, die nicht dem Erfindungsbegriff entsprechen, kam keine Einigung zustande. Um einer vertieften Diskussion des Themas Raum zu lassen, sprachen sich die Delegationen für den Beibehalt der bestehenden Rechtslage aus, welche die Patentierung von programmbezogenen Erfindungen in Anwendung der allgemeinen Voraussetzungen unter Vorbehalt eines technischen Charakters zulässt. Nicht Gegenstand der Tagesordnung war die Patentierung biotechnologischer Erfindungen. Auch die Schaffung eines Gemeinschaftspatents (eines für den Raum der Europäischen Gemeinschaft einheitlichen Schutztitels) wurde an der Konferenz nicht behandelt.

1.1.3

Verhandlungsergebnis

Die Diplomatische Konferenz zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens fand mit der einstimmigen Annahme der EPÜ-Revisionsakte einen erfolgreichen Abschluss.

1.1.4

Überblick über den Inhalt des Vertrags

Die Reform des Europäischen Patentübereinkommens verfolgt verschiedene inhaltliche Stossrichtungen: Sie umfassen politische und institutionelle Reformen, materielle Änderungen, Änderungen im Verfahren vor dem EPA, Änderungen in der Organisation des EPA sowie rechtstechnische Anpassungen im Übereinkommen.

Von den politischen und institutionellen Reformen ist die Institutionalisierung von Ministerkonferenzen hervorzuheben. Sie sollen die Organisation politisch besser verankern und ihr Impulse für ihre Fortentwicklung geben. Zu den institutionellen Reformen ist auch die Schaffung eines vereinfachten Mechanismus zur Anpassung des Europäischen Patentübereinkommens zu rechnen. Dieser will die schwerfälligen Diplomatischen Konferenzen zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens überwinden und künftig eine flexiblere Anpassung des Übereinkommens an die sich wandelnden internationalen Rahmenbedingungen unter Wahrung der Mitwirkungsrechte der nationalen gesetzgebenden Organe gewährleisten. Schliesslich ist auch noch die Verankerung von fakultativen Zusatzübereinkommen zum Europäischen Patentübereinkommen zu erwähnen, die eine vertiefte Harmonisierung zwischen Teilen der Vertragsstaaten entsprechend der innenpolitischen Willensbildung erlauben. Siehe Ziffer 2.1.1.

Die materiellrechtlichen Reformen beschränken sich auf die ausdrückliche Regelung des Schutzes von so genannten weiteren medizinischen Indikationen eines Stoffes (einer besonderen Anspruchsform für chemische Stoffe mit eingeschränktem Schutzumfang; Art. 54 Abs. 5 revEPÜ) sowie einer vertieften Harmonisierung des Schutzumfangs europäischer Patente im Auslegungsprotokoll zu Artikel 69 EPÜ.

Siehe Ziffer 2.1.2.

3780

Eine wichtige Neuerung im Verfahren vor dem EPA ist das Beschränkungs- und Widerrufsverfahren (Art. 105a­105c revEPÜ). Dieses ermöglicht dem Patentinhaber, sein Patent in einem administrativen Verfahren mit Wirkung für sämtliche benannten Staaten zu beschränken oder zu widerrufen. Dies kann etwa bei einem nach der Erteilung bekannt gewordenen Element des Stands der Technik erforderlich sein, um einer Nichtigkeitsklage zu begegnen. Artikel 138 revEPÜ wurde sodann dahingehend abgeändert, dass der Inhaber eines europäischen Patents auch in einem Nichtigkeitsverfahren vor nationalen Gerichten die Möglichkeit erhält, sein Patent auf eigenen Antrag hin einzuschränken. Eine weitere Neuerung im Verfahren ist der Antrag auf Überprüfung, der ein Revisionsverfahren ins Europäische Patentübereinkommen einführt (Art. 112a revEPÜ). Siehe Ziffer 2.1.3.

Die organisatorische Reform zielt darauf ab, die historisch gewachsene Arbeitsteilung zwischen der Zweigstelle des EPA in Den Haag und dem Sitz in München effizient zu restrukturieren. Dadurch werden Kapazitäten freigesetzt, die der Bewältigung des gesteigerten Arbeitsaufkommens dienen. Siehe Ziffer 2.1.4.

Die rechtstechnischen Änderungen beinhalten eine redaktionelle und systematische Bereinigung des Übereinkommenstextes. Siehe Ziffer 2.1.5.

1.1.5

Würdigung

Die EPÜ-Revisionsakte bringt eine Modernisierung des europäischen Patentsystems unter Wahrung der bewährten Grundlagen des materiellen Patentrechts und des Verfahrensrechts. Die vorgenommenen Anpassungen stellen institutionelle Rahmenbedingungen für den Patentschutz in Europa sicher, die auch unter den Bedingungen eines zunehmend integrierten, in den Welthandel eingebetteten europäischen Wirtschaftssystems leistungsfähig sind, und gewährleisten die Reformfähigkeit des europäischen Patentsystems auch in Zukunft. Die EPÜ-Revisionsakte leistet auf diese Weise einen wichtigen Beitrag für den Wirtschaftsstandort Europa, der angesichts der Integration der Schweiz einen für sie sehr hohen Stellenwert hat.

1.1.6

Ergebnisse der Vernehmlassungen

Die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte war Gegenstand zweier Vernehmlassungsverfahren, die vom 11. Dezember 2001 bis zum 30. April 2002 und vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2004 durchgeführt wurden. Dieses Anliegen war jeweils weitgehend unbestritten und wurde von einer deutlichen Mehrheit der dazu eingegangenen Stellungnahmen begrüsst.

Die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte wurde in der jüngsten Vernehmlassung von zwei Kantonen, zwei Parteien (FDP, GPS), vom Schweizerischen Städteverband, von vier Spitzenverbänden (economiesuisse, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizerischer Gewerkschaftsbund und Schweizerischer Bauernverband), von Teilen der Wirtschaftskreise, von der pharmazeutischen Industrie, von weiten Teilen der Fachrechtskreise sowie von einzelnen Vertretern der Forschung befürwortet. Die GPS, santésuisse sowie zwei Konsumentenschutzorganisationen sprachen sich allerdings gegen die Verankerung des Schutzes medizinischer Indikationen (Art. 54 Abs. 5 revEPÜ) aus. Der Erhalt der Mitgliedschaft der Schweiz bei der

3781

Europäischen Patentorganisation und die Rechtspraxis in der Schweiz lassen es aber nicht zu, von einem Schutz medizinischer Indikationen abzusehen. Siehe Ziff. 2.1.2 und 5.1.2.

1.1.7

Dringlichkeit

Artikel 172 Absatz 4 revEPÜ sieht vor, dass diejenigen Staaten, welche die revidierte Fassung des Europäischen Übereinkommens im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht ratifiziert haben, aus der Europäischen Patentorganisation ausscheiden.

Ziel dieser Vorschrift ist es, die Einheitlichkeit des europäischen Patenterteilungsverfahrens und der Patentierungsvoraussetzungen sicherzustellen.

Die revidierte Fassung des Europäischen Patentübereinkommens tritt spätestens zwei Jahre nach Hinterlegung der letzten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde von fünfzehn Vertragsstaaten in Kraft. Bislang haben 12 Staaten die EPÜ-Revisionsakte ratifiziert oder sind ihr beigetreten (Stand 31.12.2004). Es ist mit einem Inkrafttreten der EPÜ-Revisionsakte im Jahre 2007 zu rechnen. Sollte die Schweiz bis dahin die Akte nicht ebenfalls ratifiziert haben, wird das Europäische Patentübereinkommen für sie ausser Kraft treten.

Die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte bis 2007 kann indessen nicht gewährleistet werden, wenn sie zusammen mit den weiteren Teilaspekten der im Vernehmlassungsverfahren unterbreiteten Materie weiterverfolgt würde. Der Bundesrat unterbreitet deshalb mit der vorliegenden separaten Botschaft die Ratifizierung der EPÜRevisionsakte vorab zur Genehmigung. Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs erachtet er es als sinnvoll, mit dieser Vorlage zugleich auch die völlig unbestrittene Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens zu verbinden.

1.2

EPÜ-Sprachenübereinkommen

1.2.1

Ausgangslage

Artikel 65 EPÜ erlaubt jedem Vertragsstaat, als Voraussetzung für den Eintritt der Wirkung eines europäischen Patents eine Übersetzung der europäischen Patentschriften in eine seiner Landessprachen zu verlangen. Gerade mit Blick auf die zunehmende Einbindung in den Welthandel erweist sich dieser Vorbehalt von Übersetzungen als eine Unzulänglichkeit des europäischen Patentsystems. Artikel 65 EPÜ führt dazu, dass die Kosten für ein europäisches Patent gegenwärtig drei bis fünfmal Mal höher sind als für ein amerikanisches oder japanisches Patent.

Mit Artikel 65 EPÜ wollte man ursprünglich sicherstellen, dass interessierte Drittpersonen europäische Patente in einer ihnen vertrauten Sprache einsehen können.

Die Praxis zeigt jedoch, dass die grosse Mehrheit der Übersetzungen gar nie konsultiert wird. Übersetzungen sind folglich für Dritte bloss von geringer Bedeutung, verursachen dem Patentinhaber aber grosse Zusatzkosten. Diese Erkenntnis sprach dafür, den Übersetzungszwang in den Unterzeichnerstaaten wesentlich zu lockern und damit die Kosten für europäische Patente merkbar zu senken. Die Kostensenkung wiederum soll den Erfindern bzw. Unternehmen den Zugang zum europäischen Patentsystem erleichtern und das ökonomische Umfeld für Unternehmen in Europa gegenüber den USA und Japan verbessern.

3782

1.2.2

Verlauf der Verhandlungen

Die Pariser Regierungskonferenz vom 24./25. Juni 1999 beauftragte eine Arbeitsgruppe, einen Vorschlag für ein fakultatives Zusatzabkommen zum Europäischen Patentübereinkommen zu unterbreiten, das eine Senkung der durch Übersetzungen bedingten Kosten für europäische Patente um etwa 50 % ermöglichen sollte. In weniger als einem Jahr arbeitete die zuständige Arbeitsgruppe das Übereinkommen über die Anwendung des Artikels 65 EPÜ (EPÜ-Sprachenübereinkommen) aus. Die Verhandlungen dazu verliefen ohne Kontroversen.

1.2.3

Verhandlungsergebnis

An der zweiten Regierungskonferenz der Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens am 16./17. Oktober 2000 in London wurde das EPÜ-Sprachenübereinkommen zur Unterzeichnung aufgelegt und fand damit seinen erfolgreichen Abschluss.

1.2.4

Überblick über den Inhalt des Vertrags

Die angestrebte Senkung der Kosten für europäische Patente wird dadurch erreicht, dass ein Vertragsstaat auf sämtliche Übersetzungserfordernisse eines in einer Amtssprache des EPA (Deutsch, Französisch, Englisch) erteilten Patents verzichtet, wenn eine der Amtssprachen des EPA zugleich auch eine nationale Amtssprache ist. Vom Übereinkommen gänzlich unberührt bleibt jedoch das Recht der Unterzeichnerstaaten, den Patentinhaber im Falle von gerichtlichen Streitigkeiten zu verpflichten, auf eigene Kosten Übersetzungen des umstrittenen Patents in einer anerkannten Amtssprache einzureichen. Siehe Ziffer 2.2.

1.2.5

Würdigung

Mit dem EPÜ-Sprachenübereinkommen können die Kosten für europäische Patente erheblich reduziert werden, was zu einer Erhöhung der Attraktivität europäischer Patente und damit zu einer Stärkung des europäischen Patentsystems führt.

Das EPÜ-Sprachenübereinkommen hätte im Falle seines Inkrafttretens für die Schweiz zur Folge, dass das IGE nicht mehr verlangen kann, dass der Anmelder oder Patentinhaber eine Übersetzung der Patentschrift in eine schweizerische Amtssprache einreicht, wenn ein europäisches Patent in englischer Sprache veröffentlicht wird.

Der Verzicht auf eine Übersetzung in eine schweizerische Amtssprache in Bezug auf ein in englischer Sprache veröffentlichtes europäisches Patent rechtfertigt sich aus verschiedenen Überlegungen: Wohl würden künftig Schutzrechte in unserem Land Wirkung entfalten, deren Inhalt und Umfang nur anhand englischer Texte erfasst werden können. Die Erfahrung des IGE zeigt aber, dass in der Schweiz weniger als 1 % der jährlich eingereichten Übersetzungen europäischer Patente tatsächlich konsultiert werden. Von den pro Jahr über 5000 dem IGE eingereichten Übersetzun3783

gen europäischer Patente werden jährlich lediglich ca. 20 eingesehen. Die entsprechenden Übersetzungen sind somit von marginaler praktischer Bedeutung, verursachen den Benutzern des Patentsystems jedoch hohe zusätzliche Kosten, die kleinere und mittlere Betriebe und Einzelerfinder am härtesten treffen.

Bereits aufgrund des geltenden Artikels 65 EPÜ ist es nicht zulässig, eine Übersetzung in alle Amtssprachen eines Landes zu verlangen. Bezogen auf die Schweiz bedeutet dies, dass eine Übersetzung nur in eine der Amtssprachen gefordert werden kann. Von europäischen Patentschriften in Deutsch oder Französisch dürfen daher keine Übersetzungen in die jeweils anderen Amtssprachen verlangt werden. Unabhängig von der Regelung des EPÜ-Sprachenübereinkommens werden europäische Patente in deutscher oder französischer Sprache somit weder ins Italienische noch in die jeweils andere Sprache übersetzt. Dies entspricht der Situation in Bezug auf nationale Patente: Diese werden nicht in alle Amtssprachen übersetzt, sondern liegen nur in der für das Erteilungsverfahren massgebenden Sprache vor. Den Benutzern des schweizerischen Patentsystems wird daher schon heute die Kenntnis aller Landessprachen abverlangt.

Die Schweiz befindet sich gegenüber verschiedenen anderen Vertragsstaaten des EPÜ in einer privilegierten Situation, da doch immerhin zwei der drei Amtssprachen des EPA (Französisch und Deutsch) unseren Landessprachen entsprechen. Im Weiteren werden auch in Zukunft die Patentansprüche englischer Patentschriften stets in Französisch und Deutsch publiziert werden. Die Patentansprüche stehen als wesentliches Element zur Bestimmung des Schutzgegenstands eines Patents nach Inkrafttreten des EPÜ-Sprachenübereinkommens somit stets in zwei nationalen Amtssprachen zur Verfügung (was für nationale Patente nicht der Fall ist). Es geht vorliegend nur um eine Regelung der Übersetzungserfordernisse für europäische Patente; das Sprachenregime mit Bezug auf nationale Patente oder internationale Anmeldungen ist nicht betroffen.

Die Ausgestaltung des EPÜ-Sprachenübereinkommens als fakultatives Übereinkommen ermöglicht es den Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens, den Zeitpunkt des Beitritts entsprechend der innenpolitischen Willensbildung zu wählen. Für die Vertragsstaaten, die vorderhand nicht dem
EPÜ-Sprachenübereinkommen beitreten, bietet diese Vertragsausgestaltung die Möglichkeit, sich von der Effektivität des Übereinkommens zu überzeugen.

Neben der Schweiz haben 11 weitere Staaten das Übereinkommen unterzeichnet.

Hervorzuheben ist, dass Deutschland, das Vereinigte Königreich und Frankreich ebenfalls zu den Unterzeichnerstaaten gehören. Damit ist nicht nur eine wesentliche Vorbedingung für das Inkrafttreten des Übereinkommens erfüllt, sondern auch sichergestellt, dass die Länder mit der höchsten Zahl an Benennungen in das neue Sprachenregime potenziell eingebunden sind.

1.2.6

Ergebnisse der Vernehmlassungen

Die Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens war Gegenstand zweier Vernehmlassungsverfahren, die vom 11. Dezember 2001 bis zum 30. April 2002 und vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2004 durchgeführt wurden (vgl. Ziff. 1.1.6).

Dieses Anliegen war jeweils weitgehend unbestritten und wurde in allen der dazu eingegangenen Stellungnahmen begrüsst.

3784

Die Zustimmung wird mehrheitlich mit den resultierenden Kostensenkungen, der internationalen Harmonisierung des Patenterteilungsverfahrens sowie dem Umstand begründet, dass die englische Sprache in technischen Gebieten bereits heute Standard ist. Die Ratifikation trage zudem den Interessen der Hochschulen und der KMU Rechnung.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verträge

2.1

EPÜ-Revisionsakte

2.1.1

Institutionelle und politische Reformen

Art. 4a

Institutionalisierung von Ministerkonferenzen

Gestützt auf das Mandat der Pariser Regierungskonferenz, dessen dritter Punkt die Modernisierung der Entscheidungsverfahren der EPO vorsieht, wurde an der Diplomatischen Konferenz von November 2000 die Verankerung von Konferenzen der Vertragsstaaten auf der Ebene der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Minister als eine ständige Einrichtung beschlossen. Solche Konferenzen sind zwar schon einberufen worden, ohne dass das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung Probleme aufgegeben hätte (so die Regierungskonferenzen von Paris im Jahre 1999 und von London im Jahre 2000). Mit der Institutionalisierung in Artikel 4a revEPÜ wird indessen der politische Führungsanspruch deutlich gemacht. Die Kompetenzen der Organe der EPO (das Amt und der Verwaltungsrat) bleiben von der Errichtung einer Ministerkonferenz unberührt. Es ist also nicht die Aufgabe der Ministerkonferenz, Beschlüsse mit verbindlicher Wirkung für die EPO zu fassen. Ihre Aufgabe und Bedeutung ist vielmehr rein politisch. Einerseits kann sie der EPO durch die Erteilung von Mandaten oder in anderer geeigneter Form bestimmte Ziele setzen, die deren Organe im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen anzustreben haben.

Andererseits kann sie eine Zusammenarbeit der Vertragsstaaten einleiten, die über den Anwendungsbereich des Europäischen Patentübereinkommens hinausgeht. Das Vorbild für beide Formen der politischen Wegweisung ist die von Frankreich im Juni 1999 einberufene Regierungskonferenz, die der EPO Mandate zur Reform erteilt und die Ausarbeitung von Vereinbarungen zwischen Vertragsstaaten in den Fragen der Übersetzungserfordernisse und der Streitregelung veranlasst hat.

Art. 33 und 35

Vereinfachte Anpassung des Europäischen Patentübereinkommens an internationale Texte

Nach Artikel 172 EPÜ kann das Übereinkommen nur durch Konferenzen der Vertragsstaaten revidiert werden. Solche Konferenzen sind in der Vorbereitung und Durchführung aufwendig. Als Instrument für Reformen erweisen sie sich als zu schwerfällig, um eine flexible Anpassung an die sich wandelnden rechtlichen Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Aus diesen Überlegungen wurde ein neuer Absatz 1 Buchstabe b in Artikel 33 EPÜ eingefügt, dem zufolge der Verwaltungsrat befugt ist, die materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens anzupassen, um ihre Übereinstimmung mit internationalen Verträgen und den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (EG) auf dem Gebiet des Patentwesens zu gewährleisten. Der Verwaltungsrat kann von dieser Befugnis Gebrauch machen, wenn ein internationaler Vertrag, ein Übereinkommen 3785

oder ein Gemeinschaftstext eine oder mehrere Vorschriften enthält, die das Patentrecht betreffen. Dieser vereinfachte Mechanismus zur Anpassung des Europäischen Patentübereinkommens ist allerdings an strenge Voraussetzungen geknüpft (Art. 35 Abs. 3 revEPÜ): (1) Der Beschluss des Verwaltungsrats bedarf der Einstimmigkeit; (2) alle Vertragsstaaten müssen bei der Beschlussfassung vertreten sein; (3) jeder Vertragsstaat verfügt über eine Frist von 12 Monaten nach dem Datum der Beschlussfassung, innerhalb deren er erklären kann, dass der Beschluss nicht verbindlich sein soll. Diese Frist ermöglicht den Vertretern der Vertragsstaaten im Verwaltungsrat, bei den nationalen gesetzgebenden Organen abzuklären, ob der Beschluss angenommen werden kann. Während der Konferenz wurde eine vierte Voraussetzung eingeführt: Der Verwaltungsrat kann erst dann einen Beschluss fassen, wenn der internationale Vertrag oder der Erlass der EG in Kraft getreten ist oder, falls Letzterer eine Frist für seine Umsetzung setzt, nach Ablauf dieser Frist.

Diese zusätzliche Voraussetzung stellt eine erhebliche Schwächung der Wirkung der neuen Bestimmung dar, wodurch die Flexibilität im Vergleich zur Einberufung einer Revisionskonferenz nach Artikel 172 EPÜ weitgehend zurückgenommen wird.

Art. 149a

Verankerung von weiteren Übereinkommen im Europäischen Patentübereinkommen

Ziel des neuen Artikels 149a revEPÜ ist es, eine klare Rechtsgrundlage für das Übereinkommen über die Anwendung von Artikel 65 EPÜ sowie für künftige Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten zu Fragen der Streitregelung für europäische Patente zu schaffen. Mit der expliziten Einbindung solcher Zusatzübereinkommen in das Europäische Patentübereinkommen dient diese Regelung der Klarstellung des gegenseitigen Verhältnisses. Absatz 2 stellt sicher, dass auch die Mitglieder der Beschwerdekammern des EPA in einem in Zukunft möglicherweise eingesetzten gemeinsamen europäischen Patentgericht tätig sein dürfen und das EPA seine Räumlichkeiten, die Unterstützung durch Personal und das notwendige Material für eine mögliche zukünftige Gutachterstelle in Patentrechtsfragen im Zusammenhang mit diesem Gericht für die Erfüllung der Aufgaben dieser Gutachterstelle zur Verfügung stellen kann.

2.1.2 Art. 54 Abs. 5

Materielles Recht Schutz für weitere medizinische Indikationen

Nach der geltenden Fassung von Artikel 54 Absatz 5 EPÜ werden Stoffe oder Stoffgemische als neu behandelt, wenn sie zum ersten Mal in einem medizinischen Verfahren nach Artikel 52 Absatz 4 EPÜ verwendet werden. Damit wird ein teilweiser Ausgleich für den Ausschluss medizinischer Verfahren von der Patentierung nach Artikel 52 Absatz 4 EPÜ geschaffen, der seinerseits verhindern will, dass Ärztinnen und Ärzte durch bestehende Patente bei der Ausübung ihres Berufs behindert werden. In Anbetracht des Umstands, dass Artikel 54 Absatz 5 EPÜ den Ausschluss medizinischer Verfahren nur zum Teil kompensiert, legte die Grosse Beschwerdekammer Artikel 54 Absatz 5 EPÜ weit aus. Dieser Auslegung zufolge erfasst diese Bestimmung jede weitere medizinische Indikation, soweit sich der fragliche Anspruch auf eine bestimmte Form beschränkt, die als «schweizerische Anspruchsform» bezeichnet wird. Diese in der schweizerischen Praxis begründete Anspruchs3786

form2 lässt einen beschränkten Anspruch zu, insoweit er eine Verwendung eines Stoffes oder Stoffgemisches zur Herstellung eines Arzneimittels für eine bestimmte neue therapeutische Anwendung darstellt. Diese Praxis wurde von der Grossen Beschwerdekammer des EPA3 sowie weitgehend durch die nationalen Gerichte und Beschwerdeabteilungen der Patentämter der Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens übernommen. Abweichend hat allerdings das Distriktsgericht von Den Haag am 16. Februar 2000 entschieden. Es hielt dafür, dass die schweizerische Anspruchsform in Tat und Wahrheit ein medizinisches Verfahren beanspruche und daher nicht patentierbar sei4. Der neue Artikel 54 Absatz 5 revEPÜ beseitigt nun jegliche Rechtsunsicherheit betreffend die Patentierbarkeit von weiteren medizinischen Indikationen, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund des letztgenannten Entscheids entstanden sind. Ein zweckgebundener Stoffschutz wird so unzweifelhaft für jede weitere medizinische Anwendung eines Stoffes oder Stoffgemisches gewährt, der oder das als Arzneimittel bereits bekannt ist.

Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ Das System des Europäischen Patentübereinkommens zielt darauf ab, einen einheitlichen Schutz des europäischen Patents in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten.

Dies setzt eine möglichst einheitliche Anwendung des materiellen Patentrechts, namentlich auch eine übereinstimmende Bestimmung des Schutzbereichs voraus.

Bei Verletzungsprozessen in Zusammenhang mit europäischen Patenten werden die Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens von nationalen Gerichten angewendet, was durchaus dazu führen kann, dass einem europäischen Patent in den verschiedenen Vertragsstaaten ein unterschiedlicher Schutzumfang zuerkannt wird.

Das Europäische Patentübereinkommen nimmt sich im Artikel 69 und im dazugehörigen Auslegungsprotokoll des Schutzbereichs europäischer Patente an. Wie sich gezeigt hat, werden diese Vorschriften dem angestrebten Ziel einer möglichst einheitlichen Anwendung und Auslegung jedoch nicht im gewünschten Mass gerecht.

Divergenzen bestehen insbesondere in Bezug auf die Behandlung so genannter Äquivalente (das sind Mittel, deren Benutzung im Wesentlichen zum gleichen Ergebnis führt wie die im Patentanspruch genannten Mittel) und die Bedeutung früherer Angaben zur Gültigkeit des
Patents, die der Anmelder bzw. Patentinhaber in der Anmeldung oder Patentschrift, im Erteilungsverfahren vor dem EPA oder in Verfahren vor Gerichten gemacht hat. Die Konferenz einigte sich angesichts der Komplexität dieser Problematik und der fehlenden Zeit für eine eingehende Erörterung des kurzfristig eingebrachten Vorschlags darauf, eine minimale Regel in das Europäische Patentübereinkommen aufzunehmen und die Abklärungen zu dieser Frage weiterzuführen. Sie hat daher nur den Begriff des Äquivalents in das Auslegungsprotokoll zu Artikel 69 aufgenommen, ohne diesen zu definieren.

2 3 4

Vgl. Rechtsauskunft des Bundesamtes für Geistiges Eigentum vom 30. Mai 1984, Schweizerisches Patent-, Muster- und Markenblatt (PMMBl) 1984 I 53.

Grosse Beschwerdekammer, 5. Dez. 1984, Rs. G 5/83, ABl. EPA 1985, 64.

European Intellectual Property Review 2000, N-125.

3787

2.1.3 Art. 68

Änderungen betreffend das Verfahren vor dem Europäischen Patentamt Wirkung des Widerrufs oder der Beschränkung eines europäischen Patents

Die Wirkungen des Entscheids einer Beschränkung oder eines Widerrufs eines europäischen Patents treten nach Artikel 68 revEPÜ mit deren Veröffentlichung rückwirkend für alle benannten Vertragsstaaten ein. D.h., das Patent gilt als von Anfang an beschränkt oder widerrufen. Dieselben Wirkungen zeitigt auch die Nichtigkeit inkl. Teilnichtigkeit eines europäischen Patents. Die Wirkungen des Patents gelten auch in diesem Fall als von Anfang an nicht eingetreten (vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen zum Beschränkungs- und Widerrufsverfahren sowie zur Nichtigkeit europäischer Patente und die Ausführungen zu Art. 28a E-PatG, Ziff. 5.3.1).

Art. 105a­105c

Beschränkungs- und Widerrufsverfahren

Nach geltendem Recht ist es dem Inhaber eines europäischen Patents nicht möglich, sein Patent zentral in einem administrativen Verfahren mit Wirkung für sämtliche benannten Staaten zu beschränken oder zu widerrufen. Er muss daher eine entsprechende Beschränkung seines Patents in sämtlichen Staaten separat vornehmen, in denen es Wirkung entfaltet hat. Im vorgesehenen erweiterten Beschränkungsverfahren (Art. 105a­105c revEPÜ) kann das europäische Patent auf Antrag des Patentinhabers nun neu beim EPA mit rückwirkender Kraft (vgl. Art. 68 revEPÜ) beschränkt oder widerrufen werden.

Der Widerruf oder die Beschränkung des europäischen Patents, die durch Änderung der Patentansprüche vorzunehmen ist, erfolgt auf gebührenpflichtigen Antrag des Patentinhabers. Zuständig für die Behandlung eines Antrags auf Beschränkung bzw.

Widerruf eines europäischen Patents ist eine Prüfungsabteilung des EPA. Der gegen europäische Patente mögliche Einspruch eines Berechtigten geht einer Beschränkung bzw. einem Widerruf vor; damit wird widersprechenden Verfahrensausgängen vorgebeugt. Im Übrigen kann eine Beschränkung oder ein Widerruf jederzeit beantragt werden (vgl. hierzu auch die Ausführungen zu Art. 24 Abs. 2 PatG, Ziff. 5.3.1).

Gegenüber nationalen Verfahren, insbesondere Nichtigkeitsverfahren, hat das europäische Beschränkungsverfahren keinen Vorrang. Bei parallelen Verfahren, kann der Prozess vor nationalen Zivilgerichten durch den Richter ausgesetzt werden (vgl.

Art. 128 E-PatG; siehe hierzu auch die Ausführungen zu Art. 127 E-PatG, Ziff. 5.3.1). Ist ein nationales Verfahren bereits abgeschlossen, so kann der Patentinhaber einerseits die dort vorgenommenen Änderungen der Patentansprüche auf dem Wege des europäischen Beschränkungsverfahrens auch mit Wirkung für alle anderen Vertragsstaaten nachvollziehen. Andererseits steht eine vor dem EPA erfolgte Beschränkung des europäischen Patents einer weitergehenden Beschränkung im nationalen Verfahren nicht entgegen.

Nach einer Formalprüfung ermittelt das EPA, ob die beantragte Änderung der Ansprüche tatsächlich eine Beschränkung des Patents bewirkt und ob die allgemeinen Erfordernisse an die Umschreibung der Patentansprüche eingehalten sind (Art. 105b Abs. 1 revEPÜ). Nicht geprüft wird, ob das Restpatent patentierbar ist und ob das mit der Beschränkung verfolgte Ziel (z.B. eine Abgrenzung gegenüber 3788

einem bestimmten Stand der Technik) erreicht wird. Der Entscheid der Prüfungsabteilung des EPA im Beschränkungsverfahren unterliegt der internen Beschwerde.

Zusammen mit der Veröffentlichung der Beschränkung stellt das EPA eine geänderte Patentschrift aus (Art. 105c revEPÜ). In Anwendung des EPÜ-Sprachenübereinkommens wird eine revidierte Patentschrift in englischer Sprache dabei nicht mehr in eine schweizerische Amtssprache übersetzt werden müssen (vgl. hierzu die Ausführungen zum EPÜ-Sprachenübereinkommen, Ziff. 2.2).

Die Wirkungen des Entscheids über eine Beschränkung oder einen Widerruf eines europäischen Patents richten sich nach Artikel 68 revEPÜ (vgl. die vorstehenden Erläuterungen zu Art. 68 revEPÜ sowie die Ausführungen zu Art. 28a E-PatG, Ziff. 5.3.1).

Art. 112a

Antrag auf Überprüfung

Mit dem Antrag auf Überprüfung von Entscheiden einer der Beschwerdekammern des EPA wird neu ein Revisionsverfahren ins Europäische Patentübereinkommen eingeführt (Art. 112a revEPÜ). Zuständig zur Behandlung solcher Anträge ist nach Artikel 22 revEPÜ die Grosse Beschwerdekammer. Bisher hatte diese allein über Rechtsfragen zu entscheiden, die ihr von Beschwerdekammern oder vom Präsidenten des EPA vorgelegt wurden. Einer Überlastung der Grossen Beschwerdekammer mit Anträgen auf Überprüfung wird dadurch vorgebeugt, dass eindeutig unzulässige oder unbegründete Anträge bei Aufnahme des Verfahrens abgelehnt werden können.

Zu diesem Zweck sollen spezielle Ausschüsse gebildet werden, die bei Einstimmigkeit ihrer Mitglieder die Überprüfungsanträge zurückweisen. Über die Zulassung wird in einem schriftlichen, summarischen Verfahren entschieden, um im Interesse Dritter möglichst rasch zu einem Urteil zu kommen.

Die Überprüfung einer Entscheidung einer Beschwerdekammer des EPA ist nur in sehr begrenztem Rahmen möglich. Artikel 112a Absatz 1 revEPÜ setzt voraus, dass das Beschwerdeverfahren mit einem schwerwiegenden Verfahrensmangel behaftet war oder dass eine Straftat die Entscheidung beeinflusst haben könnte. So könnte etwa ein Verstoss gegen das rechtliche Gehör, die Nichtberücksichtigung eines Antrags eines Beteiligten, die sich entscheidend auf das Urteil ausgewirkt hat, die Mitwirkung eines Mitglieds der Beschwerdekammer trotz dessen Ablehnung oder die Beeinflussung der Entscheidung durch eine kriminelle Handlung geltend gemacht werden. Die Grosse Beschwerdekammer ist jedoch nicht befugt, festzustellen, ob ein bestimmtes Verhalten einen strafrechtlich relevanten Rechtsverstoss darstellt. Folglich kann eine strafbare Handlung erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung ein wirksamer Grund für einen Überprüfungsantrag sein. Diese beschränkte Prüfungsbefugnis wird verhindern, dass der Antrag auf Überprüfung dazu instrumentalisiert wird, die Anwendung des materiellen Rechts durch die Beschwerdekammern des EPA überprüfen zu lassen.

Zur Einreichung eines Antrags auf Überprüfung ist ein Verfahrensbeteiligter legitimiert, der durch den angefochtenen Entscheid beschwert ist. Der Antrag wird ins Europäische Patentregister eingetragen. Als ausserordentlicher Rechtsbehelf soll ihm nach Artikel 112a Absatz 3 revEPÜ
aber keine aufschiebende Wirkung zukommen.

Gibt die Grosse Beschwerdekammer dem Überprüfungsantrag statt, so hebt sie die angefochtene Entscheidung auf und ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Beschwerdekammer an (Art. 112a Abs. 5 revEPÜ). Die Gutheissung einer 3789

Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Grosse Beschwerdekammer durchbricht die Rechtskraft der aufgehobenen Entscheidung. Für den Fall, dass ein einmal verlorener Patentschutz wiederauflebt, sieht Absatz 6 ein Weiterbenutzungsrecht derjenigen Personen vor, die in der Zwischenzeit die Erfindung in gutem Glauben gewerbsmässig benutzt oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen haben. Damit wird ein Interessenausgleich zwischen dem Patentinhaber und gutgläubigen Dritten geschaffen.

Art. 124

Auskünfte über den Stand der Technik

Auskünfte zum Stand der Technik können bislang nur in eingeschränktem Umfang beim Anmelder eingeholt werden. Nach Artikel 124 EPÜ kann der Patentanmelder lediglich aufgefordert werden, die Staaten anzugeben, in denen er nationale Patentanmeldungen eingereicht hat. Neu soll das EPA die Möglichkeit haben, vom Anmelder bezüglich einer Erfindung, die Gegenstand einer europäischen Patentanmeldung ist, Auskünfte über den Stand der Technik einzuholen, der in korrespondierenden Erteilungsverfahren herangezogen wurde. Durch die Bereitstellung solcher Informationen von Seiten des Anmelders verspricht sich das EPA eine Beschleunigung des europäischen Erteilungsverfahrens und eine qualitative Verbesserung von Recherche und Sachprüfung. Die Detailvorschriften werden in der Ausführungsordnung geregelt werden.

Art. 134 und 134a

Berufsmässige Vertretung

Die Artikel 134 und 134a revEPÜ regeln verschiedene Fragen der berufsmässigen Vertretung. Der bisherige Artikel 163 Absatz 6 EPÜ wurde dabei wegen seiner dauerhaften Bedeutung aus den Übergangsbestimmungen in Absatz 3 von Artikel 134 überführt. Dieser Absatz sieht vor, dass während eines Zeitraums von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, von dem an der Beitritt eines Staats zum EPÜ wirksam wird, die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter auch von jeder natürlichen Person beantragt werden kann, welche die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats besitzt, ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in dem Staat hat, der dem Europäischen Patentübereinkommen beigetreten ist, und befugt ist, natürliche oder juristische Personen auf dem Gebiet des Patentwesens vor der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz dieses Staats zu vertreten. Unterliegt diese Befugnis nicht dem Erfordernis einer besonderen beruflichen Befähigung, so muss die Person die Vertretung in diesem Staat mindestens fünf Jahre lang regelmässig ausgeübt haben. Da seit dem 1. Juli 2002 acht neue Staaten dem EPÜ beigetreten sind, kommt dieser Regel nach wie vor besondere Bedeutung zu.

Neu ist, dass der Verwaltungsrat ermächtigt wird, nach dem Vorbild des amerikanischen Rechts für das Verhältnis zwischen Patentanwalt und Klient ein Zeugnisverweigerungsrecht zu schaffen. Dieses Recht soll ausschliesslich in Verfahren vor dem EPA gelten.

Art. 138

Nichtigkeit europäischer Patente

Mit der Revision von Artikel 138 EPÜ soll die Beschränkung eines Patents durch den Patentinhaber ­ eine in den meisten Vertragsstaaten anerkannte Praxis ­ festgeschrieben und der insoweit erreichte Stand der Harmonisierung gesichert und ausgebaut werden. Die Schweiz kennt diese Form der Selbstbeschränkung im kontradikto3790

rischen Verfahren in Zusammenhang mit dem Teilnichtigkeitsverfahren vor nationalen Gerichten nach Artikel 27 PatG.

Die Neufassung der Absätze 2 und 3 bestimmt einerseits, dass die Beschränkung und Teilnichtigkeit des europäischen Patents stets durch eine entsprechende Änderung der Patentansprüche zu erklären ist (vgl. oben die Ausführungen zum Beschränkungsverfahren). Andererseits wird der Grundsatz kodifiziert, wonach der Patentinhaber angesichts der gegen die Gültigkeit des Patents erhobenen Einwände sein Patent auf die Teile beschränken kann, die von den Einwänden nicht betroffen sind. Dieser Grundsatz ist auch von schweizerischen Gerichten anerkannt5. Die Nichtigkeit inkl. Teilnichtigkeit eines Patents hat retroaktive Wirkung (vgl. oben die Ausführungen zu Art. 68 revEPÜ sowie die Erläuterungen zu Art. 28a E-PatG, Ziff. 5.3.1).

2.1.4 Art. 16­18

Änderungen in der internen Organisation des Europäischen Patentamtes Eingangsstelle, Recherchen- und Prüfungsabteilungen

Aus historischen Gründen werden die Arbeiten im Zusammenhang mit der Erteilung eines europäischen Patents zwischen den Niederlanden und Deutschland geteilt. In Den Haag wird die Recherche und in München die Sachprüfung vorgenommen.

Nachdem es mit den elektronischen Instrumenten heute möglich ist, Recherchen überall durchzuführen, ist die Teilung der Arbeiten nicht mehr notwendig. Diese Entwicklung war der Auslöser für das Projekt «BEST» (Bringing Examination and Search Together). Von der Zusammenführung von Recherche und Sachprüfung wird nicht nur eine Produktivitäts-, sondern auch eine Qualitäts- und Effizienzsteigerung erwartet, da der Recherchenprüfer auch mit der Sachprüfung beauftragt wird. Als Konsequenz wurden die Artikel 16­18 EPÜ angepasst. Im Weiteren wurde das Zentralisierungsprotokoll so geändert, dass dem Amt freigestellt wird, eine geografische Trennung in der Sachprüfung nach technischen Gebieten zwischen Den Haag und München vorzunehmen. Um den Bedenken der Niederlande in Bezug auf einen mit der Einführung dieses Verfahrens befürchteten Abbau der Arbeitsplätze zu begegnen, wurde zudem ein Personalstandsprotokoll eingeführt. Dieses gewährleistet, dass der Anteil der Planstellen des EPA des Jahres 2000, der auf den Dienstort Den Haag entfällt, im Wesentlichen unverändert bleibt.

2.1.5

Formelle Änderungen

Formelle Änderungen, die keine materiellrechtliche Bedeutung haben, bilden die Mehrheit der knapp 100 Änderungsvorschläge der Revision 2000. So wurde der Wortlaut der Konvention umfassend überarbeitet und dabei einfacher und klarer gefasst, insbesondere durch die Überführung gewisser verfahrenstechnischer Vorschriften des EPÜ in die Ausführungsordnung. Die Systematik und die Transparenz des Textes wurden zudem z.B. durch Zusammenführung von gewissen Artikeln 5

Handelsgericht ZH, Urteil vom 30. Juni 1988, SMI 1991, 185; Handelsgericht BE, Urteil vom 12. Sept. 1989, SMI 1991, 179.

3791

verbessert. Weiter wurde die Terminologie innerhalb des EPÜ vereinheitlicht, Anpassungen an internationale Texte bzw. an die Praxis des EPA vorgenommen und der Text umfassend bereinigt (z.B. durch Streichung der Übergangsbestimmungen) sowie zwecks Klarstellung neu formuliert.

Betroffen sind folgende Artikel des Europäischen Patentübereinkommens: 14, 23, 37, 38, 42, 50, 51, 52, 53, 54/4, 60, 61, 65, 67, 70, 75, 76, 77, 78, 80, 86, 87, 88, 90, 92, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 101, 103, 104, 105, 106, 108, 110, 115, 117, 119, 120, 123, 126, 127, 128, 129, 130, 133, 134, 134a, 135, 136, 137, 140, 141, 150­158, 160­163 und 164.

2.1.6

Vorbehalte

Im Rahmen der Revision werden die Vertragsstaaten nicht ermächtigt, Vorbehalte anzubringen. Der geltende Artikel 167 EPÜ, der in der Revision gestrichen wurde, bietet den Vertragsstaaten die Möglichkeit, bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung einer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde bestimmte Vorbehalte bezüglich der Anwendung des EPÜ zu erklären. Das gilt aber nur für die Akte von 1973. Neu beitretenden Vertragsstaaten ist die Erklärung von Vorbehalten nach Artikel 167 EPÜ auch nicht gestattet, sodass Artikel 167 EPÜ gegenstandslos wurde.

2.2

EPÜ-Sprachenübereinkommen

Das EPÜ-Sprachenübereinkommen vom 17. Oktober 2000 umfasst 11 Artikel. Von materiellrechtlicher Natur sind dabei nur die beiden ersten Artikel. Die übrigen Bestimmungen befassen sich mit formellen Aspekten des Übereinkommens (Unterzeichnung, Beitritt, Ausschluss von Vorbehalten, Geltungsdauer usw.). Auf ihre Erläuterung wird verzichtet, da auf den Übereinkommenstext verwiesen werden kann.

Art. 1

Verzicht auf Übersetzungserfordernisse

Nach Artikel 1 Absatz 1 des EPÜ-Sprachenübereinkommens verzichtet jeder Vertragsstaat des Europäischen Patentübereinkommens, der eine Amtssprache mit einer der Amtssprachen des EPA gemein hat (Englisch, Französisch oder Deutsch), auf die Übersetzungserfordernisse nach Artikel 65 EPÜ. Unangetastet bleibt Artikel 14 Absatz 7 EPÜ, dem zufolge die Veröffentlichung europäischer Patentschriften eine Übersetzung der Patentansprüche in die beiden anderen Amtssprachen enthält, die nicht Verfahrenssprache waren. Hat ein Vertragsstaat keine Amtssprache, die mit einer der Amtssprachen des EPA übereinstimmt, so verzichtet er aufgrund des Übereinkommens dennoch auf die in Artikel 65 EPÜ vorgesehenen Übersetzungserfordernisse, wenn das europäische Patent entweder in der von diesem Staat benannten Amtssprache des EPA (also erneut Englisch, Französisch oder Deutsch) erteilt oder in diese Sprache übersetzt und die Übersetzung nach Massgabe von Artikel 65 EPÜ eingereicht worden ist (Art. 1 Abs. 2 EPÜ-Sprachenübereinkommen). Die zuletzt angesprochenen Staaten behalten nach Artikel 1 Absatz 3 lediglich das Recht, eine Übersetzung der Patentansprüche (nicht aber der gesamten Patentschrift) in eine ihrer Amtssprachen zu verlangen. Benennt zum Beispiel Italien die französi3792

sche Verfahrenssprache, so kann es für den Eintritt der Wirkung von europäischen Patenten in Englisch oder Deutsch eine Übersetzung der Patentschrift auf Französisch sowie eine Übersetzung der Patentansprüche auf Italienisch verlangen, vorausgesetzt natürlich, dass Italien dem EPÜ-Sprachenübereinkommen beitritt.

Art. 2

Übersetzungen im Fall von Streitigkeiten

Vom Übereinkommen gänzlich unberührt bleibt das Recht der Vertragsstaaten, den Patentinhaber im Falle von gerichtlichen Streitigkeiten zu verpflichten, auf eigene Kosten Übersetzungen des umstrittenen Patents in einer anerkannten Amtssprache einzureichen (Art. 2 EPÜ-Sprachenübereinkommen).

Die schweizerischen Gerichte bleiben damit befugt, den Patentinhaber im Falle von Streitigkeiten über ein europäisches Patent zu verpflichten, auf eigene Kosten eine vollständige Übersetzung in eine schweizerische Amtssprache vorzulegen.

Art. 6

Inkrafttreten

Das EPÜ-Sprachenübereinkommen tritt nach Artikel 6 Absatz 1 am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der letzten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde von acht Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens einschliesslich der drei Staaten, in denen im Jahr 1999 die meisten europäischen Patente wirksam wurden (Deutschland, Vereinigtes Königreich und Frankreich) in Kraft. Bisher haben vier Staaten das Übereinkommen ratifiziert. Deutschland hat ein Gesetz verabschiedet, das die Umsetzung des Übereinkommens in die nationale Gesetzgebung drei Monate nach dessen Inkrafttreten bewirkt (Stand 31.12.2004).

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Genehmigung der EPÜ-Revisionsakte und des EPÜ-Sprachenübereinkommens hat keine personellen und finanziellen Konsequenzen für den Bund. Das revidierte EPÜ wird mehrheitlich vom EPA vollzogen, das sich aus Gebühreneinnahmen finanziert, sodass der Bundeshaushalt nicht belastet wird. Die Umsetzung des EPÜSprachenübereinkommens bedeutet eine Vereinfachung des Vollzugs in der Schweiz. Da dieser dem IGE obliegt, hat er ohnehin keine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt, da das IGE betriebswirtschaftlich autonom ist.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Kantone und die Gemeinden.

3793

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns Fragen des Schutzes geistigen Eigentums sind in ihrem internationalen Kontext zu sehen. Die Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung von geistigen Eigentumsrechten wird von Privatfirmen als ein entscheidender Faktor des internationalen Handels angesehen. Schweizer Unternehmen sind einem wachsenden internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Deshalb sind ein wirksamer Patentschutz und klare Vorschriften, die den konfliktfreien internationalen Handel begünstigen, Schlüsselfaktoren für Innovation und zugleich eine Vorbedingung, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Innovation ist eine Hauptquelle für Wirtschaftswachstum, und das Patentsystem stellt eines der Hauptanreizinstrumente für Innovation dar. Unterschiedliche nationale Systeme von Immaterialgüterrechten und unterschiedliche nationale Schutzniveaus bzw. unterschiedliche Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung können nichttarifäre Handelshemmnisse aufbauen6. Zur Schaffung eines wirksamen Patentsystems im Interesse der Wettbewerbsteilnehmer muss zudem sichergestellt sein, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen auf die sich wandelnden Anforderungen und Bedürfnisse des internationalen Handels mit der notwendigen Flexibilität angepasst werden können. Das Europäische Patentübereinkommen ist ein wesentliches Instrumentarium, damit der Patentschutz in Europa unter Berücksichtigung des sich dynamisch entwickelnden wirtschaftlichen und politischen Umfelds vereinheitlicht werden kann. Somit hat die Genehmigung der EPÜ-Revisionsakte sowie des EPÜSprachenübereinkommens eine hohe Bedeutung für die Schweizer Industrie.

Die Regulierungsmassnahmen bezwecken weniger, ein Marktversagen zu beheben, als vielmehr, den internationalen Rechtsrahmen effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Sie haben keine Auswirkungen auf den Zugang zu relevanten Technologiemärkten als solchen, sondern verbessern das Patenterteilungsverfahren auf europäischer Ebene insgesamt. Bei der Revisionsvorlage handelt es sich damit überwiegend um Massnahmen, die den Schweizer Patentnutzern Kostenersparnisse bringen und die Effizienz des Patentsystems an sich erhöhen.

Ziel der vorgesehenen Massnahmen ist primär die rechtzeitige Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte durch die Schweiz. Eine Verfehlung dieses Ziels würde den Ausschluss
aus der Europäischen Patentorganisation bedeuten und somit den Ausschluss aus einem funktionierenden europäischen Rechtssystem mit negativen Auswirkungen auf die Integration der Schweizer Wirtschaft in Europa. Beim EPÜSprachenübereinkommen liegt die Notwendigkeit in der Aufwertung des Wirtschaftsstandorts Europa gegenüber USA und Japan, welche bedingt, dass die Kosten für den Innovationsschutz gesenkt werden.

Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen Die Reform des Europäischen Patentübereinkommens gewährleistet dem Anmelder die zügige, effiziente und transparente Durchführung des Verfahrens vor dem EPA, wobei die anerkannten hohen Qualitätsstandards erhalten bleiben. Im Interesse des Anmelders sind dabei insbesondere der weitere Ausbau der Rechtsbehelfe im Ver-

6

Keith Maskus, Intellectual Property Rights in the Global Economy, Washington 2000, S. 110 ff.

3794

fahren vor dem EPA und die Einführung eines zentralen Beschränkungsverfahrens für europäische Patente.

Das EPÜ-Sprachenübereinkommen ermöglicht Nutzern des europäischen Patentsystems, Übersetzungskosten einzusparen. Das Übereinkommen bezweckt, die bisher anfallenden Übersetzungskosten für europäische Patente um durchschnittlich 50 % zu senken und die sich aus den Übersetzungskosten ergebenden Wettbewerbsnachteile für die in der Forschung tätigen Unternehmen zu reduzieren.

Es wird vielfach kritisiert, dass das Patentsystem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu wenig Zugang gewähre, überwiegend aus Kostengründen und weil diesen Firmen oft die nötige Erfahrung und das nötige Fachwissen fehlen. Dies ist nicht zuletzt deshalb besonders bedauerlich, da gerade bei den Firmen kleiner und mittlerer Grösse ein besonders hohes Innovationspotenzial besteht7. Die Förderung von KMUs sollte deshalb ein wesentlicher Bestandteil einer anhaltenden Innovationspolitik sein. Die Genehmigung der EPÜ-Revisionsakte und des EPÜ-Sprachenübereinkommens bringen namentlich für KMUs einen finanziell und verfahrenstechnisch erleichterten Zugang zu einem effizienten Schutzsystem für Innovationen. Durch die Revision werden keine zusätzlichen Vollzugskosten bei den staatlichen Ämtern anfallen.

Mit der Ratifizierung des fakultativen Sprachenübereinkommens setzt die Schweiz ein Signal für weitere Unterzeichnerstaaten, ihrerseits die Sprachenregelung in ihren nationalen Vorschriften umzusetzen und das Übereinkommen zu ratifizieren. Damit wird die Integration auf dem Gebiete des Patentrechts im Interesse seiner Nutzer um einen weiteren Schritt vorangetrieben. Im Idealfall wird ein Anmelder in Zukunft höchstens zwei Übersetzungen der Beschreibung anfertigen müssen, um Schutz in ganz Europa zu erlangen. Nur die Patentansprüche sind noch in alle Amtssprachen zu übersetzen.

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft Regulierungsmassnahmen im Patentrecht haben als Ziel die Förderung von Forschungstätigkeit und Innovation. Der Sinn und Zweck des Patentrechts ist die Schaffung von Anreizen in Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen und dient somit der Erhöhung des Innovationsaufkommens. Innovationen schaffen Arbeitsplätze, fördern höheres Wachstum und tragen zu einer grösseren Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz bei. Die
ökonomischen Auswirkungen einzelner Regulierungsmassnahmen im Patentrecht lassen sich kaum konkret messen, insbesondere weil Innovation und Patentschutz nicht als Glieder in einer linearen Kausalkette zu verstehen sind, sondern einem interaktiven Geflecht verschiedenster Faktoren8 des Innovationsprozesses unterliegen.

Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Vorlage auf die Gesamtwirtschaft ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Massnahmenkatalog überwiegend um Massnahmen der Feinregulierung handelt, die versuchen, ein bestehendes und gut funktionierendes europäisches Patentsystem zu verbessern bzw. dieses behutsam zu

7

8

Gemessen als Patentintensität, d.h. Anzahl Patente pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung, vgl. Research and Patenting in Biotechnology, A Survey in Switzerland, Bern 2003, S. 20.

Vgl. das Modell von Stepen Kline / Nathan Rosenberg, An Overview of Innovation, Washington 1986, S. 275­305.

3795

modernisieren und den aktuellen technischen und rechtlichen Entwicklungen auf europäischer Ebene anzupassen.

Die Reduzierung der Kosten des Systems verbessert insbesondere die Möglichkeiten der Teilnahme von mehr kleinen und mittleren Unternehmen am Patentsystem und fördert insofern auch den Innovationswettbewerb.

Insgesamt ist zu erwarten, dass ein kostengünstigeres Patentsystem, das fest in einen europäischen Rechtsrahmen eingebunden ist, zur Standortattraktivität der Schweiz beiträgt.

3.4

Andere Auswirkungen

Alternative Regelungen Wird von der Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte abgesehen, so tritt das Europäische Patentübereinkommen für die Schweiz ausser Kraft. Um in der Schweiz Patentschutz für Erfindungen zu erlangen, steht dann nur noch das nationale Erteilungsverfahren zur Verfügung. Verglichen mit dem Verfahren zur Erteilung europäischer Patente ist das schweizerische Erteilungsverfahren rudimentär. Während alle Erteilungsvoraussetzungen einschliesslich der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit Gegenstand der Prüfung durch das Europäische Patentamt sind (sog. volle Prüfung), prüft das IGE bei nationalen Patentgesuchen aufgrund ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (Art. 59 Abs. 4 PatG) nicht, ob eine Erfindung neu ist und ob sie sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Die Prüfung beschränkt sich demnach im Wesentlichen auf die folgenden Punkte: das Vorliegen einer Erfindung, das Fehlen eines Patentierungsausschlusses, die gewerbliche Anwendbarkeit, die Klarheit der Ansprüche und die hinreichende Offenbarung. Die Einführung einer vollen Prüfung nach einem Ausserkrafttreten des Europäischen Patentübereinkommens in der Schweiz hätte zur Folge, dass die Erlangung eines Schweizer Patents teurer würde als diejenige eines europäischen Patents; sie ist daher unrealistisch.

Zweckmässigkeit im Vollzug Die vorgeschlagenen Anpassungen des bestehenden Rechtsrahmens bringen mehr Rechtssicherheit und ermöglichen einen unkomplizierten und antizipierbaren Vollzug. Insbesondere die Konkretisierung des Schutzes medizinischer Indikationen schafft klare Rahmenbedingungen für den Rechtsvollzug. Die EPÜ-Revisionsakte sowie das EPÜ-Sprachenübereinkommen haben als Kernanliegen die Vereinfachung des europäischen Erteilungsverfahrens, die Erhöhung der Transparenz und den Ausbau der Rechtsmittel im Verfahren. Mit den zur Ratifizierung der Übereinkommen notwendigen Änderungen des Patentgesetzes wird der Vollzug durch das IGE und die schweizerischen Gerichte optimiert.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 2003­2007 als Richtliniengeschäft angekündigt (BBl 2004 1162, 1192).

3796

5

Änderung des Patentgesetzes

5.1

Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte

5.1.1

Die beantragte Neuregelung

Änderungen des Patentgesetzes zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte sind in erster Linie im Hinblick auf die Verankerung des Schutzes der zweiten und weiterer medizinischen Indikationen und auf die Einführung eines Beschränkungs- und Widerrufsverfahrens notwendig. Die letztgenannten Verfahren machen Anpassungen in Bezug auf den Teilverzicht, auf die Wirkung einer Änderung im Bestand eines nationalen bzw. europäischen Patents, auf die Einreichung von Übersetzungen sowie auf das Verhältnis nationaler zu europäischen Verfahren erforderlich. Siehe Ziffer 5.3.1.

5.1.2

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die Änderungen des Patentgesetzes führen eine Übereinstimmung mit der EPÜRevisionsakte herbei, um deren Genehmigung zu ermöglichen. Sie wurden in beiden Vernehmlassungen insgesamt positiv aufgenommen.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Patentschutz für neue medizinische Indikationen bekannter chemischer Stoffe in der zweiten Vernehmlassung teilweise auf Ablehnung stiess (Ziff. 1.1.6). Dieser Schutz wird durch eine besondere Auslegung der Patentierungsvoraussetzung der Neuheit erreicht und schafft einen Ausgleich für den Ausschluss von Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik, die am menschlichen oder tierischen Körper angewendet werden (dazu Ziff. 5.3.1).

Der Patentschutz für die erste medizinische Indikation ist seit 30 Jahren im Patentrecht gesetzlich verankert (siehe Art. 7c PatG, in Kraft seit 1. Jan. 19789, sowie Art. 54 Abs. 4 EPÜ), für die weiteren medizinischen Indikationen ergibt er sich aus einer gefestigten Rechtspraxis (dazu Ziff. 5.3.1). Der in der Vernehmlassung gewünschten Streichung konnte schon aufgrund dieser Umstände, aber auch wegen der Verunmöglichung einer Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte nicht entsprochen werden. Den zu Artikel 7d E-PatG geäusserten Bedenken wurde indessen mit einer Überarbeitung des Wortlauts der Bestimmung Rechnung getragen. Dieser entspricht besser der mehrheitlich verfolgten Absicht der Vertragsstaaten, mit Artikel 54 Absatz 5 revEPÜ eine Kodifizierung der geltenden Rechtspraxis herbeizuführen, die eine unterschiedliche Behandlung von Erfindungen der ersten und von weiteren Indikationen hinsichtlich des Umfangs der gewährbaren Patentansprüche vorsieht.

Weitere Änderungsvorschläge in der Vernehmlassung betrafen die Auswirkungen der ursprünglichen Nichtigkeit eines lizenzierten Schutzrechts. Einige Vernehmlassungsteilnehmer wünschten die Aufnahme einer Bestimmung, der zufolge die Nichtigerklärung eines erteilten Patents dem Lizenznehmer das Recht gibt, den Lizenzvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Dem Ansinnen konnte nicht entsprochen werden. Zwar ist zuzugeben, dass im Interesse der Rechtssicherheit eine gesetzliche Klärung wünschbar ist. Auf der anderen Seite wird dieses Ziel durch die 9

AS 1977 1997

3797

in den Vernehmlassungsantworten vorgeschlagene Regelung nicht ganz erreicht (Ziff. 5.3.1). Schliesslich bedeutete die Aufnahme dieser Thematik eine Ausweitung der mit dieser Vorlage unterbreiteten Materie, die angesichts des fehlenden unmittelbaren Zusammenhangs und der zeitlichen Dringlichkeit der Vorlage problematisch erscheint.

5.1.3

Umsetzung

Die vorgeschlagenen Änderungen erfordern nur geringfügige Anpassungen der Verordnung und haben keine nennenswerten Auswirkungen auf den heutigen Vollzug des Patentgesetzes durch das IGE und die Gerichte. Aufgrund des zentralen Beschränkungsverfahrens vor dem EPA dürfte die Zahl der Teilverzichtsverfahren nach Artikel 24 PatG rückläufig sein.

5.2

Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens

5.2.1

Die beantragte Neuregelung

Zur Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens wird vorgeschlagen, die Artikel 112­116 PatG als unmittelbare Folge der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen aufzuheben. Siehe Ziffer 5.3.2.

Das Übersetzungserfordernis soll jedoch zeitgleich mit Inkrafttreten des EPÜSprachenübereinkommens (dazu Ziff. 2.2) für die Schweiz entfallen, damit die Schweiz keine einseitige Vorleistung erbringt. Der Bundesrat wird daher gestützt auf die beantragte Ermächtigung, den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen, die Artikel 112­116 PatG erst mit dem Inkrafttreten des EPÜ-Sprachenübereinkommens aufheben und die Übergangsbestimmung (Art. 148 E-PatG) auf diesen Zeitpunkt in Kraft setzen.

Auf diese Weise wird den Bedenken von Teilen der Fachrechtskreise Rechnung getragen. Diese befürchteten bei einer sofortigen Aufhebung des Übersetzungserfordernisses eine einseitige Benachteiligung der schweizerischen Wirtschaft, solange die übrigen Signatarstaaten das EPÜ-Sprachenübereinkommen noch nicht umgesetzt hätten.

5.2.2

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die Senkung der Kostenhürde des europäischen Erteilungsverfahrens durch das EPÜ-Sprachenübereinkommen und die hierzu erforderlichen Gesetzesanpassungen wurden in der Vernehmlassung generell positiv gewürdigt.

Vereinzelt regten die Vernehmlassungsteilnehmer an, Englisch auch als Sprache für die Einreichung nationaler Patentgesuche zuzulassen. Dies entspreche einem lang bestehenden Bedürfnis von Industrie und Anwaltschaft und wirke einer durch die Ratifizierung des EPÜ Sprachenprotokolls begründeten Rechtsungleichheit zwischen nationalen Patentgesuchen und europäischen Patentanmeldungen entgegen.

3798

Englisch sei heute der faktische Standard in fast allen technischen Gebieten und die aufwendigen Übersetzungen trügen mehr zur Unsicherheit bei, als sie die Rechtssicherheit erhöhten. Soweit dieses Anliegen lediglich auf die Zuerkennung eines Anmeldedatums für ein Patentgesuch in englischer Sprache zielt, ist es im Rahmen der Umsetzung des Patentrechtsvertrags (Patent Law Treaty, PLT) vom 1. Juni 2000, namentlich von dessen Artikel 5, zu prüfen, der die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldedatums harmonisiert. Insofern der Wunsch eines nationalen Schutztitels in englischer Sprache besteht, ist diesem entgegenzuhalten, dass die Anstellung der für das Erteilungsverfahren benötigten Fachkräfte eine Verteuerung der Schutztitel zur Folge hätte, die unverhältnismässig wäre. Das Anliegen wird daher nicht weiterverfolgt.

5.2.3

Umsetzung

Die vorgeschlagenen Änderungen erfordern nur geringfügige Anpassungen der Verordnung und haben keine nennenswerten Auswirkungen auf den heutigen Vollzug des Patentgesetzes durch das IGE und die Gerichte.

5.3

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.3.1

Änderungen zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte

Art. 7c und 7d

Neue Verwendung bekannter Stoffe

Mit dem Ziel, Ärztinnen und Ärzte in der Ausübung ihrer Berufstätigkeit nicht zu beeinträchtigen, schliesst das Patentgesetz in Artikel 2 Absatz 2 (entsprechend Art. 53 Bst. c revEPÜ) Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik, die am menschlichen oder tierischen Körper angewendet werden, von der Patentierung aus.

Um diesen extensiven Ausschluss wenigstens teilweise zu kompensieren, wurde Artikel 7c PatG als nationales Gegenstück zur Regelung von Artikel 54 Absatz 5 EPÜ bzw. Artikel 54 Absatz 4 revEPÜ ins Patentgesetz aufgenommen. Die mit dieser Norm verankerte Auslegung der Patentvoraussetzung der Neuheit erlaubt es, Stoffe oder Stoffgemische als patentierbar zu qualifizieren, die zwar als solche schon bekannt sind, aber mit Bezug auf deren Anwendung in einem Verfahren nach Artikel 2 Absatz 2 PatG neu sind. Der Erfinder muss aber in der Lage sein, die Substanz mit der neuen Anwendung in den Ansprüchen zu definieren, und zwar in Form eines zweckgebundenen Stoffschutzes. Der Anwendungsbereich dieses Artikels ist regelmässig auf die erste therapeutische Anwendung eines Stoffes oder Stoffgemisches beschränkt, da eine weitere Anwendung auf dem Gebiet der Therapie oder Diagnostik die Neuheit oft nicht mehr für sich beanspruchen kann10. Die Praxis lässt jedoch die Patentierung von weiteren Anwendungen beschränkt auf einen zweckgebundenen Stoffschutz in der äquivalenten Form eines «Verfahrens zur Herstellung eines Arzneimittels gegen ...» (sog. schweizerische Anspruchsform) zu.

10

Botschaft 1976, BBl 1976 II 1, 71.

3799

In Anpassung an Artikel 54 Absatz 5 revEPÜ (vgl. Ziff. 2.1.2) wird mit Artikel 7d die gesetzliche Grundlage für den Schutz weiterer medizinischer Indikationen im Patentgesetz geschaffen. Damit wird die bisherige Praxis kodifiziert und die Unsicherheit über die Schutzwirkung der so genannten «schweizerischen Anspruchsform» beseitigt.

Art. 17

Voraussetzungen und Wirkung der Priorität

In Angleichung an Artikel 87 Absatz 1 revEPÜ wird Artikel 17 Absatz 1 PatG dahingehend klargestellt, dass eine Anmeldung in einem (oder mit Wirkung für ein) Mitgliedstaat der Welthandelsorganisation (WTO) in Bezug auf die Anerkennung von Prioritätsrechten dieselbe Wirkung hat wie eine Anmeldung in einem (oder mit Wirkung für ein) Land, für das die Pariser Verbandsübereinkunft gilt. Aufgrund der Artikel 2 Absatz 1 sowie 3 und 4 des TRIPS-Abkommens ist die Schweiz heute schon verpflichtet, das Prioritätsrecht allen Mitgliedstaaten der WTO einzuräumen11. Im Rahmen der Gesetzesanpassungen an das GATT/WTO-Übereinkommen wurden ausschliesslich jene Änderungen vorgeschlagen, die zur Ratifizierung des Übereinkommens unerlässlich waren. Aus diesen Gründen sah man damals von einer Revision des Artikels 17 PatG ab. Zur Klarstellung und im Hinblick auf eine bessere Verständlichkeit des Gesetzes wird nunmehr Artikel 17 Absatz 1 PatG im erläuterten Sinn präzisiert.

Art. 24

Teilverzicht

Artikel 24 Absatz 2 PatG ermöglicht dem Patentinhaber, Fehlbeurteilungen bei der Abfassung der Patentansprüche innert einer beschränkten Frist wiedergutzumachen.

Sobald ein Patentanspruch auf anderem Weg als durch Aufhebung eines Anspruchs oder durch Zusammenlegung eines unabhängigen Patentanspruchs mit einem oder mehreren von ihm abhängigen Ansprüchen (Art. 24 Abs. 1 Bst. a und b PatG) eingeschränkt werden soll, ist der Patentinhaber an zwei Voraussetzungen gebunden.

Erstens darf er eine solche Beschränkung nur einmal durchführen, und zweitens ist eine solche nach Ablauf von vier Jahren seit der Patenterteilung ausgeschlossen.

Dagegen lässt das im EPÜ neu eingeführte Beschränkungsverfahren (vgl. hierzu die Ausführungen zu Art. 105a­105c revEPÜ, Ziff. 2.1.3) einen Antrag auf Beschränkung des europäischen Patents jederzeit, d.h. ohne zeitliche Beschränkung zu. Eine Beibehaltung der schweizerischen Sonderregel in Absatz 2 ist daher nicht mehr zweckmässig. Zwar kann der Standpunkt vertreten werden, dass ein Teilverzicht im Zusammenhang mit einem nationalen Patent oder einem für die Schweiz Wirkung entfaltenden europäischen Patent auch mit einem zentralisierten Beschränkungsverfahren möglich sein wird und daher ohne weiteres beibehalten werden könnte, doch ist die Umgehungsmöglichkeit mit Bezug auf europäische Patente bei einer unterschiedlichen Regelung auf nationaler und auf europäischer Ebene offensichtlich. Im Weiteren würden Inhaber von nationalen Patenten und solche von europäischen Patenten ungleich behandelt. Absatz 2 von Artikel 24 PatG ist daher aufzuheben.

11

Vgl. Botschaft vom 19. Sept. 1994 zur Genehmigung der GATT/WTO-Übereinkommen (Uruguay-Runde; GATT-Botschaft 1); BBl 1994 IV 1; Ziff. 2.4.4.2 und 2.4.8.1.

3800

Art. 28a

Wirkung der Änderung im Bestand des Patents

Artikel 28a E-PatG stellt klar, dass nachträgliche Änderungen im Bestand des Patents Wirkung ex tunc, d.h. von Anfang an, haben. Dies gilt nicht nur für eine vom Richter festgestellte Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit, sondern auch für den vom Patentinhaber beantragten Teilverzicht nach Artikel 24 PatG. Mit der Einführung dieses Artikels wird einerseits die bundesgerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf Nichtigkeitsentscheide kodifiziert, andererseits eine Angleichung der Wirkung eines Teilverzichts vor dem IGE an die Wirkung eines vor dem EPA beschränkten oder widerrufenen Patents vorgenommen. Nach Artikel 68 revEPÜ treten die Wirkungen der Entscheidung einer Beschränkung oder eines Widerrufs eines europäischen Patents mit deren Veröffentlichung rückwirkend für alle benannten Vertragsstaaten ein. Mit Bezug auf den schweizerischen Teilverzicht bedeutet dies eine Abkehr von der bisherigen Rechtspraxis, welche die Wirkungen erst im Zeitpunkt des rechtskräftigen Urteils hat eintreten lassen (Wirkung ex nunc). Die Wirkung ex tunc eines Teilverzichts nach Artikel 24 PatG wird dessen Sinn und Zweck besser gerecht.

Durch die freiwillig herbeigeführte Einschränkung kann ein Patent, das wegen einer Fehlbeurteilung bei der Abfassung der Patentansprüche von Anfang an nicht in vollem Umfang rechtsbeständig war, aufrecht erhalten bleiben. Die Angleichung an Artikel 68 revEPÜ vermeidet zudem, dass in Abhängigkeit vom gewählten Verfahren (national oder europäisch) Schutztitel mit zeitlich divergierendem Geltungsbereich resultieren.

Eine Regelung, wonach der Patentinhaber auch mit Wirkung ex nunc auf Patentansprüche verzichten kann, erscheint aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Folgen der Nichtigkeit eines Immaterialgüterrechts nicht erforderlich.

Berechtigte Forderungen, basierend auf demjenigen Teil des Patents, auf den verzichtet worden ist, können auch bei einem ex tunc wirkenden Teilverzicht geltend gemacht werden.12 Ob ein Teilverzicht zulässig war, kann ein Gericht sodann im Rahmen einer späteren Nichtigkeits- oder Verletzungsklage überprüfen und den Teilverzicht gegebenenfalls als unwirksam behandeln.13 Im Interesse der Rechtssicherheit wird deshalb mit Artikel 28a E-PatG festgehalten, dass auch ein Teilverzicht vor dem Institut Wirkung ex tunc entfaltet.

In Bezug auf die Rückwirkung
einer richterlich festgestellten Nichtigkeit eines Patents oder eines Verzichts stellt sich die Frage nach dem Einfluss auf bereits bezahlte Jahresgebühren oder Lizenzgebühren. Jahresgebühren werden auch beim Wegfall eines Patents mit rückwirkender Kraft nicht zurückbezahlt, denn ein im Zeitpunkt der Zahlung vorhandener Rechtsgrund wird nicht rückwirkend beseitigt.

Mit Bezug auf Lizenzverträge findet jedoch eine differenzierte Lösung Anwendung: Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung14 bildet das Bestehen des Rechtsschutzes regelmässig eine Grundlage des Lizenzvertrags. Erweist sich das dem Lizenznehmer zur Verfügung gestellte Recht als ungültig, so fällt nach herrschender Ansicht auch der Lizenzvertrag dahin. Darüber, wie dieses Ergebnis rechtlich zu begründen ist, finden sich in Lehre und Rechtsprechung verschiedene Lösungsansätze. So wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, die Ungültigkeit des Schutzrechts führe dazu, dass die Leistung des Lizenzgebers objektiv unmöglich, der Vertrag mithin nach Artikel 20 OR nichtig sei. Eine andere Ansicht geht dahin, dass der Lizenznehmer 12 13 14

BGE 116 II 195 f.

Vgl. ZH HG 4.6.1973, SMI 1974, 93.

BGE 85 II 38; vgl. auch BGE 116 II 191.

3801

sich auf einen Grundlagenirrtum berufen könne (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Denkbar ist auch die Auflösung des Lizenzvertrages aus wichtigem Grund, wie es das Gesetz für andere Dauerschuldverhältnisse vorsieht.15 Die Beseitigung der Rechtsunsicherheit betreffend die Rechtsgrundlage für das Dahinfallen des Lizenzvertrages kann jedoch nicht Gegenstand dieser Vorlage sein, welche die erforderlichen Änderungen des Patentgesetzes zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte bezweckt. Dies würde im Interesse der Rechtssicherheit vielmehr eine schutzrechtsübergreifende, allgemein gültige Regelung erfordern.

Nach gefestigter bundesgerichtlicher Auffassung ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein registriertes Schutzrecht trotz seiner Nichtigkeit zufolge seiner Scheinexistenz tatsächliche Wirkungen entfalten, die Konkurrenz blockieren und dem Lizenznehmer während einer bestimmten Zeit zum gleichen Wettbewerbsvorsprung wie ein gültiges Recht verhelfen kann; eine vollständige Rückabwicklung des Vertrages wird sich deshalb oft nicht rechtfertigen.16 Die Rückerstattung der ohne Rechtsgrund eingenommenen Lizenzgebühren erfolgt daher in der Regel nicht in ihrer Gesamtheit. Der Lizenzzahlungspflicht ist jedoch spätestens dann die Grundlage entzogen, wenn die tatsächlichen Auswirkungen des Scheinrechts weggefallen sind, so wenn dieses formell nichtig erklärt worden ist oder von den Wettbewerbsteilnehmern allgemein nicht mehr beachtet wird.17 Art. 46a

Weiterbehandlung

Als Konsequenz der Aufhebung von Artikel 24 Absatz 2 PatG wird im Katalog der von der Weiterbehandlung ausgenommenen Fristen in Artikel 46a Absatz 4 PatG der Buchstabe e gestrichen.

Art. 110a

Änderungen im Bestand des Patents

Nach Artikel 110 PatG sind die europäische Patentanmeldung und das europäische Patent in ihrer Wirkung nationalen Patentgesuchen und Patenten gleichzustellen (vgl. Art. 66 bzw. Art. 2 Abs. 2 EPÜ). Da die Wirkungen in Zusammenhang mit dem Einspruchsverfahren und der Einführung des zentralen Beschränkungs- und Widerrufsverfahrens auf Antrag des Patentinhabers beim EPA im EPÜ analog sind (vgl. Art. 105b Abs. 3 revEPÜ), wird mit Artikel 110a E-PatG ein entsprechender Grundsatz für die Änderung im Bestand des europäischen Patents im Patentgesetz festgehalten.

Art. 113

Vorbehalt von Übersetzungen

Das mit den Artikeln 105a­105c revEPÜ neu eingeführte zentrale Beschränkungsverfahren erfordert eine entsprechende Ergänzung von Artikel 113 Absatz 2 PatG.

Im Falle des Beschränkungsverfahrens wird die Frist für die Einreichung der Übersetzung der Patentschrift mit Veröffentlichung des Hinweises auf die Patentbeschränkung im Europäischen Patentblatt ausgelöst.

15 16 17

BGE 116 II 191, E. 3a.

BGE 85 II 38, E. 6a und b; BGE 116 II 191, E. 3a und b.

BGE 116 II 191, E3a.

3802

Art. 121

Umwandlungsgründe

Im Nachgang zur Streichung von Artikel 162 EPÜ sieht Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe a revEPÜ nur noch einen Fall der Zurücknahme der europäischen Anmeldung vor. Der Verweis in Artikel 121 Buchstabe a PatG entfällt deshalb. Artikel 121 Absatz 1 Buchstabe c PatG beinhaltet einen weiteren Verweis, der nach der Aufhebung des bisherigen Artikels 54 Absatz 4 EPÜ einer entsprechenden Anpassung bedarf.

Art. 127 und 128 Beschränkung des Teilverzichts und Aussetzen des Verfahrens Artikel 110 PatG hält fest, dass europäische Patente nach ihrer Erteilung in der Schweiz grundsätzlich dieselben Wirkungen entfalten wie ein nationales Patent (vgl.

Art. 2 Abs. 2 EPÜ). Dies wiederum hat zur Folge, dass der Patentinhaber von der rechtswirksamen Erteilung des Patents an die ihm nach Gesetz zustehenden Ansprüche auf dem Klageweg durchsetzen kann (Art. 66 ff. PatG) und Dritte gegen ihn die Klage auf Nichtigerklärung des europäischen Patents erheben können (Art. 26 PatG). Weiter kann der Patentinhaber nach diesem Zeitpunkt unter gewissen Voraussetzungen auf entsprechenden Antrag beim IGE hin ganz oder teilweise auf sein Patent verzichten.

Schon im Zeitpunkt der Einführung von Artikel 128 PatG stellte sich im Zusammenhang mit dem Einspruchsverfahren vor dem EPA die Frage, ob im Fall der gleichzeitigen Hängigkeit eines Einspruchsverfahrens und eines Patentprozesses vor einem schweizerischen Gericht, bei dem die Gültigkeit des Patents streitig ist, das nationale Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Einspruchsverfahrens ausgesetzt werden sollte. Diese Frage wurde bejaht, um divergierende Urteile zu verhindern. Gleichzeitig wurde jedoch festgehalten, dass die Aussetzung nicht zwingend sei und es daher dem Richter überlassen bleibe, ob er das Verfahren aussetze oder nicht. Mit Bezug auf das Teilverzichtsverfahren ging der Gesetzgeber einen Schritt weiter und entschied, dass ein teilweiser Verzicht auf das europäische Patent überhaupt nicht beantragt werden kann, solange ein Einspruch beim EPA möglich oder aber in einem entsprechenden Verfahren noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Grund dafür war, dass der Einspruch nach Artikel 68 revEPÜ zu einer rückwirkenden Einschränkung des europäischen Patents führen kann und zudem der Grundsatz umgangen werden könnte, wonach der Einspruch das europäische Patent
mit Wirkung für alle benannten Vertragsstaaten erfasst.

Zwar hat auch das europäische Beschränkungs- und Widerrufsverfahren gegenüber nationalen Verfahren (insbesondere Nichtigkeitsverfahren) keinen Vorrang. Die vorstehenden Überlegungen gelten dennoch auch für das neu eingeführte Beschränkungs- und Widerrufsverfahren sowie den Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung der Beschwerdekammer durch die Grosse Beschwerdekammer (Revision). Da das Beschränkungs- und Widerrufsverfahren dem Einspruchsverfahren nachgebildet ist, erweist es sich als zweckmässig, diese beiden Verfahren in die Artikel 127 und 128 PatG einzubeziehen. Je nach Verfahrensinhalt kann es zudem notwendig sein, bei einem der Grossen Beschwerdekammer überwiesenen Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung und einem parallel laufenden nationalen Zivilverfahren Letzteres auszusetzen. Weil jedoch eine Überprüfung nicht unbedingt die Gültigkeit des Patents betreffen muss, wird es auch bei der Behandlung eines Antrags auf Überprüfung möglich sein, einen Antrag auf Teilverzicht einzureichen. Nicht ausgeschlossen ist damit selbstverständlich, dass das IGE ein hängiges Teilverzichtsverfahren sistie3803

ren kann, soweit Fragen beim EPA behandelt werden, die auch den Gegenstand des Teilverzichtsverfahrens betreffen.

Redaktionelle Anpassungen Der Ausdruck «Patentfähigkeit» wird im Gesetz durch den Ausdruck «Patentierbarkeit» ersetzt, wie dies die EPÜ-Revisionsakte vorsieht. Es hat sich nämlich gezeigt, dass eine Unterscheidung zwischen diesen Begriffen nicht konsequent durchgeführt werden kann. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden. Betroffen sind lediglich die Artikel 1 Absatz 2 und Randtitel, 1a sowie 26 Absatz 1 Ziffer 1.

In Artikel 1a wird der Ausdruck «Tierarten» im Gesetz durch den Ausdruck «Tierrassen» ersetzt, wie dies die EPÜ-Revisionsakte in Anpassung an die Regel 23c (b) EPÜ vorsieht.

5.3.2 Art. 112­116

Änderungen zur Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens Aufhebung

Ist eine europäische Patentanmeldung nicht in einer schweizerischen Amtssprache (m.a.W. auf Englisch) veröffentlicht worden, so bestimmt Artikel 112 PatG, dass für einen Schadenersatzanspruch der Tag massgebend ist, an dem der Anmelder eine Übersetzung der Patentansprüche in eine schweizerische Amtssprache dem Beklagten zugestellt oder der Öffentlichkeit durch Vermittlung des IGE zugänglich gemacht hat. Anlässlich der Einführung dieses Artikels ging der Gesetzgeber davon aus, dass die englische Sprache einem schweizerischen Anwender nicht zugemutet werden könne18. Diese Auffassung lässt sich heute nicht mehr bestätigen. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass ein Anwender des europäischen Patentsystems über hinreichende Kenntnisse der englischen Sprache verfügt. Dafür spricht gerade der Umstand, dass Übersetzungen in der Praxis kaum je eingesehen werden, obschon weit über die Hälfte der europäischen Patentanmeldungen und Patente in Englisch veröffentlicht werden. Ausserdem werden Dritten bereits aufgrund der bestehenden Regelung weitgehende Sprachkenntnisse zugemutet: Nach Artikel 112 PatG sind nämlich nur die Patentansprüche, nicht aber die europäische Patentanmeldung insgesamt in eine schweizerische Amtssprache zu übersetzen. In Anbetracht der geänderten Sachumstände und der im Zuge der Ratifizierung des EPÜSprachenübereinkommens notwendigen Aufhebung von Artikel 113 PatG sowie im Bestreben, die durch Übersetzungen bedingten Kosten zu reduzieren, ist Artikel 112 PatG mit Inkrafttreten des EPÜ-Sprachenübereinkommens für die Schweiz zu streichen. Aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich, dass die in Artikel 111 Absatz 2 PatG für den Beginn der Schadenersatzpflicht vorausgesetzte Kenntnis des Inhalts der europäischen Patentanmeldung jedenfalls dann gegeben ist, wenn dem Beklagten die Patentansprüche vorliegen. Mit der Aufhebung von Artikel 112 PatG sollen die Anforderungen an die Verwarnung nach Artikel 111 Absatz 2 PatG nicht erhöht werden; die Streichung versteht sich vielmehr als Folge der Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens.

18

Botschaft 1976, BBl 1976 II 1, 102.

3804

Artikel 113 PatG setzt voraus, dass eine Übersetzung der Patentschrift in einer Amtssprache beim IGE eingereicht werden muss, wenn ein europäisches Patent in Englisch seine Wirkung in der Schweiz entfalten soll. Die Ratifizierung des EPÜSprachenübereinkommens bedingt die Aufhebung von Artikel 113 PatG. Nach Artikel 1 des EPÜ-Sprachenübereinkommens verzichtet nämlich jeder Unterzeichnerstaat auf die in Artikel 65 EPÜ vorgesehenen Übersetzungserfordernisse, soweit er eine Amtssprache mit einer Amtssprache des EPA gemein hat. Für die weitere Begründung kann auf die Ausführungen zum EPÜ-Sprachenübereinkommen (Ziff. 2.2) verwiesen werden.

Bislang gibt Artikel 114 PatG den Anmeldern und Patentinhabern die Möglichkeit, die beim IGE eingereichten Übersetzungen zu berichtigen. Aufgrund der Streichung der Artikel 112 und 113 PatG wird dieser Artikel obsolet und wird daher gestrichen (vgl. jedoch die Ausführungen zu Art. 148 E-PatG).

Auch die Streichung von Artikel 116 PatG ergibt sich als Folge der Verpflichtung aus dem EPÜ-Sprachenübereinkommen. Bisher konnten sich Dritte gegenüber dem Patentinhaber auf die nach diesem Übereinkommen vorgesehene Übersetzung berufen, wenn der sachliche Geltungsbereich der europäischen Patentanmeldung oder des europäischen Patents in dieser Fassung enger ist als in derjenigen der Verfahrenssprache. Da mit Inkrafttreten des EPÜ-Sprachenübereinkommens auf Übersetzungen von englischsprachigen Patenten verzichtet wird, erweist sich auch dieser Artikel als nicht mehr erforderlich (vgl. jedoch die Ausführungen zum neuen Art. 148 PatG). Damit zusammenhängend ist auch die Streichung von Artikel 115 PatG vorzunehmen. Dieser Artikel ist 1976 allein mit Rücksicht auf die Ausnahmeregel von Artikel 116 PatG aufgenommen worden19. Der Grundsatz von Artikel 115 PatG, wonach für den sachlichen Geltungsbereich der europäischen Patentanmeldung und des europäischen Patents die Fassung in der Verfahrenssprache des EPA verbindlich ist, bleibt jedoch erhalten. Er ergibt sich bereits aus Artikel 70 Absatz 1 EPÜ.

Art. 148

Vorbehalt von Übersetzungen und verbindliche Sprachen

Nach Artikel 148 Absatz 1 E-PatG braucht für europäische Patente, die nicht in einer schweizerischen Amtssprache veröffentlicht werden, keine Übersetzung der Patentschrift nach Artikel 113 Absatz 1 PatG eingereicht zu werden, wenn die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung im Europäischen Patentblatt oder, im Falle der Aufrechterhaltung des Patentes mit geändertem Umfang, die Veröffentlichung des Hinweises auf die Entscheidung über einen Einspruch oder, im Falle der Beschränkung des Patents, die Veröffentlichung des Hinweises auf die Beschränkung weniger als drei Monate vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgt.

Bisher standen nach Artikel 113 Absatz 2 PatG drei Monate ab der Veröffentlichung des europäischen Patents in Englisch zur Verfügung, um eine entsprechende Übersetzung in eine schweizerische Amtssprache einzureichen. Im Sinne einer benutzerfreundlichen Regelung, die gleichzeitig die Rechtssicherheit garantieren soll, ist es daher angemessen, die erwähnte Übersetzungspflicht drei Monate vor dem Inkrafttreten des revidierten Gesetzes dahinfallen zu lassen.

19

Botschaft 1976, BBl 1976 II 1, 103.

3805

Absatz 2 stellt klar, dass auch nach Inkrafttreten des EPÜ-Sprachenübereinkommens sowohl die Berichtigung von Übersetzungen nach Artikel 114 PatG als auch die Möglichkeit einer Berufung Dritter auf Übersetzungen und deren Wirkungen nach Artikel 116 PatG Anwendung finden sollen, solange Übersetzungen nach Artikel 112 PatG entweder dem Beklagten zuzustellen oder der Öffentlichkeit durch Vermittlung des IGE zugänglich zu machen sind oder nach Artikel 113 PatG dem IGE eingereicht werden müssen.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Zuständigkeit des Bundes im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten resultiert aus den Artikeln 54 Absatz 1 und 184 BV.

Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von Vorschriften über Erfindungspatente ergibt sich aus Artikel 122 BV, der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung im Zivilrecht gibt. Diese Zuständigkeit umfasst auch Änderungen des Patentgesetzes.

6.2

Erlassform

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die Genehmigung der EPÜRevisionsakte sowie des EPÜ-Sprachenübereinkommens ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Es bleibt zu prüfen, ob die Genehmigungsbeschlüsse der Bundesversammlung nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind. Völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 1 BV), die den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 2 BV) oder die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 BV), sind dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Die beiden in Frage stehenden internationalen Übereinkommen sind jederzeit kündbar (vgl. Art. 174 revEPÜ und Art. 8 EPÜ-Sprachenübereinkommen). Da die Schweiz bereits Vertragsstaat des Europäischen Patentübereinkommens ist, tritt sie mit der Ratifikation der EPÜ-Revisionsakte nicht erstmals der Europäischen Patentorganisation bei. Auch die Ratifizierung des EPÜ-Sprachenübereinkommens ist nicht mit einem Beitritt zu einer internationalen Organisation verbunden, der die Schweiz noch nicht angehört.

Es bleibt daher zu bestimmen, ob die Übereinkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder den Erlass von Bundesgesetzen erfordern. Unter rechtsetzenden Bestimmungen versteht man gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generellabstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten im innerstaatlichen Recht Bestimmungen, die gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

3806

Das Europäische Patentübereinkommen wird durch die EPÜ-Revisionsakte formell vollständig revidiert, materiell handelt es sich indessen um eine Teilrevision (siehe Ziff. 1.1.4). Eine inhaltliche Bewertung erweist sich als schwierig: Auf der einen Seite beinhaltet die Reform eine grosse Zahl rechtstechnischer bzw. verfahrenstechnischer Änderungen oder die Verankerung bewährter Praxis. Auf der anderen Seite sind einzelne Reformpunkte als bedeutend zu werten, so etwa die Institutionalisierung von Ministerkonferenzen oder die Einführung eines Beschränkungs-, Widerrufs- und Revisionsverfahrens. Es braucht indessen nicht abschliessend geklärt zu werden, ob es sich bei diesen Änderungen um wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV handelt. In jedem Falle erfordert die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte deren Umsetzung auf Gesetzesstufe. Daraus folgt, dass der Bundesbeschluss zur Genehmigung der EPÜRevisionsakte dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen ist. Entsprechendes gilt für die Genehmigung des EPÜ-Sprachenübereinkommens.

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